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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. Untersuchungen an Photohaloiden Von A. NARATH, F. KLÖTZER und W . BERTHOLD Aus dem Institut für angewandte Photochemie der Techn. Universität Berlin-Charlottenburg (Z. Naturforschg. 7 b, 429—433 [1952]; eingegangen am 10. Mai 1952) Nach L ü p p o - C r a m e r hergestellte Photohaloid-Emulsionen wurden in ihrem Verhalten bei Belichtung, bei chemischer und physikalischer Entwicklung sowie elektronenmikroskopisch untersucht. Die elektronenmikroskopische Untersuchung der Photohaloide ergab: 1. Photobromid und nach dem gleichen Verfahren hergestelltes Bromsilber zeigen bei elek- tronenoptischer Abbildung keine scharf begrenzte Oberfläche. 2. Eine solche bildet sich aber aus unter dem Einfluß der Elektronenbestrahlung. 3. Bei unbestrahlten Präparaten treten keine Elektroneninterferenzen auf, sondern diffuse Ringe; dagegen sind bei Röntgenstrukturaufnahmen die Interferenzen sofort sichtbar. 4. Nach Elektronenbestrahlung treten Interferenzen auf, und zwar in zeitlicher Übereinstim- mung mit den sichtbaren Oberflächenveränderungen infolge der Elektroneneinwirkung. Photo- bromid zeigte dabei neben den Bromsilber- auch Silberinterferenzen, beim Bromsilber sind diese nur andeutungsweise zu sehen. 5. Die bei der Fällung des Photobromids eingebauten Silberteilchen waren bei der elektronen- optischen Abbildung nicht sichtbar. Da die Silberinterferenzen zu Beginn der Bestrahlung eben- falls nicht nachweisbar sind, wäre es möglich, daß auch die Silberpartikel im Photobromid sich in einem ähnlichen Zustande befinden, wie der Oberflächenbezirk des Bromsilbers. Ü ber die Natur der beim Belichten von Halogen- silber entstehenden Produkte sind im Laufe der Zeit verschiedene Theorien aufgestellt worden. Alle diese Theorien stimmen darin überein, daß durch die Belichtung der Halogensilberkristall zunächst in be- grenzten Bezirken irgendeine Strukturänderung er- fährt oder daß derartige Bezirke, die bereits vor der Belichtung vorhanden sind, durch die Lichteinwir- kung wachsen. Durch indirekte Methoden und durch Analogieschlüsse gelangte man zu der Annahme, daß diese Bezirke, die sog. „Keime", aus atomarem Sil- ber, aus Silbersulfid oder aus beidem bestehen. Es ist nun möglich, in das Halogensilber bereits bei der Fällung kolloides Silber mit einzulagern, und es ist von Interesse, dieses synthetische Produkt auf sein Verhalten zu untersuchen. In der Literatur sind diese „Photohaloide" bereits seit 1887 bekannt geworden durch die Arbeiten von Carey Lea 1 , der die Photohaloide zuerst künstlich herstellte und sehr ein- gehend untersuchte. Er gelangte zu den folgenden Ergebnissen: Wird das Halogensilber in einer Lösung von kolloidem Silber gefällt, so wird das Silber in das Halogensilber eingebaut. Es färbt dabei das Halogen- silber (meist purpurfarben) an und kann durch Sal- 1 Carey Lea, „Kolloides Silber und die Photo- haloide". Neu bearbeitet von L ü p p o - C r a m e r , Dres- den 1908. petersäure nicht mehr entfernt werden. Obwohl es Carey Lea nicht gelang, stöchiometrische Mengen- verhältnisse in dieser Substanz festzustellen, nahm er doch die Existenz eines Subhaloids an und kam dann auf Grund seiner Versuche zu der Annahme, daß dieses Subhaloid eine lackartige Verbindung mit dem reinen Halogensilber eingehen müsse, woraus seine Unlöslichkeit bzw. Widerstandsfähigkeit gegen Salpetersäure resultiere. Lüppo-Cramer griff diese Untersuchungen später wieder auf und gab ihnen eine andere Deu- tung, indem er eine Adsorptionsverbindung zwischen Halogensilber und Silber annahm, die in nicht stöchio- metrischen Mengenverhältnissen vorliegen solle, bei der die beiden Komponenten nur durch van der Waalssche Kräfte zusammengehalten werden. Auch durch Messungen der Dielektrizitätskonstanten wurde von F e i c k und S c h a u m 2 das Vorliegen einer Adsorptionsverbindung wahrscheinlich gemacht. Alle diese Untersuchungen führten leider nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. In Anbetracht ihrer Be- deutung für die Theorie des photographischen Pro- zesses erschien es lohnend, unter Einsatz moderner Methoden die Versuche erneut aufzunehmen. 2 R. F e i c k u. K. S c h a u m , Z. wiss. Photogr., Photophysik, Photochem. 23, 389 [1925].

