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Engelhard (Hrsg.) Ungarn irn neuen Europa

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Page 1: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Engelhard (Hrsg.)

Ungarn irn neuen Europa

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Johann Engelhard (Hrsg.)

Ungarnim neuen Europa

Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

GABLER

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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Ungarn 1m neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien I Johann Engelhard (Hrsg.). - Wiesbaden: Gabler, 1993

ISBN-13 :978-3-409-13869-7 e-ISBN-13 :978-3-322-83895-7 001: 10.1007/978-3-322-83895-7

NE: Engelhard, Johann [Hrsg.]

Das Werk einschlieBlich alIer seiner Teile ist urheberrechtlich geschlitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlag~ unzullissig und strafbar. Das gilt insbe­sondere fUr Vervielfiiltigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Hllchste inhaltliche und technische Qualitiit unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Auslieferung unserer BUcher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf sliurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wliren und daher von jedermann benutzt werden dUrften.

ISBN-13:978-3-409-13869-7

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Vorwort

Die Otto-Friedrich-Universitat Bamberg pflegt seit langem intensive Kooperationen mit ausUindischen Universitaten, die fiber den Austausch von Studierenden hinaus auch die wissenschaftliche Zusammenarbeit fiber Staats- und Kulturgrenzen hinweg zum Gegen­stand haben. In die stattliche Zahl der Partnerhochschulen reiht sich die Wirtschaftsuni­versitat Budapest ein. Der vorliegende Sammelband ist das Ergebnis eines Gemeinschafts­symposiums zwischen beiden Universitaten zum Thema "Entwicklungsperspektiven des gesamteuropaischen Integrationsprozesses: Wettbewerbsstrukturen, Anpassungsstrategien und Untemehmenskooperation", das am 16.117. November 1992 in Bamberg stattfand.

Ziel dieses Projektes war es, neuere Entwicklungslinien des gesamteuropaischen Integra­tions- und Transformationsprozesses zu diagnostizieren, die Position Ungams zur und in der EG einschlielllich seiner EG-Flihigkeit kritisch zu beleuchten sowie Chancen und stra­tegische Ve~haltensweisen deutscher Untemehmen auf dem ungarischen Markt offenzule­gen. Obwohl Ungam und dessen Markt nur einen schmalen Ausschnitt der ehemaligen RGW-Uinder widerspiegelt, bot sich dieses Land fiir die exemplarische Thematisierung der gesamteuropaischen Frage besonders an. Das Land ist mit dem 1991 unterzeichneten Assoziationsvertrag bereits in die EG eingebunden, es zeigt eine starke Vitalitat fur die Erreichung einer kiinftigen EG-Mitgliedschaft und es hat im Prozell des Ubergangs vom zentralplanwirtschaftlichen zu einem marktwirtschaftlichen System bemerkenswerte Er­folge zu verzeichnen. Ungam steht insofem - wenn auch mit allen landesspezifischen Ei­genheiten - stellvertretend fiir zahlreiche Ostblockstaaten, deren Loslassung aus den Zwangen realsozialistischer Ideologie und Zwangsherrschaft die Utopie "Europa" neu belebt und die Grundlagen fiir deren konkrete Ausformung im Sinne eines "neuen" Euro­pa radikal verschoben hat.

Neu und alt sind historische Kategorien, die einen erratischen Umbruch politischer, wirt­schaftlicher und gesellschaftlicher Strukturen voraussetzen. Wenn in diesem Sinne von ei­nem "neuen Europa" die Rede ist, dann ist es das Europa nach der Wende von 1989, mit der die Postmodeme in der Entwicklung Europas nach dem 1. Weltkrieg wohl zu Ende gegangen ist. Mit dem Hochheben des Eisemen Vorhangs wurde zwar nieht auch gleich­zeitig die Dualitat in der Entwicklung Ost- und Westeuropas beseitigt, aber zumindest von ihrer strukturellen Gegensatzlichkeit befreit, die sie mit dem Vordringen der marxi­stisch-Ieninistischen Ideologie in das alltagliche Leben ab ca. 1920 gepragt hatte.

Der nach dem 2. Weltkrieg einsetzende Export des direktiven, klassischen Modells der sozialistischen Planwirtschaft Stalinscher Pragung von der Sowjetunion in die anderen mittelosteuropaischen Staaten ihres hegemonialen Einflullbereiches hatte dort eine, wenn auch modifizierte, Ubemahme dieses Modells bewirkt. Mit dieser unfreiwilligen Kopie wurde eine fiinf lahrzehnte andauernde Spaltung von Gesamteuropa in zwei weitgehend homogene BlOcke eingeleitet. Mit dem Wegfall der ideologisch begriindeten Ost-West­Grenze zerbrachen Warschauer Pakt und RGW; die Sowjetunion loste sich auf und gab damit den Weg zur "Rfickkehr nach Europa" frei. Eben jene Annliherung an das sich fiber Binnenmarkt und Wirtschafts- und Wlihrungsunion zunehmend starker integrierende EG­Europa beschleunigt die Desintegration der Staatsgebilde und damit auch den Zerfall der wirtschaftlichen Netzwerke in Ostmitteleuropa, schneller und intensiver als eine gesamt­europiische Integration sie erfassen mnnte. Europa nun mit lanuskopf, aber ohne Stier?

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Die Doppelgesichtigkeit ist auch nach 1989 geblieben, als Verschrankung von ZerbrOcke­lung hier und Anniiherung da, von System transformation im Osten und Systemharmonisa­tion im Westen. Gerade weil die Entwicklungslinien von Ostmittel- und Westeuropa nicht mehr gegenslitzlich nebeneinander, sondem einander iiberschneidend verlaufen, ist ihre Trendprojektion erheblich schwieriger und aufwendiger geworden, denn "Die neuen Moglichkeiten einer gesamteuropaischen Integration fUhren gerade die Kraft, die der eu­ropaischen Integration bisher am wirksamsten Form verliehen hat, in eine Krise. Es gibt nicht nur ein Durcheinander in ganz Europa, sondem es herrschen auch in der EG Ver­wirrung und Uneinigkeit dariiber, ob und wie der Integrationsprozefi in europaischem MaBstab fortgesetzt werden kann" (Schmierer, J., Die neue Alte Welt oder wo Europas Mitte liegt, Klagenfurt-Salzburg 1993, S. 10).

Wo aber steht das neue (Gesamt-)Europa und wo liegt seine Zukunft im globalen Wettbe­werb? Die Beitrage dieses Sammelbandes bergen nicht den Anspruch in sich, hierauf eine allumfassende und gleichzeitig alle Facetten beriihrende Antwort bereitstellen zu konnen. Sie liefem vielmehr Bausteine fUr dringend erforderliche Analysen und Gestaltungskon­zepte, indem sie exemplarisch die jiingere Entwicklung Ungarns und EG-Europas je ein­zeIn und zueinander aufgreifen, Ausgangssituationen und Zukunftserwartungen verdeutli­chen und so auch neue Fragen nach dem Wie und Wohin initiieren.

1m ersten Themenbereich werden Aspekte der westeuropaischen Integrationsbemiihun­gen, insbesondere auch unter dem Blickwinkel des Transformationsprozesses in Osteuro­pa und der besonderen Stellung des wiedervereinigten Deutschlands diskutiert.

Mit der Beziehung Deutschlands zu Europa sowie der Beziehung Europas zu Deutschland setzt sich Karl MOckl zeithistorisch auseinander. Die Geschichte gesamteuropaischer Inte­grationsbemiihungen bis zur Gegenwart wird eben unter diesem Blickwinkel reflektiert, urn so eine Aussage dariiber treffen zu konnen, ob heute Deutschland fUr Europa und Eu­ropa fUr Deutschland annehmbar ist bzw. wie die Angste un serer europaischen Nachbarn in Ost und West auf lange Sicht iiberwunden werden konnen. Elke Thiel geht in ihrem Beitrag von der Basiswertannahme aus, daB es im Kern keine Kontroverse zwischen einer EG-Vertiefung und einer EG-Erweiterung gibt, beide Aspekte sich dagegen schon immer in einer "zyklischen Folge" entwickelt und durchaus gegenseitig gefOrdert haben. 1m Mit­telpunkt steht dagegen die Frage der operativen Umsetzung bzw. Realisierung gesamteu­ropaischer Strukturen. Der Vollzug der Integration neuer Mitglieder in die Gemeinschaft, die Sicherung der Handlungsflihigkeit der Gemeinschaft bei erheblichem Anstieg ihrer Mitgliederzahl sowie die Ausgestaltung der Beziehung zwischen den Mitgliedslandem der Gemeinschaft und den europaischen Staaten, die der Gemeinschaft nicht beitreten wollen bzw. konnen, werden diesbeziiglich zur Diskussion gestellt. Josef Schmid beschreibt die europaische BevOlkerungsentwicklung anhand verschiedener demographischer Kriterien, schildert die sich hieraus ergebenden Probleme fUr die EG und zeigt auf, mit welchen Strategien dieser Entwicklung zu begegnen sei. Angesichts einer zunehmenden europa­ischen Integration der Finanzmarkte erortert Heinz Rehkugler unter Bezugnahme auf eine empirische Studie die Frage nach der zukiinftigen Bedeutung intemationaler Finanzie­rungsgesellschaften. Faktisch solI die Untersuchung eine Antwort darauf geben, ob im letzten Jahrzehnt eine verringerte Nutzung intemationaler Finanzierungsgesellschaften festzustellen ist und ob es zu einer Verschiebung der Motive fiir ihre Nutzung und der Attraktivitiit der dafiir gewiihlten Standorte gekommen ist. Rolf O. Belke stellt in seinem Beitrag die Frage, ob die Europaische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) im

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Hinblick auf die Zielsetzung des Gemeinschaftsgesetzgebers ihre Bewiihrungsprobe in Theorie und Praxis bestanden hat. Angesichts der geringen Resonanz dieser Rechtsform in der Praxis wird aus deutscher Sicht ein ErkHirungsversuch gewagt, weshalb sich bei der Wahl eines geeigneten Rechtsrahmens fUr eine intra-europaische grenziiberschreitende Kooperation zwischen Unternehmen in vielen Situationen die nationalen Gesellschaftsfor­men der EWIV als ebenbiirtig, wenn nicht sogar iibedegen erweisen. Der Beitrag "Zur Lage der Versicherungswirtschaft im vereinten Eur<?pa" von Ulrich Meyer befaBt sich mit den denkbaren Auswirkungen einer europaweiten Offnung der Versicherungsmarkte auf die betroffenen Unternehmen und die Konsumenten. Die fUr den 1. Juli 1994 vorgesehe­ne Liberalisierung des europaischen Versicherungsmarktes kann nach seiner Ansicht dazu beitragen, daB es zu einer Wettbewerbsintensivierung iiber nationale Grenzen hinweg kommen wird; die fehlende Transparenz der Markte fUr den Konsumenten setzt dem ak­tiven Wettbewerb jedoch enge Grenzen. Angesichts der Belastung des Offentlichen Haus­halts der Bundesrepublik Deutschland iiberpriift Heinz-Dieter Wenzel die Auswirkungen der deutschen Wiedervereinigung auf wichtige makrookonomische Determinanten der Wirtschaft und erortert, ob die Wiedervereinigung aus der Sicht der alten Bundesllinder finanzierbar ist. Des weiteren diskutiert er die Ubertragbarkeit des in Deutschland einge­schlagenen Weges der Transformation auf die gesamteuropaischen Integrationsbemiihun­gen. Unter dem besonderen Blickwinkel der Arbeits- und Erlosteilung untersucht Wolf­gang Meinig in seinem Beitrag "Wertschopfungspartnerschaft zwischen Automobilherstel­lern und Zulieferindustrie" die Preisentwicklung von deutschen Personenkraftfahrzeugen und deren Zulieferteilen fUr die Erstausstattung. 1m Rahmen der auf einen Zeitraum von fUnfzehn Jahren angelegten empirischen Analyse zeigt sich eine gegenliiufige Tendenz. Wiihrend die Automobilhersteller Preiserhohungen fUr Neufahrzeuge durchsetzen konn­ten, stagnierte oder sank das Preisniveau der Zulieferteile. Nach Auffassung Meinigs werden die Zulieferbetriebe dadurch mittel- und langfristig vor enorme Probleme gestellt, was leztendlich auch negative Auswirkungen auf die Automobilhersteller und die Endver­braucher haben wird.

Der zweite Tbemenscbwerpunkt befaBt sich mit Elementen des in Ungam derzeit statt­findenden Demokratisierungsprozesses, in dessen Mittelpunkt die Transformation des Sy­stems in eine dominierend marktwirtschaftlich koordinierte und in den internationalen Handel integrierte Wirtschaftsordnung steht.

Nach Ablosung der sozialistischen Planwirtschaft verfolgt die ungarische Regierung eine aktive Politik der Privatisierung und der Forderung ausllindischer Investitionen (vgl. hier­zu auch P. Gal). Gegenstand des Beitrages von Lajos Zelko ist die Beschreibung der in Ungam eingeschlagenen Wege der Privatisierung und die sich hieraus ergebenden Proble­me. Trotz der rasant fortschreitenden Privatisierung in den letzten drei Jahren neigt der Verfasser eher zu einer pessimistischen Haltung, wenn es urn die zukiinftige wirtschaftli­che Situation privatisierter Unternehmen geht. Der Kernbereich der Ausfiihrungen von Tamas T6th stellt die ungarische Wettbewerbspolitik dar. Ausgehend von der Priimisse, daB ein uneingeschrlinkter Wettbewerb nicht zu einer sozial gerechten Wohlfahrt fUhren konne, beschreibt er das "Law about unfair market behavior 1990" und erortert Erfahrun­gen hinsichtlich des Kenntnisstandes sowie der Anwendung des Gesetzes. Er begriindet die Notwendigkeit fUr ausllindische Unternehmen, sich mit dem Gesetz besser vertraut zu machen. Die Liberalisierung des internationalen Waren- und Zahlungsverkehrs solI unter Effizienzgesichtspunkten parallel erfolgen. Dementsprechend steht das Ziel der Konverti-

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bilitiit in allen ehemaligen Ostblocklandem auf der Tagesordnung. Uinderspezifisch un­terschiedlich gestaltet sich jedoch die Auffassung dariiber, wie dieses Zielletztendlich er­reicht werden soli. In ihrem Beitrag "Transition and Convertibility" begriindet Hajna Istvanffy den in Ungam eingeschlagenen Weg und beschreibt die gegenwartig vorliegen­den Bestimmungen. Die "Marketingprobleme ungarischer Untemehmungen" hat der Bei­trag von Bela veeso zum Gegenstand. Konkret stellt er die Frage, was das Marketing dif­ferenziert nach den einzelnen Marketing-Mix-Bereichen in den postkommunistischen Uin­dem im derzeit ablaufenden Transformationsproze6 zu leisten imstande ist. Lembereit­schaft auf ungarischer Seite und Unterstiitzung durch die westlichen Industrielander be­trachtet er als unabdingbare Voraussetzung in der wirtschaftlichen Umgestaltung Un­gams. In seinem Beitrag iiber "Integration of Hungary into European economy" zeigt Tibor Palankai den Weg bisheriger und Probleme weitergehender Integrationsbemiihun­gen Ungams in die Europaische Gemeinschaft auf und erOrtert den wirtschaftlichen Nut­zen, der sich aus dem Assoziierungsabkommen fiir Ungam ergibt. Ulrich Blum und Frank Leibbrand analysieren die Wettbewerbsstrukturen, die sich innerhalb der Transfor­mation von einer Zentralverwaltungswirtschaft in eine Marktwirtschaft ergeben. Es wer­den die relevanten Unterschiede in den Systemzustlinden beschrieben, urn hieraus den im Rahmen eines Transformationsprozesses zu durchschreitenden Pfad darstellen zu kOnnen. Darauf aufbauend werden einzelne strukturbegriindende Proze6determinanten intensiv analysiert. Besonderes Augenmerk lenken sie hierbei auf die Frage, welche Bedeutung Transaktionskosten in altemativen Wirtschaftssystemen zukommt. Peter A. Ulram befaBt sich in seinem Beitrag mit den wesentlichen Ergebnissen einer vergleichenden Studie zur politischen Kultur in den postkommunistischen Demokratien Ost-Mitteleuropas. Dabei steht eine empirische Bestandsaufnahme der politisch-kuIturellen Orientierungen in Un­gam, der ehemaligen CSFR und Polen im Mittelpunkt. Neben der Untersuchung des Po­litikverstlindnisses sowie der persOnlichen Erwartungen und Angste der Biirger wird ein Vergleich zu den Einstellungsmustem innerhalb etablierter demokratischer Systeme West­europas gezogen.

1m dritten Themenbereich werden Markteintrittsstrategien insbesondere deutscher Un­temehmen in den ehemaligen RGW-Uindem einer naheren Betrachtung unterzogen.

Einen Einblick in die "Lage und Analyse der auslandischen Direktinvestitionen in Ungam und die Folgen fiir den Technologie-Transfer" gibt Peter Gal. Fiir ihn stellen die au slan­dischen Direktinvestitionen ein wesentliches Element der intemationalen Wirtschaftsbe­ziehungen dar. Die Herausforderung, die der beschleunigte Technologie-Transfer von transnationalen auslandischen Firmen an die ungarischen Untemehmen stellt, sieht er als begrii6enswerte Quelle produktiver Impulse fUr die ziigige Umgestaltung der Wirtschaft Ungams. 1m einzelnen geht es ihm darum, die aus dem Ausland kommenden Technolo­giestrOme zu analysieren und ihre Bedeutung fiir die ungarische Wirtschaft abzuschatzen. Das Ziel des Beitrages von Frank Wimmer und Markus Wesnitzer besteht in einer grund­satzlichen Analyse der entscheidungsrelevanten Bestimmungsfaktoren fUr Eintrittsstrate­gien deutscher Konsumgiiterhersteller auf osteuropaischen Markten. Die Eintrittsproble­matik auf den Zielmarkten wird dabei mit dem Bestreben urn Verallgemeinerbarkeit der Erkenntnisse iiber die genannten Markte hinaus angegangen. Johann Eneelhard und Stefan Eckert untersuchen in ihrem Beitrag "Markteintrittsstrategien deutscher Untemeh­men in Ungam: Ergebnisse einer empirischen Erhebung" den Zusammenhang zwischen Wirtschaftssystem, Wandel des Wirtschaftssystems und Markteintrittsverhalten wirt-

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schaftsfremder Untemehmen. Hierbei wird insbesondere der Frage nachgegangen, ob sich die Internationalisierung als inkrementaler, stufenweiser ProzeB gestaltet. Die "Wirt­schaftsbeziehungen zwischen Bayem und Ungam" stellt Bernd Joachim Pantze in seinem Beitrag dar. Er versucht, ausgehend von einem kurzen Uberblick fiber die heutige Situati­on, Moglichkeiten aufzuzeigen, wie sich die gewachsenen Beziehungen zwischen Bayem und Ungam verstarken lassen, ohne dabei die wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch be­stehende Systemunterschiede auBer Acht zu lassen. Zudem werden Forderaktivitaten hin­sichtlich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit aufgezeigt.

Die Durchffihrung des Gemeinschaftssymposiums und die Drucklegung der Tagungser­gebnisse waren ohne organisatorische Unterstfitzung und finanzielle Forderung nicht moglich gewesen. Mein Dank gilt daher

- dem Bayerischen Staatsministerium flir Wirtschaft und Verkehr

- dem Industrie- und Handelsgremium Bamberg der IHK Oberfranken

- der Stadt Bamberg

- Herm Dr. Herbert lann, Inhaber der Firma Seba-Dynatronic, Baunach

- dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD)

- dem Universitatsbund Bamberg e. V.

- dem Gabler Verlag, Wiesbaden, insbesondere Herm Dr. Reinhold Roski

- den beteiligten Referenten, insbesondere Herm Professor Tibor Palankai, Head of De­partment of World Economy, Wirtschaftsuniversitat Budapest, ffir die Koordination auf ungarischer Seite

- meinem wiss. Mitarbeiter, Herm Dipl.-Kfm. Knut Saslona, flir die Erstellung des druckreifen Manuskriptes und

last but not least

- der Otto-Friedrich-Universitat Bamberg, vertreten durch ihren Rektor, Prof. Dr. Alfred Hierold.

Bamberg

Der Herausgeber

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort .............................................................................................. V

Amekte der westeuropjischen Inte~ration

Deutschland und Europa - Geschichtliche Grundlagen und Perspektiven ................... 1 von Karl M6cld

Europa nach Maastricht: Optionen fur gesamteuropiiische Strukturbildungen ........... 15 von Elke Thiel

European Population Trends - A Challenge for Societies under Constant Innovation Pressures .............................................................................. 35 von Josef Schmid

Internationale Finanzierungsgesellschaften - Ein Auslaufmodell bei zunehmender europiiischer Integration? ........................................................ 47 von Heinz Rehkugler

Das europarechtliche Kooperationsinstrument der wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) in der Bewiihrung ............................................ 67 von Rolf O. Belke

Zur Lage der Versicherungswirtschaft im vereinten Europa ................................ 93 von Ulrich Meyer

Economic and Fiscal Aspects of German Reunification and Lessons for European Integration ............................................................................. 103 von Heinz-Dieter Wenzel

WertschOpfungspartnerschaft zwischen Automobilherstellern und Zulieferindustrie - Problem der Arbeits- und Erlosteilung ................................. 129 von Wolfgang Meinig

Transformationsproze6 in Ungarn

Privatization in Hungary: Methods, Results and Problems ................................ 141 von Lajos Zelk6

Commercial and Competition Policy in Hungary (Facts, Laws, Consequences and Experiences) ................................................................................. 151 von Tamas T6th

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Transition and Convertibility ................................................................... 161 von Hajna Istvanffy

Marketingprobleme ungarischer Unternehmungen .......................................... 171 von Bela Vegso

Integration of Hungary into European economy ............................................. 183 von Tibor Palankai

Wettbewerbsstrukturen im TransformationsprozeB .......................................... 197 von Ulrich Blum / Frank Leibbrand

Politische Kultur in Ost-Mitteleuropa: Ein erster Uberblick im Vergleich .............. 209 von Peter A. Ulram

Markteintrittsstratel:ien in Ungam

Lage und Analyse der ausUindischen Direktinvestitionen in Ungam und die Folgen fUr den Technologie-Transfer ......................................................... 221 von Peter Gat

Markteintrittsstrategien in Osteuropa: Die Perspektive der Konsumgiiterindustrie ..... 233 von Frank Wimmer / Markus Wesnitzer

Markteintrittsstrategien deutscher Unternehmen in Ungam: Ergebnisse einer empirischen Erhebung ........................................................................... 249 von Johann Engelhard / Stefan Eckert

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bayern und Ungam ..................................... 269 von Bernd Joachim Pantze

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MOckl: Deutschland und Europa

Deutschland und Europa Geschichtliche Grundlagen und Perspektiven

von

Prof. Dr. Karl MOckl Lehrstuhl fUr neuere und neueste Geschichte unter Einbeziehung der Landesgeschichte

Otto-Friedrich-Universitat Bamberg

1 Das Alte Reich und die europiischen Staaten

2 Nation und Staat der Deutscben

3 Das Ende der "Weltgeschicbte Europas" und die Teilung Deutschlands

4 Die Wende von 1989

S Die politiscbe Integration Europas als Aufgabe

1

... jene schmerzdunkle Frau aber, schwarz gekleidet und mit zerrissenem Schleier, und all ihrer Edelsteine und ihres Schmuckes beraubt, ist die unglfickliche Europa, welche schon so viele Jahre lang Raub, Schmach und Elend erduldet, die fUr jeden so tief spfir­bar sind, daB es nicht notig ist, sie naher anzugeben. Ihr Symbol ist der Globus, der von einem kleinen Engel oder Genius getragen wird, mit dem Kreuz darfiber, das die christli­che Welt bedeutet." So deutet Peter Paul Rubens sein beruhmtes Bild "Die Folgen des Krieges" in einem Brief vom 12. Miirz 1638 an Juste Suttermans (Lescourret 1990, 240). Ais politisches Bild ist es in Aussage und Dramatik nur mit Picassos GemaIde "Guernica" von 1937 vergleichbar. Hier die Vision vom Untergang der christlich-katholischen, uni­versalen Reichsidee. Dort der Widerstand gegen den Totalitarismus Hitlers, dessen kul­turrevolutionare Kampfparole der "Entarteten Kunst" dazu beitragen sollte, den politi­schen Herrschaftsanspruch fiber Europa durchzusetzen (Spies 1993, 12). Europa lieS, wie immer in seiner Geschichte, eine GroSreichsbildung nicht zu und bewahrte seine politi­sche Vielfalt. Die Einheit blieb ein Traum bis die bipolare Weltordnung und die Dynamik der industriell-technologisch begrundeten globalen Zivilisation die wirtschaftliche und po­litische Integration in den Bereich des Moglichen ruckte.

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2 M6ckl: Deutschland und Europa

1 Das A1te Reich und die europaischen Staaten

Das Heilige Romische Reich des Mittelalters wurde zu keiner Zeit dem politischen An­spruch der GroBreiche der Antike, Chinas oder des Islam gerecht. Die verschiedenen In­tegrationsversuche zeigen, daB kulturelle, gesellschaftliche und herrschaftliche Vielfalt immer bestand. Gleichwohl waren die Kaiser Karl der GroBe und noch Karl V. von der Aufgabe getrieben, der europaischen Pluralitat eine politische Form verleihen zu konnen. Das Christentum romischer Pragung sollte fiir alle Teile die verbindenden Werte bereit­stellen. Karl der GroBe hatte Erfolg und wird als "Vater Europas" geriihmt. Karl V. scheiterte. Mit Reformation und DreiBigjiihrigem Krieg beschritt Europa den Weg der Mediatisierung und wurde zur politisch-kulturellen Idee. 1m europaischen Rahmen setzten sich Staat und Nation als neue Formkrafte mit Nachdruck durch, erst in Westeuropa und schlieBlich auch in der Mitte und im Osten des Kontinents. In dem Rubens mit seinem obengenannten Bild diese Lage Europas vergegenwiirtigte, verdichtete er den Umbruch seines Zeitalters, den Beginn der Neuzeit.

Der DreiBigjiihrige Krieg bewirkte nicht nur eine "Traumatisierung" groBer Teile der mitteleuropaischen BevOlkerung (Imhof 1984, 101); er war in gleicher Weise ein Staats­bildungskrieg, der zur Umgestaltung der politischen Ordnung Europas fiihrte (Burkhardt 1992, u.a. 10, 63, 178). Bis zum Westfcilischen Frieden von 1648 beeinfluBten Religion und Konfession das internationale politische Handeln nachhaltig. Sie verlieren nun in ei­nem sich verstiirkenden SakularisierungsprozeB an Bedeutung, wirken aber im innerstaat­lichen Bereich gestaltend auf die sich herausbildenden nationalen Identitaten. 1m Heiligen Romischen Reich deutscher Nation werden Bi- bzw. Multikonfessionalismus und territo­riale Beharrungskraft zu grundlegenden, sich stiindig gegenseitig beeinflussenden Elemen­ten der geschichtlichen Entwicklung. Es zeichnet sich die Europaidee der Neuzeit ab, die ihre Einheit aus der Pluralitat empfangt. Eine umfassende Buch- und Zeitschriftenliteratur legt Zeugnis von den Diskussionen urn den "corps politique de l'Europe" und den "Ta­bleau speculatif de l'Europe" ab (Gollwitzer 1951, 168).

Das Staatensystem Europas folgt nun Gesetzen der Macht und des Interesses, der Staats­raison. Gleichgewicht und Hegemonie werden zu Maximen der Politik (Meinecke 1963, Duchhardt 1976). Auch wenn durch die Stellung der Kirchen noch von einem christlichen Europa gesprochen werden muB, das in Zeichen auBerer Gefahr, wie den Tiirkenkriegen, allgemein wurde, so ist die christliche Welterkliirung durch den Einbruch der Vernunft, der Zentralisierung und der Rationalisierung nicht mehr allein verbindlich. Die Durchset­zung der Souveranitat im innerstaatlichen Bereich versprach nicht nur den Frieden, son­dern auch das Recht zu gewiihrleisten. Idea1typischen Charakter fiir die Verhhltnisse in Europa haben die in England durch Thomas Hobbes im Zusammenhang mit der Engli­schen Revolution ausgelosten kontroversen Diskussionen urn die Mitte des 17. lahrhun­derts (Metzger 1991).

Das Heilige Romische Reich blieb ein Kosmos von Herrschaften, "Klein-Europa", eine fOderale Ordnung, wohl zu Rechtsschutz fiir Untertanen und Korporationen, Toleranz und zur Wahrung "alter teutscher Freiheit", aber nicht zu ausgreifender Politik fahig. Den Weg zum modernen Staat beschritten die mittleren und groBen Territorien. Kenn­zeichnend fiir diese Entwicklung ist der Aufstieg PreuBens, das in einem bis zum Deut­schen Krieg von 1866 andauernden Dualismus mit Habsburg dazu beitrug, die Mitte Eu­ropas zu neutralisieren. Eine aktive Rolle, wie sie zuletzt im Zeitalter Karls V. und Lu-

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MocId: Deutschland und Europa 3

thers deutlich geworden war, spielte das Reich auf lange Zeit nicht mehr. Es wurde gleichsam "entpolitisiert" (von Aretin 1986, 50; Duchhardt 1990, 3). Unbestritten war der katholische Universalismus bis zur Sakularisation 1803 verfassungspolitisch konstitu­tiv und im Habsburger Reich noch bis 1918 von Bedeutung. Deutschland als Ganzes zog daraus keine Kraft mehr. Es war Objekt der Geschichte geworden. In der eskapistischen Figur des deutschen Michels, wie er in der Sprichwortersammlung von Sebastian Franck 1541 zum ersten Mal genannt wurde, setzte sich die Vorstellung yom apolitischen Deut­schen nunmehr durch. Die deutsche Frage hat seither eine Dimension der Einheit wie der Identitiit. Die eine Seite des Problems bewegt eher die Nachbarn der Deutschen, die an­dere die Deutschen selbst.

