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Unser Steuerrecht. Zweiter Teil (Band II): Spezielles Steuerrecht (Die deutsche Reichssteuergesetzgebung in ihren Grundzügen) by v. Pistorius Review by: Felix Boesler FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 46. Jahrg., H. 2 (1929), pp. 388-392 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40907893 . Accessed: 17/06/2014 13:15 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 188.72.126.88 on Tue, 17 Jun 2014 13:15:19 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Unser Steuerrecht. Zweiter Teil (Band II): Spezielles Steuerrecht (Die deutscheReichssteuergesetzgebung in ihren Grundzügen) by v. PistoriusReview by: Felix BoeslerFinanzArchiv / Public Finance Analysis, 46. Jahrg., H. 2 (1929), pp. 388-392Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40907893 .

Accessed: 17/06/2014 13:15

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388 Finanzliteratur.

v. Pistorius, Unser Steuerrecht. Zweiter Teil (Band II) : Speziel- les Steuerrecht (Die deutsche Eeichssteuergesetzgebung in ihren Grundziigen). Stuttgart 1929. XII, 271 S. Der zweite Band dieses Werkes erfullt in alien Teilen die Erwartungen, die

man bereits nach dem Vorliegen des ersten Bandes hegen konnte x). Der finanz- wissenschaf tliche Charakter tritt gegeniiber dem Juristisch-Deskriptiven in diesem zweiten Band mindestens ebenso stark und wohltuend in Erscheinung wie schon beim ersten.

Wahrend der erste Band das Steuerrecht in seinen Grundlagen als Bestand- teil des offentlichen Rechts, im besonderen des Finanzrechts und in seinen Be- ziehungen zum Privatrecht behandelte, bringt der zweite Band in vollkommener wissenschaftlicher Geschlossenheit das spezielle Reichssteuerrecht zur Darstellung.

Einleitend wird die neuere Entwicklung des Reichssteuersystems mit einem AbriB der auBerordentlichen Steuern der Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeit sowie der ordentlichen, aber aufgehobenen oder auBer Uebung gesetzten Steuern dargestellt. Interessant ist das Urteil iiber die Steuerreform von 1919/20: ,,Mit einem dem fachmannischen Denker und Staatsmann fast dilettantisch amnuten- den Eifer" seien damals Regierung und Reichstagsmehrheit ans Werk gegangen; man habe ,,mit einem ohne Frage groBziigig gedachten Plan auf der Einnahme- seite zu helfen gesucht, wo doch nur auf der Ausgabenseite, durch die Eindammung der Aufwendungen zu helfen war" (S. 15). v. Pistorius sieht hierin - und das m. E. ganz mit Recht - e i n e der wesentlichen Ursachen der sog. ,,Inflation". Hier liegt ein Gesichtspunkt vor, der tatsachlich viel zu wenig beachtet worden ist; daB nicht nur die Geldseite, sondern in erster Linie die staat- liche und kommunale Ausgabepolitik inflatorisch wirkt bzw. wirken kann, gilt auch heute noch in hohem MaBe. Besonders wichtig und interessant ist in diesem Zusammenhang die Kritik des Verfassers am Reichsnotopfer und dessen Schicksal.

Bei der Behandlung des geltenden Rechts werden vom Verfasser auch die auBer Hebung gesetzten Steuern (Kapitalertrags- und Vermogenszuwachssteuer) mit behandelt, da er sie fur einen festen Bestandteil des Systems halt. Auch die sog. Notensteuer wird - was nicht ganz der herrschenden Auffassung ent- spricht - wohlbegriindet mit einbezogen (S. 54). Die Mitteilung von vergleichen- den Ertragsziffern aller Steuern hatte vielleicht die Darstellung noch anschau- licher gemacht (S. 55), da es wichtig ist, daB insbesondere auch der Jurist iiber die GroBenordnung der Steuern ein vergleichendes Bild gewinnt.