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

Untersuchungen an Photohaloiden V o n A . NARATH, F . KLÖTZER u n d W . BERTHOLD

Aus dem Institut für angewandte Photochemie der Techn. Universität Berlin-Charlottenburg (Z. Naturforschg. 7 b, 429—433 [1952]; eingegangen am 10. Mai 1952)

Nach L ü p p o - C r a m e r hergestellte Photohaloid-Emulsionen wurden in ihrem Verhalten bei Belichtung, bei chemischer und physikalischer Entwicklung sowie elektronenmikroskopisch untersucht. Die elektronenmikroskopische Untersuchung der Photohaloide ergab:

1. Photobromid und nach dem gleichen Verfahren hergestelltes Bromsilber zeigen bei elek-tronenoptischer Abbildung keine scharf begrenzte Oberfläche.

2. Eine solche bildet sich aber aus unter dem Einfluß der Elektronenbestrahlung. 3. Bei unbestrahlten Präparaten treten keine Elektroneninterferenzen auf, sondern diffuse

Ringe; dagegen sind bei Röntgenstrukturaufnahmen die Interferenzen sofort sichtbar. 4. Nach Elektronenbestrahlung treten Interferenzen auf, und zwar in zeitlicher Übereinstim-

mung mit den sichtbaren Oberflächenveränderungen infolge der Elektroneneinwirkung. Photo-bromid zeigte dabei neben den Bromsilber- auch Silberinterferenzen, beim Bromsilber sind diese nur andeutungsweise zu sehen.

5. Die bei der Fällung des Photobromids eingebauten Silberteilchen waren bei der elektronen-optischen Abbildung nicht sichtbar. Da die Silberinterferenzen zu Beginn der Bestrahlung eben-falls nicht nachweisbar sind, wäre es möglich, daß auch die Silberpartikel im Photobromid sich in einem ähnlichen Zustande befinden, wie der Oberflächenbezirk des Bromsilbers.

Über die Natur der beim Belichten von Halogen-silber entstehenden Produkte sind im Laufe der

Zeit verschiedene Theorien aufgestellt worden. Alle diese Theorien stimmen darin überein, daß durch die Belichtung der Halogensilberkristall zunächst in be-grenzten Bezirken irgendeine Strukturänderung er-fährt oder daß derartige Bezirke, die bereits vor der Belichtung vorhanden sind, durch die Lichteinwir-kung wachsen. Durch indirekte Methoden und durch Analogieschlüsse gelangte man zu der Annahme, daß diese Bezirke, die sog. „Keime", aus atomarem Sil-ber, aus Silbersulfid oder aus beidem bestehen.

Es ist nun möglich, in das Halogensilber bereits bei der Fällung kolloides Silber mit einzulagern, und es ist von Interesse, dieses synthetische Produkt auf sein Verhalten zu untersuchen. In der Literatur sind diese „Photohaloide" bereits seit 1887 bekannt geworden durch die Arbeiten von C a r e y L e a 1 , der die Photohaloide zuerst künstlich herstellte und sehr ein-gehend untersuchte. Er gelangte zu den folgenden Ergebnissen: Wird das Halogensilber in einer Lösung von kolloidem Silber gefällt, so wird das Silber in das Halogensilber eingebaut. Es färbt dabei das Halogen-silber (meist purpurfarben) an und kann durch Sal-

1 C a r e y L e a , „Kolloides Silber und die Photo-haloide". Neu bearbeitet von L ü p p o - C r a m e r , Dres-den 1908.

petersäure nicht mehr entfernt werden. Obwohl es Carey Lea nicht gelang, stöchiometrische Mengen-verhältnisse in dieser Substanz festzustellen, nahm er doch die Existenz eines Subhaloids an und kam dann auf Grund seiner Versuche zu der Annahme, daß dieses Subhaloid eine lackartige Verbindung mit dem reinen Halogensilber eingehen müsse, woraus seine Unlöslichkeit bzw. Widerstandsfähigkeit gegen Salpetersäure resultiere.