Moskau, das nach dem Fall Konstaninopels 1453 in die Rolle des "dritten Rom" ge­schliipft war, gewann als geistliches Zentrum Ru6lands und in der Aufgabe der "Samm­lung der russischen Lande" ein neues Selbstverstiindnis (Dopmann 1967, 22; Schaeder 1957, 68, 76 f.; ledin, Bd. V, 1970/85, 206). Aber erst mit Peter dem GroBen schaltete sich das Land in das europaische Geschehen ein. Symbol dieser Offnung nach Westen wurde das 1703 gegriindete Sankt Petersburg. Die Sieger im DreiBigjlihrigen Krieg, Frankreich und Schweden, entwickelten ebenso wie das Osmanische Reich hegemoniale Neigungen, wobei sich ihre aggressiven Absichten in erster Linie auf die Mitte Europas richteten. Aber weder Schweden noch die Tiirkei besaBen die Machtmittel, urn ihren he­gemonialen Ambitionen Dauer verleihen zu konnen. Allein Frankreich gelang es, durch das Niederringen Spaniens seine Vormachtstellung zu festigen und seit Ludwig XN. eine ungenierte Eroberungspolitik zu betreiben. England bot mit wechselnden Allianzen im Sinne seiner Doktrin des Gleichgewichts, der balance of power, der franrosischen Hege­monialpolitik Einhalt. Gleichwohl wurden Frankreich und England in ihren politischen Ordnungen und mit ihrem kulturellen Anspruch zu Vorbildem Europas, besonders auch fiir die deutschen Fiirsten.

2 Nation und Staat der Deutschen

Das Heilige Romische Reich deutscher Nation nahm als Subjekt des VOlkerrechts am in­temationalen Leben teil, ein "Staat der Deutschen" wurde es nicht. Seine Verfassung er­wies sich als nicht reformierbar. Der Reichspatriotismus, wie er sich seit dem 16. lahr­hundert entwickelte, war zunachst eine Sache der Intellektuellen, wobei im 17. lahrhun­dert in den publizistischen Erorterungen "der Riickzug von universellen Positionen des Mittelalters auf eine nationale Identitat" erkennbar wird. Die aus dem Geist der Aufldii­rung geborene biirgerliche Offentlichkeit verleiht dem Reichspatriotismus am Ende des 18. lahrhunderts neuen Glanz. Auch wenn die Impulse kaum im politischen, viel starker im kulturellen Raum feststellbar sind, so vermittelt dieser "Aufbruch zu einem neuen 'National-Geist'" doch ein Bild yom kollektiven Selbstverstiindnis der Deutschen (Ham­merstein 1979, 335; Stolleis 1988, 13).

Die Wirkungen der Franzosischen Revolution von 1789 und die napoleonische Flurberei­nigung der politischen Landkarte Europas fiihrten 1804/06 zum Untergang des Alten Rei­ches. Das nationale Selbstverstiindnis lebte in verschiedenen Formen fort. Das Reich, sei­ner politisch-territorialen Grundlage beraubt, wurde zum politischen Mythos oder zu ei­ner freien Idee, die kiinftig von den Romantikem ebenso wie von Bismarck, der Weima­rer Republik oder von Hitler in Anspruch genommen werden konnte. Das modeme natio-

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4 Moclel: Deutschland und Europa

nal-staatliche Denken verwirklichte sich durch die Verbindung mit dem Konstitutionalis­mus in der "Biirgemation". Sie gewann ihre politische Gestalt wiihrend der Reformepo­che in einer Vielzahl souveriiner Einzelstaaten, die den Wandel von Alteuropa zur moder­nen Welt bewirkten (Koselleck 1992, Kap. IX; Moller 1989, 661). Gleichwohl wurde die "Biirgemation" nicht nur im Deutschen Bund, sondem auch im zweiten deutschen Kaiser­reich vom "Fiirstenstaat" bedriingt.

An Deutschland als Kulturgemeinschaft zweifelte niemand. Dagegen wurde die Frage nach einer politischen Nation der Deutschen bis in un sere Tage sehr unterschiedlich be­antwortet (Dann 1993, 22, 53). Welche Gestalt sollte ein einiges Deutschland haben? Fiir die Deutschen ging es urn die Errichtung eines lebensf3.higen Nationalstaates oder - nach 1945 - urn dessen Wiederherstellung. Die europiiischen Nachbarn verbanden mit diesem Wunsch, auch wenn sie ihn fUr berechtigt hielten, die Forderung nach der Sicherheit vor Deutschland. Das Spannungsverhliltnis zwischen diesen beiden Standpunkten auszuglei­chen, gelang der deutschen Politik nicht oder nur mit sehr groBer Miihe. Ein starkes Deutschland beunruhigte Europa allein schon durch seine geographische Mittellage. Vor allem die franzosische und englische Offentlichkeit sahen und sehen in der stiindigen Ver­suchung einer Schaukelpolitik zwischen Ost und West "das Verhangnis der deutschen Hi­storie". Napoleon, der den Traum einer franzosischen Hegemonie iiber Europa mit Hilfe der nationalen Religion der Revolution schon verwirklicht hatte, scheiterte an seinem von disaristischen Vorstellungen gepragtem Ehrgeiz und an der englischen Politik eines euro­piiischen Gleichgewichts eben so wie an der Weite RulUands. Die Grande Armee eroberte 1812 Moskau, ging aber dennoch unter. Die revolutionare Kraft der deutschen National­bewegung besiegelte in den Freiheitskriegen von 1813 zwar den Sturz Napoleons, aber die Ordnung Deutschlands geschah auf dem Wiener KongreB von 1814115 in gleicher Weise wie die Neugestaltung Europas, namlich, ohne liberalen oder nationalen Forderun­gen Rechnung zu tragen. Der kiimpferischen Feststellung des preuBischen Reformers, des Freiherm vom Stein "Ich habe nur ein Vaterland, das heiBt Deutschland" setzte der oster­reichische Staatsmann Fiirst Mettemich melancholisch-abgekliirt seine Erfahrung entge­gen "Fiir eine lange Zeit hat Europa fUr mich die Eigenschaft eines Vaterlandes gehabt" (Stein 1933, 166; Kissinger 1973, 377). Der Deutsche Bund war ein Staatenbund, der sich durch den Dualismus zwischen PreuBen und Osterreich selbst in Schach hielt. Die machtpolitisch neutrale Mitte Europas kam den Interessen der europiiischen Machte, be­sonders den hegemonialen Fliigelmachten RulUand und England, aber auch dem besiegten Frankreich entgegen. So erlebte die deutsche Nationalbewegung eine herbe Enttauschung. Die deutsche Einheit blieb eine Utopie. 1m Unterschied zu Frankreich definierte sich die Nation nicht subjektiv-politisch, sondem im Sinne Johann Gottfried Herders nach den ob­jektiven Kriterien der Sprache, der Geschichte und der Volkszugehorigkeit. Die biirger­liche Offentlichkeit verstarkte und entwickelte in all ihren Erscheinungsformen, der Pres­se, der Literatur, des Vereinswesens, der Vorformen politi scher Parteien, nicht nur das deutsche Gemeinschaftsgefiihl, sondem hielt auch die Sehnsucht nach der politischen Na­tion lebendig (Schulin 1992, 109). Die Grenzfrage, wie weit sollte "des Deutschen Vater­land" reichen, spielte eben so eine zentrale Rolle wie Probleme der nationalen Identitat.

Die Manner der Revolution von 1848 wiihlten die Probleme der Demokratie und der Grundrechte so nachhaltig auf, daB sie iibersahen, daB nur mit freiwilliger oder erzwun­gener Zustimmung der europiiischen Hegemonialmachte ein deutscher Nationalstaat zu schaffen war. Das Scheitem dieses Bemiihens enttauschte und emiichterte die Idealisten. Schwerwiegender aber sollte sich auswirken, daB damit auch ein Teil der freiheitlichen

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politischen Visionen verloren ging. Ersatz fur die nationale Einheit, die ein Parteien und gesellschaftliche Gruppen umfassendes Selbstbewu6tsein zum Ausdruck bringen konnte, bot der wirtschaftliche Erfolg. Der Deutsche Zollverein von 1834 stellte ein gro6eres ei­niges Deutschland vor. Durch die industrielle Revolution wurde diese Einheit real, war nicht mehr utopisch. Hier lagen auch die Chancen, anderen europiiischen Staaten uberle­gen zu werden. Nationalokonomie und Technik gewannen einen hohen Stellenwert (Schiera 1992).

Als Otto von Bismarck 1870171 das zweite deutsche Kaiserreich in den Sattel hob, be­zeichnete der englische Staatsmann Disraeli diesen Vorgang als eine Revolution, die an Bedeutung jene von 1789 in Frankreich ubertreffe. Dieser erste deutsche Nationalstaat war als Wirtschafts- und Wissenschaftsnation hochmodem und zeigte nicht nur im Wahl­recht zum Reichstag Ansatze zu einer nationalen Demokratie. Dies betonte Wilhelm Liebknecht: "Das allgemeine Stimmrecht hat mit Millionen von Wurzelfasem das deutsche Reich festwurzeln lassen im deutschen Volke. Wenn das Reich jetzt stark ist, so ist es das kraft des allgemeinen Wahlrechts, kraft des Prinzips der Volkssouveriinitiit" (Dann 1993, 181). Zum ersten Mal seit dem WestfaIischen Frieden von 1648 folgte das europiisiche Miichtesystem anderen Gesetzen. Die Starke Deutschlands in der Mitte Europas verlieh ihm zwar keine hegemoniale, aber eine "halb-hegemoniale" Stellung. Die nationale Identitiit wies gleichwohl Risse auf. Der Kulturkampf, die Auseinandersetzun­gen mit der liberalen Reformbewegung, die Politik gegenuber den nichtdeutschen Min­derheiten und das Sozialistengesetz sind Zeichen dafUr, daB es zu keinem nationalen Kon­sens kommen konnte. Die Nationalisierung des politischen Lebens wirkte wie die egalitii­re "nation une et indivisible" nicht nach innen, sondem war im Gegenteil durch die Krea­tion einer nationalen Integrationsideologie darauf gerichtet, von innenpolitischen Gegen­satzen vielfach mit Hilfe von Feindbildem auf au6enpolitische Konflikte und koloniale Ziele abzulenken. Den "sacro egoismo" oder den "nationalisme integral", wie ihn Charles Maurras, der Mitbegriinder der Action Franc;aise, nannte, als ein Instrument der Beeinflussung der Massen gab es in allen europiiischen Staaten (Lemberg I, 1964, 195). 1m Deutschen Reich aber gewann er an Explosivitiit, da dieses als Nationalstaat, abgese­hen von den Forderungen radikaler Reformer, selbst nach Vorstellungen des burgerlichen Liberalismus nach innen unvollendet war.

Die Generation der Iahrhundertwende wandte sich gegen den Realismus und Materialis­mus der Griinderviiter, die das Reich aufgebaut hatten. Sie suchte in einer romantischen Wende die nationale Identitiit in der Weltpolitik. Der junge Kaiser Wilhelm II. verlangte fUr Deutschland einen "Platz an der Sonne" und EinlaB in den Kreis der imperialistischen Miichte. Die sich abzeichnende Kette von Krisen im europiiischen Staatensystem fUhrte nicht zwangsliiufig, aber doch tatsachlich auf dem Hintergrund eines sich stiindig stei­gemden nationalen Selbstbewu6tseins der europiiischen Nationen zu einem schlieBlich nicht mehr lokalisierbaren Konflikt, den des Ersten Weltkrieges. Fur Deutschland war der "Griff nach der Weltmacht" eben so vergeblich wie die nationale Integration durch die gemeinsame Bewiihrung im Kampf. Die Niederlage wurde zur Apokalypse, das nationale SelbstwertgefUhl so sehr getroffen, daB hier eine der Wurzeln fUr die totalitare Uberspit­zung des deutschen Nationalismus im 20. Iahrhundert liegt.

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3 Das Ende der "Weltgeschichte Europas" und die Teilung Deutsch­lands

Der Versailler Friedensvertrag von 1919 biirdete Deutschland die Kriegsschuld und die Kriegskosten auf, zerstorte aber seine territoriale GroBmachtstellung in der Mitte Europas nicht, legte trotz allem den Keirn fiir ihre Wiederherstellung. Kriegsnot, Inflation und Wirtschaftskrise offenbarten die Widerspriiche in der deutschen Gesellschaft der Weima­rer Zeit. Das Industriesystem setzte sich weiter durch, aber weder die Verfassungs-, noch die Staats- oder die Gesellschaftsordnung konnten mit dauerhaftem Konsens rechnen. Ra­dikalitiit und Aggressivitiit in der Politik nahmen durch die Feindseligkeit der intematio­nalen Ordnung zu. Die Parteien der Weimarer Koalition, Zentrum, biirgerlich-liberale Demokraten und Sozialdemokraten, verloren an Ansehen und EinfluB, damit die Repu­blik. Die Nationalsozialisten sahen im Wertesystem der Industriegesellschaft den Grund fiir die bestehenden Krisen. Die Zwange europaischer Politik deuteten sie wohlfeil als ein Unterdriickungssystem gegen Deutschland. Als Drahtzieher machte Hitler die Juden aus.

Der Ruf nach den Vereinigten Staaten von Europa eines Grafen Coudenhove-Calergi, Leo Trotzki oder Aristide Briand - unter welchen politischen oder ideologischen Vorzei­chen er auch immer ertonte - verhallte ungehOrt. Die simplen Propagandaparolen der Na­tionalsozialisten iiberdeckten nicht nur die groBen Erfolge der Weimarer Republik, der es immerhin gelungen war, Deutschland in das Konzert der Machte zuriickzufiihren und die Reparationsfrage zu losen, sondem wandelten das nationale Denken in einen radikalen Totalitarismus. Die durch Krieg und Judenvemichtung rassistische Ubersteigerung des Nationalismus im Hitlerregime sollte kiinftig jeder Diskussion urn die deutsche Identitiit eine nieht mehr wegzudenkende moralische Dimension geben. Der deutsche Nationalis­mus wurde "entlegitimiert" (Lepsius 1989,247).

Der Hybris eines totalen nationalen Anspruchs folgte 1945 nach Niederlage und Zusam­menbruch die radikale Wende. Eine "kritische Generation" wandte sich gegen jegliche Form nationaler Machtstaatsvorstellungen und begeisterte sieh fiir die Idee Europa (Lip­gens 1977; Loth 1990).

Konrad Adenauer sah den stiirksten Schutz der Freiheit der Deutschen in der Freiheit der atlantischen Gemeinschaft und betrieb eine Politik der westeuropaischen Integration. Sein innerparteilicher Kritiker Jakob Kaiser scheiterte mit seinen nationalen Planen eben so wie der Oppositionsfiihrer, der Sozialdemokrat Kurt Schumacher oder Gustav Heinemann (Allemann 1956, 274). Die deutsche Frage wurde wieder, wie zu Beginn des 19. Jahr­hunderts, im Sinne Europas beantwortet. Der Teilung Deutschlands folgte schlieBlich die Griindung zweier deutscher Staaten bei Abtrennung von Gebieten fiir Polen und fiir die Sowjetunion. Das zweigeteilte Europa nahm diese LOsung an. Der Westen und der Osten, jeder hatte sein eigenes Deutschland, wobei Deutschland als Ganzes schwach war und fiir die europaischen Staaten keine Gefahr darstellte. Kaum jemand bestritt den Deutschen das Recht auf staatliche Einheit. Gleiehzeitig aber rechtfertigten die europaischen Nach­bam den Zustand der Teilung damit, daB sie die entstandene Lage nicht beabsichtigt bat­ten und daB die Folgen des Kalten Krieges unabanderlich seien und schlieBlich die Inter­essen der Europaischen Gemeinschaft auch und vor allem durch den Willen der Regierun­gen der Bundesrepublik Deutschland Vorrang genossen. Die Uberzeugungskraft dieser fa­denscheinigen Beweisfiihrung war so groB, daB sich die Deutschen in ihr Schieksal fiigten und daB die Europaer in Ost und West die Vorteile der deutschen Zweistaatlichkeit geme

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hinnahmen. Vor allem die jiingere Nachkriegsgeneration in der Bundesrepublik fand sich seit Mitte der 60er Jahre mit der Teilung als Selbstverstandlichkeit ab und suchte die Ein­heit der Nation hOchstens durch ein "Mehr an Kommunikation", wie es Heinrich August Winkler formulierte, aufrecht zu erhalten. Moglichkeiten politischer Umgestaltung faBten in erster Linie Angehorige jener Generation ins Auge, die selbst noch bewuBt den Wan­del der Kriegs- und Nachkriegszeit erlebt hatten, so Helmut Kohl, Hans-Dietrich Gen­scher und Willy Brandt.

4 Die Wende von 1989

Die politische Lage Europas linderte sich 1989 grundlegend. Die Sowjetunion gab die DDR frei, erklan:e das Experiment des Kommunismus fiir beendet und loste das dualisti­sche Weltsystem, soweit es noch bestand, auf. Die deutsche Frage wurde wie in der zweiten Hlilfte des 19. Jahrhunderts im Sinne Otto von Bismarcks beantwortet. Die Ein­heit, auch des erneut verkleinerten Deutschlands, bedeutet, daB die Mitte wieder stark und Deutschland die fiihrende Macht in Europa werden kann. 1m Unterschied zum zwei­ten deutschen Kaiserreich ist die neue Bundesrepublik allerdings von westlichen politi­schen Werten durchdrungen und in die politische Ordnung des Westens fest integriert. Fiir die Zukunft Deutschlands und Europas ergeben sich Chancen und Gefahren. Es ist die Stunde der Politik. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bestanden zu keiner Zeit mehr Gestaltungsmoglichkeiten. Die allseits erkennbaren Befiirchtungen un serer Nach­bam gilt es ernst zu nehmen. Es bedarf einer Politik des weiten Blicks, nicht des kurzen Atems.

Die Biirger der DDR standen unter der 40jiihrigen Vormundschaft des totalitiiren kommu­nistischen Systems. Orientierungspunkte fiir ihr Selbstverstandnis war das Vorbild Bun­desrepublik Deutschland einerseits und die Rolle der Sowjetunion als Herrschafts- sowie Hegemonialmacht andererseits. Von den Entwicklungen in Westeuropa blieben sie ausge­schlossen. Der Glaube, als Deutsche zweiter Klasse behandelt zu werden, konnte durch Riickkoppelung eines vorhandenen wirtschaftlichen und sozialen KrisenbewuBtseins wie­der zu einem iibersteigertem Nationalgefiihl fiihren. Die Verpflichtung, sich die europa­ische Komponente der deutschen Einigung bewuBt zu machen, ist geeignet, dieser Ten­denz entgegenzuwirken. Aber es ist auch eine Aufgabe aller Deutschen, denn zu Selbst­gefaIligkeit besteht in der alten Bundesrepublik kein AnlaB. Die aufwiihlenden Kontrover­sen urn die polnische Westgrenze, den Charakter der NS-Verbrechen, die Bewertung der Stasi-Bespitzelung und die Form des Asylrechts legen davon Zeugnis abo Uber alle Pro­bleme hinweg wird sich das nationale Identitlitsgefiihl der Deutschen verstiirken. Die sich mit Begriffen wie "Verfassungspatriotismus", "postnationale Demokratie unter National­staaten" oder "sozialistisches Vaterland" verbindenden Zielvorgaben werden an Bedeu­tung verlieren oder werden keine Bedeutung mehr haben. Ein nationaler Mythos konnte mit all dem nicht begriindet werden. Das Provisorium Bundesrepublik Deutschland ist mit der Nachkriegszeit eben so zu Ende gegangen wie das Experiment Deutsche Demokratische Republik (Sternberger 1982; Bracher 1986, 406).

Fiir die Normalisierung des deutschen NationalbewuBtseins ist das westeuropliische Erbe von allergrOBter Bedeutung. Alle wesentlichen Gruppierungen in der Bundesrepublik Deutschland wollten die Gemeinschaft der westlichen Staaten. Sie entschieden sich mit iiberwliltigender Mehrheit fiir die politischen Werte des Westens, nicht fUr einen veralte-

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ten Nationalismus, sondern stell ten Europa uber den nationalen Egoismus. Das Staatsziel der Bundesrepublik Deutschland war nie Macht, sondern Vorrang des Interessenausglei­ches mit den anderen Staaten. In vierzig Jahren hat unsere Republik bewiesen, daB sie zur Gemeinschaft der westlichen Staaten im geistigen, politischen, wirtschaftlichen und kultu­rellen Sinne gehOrt. Die Politik der Bundesregierung - "Wir wollen nicht ein deutsches Europa, sondern ein europaisches Deutschland" - driickt diesen Tatbestand nach wie vor aus. Es mu6 auch allen bewu6t bleiben, daB die deutsche Wiedervereinigung nur durch die Uberwindung der Spaltung Europas ermoglicht wurde. Die europliische Dimension der deutschen Einheit bedarf, wenn die deutsche Politik glaubwurdig sein solI, der Ergan­zung durch das nachhaltige Bemuhen urn die Verwirklichung einer nationalen Republik. Die von Gordon A. Craig und Michael Wolffsohn gebrauchten Begriffe "konstruktiver Patriotismus" und "innerer Nationalismus" beflugeln die Diskussion, machen aber auch viele Mi6verstandisse deutlich. Die Verfassungsreformdiskussion beriicksichtigt die dar­aus folgenden Notwendigkeiten nur ungenugend. Sie ist in Teilen dazu geeignet, auch den "europliischen Kredit" Deutschlands zu gefahrden (Kerscher 1992; Clements 1993; Seeber 1993; Hennis 1993; Craig 1993).

Die Verbindung der deutschen mit der europaischen Frage enthalt ohnehin Irritationen genug. Durch die deutsche Einheit genie6t die vormalige DDR alle Vorteile der Europlii­schen Gemeinschaft. Vor allem Polen, die Tschechische Republik, die Slowakei und Un­gam mussen sich benachteiligt fUhlen, wenn dieser Teil Deutschlands, der zusammen mit dem Deutschen Reich den Krieg verloren hat, als erstes Land des ehemaligen Ostblocks die Chance des wirtschaftlichen und sozialen Aufschwungs erhalt. Die Assoziierungsver­triige der Europaischen Gemeinschaft mit den Staaten Ostmitteleuropas und die Aus­gleichsverhandlungen angesichts der transnationalen Asylantenwanderungen sind deshalb unter deutscher Perspektive von besonderer Wichtigkeit.

BefUrchtungen unserer Nachbarvolker, daB Deutschland den MaBstab nicht nur fur die wirtschaftliche und gesellschaftliche, sondern auch fUr die politische Ordnung Osteuropas festlegen wird und dadurch eine hegemoniale Rolle in ganz Europa ubernehmen konnte, sind nicht von der Hand zu weisen. Gregor SchOllgen spricht ganz selbstverstandlich von einer "Gro6macht Bundesrepublik". Noch Ende 1989 lobte Margaret Thatcher den War­schauer Pakt als Garanten des Friedens und der Stabilitat der Nachkriegszeit und sprach sich fUr die Pdisenz sowjetischer Truppen auf dem Gebiet der DDR aus. Der katholische polnische Ministerprasident Tadeusz Masowiecky lehnte sich bis 1989 sicherheitspolitisch an Moskau an und setzte damit die Politik des ehemaligen kommunistischen Regimes in Polen fort. Der tschechoslowakische Staatsprli.sident Vaclav Havel befUrwortete einen Verbleib amerikanischer Truppen in Deutschland, urn die Stabilitat in Europa zu gewlihr­leisten. Zu Zeiten des Golfkrieges au6erte ein englischer Beobachter des "Observer": "Die 'german otherness' sei derzeit der gefahrlichste Mythos in Europa". Uberhaupt hau­fen sich Nachrichten von den westlichen Nachbam Deutschlands, die der Vorstellungs­welt der Zeit vor oder kurz nach dem Ersten Weltkrieg entsprungen zu sein scheinen. Dies gilt fUr Beitrage zur Politik der Europliischen Gemeinschaft gegenuber den jugosla­wischen Volkern wie fUr Au6erungen zur alten franzOsisch-polnischen Freundschaft und Beschworungen der Entente cordiale zwischen Frankreich und GroBbritannien oder die Furcht vor dem Geist von Rapallo (Fest 1992; Maier 1990; Heimrich 1992; Rometsch 1993; Wolffsohn 1992, 142).

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Auch wenn dieses Mi6trauen aus deutscher Sicht unbegriindet erscheint, bedarf es zur Uberwindung politischer MaBnahmen. Der Moskauer Vertrag zum Abschlu6 der Zwei­plus-Vier-Verhandlungen, der Deutschland-Brief an die Siegermachte und die Deutsch­land-Erldiirung der vier Siegermachte haben die Weichen gesteUt und Rahmenbedingun­gen festgelegt. Damit sind auch Moglichkeiten aufgezeigt, die NATO als militirische Or­ganisation des Westens mit politischen Aufgaben zu betrauen und ihre Struktur den kiinf­tigen Gegebenheiten in Europa anzupassen. Der Anfang wurde bereits auf der NATO­Gipfelkonferenz in London 1989 gemacht. Die Frage ist, ob sich die NATO mit der KSZE kooperierend abstimmen und durch Offnung gegeniiber den ostmitteleuropaischen Staaten zu einer echten Regionalorganisation der Vereinten Nationen werden kann, was sie bisher nicht ist. Die Entwicldung scheint mit der Intervention der NATO im Jugosla­wienkonflikt eingeleitet zu sein, nachdem sich bis heute die Westeuropaische Union und die KSZE als Ordnungsmiichte in Europa als unwirksam erwiesen haben.

5 Die politische Integration Europas als Aufgabe

Die Angste unserer Nachbarn konnen aber auf lange Sicht nur durch die europaische Inte­gration, durch die HersteUung der Einheit Europas, iiberwunden werden. Einer grund­satzlichen Anderung der deutschen Politik bedarf es dazu nicht. Bisher schon war die fortschreitende Intensivierung der internationalen Beziehungen eine wichtige Maxime, urn Gewalt als Mittel der Politik auszuschlie6en. Das Ende des Zeitalters der Ideologien oder des "Weltbiirgerkrieges", wie Ernst Nolte formulierte, lie6 endgiiltig ansteUe der Unver­sOhnlichkeit der Prinzipien die Ausgleichbarkeit der Interessen treten. Die Riistungspoten­tiale der Supermiichte hatten schon seit geraumer Zeit ein Kostenniveau erreicht, das eine Steigerung nicht mehr zulie6. Die Einsicht, daB die Schwiichung des Gegners nicht mehr unbedingt zur Stiirkung der eigenen Position fiihren mu6te, erzwang die Bereitschaft zur Riistungsbeschriinkung. Da sich die militiirischen Gewichte innenpolitisch als belastend und au6enpolitisch als sinnlos erwiesen, fiihrten die Reformprozesse in den Staaten Mit­tel- und Osteuropas, mehr unbeabsichtigt als gewoUt, zum Zusammenbruch des Wirt­schaftsbiindnisses COMECON und des militiirischen Biindnisses des Warschauer Paktes sowie zur Auflosung der Sowjetunion. Beschleunigt wurden diese Entwicldungen durch den Mangel an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie durch die Mi6achtung der Men­schenrechte. Eine neue Utopie zeichnet sich in Osteuropa nach dem Auslaufen des Sozia­lismus nicht abo SoUte der Mensch ohne eine utopische Hoffnung letztlich nicht leben konnen, erldiirt sich die tiefe Depression, die vielfach bei den Biirgern der ehemaligen kommunistischen Staaten anzutreffen ist. MaterieUe Hilfen sind lebenswichtig, konnen aber nicht jene Zuversicht bewirken, die eine emotionale Identifikation mit der Zukunft eines politischen Systems voraussetzt. Die Riickkehr der ostlichen Under nach Europa soUte die Wiedergewinnung mitteleuropaischer Lebensformen als eigenes geschichtliches Erbe zur Grundlage haben. Die notwendige Rekonstruktion der nationalen Identitat mu6 dabei der Beseitigung eines Europadefizits dienen und darf nicht mit antiquierter nationa­listischer Selbstiiberschiitzung verwechselt werden. Die Europaische Gemeinschaft kann die Rahmenbedingungen schaffen, aber Aufgabe der Under Osteuropas ist es, die "inne­re" Einheit mit Europa wiederherzusteUen. Uberspitzt ausgedriickt: Die Pluralitiit Euro­pas ist "unvoUstiindig", wenn der bedeutende Beitrag Mittel- und Osteuropas fehlt (Nolte 1991; Kennedy 1989; Geyer 1992; Maier 1992; Leimbacher 1991).