Im Mittelpunkt des hier zu besprechenden zweiten Bandes steht naturgemaB die Behandlung der Einkommens- und Korperschaftssteuer (S. 57 - 127). Dieser Abschnitt gehort trotz seiner gedrangten Kiirze zu den besten systematischen Darstellungen, die wir fur diese Materie besitzen; der Blick des Lesers wird hier auf das wirklich Wesentliche gerichtet. Die Dar- stellung ist dabei iibrigens nicht etwa nur eklektisch gehalten; sie enthalt auch ganz wesentliche e i g e n e Forschungsergebnisse des Verfassers, auf die jede kunf tige Erorterung auch der finanzwissenschaftlichen Spezialisten wird Bezug nehmen miissen. Es kommt m. E. besonders f olgendes in Betracht :

1. Originell und soziologisch interessant ist der Hinweis auf eine Differen- zierung im Einkommensbegriff, die sich bereits im Sprachgebrauch des taglichen Lebens findet: ,,Die einen verstehen unter Einkommen diejenige Summe an Geld oder Werten, die ihnen in einer gewissen Zeit zur Bedurfnisbefriedigung bzw. Verwendung zuflieBt, die anderen den Gewinn, der ihnen als Ergebnis ihrer wirt- schaftlichen Tatigkeit innerhalb eines gewissen Zeitraums verbleibt" (S. 59). Der Verfasser weist (Sirauf hin, daB man den ersten Begriff gewohnlich bei den An- gestellten i. w. S. sowie bei den Rentnern, den letzteren dagegen bei den Geschafts- leuten, insbesondere den Gewerbetreibenden, aber auch bei den Landwirten f inde ; seltsamerweise, meint er, wenden aber die Gewerbetreibenden und Landwirte den letzterwahnten Einkommensbegriff vielfach nur auf sich selbst an, wahrend sie den Angestellten gegeniiber den ersten Begriff handhaben!

') Vgl. meine Besprechung von Band I in dieser Zeitschrift, 1928, II, S. 388 ff. 886

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Finanzliteratur. 389

2. Hinsichtlich des rein Begrifflichen wendet sich v. Pistorius gegen den Ausdruck ,,Roheinkommen", da es streng genommen nur ein ,,Einkommen" gebe; darum sei es auch begrifflich nicht zulassig, von Einkommensarten zu sprechen (S. 61). Dies gelte sowohl gegen Becker und Strutz als auch gegen den Gesetzgeber, der nach Meinung des Verfassers durch Schaffung der ,,Einkommens- arten" im Abschnitt III des REStG. etwas getan hat, was er nicht hatte tun durfen, ,,auch nicht aus Scheu vor dem Ausdruck Ertrag und in dem Bestreben, die Einkommensteuer von dem Sprachschatz der Ertragssteuern rein zu halten"; es liege jedenfalls fur das Steuerrecht kein zwingender Grund vor, dem Gesetz- geber in seinem unrichtigen Sprachgebrauch zu folgen.

3. Mit Bezug auf den steuerlichen Einkommensbegriff stellt sich der Verfasser sehr entschieden auf die Seite des Schanzschen Begriffs, fiir den er ein ebenso feinsinniger Interpret wie energischer Vertreter ist. Es konne kein Zweifel sein, daB S c h a n z' Begriff theoretisch den Vorzug verdiene; er sei aber auch fiir die Praxis der bessere. Vollends habe die sog. Inflationszeit, in der es als Ein- kommen fast nur noch Konjunktur- und Spekulationsgewinne gegeben habe, jedem Praktiker die Richtigkeit, mindestens aber die Notwendigkeit und Zweck- maBigkeit des Schanzschen Einkommensbegriff s endgultig zum BewuBtsein bringen mtissen.

4. Im AnschluB an die Besprechung der subjektiven Steuerpflicht im Ein- kommensteuergesetz gelangt v. Pistorius zu der Feststellung, daB die gel- tende deutsche Reichseinkommensteuer so stark von den Grundsatzen des Sach- oder Ertragssteuersystems durchsetzt ist, daB man in ihr eine reine Personalein- kommensteuer im Sinne der deutschen Wissenschaft streng genommen nicht mehr erblicken konne (S. 74).

5. Das vom Gesetzgeber bei der Regelung der objektiven Einkommensteuer- pflicht gewahlte kasuistische Verfahren halt der Verfasser fiir nicht gliicklich (im Gegensatz z. B. zu E. Becker); auBerst wohltuend empfindet man die von groBem Weitblick zeugende, grundsatzliche und sich insbesondere auf eine lang- jahrige Praxis (!) stutzende Kritik : es ,,ist die Auslegung eines Einkommensteuer- gesetzes weniger beengt und seine Anwendung im Sinne der Erzielung der hoch- sten universellen und individuellen Gerechtigkeit erleichtert, wenn das Gesetz auf moglichst wenigen, aus einem einheitlichen Einkommensbegriff abgeleiteten Bestimmungen besteht, als wenn es in kasuistischer Aufzahlung von solchenfalls notwendigen sowie zahlreichen Einzelbestimmungen die sachliche Steuerpflicht steuerrechtlich festzulegen sucht" (S. 76). Der Gesetzgeber hatte auch heute noch alle Veranlassung, sich solche reife Praktikererfahrungen zu eigen zu machen und gegeniiber den tausenderlei Wiinschen der verschiedenen Parteien im Interesse der Klarheit seiner Vorschriften mehr Riickgrat zu zeigen.

