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Forschungsinstitut für Berufsbildung im Handwerk an der Universität zu Köln
Das DHI e.V. wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages sowie von den Wirtschaftsministerien der Bundesländer und vom Deutschen Handwerkskammertag.
Unterrichtsgestaltung in Bildungszentren
Umgang mit Unterrichtsstörungen und schwierigen Teilnehmern
Erfahrungsaustausch BBZ Dresden, 1. Juni 2016 Rolf Richard Rehbold
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Zitiertext
Rehbold, Rolf R. (2016): Unterrichtsgestaltung in Bildungszentren. Umgang mit Unterrichtsstörungen und schwierigen Teilnehmern. Vortrag auf dem Erfahrungsaustausch der Weiterbildungsanbieter am 1. Juni 2016 in Dresden
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Kommt Ihnen das bekannt vor? Szenen aus der Schule....
Szene 1: „Der Lehrer hat den Schülern einen Arbeitsauftrag gegeben. Sie sollen jetzt mit ihrer Arbeit beginnen.
Es passiert alles Mögliche: Einzelne Schüler fangen an zu arbeiten, allerdings nicht das, was sie tun sollen. Andere sieht man den gedanklichen Rückzug an dem leeren Blick aus dem Fenster an.
Einige Hände heben sich: „Ich habe nicht verstanden, was ich tun soll!“ Und ein paar Schüler beginnen wirklich mit der Arbeit an der vorgegebenen Aufgabe [...]“
(Eva Segelken: Unterrichtsstörungen vorbeugen. Serie Neu Im Lehrerberuf)
Bildquelle: DPA. Verwendet in: Bayerische Staatszeitung. Frust im
Klassenzimmer 22.3.2013 Online unter http://www.bayerische-
staatszeitung.de/staatszeitung/leben/
detailansicht-leben-in-bayern/artikel/frust-im-klassenzimmer-1.html
Szene 2:
Kommt das auch im Bildungszentrum vor? Schlussfolgerung? Jugend von heute... ? Gibt es ein Patentrezept, wie man diese Situationen löst?
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Die Jugend von heute... Früher waren die Schüler/Lehrlinge/Teilnehmer besser?
Fazit: Störungen sind schon seit es gesteuerte Lernprozesse gibt, etwas Normales im Unterricht, aber: • Ausprägungen (z.B. mit dem Handy spielen), • Rahmenbedingungen zum Umgang (z.B. keine Prügelstrafe, aber
auch Vorhandensein v. Sozialpädagogen) und Erwartungen an Lehrenden,
• Ursachen (z.B. anerkannte Lernbehinderung, fehlende Regeln) sowie • Heterogenität (Stichworte: Inklusion; Herkunft, PISA) haben sich teilweise geändert.
Allerdings sind es immer noch junge Menschen!
Und: Schüler wollen Regeln!
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Patentrezept (Gliederung) wenn es eins gäbe... Aber warum kommen manche Lehrer besser klar? (Leitsätze, die gute Voraussetzungen schaffen und ein Phasenschema)
Man nehme: (oder was zeichnet die erfolgreichen Dozenten aus?) • Bereitschaft zur Gestaltung von gutem Unterricht für junge Menschen • positive Grundhaltung gegenüber Lernenden: Man muss die Menschen schon mögen und eine Beziehung
aufbauen wollen (damit ist kein Anbiedern sondern Wertschätzung/Respekt gemeint) • Bewusstsein über mögliche Störungen vorab und Sensibilität für das Aufkommen von Störungen • Merksatz im Fall von Störungen: echte Störungen haben Vorrang • Empathiefähigkeit und Bereitschaft , sich in den Störenden hineinzuversetzen • Konsequenz im Umgang mit Störungen (insbesondere bei absichtl. Regelverletzung)
Man gehe wie folgt vor:
Ursachen differenziert analysieren
Maßnahmen zur Lösung des akuten Problems festlegen
Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Störungen festlegen
Maßnahmen ggf. im Dozenten-Team besprechen (Einheitlichkeit)
Maßnahmen konsequent umsetzen (differenzierte Förderung, Regeln, Konsequenzen)
Konkrete Störung erkennen und ggf. thematisieren
Wirkung der Maßnahme beobachten und Konsequenzen ableiten
Generelle Störungstendenzen erkennen und thematisieren
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Störungen erkennen und thematisieren Wann ist der Unterricht gestört?