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Zu den Lebensbedingungen des europiiischen Nationalstaates gehOren Wachstum, techni­scher Fortschritt und Modemitat. Diese Uberlebensstrategien verursachten schon bisher unaufhebbare transnationale Verflechtungen. Die Entwicklung wird sich angesichts der Notwendigkeit des Schutzes der natiirlichen Lebensgrundlagen, der Zwiinge der Informa­tionsgesellschaft und der dritten industriellen Revolution weiter beschleunigen. Die Na­tionalstaaten im traditionellen Sinn verlieren zwangsliiufig an Gewicht. Die wechselseiti­gen Abhiingigkeiten nehmen zu und verstiirken sich, auch wenn dies der Offentlichkeit nicht hinreichend bewuBt ist (Riichardt 1992, 36; Sturm 1992, 25). Der politische Rah­men fiir die LOsung der zwischenstaatlichen Probleme kann nur Europa sein. Dauerhafte iibemationale europiiische Interessen bestehen, wie sie im KSZE-ProzeB immer wieder rum Ausdruck gebracht werden, vor allem in den Bereichen Sicherheit, Umwelt, Ener­gie, Verkehr, Menschenrechte und Migration. Die Deutschen konnen aus den allseitigen eigenen Erfahrungen wichtige Beitriige zur LOsung der sich damit verbindenden politi­schen Probleme leisten.

Jean Monnet, Robert Schuman und Konrad Adenauer teilten die politische Uberzeugung, Vertrauen durch gemeinsame Interessen und gemeinsame Institutionen schaff en zu kon­nen. Hierin liegen Idee und Ratio der westeuropiiischen Einigung. Die deutsche Wieder­vereinigung bricht die Fronten zum ostlichen, bisher ausgeschlossenen Teil Europas auf. Die Rolle, die die Bundesrepublik Deutschland bei der westeuropiiischen Integration spielte, kann das ganze Deutschland auch bei der gesamteuropiiischen Integration anstre­ben. Das Vertrauenskapital der Bundesrepublik ist groB und die Menschen in Mittel- und Osteuropa haben erkannt, daB Deutschland, eingebunden in Europa, auch eine zentra1e Bedeutung fiir die Entwicklung ihrer Staaten hat.

Jenseits aller Europa-Mystik bedarf es iiberzeugender Zielvorgaben. Erst die daraus wachsenden gemeinsamen politischen Visionen fiihren nicht nur zum Zusammenleben, sondem auch zum gegenseitigen Verstehen der europiiischen VOlker. Einem europiiischen Nationalstaat kann nicht das Wort geredet werden. Ein Europiiischer Bund konnte eine "parastaatliche Superstruktur", ein "unvollendeter Staat" sein, wie Walter Hallstein schon 1969 sagte, keine traditionelle Organisation, ein Gebilde sui generis, das nicht durch das Mehrheits- vielmehr durch das Konkordanzprinzip handlungsflihig ist (Hall stein 1974, 43). Auf einer zweiten Ebene bestehen die Nationalstaaten fort. Da sie nicht mehr souve­ran im materiellen Sinne des klassischen Volkerrechtes sind, miiBte ihre verfassungsrecht­liche Einbindung auf europiiischer Ebene grundsiitzlich moglich sein. Diese MaBnahme verringerte nicht nur das Europadefizit und machte die politischen Entscheidungsprozesse transparenter, sondem reduzierte auch das Gewicht der nationalen Biirokratien. Diese Entwicklung liefe ebenso auf eine Stiirkung der Under bzw. Regionen hinaus, wobei sie allerdings von den Gemeinden, der vierten Ebene, unterstiitzt, auch kontrolliert werden konnten. Ein Europa der Regionen besitzt eben so Verfassungskraft wie das "ius commu­ne europaeum" .

Die allseits zu beobachtenden Auseinandersetzungen im Grundsiitzlichen wei sen zuriick in nationale und partikulare Kleinmiitigkeit. Es gibt kein Zuriick. "Deutschland oder Euro­pa? Wer das eine nicht bejaht, wird das andere verspielen" (Seebacher-Brandt 1991). Nachdem die verschiedenen Verfassungsebenen bereits politische Wirklichkeit sind, kann es nicht mehr darum gehen, einerseits das Rad der Geschichte zuriickzudrehen oder ande­rerseits in machtpolitische Positionsldimpfe zu verfallen, sondem doch in erster Linie urn die Frage, welche Kompetenzen im Interesse des Gemeinwohls vemiinftigerweise wel-

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cher Ebene zuzuordnen sind. Der Weg zur Einheit Europas ist ein rationaler ProzeB und nicht Sache populistischer Bewegungen. Es ist der Weg "De l'Europe de la necessite A l'Europe de l'idea1" wie Jacques Delors betont. Deswegen bedarf es fester Verfassungs­grundsiitze, die im wesentlichen mit dem Erfordernis des fOderalistischen Ausbaus, der Hilfe zur Selbsthilfe (Subsidiaritiit), der Bewahrung der Demokratie, der Rechtsstaatlich­keit, der Menschenrechte und der sozialen Marktwirtschaft umschrieben werden konnen. Das Konkordanzgebot im Sinne dieser gemeinsamen Werte ist geeignet, ein europaisches ("Staats"-)BurgerbewuBtsein, ein "Europa der Burger" zu entwickeln (Rovan, Identites, 1992; Rovan, Europa, 200; Morin 1991). Die Erweiterung der Europiiischen Gemein­schaft ist damit inhaltlich vorgezeichnet. Urn die Kerngemeinschaft gruppieren sich in ei­nem "Europa der konzentrischen Kreise" weitere beitrittswillige Staaten mit auf Zeit ab­gestuften Rechten.

Die Zeit ddingt. Sieht man die drohenden Gefahren, sollte eine gemeinsame AuBen- und Sicherheitspolitik schon verwirklicht sein. Extremismus, Asylprobleme, moderne VOlker­wanderungen, Burgerkriege in. der zerfallenen Gemeinschaft unabhangiger Staaten (GUS) sowie auf dem Balkan und als existentielles Problem die "vagabundierenden Atombom­ben" sowie die unsicheren Atomkraftwerke zeigen, daB in Europa groBere militiirische Konflikte wieder moglich und sogar wahrscheinlich sind. Aus all diesen Grunden forderte bereits vor geraumer Zeit Karl Popper, daB Kriege fUr den Frieden gefUhrt werden muB­ten. Es ist nicht falsch sich an die religiose Substanz der europruschen Kultur zu erinnern, wie es Novalis in seinem Essay "Die Christenheit oder Europa" so eindringlich getan hat.

Deutschland ist heute fUr Europa annehmbar und Europa auch fUr Deutschland. Wollte man seine Rolle mit Begriffen, wie "Maider", "Brucke" oder "Vermittler" kennzeichnen, so konnte dies geschichtliche Irrtumer wieder aufleben lassen und ginge an der Wirldich­keit vorbei. Deutschland hat keine Sonderfunktion. Es sollte den Weg der Normalitiit wiihlen und die acliiquate Stellung in der europaischen Staatengemeinschaft einnehmen. Die Deutschen werden dabei an ihren obengenannten politischen Werten festhalten (Wei­denfeld/Korte 1991). SchlieBlich handelt es sich hierbei nicht nur urn die Saulen ihrer po­litischen Ordnung, sondern auch urn die ihres politischen Erfolges. Zum ersten Mal in der Geschichte der Neuzeit besteht die Chance, daB die Deutschen und ihre Nachbarn die Frage nach der wunschenswerten politischen Ordnung in gleicher Weise beantworten.

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Thiel: Europa nach Maastricht

Europa nach Maastricht: Optionen ffir gesamteuropiiische Strukturbildungen

von

Prof. Dr. Elke Thiel Honorarprofessorin flir Europaische Politik

Otto-Friedrich-U niversitiit Bamberg

1 Europa im Wandel

2 Integration als gesamteuropiische Aufgahe 2.1 Desintegration im Osten 2.2 Integration im Westen

2.2.1 Der Vertrag tiber die Europaische Union 2.2.2 Maastricht im Widerstreit der Meinungen

2.3 Die EG als Motor europaischer Integrationsbestrebungen

3 Das Dilemma von EG-Vertiefung und Erweiterung 3.1 Braucht Europa supranationale Strukturen? 3.2 Beitrittsfahigkeit der Kandidaten 3.3 Erweiterungsfahigkeit der EG

4 Die EG als Stabilitiitsanker fUr die Reformprozesse 4.1 Unterstiitzung des Systemwandels 4.2 Europa-Abkommen

5 Europiische Strukturbildungen 5.1 EG-Maastricht Plus 5.2 Kern-Union 5.3 Binnenmarkt -Gemeinschaft 5.4 Europaische Integration als offener ProzeB

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16 Thiel: Europa nach Maastricht

1 Europa im Wandel

Der Niedergang des Eisemen Vorhangs ist 1989 im Westen als Sieg der Demokratie ge­feiert worden. Inzwischen ist Emiichterung eingetreten. Die Hoffnung, daB mit dem En­de der kommunistischen Herrschaftsregime Frieden und Wohlstand in ganz Europa ein­ziehen wiirde, hat in vielen Flillen getauscht. Kriegerische Auseinandersetzungen im Ge­biet der friiheren Sowjetunion und Jugoslawiens zeigen, daB in Europa immer noch mog­lich ist, was Hingst Vergangenheit zu sein schien. Bisher ist es nicht gelungen, die Sicher­heitsstrukturen, auf die sich die Stabilitiit Westeuropas griindet, auf Osteuropa zu iibertra­gen. Die KSZE, die Vereinten Nationen, die NATO und die Europaische Gemeinschaft haben den Krieg in Jugoslawien und andere Nationalitatenkonflikte nicht verhindem und bisher auch kaum eindammen konnen.

West- und Osteuropa sind durch die Offnung der Grenzen naher zusammengeriickt. Diese an sich yom Westen immer angestrebte Entwicklung bedeutet auch, daB sich Westeuropa von den Problemen Osteuropas weit weniger distanzieren kann als zu den Zeiten des Kal­ten Krieges. Fliichtlingsstrome und wirtschaftlich motivierte Wanderungsbewegungen sind ein sichtbares Zeichen dafUr, wie sehr das, was in Osteuropa geschieht zugleich auch Westeuropa betrifft.

Der Westen wiinscht sich im Osten stabile Demokratien und offene marktwirtschaftliche Systeme. Sie sind Voraussetzung fUr eine enge wirtschaftliche und politische Zusammen­arbeit, die fUr beide Seiten vorteilhaft ist. Stabile Verhliltnisse in Mittel- und Osteuropa vermindem auBerdem die Gefahr einer starken Ost-West-Migration, deren Probleme im Augenblick im Westen am meisten gefUrchtet werden (vgl. auch Dauderstadt 1992). Dort wo der Systemwandel friedlich verHi.uft, gibt es ermutigende Anzeichen. Zwar sind die wirtschaftlichen Schwierigkeiten noch groB. Die meisten Reformstaaten haben jedoch an dem eingeschlagenen marktwirtschaftlichen Kurs festgehalten, trotz der groBen Belastun­gen, die dies fUr die BevOlkerung und die neuen Demokratien mit sich brachte. Ermuti­gend sind diese Anzeichen insbesondere auch deshalb, weil die Instrumente, die dem We­sten zur VerfUgung stehen, urn die politische Stabilillit in Mittel- und Osteuropa zu fOr­dem, vor allem wirtschaftlicher Art sind. Sie konnen mit fortschreitenden Reformen wir­kungsvoller eingesetzt werden.

Wahrend in Osteuropa alte Strukturen auseinanderbrechen, schliefit sich Westeuropa in der Europaischen Gemeinschaft enger zusammen. Mit dem Vertrag iiber die Europaische Union (EU) , allgemein auch Vertrag von Maastricht genannt, haben sich die Mitglied­staaten das Ziel gesetzt, die bereits erreichte wirtschaftliche Integration in Richtung auf eine politische Integration zu vertiefen. Die Weichen hierfiir wurden mit der Verabschie­dung des Binnenmarktprogramms 1986 und der Wiederaufnahme des Ziels der Wirt­schafts- und Wahrungsunion 1988 bereits zu einem Zeitpunkt gestellt, als die Ost-West­konfrontation noch bestand, auch wenn sich bereits Anzeichen einer Entspannung andeu­teten.

Der Wandel in Osteuropa, der fUr Westeuropa neue Unsicherheiten und Herausforderun­gen mit sich bringt, hat dann die Bestrebungen in der Gemeinschaft, sich enger zusam­menzuschlieBen, noch bestiirkt (vgl. z.B. Delors 1989). Die Beweggriinde sind unter­schiedlicher Art. Maastricht wird haufig mit dem Wunsch der europaischen Nachbam er­klm, das "neue" Deutschland, das durch die Einigung zum mit Abstand grofiten europai-

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Thiel: Europa nach Maastricht 17

schen Staat geworden ist, fest in die Gemeinschaft einzubinden (vgl. Hoffmann 1990). Die friihere britische Premierministerin Margaret Thatcher hat allerdings gerade umge­kehrt reagiert, als sie die Wirtschafts- und Wiihrungsunion und die Politische Union mit einem starken deutschen Partner ablehnte. Auf die Dauer tragfahiger durfte daher auch das Motiv sein, die Herausforderungen der 90er Jahre gemeinsam besser bewaltigen zu konnen, und zwar sowohl im Wettbewerb mit den Vereinigten Staaten und Japan, als auch mit Blick auf die Umwalzungen in Osteuropa. Eine dritte Begriindung fUr Maas­tricht ist die, daB die Gemeinschaft nur in dem MaBe zur Stabilisierung in Mittel- und Osteuropa beitragen kann, wie sie selbst durch die Integration Handlungfahigkeit ge­winnnt.

Auf der Suche nach neuen und bestiindigen Ordnungsstrukturen fur Gesamteuropa bietet sieh das Beispiel Westeuropas nach 1945 an. Die Situationen sind sieher in vieler Hin­sicht nieht vergleiehbar, aber es gibt doch Ahnlichkeiten. Abgesehen von der Notwendig­keit des wirtschaftlichen Wiederaufbaus war die Aussohnung der westeuropaischen Nach­barn nach zwei groBen Kriegen die zentrale politische Aufgabe. Sie gelang im wesentli­chen durch eine enge wirtschaftliche Verflechtung und die politische Einbindung in die Europaische Gemeinschaft, wobei als drittes Moment die gemeinsame ZugehOrigkeit zur Atlantischen Allianz zu nennen ist. Damit stellt sich die Frage, ob und wie das, was im Westen durch die Europaische Gemeinschaft erreicht wurde, mit einer gesamteuropai­schen Zielsetzung weiterentwiekelt werden kann.

Durch die Teilung Europas in zwei politische und militarische Bl6cke blieben europaische Einigungsbestrebungen mehr als 40 Jahre auf Westeuropa begrenzt. Mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation HiBt sich westeuropaische Integration nieht mehr unabhangig von gesamteuropaischen Ordnungsaufgaben konzipieren (vgl. auch Kramer 1993).

2 Integration als gesamteuropaische Aufgabe

2.1 Desintegration im Osten

Nicht nur in Westeuropa sondem auch in anderen Teilen der Welt schlieBen sich Nach­barstaaten und Regionen wirtschaftlich enger zusammen, da sie sich von der ZugehOrig­keit zu einem groBeren gemeinsamen Wirtschaftsraum Vorteile versprechen. Osteuropa steht dagegen zur Zeit im Zeiehen wirtschaftlicher und politi scher Desintegration. Die auf einer starken Spezialisierung beruhende Arbeitsteilung im Rat fUr Gegenseitige Wirt­schaftshilfe (RGW) ist zusammengebrochen. Der Verlust ihrer ehemaligen Markte im Osten hat in den Reformlandem den wirtschaftlichen Niedergang beschleunigt. Aus oko­nomischer Sieht hiitte einiges dafUr gesprochen, die bestehenden Wirtschaftsbeziehungen aufrecht zu erhalten. Aber dies scheint im Augenblick nieht einmal zwischen den friihe­ren Sowjetrepubliken moglich zu sein, die die Gemeinschaft Unabhangiger Staaten (GUS) gegriindet haben.

Fur die Mitglieder des ehemaligen RGW und die neuen Staaten, die mit dem Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens entstanden sind, ist die Loslosung aus ihrem friiheren Wirtschaftsverbund Teil ihrer politischen Neuorientierung. Sie wollen soweit wie moglich von den alten Machtstrukturen abriicken. Der "eigene Weg" der Wirtschaftsreformen und die EinfUhrung einer "nationalen" Wiihrung sind fUr die Staaten, die sieh gerade erst die

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Unabhangigkeit erkampft haben, Teil ihrer politischen Identitiitsfindung. Die meisten von ihnen sind jedoch rein von der GroBe her ohne die Integration in eine "neue" wirtschaftli­che Arbeitsteilung nicht existenzfahig. So verwundert es nicht, daB die Desintegration im Osten mit der Suche nach neuen Partnem im Westen einhergeht. Die Erwartungen rich ten sich dabei insbesondere an die Europiiische Gemeinschaft.

In einigen mittel- und osteuropiiischen Staaten ist die Umorientierung der AuBenwirt­schaftsbeziehungen vom friiheren RGW zu den westlichen Nachbam erstaunlich rasch in Gang gekommen. Besonders ausgepragt ist diese Entwicklung in Ungam, Polen und der friiheren Tschechoslowkai, aber auch in Rumanien und Bulgarien. Die Hinwendung der Reformstaaten nach Westen liegt in der Logik ihrer "neuen" marktwirtschaftlichen Aus­rich tung. Tempo und Erfolg der Reformen sind sehr unterschiedlich und die Mitglieder des ehemaligen RGW konnen sich zur Zeit gegenseitig weit weniger bieten als es der Wirtschaftsaustausch mit dem Westen kann. Investitionen, Finanzhilfe und technisch-or­ganisatorisch-institutionelle Hilfe beim wirtschaftlichen Aufbau mtissen aus dem Westen kommen.

Alle mittel- und osteuropaischen Staaten einschlieBlich der neu entstandenen und entste­henden Republiken sehen ihre wirtschaftliche und politische Zukunft in der engen Anbin­dung an die Europiiische Gemeinschaft. Viele streben auf mittlere Sicht eine EG-Mit­gliedschaft an. Wie seinerzeit Griechenland, Portugal und Spanien versprechen sich auch die Reformlander von einer EG-Mitgliedschaft eine Starkung der noch jungen Demokra­tien und - angesichts der Unsicherheiten im Osten - eine grOBere politische Sicherheit. Sie wollen sich moglichst unter den Schutz des westlichen Verteidigungsbtindnisses stellen. Krisenhafte Entwicklungen und militarische Auseinandersetzungen im Gebiet der friihe­ren Sowjetunion und Jugoslawiens verstarken diesen "Drang" nach einer festen Bindung an den Westen.

2.2 Integration im Westen

2.2.1 Der Vertrag iiber die Europaiscbe Union

1m Dezember 1991 habe die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten in Maastricht dem Vertrag tiber die Europiiische Union zugestimmt, der im Februar 1992 unterzeichnet wurde. Er tritt in Kraft, nachdem er in allen Mitgliedstaaten gemiiB den dort geltenden verfassungsmiiBigen Vorschriften ratifiziert worden ist. Der Vertrag ist nach der Einheitlichen Europiiischen Akte vom Februar 1986 die zweite substantielle Re­vision und Erganzung der Griindungsvertrage der Europiiischen Gemeinschaften und solI eine "neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Volker Europas" darstellen (EUV, Art. A, Abs. 2).

Maastricht schafft die rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen fUr die Vollen­dung der Europiiischen Wirtschafts- und Wiihrungsunion (WWU) mit einer einheitlichen Wiihrung. Weitere Ziele der Europiiischen Union sind eine Gemeinsame Au Ben- und Si­cherheitspolitik, "wozu auf langere Sicht auch die Festlegung einer gemeinsamen Vertei­digungspolitik gehort, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung fUhren konnte" (EUV, Art. B, Abs. 2), sowie eine enge Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und innere Angelegenheiten. In diesen beiden Politikbereichen stehen die Mitgliedstaaten erst am Anfang einer moglichen Anniiherung. Der Vertrag sieht vor, daB 1996 auf der

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Thiel: Europa nach Maastricht 19

Basis der bis dahin gesammelten Erfahrungen hieriiber neue Vertragsverhandlungen ge­fUhrt werden.

Entgegen urspriinglichen PUmen, nach denen der Vertrag bereits am 1. Januar 1993 zu­sammen mit dem Binnenmarkt wirksam werden soIlte, ist die Ratifizierung im Man 1993 noch nicht in allen Mitgliedstaaten erfolgt. Nachdem die danische Bevolkerung in einem Referendum im Juni 1992 den Vertrag mit einer knappen Mehrheit abgelehnt hat, solI im Mai 1993 ein weiteres Referendum abgehalten werden. Das britische Parlament hat die Abstimmung iiber Maastricht auf einen Zeitpunkt nach dem zweiten danischen Referen­dum vertagt. In Deutschland wurde der Vertrag zwar im Dezember 1992 von Bundestag und Bundesrat mit groJ3er Mehrheit angenommen. Beim Bundesverfassungsgericht sind jedoch verschiedene Klagen gegen die Ratifizierung anhangig, deren Ausgang abgewartet werden muJ3, bevor die Ratifizierung wirksam werden kann.

2.2.2 Maastricht im Widerstreit der Meinungen

Maastricht ist von zwei Seiten unter Kritik geraten (vgl. Hrbek 1992). Zum einen wird angemahnt, daB der Vertrag zu wenig institutionelle Reformen bringt. Er erweitert zwar die Mitwirkungsrechte fiir das Europaische Parlament, ohne jedoch das demokratische Defizit in der EG zu beseitigen. Obwohl inzwischen Mehrheitsentscheidungen zur Regel geworden sind, entscheidet der Rat in Fragen, die fUr die weitere Entwieklung der Ge­meinschaft richtungweisend sind, einstimmig. Dies gilt insbesondere fUr die angestrebte Gemeinsame AuJ3en- und Sicherheitspolitik und die Zusammenarbeit in den Bereiehen Ju­stiz und innere Angelegenheiten.

DaB sieh die Mitgliedstaaten in Bereichen, die fUr die Gemeinschaft "politisches Neu­land" sind, einstimmige Entscheidungen vorbehalten, entspricht durchaus dem bisherigen Verfahren in der Gemeinschaft. Erst wenn Einigung iiber Ziele und Mittel einer gemein­samen Politik besteht, werden auch Mehrheitsentscheidungen zugelassen, wobei dann meist auch das Europaische Parlament mehr Mitwirkungsrechte erhlilt. Beim Ubergang von einer nationalen zu einer gemeinsamen Politik ist Einstimmigkeit sicher zunachst not­wendig, auch wenn dadurch die Handlungsfahigkeit der Gemeinschaft beeintrachtigt wird.

Bemangelt wird auJ3erdem, daB der Vertrag die fOderale Struktur, die die Europaische Union haben solI, zu wenig erkennen liiJ3t. Welche Verfassung die Gemeinschaft bzw. die Europaische Union einmal haben konnte, ist im Vertrag von Maastricht offen geblieben. Auch dies entspricht dem ProzeJ3charakter europiiischer Integration, deren SchrittmaB durch das bestimmt wird, was jeweils "machbar" oder konsensfahig ist. An dem Ver­such, sich iiber das Endziel der Europaischen Union zu einigen, waren die Vertragsver­handlungen vermutlich gescheitert. Mit Riicksicht auf GroJ3britannien wurde nieht einmal das Wort "fOderal" in den Vertrag aufgenommen.

Aus der Sicht der Verfechter europaischer Integration wird das Vertragswerk von Maas­tricht jedoch insgesamt als bedeutender Schritt im ProzeJ3 europaischer Einigung gewer­tet. Maastricht beschreibt keinen Endzustand sondem solI Ausgangspunkt fUr die weitere Entwieklung sein. Wiehtig ist, daB die Integrationsdynamik erhalten bleibt, nicht zuletzt mit Blick auf die fUr 1996 in Aussicht stehende Vertragsrevision.

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20 Thiel: Europa nach Maastricht

Kritik, die aus der anderen Richtung kommt, bezweifelt, daB die mit Maastricht ange­strebte Integrationsvertiefung der "richtige" Weg ist. Sie betrachtet die Europiiische Ge­meinschaft zwar grundsatzlich als niitzlich, geht jedoch davon aus, daB sie mit der Ver­wirklichung des Binnenmarktes ihre Aufgabe im wesentlichen erfiillt habe. Die politische Integration wird nicht unbedingt grundsatzlich abgelehnt, aber doch kaum fUr rea1isierbar gehalten. Solche Skepsis verbindet sich mit der Frage, ob nach dem Ende der Ost-West­Konfrontation die westeuropiiische Integration noch zeitgemaB ist, da sie die andere Hlilf­te Europas mehr oder weniger ausschlieBen konnte.

In dieser Kritik spiegelt sich auch ein allgemeines Unbehagen wider, das sich nicht nur in der danischen Bevolkerung gegeniiber Maastricht auBert. Nach dem ablehnenden Votum der Diinen im Juni fiel das Ja zu Maastricht im franzosischen Referendum im September 1992 sehr knapp aus. Wie groB in einem deutschen Referendum (das nicht vorgesehen ist) die Unterstiitzung fUr Maastricht sein wiirde, ist ungewiB (vgl. Rattinger 1993). All­gemeines Unbehagen gegeniiber Maastricht laBt sich vielleicht am besten mit der Sorge erkliiren, daB Briissel zuviel Macht zuwachsen konnte und dem GefUhl, dadurch die na­tionale Identitat zu verlieren.

In Deutschland richtet sich die Kritik an Maastricht insbesondere gegen die Wirtschafts­und Wiihrungsunion, die von vielen als verfriiht betrachtet wird. Die WWU sollte aus dieser Sicht am Ende der politischen Einigung stehen und nicht wie im Vertrag von Maastricht Vehikel fiir eine Politische Union sein, deren Verwirklichung ungewiB ist. 1m Mittelpunkt der Kritik stehen die Stabilitatsrisiken der WWU. Wiihrend BefUrworter der WWU daraufhinweisen, daB es in einer Gemeinschaft mit einem einheitlichen Binnen­und Finanzmarkt keine verniinftige Alternative zu einer einheitlichen Wiihrung gibt und daB die WWU-Vertragsbestimmungen deutschen StabilitatsmaBstaben standhalten (vgl. z.B. Bofinger 1992, Frohlich 1992), befUrchten ihre Ablehner, daB die Preisstabilitat po­litischen Kompromissen zum Opfer fallen konnte (vgl. Hrbek 1992).

DaB Maastricht in den Widerstreit der Meinungen geraten ist, darf nicht verwundern. Mit dem europiiischen Binnenmarkt ist die Schwelle erreicht, an der sich die Frage, die bei der Griindung der Europiiischen Gemeinschaften bewuBt ausgeklammert wurde, erneut stellt: Was ist das politische Endziel europiiischer Einigung? Nach dem Scheitern der Eu­ropiiischen Verteidigungsgemeinschaft wiihlten die Griindungsvater der Europiiischen Wirtschaftsgemeinschaft bewuBt ein niedriges Integrationsprofil. Angelpunkt der Romi­schen Vertrage von 1957 war die Integration der Miirkte, zunachst durch die Herstellung einer Zollunion, der dann die Verwirklichung der vier Freiheiten folgen sollte, die Merk­mal eines einheitlichen Marktes sind: die Freiziigigkeit fiir Personen, Waren, Dienstlei­stungen und Kapital. 1m Vordergrund stand die wirtschaftliche Integration, von der man sich zugleich jedoch gewisse Impulse fUr die politische Integration erwartete.

Nachdem die Marktintegration praktisch erreicht ist, verlangt die weitere Integrationsver­tiefung von den Mitgliedstaaten deutliche Souveriinitiitsverzichte, z.B. in der Wirtschafts­und Wiihrungsunion, die im Grunde nur mit dem Ziel der politischen Einigung zu be­griinden sind. Die Gemeinschaft steht vor einer neuen Diskussion iiber ihre Finalitat und Verfassung, in der sich nationale Widerstiinde und alte Kontroversen wieder starker arti­kulieren. Ingesamt gesehen scheint die Bereitschaft, die Ziele der Europiiischen Union zu verwirklichen, bei den Mitgliedern der urspriinglichen Sechser-Gemeinschaft groBer zu sein als z.B. in Diinemark und GroBbritannien. Aber auch diese "Kernliinder" sehen sich

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Thiel: Europa nach Maastricht 21

im Augenblick mit einer nachlassenden Akzeptanz der Bevolkerung fiir die Vertiefung der Integration konfrontiert.

2.3 Die EG als Motor europiischer Integrationsbestrebungen

Von den ehemals drei europaischen Wirtschaftsorganisationen, der EG, der EFfA und dem RGW, ist die Europaische Gemeinschaft die einzige, die eine dynamische Innovati­onsfahigkeit hat und sich dadurch als Anker fUr gesamteuropaische Strukturbildungen an­bietet. Dem RGW wurde mit dem Ende der Planwirtschaft die Grundlage entzogen und er hatte nicht die Kraft, sich den neuen Anforderungen entsprechend zu reformieren. Fiir die zum Teil kleinen mittel- und osteuropaischen Staaten bietet es sich geradezu an, enge Beziehungen zur EG zu suchen. Die Vereinigten Staaten, die nach 1945 eine fiihrende Rolle beim Wirtschaftsautbau und der politischen Strukturbildung in Westeuropas ausge­iibt haben, sind mit eigenen Wirtschaftsproblemen belastet. Amerikanisches Engagement gilt vor allem dem friiheren und vielleicht auch zukiinftigen Rivalen RuBland. Urn als Motor fiir europaische Integrationsprozesse zu wirken, sind die USA allein schon riium­lich zu weit entfernt.