6. Bei der Besprechung der Werbungskosten weist der Verfasser darauf hin, daB sie sich beim Schanzschen Einkommensbegriff ,,mit fast vollendeter Klarheit" bestimmen lassen, wahrend beispielsweise der Einkommens- begriff der Quellentheorie groBere Schwierigkeiten verursache (S. 81). Der Aus- schluB der Aufwendungen zur Vermogensbildung hangt nach seiner Meinung mit der Abweichung des Gesetzes von dem Schanzschen Einkommensbegriff zusammen, der AusschluB der Aufwendungen fiir die Lebenshaltung mit dem heutigen Einkommensbegriff iiberhaupt, gleichviel, ob man von der Schanz- schen Lehre oder der Quellenlehre bzw. einer der Quellenlehren ausgehe. Allein gerade hier, meint er, ,,in Ansehung der Anforderungen fiir die Lebenshaltung und ihrer Abscheidung von den Anforderungen fiir den Betrieb oder Beruf, ins- besondere die Beruf sarbeit, liegen die Schwierigkeiten, die sich ebenso fiir den Gesetzgeber ergeben, der im Sinne des Einkommensteuergesetzes von 1925 vor- geht, wie fiir den Wissenschaftler oder denjenigen Gesetzgeber, der aus einem einheitlichen Einkommensbegriff die Bestimmung der Werbungskosten abzuleiten sucht"; denn ,,gewisse Ausgaben konnen zugleich als Berufs- oder Betriebs- ausgaben wie als Lebenshaltungskosten erscheinen oder angesehen werden und es ist kein Zweifel, daB in diesem Umstand nicht nur eine begriffliche Klippe liegt, sondern auch eine schwere Grefahr fur die praktische Handhabung eines jeden Einkommensteuergesetzes", die je nachdem im Zusammentreffen mit anderen

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390 Finanzliteratur.

Umstanden dazu fuhren konne, daB aus der ,,Konigin der Steuern" des Gedankens in der Wirkliclikeit die ,,groBe Luge" wurde, die V o c k e einst in ihr gesehen habe (S. 83). Mit diesen Worten lenkt der Verfasser auf ein zweifellos wenig be- achtetes Problem hin, daB dem Einkommensteueroptimisten in der Regel ent- geht.

v. Pistorius schlieBt sich im Endergebnis der besonders von Schmol- ler, Schanz, Popitz und B. Moll vertretenen Auffassung an, daB der Lebensunterhalt des Arbeiters nicht zu den Werbungskosten zu rechnen sei, da dann ,,der Einkommensbegriff iiberhaupt keinen Sinn und Zweck mehr" habe (Schanz). Er begriindet dies seinerseits speziell noch dahingehend, daB der entsprechende Abzug nicht nur auf das Dienst- und Berufseinkommen beschrankt werden konne, sondern auch dem Arbeitseinkommen des selbstarbeitenden Land- wirtes und Gewerbetreibenden zugebilligt werden miisse; dies aber ware praktisch kaum durchfuhrbar. AuBerdem wiirde nicht nur der heutige Einkommens- begriff vernichtet, sondern auch der dermalige Vermogens begriff umgestoBen, da die Arbeitskraft ja dann offensichtlich als Vermogen bzw. Kapital aufgefaBt werden miisse. Man konne aber nicht den giiltigen Kapitalbegriff derart um- drehen, da dann beispielsweise auch der fiir die heutige Steuerlehre fundamental Begriff des fundierten Einkommens nicht mehr haltbar (weil nicht mehr gegen den Begriff des reinen Arbeitseinkommens abgrenzbar) sei. Theoretisch liegt hier m. E. zweifellos eine Liicke vor, denn es ist nicht einzusehen, warum der Bezieher eines arbeitslosen Einkommens die zu dessen Erzielung notwendigen Aufwendungen in Abzug bringen darf, der korperlich schwer arbeitende Lohnempfanger dies aber nicht oder nur in ganz geringem Umfange tun darf.