Lohmann'(2003):'Unterrichtsstörungen-sind-Ereignisse,-die-den-Lehr2Lern2Prozess-beeinträch8gen,-
unterbrechen-oder-unmöglich-machen,-indem-sie-die-Voraussetzungen,-unter-denen-Lehren-und-Lernen-sta=inden-kann,-teilweise-oder-ganz-außer-KraB-setzen.--
Fragen: • Ab wann ist die vermeintliche Störung größer als die Unterbrechung durch die
Reaktion darauf? • Sind Störungen nicht wertvolle Signale / Feedback? • Wann und unter welchen Bedingungen tritt die Störung auf?
Akustische Störungen Motorische Störungen Aggressionen
Geistige Abwesenheit Verweigerung Verstöße gegen Hausordnung
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Ursachen differenziert analysieren Bezugspunkte für Perspektivenwechsel
Lernende und ihr soziales Umfeld
• Aggressionsstau? / Bewegungsmangel? • Müdigkeit / Langeweile? • Unter- oder Überforderung insgesamt, in der Stunde
oder in vorangegangen Stunden? • Unterschiedliche Leistungsniveaus (Heterogenität) in
der Gruppe? • Anghäufte Defizite bei Grundkompetenzen? • Psychische Probleme / ADHS / Lernschwäche? • Spirale des Scheiterns? • Soziale / familiäre Probleme • keine Regeln im familiären Umfeld • Status in Gruppe? Imponieren?
Lehrende Rahmen-bedingungen
• Störung als Kontaktaufnahme? • Gewinnung von Aufmerksamkeit? • Machtprobe? Austesten von
Grenzen? • Signal der Überforderung? /
Überspielen von Unterlegenheit bzw. Erlangung von Überlegenheit, die nicht durch Leistung erwartet wird?
• Signal der Unterforderung? • Aggressions-/ Stressabbau? • Signal für Langeweile im
Unterricht? • Signal für nicht erkannte
Relevanz?
Frage bei der Analyse: Wann treten die Störungen auf?
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Nicht Wollen
Ursachen differenziert analysieren Spannungsfeld Können - Wollen
Nicht-Können
Leistungsproblem Motivationsproblem
Lern-problem
Miss-erfolg/Frust
Leistungs-abfall
Scheitern und Kritik
Lernunlust
Verfestigung Lernproblem
Scheitern und Kritik
Verlust Selbst-
vertrauen
...
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Ursachen differenziert analysieren Bezugspunkte für Perspektivenwechsel
Lernende und ihr soziales Umfeld
• Aggressionsstau? / Bewegungsmangel? • Müdigkeit / Langeweile? • Generelle Über-/Unterforderung? / fehlende
Kompetenzen • Unterschiedliche Leistungsniveaus? • Psychische Probleme / ADHS / Lernschwäche • Soziale / familiäre Probleme • keine Regeln im familiären Umfeld • Status in Gruppe? Imponieren?
Lehrende Rahmen-bedingungen
• Störung als Kontaktaufnahme? • Gewinnung von Aufmerksamkeit? • Machtprobe? Austesten von
Grenzen? • Überforderung? / Überspielen von
Unterlegenheit? • Aggressionsabbau? • Langeweile im Unterricht? Relevanz?
• Ausstattung (mediale Ausstattung)
• Rückzugsräume • Vorhandensein von
Sozialpädagogen
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Ursachen differenziert analysieren Bezugspunkte für Perspektivenwechsel
Quelle:-hFp://www.paulusschule2ramsdorf.de/images/SCHMETT.gif--
Beispiel-Frage: Wo liegen die Stärken der Bildungszentren?
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Ursachen differenziert analysieren Bezugspunkte für Perspektivenwechsel
Lernende und ihr soziales Umfeld
• Aggressionsstau? / Bewegungsmangel? • Müdigkeit / Langeweile? • Generelle Unter-/Überforderung? / fehlende
Kompetenzen • Unterschiedliche Leistungsniveaus? • Psychische Probleme / ADHS / Lernschwäche • Soziale / familiäre Probleme • keine Regeln im familiären Umfeld • Status in Gruppe? Imponieren?