Die Griindung der EFTA als Freihandelszone war 1960 das Gegenkonzept zur EWG mit dem Ziel der Zollunion. Spater hat die EFT A von der EG entscheidende Entwicklungsan­stoBe erhalten. Die EG wurde fUr die EFTA-Staaten der wichtigste Wirtschaftspartner. Nach dem Beitritt der EFfA-Griindungsmitglieder GroBbritannien und Diinemark zur EG schloB die Gemeinschaft 1972173 mit den verbleibenden EFfA-Staaten Freihandelsab­kommen abo In den 70er Jahren beteiligten sich einige EFT A-Staaten auch am europai­schen System fester Wechselkurse, das nach dem Konzept des Werner-Plans 1972 als er­ste Stufe einer Wirtschafts- und Wiihrungsunion eingefUhrt worden war, mit diesem Ziel jedoch scheiterte.

1m Gegensatz zur EFTA verfugt die Europaische Gemeinschaft iiber politische Struktu­ren, die auf eine Integrationsvertiefung gerichtet sind. Sie unterscheidet sich von her­kommlichen internationalen Organisationen durch eine gewisse Supranationalitiit. Die Verbindung des wirtschaftlichen Integrationsansatzes mit politischen Zielsetzungen gibt der EG im Vergleich zur EFfA die groBere Entwicklungsdynamik. Obwohl die EFfA durchaus iihnliche Liberalisierungsziele hat wie die EG, ist z.B. ein innovatives Konzept wie das Binnenmarktprogramm dort nicht entstanden. Als die Europaische Gemeinschaft 1986 das Programm fUr die Verwirklichung des Binnenmarktes 1993 verabschiedete, brachte dieser Schritt in die EG-EFfA-Beziehungen und die EFTA selbst ebenfalls neue Bewegung. Durch den Vertrag iiber den Europaischen Wirtschaftsraum (EWR) werden die Freiziigigkeiten des EG-Binnenmarkt zum groBen Teil auch fUr die EFTA-Staaten gelten (vgl. Scherpenberg 1991).

Fiinf EFfA-Staaten, Osterreich, Schweden, Finnland, die Schweiz und Norwegen haben inzwischen Antriige auf eine EG-Mitgliedschaft gestellt. Nachdem die schweizer Bevolke­rung in einem Referendum gegen den Vertrag iiber den Europaischen Wirtschaftsraum gestimmt hat, ist allerdings offen, wie der Beitrittsantrag der Schweiz behandelt werden wird. Mit den anderen vier EFfA-Staaten haben die Beitrittsverhandlungen begonnen.

Mit Ausnahme des NATO-Mitglieds Norwegen war fUr die EFfA-Staaten die Neutralitiit bisher das Haupthindernis fiir einen EG-Beitritt. Mit dem Ende der Ost-West-Konfronta-

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22 Thiel: Europa nach Maastricht

tion hat dieses Argument an Gewicht verloren. Die Beitrittskandidaten haben zu verstehen gegeben, daB sie bereit waren, die Ziele der Europiiischen Union mit einer gemeinsamen AuBen- und Sicherheitspolitik zu unterschreiben. Sie haben sich auBerdem stabilitiitspoli­tisch an das Europiiische Wiihrungssystem angelehnt und die Absicht geau6ert, sich in Verbindung mit einer EG-Mitgliedschaft zu einem moglichst fruhen Zeitpunkt an der Verwirklichung der Wirtschafts- und Wiihrungsunion zu beteiligen.

Obwohl wirtschaftliche Erwii.gungen sicher eine wichtige Rolle spielen, sind es doch wohl auch politische Uberlegungen, die hinter den Bestrebungen fast aller europiiischen Staaten stehen, sich der Europiiischen Gemeinschaft anzuschlieBen. In den GenuB der Vorziige des EG-Binnenmarktes kii.men die EFTA-Staaten auch durch den Europiiischen Wirt­schaftsraum. 1m Rahmen der Europa-Abkommen der EG mit den Reformlii.ndem werden ebenfalls binnenmarktiihnliche Verhii.1tnisse anstrebt, allerdings erst nach lii.ngeren Uber­gangszeiten.

Von einer EG-Mitgliedschaft miissen sich die Beitrittskandidaten daher auch mehr ver­sprechen, als die Teilnahme an einem groBen Markt. In einem Europa, das sich neu strukturiert, werden der EG Zukunftschancen eingeriiumt. Die Gemeinschaft hat sich mit der Europiiischen Union das Ziel gesetzt, den Weg der wirtschaftlichen und politischen Integration fortzusetzen, und von diesem ProzeB will man sich moglichst nicht ausschlie­Ben. Statt auBen zu stehen und abzuwarten, ist es mit anderen Worten besser dabei zu sein und mitzuwirken, insbesondere fUr kleinere Staaten, die davon ausgehen, daB sie ih­re eigenen wirtschaftIichen, politischen und sicherheitspolitischen Interessen am besten in einem groBeren Verbund wahmehmen konnen.

Die EG ist bereits heute das wirtschaftliche Gravitationszentrum in Europa. Geht man da­von aus, daB sich die Ziele von Maastricht verwirklichen lassen, wiirde die Gemeinschaft auch nach auBen iiber die Handelsbeziehungen hinaus eine eigene Identitiit entwickeln. Sie wurde im intemationalen System Gewicht gewinnen und gegenuber den Vereinigten Staaten und Japan europiiische Interessen besser vertreten konnen (vgl. Thiel 1992a). Fur ihre europiiischen Nachbam ware die EG dann nicht nur der wichtigste Handelspartner. Der einheitlichen europiiischen Wiihrung konnte z.B. als Anker fUr die Stabilitiitspolitik anderer west- und osteuropiiischer Staaten eine Leitwiihrungsrolle zukommen. Europa wurde sich dadurch als Wirtschaftsregion noch starker integrieren.

Erwartet wird, daB die Gemeinschaft mit einer gemeinsamen AuBen- und Sicherheitspoli­tik, die nach den Zielen von Maastricht auf lii.ngere Sicht auch eine gemeinsame Verteidi­gungspolitik beinhalten soIl, beim Autbau gesamteuropiiischer Sicherheitsstrukturen eine aktivere Rolle spielen und einen Teil der Aufgaben ubemehmen kann, die bisher beim amerikanischen Bundnispartner liegen.

3 Das Dilemma von EG-Vertiefung und Erweiterung

3.1 Braucht Europa supranationale Strukturen?

Die Beitrittsantriige, die der EG nicht nur aus den EFTA-Staaten sondem auch von der Tiirkei, Zypem und Malta zugegangen sind, und die Beitrittswunsche der mittel- und ost­europiiischen Reformstaaten, haben die Gemeinschaft in eine schwierige Situation ge-

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Thiel: Europa nach Maastricht 23

bracht. Die Anziehungskraft, die sie auf Aul3enstehende ausiibt, ist sicher eine Bestiiti­gung fUr den Weg, den die Gemeinschaft eingeschlagen hat. Damit entsteht aber zugleich das Dilemma, zwei Dinge miteinander vereinbaren zu miissen: die Wahrung der Innova­tionsfahigkeit, die die Attraktivitiit der Gemeinschaft begriindet hat und die Wahrneh­mung einer gesamteuropaischen Verantwortung, die manche Beobachter mit der Forde­rung nach einer raschen Erweiterung der Gemeinschaft auf zwanzig oder mehr Mitglieder verbinden.

Als 1989 durch den politischen Umbruch im Osten die Teilung Europas zu Ende ging, befand sich die Europaische Gemeinschaft in einer Phase des Aufschwungs. Das EG-Bin­nenmarktprogramm war auf den Weg gebracht und die ersten Weichen fUr die Einberu­fung der beiden Regierungskonferenzen gestellt, die den Vertrag iiber die Europaische Union verhandelt haben. Diese Gleichzeitigkeit war in mancher Hinsicht eine giinstige Konstellation. Sie erleichterte sicher die Zustimmung der europaischen Nachbam zur deutschen Einigung und stiirkte das Vertrauen in die Worte des Bundeskanzlers, daB das geeinte Deutschland ein europaisches Deutschland sein werde.

Mit Blick auf die Beitrittswiinsche anderer europaischer Staaten hat die Gemeinschaft da­mals die Auffassung vertreten, daB vor einer neuen EG-Erweiterung der Binnenmarkt vollendet werden und der Vertrag iiber die Europaische Union in Kraft treten sollte. Be­vor neue Mitglieder hinzukamen sollte das verwirklicht werden, worauf sich die ZwOl­fer-Gemeinschaft einigen konnte. Dieses Vorgehen wurde auch bei friiheren EG-Erweite­rungsrunden angewandt, z.B. mit den Beschliissen des Haager-Gipfeltreffens von 1969, durch die sich die Gemeinschaft vor ihrer ersten Erweiterung zum ersten Mal auch das Ziel der Wirtschafts- und Wiihrungsunion setzte. Die Dynamik, die sich in der Gemein­schaft seit 1986 durch das Binnenmarktprogramm entwickelt hat, lieB allerdings erwar­ten, daB sie dieses Mal mit der Vertiefung weiter wiirde fortschreiten konnen als vor frii­heren Erweiterungsphasen.

Vordergriindig gesehen scheint die Frage, ob Vertiefung oder Erweiterung den Vorrang haben sollen, falsch gestellt zu sein. Fiir die Reformstaaten in Mittel- und Osteuropa ware zur Zeit bereits der Binnenmarkt eine zu hohe Beitrittshiirde. Ein Beitritt zum jetzigen Zeitpunkt wiirde einen wirtschaftlichen Anpassungsdruck erzeugen, dessen Belastungen die BevOlkerung vermutlich nicht hinnehmen wiirde. Die Probleme in Ostdeutschland sprechen fUr sich und sie wiirden nicht durch umfangreiche Finanztransfers abgemildert, wie sie Westdeutschland fUr die neuen BundesUinder lei stet.

1m Kern geht es in der Kontroverse iiber eine EG-Vertiefung oder Erweiterung jedoch urn die grundsatzliche Frage, die bereits bei der Griindung von EG und EFTA auftrat: Braucht Europa fUr seine politische Stabilitiit supranationale Strukturen? Es stehen sich zwei Europa-Bilder gegeniiber: ein Europa, das jedenfalls in einem Kernbereich iiber eine nationalstaatliche Ordnung hinausgeht (mit der Moglichkeit, daB sich dieser Kern erwei­tert) , oder ein zwar durch einen gemeinsamen Markt bzw. eine groBe Freihandelszone verbundenes, im Prinzip jedoch nationalstaatlich organisiertes Europa.

Die Uberwindung nationalstaatlicher Strukturen durch eine wirtschaftliche und politische Einigung war Ziel europaischer Einigungsbestrebungen in den 50er Jahren. Halt man grundsatzlich daran fest, spricht vieles dafUr, vor einer Erweiterung der Gemeinschaft das festzuschreiben, was in der ZwOlfer-Gemeinschaft bereits konsensfahig ist, urn die Inte-

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grationsdynamik zu erhalten. Dies ist der Kurs, den die EG mit Maastricht eingeschlagen hat. Neigt man dagegen der Auffassung zu, daB der politischen Einigung ohnehin unuber­windbare Probleme entgegenstehen und daB die EG mit dem Binnenmarkt ihre Aufgabe weitgehend erfullt hat, liegt es nahe, in Maastricht eine unnotige Hurde fur Beitrittskandi­daten zu sehen und fUr eine rasche EG-Erweiterung einzutreten (vgl. Thiell992b).

Fur beide Sichtweisen lassen sieh Argumente anfUhren. Ob der europaischen Stabilitiit durch suprantionale Strukturen besser gedient ist, kann sich erst in der Zukunf erweisen. Ob die Gemeinschaft die Ziele von Maastricht verwirklichen kann ist ebenfalls offen. Vieles spricht dafUr, europaische Strukturbildung als einen ProzeB zu betrachten, in dem Vertiefung und Erweiterung sieh nicht ausschlieBen und auch nicht die einzigen Optionen sind. Vertiefung und Erweiterung haben sich in der EG eigentlich immer in einer "zy­klischen Folge" entwickelt und durchaus gegenseitig gefOrdert. Nachdem die Zahl poten­tieller Beitrittskandidaten auf ein bisher nicht gekanntes oder erwartetes MaB angestiegen ist, stellen sich aktuell insbesondere drei Fragen:

- Wie lassen sich neue Mitglieder in die Gemeinschaft integrieren?

- Wie muB sich die Gemeinschaft reformieren, urn auch bei einem erheblichen Anstieg ihrer Mitgliederzahl handlungsfahig zu bleiben?

- Wie lassen sieh die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und europaischen Staa­ten, die ihr nieht beitreten wollen oder konnen, gestalten?

3.2 Beitrittsfahigkeit der Kandidaten

Die EG-Kommission hat in einem Bericht fUr den Europaischen Rat in Lissabon im Juni 1992 die Kriterien und Voraussetzungen fUr den Beitritt neuer Mitglieder zur Europai­schen Gemeinschaft dargelegt (vgl. EG-Kommission 1992). Sie unterscheidet dabei zwi­schen den Voraussetzungen, die die Beitrittskandidaten erfullen mussen, urn sich in die Gemeinschaft integrieren zu konnen und dem, was in der Gemeinschaft an institutionellen Reformen notwendig ist, damit sie auch nach einer Erweiterung handlungsfahig bleibt.

Grundsatzlich kann nach Artikel 137 EWG-Vertrag jeder europaische Staat mit einer de­mokratischen Verfassung einen Antrag auf EG-Mitgliedschaft stellen. Der Beitrittskandi­dat muB jedoch den "acquis communautaire" ubemehmen, d.h. den Inhalt, die Grundsat­ze und die Ziele der Vertrage einschlieBlich des Vertrags von Maastricht, das geltende Gemeinschaftsrecht, alle im Rahmen der Gemeinschaft angenommen Erkllirungen und die intemationalen Vereinbarungen, die die Gemeinschaft abgeschlossen hat.

Zur Beitrittsfahigkeit der Kandidaten gehOrt, daB sie eine funktionierende Marktwirtschaft mit den entsprechenden rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen haben. Bei der Anwendung der Regeln des Binnenmarktes durch die neuen Mitglieder sollen Uber­gangsregelungen - wenn uberhaupt - auf ein Minimum begrenzt werden. Die neuen Mit­glieder sollen sich an der Verwirklichung der Wirtschafts- und Wiihrungsunion beteiligen und alle Anstrengungen untemehmen, urn die im Vertrag von Maastricht fUr den Eintritt in die Endstufe der WWU vorgeschriebene Konvergenz herzustellen. Legt man diese Kri­terien zugrunde, ist die BeitrittsHihigkeit fUr die mittel- und osteuropaischen Reformstaa­ten jedenfalls im Augenblick nicht gegeben.

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Die Beitrittskandidaten miissen auBerdem bereit und in der Lage sein, sich an der Ver­wirklichung der Gemeinsamen AuBen- und Sicherheitspolitik zu beteiligen. Mit Blick auf die Neutralitat einiger EFf A-Staaten betont der Bericht, daB es in diesem Punkt keine Zweideutigkeiten oder MiBverstiindnisse geben darf. Aus wirtschaftlicher Sicht wiirde die Integration der EFT A-Staaten in die Gemeinschaft keine besonders groBen Schwierigkei­ten aufwerfen. Ais Lander mit einem hohen wirtschaftlichen Entwicklungsstand konnen die EFf A-Staaten die Gemeinschaft sogar stiirken. Es entsteht kein neues Wohlstandge­faIle, wie bei der Siiderweiterung durch Griechenland, Portugal und Spanien. Vielmehr wiirden die EFTA-Staaten als Nettozahler zum EG-Haushalt umgekehrt zur Finanzierung der Strukturanpassungsprogamme in den Randgebieten der Gemeinschaft beitragen. Ent­sprechende Vereinbarungen gibt es bereits im Abkommen iiber den Europliischen Wirt­schaftsraum, das eine Beteiligung der EFf A-Staaten an der Finanzierung der EG-Struk­turfonds vorsieht.

Zum Antrag der Tiirkei, der schon im April 1987 eingereicht wurde, hat die Kommission bereits in ihrer Stellungnahme vom Dezember 1989 den Standpunkt vertreten, daB Bei­trittsverhandlungen nur aufgenommen werden sollten, wenn mit einem erfolgreichen Ab­schluB zu rechnen sei. Die wirtschaftliche und politische Situation des Landes llil3t aus ih­rer Sicht Verhandlungen iiber eine tiirkische EG-Mitgliedschaft zur Zeit nicht ratsam er­scheinen. Stattdessen empfiehlt die Kommission, die Zusammenarbeit auf der Basis des Assozierungsvertrags zwischen der Tiirkei und der EG von 1964 zu verstiirken. Mit Mal­ta und Zypem, die beide im Juli 1990 Beitrittsantrage gestellt haben, sind noch keine Verhandlungen in Aussicht genommen worden. Ihre Integration in die EG wiirde nach Auffassung der Kommission keine uniiberwindbaren wirtschaftlichen Problem aufwerfen, wohl aber die Frage, wie sich kleine Staaten in Zukunft an den Institutionen der Gemein­schaft beteiligen sollen.

3.3 Erweiterungsf"ahigkeit der EG

Die Instititutionen der EG sind heute noch weitgehend so, wie sie mr die urspriingliche Sechser-Gemeinschaft geschaffen wurden. Die Verteilung von Sitzen und Stimmrechten im Europliischen Parlament und im Rat und die Zusammensetzung der Kommission soIl zum einen eine politische Ausgewogenheit in der Reprasentanz aller Mitglieder herstellen und zum anderen der GroBe des jeweiligen Mitgliedstaates Rechnung tragen. BehaIt man dieses Prinzip bei, ist leicht abzusehen, daB die Arbeit der Institutionen umso schwerf"alli­ger wird, je mehr sich die Gemeinschaft vergro6ert. In einer Gemeinschaft von z.B. 20 Mitgliedem mit moglicherweise sehr heterogenen Interessen diirften sich die Entschei­dungsprozesse im Rat schwieriger gestalten, insbesondere wenn grundlegende Entschei­dungen einstimmig getroffen werden miissen.

Eine Reform der Institutionen, die die Handlungsfahigkeit einer erweiterten Gemeinschaft sicherstellen soIl, konnte z.B. darauf hinauslaufen, daB der EinfluB der kleineren Mit­gliedstaaten zuriickgeschraubt wird. Ob sich die jetzigen EG-Mitglieder darauf einigen konnten, ist zumindestens fraglich. Auch mr die zum Teil ebenfalls kleinen Staaten, die der EG beitreten wollen, konnte die Mitgliedschaft an Attraktivitat veriieren, falls ihr EinfluB auf die Politik der Gemeinschaft stark eingeschriinkt wird. Dieses Dilemma llil3t sich moglicherweise nur dadurch ausschalten, daB die Gemeinschaft in sehr viel stirke­rem MaBe von der nationalstaatlichen Organisation zu einer supranationalen Verfassung iibergeht, d.h. zu einer Politischen Union wird.

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Die EG-Kommission weist in ihrem Bericht an den Europaischen Rat in Lissabon darauf hin, daB in der Perspektive einer EG-Erweiterung die Besetzung und Zusammenarbeit der Gemeinschaftinstitutionen, die Abstimmungsverfahren im Rat und die Aufgabenteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten iiberpriift werden miissen (vgl. EG­Kommission 1992, 4t). Von der Kommission werden Reformen in zwei Richtungen fiir notwendig erachtet:

Zum einen sol1en die Gemeinschaftsinstitutionen durch eine strikte Anwendung des Prin­zips der Subsidiaritat entlastet werden. Subsidiaritat besagt in diesem Zusammenhang, daB die Gemeinschaft in Bereichen, die nicht in ihre ausschlieJUiche Zusmndigkeit fallen, nur tatig wird, wenn ein Ziel besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden kann als auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten (vgl. EUY, Art. 3 b). Dieser Grundsatz fUr die Aufgabenteilung zwischen den Institutionen der Gemeinschaft, den Mitgliedstaaten und den nachgeordneten Gebietskorperschaften wurde im Vertrag iiber die Europaische Union festgeschrieben. Da jedoch unklar blieb, wie Subsidiaritat im konkreten Fall angewandt werden solI und durchgesetzt werden kann, entziindete sieh Unbehagen iiber Maastricht insbesondere an dieser Frage. Der Europaische Rat bemiihte sieh daraufhin, bei seiner Tagung in Edinburgh im Dezember 1992 Klarstellung zu schaffen, nicht zuletzt mit Blick auf das zweite dlinische Referendum (vgl. Europaischer Rat 1992, 1280). Wie sich die Aufgabenverteilung in der Gemeinschaft nach dem Prinzip der Subsidiaritat gestalten solI, diirfte eine zentrale Fragen fUr die fiir 1996 in Aussicht genommene Vertragsrevi­sion sein.

Zum anderen mufi aus der Sieht der Kommission fUr die Politikbereiche, die nach den Vertragen in die Kompetenz der Gemeinschaft fallen, die demokratische Legitimitat durch echte Mitwirkungsrechte des Europaischen Parlaments hergestellt werden. Die Zu­sammensetzung des Parlaments, des Rates, der Kommission und des Gerichtshofes miifite beim Beitritt neuer Mitglieder iiberpriift werden. Leitendes Motiv sol1te dabei die Effekti­vitat der Arbeitsweise dieser Institutionen sein. Bei der Aufnahme neuer Mitglieder ware dariiber zu befinden, wie die Stimmrechte fUr qualifizierte Mehrheitsentscheidungen im Rat verteilt sein miifiten, urn seine Entscheidungsfahigkeit nicht zu beeintrachtigen. Diese institutionellen Anpassungen konnten nach Meinung der Kommission bei einer begrenzten Zahl neuer Mitglieder (die vier EFTA-Staaten!) moglicherweise im Rahmen der Beitritts­vertrage geregelt werde. Mit Blick auf eine Gemeinschaft mit 20 oder 30 Mitgliedem miifiten diese Probleme jedoch grundsatzlich gekliirt werden.

Die grofite Herausforderung sind fur die Gemeinschaft die Under, die bisher noch gar keine Beitrittsantrage gestellt haben, namlich die Staaten in Mittel- und Osteuropa. Die Ausdehnung der Gemeinschaft nach Osten wurde das RegionalgefaIle in der EG erheblich verstlirken. Das in den Gemeinschaftsvertragen verankerte Ziel des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts (Kohasion) wurde dann eine Aufstockung der Mittel fUr die Re­gional- und Strukturpolitik erfordem, die die finanziellen Kapazitaten und die politische Bereitschaft der "zahlenden" Mitglieder in der EG vermutlich iiberfordem wiirde. Von der Anzahl der Mitglieder her ware eine Ost-Erweiterung ohne grundlegende institutio­nelle Reformen ebenfalls schwer zu verkraften. Die Gemeinschaft ware schliefilich mit der politisch heiklen Entscheidung konfrontiert, wie sie sich nach Osten begrenzen solI, eine Frage, der europaische Politiker bisher bewuBt ausgewichen sind.

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Angesichts dieser Schwierigkeiten kann kaum verwundem, daB sich die Gemeinschaft ge­geniiber den Beitrittswiinschen aus Mittel- und Osteuropa pragmatisch verhaIt und den ReformHindem zunachst enge wirtschaftliche und politische Beziehung unterhalb des Bei­tritts angeboten hat.

4 Die EG als Stabilitiitsanker fUr die Reformprozesse

4.1 Unterstiitzung des Systemwandels

Angesichts des Umbruchs in Mittel- und Osteuropa hat die Europiiische Gemeinschaft be­reits zu einem friihen Zeitpunkt begonnen, ihre Beziehungen zu den ostlichen Nachbaro neu zu gestalten. 1m Juni 1988 wurde eine gemeinsame Erkliirnng von EG und RGW un­terzeichnet. Damit wurden zwischen diesen beiden Wirtschaftsorganisationen, die sich bis dahin nicht gegenseitig anerkannt hatten, offizieUe Beziehungen aufgenommmen. Sie Off­neten den Weg fiir den AbschluB von Handels- und Kooperationsabkommen und die Auf­nahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedem des RGW.

Dieser Ansatz zu einer Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen West- und Osteuropa wurde dann durch die politischen Ereignisse in den Jahren 1989/90 iiberholt. Zentrales Anliegen der Politik der Gemeinschaft gegeniiber Mittel- und Osteuropa wurde die Unterstiitzung des Systemwandels in den Staaten, die sich ihrer kommunistischen Re­gime entledigt hatten. Die Gemeinschaft wurde zum Initiator und Koordinator westlicher Hilfe, zu der sie bzw. ihre Mitgliedstaaten zugleich den grOBten Beitrag leisten.

Auf dem Pariser Weltwirtschaftsgipfel wurde der Gemeinschaft die Aufgabe iibertragen, die Hilfeleistungen der OECD-Staaten (G-24) fiir die beiden ersten Reformstaaten Polen und Ungaro zu koordinieren. Es entstanden das von der EG verwaltete Phare-Programm (Pologne, Hongrie Assistance ala Reconstructuration Economique) und das Tempus-Pro­gamm, durch das die EG den Austausch von Wissenschaftlem fordert. Mit dem Uber­gang zur Demokratie wurden spater auch andere Reformstaatendn diese Programme ein­bezogen.

Ais weiterer Schritt wurde 1990 die Europiiische Bank fiir Wiederaufbau und Entwick­lung mit in Sitz London gegriindet. Die Initiative hierfiir ging Ende 1989 vom franzosi­schen Staatspriisidenten Fran~ois Mitterrand aus. Die Bank soU intemationales Kapital in die Reformstaaten lenken. An der Aufbringung des Stammkapitals von 10 Mrd. ECU (rund 20 Mrd. DM) beteiligen sich iiber 40 Staaten. Anteilszeichner sind fast alle europii­ischen Staaten, einschlie81ich der mittel- und osteuropiiischen Empfangerliinder, die USA, Kanada, Japan, Korea, Australien, Neuseeland, Israel, Agypten, Marokko und Mexiko. Die HaIfte des Kapitals (51 %) kommt von der EG, der Europiiischen Investiti­onsbank und den zwolf EG-Mitgliedsliindem. Die Vergabe der Mittel ist an bestimmte Konditionen gebunden: Fortschritte bei der Einfiihrung der Marktwirtschaft und der Her­steUung demokratischer VerhaItnisse. Der Schwerpunkt liegt bei der Forderung privat­wirtschaftlicher Initiativen. Die westliche Unterstiitzung fiir die Reformliinder last sich am besten als "Hilfe zur Selbsthilfe" beschreiben. Die Mittel fiir Offentliche Hilfeleistun­gen sind eng begrenzt und die Geberlander sind besorgt, nicht in ein "FaB ohne Boden" zu zahlen".

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Der enorme Kapitalbedarf der ReformHinder muB weitgehend durch private Investitionen gedeckt werden. Mittel- und Osteuropa konkurriert dabei mit anderen Regionen, die ebenfalls einen hohen Kapitalbedarf haben, z.B. Westeuropa, Nordamerika oder Ost- und Sudostasien. Die Qualitiit des eigenen Standortes hiingt ganz wesentlich yom Vertrauen in die Kontinuitiit der wirtschaftlichen und politischen Reformen des jeweiligen Landes abo Dieses Vertrauen zu starken ist eine Aufgabe, die zum groBen Teil von den Reformstaa­ten selbst geleistet werden muB.

4.2 Europa-Abkommen

Richtungweisend fUr die Gestaltung der Beziehungen zwischen der EG und den Staaten in Mittel- und Osteuropa sind die Assoziierungsabkommen, die im Dezember 1991 zunachst mit Polen, der damaligen Tschechoslowakei und Ungam vereinbart wurden, die soge­nannten Europa-Abkommen. Ahnliche Abkommen wurden in zwischen mit Bulgarien und Rumiinien geschlossen. Mit anderen osteuropilischen Liindern strebt die EG zunachst Ko­operationsabkommen an.

Mittelfristiges Ziel der Europa-Abkommen ist die Herstellung binnenmarktiihnlicher Ver­haItnisse zwischen der EG und den Reformstaaten. Die einzelnen Liberalisierungsschritte werden in einem Zehnjahresfahrplan festgelegt. Nach dem Muster der traditionellen As­soziierungs- und Kooperationsabkommen der EG, soIl die Gemeinschaft bei der Markt-6ffnung schneller vorangehen und damit dem wirtschaftlichen Aufholbedarf der Reform­staaten Rechnung tragen. Wahrend fUr die Reformstaaten Ubergangszeiten von bis zu 10 Jahren vorgesehen sind, soIl die Liberalisierung auf seiten der EG zum groBen Teil inner­halb der ersten fUnf Jahre stattfinden.

Liingere Ubergangszeiten und Schutzklauseln bestehen fUr sogenannte sensible Bereiche, insbesondere Textilien, Kohle, Stahl und Agrarerzeugnisse. Gerade auf diesen Gebieten liegen aber die gegenwartigen Exportstiirken der Reformstaaten. Der Gemeinschaft wird daher vorgeworfen, daB sie die Liberalisierung hinausz6gert, urn die einheimische Pro­duktion zu schutzen. Insgesamt werden die handelspolitischen Regelungen der Europa­Abkommen jedoch als eine erhebliche Verbesserung gegenuber dem vorhergehenden Zu­stand betrachtet (vgl. Landhammer 1992, Inotai, 1992). Die Solidaritiit der Gemeinschaft wird sich allerdings daran beweisen mussen, daB sie den Marktzugang auch bei sensiblen Produkten fortschreitend liberalisiert. Die EG durfte sich solchen Forderungen aus den Reformliindern schwerer entziehen k6nnen als entsprechenden Anliegen von Entwick­lungsliindern oder auch der Vereinigten Staaten. Sie gerat dadurch selbst unter einen ver­starkten Druck, die Agrarpolitik und die Politik im Bereich von Kohle und Stahl zu refor­mieren.