L ü p p o - C r a m e r griff diese Untersuchungen später wieder auf und gab ihnen eine andere Deu-tung, indem er eine Adsorptionsverbindung zwischen Halogensilber und Silber annahm, die in nicht stöchio-metrischen Mengenverhältnissen vorliegen solle, bei der die beiden Komponenten nur durch van der Waalssche Kräfte zusammengehalten werden. Auch durch Messungen der Dielektrizitätskonstanten wurde von F e i c k und S c h a u m 2 das Vorliegen einer Adsorptionsverbindung wahrscheinlich gemacht.

Alle diese Untersuchungen führten leider nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. In Anbetracht ihrer Be-deutung für die Theorie des photographischen Pro-zesses erschien es lohnend, unter Einsatz moderner Methoden die Versuche erneut aufzunehmen.

2 R. F e i c k u. K. S c h a u m , Z. wiss. Photogr., Photophysik, Photochem. 23, 389 [1925].

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I. H e r s t e l l u n g u n d E i g e n s c h a f t e n d e r P h o t o h a l o i d e

Für die chemische Herstellung der Photohaloide stehen prinzipiell zwei Wege zur Verfügung:

1. Das erforderliche kolloide Silber wird während der Herstellung des Halogensilbers durch Re-duktion aus den verwendeten Silbersalzen er-zeugt.

2. Das fein verteilte Silber wird in elementarer Form im geeigneten Moment der Herstellung des Halogensilbers diesem zugefügt.

Eine große Anzahl von Verfahren sind angegeben worden, um nach diesen zwei Methoden Photo-bromide herzustellen. Für die vorliegenden Unter-suchungen wurde ein von L ü p p o - C r a m e r 3 an-gegebenes Darstellungsverfahren verwendet. Es han-delt sich dabei um Peptisation des aus wäßrigen Lö-sungen ausgeflockten Photobromides in einer Gela-tinelösung, der ein Elektrolyt zugesetzt wird.

Es wurden folgende Mengenverhältnisse verwendet:

Lösung A: 1 l dest. Wasser, 0,76 g Kaliumbromid. Lösung B: 1 l dest. Wasser, 1 g Silbernitrat.

Lösung B wird unter Rühren in Lösung A gegeben, wo-bei ein schwach getrübtes Bromsilberhydrosol entsteht. In dieses wird unter ständigem Rühren die kolloide Silber-lösung gegossen. Um einen Überschuß an Silber zu haben, sind etwa 75 ccm der nach Carey Lea hergestellten Lö-sung erforderlich. Nach einigen Minuten werden 25 ccm konz. Schwefelsäure zugesetzt. Während der ganzen Zeit wird weitergerührt. Die Lösung trübt sich sofort stark, und nach kurzer Zeit bilden die koagulierten Kolloide große Flocken, die sich schnell absetzen. Nach Abdekantie-ren der Lösung wird das Photobromid mit 50 ccm 1 : 1 verdünnter konz. Salpetersäure behandelt, wobei sich die Farbe merklich aufhellt, ein Zeichen, daß Silber im Über-schuß vorhanden ist.

Für die Peptisation werden 5 g Gelatine und 0,5 g Kaliumbromid in 50 ccm dest. Wasser gelöst. Die 60° warme Gelatinelösung wird über das Photobromid ge-gossen und etwa Va Stdn. intensiv gerührt. Nach dieser Zeit hat sich das Photobromid sehr feinkörnig in der Gela-tine verteilt und verleiht dieser eine purpurne Farbe.

Zum Vergleich wurde eine Bromsilberemulsion unter völlig gleichen Verhältnissen wie die Photo-haloidemulsion hergestellt. Es wurde das koagulierte Bromsilber also auch mit 1 : 1 verdünnter konz. Sal-petersäure behandelt. Die Peptisation erfolgte etwas schwieriger als die bei Photobromid, gelang jedoch zufriedenstellend.