Man kann m. E. einen Ausweg aus dieser Verwirrung darin erblicken, daB man auf die Tatsache der steuerlichen Freilassung des Existenzminimums hin- weist : dieses stellt gewissermaBen die zur Erhaltung der elementaren Ar- beitskraft des Arbeiters notige Summe dar. Hiermit wiirde man gleichzeitig auch ein m. E. mindestens in dieser Formulierung neues allgemeines Argument zugunsten der steuerlichen Sonderbehandlung des Existenzminimums finden, so daB nur noch die Frage des AusmaBes sozialpolitisch bedingt bleibt. In Eng- land diirfte m. E. angesichts des hohen Existenzminimums tatsachlich die Be- riicksichtigung aller wesentlichen Teile der ,,Produktionskosten der Arbeit" im Sinne der Werbungskosten vorliegen. Aehnliches gilt iibrigens auch fur das Prinzip der Progression, die ihrerseits (besonders wenn man sie als Degression bei kleinen Einkommen auffaBt), dazu beitragt, diese kleinen Einkommen zu schonen, d. h. ihnen moglichst hohe „ Werbungskosten" einzuraumen.

7. Die Lohnsteuer zerstort nach Meinung des Verfassers in gleichem MaBe wie der Steuerabzug vom Kapitalertrag die ,,Einheit der Einkommensteuer im Sinne des deutschen Einkommensteuergedankens", ,,der in der progressiven Er- fassung des personlichen Gesamteinkommens besteht, sodann aber und das ist das Entscheidende, versucht das Lohnabzugsverfahren gleichwohl die Besteuerung nach der personlichen, am Einkommen gemessenen Leistungsfahigkeit aufrecht- zuerhalten und setzt diesem Wahn zuliebe einen groBen und teueren, fiir die Be- troffenen, und zwar nicht nur fiir die Arbeitnehmer, sondern insbesondere auch fur die Arbeitgeber und die Steuerbehorden ungemein lastigen Apparat in Be- wegung, der Kosten verursacht, die in gar keinem Verhaltnis zu dem erzielten Ergebnis stehen" (S. 110). v. Pistorius vertritt demgegeniiber die Auffassung, daB das gleiche Ergebnis finanziell und ideell auf einfache und billige Weise durch eine Arbeitgebersteuer aus der zur Auszahlung gebrachten Lohnsumme erzielt werden konne.

Ich mochte bei dieser Gelegenheit auf eine m. E. viel zu wenig beachtete Tat- sache hinweisen: man hat sich sowohl auf der Arbeitnehmer seite wie auf seiten der Wissenschaft (vgl. z. B. den Lebenshaltungsindex des Statistischen Reichs- amtes) immer mehr dahin gewandt, als den ,,eigentlichen" Lohn, der z. B. auch der Berechnung des Reallohns zugrunde liegt, den sog. Nettolohn anzusehen, den Bruttolohn dagegen als eine rein rechnerische GroBe zu betrachten. Insbesondere auf der Arbeitnehmerseite scheint die Auffassung vorzuherrschen, als ob die Ab- ziige", d. h. besonders die den Arbeitnehmern zugedachten Beitrage zur Sozial-

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Finanzliteratur. 391

versicherung und die Lohnsteuer, etwas seien, was den Lohnempfanger eigentlich nichts angehe, weil sie gewissermaBen kein Reinvermogenszugang fiir ihn seien. Hieraus aber f olgern zu wollen, daB die Lohnsteuer in Wirklichkeit eine Besteue- rang des Arbeitgebers sei, wiirde den energischsten Protest hervorrufen, da gerade die Belastung des Lohnempfangers durch die Steuer stets von der gleichen Seite besonders betont wird. Hier liegt m. E. ein schlechthin nicht aufzuklarender innerer Widerspruch vor, aus dem heraus eines der wesentlichsten Argumente gegen die Besteuerung des Arbeitnehmereinkommens an der Quelle vorgebracht werden kann.

8. DaB die im Rahmen der Korperschaftssteuer erfolgende besondere Be- steuerung des Einkommens der juristischen Personen eine Doppelbelastung dar- stellt, gibt der Verfasser klar zu erkennen. Leider zeigt er nicht deutlich, wie er diese sehr wichtige Frage de lege ferenda beurteilt.