Die Niederlassungsfreiheit fUr EG-Unternehmen in den Reformstaaten, die Investitionen und know how bringen soIl, wird im Rahmen der Europa-Abkommen in drei Stufen her­gesteIlt: fUr den weitgehend unproblematischen industriellen Bereich unmittelbar, fUr die Anbieter von Dienstleistungen friihestens nach 5 Jahren und fUr den zur Steuerung ge­samtwirtschaftlicher Prozesse wichtigen Finanzsektor spatestens nach 10 Jahren. Fur den Personenverkehr soIl es gewisse Erleichterungen fUr Arbeitnehmer geben, die legal in der EG beschaftigt sind, z.B. bei der FamilienzusammenfUhrung.

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Die Europa-Abkommen sollen die Reformstaaten moglichst nahe an die Gemeinschaft heranfuhren. Ihr reformpolitischer Beitrag ist insbesondere in der von der Gemeinschaft angebotenen technischen und organisatorischen Unterstiitzung beim Aufbau marktwirt­schaftlicher Systeme zu sehen. Sie erstreckt sich auf alle Bereiche der Wirtschaftsordnung und -verwaltung, wie z.B. das Geldwesen, die Organisation des Arbeitsmarktes, die Re­gionalpolitik, die Mittelstandsf6rderung, das Wettbewerbsrecht, das Zollsystem oder die Einflihrung von Normen und Standards und die Erstellung von Statistiken (vgl. Langham­mer 1992, 19).

Die Zusammenarbeit in diesen Bereichen soll dazu beitragen, daB die Wirtschaftsverfas­sungen in den Reformlandern mit dem System der EG moglichst kompatibel werden, was auch eine spatere EG-Mitgliedschaft erleichtern wiirde. An der Forderung durch die EG­Strukturfonds und den in Maastricht beschlossenen Kohasionsfonds, die das Wohlstands­gef3.1le innerhalb der Gemeinschaft vermindern sollen und deren Mittel durch die Haus­haltsbeschliisse von Edinburgh (zweites Delors-Paket) erheblich aufgestockt worden sind, nehmen die Reformstaaten allerdings nicht teil (vgl. Franzmeyer 1992). Hier liegt flir sie selbst und flir das Zusammenwachsen von West- und Osteuropa ein sehr gravierender Unterschied zwischen der EG-Assoziierung und einem EG-Beitritt, flir den die Europa­Abkommen noch keinen zeitlichen Rahmen festlegen.

5 Europaische Strukturbildungen

Mit dem Vertrag iiber die Europaische Union wird der Gemeinschaft eine Richtung fiir ihre weitere Entwicklung vorgegeben. Ob und wie die Ziele der Europaischen Union rea­lisiert werden, laBt sich nicht mit Sicherheit voraussagen. Mogliche Entwicklungen wa­ren:

- Eine EG-Maastricht-Plus, die dem entsprechen wiirde, was mit dem Vertrag iiber die Europiiische Union und der Eroffnung der Beitrittsverhandlungen mit den vier EFT A­Staaten offiziell angestrebt wird.

- Eine Kern-Union mit den Staaten, die entschlossen und in der Lage sind, die Wirt­schafts- und Wiihrungsunion und die Politische Union zu verwirklichen.

- Eine EG, die im wesentlichen eine Binnenmarkt-Gemeinschaft bleibt.

5.1 EG-Maastricht Plus

Ziel des Vertrags von Maastricht ist es, die Europaische Union mit allen zwolf Mitglied­staaten und den Staaten, die der Gemeinschaft in der Zwischenzeit beitreten, zu verwirk­lichen. Urn sich an der Endstufe der Wirtschafts- und Wiihrungsunion zu beteiligen, miis­sen die Mitgliedstaaten jedoch die im Vertrag vorgeschriebenen Konvergenzkriterien fUr eine nachhaltig erreichte Preisstabilitiit und Haushaltsdisziplin erfullen. Dadurch soll si­chergestellt werden, daB die Stabilitiit der einheitlichen europaischen Wiihrung nicht durch groBe wirtschaftliche Disparitiiten zwischen den Mitgliedern der WWU geflihrdet wird. Fiir Mitgliedstaaten, die die Kriterien nicht erfiillen, sieht der Vertrag Ausnahmere­gelungen vor. Sie betreffen jedoch nur die unmittelbar mit der Einflihrung einer einheit­lichen Wiihrung zusammenhangenden Regelungen. Alle anderen Vertragsteile gelten auch

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fur diese Mitgliedstaaten. Spatestens alle zwei Jahre wird uberpriift, ob sie inzwischen die Voraussetzungen fur den Eintritt in die Endstufe der WWU hergestellt haben.

Der Grundsatz, daB die Europiiische Union mit allen EG-Mitgliedern verwirldicht werden solI, wird allerdings durch die Ausnahmeregelungen verwiissert, die GroBbritannien und Diinemarkt zugestanden wurden. GroBbritannien hat die Europiiische Sozialcharta nicht unterzeichnet und hat eine "opting out" Klausel fUr die Wirtschafts- und Wiihrungsunion. Diinemark hat eine "opting out" Klausel fUr die gemeinsame Verteidigungspolitik und hat dem Europiiischen Rat in Edinburgh im Dezember 1992 notifiziert, da6 es nicht an der Endstufe der WWU teilnehmen wird. Beide Staaten konnen aber jederzeit erldiiren, daB diese Ausnahmeregeln nicht mehr gelten sollen und werden dies vielleicht tun, falls sich herausstellt, da6 das mit Maastricht beschlossenen Konzept Erfolgt hat. Fur die Beitritts­kandidaten hat die Gemeinschaft deutlich gemacht, da6 sie ihnen keine Sonderregelungen zubilligen wird.

S.2 Kern-Union

Der Gedanke einer Kern-Union hat durch die Ablehnung von Maastricht im ersten diini­schen Referendum und die hinhaltende britische Politik in der Frage der Ratifizierung Auftrieb bekommen. Tritt Maastricht nicht in Kraft, weil der Vertrag in Diinemark und/ oder GroBbritannien nicht ratifiziert wird, muBte fUr die Verwirldichung der Europiii­schen Union zwischen den ubrigen Mitgliedstaaten eine neue vertragliche Basis gefunden werden. Da der Vertrag uber die Europiiische Union auf den bestehenden Vertriigen auf­baut, wurde sich die Zusammenarbeit in der Gemeinschaft durch das Nebeneinander von EG-Regelungen und EU-Regelungen schwierig gestalten. Dies erldiirt die Zugestiindnis­se, die Diinemark und GroBbritannien gemacht worden sind, urn ihnen die Ratifizierung des Vertrags zu erleichtern.

Die Kern-Union konnte aber auch durch einen langsamen DiversifizierungsprozeB entste­hen. So konnte sich z.B. herausstellen, daB die einheitliche Wiihrung auch auf mittlere Sicht nur mit einigen stabilitiitsorientierten Kernliindern zu erreichen ist, und daB sich auch andere Ziele der Europiiischen Union (insb. die gemeinsame AuBen- und Sicher­heitspolitik mit der Moglichkeit einer gemeinsamen Verteidigungspolitik) nicht mit allen EG-Mitgliedern verwirldichen lassen. In einem solchen Szenario konnte es plausibel sein, da6 die Staaten, die durch die einheitliche Wiihrung bereits sehr enge politische Bezie­hungen eingegangen sind, sich entschlieBen, auch mit der Politischen Union voranzuge­hen. Mitglieder und zugleich Motor einer solchen Kern-Union muBten Deutschland und Frankreich sein.

S.3 Binnenmarkt-Gemeinschaft

Die Binnenmarkt-Gemeinschaft ist die Alternative zu Maastricht, die insbesondere von GroBbritannien favorisiert wird. Sie verbindet sich bei vielen Beobachtern mit der Erwar­tung, daB sich die Gemeinschaft in diesem Fall schneller erweitern konnte. Dies konnte jedenfalls fUr Osteuropa ein TrugschluB sein. Ungeachtet mancher Versprechungen scheint die Bereitschaft, neue Mitglieder in die Gemeinschaft aufzunehmen, zur Zeit nur gegenuber den EFTA-Staaten zu bestehen. Auch eine EG, die im wesentlichen eine Bin­nenmarkt-Gemeinschaft bleibt, ware aus den schon dargelegten Griinden einer substanti-

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ellen Erweiterung nicht gewachsen. Wenig spricht auBerdem dafUr, daB die bei einer sol­chen Erweiterung notwendigen institutionellen Reformen durchgefiihrt werden konnten, wenn Maastricht nicht zustande kommt.

5.4 Europiische Integration als offener Proze8

Europaische Strukturbildung findet zur Zeit vor allem durch wirtschaftliche Verflechtung statt. Europa schlieBt sich als Wirtschaftsregion zusammen. Der Motor fUr diese Entwick­lung ist die Europaische Geneinschaft. 1m Vergleich zu den anderen beiden groBen Wirt­schaftsriiumen, Nordamerika und Ostasien, hat Europa durch die EG die swkeren Inte­grationsstrukturen. Die von den USA, Kanada und Mexiko beschlossene Nordamerika­nische Freihandelszone (NAFTA) bleibt im Liberalisierungsgrad hinter dem EG-Binnen­markt und dem Europaischen Wirtschaftsraum zuriick.

Auch wahrungspolitisch hat sich Europa integriert. Durch das Europaische Wahrungssy­stem ist eine Zone relativ stabiler Wahrungsbeziehungen entstanden, an der sich informell auch EFTA-Staaten beteiligen. Kommt die einheitliche Wahrung zustande, konnten ihr in Europa Leitwahrungsfunktionen zuwachsen, die bisher zum Teil von der D-Mark und zum Teil yom Dollar (insb. in Osteuropa) ausgeiibt werden. Als StabiIimtsanker konnte sie vor allem fUr die Reformstaaten von Bedeutung sein, die im Rahmen der Europa-Ab­kommen an die Gemeinschaft herangefiihrt werden sollen.

Wie schnell und vor allem wie weit sich der wirtschaftliche IntegrationsprozeB yom We­sten in den Osten ausdehnen wird, hangt yom Verlauf der Reformen in den einzelnen Landern abo Die Unsicherheiten nehmen zu, je weiter man nach Ost- und Siidosteuropa schaut. Das Wohlstands- und SicherheitsgefliIle zwischen West und Ost diirfte sich so bald nicht abbauen lassen.

Durch eine EG-Mitgliedschaft der skandinavischen Lander und bsterreichs wiirden Un­gam, die tschechische und die slowakische RepubIik, Polen, sowie auch die baltischen Staaten riiumlich (noch) naher an die EG heranriicken. Zwischen einigen dieser Lander ist auBerdem eine regionale Kooperation in Gang gekommen. Dies konnte in etwa der Raum sein, fUr den eine verswkte Wirtschaftsintegration zwischen West und Ost am ehe­sten zu erwarten ist.

Die Gemeinschaft kann sich den Beitrittswiinschen der Reformstaaten nicht verschlieBen. Sie vertritt jedoch die Auffassung, daB Beitrittsverhandlungen erst beginnen konnen, wenn sie Aussicht auf Erfolg haben, und daB langere Ubergangszeiten fUr die MitgIied­schaft nicht eingeraumt werden sollen. Die Reformen verIaufen in den einzelnen Staaten unterschiedlich. Die EG hat durch den AbschluB von Europa-Abkommen mit einigen Re­formstaaten und von Kooperationsvertriigen mit anderen eine (vorlaufige) Differenzierung zwischen potentiellen Beitrittskandidaten vorgenommen. Die Europa-Abkommen sehen fUr die Liberalisierung des Marktzugangs in den Reformstaaten Ubergangsfristen von 10 Jahren vor. Die Frage des Beitritts wird dadurch auf einen Zeitpunkt nach dieser Frist verschoben.

Eine Erweiterung der Gemeinschaft nach Osten wird man sich als langfristige Entwick­lung mit verschiedenen Etappen vorstellen miissen. Welche Staaten einmal Mitglieder der Gemeinschaft sein werden, ist offen. Eine gewisse Auswahl diirfte sich auch dadurch er-

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geben, daB nicht aIle Kandidaten bereit sind, die mit einer Mitgliedschaft in der Europai­schen Union verbundenen Souveranitiitsverzichte zu akzeptieren. Die Alternative fiir die­se Staaten ware der Europaische Wirtschaftsraum, der sich mit einer einheitlichen Wah­rung (fiir die Mitglieder der WWU) aIs Stabilitiitsanker auch wahrungspolitisch enger zu­sammenschliefien konnte, z.B. durch ein europaisches System fester Wechselkurse. Ein sich verdichtender Europaischer Wirtschafts- und Wahrungsraum ware auch fUr EG-Mit­gliedstaaten eine Alternative, die Maastricht nicht ratifizieren (Grofibritannien und Diine­mark).

Entstiinde eine Kern-Union, konnten sich daran auch einige EFfA-Staaten beteiligen, die z.B. bessere Aussichten haben, sich fiir eine einheitliche Wahrung zu quaIifizieren aIs ei­nige Mitglieder der jetzigen EG. Sie miifiten sich aIlerdings an der Verwirklichung der Gemeinsamen Aufien- Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligen, was trotz der ge­nerellen Bereitschaft der neutralen EFTA-Staaten, die Ziele von Maastricht zu iiberneh­men, zum schwierigen Teil der Beitrittsverhandlungen gehoren diirfte. Auf liingere Sicht konnten sich vielleicht auch einige mitteleuropiiische Staaten der Kern-Union anschliefien. Die Union wiirde aber darauf achten miissen, daB sich die Mitglieder in ihren Strukturen, Priiferenzen und Zielen relativ ahnlich sind.

Die politische Stabilitiit Europas hiingt nicht davon ab, daB ganz Europa einmaI zur Euro­paischen Gemeinschaft bzw. zur Europaischen Union gehort. Dies ist keine wahrscheinli­che und auch keine anzustrebende Entwicklung. Die Heterogenitiit in einer solchen Ge­meinschaft konnte leicht zum Sprengsatz werden. Offen ist auch, wo der Einzugsbereich der Europaischen Gemeinschaft im Osten enden konnte. Denkbar ware, daB die GUS­Staaten auf Sicht einen eigenen Integrationsraum bilden, dem sich dann vielleicht auch wieder einige ihnen benachbarte osteuropaische Staaten anschliefien wiirden. Fiir eine sol­che Entwicklung gibt es zur Zeit jedoch noch keine Anzeichen.

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Schmid: European Population Trends

1 Introduction

European Population Trends -A Challenge for Societies under Constant

Innovation Pressures

von

Prof. Dr. Josef Schmid Lehrstuhl fUr Bevolkerungswissenschaft

Otto-Friedrich-Universitat Bamberg

2 The Population of Europe - Taking Stock in 1992

3 General Demographic Characteristics of Western Europe 3.1 Fertility 3.2 Family Trends ("Nuptiality") 3.3 Ageing

4 Problems Ahead

5 Prospects for the EEC's Labor Force under Different Assumptions Concerning Immigration 1

35

EEC-countries undergo a similar demographic trend: fertility levels below generational replacement and population ageing through proportional decrease of the young and rising survival rates among old age groups. This trend has taken place notwithstanding the dif­ferences which the vital rates of serveral EEC-countries may show. They will face a de­mographically-induced crisis as younger age groups having become small during the "ba­by bust" will flow now into the age of formation and activity. It is taken for granted that, for the sake of the maintenance of Social security and living standards, and also for keep­ing up with competitors on the world market, productivity must not loose its dynamics. For the next decades, technological progress will dominate the labor force recruitment and continue to change constantly the working places. As goods imply an ever bigger part of "brain work", the active population must be adapted to the growing sophistication of manufacturing and steering processes in postindustrialism. EEC-countries will be forced to countervail the ageing of the labour force by manpower mobilization and selec­tive immigration. Any strategy, however, aiming at a renewal of the labour force has its shortcomings and undesired by-products which the EEC must take into account and act a­gainst. EEC will have to decide whether a reactive policy should be conceived on com­mon grounds or left over to the member states for the sake of more efficiency and public acceptance.

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36 Schmid: European Population Trends

1 Introduction

The startling difference in economic standards and life-time opportunities between the ad­vanced industrialized countries of the West and the developing world is reflected by pop­ulation trends in both hemispheres.

Western population trends are the outcome of an interplay of demographic structure and economic and social progress. This process characterizes the "European modernization", which is an ongoing European development that is a comparatively unique style of devel­opment. Regardless of its shortcomings and backlashes the most successful method of hu­man progress as far as welfare standards are concerned. The decay of communism, the former Eastern European model of progress, has left the Western model as the only promising path toward providing for the welfare of a nation.

We consider the society (socioeconomic system) and the population (demographic sy­stem) as counterparts which have to combine and adapt to each other in order to encour­age economic growth in a society/nation. Economic development and social egalitarian­ism are the usual fields of public policy. The population structure must adapt to societal growth, although it is not dependent on societal growth. European population trends are constantly being formed by societal growth; reciprocally, societal growth is facilitated by population trends. These population trends can also raise problems of adaptation for mod­em societies when key demographic factors, such as birth rate or average age of the pop­ulation, change dramatically.

2 The Population of Europe - Taking Stock in 1992

The population size of Europe depends on how exactly Europe is defined. Generally one speaks of 502 million people, omitting the population of the USSR (284 millions). Ex­communist eastern European states have a population of 96 million. The reconstruction of their economies, especially those of ex-Yugoslavia (23,9 million citizens) and Albania (3,3 million citizens) will require decades to complete'!

From the viewpoint of higher living standards and the existence of a stable economy and democracy, the member states of the Council of Europe seem to represent the image of Europe, despite existing differences among them.3 The total population of the Council of Europe member states in 1988 was estimated at 405,3 million. Population has increased by 15,9 million since the beginning of 1980. Much of this modest increase (0,5 % p.a.) is indebted to marriages of the baby-boom-generation and to a few countries with unusu­ally high birth rates. Some nordic countries (Iceland, Sweden) maintain a stable popula­tion (at least 2 children for a woman throughout her childbearing years). The most rel­evant bias to be corrected is due to the member state Turkey with its population of 59,2 million, which shows non-European demographic characteristics; i.e. an annual growth rate of 2,2 per cent, a high birth rate (29 0/00), and a low gross national product per capita (1.630 $).

Another way of looking at Europe would be a reference to the European Economic Com­munity (BEC), also called the "Europe of the Twelve", whose population was 344,8 mil­lions as of 1991. 4 In a rank listing of countries according to their popUlation size, the

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Schmid: European Population Trends 37

EEC would hold the third place, after China and India. Even the population projection through 2025 shows the EEC as one of the largest poulation centers in the world. The united Germany is the most populated country (80,6 million mid-1992) followed by Italy, (58,0), the U.K. (57,8), France (56,9). Decision power and political orientation will, doubtlessly, depend on them. Including Benelux and Denmark, they form the inner circle of equal life-time opportunities and social security whereas the southern member states Spain, Portugal, and Greece have to cope with socioeconomic lags. The demographic trends of these latter countries already reflect the modernization path (low birth and death rates) faster than the economic trends do. However, the GNP per capita lags by one third behind the countries of the inner circle and Ireland.

In the meantime, the EEC has received the application for a full association from Austria, Switzerland, Finland and Sweden. In the case of successful negotiations for these coun­tries, a "Europe of the six" would include 28,1 million more citizens.

3 General Demographic Characteristics of Western Europe

Population growth is determined by the biosocial factors of fertility and mortality and ad­ditionally, migration. These vital events compile to aggregate levels and combine in very different ways, but which result in a typical population process whose functions are

- the renewal of the generations by sufficient offspring (fertility level)

- the replacement of deaths and emigrants

- the support of the dependent age groups (the young under 15, the elderly over 65) by the active population.

These key socio-demographic functions are confronted with demographic characteristics in Western Europe which will cause strains on these functions if indispensable societal needs are to be met:

- a fertility below the level of generation replacement to which a diversifying family style contributes

- an accelerated ageing process in Western populations, firstly on relative grounds: the shrinking portion of the young means a proportional increase of the elderly and, sec­ondly on absolute grounds: modem medicine and gerontology are more and more able to cope with senescence, and, therefore, to extend the average life expectancy.

- the foregoing characteristics will have an impact on the active population between 20 and 60.

Smaller cohorts of young people are about to raise the mean age of the labour force, which has to face burdens unprecedented in history as follows:

- to guarantee the maintenance of a human capital of high quality in view of a shrinking population of youth

- to secure the pension expenditures and to provide health care for growing numbers of elderly.

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38 Schmid: European Population Trends

3.1 Fertility

A fertility below re.placement level will become the usual pattern of reproduction, per­haps in all parts of Europe. As a reminder, the first countries to show extremely low birth rates were Eastern European countries under communist rule, such as Hungary, Czechoslovakia, and the German Democratic Republic. In the Western sphere, the Feder­al Republic of Germany was the forerunner of a postindustrial demographic regime con­sisting of persistent low fertility, dissolution phenomena concerning conventional family life, and an ageing process due to ever increasing longevity.

The replacement level needs at least 2,1 children per woman of childbearing age (or 2,3 to compensate a higher portion of celibacy and childlessness). Europe, with an average of 1,6, shows a level substantially below replacement. Only the countries Iceland, Ireland, and Sweden had a fertility rate above 2 in 1992; Norway, France, and U.K. stand at a relatively high rate of 1.8, whereas all other western and southern European countries, with rates between 1,3 and 1,6, lie almost a third below replacement.

The German population led in European birth decline and even the higher fertility level in the old German Democratic Republic is dropping and cannot reverse this trend.

3.2 Family Trends ("Nuptiality")

Recent studies in reproductive behaviour revealed the fertility level as the outcome of a multidimensional arrangement of the individuals. They must come to terms with personal goals which are different, sometimes contradictory, and shifting over the life cycle. Ad­vanced industrialism offers greater lifetime opportunities and personal freedom, but also sets more constraints on making the right choices on purely individual grounds. This situ­ation generates a growing number of options and alternatives to family life.S

The dissolution of the traditional family system after the World War I brought about the so-called "modern nuclear family" as a response to necessities of urban lifestyles and more educational investments in children: the idea of a "family career" kept the family size small. The availability of modern contraceptive must also be factored "into the bar­gain". The erosion of the stable modern nuclear family has been in discussion for nearly two decades, since it was observed in all of the "Europe of the Twelve" states and the ad­vanced societies of the Council of Europe (Norway, Sweden, Austria, Switzerland). Indi­cators for an erosion are:

- growing numbers of divorces, particularly in early stages of marriage which, have led to continuing growth of the mono-parental style of upbringing and educating children ("one-parent families"),

- a rise of celibacy in the usual age of marriage,

- a rise in "living together" or cohabitation (consensual unions),

- voluntary childlessness in a growing number of marriages,

- a decline in first marriage rates,

- a rise in the number of illegitimate births.

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Schmid: European Population Trends 39

Western European demographers and sociologists speak of "A New European Situation" and a "Great Divide" which occurred in the sixties. They evaluate these findings on con­temporary trends in family life and partnership as the beginning of a new period in de­mographic and social history. The "postindustrial demographic regime" (1. Schmid), and the "second demographic transition" (D. van de Kaa) presuppose shifting values which no longer constitute a unique family pattern but give way to a variety of familiy-like un­ions.6

A "post-modern" form of family life could emerge as "marriage moves from being a con­fident socio-legal institution expected primarily to link two generations and so to act as a mechanism of continuity in society, to become much more a personal relationship on sex­ual/emotional terms, and one to which children might be a contributory element, but no longer an essential one. "7

Statements like that are widely-shared beliefs among social scientists. They are highly sceptical regarding a possible return to a higher fertility level. The shift from the altruis­tic attitude to a hedonistic one has gained ground, and in order to alter the fertility trend today, at least a generous family policy such as found in France and Sweden, has to be implemented.

3.3 Ageing

For former periods, age-specific mortality rates were sufficient indicators for the health conditions in a society. Today the expectation of life for both sexes is a revealing meas­ure for both living conditions and for the burdens which active populations will be con­fronted with. The poorer conditions in Eastern Europe make life expectancy lag behind that of Western Europe. In the EEC and its Western neighbours life expectancy may be soon pushed towards its biological limits (cf. Table 3). The trends are the following:

- extending life expectancy for men to over 70 years, for women to 80 and more years

- a growing survival rate in old-age groups, particularly among the very old.

The population of Germany is subjected to the sharpest ageing process due to diminishing youth cohorts and growing survival chances of the old have existed for two decades. Ac­cording to projections, nearly 40 per cent of the German population will be 60 years old and more in 2030. Even the incorporation of younger populations such as the Eastern Germans or the" Aussiedler" of German ancestry from Poland and Russia cannot alter the trend.

4 Problems Ahead

Europe, in particular the EEC-region and Western Europe, is considered one of the few welfare oases in the world. The EEC enjoys an ever growing attraction for other Euro­pean states applying for membership and full participation in the greater market, let alone for people in Eastern Europe and in the devloping world striving for immigration in whatever way possible.

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40 Schmid: European Population Trends

World regions which have decided in favour of free trade and market economies, and which in any way show signs of successful economic progress like ASEAN, should en­visage future problems which stem from similar demographic trends:

- significant ageing and successful family planning policy which lays the care for the elderly on smaller families than ever

- very low fertility in the upper stratum of the active population, particularly resulting childlessness and spinsterhood of well-educated women in the labour force.

Demographically-induced problems of Western Euro.pe and the EEC-r~~ion in any case could be summed up as follows:

(1) The common goal of Western European states and their associations is the mainte­nance of the welfare status of their populations. This entails a constant need for high­er productivity and for holding and expanding positions in international trade. Efforts in that direction do not intend to make a "welfare fortress" from which the rest of the world is barred. The capacity of Western Europe to offer economic support is the hope of deficient economies in Eastern Europe and in developing countries.

(2) Demographic trends must not endanger Western European capacities. Ageing and a low fertility level will inevitably bring about mounting expenditures on pensions and health care, as a burden falling on the shoulders of an active population which is growing older and becoming smaller in size. (Figure 1) Under these circumstances, dwindling juvenile age groups require comprehensive human resource management, because the labour force must become more and more sophisticated to make effective use of technology and to discover ways of incorporating new insights into products and production processes.

(3) The shrinkage and ageing of the labour force could potentially result in a persistent fertility below replacement level. Unemployment in postindustrial societies by no means indicates "overpopulation" but a mixture of lack of adaptation to needed skills, obsolescent qualifications, entrepreneurship in the shadow economy and the like.

There are chances to renew the labour force but they also have limitations. In order to prevent the postindustrial workforce from "greying" which would be overtly detrimental to a society's future, the following responses are being discussed:

(a) investments to fuel technolo~ical progress. The profits from productivity could be spent on early retirements. This measure could be wrecked because of a shortage of scientific staff and social rigidities preventing or delaying innovations.

(b) to give the labour force a lifelong education and training to adopt technological prog­ress at the working place. This method finds its limits in the personal willingness and physical and mental capabilities of a workforce in the last stages of activity.

(c) to increase the number of women in the labour force, where a reservoir of female employees seems to exist (as in German-speaking countries). This measure becomes dysfunctional when female labour force participation and motherhood are not suffi­ciently reconciled by a special policy. Otherwise, the fertility level will further de­crease.

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Schmid: European Population Trends 41

100

15

110 femalesl

15

80

75

70

15

80

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50

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25

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15

10

5

0

3000 2000 • dooO 0 0 - In 100 -

'000 2000 3000 - in 1000 -

Fig. 1: European Community (Eur 12) - 1990 and 2030 Source: Eurostat (1991), own calculations

(d) All societies feeling caught in a demographic pincer-like shortage of labour are in­clined to resort to immigration. The first wave of immigration began in the early six­ties as planned recruitment of guest workers. Now this rule has given way to a rather unplanned movement whose motivation is the attraction of this region for people in countries with lower standards-of-living. Nevertheless, there are different rubrics un­der which immigrants are on the way: application for a working place, ("guest-work­er") family reunification, asylum (justified or not), refugee-status and other entry permits given for humanitarian reasons, and free movements within the EEC-region. This issue at present concerns 5 million people.

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42 Schmid: European Population Trends

5 Prospects for the EEC's Labor Force under Different Assumptions Concerning ImmigrationS

Reviewing the most recent migratory movements toward Western Europe, particularly since the tearing down of the Iron Curtain, it is reasonable to go beyond the assumptions of the EUROSTAT-projections which assume an immigration into the EEC-region be­tween 250.000 and 750.000.' As population pressure from the East, notwithstanding the South will hardly lessen we developed the next decades scenarios which state an annual immigration potential of 1 million. It seems to be an realistic estimation of the migratory influx the EEC-region has to face.

Without any positive net migration, the EEC population in labor force (Fig. 2) will de­cline at the turn of the century. In the year 2040, assuming further fertility decline, the e­conomic active population will have only 75 per cent of its size in 1990. A small increase in fertity above the level of 1990 will show only a small effect. An annual net immigra­tion of 1 million people to the EEC-region causes a different picture. An continuous in­crease until 2010 of 7% above the 1990 level can be seen for these three scenarios. (5, 2, 8) But after 2010, the (active) population in labor force decreases again, and will fall, even under the assumption of a small increase in fertility (scenario 5), nearly back to the same level as of 1990. In case of a declining fertility (scenario 8) the population in labour force will fall by about 7% below the 1990 level.

If the EEC starts an immigration policy to keep the volume of population aged 15 to 64 years constant at the 1990 level, the population in labor force will also be constant. Un­derlying these assumptions the annual demand of net immigration will rise dramatically between 2015 and 2020 and will coutinuously increase until the end of our projection time. The annual influx of net immigration between 2035 and 2039 will amount to 3,34 million if the fertility does not change. This means a total demand of 61,5 million immi­grants. If there will be a slight improvement of fertility levels in the EEC countries the total demand would amount to 53 million.