Lehrende Rahmen-bedingungen
• Störung als Kontaktaufnahme? • Gewinnung von Aufmerksamkeit? • Machtprobe? Austesten von
Grenzen? • Überforderung? / Überspielen von
Unterlegenheit? • Aggressionsabbau? • Langeweile im Unterricht? Relevanz?
• Wertschätzung / Respekt gegenüber Lernern? • (Dauersündenbock oder Chance der Integration) Gerechtigkeit? • Trennung von störender Handlung und Mensch? • Vorbereitung und Planung entsprechend der Voraussetzungen? • Methodisch abwechslungsreich? • Ziele klar? • Relevanz klar? Bezug zur Lebenswirklichkeit der Lernenden? • Aufträge klar und verständlich? • Struktur des Unterrichts klar? • Machtausübung oder Autonomieförderung? (Autorität oder
autoritäres Verhalten?)
• Ausstattung (mediale Ausstattung)
• Rückzugsräume • Vorhandensein von
Sozialpädagogen
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Maßnahmen zur Vermeidung von Störungen
Didaktische Gestaltung – wichtige Kernprobleme und deren Beseitigung
• Unklare Ziele und unklarer Ablauf führt zu Unruhe
=> Überblick über geplanten Verlauf geben
• Fehlende Struktur / Gliederung / Phasierung des Unterrichts => logische Struktur unter Beachtung der Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Zeitplanung und Methodenwahl, d.h. gute Planung
• Unklare und unverbindliche Instruktionen => Umfang des Auftrages und Inhalt mit Erwartungen klar machen, Grad der Selbssteuerungsfähigkeit berücksichtigen, Verbindlichkeit (Es it nicht egal, ob Auftrag bearbeitet wird... Überprüfung kommunizieren, Jeder kann dran kommen, Zeitfenster), Sicherheit (Angstvermeidung, keiner wird vorgeführt; Hilfe und Rückversicherung möglich), Sichtbarkeit/Dokumentation; Auftrag wiederholen lassen
• Fehlende Präsenz und Ansprechbarkeit des Lehrenden (autoritär statt Autorität) => klare Ansagen UND Wertschätzung der Lernenden
• Über-/Unterforderung
=> individuelle Lernwege ermöglichen - unterschiedliche Materialien
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Maßnahmen zur Vermeidung von Störungen
Didaktische Gestaltung von Unterricht - Relevanz
Authentische komplexe
Problemsituation aus der Praxis als Ausgangspunkt
Inputs / Hilfe mit Bezug zum Problem
Transfer
Fortführung der Problembearbeitung und Lösung
Inputs / Hilfe mit Bezug zum Problem
• Authentischer Kontext im Gesamtprozess verdeutlicht Praxisrelevanz und Bedeutung für den Lernenden – Stärke des Bildungszentrums: Kontext der Werkstatt und Verzahnung mit Praxis möglich; Dozenten (zumindest die ‚Meister‘) verfügen über betriebliche Praxiserfahrungen im Handwerk
• Problemhaltige Ausgangssituation bedeutet, dass Lernende mit ihrem vorhandenem Wissen die Situation nicht lösen können. Lernbedarf wird deutlich
• Phasen der vollständigen Handlung werden im besten Fall durchlaufen, können aber zumindest nachvollzogen werden (Planen, Durchführen, Kontrollieren)
• Transfer auf neuen Kontext • Erfahrungen der Lernenden nutzen • Methodenmix
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Maßnahmen zur Vermeidung von Störungen
Methodenrepertoire
• Arbeitsunterweisung
• Lehrgespräch
• Vortrag
• Lern-/Arbeitsauftrag
• Fallmethode
• Projektarbeit
• Rollenspiel
• ...
Eher ausbilderzentriert Eher lernerzentriert
Methodenwechsel und Kombination
• Setzen oft Basiswissen voraus oder erfordern selbständige Erarbeitung des Basiswissens
• Fehlende Lerneraktivität • Zeitlich gut strukturiert und
kontrollierbar umsetzbar • Keine individuellen Lernwege
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Maßnahmen zur Vermeidung und zum Umgang mit Störungen
Ebene Prävention/Planung Antizipation bevor die Situation eskaliert
Intervention langfristigen Bearbeitung
Beziehung • Beziehung aufbauen, z.B. durch Nebengespräche in den Pausen
• Humor • Soziales Lernen • Wertschätzung und
Respekt
• Ermutigung • Belohnung • Positive
Anreizsysteme/Herausforndern
• Signalisieren von Wahrnehmung, Wertschätzung, Verständnis
• Negative Gefühle vermeiden • Eskalationsleiter • „Rückmeldung zu
Fehlverhalten über Ich-Botschaften
• Alternativen anbieten, nicht erpressen
• Nicht bloßstellen, aber Benennung Verfehlung
• "Auszeit“ (Reflexion) • Keine Ausnahmen, d.h.