Nach der von Lüppo-Cramer angegebenen Me-

3 L. L ü p p o - C r a m e r , Photogr. Korresp. 1909, 397 ff.

thode zur Herstellung von Photobromidemulsionen wurden auch Photochlorid- und Photojodid-Emulsionen hergestellt. Im Gegensatz zu der Angabe Lüppo-Cramers, Photochlorid ließe sich auf diesem Wege nicht gewinnen, gelang es gut, nach dieser Methode Photochloridgelatine - Emulsionen herzustellen. Bei Photojodid ging die Peptisation sehr schwer vor sich. Eine bessere Verteilung des Photojodides in der Gelatine gelang mit Hilfe von Ultraschall.

Es wurden im Verlauf der Arbeit etwa 30 Emul-sionen hergestellt, wobei die Konzentrationsverhält-nisse z. Tl. variiert wurden, z. B. wurde die zum Pep-tisieren verwendete Gelatinemenge in gewissen Gren-zen verändert. Es gelang auch, stärker konzentrierte Photobromidgelatine-Emulsionen herzustellen, als die von Lüppo-Cramer beschriebenen.

Je nach der Konzentration war die Farbe der Emulsionen verschieden. Verdünnte Photobromid-gelatineemulsionen sahen hellrosa, konzentriertere tiefpurpurn aus. Die Photochloridemulsionen zeigten in verdünntem Zustand eine gelbrote, in konzentrier-terem Zustand eine braunrote Farbe.

Die Photojodidemulsionen waren in verdünnter Form hellrot, in konzentrierterer braunrot.

Durch Lichteinwirkung traten Farbänderungen der Emulsionen auf. Photobromidemulsionen, die in schwacher Konzentration hellrot aussahen, bleichten bei Einwirkung von Tageslicht innerhalb weniger Sekunden zu einem hellgrauen Farbton aus. Die von Lüppo-Cramer nicht untersuchten, stärker konzen-trierten purpurnen Photobromidemulsionen dunkelten bei geringer Belichtung zunächst nach, um bei stär-kerer Belichtung ebenfalls zu einem Hellgrau auszu-bleichen. Photochloridemulsionen zeigten in schwach konzentrierter Form keine sofortige Ausbleichung, sondern dunkelten wie stark konzentrierte Photo-bromidschichten nach. Ebenso verhielten sich stärker konzentrierte Photochloridemulsionen. Bei stärkerer Belichtung bleichten auch die Photochloridemulsionen zu einem Hellgrau aus, jedoch war dazu eine wesent-lich größere Lichtmenge erforderlich als beim Photo-bromid.

Photojodidemulsionen verhielten sich in verdünnter, hellroter Form ähnlich wie die hellroten Photobromid-schichten, d. h. sie bleichten innerhalb weniger Sekun-den bei Tageslicht zu einem Hellgrau aus. Bei den konzentrierteren, braunroten Photojodidemulsionen trat wie bei den konzentrierten Photobromid- und Photochloridemulsionen zunächst eine Nachdunkelung auf, die bei sehr starker Belichtung in ein Hellgrau

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überging. Auch hier war die dazu erforderliche Licht-menge bei weitem größer als beim Photobromid.

- Bei Bestrahlung mit Röntgenstrahlen traten die gleichen Effekte auf wie bei Bestrahlung mit inten-sivem weißem Licht.

Bei diemischer Entwicklung vor Belichtung wurden nicht nur Photobromid- und Photojodidemulsionen geschwärzt, sondern auch Photochloridemulsionen im Gegensatz zu den Angaben Lüppo-Cramers.

Bei chemischer Entwicklung nach Belichtung ent-stand bei Photobromidemulsionen sofort ein um-gekehrtes Bild, wohingegen Photochlorid- und Photo-jodidemulsionen zunächst ein gewöhnliches negatives Bild mit einem starken Grundschleier zeigten. Bei weiterer Belichtung trat auch hier eine Umkehrung zu einem positiven Bild auf. Es ist auf Grund dieser Tatsachen anzunehmen, daß Photobromid in einem ähnlichen Zustand vorliegt wie Bromsilber im Sola-risationsgebiet. Photochlorid und Photojodid scheinen sich dagegen in einem Zustand zu befinden wie ge-wöhnliches Bromsilber kurz vor dem Solarisations-gebiet. Physikalische Entwicklung von Photobromid brachte die gleichen Ergebnisse wie die chemische Entwicklung.