Looking at the total EEC-population the scenarios excluding any migration will lead in 2040 to a size between 295 and 322 million people in the EEC region, i.e. clearly below the size of 344 million in 1990. Assuming an annual migratory influx of one million the size of the population fluctuates, according to different fertility levels, between 355 and 388 million people.

If a replacement policy of the EEC countries takes place, it would exceed the total popu­lation size of the other migratory scenarios at the end of the projected period. These re­placement policy scenarios, as it was said above, would lead to an extreme amount of im­migration in a relatively short period of time; that could raise social tensions and ethnic conflicts in the immigration countries.

About 9 million foreigners might live in the EEC-countries, with an uncertain number of illegal border-crossings. The Schengen-Treaty is the first confirmation of the "Twelve" to secure their new common borders. Since the fall of communism in Eastern Europe new migratory movements have been announced. The migration potential is estimated at be­tween 5 and 35 million people seeking better life chances in Western Europe. The scope

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Schmid: European Population Trends

in millions 200

150

100

50

o 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040

Fig. 2: Labour Force in the EEe - Scenario 1 Source: Eurostat (1991), own calculations

43

of these flows will depend on the way in which the EEC is able to conceive a common policy of reaction to migratory pressures from Eastern Europe and rather closely-situated developing countries such, as those in Northern Africa and Western Asia.

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44 Schmid: European Population Trends

To prevent ethnic conflicts and to keep the costs of acculturation low, the European coun­tries and foremost the EEC-region must develop a common immigration policy; at least a harmonization of residence permits, and of procedures for granting asylum and the acqui­sition of citizenship. The last mentioned need has to be cleared up with regard to entitle­ment by birth within national borders (France, U.K.) or heritage of ancestors (Germany) - principle of "soil" vs. principle of "blood". Efforts of the EEC in that direction have only begun.

Immigration from Islamic parts of the world is already provoking the issue of how to pre­serve Europe's identity marked by Christianity, enlightenment, liberalism and pluralism of thought.

As to the technological trends under way and those coming we need some information from institutions with whieh we cooperate. The issue will be: what consequences are ex­pected when the announced brain drain from Eastern European countries has come to an end and masses from closely-situated developing countries want to intrude the EEC-re­gion. They will hardly find working places in an information- and technology-based soci­ety. The "post-fordie" production presupposes higher education and skills. If available in developing countries, they are pulled out of a region where these capabilities are much better placed and needed. If immigrants lack formation and integrative properties they will experience their social downgrading. In any case, immigration will remain the topic of concern for times to come.

Annotations/References

[1] Population Reference Bureau, Inc. (ed.): World Population Data Sheet 1991. Washington, D.C., 1991.

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[6] M. Kirk, Low Fertility, Change in the Family, and Shifting Values - A New European Situation. Wassenaar (NIAS), 1988, p. 24.

[7] Detlef ChrusczlHauke Hopcke, Alterung und Schrumpfung des Erwerbspotentials in der Europiischen Gemeinschaft - Moglichkeiten und Grenzen ihrer Kompensation (Ageing and Decline of the Labour Force in the EEC - Facilities and Limits of Compensatory Policies), in German. Bamberg 1992.

[8] Eurostat (1991a), Background Papers on Fertility, Mortality and International Migration under Two Long Term Population Scenarios for the European Community. Internationale Konferenz "Human Re­sources in Europe at the Dawn of the 21st Century". LuxemburglBruxelles: Statistisches Amt der Eu­ropiischen Gemeinschaften.

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Rehkugler: Finanzierungsgesellschafien

Internationale Finanzierungsgesellschaften -Ein Auslaufmodell bei zunehmender europaischer Integration?

von

Prof. Dr. Heinz Rehkugler Lehrstuhl fUr Betriebswirtschafislehre, insb. Finanzwirtschaft

Otto-Friedrich-Universitlit Bamberg

1 Problemaufri6

2 Stand und Entwicklung des Einsatzes internationaler Finanzierungs­gesellschaften 2.1 Die Untersuchung 2.2 Art und Umfang der Nutzung von Finanzierungsgesellschafien

2.3 Griinde fUr die Nutzung von Finanzierungsgesellschafien 2.3.1 Steuervorteile

47

2.3.2 Nutzung intemationaler Finanzmarkte unter Umgehung nationaler Regu-lierungen

2.3.3 Vorteile dUTCh Zusammenfassen der Kapitalbedarfe 2.3.4 In-House-Banking 2.3.5 Risikobegrenzung fUr die Muttergesellschafi 2.3.6 Bedeutung der Griinde in der Praxis

2.4 Wahl der Standorte fiir Finanzierungsgesellschafien 2.4.1 Kriterien der Standortwahl 2.4.2 Gewiihlte Standorte und ihre Bewertung

2.5 Gesamteinschiitzung zum Stand der Nutzung von Finanzierungsgesellschaften

3 Finanzierungsgesellschaften und europliische Integration

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48 Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften

1 Problemaufri8

Die intemationalen Finanzmarkte sind durch zunehmende Deregulierung, Integration und Globalisierung gekennzeichnet. Grenziiberschreitende Kapitalanlagen und -aufnahmen nehmen, wie die Statistiken der Bank fUr Intemationalen Zahlungsausgleich belegen (vgl. z.B. BIZ 1992, 174 ff.), immer mehr zu.

Viele Gro.6untemehmen bedienen sich bei der Inanspruchnahme der intemationalen Fi­nanzmarkte eigens dafUr im Ausland gegriindeter FinanzierungsgeselIschaften. Deren spe­zifische Aufgabe besteht darin, fUr andere KonzemgeselIschaften Funktionen der Kapital­beschaffung und der Finanzdrehscheibe zu iibemehmen (zu anderen Typen finanzwirt­schaftlicher Service-GeselIschaften vgl. Pausenberger 1985). Wesentliche Motive fUr ihre Auslagerung und Kriterien fUr die Wahl des Sitzlandes dieser Gesellschaften sind die Umgehung einzelstaatlicher Regulierungen und die Ausnutzung zwischenstaatlicher Steu­ergefaIle. Besonders giinstige Bedingungen bieten dabei zahlreiche Off Shore-Zentren. Vorrangig verdanken sie ihre Existenz somit der UnvolIkommenheit der Finanzmlirkte durch unterschiedliche einzelstaatliche Rahmenbedingungen.

Eben solchen UnvolIkommenheiten will und solI die Schaffung des europaischen Binnen­marktes auch auf den Finanzmarkten durch Liberalisierung, Abbau von Kapitalverkehrs­beschriinkungen und Harmonisierung von Zulassungs- und Regulierungsvorschriften ent­gegen wirken (vgl. Kommission der EG 1992; Hasche-Preu.6e 1989). Schon 1988 stellte daher Dennig die Frage: "Verddingt der EG-Kapitalbinnenmarkt den Euromarkt?" (Den­nig 1988).

Die zunehmende europaische Integration IMt infolge dessen, zumindest bei erster Be­trachtung, erwarten, daB sich der Bedarf an und der Nutzen aus der Inanspruchnahme in­temationaler FinanzierungsgeselIschaften reduzieren. Wenn diese Uberlegung zutrifft, mii.6te sich aufgrund der schon Hinger anhaltenden Deregulierungs- und Harmonisierungs­bemiihungen in der EG eine Tendenz zum Abbau der Zahl und Nutzung dieser GeselI­schaften schon in den letzten Iahren gezeigt haben.

Die folgenden Ausfiihrungen sollen daher zuerst Antwort auf die Frage geben, ob im letzten Iahrzehnt eine reduzierte Nutzung intemationaler Finanzierungsgesellschaften fest­zustelIen ist, ob es zu einer Verschiebung der Motive fUr ihre Nutzung und der Attrakti­vitat der dafUr gewlihlten Standorte gekommen ist. Dazu werden Auswertungen einer von meinem Lehrstuhl durchgefiihrten Befragung bei deutschen Gro.6untemehmen vorgestellt. Aus den Ergebnissen lassen sich dann Uberlegungen ableiten, wie sich die Bedeutung in­temationaler Finanzierungsgesellschaften weiter entwickeln konnte und welche Faktoren Richtung und Geschwindigkeit der Anpassung vermutlich pragen werden.

2 Stand und Entwicklung des Einsatzes internationaler Finanzierungs-geseUschaften

2.1 Die Untersuchung

Uber Umfang und Motive der Nutzung von Finanzierungsgesellschaften sowie die dafUr gewlihlten intemationalen Standorte liegt erstaunlicherweise kaum empirisches Material

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Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften 49

vor. In FachverOffentlichungen wird zwar recht einvernehmlich die zunehmende Bedeu­tung von Finanzierungsgesellschaften vor allem fUr die internationale Konzernfinanzie­rung hervorgehoben, ohne daB allerdings konkrete Zahlen genannt werden (vgl. Bfisch­gen 1986, 213; Eilenberger 1987, 273; FischerlWarneke 1988, 371). Die einzigen mir bekannten Daten stammen aus einer auch andere Aspekte betreffenden Untersuchung, die 1983 von PausenbergerlVolker bei 16 Untemehmen durchgefUhrt worden ist, die im Ar­beitskreis "Organisation und Ffihrung international tiitiger Unternehmen" der Schmalen­bach-Gesellschaft mitarbeiteten (vgl. PausenbergerlVOIker 1985).

Ein knappes lahrzehnt spater schien es mir daher an der Zeit ffir eine erneute, moglichst repriisentative Umfrage.1 Der Fragebogen richtete sich an 105 deutsche GroBunterneh­men mit einem Umsatz von fiber 4 Mrd. DM. Aus der Liste der 100 groBten deutschen Unternehmen wurden 95 international tiitige ausgesucht. Zusatzlich wurden die 6 groBten Banken und die 4 groBten Versicherungen einbezogen.

Befragte

Antworten

NUCzungvon FG 31

67 ja

KeineFG

23

95 Industridandel 6 Banken

_4_Venicherungen

lOS

38 nein

Venreigerung vonAngaben

7

Tochtergaeu.ehaft ohne eigene FG

6

Abb. 1: Teilnebmer der empiriscben Untersucbung

Wie Abb. 1 zeigt, war mit 67 Antworten (= 64%) der Rficklauf erstaunlich und erfreu­lich hoch. Dabei waren allerdings nur 31 Fragebogen auswertbar ausgefUllt. 23 Unter­nehmen teilten mit, daB sie keine Finanzierungsgesellschaften nutzen. 7 Untemehmen wollten grundsatzlich keine Auskunft erteilen; weitere 6 waren TOchter eines auslandi­schen Konzerns und hatten daher keine eigenen Finanzierungsgesellschaften. Korrigiert man die Grundgesamtheit der angesprochenen Unternehmen urn die beiden letzten Grup­pen, so verffigt deutlich mehr als die HaIfte der antwortenden Unternehmen fiber eine oder mehrere Finanzierungsgesellschaften im Ausland. Die Angaben bei Pausenberger/ VOlker (1985), bei denen 14 der 16 antwortenden Unternehmen Finanzierungsgesell-

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50 Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften

schaften nutzten, sind wegen der spezifischen Auswahl der Befragten (siehe oben) nieht vergleiehbar. Ihre iibrigen Auswertungen werde ich aber jeweils unseren Daten verglei­ehend gegeniiberstellen.

1m strengen Sinne kann aueh unsere Befragung nieht den Ansprueh der Reprasentativitiit erheben, doch sie deckt einen nennenswerten Teil aller deutschen Gro6untemehmen abo Fiir unser Untersuehungsziel sind die Daten allerdings mit Vorsieht zu interpretieren. Da nur zwei Punkte (1983 und 1992) zum Vergleieh zur Verfiigung stehen, kann daraus nieht ohne weiteres auf eine lineare Entwieklung in diesem Iahrzehnt geschlossen wer­den. Denkbar ware, daB Umfang, Motive und Standort entsprechend den Veranderungen der Rahmenbedingungen mehrfaeh gewechselt und z.B. ihren quantitativen Hohepunkt schon iibersehritten haben. Konkrete Ansatzpunkte fiir diese Vermutung liegen jedoch nieht vor.

Kapitalbedarf einer Tochtergesellschaft

Innenfinanzierung AuBenfinanzierung

aus aus aus der Gewinnen Abschreibungs- Zuweisung

erlosen zu Riickstellungen

I

konzerninterne AuBenfinanzierung

I Eigenkapital­

zufiihrung

I ~L __ holding

I Fremdkapital­

zufiihrung

I

durch Finanzierungs­gesellschaft oder Zwischenholding

I

konzernexterne AuBenfinanzierung

Eigenkapital­aufnahme

IOka;:ler Eigenkapital·

geber

Fremdkapital­aufnahme

IOka~er Eigenkapital· geber

durch Mutter­gesellschaft

durch Mutter­gesellschaft

durch andere Konzerngesellschaft

ausUlndischer Eigenkapital­

geber

auslandischer Eigenkapital­

geber

Abb. 2: Finanzierungsaltemativen intemationaler Konzeme

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Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften 51

2.2 Art und Umfang der Nutzung von Finanzierungsgesellschaften

Der Kapitalbedarf einer Konzemgesellschaft kann grundsiitzlich durch untemehmensbezo­gene Innenfinanzierung (eigenen Cash Flow), durch konzeminteme und konzemexteme Au.6enfinanzierung gedeckt werden. Wahrend bei konzemextemer Au6enfinanzierun~ das jeweilige Untemehmen direkt inliindische und ausliindische Kapitalmlirkte in Anspruch nimmt, stellen bei konzemintemer Au6enfinanzierun~ andere Konzemgesellschaften Ei­~.en- oder Fremdkapital zur Verftigung, die sich die notwendigen Mittel durch eigene Uberschiisse, konzemintemen Transfer oder konzemexteme Au6enfinanzierung besor­gen. Abb. 2 gibt die Systematik der Finanzierungsaltemativen wieder und macht zugleich deutlich, wo dabei die Finanzierungsgesellschaften zu positionieren sind.

Die Zahl der eingesetzten Finanzierungsgesellschaften Yirilial sehr stark, wie Tab. 1 zeigt. Wahrend iiber die Hlilfte der berichtenden Untemehmen nur mit einer oder zwei arbeiten, setzen 3 Untemehmen sogar 10 Finanzierungsgesellschaften ein. Bei naherer Analyse wird ein eindeutiger positiver Zusammenhang der Zahl der Gesellschaften mit der Untemehmensgro6e sichtbar, der allerdings erst ab einer UmsatzgroBe von iiber 20 Mrd. DM zutage tritt. Ebenso wird deutlich, daB bei kleiner Zahl die intemational tiitigen Finanzierungsgesellschaften dominieren, wahrend mit zunehmender Zahl der eingesetzten Gesellschaften national, d.h nur im jeweiligen Sitzland operierende Einheiten iiberwie­gen.

Anzahl FG: 1 2 3 4 5 8 10

Anzahl U: 10 8 4 3 2 1 3

(arithmetisches Mittel: 3,2/ Median: 2)

AnzahlFG

UntemehmeosgroBe (Umsatz) 1 oder 2 ~3

4 -10 Mrd. 5 71,4 % 2 2S,6 %

10 - 20 Mrd. 9 SI,S % 2 19,2 %

> 20Mrd. 2 2S,6 % 7 71,4 %

Summe/Anteil (27 = 100 %) 16 59,3 % 11 40,7 %

Tab. 1: Zahl und GriiBenabhingigkeit von Finanzierungsgesellschaften

Bei dem iiber Finanzierungsgesellschaften beschafften Finanzvolumen scheint sich eine massive Veriinderung im letzten Iahrzehnt vollzogen zu haben. PausenbergerIVOIker kommen noch zu dem Ergebnis, daB sie mit 6,7% der Kapitalaufnahme an intemationa­len Finanzmlirkten "eine eher bescheidene Rolle spielen" (PausenbergerIVolker 1985, 42). Fremdfinanzierungen iiber Schwestergesellschaften (wo Finanzierungsgesellschaften anzusiedeln sind) kommt nach ihren Daten sogar nur ein Anteil von 0,5 % an der gesam­ten Finanzdeckung in Konzemen zu. Demgegeniiber beschaffen die uns antwortenden

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52 Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften

Untemehmen immerhin im Durchschnitt 25% des gesamten aufgenommenen Fremdkapi­tals iiber Finanzierungsgesellschaften. Dieser Durchschnittswert verdeckt allerdings eine starke Streuung; so liegt die Mehrzahl der Hille unter 20%, wiihrend 2 Untemehmen Werte von iiber 90% nennen.

Dabei ist zu beriicksichtigen, daB auch die Quote der Finanzierung iiber intemationale Fi­nanzmarkte selbst gestiegen ist. Die befragten Konzeme nann ten im Durchschnitt einen Anteil von 38% der intemationalen Finanzschulden an den gesamten Finanzschulden, wiihrend PausenbergerlVOlker noch eine Quote von 5 - 10% schatzten. Bei iiber der Hlilf­te der uns antwortenden Untemehmen sind die Finanzierungsgesellschaften auch die aus­schlie61ichen oder hauptslichlichen Trager der Finanzierung iiber intemationale Finanz­markte.

Der Schwerpunkt der Kapitalbeschaffung iiber Finanzierungsgesellschaften liegt eindeutig bei der Fremdfinanzierung. Nur durchschnittlich 2,6% des aufgenommenen Kapitals wer­den in Form von Eigenkapital an andere Konzemgesellschaften weitergeleitet, der grofie "Rest" als Fremdkapital. Zu iiber 80% erfolgt die Weiterleitung grenziiberschreitend, al­so an Konzemgesellschaften mit Sitz in anderen Llindem. Bei den Fristigkeiten iiberwie­gen die langfristigen Finanzierungen, bei der Wiihrungsstruktur die DM und der US $. Tab. 2 gibt die Ergebnisse der Befragung zum Umfang der Nutzung von Finanzierungs­gesellschaften noch einmal vergleichend zu PausenbergerlVOlker wieder. Zusammenfas­send kann also zur Nutzung der Finanzierungsgesellschaften festgestellt werden, daB

- eine deutliche Zunahme ihres Anteils an der Konzemfinanzierung auf ein inzwischen beachtliches Niveau zu verzeichnen ist,

- die langfristige Fremdfinanzierung eindeutig dominiert,

- die Weiterleitung iiberwiegend grenziiberschreitend erfolgt.

2.3 Griinde fur die Nutzung von Finanzierungsgesellschaften

Wenn Finanzierungsgesellschaften, wie gezeigt, so intensiv und mit zunehmender Ten­denz genutzt werden, miissen besondere Griinde vorliegen, die die intemationale Kapital­beschaffung auf diesem Weg aus der Sicht der Konzeme vorteilhaft erscheinen lassen. Si­cher wird man von einem Motivbiindel ausgehen miissen, dessen Einzelfaktoren nach Typ und Funktion der Finanzierungsgesellschaft und dem gewiihlten Standort in ihrer Bedeu­tung differieren. Wir haben uns in unserer Untersuchung auf die von uns fUr wichtig er­achteten Griinde konzentriert, die im folgenden niiher beschrieben werden.

2.3.1 Steuervorteile

Zur denkbaren Bedeutung von Steuervorteilen fUr die Errichtung von Finanzierungsge­sellschaften werden sehr heterogene Positionen vertreten. Wiihrend z.B. Laubscher (1981, 68) ihnen eine dominante Rolle einraumt, sehen andere (z.B. Brandt 1982, 109; Niefi 1989, 241) nur einen nachrangigen Einflufi des Steuersparmotivs. Dies wirft die Frage auf, welche Steuervorteile durch Einschaltung von Finanzierungsgesellschaften iiberhaupt erzielt werden k6nnen. Es ist hier nicht der Ort, alle Vorteile und vor allem

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Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften

Ourchschnittliche Angaben bei Pausen Angaben bergerlViilker 1985

Trager der Finanzierung iiber internationale Finanzmirkte: Anteil Muttergesellschaft 26,9 % 48,4 %

Operative Auslangsgesellschaften 20,1 % 45,0 % Ausliind. Finanzierungsgesellschaften 53,0 % 6,7 %

Anteil der gesamten international aufgenommenen Finanzschulden an den gesamten Finanzschulden 37,9 % 5-10 %

Anteil des iiber europiiische Finanzzentren be-schafften Kapitals am gesamten iiber internatio-nale Finanzmiirkte beschafften Kapital 69,1 % 60,0 %

Anteil des durch Finanzierungsgesellschaften aufgenommenen Kapitals am gesamten Fremd-kapitalaufkommen 25,1 % -

Weiterleitung des aufgenommenen Kapitals national 16,5 % -international 83,5 % -

Weiterleitung in Form von Eigenkapital 2,6 % -Fremdkapital 97,4 % -

Wiihrungsstruktur des aufgenommenen Kapitals: Anteil US-$ 28,7 % US-$ und OM zu-

OM 56,3 % sammen iiber 80 % SFr 7,1 % andere 7,9 %

Fristigkeit der auf internationalen Finanzmirkten aufgenommenen Kredite: Anteil langfristig (iiber 4 Jahre) 69,9 % 46,0 %

mittelfristig (l - 4 Jahre) 13,5 % 18,0 % kurzfristig (unteljiihrig) 16,6 % 36,0 %

Tab. 2: Finanzierungsverhalten iiber internationale Finanzmirkte und ausliindische Finanzierungsgesellschaften

53

die im Steuerrecht geregelten Voraussetzungen fUr ihre Anspruchnahme aufzufUhren, zu­mal diese Vorschriften sehr komplex sind und sie je nach Sitzland der Finanzierungsge­sellschaft noch deutlich differieren (vgl. dazu ausfUhrlicher z.B. Ebenroth/Nei6 1990; Fi­scher/Warneke 1988; Kuhne 1990; Nie6 1989, insbes. 230 ff; Schreiber 1988). Generell geht es urn

- eine Reduktion oder ganzliche Vermeidung von Quellensteuem,

- eine Abschirmung auslandischer Einkiinfte und Vermogen gegen die hahere deutsche Ertrags- und Substanzbesteuerung.

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54 Rehkugler: FinanzierungsgeselIschaften

Beim Zinsempfanger fUr zur Verfiigung gestelItes Fremdkapital solI das Entgelt moglichst ohne Abzug ankommen. Dies laBt sich erreichen, wenn FinanzierungsgeselIschaften in Undem domizilieren, die keine QuelIensteuer erheben (vgl. Niefi 1989,231).

Ertrags- und substanzsteuerliche Vorteile lassen sich dann realisieren, wenn fUr das Sitz­land der FinanzierungsgeselIschaft niedrigere Steuersatze und/oder giinstigere Berech­nungsmodalitiiten der Steuerbemessungsgrundlage gelten und es gelingt, die ausliindi­schen Einkiinfte/Vermogen gegen die hOhere inliindische Besteuerung abzuschirmen. Dies ist vor allem bei Existenz eines Doppelbesteuerungsabkommens mit intemationalem Schachtelprivileg zwischen Deutschland und dem Sitzland der Finanzierungsgesellschaft moglich. Die Spitzeneinheit im Inland, in der Regel die Konzemmuttergesellschaft, kann dann Dividenden der Finanzierungsgesellschaft steuerfrei vereinnahmen. Sie unterliegen also nur der niedrigeren Ertragsteuerbelastung des Sitzlandes. Die Abschirmwirkung ent­fallt, wenn

- kein entsprechendes Doppelbesteuerungsabkommen existiert,

- oder ein Mifibrauch der Gestaltungsmoglichkeiten nach § 42 AD von der Finanzver-waltung angenommen wird (dies ist der Fall, "wenn eine Gestaltung gewahlt worden ist, die verglichen mit dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung die­nen solI und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Griinde nicht zu rechtfertigen ist" (Ebenroth/Neifi 1990, 147),

- oder die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 - 14 AuBensteuergesetz greift; dies kann vor allem dadurch vermieden werden, daB die Finanzierungsgesellschaft aus­schliefilich auf ausliindischen Finanzmiirkten Kapital aufnimmt und es nur ausliindi­schen Gesellschaften zur VerfUgung stellt und weiter in Undem domiziliert, die nicht als Niedrigsteuerliinder (= unter 30% Ertragsteuerbelastung) gelten. Meist ist auch notwendig, daB die Finanzierungsgesellschaft nicht nur als reines Booking Center fun­giert, sondem daB ihre Geschliftsleitung vom Sitzland aus tatslichlich erfolgt.

Bei Finanzierung ausschliefilich ausliindischer KonzemtOchter entfaIlt auch die Belastung mit deutscher Gewerbeertrag- und Gewerbekapitalsteuer, die anfiele, wenn die Mutterge­sellschaft unmittelbar Kapital aufnehmen und weiterreichen wiirde, ein nicht zu unter­schlitzender Kostenvorteil.

Insgesamt laBt sich sagen, daB die deutschen FinanzbehOrden zunehmend und teilweise auch mit Erfolg versucht haben, die Nutzungsmoglichkeit intemationaler Finanzierungs­gesellschaften und vor allem die Realisierung von Steuervorteilen daraus zu beschriinken. Demgegeniiber haben findige Berater immer wieder neue steuersparende Konstruktionen entwickelt. Insofem laBt sich nur schwer einschlitzen, ob das Motiv der Steuererspamis an Gewicht eingebiiBt oder gar gewonnen hat.

2.3.2 Nutzung internationaler Finanzmarkte unter Umgehung nationaler ReguJie­rungen

Die Inanspruchnahme intemationaler Miirkte, insbesondere der sog. Euromiirkte, bietet nach giingiger Einschlitzung verschiedene Vorteile gegeniiber der Kapitalbeschaffung am Inlandsmarkt:

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Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften 55

- "Es lassen sieh neue, noch nieht verstopfte Markte finden,

- dingliehe Besieherungen fUr Kapitalaufnahmen entfallen,

- es gibt keine (oder eine groBziigigere) Bankenaufsieht und weniger sonstige Marktre-gulierungen,

- eine Quellensteuer wird nieht erhoben, aueh sonstige Steuem konnen niedriger sein" (Rehkugler/SehindeI1992, 128 t).

Dadureh werden insgesamt die Finanzierungskosten gesenkt. Diese Vorteile lassen sieh in aller Regel nieht dureh eine Kapitalaufnahme vom Inland aus realisieren, sondem erfor­dem die Einschaltung einer ausliindischen Tochtergesellschaft. Verschiedene Vergiinsti­gungen an ausliindisehen Standorten werden dabei nur speziellen Finanzierungsgesell­schaften, nieht aueh operativ tiitigen Konzemt6chtem eingeriiumt.

Nieht zu unterschatzen ist der Vorteil von Finanzierungsgesellsehaften, jeweils an wiehti­gen intemationalen Finanzmarkten "vor Ort" zu sein, urn Marktentwieklungen schnell in Handlungen umsetzen zu konnen. Wiehtiger aber wird sein, die vielfaItigen Regulierun­gen in Deutschland dureh geeignete Sitzlandwahl zu umgehen. Aufgrund der Dauer, der Umstiindliehkeit und des administrativen Aufwands besonders einschrankend wurde von der Wirtschaft allgemein die staatliehe Genehmigungspflieht bei der Begebung von Sehuldverschreibungen naeh den §§ 795 und 808 a BGB empfunden, die endlieh zum 01.01.1991 aufgehoben wurde.

Aueh Regulierungspotentiale, d.h. staatliehe Einwirkungsmogliehkeiten, die nieht regel­maBig ausgeiibt werden, aber "drohen", lassen eine Umgehung angeraten erscheinen. So kennt das AuBenwirtschaftsgesetz mehrere Vorschriften, iiber die der Zustrom ausliindi­schen Kapitals verhindert oder okonomisch "bestraft" werden kann. Vor allem wird auf das geldpolitische Instrument der Bardepotpflieht naeh § 6 a A WG hingewiesen, die Ge­bietsansassige dazu verpfliehtet, Teile der im Ausland aufgenommenen Darlehen zinslos bei der Deutschen Bundesbank zu halten (vgl. Fischer/Warneke 1988, 350; Kiihne 1990, 196; Weitkemper 1988, 333 ft).

Da diese Vorsehrift aueh auf bestehende Kredite angewandt werden kann, sind langfri­stige Auslandssehulden, aueh wenn dieses Instrument nur sehr selten und seit den 70er Jahren gar nieht mehr eingesetzt worden ist, von einem stiindigen Bardepotrisiko bedroht.

Als weiterer Anreiz zur Umgehung der deutschen Bedingungen ist sieher aueh die be­kannt restriktive Position der Deutschen Bundesbank gegeniiber der Zulassung von Fi­nanzinnovationen von Bedeutung. Deutschen Konzemen, die jeweils friihzeitig den Ent­wieklungen an den intemationalen Finanzmarkten folgen und die Vorteile neuer Finanz­produkte ausschOpfen wollten, blieb in aller Regel nur der Weg iiber ausliindische Toch­tergesellschaften, bis, oft viele Jahre spater, die Deutsche Bundesbank aueh fiir den DM­Bereich griines Licht zur Einfiihrung und Nutzung dieser Innovationen gab.

tiber die formellen Restriktionen hinaus mag als nieht unwesentliehes Hindemis die Um­stiindliehkeit und SehwerfaIligkeit des Behordenapparats gesehen werden, ein Nachteil, den man in anderen Domizilliindem nieht anzutreffen hofft.

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56 Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften

Die Umgehung nationaler Restriktionen iiber Finanzierungsgesellschaften zahlt sich aller­dings nur dann aus, wenn sie nicht durch den zusatzlichen finanziellen Aufwand (z.B. durch Griindungs- und laufende Kosten) sowie die Schwierigkeiten mit den staatlichen Behorden im Ausland wieder kompensiert werden.