konsequent und gerecht intervenieren, schnell handeln
• Niemals drohen, was nicht passieren kann
• Konsequenzen statt Strafen
• Reintegration praktizieren
• Bewusste Beziehungs-förderung zu Schüler(inne)n, die stören
• Konfliktschlichtung • Kooperativer
Führungsstil
Disziplin-Management
• Formulieren von Rechten und Pflichten
• Regeln/Konsequenzen
• Struktur/Organisation • Routinen • (Klassenrat) • Hausordnung • Vorbild sein
• Nonverbale Kommunikation
• Signale • Techniken zur
Aufmerksamkeits-rückführung
• Hilfen zur Selbststeuerung
• Pläne • Verträge • Verhaltens-
modifikation • Ggf. Ändern der
Grundlagen und Regeln
Unterricht • Voraussetzungen der Lerner erfassen
• Klare Definition der Erwartungen /Ziele
• Nähe zur Praxis • Methodenwechsel • Lerntypen beachten • Unterricht planen • Kooperation • Klare Phaseneinteilung • individuelle
Förderung • Regelm. Diagnose
• Positives Wiederholen
• Klare Formulierung und Wiederholung des Arbeitsauftrags
• Ggf. Modifizierung des Arbeits-auftrags
• Pausen • Taktung • Erfolge
generieren
• Pause • Wechsel von:
ο Methode ο Medien ο Sozialform (Fordern
starker Lerner, in dem sie Schwächeren etwas erläutern)
ο Aktionsform ο Ort (Rückzugsräume
schaffen/Werkstatt)
• Grundlegendes Nachfragen bei Schüler(inne)n (durch Fragebogen
• Was sollte didaktisch/methodisch am Unterricht geändert werden? Gezielte Lernförderung
• Partizipation an Lernzielen
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Maßnahmen im Dozenten-Team besprechen und konsequent umsetzen
Regeln Rituale
Referee
Notwendig für soziales Miteinander, wenige Regeln, am besten vereinbaren, Ich-
Formulierung, Konsequenzen
Entlang der Rituale werden Regeln eingeübt
Anleitung für Regeln, Überwachen der Einhaltung
(ohne Überwachung unterstützen sie die Unsozialen)
Referees
• Selbstverpflichtung • gegenseitig Beratung / Intervision • Infomationsaustausch
Frage: Wie gehen Sie mit notorischen Fernbleibern, Zuspätkommern und Drogenkonsumenten um?
Wie gehen Sie mit den Klassenclows um?
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Maßnahme zum Umgang mit Störungen Konfliktgespräch
• Vier-Augen-Gespräch wirkungsvoller als Gespräch vor der Klasse, daher keine Diskussion mit Klasse, sondern separat
• Kurzgespräch unmittelbar im Anschluss an Unterricht • Ich-Botschaft: „Ich hab mich über Deine Gespräche mit dem
Nachbarn geärgert“ • Verweis auf Regel: „Wir haben in unserem Kurs die Regel
vereinbart, dass wir unsere Lernprozesse gegenseitig fördern und keine Störungen dieses Lernprozesses hervorrufen.“
• Frage: „Warum fällt es Dir so schwer Dich an die diese Regel zu halten?“
• Ursachenklärung • Frage: „Wie kann das Problem künftig vermieden werden?“
Lösungsvorschläge des Lernenden • Benennung von Optionen und Konsequenzen und
Unterstützungsbedarf • Vereinbarung
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Kontakt
Forschungsinstitut für Berufsbildung im Handwerk an der Universität zu Köln Rolf R. Rehbold Herbert-Lewin-Str. 2 50931 Köln Telefon: +49 221 470 2582 Email: [email protected] Web: http://www.fbh.uni-koeln.de
Gefördert durch:
aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
sowie den Wirtschaftsministerien der Bundesländer