Soviel zur Frage der Einkommen- und Korperschaftssteuer. Ziemlich kurz gefaBt ist das Kapitel Vermogenssteuer (127 - 138); zum Teil

erklart sich das daraus, daB der Komplex der Bewertungsfragen (Reichsbewertungs- gesetz) bereits im I. Band behandelt worden ist (vgl. hierzu meine Besprechung Finanzarchiv 1928 S. 389/90). Aehnlich wie beim Einkommensbegriff, behauptet der Verfasser, gebe es auch nur einen Vermogensbegriff schlechthin, nicht dagegen einen Roh- und Reinvermogensbegriff. (,,Das, was jemand vermag kraft der zu seiner personlichen Verfiigung stehenden Sachwerte, ist finanzwissenschaftlich und steuerrechtlich sein Vermogen"). Diese Auffassung ist theoretisch zweifellos sehr beachtlich, praktisch aber m. E. nicht ausreichend, da der Komplex der Passiven niemals a priori vollig eindeutig bestimmbar ist. Die Steuer praxis wird wohl auf beide Begriffe, und zwar m. E. beim „ Vermogen" noch weniger als beim ,,Einkommen", kaum jemals verzichten konnen. Uebrigens ist ja die elementare Vermogensvorstellung wegen ihrer Bindung an evtl. Geldwertschwankungen usw. auch nichts unbedingt Feststehendes. Auch der Schanzsche Einkommens- begriff ist ja beispielsweise nur denkbar auf Grund einer Scheidung zwischen Roh- vermogen und Reinvermogenszugang. Den Unterschied zwischen sog. nominellen (formellen) und reellen (materiellen) Vermogenssteuer lehnt Pistorius ab, da er auf einem Denkfehler beruhe, sofern bei dieser Unterscheidung zwei verschie- dene Unterscheidungsmerkmale (Steuerbemessungsgrundlage und Steuerquelle) durcheinandergeworfen werden; schlieBlich konne j e d e Steuer einmal ,,aus dem Vermogen" entrichtet werden, ohne damit zur ,,Vermogensteuer" zu werden. Hiergegen wird sich rein logisch kaum etwas einwenden lassen; wohl aber scheinen mir beide Begriffe doch heuristisch so wichtig zu sein, daB ihre Streichung aus dem finanzwissenschaftlichen Begriffsapparat nicht empfehlenswert ist.

Rentenbankabgabe und Industriebelastung rechnet der Verfasser zu den Steuern; er bezeichnet sie finanzwissenschaftlich als Zwecksteuern (in der bisher iiblichen, von B r a u e r neuerdings angefochtenen Bedeutung des Wortes) und gliedert sie den sog. Sachsteuern an (S. 152); er halt aber auch steuerrechtlich ihren Steuercharakter als erwiesen. Diese zweifellos etwas weite Auslegung des Steuerbegriffs (insbesondere auch des § 1 AO.) erscheint mir im vorliegenden Falle (ahnliches gilt m. E. z. B. von den Zwangsbeitragen zur Sozialversicherung) be- sonders gliicklich, da es tatsachlich auf die materielle Wirkung einer Abgabe an- kommt, um sie als Steuer erscheinen zu lassen. Der von K. F. Mann geschaffene Begriff des Hilfsfiskus bzw. der intermediaren Finanzgewalten scheint mir der konsequenteste Ausdruck hierfiir zu sein.

In einem zweiten groBen Abschnitt (S. 158 - 263) behandelt v. Pistorius die ,,indirekten Steuern" des Reichs; hier erscheinen insbesondere: Umsatz-, Grunderwerb-, Kapitalverkehr-, Wechsel-, Versicherungs-, Rennwett-, Lotterie-, Beforderungs-, Kraftfahrzeugsteuern sowie die Zolle und Verkebrssteuern. Auch hier ist die Darstellung gediegen und zeugt von einer ganz besonderen Sachkenntnis, auf Grund deren es dem Verfasser gelingt, aus dem Wirrwarr der einschlagigen Bestimmungen unter Weglassung aller nebensachlichen Einzelheiten ein wirklich plastisches Bild zu entwickeln. An wichtigen Einzelheiten dieses zweiten Teils seien erwahnt :

1. Die Umsatzsteuer wird vom Verfasser sehr ungiinstig beurteilt; als wesent- 889

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392 FinanzUteratur.

liche Argumente erscheinen: Verteuerung des gesamten inneren Verbrauchs (,,Lawinensteuer"), Stiitzung der ohnehin machtigen Konzentrationsbewegung (Schachtelgesellschaften), Unsicherheit im Ueberwalzungsvorgang. Gegeniiber P o p i t z vertritt der Verfasser die Auffassung, daB die Umsatzsteuer keineswegs ohne weiteres Kataster- oder Listensteuer, vielmehr begrifflich Tarifsteuer sei (S. 165-166).