2.3.3 Vorteile durch Zusammenfassen der Kapitalbedarfe

Die Konzentration eines groBen Teils der externen Kapitalbeschaffung fUr die Konzernge­sellschaften bei einer Finanzierungsgesellschaft vermag grundsatzlich zu Spezialisierungs­und zu GroBenvorteilen zu fiihren (vgl. PausenbergerlVolker 1985, 44). Spezialisierunl:s­~ beruhen darauf, daB bei der Finanzierungsgesellschaft Fachleute fUr internationa­Ie Finanzierungen konzentriert werden konnen, die aufgrund ihrer Markt-, Produkt- und Steuerkenntnisse durch die geeignete Wahl von Marktsegment, Region, Standort und un­terstiitzendem Bankenkonsortium sowie durch entsprechende Gestaltung des Finanzpro­dukts giinstigere Finanzierungskonditionen erreichen konnen als bei getrennter Kapital­aufnahme durch einzelne Konzerngesellschaften.

Analoges gilt fUr denkbare GroBeneffekte. Sie konnen auf groBerer Marktmacht und ver­bessertem internationalen Standing beruhen und damit die laufenden Finanzierungskondi­tionen verbessern, aber auch durch eine Senkung der zusatzlichen Kosten der Kapitalauf­nahme begriindet sein. Ein groBer Teil der Kapitalaufnahmekosten (Programmentwick­lung, Erstellung und Druck von Emissionsprospekten, Registerkosten, BOrsenzulassungs­gebiihren etc.) hat iiberwiegend Fixkostencharakter und schUigt dadurch bei groBeren Fi­nanzierungsbetriigen prozentual geringer zu Buche.

Spezialisierungs- und GrOBenvorteile werden ihre Bedeutung mit zunehmender GroBe des Konzerns und der einzelnen Konzerngesellschaften verlieren, da diese dann selbst schon in kostengiinstigen Bereichen operieren konnen.

2.3.4 In-House-Banking

Ein weiteres Motiv zum vermehrten Einsatz von Finanzierungsgesellschaften mag der deutlichen Tendenz zum In-House-Banking entspringen (vgl. dazu Schuster 1988, 346 ft). Viele GroBunternehmen gehen zunehmend dazu iiber, Finanztransaktionen, die sie bislang durch Intermediiire, insbesondere Banken, haben durchfUhren lassen, in eigener Regie zu iibernehmen und den Intermediiiren nur noch Teilaufgaben der Maklertiitigkeit zu iiberlassen oder sie gar vollig auszuschlieBen.

Diese als Disintermediation bezeichnete Entwicklung (vgl. zu ihren Stufen Eichhorn 1990, 219) hat vielfaItige Ursachen, die hier nicht zu diskutieren sind. Vor allem aber scheinen GroBunternehmen das eigenstiindige DurchfUhren von Finanztransaktionen in­zwischen so gut zu beherrschen, daB die GrOBen- und Spezialisierungsvorteile, die Ban­ken unzweifelhaft haben miiBten, nicht mehr die Margen fUr die Bankdienstleistungen iibersteigen. Ein In-House-Banking wird dann fUr den Konzern die kostengiinstigere und flexiblere LOsung. Diese Bankenfunktionen werden typischerweise, um konzerninterne GroBen und Spezialisierungsvorteile (s.o.) realisieren zu konnen, spezifischen Finanzie­rungsgesellschaften iibertragen.

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Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften 57

2.3.5 Risikobegrenzung fUr die Muttergesellschaft

Ais letzter denkbarer Grund fiir die Bildung von Finanzierungsgesellschaften solI hier die Absicht angesprochen werden, dadurch die Finanzierungsrisiken bei der Muttergesell­schaft zu begrenzen. Formal iibemimmt ja die Finanzierungsgesellschaft, wenn sie die Kapitalaufnahme durchfiihrt, die entstehenden Risiken. In der Bilanz der Muttergesell­schaft erscheinen also solche Fremdkapitalbeschaffungen nicht. Sie belasten damit auch nicht die Kapitalstruktur (Eigenkapitalquote) und fiihren somit zu einer qptischen Verbes­serun~ des Bilanzbilds, einem sicher nicht zu unterschiitzenden, angenehmen Nebenef­fekt. Rechtlich und wirtschaftlich gesehen tritt aber der Effekt der Risikobegrenzung des­halb nicht ein, weil im allgemeinen die Muttergesellschaft die unbedingte und unwider­rufliche Garantie fiir die Verpflichtungen der Finanzierungsgesellschaft iibemimmt, die iiberwiegend nur minimal mit Eigenkapital ausgestattet ist (vgl. Pausenberger 1989, 668). Diesem Motiv wird also wohl keine groBe praktische Bedeutung zukommen.

2.3.6 Bedeutung der Grinde in der Praxis

In un serer Befragung haben wir die Untemehmen gebeten, die genannten Griinde fiir die Errichtung von Finanzierungsgesellschaften auf der Skala von 0 (= unwichtig) bis 3 (= sehr wichtig) zu bewerten. Tab. 3 gibt die Antworten zusammengefaBt wieder, wobei aus Ubersichtsgriinden nur Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) genannt sind, auf die Angabe eines StreuungsmaBes also verzichtet wird. Vergleichend werden die ein Jahr­zehnt zuriickliegenden Ergebnisse der Befragung von PausenbergerlVolker (1985) gegen­iibergestellt, bei der allerdings nur 5 genannte Griinde zu bewerten waren.

Es zeigt, sich, daB die antwortenden Untemehmen dem Steuermotiv den ersten Ran~latz beimessen. Immerhin 2/3 stufen es als "sehr wichtig" ein. Gegeniiber der Befragung von Pausenberger/Volker hat damit das Steuermotiv deutlich an Bedeutung gewonnen. Auch die Griinde 2. - 5., die den verbesserten Zu~an~ zu intemationalen Finanzmarkten und die Um~ehun~ nationaler Re~ulierun~en betreffen, werden als recht wichtig eingestuft, angesichts der zunehmenden Deregulierung recht erstaunlich.

Deutlich ~erin~eres Gewicht, auch in Relation zu den Ergebnissen von Pausenbergerl VOlker, kommt der Realisierung von GroBen- und Spezialisierungsvorteilen zu. Das In­House-Bankin~ wird durchschnittlich nur als "weniger wichtig" beurteilt. Dabei streuen die Antworten aber stark: eine (groBere) Gruppe von Untemehmen scheint dem praktisch keine Bedeutung beizulegen, die andere Gruppe sieht darin ein gewichtiges Motiv. Wie schon vermutet, spielt das Motiv der Risikobegrenzung bei der Muttergesellschaft kaum eine Rolle und wird noch erheblich niedriger bewertet als bei PausenbergerlVolker.

Uberraschenderweise zeigen sich nur wenige signifikante Zusammenhiinge der Gewich­tungen der Motive mit der UntemehmensgroBe, der Zahl der Finanzierungsgesellschaften und dem Umfang der Inanspruchnahme intemationaler Finanzmiirkte. GroBere Untemeh­men gewichten die "Reaktionsgeschwindigkeit" deutlich hOher als kleinere. Bei Konzer­nen mit mehr als 2 Finanzierungsgesellschaften gewinnt das Motiv der "besseren Konditi­onen" und verlieren die Motive der "effektiven Finanzbehorden im Gastland" und der "rechtlichen Reglementierungen im Inland" an Bedeutung. Untemehmen, die den intema­tionalen Kapitalmarkt stark nutzen, legen verstiindlicherweise iiberdurchschnittlich viel

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58 Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften

Gewicht auf den Zugang zu internationalen Markten, auf die Steuerersparnis und auf die Reaktionsgeschwindigkeit.

Griinde durchschnittliche Bewertung bei Grad der Realisie-Bewertung Pausenberger/V iilker

1985* rung der daraus er-hofften Vorteile **

1. Steuererspamisse 2,3 1,9 86,8 % (14)

2. Zugang zu intemationalen Finanz- 2,1 2,2 97,S % miirkten (16)

3. Rechtliche Reglementierungen in 1,9 - 92,2 % Deutschland (9)

4. Effektive und unkomplizierte 1,8 - 81,8 % Finanzbehiirden im Gastland (11)

5. Grii8ere Reaktionsgeschwindig- 1,6 - 88,8 % keit bei der Kapitalaufnabme auf- (8) grund geringerer Kapitalverkehrs-beschrlinkungen

6. Spezialisierungsvorteile durch Zu- 1,5 2,2 71,S % sammenfassen der Kapitalbedarfe (10)

7. Bessere Konditionen bei der Kapi- l,S 2,0 73,S % talaufnabme durch Zusammenfas- (10) sen der Kapitalbedarfe

8. Untemehmensinteme Ausfiihrung 1,0 - 72,S % von Finanztransaktionen, die bis- (4) her Banken/Bankenkonsortien vor-behalten waren

9. Risikobegrenzung fiir die Mutter- 0,4 0,9 -gesellschaft

Bewertungsskala: 3 = sehr wichtig, 2 = wichtig, 1 = weniger wichtig, 0 = unwichtig * PausenbergerlViilker 1985, 44 ** Die Werte in Klammem geben die Zabl der Untemehmen an, die hierzujeweils Angaben machten.

Tab. 3: Bewertung von Grunden fiir die Errichtung von Finanzierungs­gesellschaften und Grad der Realisierung der daraus erhofften Vorteile

Nicht aIle erwarteten und durch die Nutzung internationaIer Finanzierungsgesellschaften erhofften Vorteile werden sich in der Praxis auch realisieren lassen. So lindern sich recht­liche und politische Rahmenbedingungen, steuersparende Modelle werden nicht aner­kannt, Kosteneinsparungen lassen sich nicht umsetzen, etc. Wir haben daher auch nach dem Grad der Realisierung der erhofften Vorteile gefragt. Die letzte SpaIte von Tab. 3 zeigt den rechnerischen Durchschnittswert in %. Die eben faIls genannte Zahl der hierzu antwortenden Unternehmen laBt erkennen, daB die Auskunftsbereitschaft zu dieser Frage

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Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften 59

nieht sehr groB war. Es kann durehaus spekuliert werden, daB die nieht Antwortenden nieht iiber eine volle Erfiillung ihrer Erwartungen hatten beriehten konnen, so daB die Durehschnittswerte in der Realitiit wohl eher niedriger liegen aIs die bei uns ausgewiese­nen. Offenbar ist der Zugang zu intemationaIen Finanzmarkten am besten gelungen. Nur 2 Untemehmen nennen niedrigere Werte aIs 100%. Gleiehes gilt fiir die Umgehung der rechtliehen Reglementierungen. Bei den Steuem dagegen gab es offenbar vermehrt Ent­tiuschungen. Immerhin 113 der Untemehmen gibt zu, die erwarteten Vorteile nur partiell (2 nennen sogar nur 50%) erreieht zu haben. Aueh die FinanzbehOrden in den Gastllin­dem scheinen nieht aIles naeh Wunsch erledigt zu haben, da nieht einmaI 113 der Unter­nehmen hier volle Erfiillung meldet. Bei den weniger bedeutsamen Motiven liegt aueh der Grad ihrer Realisierung unter den iibrigen Werten.

Insgesamt wird der Umfang, zu dem sieh erhoffte Vorteile aus der Nutzung von Finan­zierungsgesellschaften aueh einstellen, in starkem MaBe von der SorgfaIt der Planung und Realisierung dieses Sehrittes und insbesondere von der riehtigen Wahl des Standorts be­stimmt werden.

2.4 Wahl der Standorte fiir Finanzierungsgesellschaften

2.4.1 Kriterien der Standortwahl

Grundsatzlieh gelten fUr die Wahl des Domizillandes von Finanzierungsgesellschaften die gleiehen Kriterien, wie sie fUr die Erriehtung von Finanzierungsgesellsehaften selbst dis­kutiert worden sind. Man wird mogliehst nur einen Standort wahlen, der aIle erwarteten Vorteile der Nutzung der Finanzierungsgesellschaft bietet. Zusatzlieh werden sieher noch folgende Aspekte eine Rolle spielen (siehe aueh Pausenberger 1985, 129 t):

- Politisehe Stabilitiit und Rechtssieherheit des Gastlandes,

- Giinstige verkehrs- und kreditwirtsehaftliehe Infrastruktur mit einem leistungsflihigen Bank- und BOrsenwesen,

- raumliehe Nahe zum Heimatland (was aueh spraehliehe und kulturelle "Nahe" und Vertrautheit einschlieBt),

- geringe formaIe und finanzielle Anforderungen an die Griindung und Fiihrung von Fi­nanzierungsgesellsehaften.

Riedel (1991, 45 ft) versueht, aIle denkbaren Standortfaktoren in ein Gesamtkonzept ein­zubetten, und trennt dabei in

- risikobestimmende Faktoren,

- steuerrechtlieh bedingte Faktoren,

- griindungsbezogene Faktoren,

- aus der Residenzpflieht resultierende Faktoren,

- die Geschaftsabwieklung beeinflussende Faktoren.

In einer - aIlerdings auf sehr kleiner FaIlzahl basierenden - Umfrage lieB Riedel diese vorgegebenen Standortfaktoren naeh ihrer Bedeutung bewerten. Die Ergebnisse treffen

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60 Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften

sich mit unseren weiter oben wiedergegebenen Bewertungen der Griinde fur die Errich­tung von Finanzierungsgesellschaften weitgehend. Ein besonders hohes Gewicht erhielten die Standortfaktoren "geringe Steuer", "geringe Griindungsformalitiiten", "Genehmi­gungsfreiheit fUr Anleihebegebungen" und "keine Devisenverkehrsbeschrinkungen" (Rie­del 1991, 96 ft).

2.4.2 Gewahlte Standorte und ihre Bewertung

Welche Standorte entsprechen nun nach Ansicht der Konzerne am besten den gestellten Kriterien? Dies Hillt sich zum ersten an der tatsachlich getroffenen Wahl der Standorte festmachen. Tab. 4 laBt un schwer die markante Dominanz der Niederlande als Domizil­land fUr Finanzierungsgesellschaften erkennen. Nur 3 der antwortenden Unternehmen fUhrten dort keine, 7 Konzerne dagegen sogar 2 Finanzierungsgesellschaften. Auch die ubrigen Beneluxstaaten, Gro6britannien sowie die Schweiz sind recht haufig als Sitzland im europaischen Ausland gewiihlt. Au6ereuropaisch sind als Standorte nur die niederliin­dischen Antillen und die USA von Bedeutung.

Standort Anzahl Angaben bei Pausen-bergerlV Olker 1981 *

Europa

Niederlande 35 5 Belgien 9 1 Gro6britannien 6 1 Schweiz 6 8 Luxemburg 5 7 Irland 3 -Frankreich 3 -I!alien 2 -Spanien 2 -Kanalinseln 1 -Osterreich 1 -Portugal 1 -

Aullerhalb Europas

Niederliindische Antillen 10 5 USA 10 9 Bermudas 1 1 Cayman Islands 1 -Hongkong 1 -Siidafrika 1 -Panama - 2 Kanada - 1

* Standorte der Finanzierungsgesellschaften von 14 intemationalen Untemehmen (1981)

Tab. 4: Standorte der Finanzierungsgesellschaften QueUe: Pausenberger/Viilker 1985, 43

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1m Vergleich zu den fiber ein Jahrzehnt zuriicldiegenden Daten von PausenbergerlVolker (1985) haben sich deutliche Verschiebungen ergeben. Wahrend die Niederlande, Belgien und GroBbritannien stark an Gewicht gewonnen haben, die USA stagnieren, haben die Schweiz und Luxemburg offenbar an Attraktivitiit verloren.

Urn zu iiberpriifen, ob die gewahlten Standorte auch tatsachlich den erwarteten Vorteil­haftigkeitskriterien entsprechen bzw. welchen Sitzliindern welche besonderen Vorteile zu­geschrieben werden, haben wir die Unternehmen urn eine liinderspezifische Bewertung der einzelnen Standortfaktoren gebeten.

Niederl. Belgien Gro6brit. Sehweiz Luxemb. Irland Niederl. USA Antillen

Politische Stabilitit und 1,2 1,4 1,0 1,0 1,0 2,0 2,0 1,1 Rechtssieherheit des (25) (8) (3) (5) (5) (3) (8) (7) Gastlandes

Feblen von Griindungs- 2,1 2,3 2,0 2,3 1,8 2,3 2,0 2,7 und Unterhaltsformali- (22) (7) (2) (4) (5) (3) (8) (6) titen und daraus resul-tierende Vorteile

Steuervorteile 2,0 1,3 2,0 2,8 2,2 1,7 1,7 2,3 (24) (7) (2) (4) (5) (3) (9) (6)

Vorteilhafte DBA-Rege- 1,5 2,1 3,0 2,3 1,6 3,0 3,0 2,0 lungen mit Drittlindem (22) (7) (1) (3) (5) (2) (8) (5)

Freiheit von Kapitalauf- 1,3 1,4 1,5 1,0 1,0 2,3 1,3 2,0 nahme u. Kapitaltransfer (24) (7) (2) (4) (5) (3) (9) (6)

Unbeschrinkter Zugang 1,1 1,6 1,5 1,0 1,0 2,3 1,1 1,8 zu into Kapitalmirkten (25) (7) (2) (4) (5) (3) (9) (6)

Feblen staatlieher Regle- 1,8 1,5 2,0 2,3 1,6 2,5 1,6 2,8 mentierungenl Auflagen, (21) (6) (1) (3) (5) (2) (7) (5) Abgaben, Gebiihren bei der Kapitalbeschaffung

Feblende Mindest- 1,6 1,2 2,0 1,3 1,0 - 1,0 2,0 reservevorschriften (19) (5) (1) (3) (5) - (5) (4)

Privatvertragliehe Dispo- 1,5 1,4 2,0 1,0 1,0 2,0 1,3 2,0 sitionsfreiheit, Flexibili- (20) (5) (1) (3) (5) (1) (6) (5) tit in der Gestaltung der Kreditkonditionen

Effizienz des Geld- und 1,5 1,8 1,0 1,5 1,2 2,5 2,3 1,3 Kapitalmarktes (29) (7) (2) (4) (5) (3) (6) (6)

Bewertungsskala: 1 = sehr gut, 2 = gut, 3 = befriedigend, 4 = unbefriedigend bzw. nieht vorhanden

Tab. 5: Linderbezogene Bewertung von Standortfaktoren

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Tab. 5 gibt im Uberblick die durchschnittlichen (arithmetisches Mittel) Einstufungen filr die wichtigsten Domizillander unter Angabe der Zahl der antwortenden Untemehmen wieder. Die haufige Wahl der Niederlande als Sitzland spiegelt sich in den durchwegs guten bis sehr guten Bewertungen aller Standortfaktoren wider. In der Tat wei sen die Niederlande die wohl gegliickteste und attraktivste Mischung der relevanten Standortkri­terien auf. Neben der raumlichen Nahe, der unstrittigen politischen Stabilitat und der gu­ten Infrastruktur - Kriterien, die auch viele andere Under sehr gut erfilllen - sprechen vor allem die fast vollig fehlenden Regulierungen des intemationalen Kapitaltransfers sowie die nicht sehr aufwendigen Grundungs- und Unterhaltsformalitaten filr ihre Wahl als Sitz­land filr Finanzierungsgesellschaften.

Ebenso sind die giinstigen steuerlichen Regelungen zu betonen (vgl. dazu naher Ebenrothl NeiB 1990; Jonas 1987; Kappe 1988; Kiihne 1990; Wagner 1989). So liegt nicht nur der Korperschaftsteuersatz mit 35% merklich unter der deutschen Steuerbelastung (die Ge­werbesteuer entfallt ohnehin), sondem die Gewinnsteuerbelastung kann durch sog. Rulings, die eine vorteilhafte Berechnung des Gewinns erlauben, weiter reduziert wer­den. Danach wird z.B. in den meisten Hillen der pauschale Ansatz der niedrigen Zins­marge von 118 % als Ertrag der Finanzierungsgesellschaften akzeptiert, auch wenn eine hohere Marge im Konzem effektiv verrechnet wird. Giinstige Doppelbesteuerungsabkom­men verstarken diese Vorteile noch bzw. sichem sie abo So wirft die Tiitigkeit einer Fi­nanzierungsgesellschaft in den Niederlanden keine Probleme beziiglich einer eventuellen Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 - 14 AuBensteuergesetz auf, da das deutsch­niederlandische Doppelbesteuerungsabkommen (DBA NL) keine Aktivitatsklausel enthii.1t. Das Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA macht eine Kapitalbeschaffung filr eine US-Konzemtochtergesellschaft iiber eine niederlandische Finanzierungsgesellschaft reiz­voll, da die Zahlung von Zinsen quellensteuerfrei erfolgen kann.

Belgien, das insgesamt iihnlich gute Bewertungen erfahrt, wird besonders bei den Steuer­vorteilen giinstig bewertet. Diese sind allerdings an einen bestimmten Typ von Finanzie­rungsgesellschaft, das Coordination Center Belgium (CCB) gebunden, der folgerichtig dort auch dominiert. Begiinstigte Aktivitaten solcher CCBs sind z.B. Leasing, Factoring, zentrales Cash Management und zentrale Kurssicherung, nicht aber typische Kapitalauf­nahmen an intemationalen Finanzmiirkten.

Die Niederliindischen Antillen konnen mit sehr liberalen Rahmenbedingungen und niedri­gen Grundungs- und Unterhaltsanforderungen aufwarten. Wegen des fehlenden Doppel­besteuerungsabkommens mit Deutschland lassen sich die konkurrenzlos niedrigen Steuer­siitze aber nur in Zusammenarbeit mit einer niederlandischen Finanzierungsgesellschaft ausnutzen.

Luxemburg erfahrt zwar durchweg ausgezeichnete Bewertungen (insgesamt sogar die be­sten). Viele der Vorteile sind aber auf Holdinggesellschaften begrenzt, so daB sich filr die Ansiedlung einer reinen Finanzierungsgesellschaft andere Standorte als vorteilhafter er­weisen.

Die Bewertungen fiir die USA bleiben fast durchgangig hinter denen anderer Under zu­ruck. Sie werden daher auch weit iiberwiegend als Standort filr regionalbezogene Hol­dings und filr Finanzierungsgesellschaften zur unmittelbaren Nutzung des US-Finanz­markts gewahlt.

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Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften 63

Die einzelnen gewiihlten Standorte eignen sich also jeweils besonders gut fUr spezifische Typen und Funktionen von Finanzierungsgesellschaften.

2.5 Gesamteinschatzung zum Stand der Nutzung von Finanzierungsgesell­schaften

Die Antworten der befragten Unternehmen lassen - ungeachtet der Vorbehalte wegen der fehlenden Repriisentativitat - mehrere eindeutige Tendenzen zur Bedeutung von interna­tionalen Finanzierungsgesellschaften, zu den Motiven ihrer Nutzung und zur Wahl ihrer Standorte erkennen.

Danach kommt Finanzierungsgesellschaften ein bedeutender Anteil an der externen Fremdkapitalbeschaffung von Konzerngesellschaften zu, der im letzten Iahrzehnt stark zugenommen hat. Diese Entwicklung wurde von zwei Faktoren begiinstigt. Zum einen hat die Nutzung internationaler Finanzmiirkte deutlich an Attraktivitat gewonnen, dies nicht zuletzt, weil der Zugang zunehmend leichter wurde, die Unternehmen in der Nut­zung Erfahrung gewonnen haben und die daraus resultierenden finanziellen Vorteile wohl nach wie vor betrachtlich sind, wah rend man gelernt hat, mit damit verbundenen Risiken umzugehen. Einzelne Unternehmen nennen erreichte Verbilligungen der Finanzierungs­kosten von 0,5 - 1 %.

Zum anderen bietet die Nutzung von Finanzierungsgesellschaften offenbar nach wie vor merkliche Vorteile gegeniiber einer direkten Finanzierung iiber deutsche Inlandsgesell­schaften. Mit den Steuervorteilen, die sogar noch an Gewicht gewonnen haben, und der Umgehung der nationalen deutschen Regulierungen behalten ausgerechnet Motive fUr die Errichtung von Finanzierungsgesellschaften die groBte Bedeutung, die auf die Ausnut­zung zwischenstaatlicher Steuer- und Regelungsgefalle gerichtet sind, also durch zuneh­mende Harmonisierungsbemiihungen am ehesten hatten wegfallen miissen.

Besonders erstaunlich und angesichts des europaischen Einigungsprozesses bemerkens­wert ist die Tatsache, daB die zur Ausnutzung dieser Vorteile vorteilhaftesten Standorte ausgerechnet mehrere unmittelbare Nachbarstaaten wie die NiederIande, Belgien, Luxem­burg und die Schweiz bilden.

3 Finanzierungsgesellschaften und europaische Integration

Angesichts der eindeutigen empirischen Befunde zur Nutzung von Finanzierungsgesell­schaften, zu den dafiir ausschlaggebenden Motiven und den Vorteilen einzelner Standorte scheint die Entwicklung der kiinftigen Bedeutung von Finanzierungsgesellschaften vorge­zeichnet. Zumindest lassen sich die wesentlichen Bedingungen benennen, von denen Richtung und Geschwindigkeit der weiteren Entwicklung abhiingen werden.

Insgesarnt gesehen ist zu konstatieren, daB die bisherigen Schritte zur europaischen Inte­gration die Attraktivitiit internationaler Finanzierungsgesellschaften kaum beeintriichti~t und daher die Intensitiit ihrer Nutzung nicht entscheidend gebremst haben. Auch fUr die Zukunft wird sich ihre Bedeutung nur verringern, wenn ihre Vorteile verschwinden. Ins­besondere heiJ3t dies, daB die derzeit noch bestehenden zwischenstaatlichen Steuer- und

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Regelungsgefiille in Europa dadurch abgebaut werden mii6ten, daB die Nachteile des Standorts Deutschland beseitigt oder die vorteilhaften Regelungen der bevorzugten Domi­zillander an das schlechtere deutsche Niveau angepaBt werden.

Bei der nach Aussage der Unternehmen als Hemmnis empfundenen deutschen Re~ulie­!ll!l&m ist auf kurze Sicht kaum mit einer Aufhebun~ zu rechnen. Eine Verscharfung der Vorschriften in anderen Uindern ist allerdings ebensowenig zu erwarten. Die die deutsche Bundesbank und ihr Ziel der Geldmengensteuerung betreffenden Regulierungen iiber das Au6enwirtschaftsgesetz werden vermutlich im Zuge der Realisierung der europaischen Wirtschafts- und Wahrungsunion und der dann notwendigen Ubertragung von Kompeten­zen an die europiiische Zentralbank fallen miissen. Auch hier ist allerdings als Zeithori­zont eher der Anfang des nachsten Jahrtausends ins Auge zu fassen.

DaB eine Zuriicknahme der Regulierung durchaus die Entscheidung iiber die Nutzung von Finanzierungsgesellschaften nicht unwesentlich beeinflussen wiirde, zeigten in unserer Untersuchung die Antworten auf die Frage, welche Auswirkungen der Wegfall der staat­lichen Genehmigungspflicht fiir Schuldverschreibungsemissionen nach den §§ 795 und 808 a BGB zeitigen wird. Immerhin 1/3 der Unternehmen gab an, deswegen kiinftig ein geringeres Kapitalvolumen iiber Finanzierungsgesellschaften beschaffen zu wollen.

Auch eine Harmonisierun~ der Steuerbelastung - und damit des Wegfalls des Hauptmo­tivs der Nutzung von Finanzierungsgesellschaften - ist auf kiirzere Frist nicht zu erwar­~. Wenn auch Bemiihungen unverkennbar sind, die Steuersysteme und Steuersatze an­zugleichen, und der Ertragsteuerspitzensatz flir gewerbliche Einkiinfte moglicherweise bald deutlich gesenkt wird, bleibt eine betrachtliche Differenz der Steuerbelastung z.B. zu den Niederlanden oder zu Belgien bestehen, zumal dann, wenn die dort bestimmten Typen von Finanzierungsgesellschaften eingeraumten speziellen Steuervorteile beibehal­ten werden. Db die Abschaffung der Gewerbesteuer angesichts der derzeitigen Finanzpro­bleme zu realisieren sein wird oder eher auf die lange Bank geschoben wird, mu6 die weitere Entwicklung zeigen.

Ais denkbare Alternative verbliebe die Kiindigung der flir die Unternehmen giinstigen Doppelbesteuerungsabkommen und ein Ubergang zur Anrechnung von im Ausland ge­zahlten Steuern auf die deutsche Steuerlast, die dann auch auf auslandische Einkommen zu erbringen ware. In der Tat sind die Bemiihungen der deutschen SteuerbehOrden zuneh­mend darauf gerichtet, solche Steuervorteile abzubauen, wie auch die Diskussion urn die Anderung des Au6ensteuergesetzes in Richtung einer verstiirkten Hinzurechnungsbesteue­rung zeigt. Ich sehe mich au6erstande abzuschiitzen, ob ein solcher Schritt, der die Steu­ervorteile abrupt beseitigen wiirde, auf absehbare Zeit zu erwarten ist.