Bezüglich der Farbanpassung verhielten sich die Photohaloide verschieden. Photobromid zeigte keinen Farbanpassung. Photochlorid nahm bei Bestrahlung mit rotem und grünem Licht (in geringem Maße auch mit blauem Licht) die Farbe dieses Lichtes an. Photo-jodid zeigte eine komplementäre Farbanpassung, die bei Blau, Grün und Gelb gut ausgeprägt war.

Es wurden nach zwei verschiedenen Methoden Photobromidemulsionen hergestellt, die an Stelle von Silber Gold enthielten. Beide Emulsionen zeigten keine Photobromideigenschaften.

Ein Herschel-Effekt wurde an Photobromidschich-ten nicht beobachtet.

II. E l e k t r o n e n m i k r o s k o p i s c h e U n t e r -s u c h u n g e n

Für die elektronenmikroskopischen Aufnahmen standen ein elektrostatisches und ein elektromagneti-sches Elektronenmikroskop zur Verfügung, so daß es durch Vergleiche möglich war, etwaige, durch die Aufnahmegeräte bedingte Fehler weitgehend aus-zuschalten.

Zum Aufbringen der Präparate auf die Objektträger wurde zunächst folgende Methode angewandt:

Die Photobromid-Gelatine-Lösung wurde im Verhältnis 1 : 100 mit dest. Wasser verdünnt, mit einem Drahtring eine dünne Flüssigkeitslamelle entnommen und auf den

mit einer dünnen Kollodiumhaut überzogenen Objekt-träger gebracht. Da aber der Prozentsatz der brauchbaren Präparate bei diese Methode relativ klein war, weil die Schichten im Elektronenmikroskop oft zu stark absorbier-ten, wurde im weiteren Verlauf der Untersuchungen die nachstehende Präpariermethode angewandt, die recht gute Resultate lieferte.

Das ausgeflockte und getrocknete Photobromid wurde nicht in Gelatine, sondern in einer Kollodiumlösung pepti-siert, deren Äthergehalt durch Verdunstung sich stark ver-ringert hatte (das Gesamtvolumen war auf die Hälfte zu-rückgegangen) und die dann mit Amylacetat auf das alte Volumen aufgefüllt worden war. Da das Peptisieren durch Verreiben keine befriedigenden Ergebnisse brachte, wurde die Suspension mit Ultraschall behandelt (10 Min. bei 300 kHz mit 100 Watt Leistung, von der aber nur ein Bruchteil im Präparat zur Wirkung kam). Es entstand eine purpurfarbene Suspension, von der ein Tropfen auf eine Wasserfläche gegeben wurde, so daß eine dünne Haut entstand, die sich durch Absenken des Wasserspiegels auf die darunter befindlichen Objektträger auflegte.

a) E l e k t r o n e n o p t i s c h e A b b i l d u n g e n

Bei den elektronenmikroskopischen Untersuchun-gen zeigte es sich, daß die Präparate von Photo-bromid und Silberbromid sich unter dem Einfluß der Elektronenbestrahlung verändern. Obwohl eine Be-einflussung von Bromsilber durch Elektronenbestrah-lung seit den Untersuchungen von v. A r d e n n e be-kannt ist, erschien es notwendig, den zeitlichen Ver-lauf besonders in den ersten Stadien näher zu unter-suchen. Die Abb. 1 a* und 1 b sowie 2 a und 2 b zeigen den Verlauf der Änderung an Photobromidgelatine-präparaten. Allen Aufnahmen gemeinsam ist folgen-des: Unmittelbar nach dem Einschalten des Mikro-skopes ist das von den einzelnen Bromsilberkörnern gelieferte Bild sehr unscharf, und zwar auch dann, wenn die Mikroskopeinstellung vollkommen in Ord-nung ist. Erst im Verlaufe der Bestrahlung werden die Konturen schärfer und das gesamte Bild wird kontrastreicher, ohne daß eine Nachstellung des Mikroskopes vorgenommen wurde. Daß sich die Ein-stellung nicht geändert hat, geht aus der Betrachtung der in den Abb. 1 a und 1 b mit einem Pfeil bezeich-neten Stellen hervor, an denen sich eine Verunreini-gung des Präparates befindet. Diese ist bei beiden Aufnahmen fast gleich scharf und nur bei Abb. 1 b etwas kontrastreicher, weil die Trägerfolie hier durch die Bestrahlung durchlässiger geworden ist. Daß auch bei der Aufnahme der Abb. 2 a eine scharfe Ab-bildung vorlag, ist an den Löchern in der Kollodium-haut zu erkennen, die sich in Abb. 2 b mehr oder weniger bis zum Rand der „Blasen" erstrecken. In