2. Beim Kapitel Zuckersteuer nimmt der Verfasser auch zu der Frage der seit 1920 erledigten Briisseler Zuckerkonvention Stellung; er meint, daB die Bestrebungen auf Wiederbeschaffung eines entsprechenden internationalen Ueber- einkommens, wie sie besonders von Belgien und der Tschechoslowakei her be- trieben werden, in irgendeiner Form zu praktischen Erfolgen fuhren wiirde.

3. Das Branntweinmonopol halt der Verfasser entgegen der Auffassung der Reichsabgabenordnung fiir ein Steuermonopol bzw. eine glatte Steuer (S. 239); er bezieht es also m. E. zu Recht mit in den Bereich des Steuerrechts ein.

In der vorliegenden Besprechung ist bewuBt vom Standpunkt des Finanz- wissenschaf tiers ausgegangen worden, fiir den die r e c h t s wissenschaf tliche Betrach- tungsweise nur den Character der Hi If sdisziplin hat. Auf Grund dieser Einstellung und bei der entscheidenden Bedeutung, die den Reichssteuern seit 1920 zukommt, kann der vorliegende II. Band als eine der besten Einf iihrungen angesehen werden, der sowohl als Nachschlage- und Orientierungsapparat fiir den Praktiker wie auch - und das vor allem - als eine glanzend gelungene, nirgends an der Ober- flache bleibende Grundlegung fiir den Studierenden, insbesondere auch den der Wirtschafts- und Staatswissenschaft empfohlen werden. Es ist eine gleichermaBen notwendige wie vorziigliche Erganzung der finanzwissenschaftlichen Lehrbuch- literatur nach der juristisch-steuerkundlichen Seite hin.

Felix Boesler.

Stimmen zur Frage der Heranziehung der Aerzte zur Gewerbesteuer. Herausgegeben von Eechtsanwalt C. Bewer. Veroffentlichung Nr. 76 des Verbandes der Aerzte Deutschlands (Hartmannbund). Leipzig, Buchhandlung des Verbandes der Aerzte Deutschlands, 1929, 104 S.

Karl Brauer, Die Frage einer Heranziehung der Aerzte zur Gewerbesteuer. Ein Beitrag zur Erkenntnis des steuerlichen Cha- rakters freiberuflicher Einkommen. Finanzwissenschaftliche und volkswirtschaftliche Studien, herausgegeben von KarlBrauer, Heft 14. Jena, Verlag Gustav Fischer, 1929, 96 S.

Seitdem unter dem Drucke finanzieller Schwierigkeiten verschiedene deutsche Lander die Gewerbesteuerpflicht auf die Aerzte und andere freie Berufe aus- gedehnt haben, ist die Diskussion iiber diese Frage nicht verstummt. Besonders belebt ist die Aussprache in neuester Zeit dadurch, daB die preuBische Staats- regierung - gleichsam in letzter Stunde - auch einen Versuch in dieser Rich- tung unternommen hat, und daB eine Entscheidung iiber diese Frage von seiten des Reichs zu erwarten ist, namlich durch das Gewerbesteuerrahmengesetz, das z. Z. dem Reichstag vorliegt.

Die Bewersche Schrift enthalt, abgesehen von einem Vorwort des Her- ausgebers, den Abdruck einiger Stellungnahmen und Gutachten, die bereits friiher an anderer Stelle veroff entlicht worden sind, und zwar : die Eingabe des deutschen Anwaltvereins an den Reichsminister der Finanzen vom 1. November 1921; die Eingabe des Deutschen Anwaltvereins an die Regierung des Freistaates Sachsen vom 29. Dezember 1920; Gutachten von Prof. Dr. Schanze, Dresden, zur Frage: Betreibt der Arzt ein Gewerbe?; Steuerfragen, aus dem Buche Arzt und

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