* Abb. 1—7, s.Tafeln, S.432a und b.

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Abb. 2 a sind die Löcher z. Tl. schon vorhanden, ihr Durchmesser ist wesentlich kleiner. In der Original-aufnahme von Abb. 2 a sind die Konturen dieser klei-nen Löcher innerhalb der viel größeren „Blasen" aber scharf begrenzt. (In der Reproduktion nicht gut er-kennbar, da auf die Bromsilberkörner exponiert wurde.) Bei längerer Bestrahlung erfolgt eine Art Zusammensintern oder Schmelzen des Präparates, wo-bei die Substanz der einzelnen Körner ihren ursprüng-lichen Platz verläßt, so daß Hohlräume sichtbar wer-den. Besonders interessant dürften die Anfangsstadien der Veränderungen sein: Die unscharf verlaufenden Konturen zu Beginn und die schärfere Begrenzungs-ausbildung im Verlauf weniger Sekunden, die sich naturgemäß auf dem Leuchtschirm besser verfolgen läßt als auf den oft nicht schnell genug herzustellen-den Aufnahmen, bei denen sich Bewegungen der Kollodiumfolie des Objektträgers störend bemerkbar machen können. Im Gegensatz hierzu findet S e i m e 4 , daß zu Beginn der Elektronenbestrahlung die Kon-turen der Bromsilberkristalle scharf ausgebildet sind (s. Seite 363, 12. Zeile von unten). Möglicherweise könnte dies damit zusammenhängen, daß entweder das erste Stadium der Beobachtung entgangen ist oder daß es sich um andersartige Präparate handelt.

Zum Vergleich wurden auch Aufnahmen des kol-loiden Silbers gemacht, das zur Herstellung des Photobromides diente. Von den in Abb. 3 sichtbaren kleinen Silberpartikeln ist in beiden Photobromid-aufnahmen nichts zu erkennen. Sie haben sich dem-nach entweder im Bromsilber „aufgelöst" oder sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Absorptionsfähig-keit nicht genügend vom Bromsilber.

Bei den Abb. 4 a und 4 b ist noch eine merkwür-dige Erscheinung zu beobachten: Bei einigen der ziemlich großen Photobromidpartikel tritt durch die Bestrahlung ein Wachsen des Durchmessers ein, und es löst sich anscheinend eine äußere Hülle ab, die vom Kern durch einen schmalen, scharf begrenzten Riß getrennt ist.

b) E l e k t r o n e n i n t e r f e r e n z a u f n a h m e n

Die gemachten Beobachtungen scheinen auf eine besondere Struktur der Oberflächenzone der Partikel hinzudeuten, und es wurde daher der Versuch ge-

4 P i e r r e S e i m e , „Evolution de la structure des grains de bromure d'argent exposés à un faisceau d élec-trons". Sei. Ind. photogr. 22, 361—368 [1951],

5 Lit. s. bei D. W. P a s h 1 e y : „Fundamental Me-chanism of Photographical Sensivity" Proceed. of a Sym-posium held at the University of Bristol", London 1951. S. 39—45.

macht, diese Struktur durch Elektronenbeugungsauf-nahmen zu untersuchen: Sowohl mit Gelatine- als auch mit Kollodiumpräparaten gelang es nicht, sofort Interferenzbilder zu erhalten. Dieses negative Ergeb-nis wurde darauf zurückgeführt, daß die Substanz-menge im Verhältnis zum Einbettungsmittel zu ge-ring war. Es wurde deshalb die Präpariermethode abgeändert: Mit Hilfe von Ultraschallanwendung gelang es, die ausgewaschenen, bindemittelfreien Photobromid- und Bromsilberfällungen in Wasser zu dispergieren. Die Suspensionen von Bromsilber sahen nach 1/2 Stde. Ultraschallbehandlung milchig weiß, die von Photobromid violett aus. Von diesen Suspensio-nen wurden jeweils mehrere Tropfen auf den Objekt-träger gegeben, wobei nach Aufbringen eines jeden Tropfens so lange gewartet wurde, bis er eingetrock-net war. Es konnten auf diese Art die günstigsten Objektdicken hergestellt werden.

Nach dem Einschalten des auf Interferenzaufnah-men umgestellten Elektronenmikroskopes zeigte sich auch hier wieder zunächst nur eine diffuse Streuung mit einem intensiven Hof um den Primärstrahl. Nach wenigen Sekunden änderte sich aber das Bild und es erschienen bei allen Präparaten Interferenzen. Neben den Bromsilberinterferenzen zeigten die Photobromid-präparate deutlich sichtbare Ag-Interferenzen, wäh-rend diese beim reinen Bromsilber nur so schwach waren, daß man sie nicht immer mit Sicherheit er-kennen konnte5. Bei einzelnen Aufnahmeserien hatte es den Anschein, als ob die Silberinterferenzen beim reinen Bromsilber bei längerer Bestrahlung noch zu-rückgingen.

Diese Tatsache scheint in Widerspruch zu stehen mit den elektronenoptischen Bildern stark bestrahl-ter Kristalle, bei denen schließlich nur noch leere Hül-len übrigbleiben, während außerhalb eine große An-zahl von Teilchen sichtbar wird, die bisher als Silber-teilchen angesprochen wurden. Es ist nicht ausge-schlossen, daß es sich hierbei um Bromsilberteilchen mit eingeschlossenem Silber oder um Silberteilchen mit einer oberflächlichen Bromsilberschicht handelt. Es muß übrigens sichergestellt sein, daß bei einer durch starke Bestrahlung eintretenden „Verdampfung" der

Abb. 1 a. Photobromid vor der Bestrahlung. Abb. 1 b. Photobromid nach der Bestrahlung. Abb. 2 a. Photobromid vor der Bestrahlung. Abb. 2 b. Photobromid nach der Bestrahlung. Abb. 4 a. Photobromid vor der Bestrahlung. Abb. 4 b. Photobromid nach der Bestrahlung.

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A.Narath, F.Klötzer und W.Berthold, Untersuchungen an Photohaloiden (S.429)

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Abb. 5. Elektroneninterferenzen an Photobromid. a) nach 1 sec; b) nach 30 sec; c) nach 60 sec; d) nach 180 sec. Abb. 6. Elektroneninterferenzen an Silberbromid. a) nach 1 sec; b) nadi 30 sec; c) nach 60 sec; d) nach 180 sec;

Abb. 3. Kolloides Silber. Abb. V. Elektroneninterferenzen an kolloidem Silber.

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Substanz diese nicht außerhalb des Querschnittes des Elektronenstrahlenbündels gerät. Um eine Verände-rung der Präparate während der einzelnen Aufnah-men nach Möglichkeit auszuschalten, wurden sie beim Belichten seitlich verschoben, so daß immer wieder unbelichtete Teile in den Strahlengang kamen (Abb. 5 a bis d und 6 a bis d). Der zeitliche Verlauf entspricht dem im Elektronenmikroskop zu beobach-tenden Erscheinungen der unscharfen Begrenzung der Körner und der darauf folgenden besseren Konturen-bildung. Entsprechende Beobachtungen wurden auch an den bindemittelfreien Präparaten gemacht, die für die Beugungsaufnahmen verwendet wurden. Das Auf-treten der Interferenzringe und auch der Silberinter-ferenzen beim Photobromid fällt also zeitlich zusam-men mit der Ausbildung einer schärferen Abgrenzung der Partikeloberfläche. Man kann daraus evtl. den Schluß ziehen, daß die Oberfläche durch die Pepti-sation bzw. die Ultraschallbehandlung sich zunächst in einem „aufgequollenen" Zustand befindet, der durch die Bestrahlung verschwindet und in den nor-malen Kristallzustand übergeht. Wir halten es nicht für ausgeschlossen, daß bei der Peptisation infolge von Oberflächenaktivität fremde Moleküle, vielleicht Wassermoleküle, adsorbiert oder bereits beim Fäl-lungsvorgang mit eingeschlossen werden, womit auch die runde Form der Körner in Zusammenhang stehen dürfte. Präparate von kolloidem Silber, die zum Ver-gleich in gleicher Weise hergestellt wurden, verhiel-ten sich ganz anders. Sofort nach dem Einschalten des Elektronenstrahles war das Beugungsbild in voller Helligkeit und Schärfe sichtbar und veränderte sich auch bei intensiver Bestrahlung nicht (Abb. 7).

Daß es sich bei der beobachteten Erscheinung um eine reine Oberflächenangelegenheit handelt und nicht um eine Eigenschaft des gesamten Kornes, wurde durch Röntgeninterferenzaufnahmen wahr-scheinlich gemacht. Diese Röntgenaufnahmen wurden in der Art hergestellt, daß das Präparat, welches eine Ausdehnung von 3 0 X 5 0 mm'2 hatte, während der Be-lichtung in einem genau definierten Abstand vom Röntgenfilm durch Auf- und Abwärtsbewegung und

gleichzeitige seitliche Verschiebung durch das Rönt-genstrahlenbündel hindurchgeführt wurde, so daß jeder Punkt des Präparates weniger als eine Sekunde belichtet wurde. Eine Veränderung der Präparate dürfte in dieser kurzen Zeit nicht eingetreten sein. Auch die Purpurfarbe, die bei längerer Bestrahlung verschwindet, blieb erhalten. Die Aufnahmebedingun-gen entsprachen demnach denjenigen, unter welchen jedesmal die ersten Elektronenbeugungsaufnahmen einer Serie gemacht wurden, die keine Interferenzen zeigen, während die Röntgeninterferenzen sofort vor-handen sind. Dieser Unterschied läßt sich dadurch er-klären, daß bei Elektronenbeugungsaufnahmen nur die veränderliche Oberfläche die Interferenzen er-zeugt, bei Röntgeninterferenzaufnahmen aber das ge-samte Volumen der kleinen Körner daran beteiligt ist. Silberinterferenzen wurden bei den Röntgenaufnah-men nicht beobachtet. Wahrscheinlich ist das Silber beim Photobromid hauptsächlich in der Oberfläche eingebaut, so daß sein prozentualer Anteil hier größer ist und daher die Ag-Interfernzen zwar bei den Elek-tronenbeugungs-, nicht aber bei den Röntgenstruktur-aufnahmen sichtbar werden. Eine Änderung durch verschieden lange Vorbelichtung mit Röntgenstrahlen oder Licht wurde nicht beobachtet.

Herrn Professor Dr. E. R u s k a und Fräulein Dr. D ' A n s vom Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie, Berlin-Dahlem, sowie Herrn Professor Dr. R a m s a u e r und Herrn Dipl.-Ing. K r ä m e r vom Physikalischen Institut der Technischen Universität, Berlin-Charlottenburg, danken wir für die Erlaubnis zur Be-nutzung der Elektronenmikroskope bzw. für die Unter-stützung bei den Aufnahmen.

Nach Einreichung der vorliegenden Arbeit wurde uns eine neue Veröffentlichung von T r i 11 a t (Sei. Ind. Pho-togr. 23, 129—136 [1952]) bekannt, in der bei Bromsilber-schichten, die durch Verdampfung erhalten wurden, eben-falls zu Beginn der Elektronenbestrahlung das Auftreten von diffusen Ringen im Beugungsdiagramm beschrieben wird. Gleichzeitige elektronenoptische Aufnahmen wurden jedoch nicht gemacht, so daß auch die Feststellung fehlt, in welchem Zustand sich die Kristallitoberflächen hierbei befanden. Ein Vergleich mit unseren Beobachtungen ist daher auch nicht möglich.