Insgesamt gesehen besteht durchaus die Wahrscheinlichkeit, daB sich zumindest flir die nachsten Jahre kein nennenswerter Abbau der Vorteile in den zwei am wichtigsten einge­stuften Motiven abzeichnet, so daB auch die Nutzung von Finanzierungsgesellschaften kaum an Bedeutung verlieren wird. Auf langere Frist wird es aber sicher zu einer Anglei­chung der Bedingungen kommen. Was wird das zur Folge haben? Es ist zu bedenken, daB verschiedene Griinde, wie z.B. die Vorteile durch Zusammenfassen der Kapitalbedar­fe von Konzernen, ohnehin nicht von der europiiischen Integration tangiert sind und da­mit eine weitere Nutzung von Finanzierungsgesellschaften auch bei realisierter Harmoni-

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Rehkugler: Finanzierungsgesellschaften 65

sierung vorteilhaft erscheinen lassen, auch wenn die daraus resultierenden positiven Ef­fekte deutlich schrumpf en wiirden.

Ware bei einem merklichen Abbau oder einer volligen Beseitigung der Regelungs- und Steuerdifferenzen in Europa ein Ausweichen auf au6ereuropaische Standorte rur die Fi­nanzierungsgesellschaften zu erwarten? Wenn sich die derzeitigen Gegebenheiten rur die dafiir in Frage kommenden Under nicht verbessem (z.B. giinstige Doppelbesteuerungs­abkommen), ist eine Verlagerung der Standorte in die bekannten Off Shore-Zentren si­cher nicht in nennenswertem Umfang zu erwarten. Die daraus resultierenden Vorteile diirften sich als zu gering erweisen. Die weitgehende Harmonisierung der Standortbedin­gungen in Europa konnte also in der Tat die Finanzierungsgesellschaften zwar nicht zum "Auslaufmodell" stempeln, aber viel von ihrer Attraktivitat nehmen.

Anmerkungen

[1] Die Durchfiihrung der Umfrage und die Erstauswertung der Daten iibemahm im Rahmen seiner Di­plomarbeit Herr Steffen Maier, wofiir ihm hier recht herzlich gedankt sei. Seiner Arbeit ist auch ein Teil der Tabellen entnommen.

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Belke: Kooperationsinstrument EWIV 67

Das europarechtliche Kooperationsinstrument der wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) in der Bewahrung

von

Prof. Dr. Rolf O. Belke Lehrstuhl flir Privatrecht, insb. Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

Otto-Friedrich-Universitiit Bamberg

1 ProblemsteUung

2 Kurzportriit der Vereinigung

3 Die Politik des Gemeinschaftsgesetzgebers

4 Die Bewiihrung der EWIV in der Praxis

5 Ursachen der geriogen Akzeptanz 5.1 Rechtsquellenvielfalt 5.2 Anwendungsschranken auf Grund des zwingenden Gesellschaftsstatuts

5.2.1 AusschlieBlicher Forderungszweck 5.2.2 Hilfscharakter der Vereinigung 5.2.3 Verbot der eigenen Gewinnerzielung 5.2.4 Betiitigungsverbote fur die Vereinigung

5.3 Mitgliederkreis und Mitgliederschranken 5.3.1 Das einengende Erfordemis des grenzuberschreitenden Mitglieder­

bestandes 5.3.2 Beteiligungsschranken fur auBerhalb der EG tiitige Wirtschaftssubjekte

5.4 Das auf die Gemeinschaft beschriinkte Aktionsfeld der EWIV

6 Die EWIV im Wettstreit mit nationalen Gesellschaftsformen 6.1 Entscheidungskriterien fur und gegen die EWIV 6.2 Flexibilitiit der Vereinigungsform

6.3 Organisation und Fuhrungsstruktur 6.4 Haftungssystem der Vereinigung

6.5 Besteuerung der Vereinigung

7 Entscheidung fUr die europarechtliche oder eine deutsche Gesellschaftsform 7.1 Auf bestimmte Vorhaben begrenzte Zusammenarbeit auf Zeit 7.2 Dauerhafte Vergemeinschaftung betrieblicher Funktionen 7.3 Paritiitisches Joint -Venture-Modell mit Uberkreuzverflechtung 7.4 Das Erfolgsmodell der Freiberufler-EW1V?

8 Fazit und Ausblick

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68 Belke: Kooperationsinstrument EWIV

1 Problemstellung

Der Rat der europaischen Gemeinschaften hat mit der EG-Verordnung yom 25. Juni 1985 fiber die Schaffung einer "europaischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung" (EWIV) eine erste supranationale Gesellschaftsform ffir die Wirtschaftssubjekte der europaischen Gemeinschaft geschaffen. Seit Inkrafttreten der EWIV -VO am 1.7.1989 (vgl. Art. 43 Abs. 2 EWIV-VO) steht die EWIV in den Mitgliedstaaten der EG als Rechtsinstrument ffir die Bildung grenzfiberschreitender Kooperationen zur Verffigung. Nach Art. 189 Abs. 2 EWGV setzt die EWIV-VO als sekundares Gemeinschaftsrecht in jedem Mitgliedstaat unmittelbar geltendes Recht. Die nachfolgende Untersuchung hat sich zur Aufgabe ge­setzt, zu fiberpriifen, ob die EWIV im Hinblick auf die Zielsetzungen des Gemeinschafts­gesetzgebers ihre Bewahrungsprobe in Theorie und Praxis bestanden hat. Ihre Eignung als grenziiberschreitende Kooperationsform wird zunachst an den rechtspolitischen Vor­stellungen zu messen sein, daB neben den nationalen Gesellschaftsformen eine europa­rechtliche Organisationsform erforderlich ist, die den Dimensionen des einheitlichen Bin­nenmarktes angepaBt ist und einen optimalen Gestaltungsrahmen ffir zwischenstaatliche Kooperationsvorhaben in der Gemeinschaft bietet. Nach mehr als dreijahriger praktischer Erfahrung Hillt sich eine vorlaufige Bilanz fiber Erfolg und MiJ3erfolg der EWIV als des ersten Bausteins eines europliischen Gesellschaftsrechtes ziehen und daran eine Folgen­analyse fiber die Umsetzbarkeit der Gemeinschaftsziele knfipfen. Vorab ist festzustellen, daB die "deutsche" EWIV, d.h. die als Gesellschaft europliischen Rechtes in Deutschland gegriindet ist, bislang wenig Resonanz in der Gesellschaftspraxis erfahren hat. Den Ursa­chen der auch europaweit mliBigen Akzeptanz des europliischen Kooperationsinstruments ist nachzugehen. Ais erste These wird zur Diskussion gestellt, daB das Gesellschaftsstatut der EWIV wegen der Rechtsquellenvielfalt auf die potentiellen Benutzer und ihre Berater abschreckend wirken mag und auBerdem mit gesellschaftsrechtlichen Geburtsfehlem be­haftet ist. Dazu gehoren vor allem die Beschrlinkung auf den ausschlieBlichen Kooperati­onszweck, die Mitgliederbegrenzung auf in der EG tlitige Wirtschaftssubjekte und ffir die Wahl der EWIV ungfinstige Rechtsformmerkmale. In Frage zu stellen ist eine - von den Gemeinschaftsorganen hervorgekehrte - zweite These, daB infolge von Gestaltungsdefizi­ten der nationalen Gesellschaftsrechte dringender Bedarf ffir eine einheitliche europliische Kooperationsform besteht. In diesem Zusammenhang wird aus deutscher Sicht ein Erkla­rungsversuch gewagt, weshalb sich bei der Wahl eines geeigneten Rechtsrahmens ffir eine intemationale Kooperation in vielen Situationen die nationalen Gesellschaftsformen der EWIV als ebenbfirtig, wenn nicht fiberlegen erweisen.

2 Kurzportrat der Vereinigung

Schlagwortartig kann man die europaische Rechtsfigur in ihrer deutschen Version, die "deutsche EWIV", als eine Abart der Personengesellschaft bezeichnen, die ausschlieBlich auf den grenzfibergreifenden Kooperationszweck fixiert sein muB. In ihrer rechtlichen Ausgestaltung weist sie verwandtschaftliche Zfige zur OHG auf. Abweichend von dieser wird die selbst handlungsfahige Vereinigung durch besonders bestellte Geschliftsffihrer vertreten, die nicht Gesellschafter sein mfissen, so wie es auch bei den Geschliftsffihrem der GmbH der Fall ist. Das Prinzip der Selbstorganschaft bei den Personengesellschaften wird damit zu Gunsten des Prinzips der Fremdorganschaft durchbrochen. In einem Kurz­portrlit kann man die EWIV als eine auf den Kooperationszweck begrenzte OHG mit Fremdgeschaftsffihrung beschreiben. Wegen ihrer Zweckbegrenzung ist sie gleichwohl im

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Belke: Kooperationsinstrument EWIV 69

System des deutschen Gesellschaftsrechtes ein Fremdkorper. Von den Personalgesell­schaften unterscheidet sie sich hauptsachlich durch die zwingend festgelegte Zweckbe­grenzung: Thr Zweck darf allein darin bestehen, die wirtschaftliche Tlitigkeit ihrer Mit­glieder zu erleichtem oder zu entwickeln, urn es ihnen zu ermoglichen, ihre eigenen Er­gebnisse zu steigem (Art. 3 Abs. 2 EWIV-VO; Erwagungsgrund Nr. 5 daselbst). Mit dieser Zweckausrichtung folgt das Gesellschaftsmodell der EWIV dem Vorbild des fran­zOsischen "Groupement d' Inte~t Economique" (GIE).

3 Die Politik des Gemeinschailsgesetzgebers

Die EWIV-VO hat ihren Ursprung in einem industriepolitischen Konzept der EG-Kom­mission aus dem Jahre 1970 (Memorandum, 140 ff; Scriba S. 38; vgl. auch Wirtschafts­und Sozialausschu6, ABL EG vom 15.5.1975 Nr. C 108/48 unter Ziff 1.3.6; zum Vor­entwurf fiber eine europaische wirtschaftliche Interessengemeinschaft 1971, Mfiller-Gu­genberger 1972, 110 ff.). Als Vorlage dienten franzOsische Erfahrungen mit dem GIE. Die Schaffung eines spezifischen Rechtsinstruments flir Untemehmenskooperation durch die Ordonnance No 67-821 vom 27.9.1967 war in Frankreich der Auftakt zur industrie­politischen Mobilmachung flir die Anpassung der damals strukturschwachen franzOsi­schen Wirtschaft an den Gemeinsamen Markt (Scriba 1988, 24 ft). In auffallender Paral­lele dazu verfolgt der Vorschlag der Kommission zur Schaffung einer "Europaischen Ko­operationsvereinbarung" von 1978 das politische Ziel, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, welche die Anpassung der Untemehmen an die wirtschaftlichen Gegeben­heiten eines gro6eren Binnenmarktes erleichtem.

Eine Gesetzgebungskompetenz zur Einflihrung einer auf Kooperationszwecke spezialisier­ten Gesellschaftsform, also ffir europaisches Gesellschaftsprivatrecht, ist im EWG-Ver­trag nicht vorgesehen. Deshalb mu6te sich der Gemeinschaftsgesetzgeber auf die allge­meine Kompetenznorm des Art. 235 EWGV stiitzen, wonach ein Tatigwerden der Ge­meinschaft erforderlich sein mu6, urn im Rahmen des gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu verwirklichen. Die Erforderlichkeit der Einflihrung eines flir die grenziiber­schreitende Zusammenarbeit geeigneten Rechtsinstruments wird mit rechtlichen, steuerli­chen und psychologischen Schwierigkeiten begriindet (Erwagungsgrund Nr. 1 EWIV­YO), die einer solchen Zusammenarbeit zwischen Untemehmen aus verschiedenen Mit­gliedstaaten entgegenstehen. Dahinter stehen im wesentlichen 4 rechtspolitische Thesen:

- Erstens wird behauptet, die zahlreichen Kooperationsformen, die es bereits in den na­tionalen Gesellschaftsrechten gibt, reichten wegen ihrer Bindung an einer einzelstaatli­chen Rechtsordnung ffir eine gemeinschaftsweite Zusammenarbeit nicht aus (Vorschlag einer VO des Rats fiber die Europaische Kooperationsvereinbarung ABL EG vom 28.4.1978, Nr. C 103/4, Erwagungsgrund Nr. 2). Den nationalen Gesellschaftsformen wird die optimale Eignung fiir grenziiberschreitende Kooperation abgesprochen, weil sie Ausstattungsdefizite aufweisen (vgl. schon Vorschlag einer VO des Rates fiber die Europaische Kooperationsvereinbarung ABL EG vom 15.2.1974, Nr. C 14/30, Erwa­gungsgrund Nr. 2; dazu Lichtenberg 1974, 118 ff.)

- Zweitens wird die Verankerung des Gesellschaftsstatuts im nationalen Recht als Hin­demis flir das Zustandekommen von Kooperationen angesehen, weil immer eines der kooperationsbeteiligten Untemehmen fremdem Recht unterliegt und nicht bereit ist,

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dieses zu akzeptieren. Die Furcht eines auslandischen Partners vor der Wahl eines ihm nicht vertrauten und oft nachteiligen fremden Rechtes sei gerade bei kleinen und mitt­leren Untemehmen nicht zu unterschlitzen.

- Drittens haIt der Gemeinschaftsgesetzgeber eine zentralistische Problemlosung auf der Ebene der Gemeinschaft fUr notwendig, weil eine Angleichung der nationalen Gesell­schaftsrechte durch die EG-Richtlinien-Politik die Nachteile des Vorhandenseins bloB nationaler Kooperationsformen nicht beheben konne (Vorschlag einer VO iiber die Eu­ropiiische Kooperationsvereinbarung, ABL EG yom 28.4.1978 Nr. C 103/4, Erwa­gungsgrund Nr. 3; Stellungsnahme des Wirtschafts- und SozialausschuB, ABL EG yom 15.5.1975 Nr. C 108/47 unter Ziff. 1.1.3).

- SchlieBlich wird viertens die wettbewerbs- und strukturpolitische Zielsetzung ange­fUhrt, vor allem die Zusammenarbeit von Klein- und Mittelbetrieben innerhalb der Ge­meinschaft zu fordem. Kooperationserleichterungen iiber die Grenze seien geeignet, die Wettbewerbsfahigkeit der im iibrigen selbstiindig bleibenden Untemehmen zu ver­bessem, so daB sie dem verscharften Wettbewerb der GroBen auf dem einheitlichen Binnenmarkt standhalten (vgl. EntschlieBung des Europ. Parlaments, ABL EG yom 11.7.1977, Nr. C 163/16 f.).

Samtliche Thesen werden sich nach einem Blick auf die rechtstatsachliche Entwicklung als briichig erweisen. Der erhoffte Griindungsschub von grenziiberschreitenden Koopera­tionen in der Rechtsform der EWIV ist bislang weithin ausgeblieben.

4 Die Bewahrung der EWIV in der Praxis

Von der gedanklichen Konzeption her ist die Interessenvereinigung fUr Kooperationsvor­haben in samlichen Sektoren der Wirtschaft geeignet. Eine andere Frage ist, wie das An­gebot in der Wirtschaft angenommen worden ist. Die statistische Erfassung aller EWIV­Griindungen ist deshalb erschwert, weil auf die EinfUhrung eines europiiischen Zentralre­gisters verzichtet wurde, und Anmeldungen und Eintragungen von Griindungen und Auf­losungen zu den einzelstaatlichen Registem erfolgen. Durch Art. 39 Abs. 2 i.V.m. 11 EWIV-VO ist zwar eine gewisse gemeinschaftsweite Publizitat gewahrleistet, weil die na­tionalen Registerbehorden die Ptlicht haben, binnen eines Monats nach amtlicher Be­kanntmachung die erfolgten Eintragungen an das Amt fUr amtliche VerOffentlichungen der EG zu melden (vgl. fUr Deutschland § 4 Abs. 2 EWIV-AG). Leider erfolgt im Amts­blatt der EG nur eine Anzeige iiber die Griindung oder Beendigung einer Vereinigung; die eintragungsptlichtigen Angaben werden nicht abgedruckt.

Die EG-Kommission stellt in einer laufend erganzten, intemen Liste die verOffentlichten Neugriindungen ohne Anspruch auf Vollstiindigkeit zusammen. Daraus laBt sich entneh­men, daB bis Oktober 1992 gemeinschaftsweit 367 EWIV gegriindet wurden. Was ihre Verteilung auf die einzelnen Mitgliedstaaten angeht, so sind die Benelux-Lander mit gro­Bern Abstand fUhrend (Belgien: 115 (31,33 %), Niederlande: 69 (18,80 %». In bezug auf Belgien erklart sich dies daraus, daB viele Beratungs- und Anwalts-EWIV ihren Sitz in Briissel als Kontaktstellen zu den europiiischen Behorden haben. In den Niederlanden ist die relativ groBe Zahl von Griindungen auf den Sonderfaktor zuriickzufiihren, daB al­lein 39 EWIV dem Bereich Fleisch- und Nahrungsmittel-Handel angehOren, z.B. Fleisch-

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Belke: Kooperationsinstrument EWIV 71

export in Drittstaaten. Das Geburtsland der EWIV, Frankreich, hat 96 (26,15 %) Griin­dungen zu verzeichnen; abgeschlagen folgen GroJ3britannien mit 33 (8,99 %), Deutsch­land mit 27 (7,35 %), Spanien mit 11 (2,99 %), Italien mit 7 (1,90 %), Luxemburg mit 3 (0,81 %), Danemark, Irland und Portugal mit je 2 (0,54 %) Eintragungen. In Grie­chenland wurde noch kein nationales Ausfiihrungsgesetz erlassen.

Bevorzugte Einsatzbereiche der EWIV sind Kooperationen iiber Beratungsleistungen, die vorwiegend von Angehorigen freier Berufe gebildet wurden. Unter der Kategorie Bera­tung werden Unternehmens-, Finanz-, Rechts- und Steuerberatung, Tatigkeiten von Ar­chitekten, Arzten, Ingenieuren usw. zusammengefaBt.

- Beratung: 24,52 %

- Handel, wobei Einkaufskooperationen zur Erlangung von Nachfragemacht iiberwie-gen: 22,07 %

- Marketing: 12,80 %

- Forschung und Entwicklung: 10,08 %

- Transport und Logistik: 4,90 %

Die Zahl von 367 Griindungen und die davon betroffenen Wirtschaftsbereiche sind ver­schwindend gering, bezogen auf die Gesamtzahl der Wirtschaftssubjekte in der EG. Man bedenke, daB es allein in Deutschland iiber 400.000 GmbH gibt. Es flillt auf, daB sich das produzierende und verarbeitende Gewerbe weitgehend von der Verwendung der neuen Vereinigungsform zuriickgehalten hat. Den gr0J3ten Anklang hat die EWIV im Bereich der Unternehmens-, Steuer- und Rechtsberatung, insbesondere als Kooperationsform in­ternational tiitiger Anwiilte oder Anwaltskanzleien gefunden. Damit scheinen vor allem Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen und die freien Berufe im Trend der struktur­politischen Zielvorgaben zu liegen und die EWIV als attraktive Form einer europaweiten Zusammenarbeit entdeckt zu haben. Insgesamt kann der mit viel Vorschu13lorbeeren der Europapolitiker bedachten EWIV nur ein miiBiger Start bescheinigt werden. Noch deutli­cher wird dies, wenn man den rechtstatsachlichen Befund den beachtlichen Erfolgen ent­gegenhiilt, welche die Urform der GIE in Frankreich im Laufe von mehr als 20 Jahren quer durch alle Wirtschaftsbereiche erzielt hat (Cozian/viandier 1990, Nr. 1549, S. 415). Nach einem anfanglichen Boom Ende der 60er Jahre, als pro Jahr jeweils bis zu 1000 Neugriindungen erfolgten, flaute das Griindungsfieber in den 70er Jahren nach Konjunk­tureinbriichen abo 1981 wurde die Spitze von 9475 bestehenden GIE erreicht (RipertlRob­lot 1989, Nr. 282, S. 138). Noch im Jahre 1988 gab es 760 neu eingetragene GIE, was bei 91.643 Gesellschaftsneugriindungen freilich nur einen Anteil von 0,83 % ausmacht (Cozian/viandier 1990, Nr. 58, S. 24). Der Gesamtbestand an GIE hat sich seitdem auf ca. 6000 eingependelt.

5 Ursachen der geringen Akzeptanz

5.1 Rechtsquellenvielfalt

Eine erste Ursache, weshalb die neue europaische Vereinigungsform wenig Anklang ge­funden hat, konnte in ihrem rechtlich zu komplizierten Statut liegen. Die EWIV-VO ent-

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halt nur ein europaisches "Rumpfrecht" (Scriba 1988, 53). Umfassend regelt sie nur die Griindung, den Status der Handlungsfahigkeit, die innere Verfassung, das AuBenverhalt­nis zu Dritten und die Mitgliederhaftung der Interessenvereinigung. GewiB handelt es sich urn eine supranationale Gesellschaftsform, weil sie nach Gemeinschaftsrecht gegriin­det ist. Aber schon aus Kompetenzgriinden ist das Gemeinschaftsrecht auf erganzende Re­geln des einzelstaatlichen Rechts angewiesen.

Die Verordnung enthalt deshalb kein liickenlos durchkomponiertes Gesellschaftsstatut und schon gar nicht ein System europaischen Gesellschaftsrechtes. Insoweit ist die Vereini­gung keine "reinrassige" europaische Rechtsfigur, sondern ein Zwitter, der primiir Ge­meinschaftsrecht und subsidiiir einzelstaatlichem Recht unterstellt ist. leder Mitgliedstaat hat "seine" EWIV (Abmeier 1986, 2991). Man kann von einer deutschen, franzosischen usw. EWIV sprechen, wobei der Sitz der Vereinigung das jeweils erganzende Recht be­stimmt. Die Rechtszersplitterung setzt sich verbal bis in die Rechtsformbezeichnung fort, die in den Mitgliedstaaten jeweils anders lautet. Sogar bei der Abkiirzung "EWIV" usw., die als zwingender Rechtsformzusatz vorgeschrieben ist, bleibt die babylonische Spra­chenvielfalt in der EG erhalten (vgl. tabellarische Ubersicht am SchluB).

Durch unterschiedliche Verweisungstechniken werden die europarechtlichen Regeln mit dem nationalen Privat- und Gesellschaftsrecht verzahnt (Abmeier 1986, 2988 ff; Meyer­Landrut 1988, 15 ff). Eine Generalklausel fUr subsidiiir anwendbares innerstaatliches Recht enthalt Art. 2 Abs. 1 EWIV-VO: sofern die VO keine Regeln vorsieht, findet auf den Griindungsvertrag und die innere Verfassung das "innerstaatliche Recht" des Staates Anwendung, in dem die Vereinigung ihren Sitz hat. Die VO verweist in einer Vielzahl weiterer Bestimmungen auf "einzelstaatliches Recht", z.B. Art. 24 Abs. 1 S. 2 fUr die Folgen der gesamtschuldnerischen Mitgliederhaftung, Art. 35 Abs. 2 fUr die Liquidation der Vereinigung oder Art. 36 auf die Insolvenzregelungen der Mitgliedstaaten usw. Wie schon ein Vergleich der Terminologie andeutet, wird einmal innerstaatliches Recht und das andere Mal einzelstaatliches Recht in Bezug genom men. 1m ersten Fall handelt es sich urn eine Sachnormverweisung unter Ausschaltung des Kollisionsrechtes des betref­fenden Mitgliedstaates. Demgegeniiber meint die Verweisung auf das einzelstaatliche Recht eine Globalverweisung auf das Kollisionsrecht des jeweiligen Staates und erOffnet somit die Moglichkeit der Riick- und Weiterverweisung durch das IPR eines jeden Mit­gliedstaates (Ganske 1988, 17; Meyer-Landrut 1988, 12 ff, 15 ff; Abmeier 1986, 2988).

Auf Grund einer in der VO enthaltenen Verpflichtung haben die Mitgliedstaaten AusfUh­rungsgesetze erlassen, die das europaische Gesellschaftsstatut mit dem System des natio­nalen Privat- und Verfahrensrechtes verkniipfen. Das deutsche AusfUhrungsgesetz yom 14.4.1988 (BGBI. I 1988, S. 14 ff; dazu auch Entwurf BT-Drucks. 11/352, S. 6 ft) be­faBt sich mit den Einzelheiten der Handelsregistereintragung, den pflichten der Ge­schaftsfUhrer, dem lahresabschluB und den Abwicklungsmoglichkeiten. In § 1 EWIV-AG werden die fUr die OHG geltenden Vorschriften erganzend fiir anwendbar erkliirt. Zu­gleich ist vorgesehen, daB die deutsche EWIV als Handelsgesellschaft im Sinne des HGB gilt und damit Formkaufmann ist. Sobald sie durch Eintragung wirksam entstanden ist, unterliegt sie dem Handelsrecht und ist "Personenhandelsgesellschaft kraft ihrer Form". Gleichfalls ab Eintragung besitzt sie die Fiihigkeit, im eigenen Namen Trager von Rech­ten und pflichten jeder Art zu sein. Mit dieser aus dem Recht der OHG bekannten For­mulierung in Art. 2 Abs. 2 EWIV-VO sollte eine gemeinschaftsrechtliche Festlegung auf eine juristische Person vermieden und es den Mitgliedstaaten freigestellt werden, ob sie

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der Interessenvereinigung Rechtspers6nlichkeit zuerkennen wollen. Einige Mitgliedstaa­ten haben von der Ermiichtigung in der VO Gebrauch gemacht und der Vereinigung mit Eintragung Rechtspers6nlichkeit verliehen (vgl. tabellarische Ubersicht am SchluB).

Insgesamt betrachtet ist das rechtliche Regime der EWIV von hoher Komplexitiit; denn drei Ebenen verschiedener Rechtsquellen bilden eine hierarchische Stufenordnung (Gans­ke 1988, 18 ff; ders., 1985, 20 ff; Gloria/Karbowski 1990, 1315): Die oberste Stufe ist von der EWIV-VO besetzt, die in ihrem autonomen Regelungsbereich nationales Recht bricht. Auf der zweiten Normstufe schlieBt sich das nationale AusfUhrungsgesetz an und verweist in einer dritten Stufe erganzend auf die handelsrechtliche Regelung der OHG und den Formkaufmann, sofem auf der Ebene des Europarechtes oder des AusfUhrungs­gesetzes Regelungsliicken bestehen. Streng genommen wolbt sich iiber die Dreistufen­ordnung noch das Verfassungsrecht des EWG-Vertrages, dessen Grundfreiheiten und Vertragsziele die Auslegung des sekundaren Gemeinschaftsrechtes mitbestimmen.

Das vielfach vorgebrachte Argument, die Attraktivitiit der EWIV beruhe auf ihrer einfa­chen und flexiblen Rechtstruktur, vemiedlicht im Bereich der zwingenden und dispositi­yen Regelungen die hochkomplexe Rechtsmaterie. Die Gefahr, daB im national gepriigten Normenteil die Rechtsentwicklung auseinanderdriftet, ist nicht von der Hand zu weisen. Dazu kommt im Streitfall die verzwickte ProzeBsituation. Bei Zweifeln iiber die Ausle­gung entscheidungsrelevanter Gemeinschaftsnormen kann das nationale Gericht (ein letzt­instanzliches Gericht muB) gemiiB Art. 177 EWGV das Verfahren aussetzen und die Vor­abentscheidung des europaischen Gerichtshofes einholen. Wer die Vereinigung als Rechtsform wiihlt, setzt sich damit erheblichen Rechtsrisiken und Verfahrensverzogerun­gen aus.

5.2 Anwendungsschranken auf Grund des zwingenden Gesellschaftsstatuts

Weitere Griinde, welche der Verwendbarkeit der Vereinigung als Rechtstriigerin eines Gemeinschaftsuntemehmens entgegenstehen, konnten rechtliche Hemmschuhe sein, die sich aus dem zwingend vorgegebenen Gesellschaftsstatut ergeben. Zentrale Bedeutung fiir die beschrankten Anwendungsmoglichkeiten erlangen der von der Vereinigung einzuhal­tende, ausschlieBliche Forderungszweck, ihr Hilfscharakter zu Gunsten der Mitglieder so­wie die ihr auferlegten Tiitigkeitsverbote.

5.2.1 Ausschlie8licher Forderungszweck

Nach Art. 3 Abs. 1 EWIV-VO hat die Interessenvereinigung

(1) den Zweck, die wirtschaftliche Tiitigkeit ihrer Mitglieder zu erleichtem oder zu ent­wickeln (Forderzweck),

(2) nicht den Zweck, Gewinn fUr sich selbst zu erzielen (Gewinnerzielungsverbot).

(3) Ihre Tiitigkeit muB im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tiitigkeit ihrer Mit­glieder stehen und darf nur eine Hilfstiitigkeit hierzu bilden (Hilfscharakter der Ver­einigung).

Daraus ergibt sich, daB der Zweck der Vereinigung auf die Forderung der wirtschaftli­chen Belange der Mitglieder abzielen und damit Aktivitiiten jedes Mitglieds fOrdem muB.

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Nur in diesem mitgliederbezogenen Forderrahmen darf sich die Vereinigung wirtschaft­lich betiitigen. Die Forderung kann in Geldleistungen, in der Weiterleitung der von der Vereinigung erzielten Gewinne an die Mitglieder, in Sachleistungen, in der Zusammenar­beit, in der Erbringung von Dienstleistungen, in der Zusammenlegung von Fertigungska­pazitiiten und iihnlichem bestehen. Das Forderprinzip ist nicht so eng zu verstehen, daB als zuliissiger Kooperationszweck nur die unmittelbare Forderung durch Leistung an die Mitglieder in Betracht kommt. Der Forderzweck iihnelt dem Genossenschaftsgedanken in § 1 GenG (Blomeyer 1987, 144, 159). Wie eine Genossenschaft kann die Vereinigung ihre wirtschaftliche Tiitigkeit auch fUr Nichtmitglieder ausiiben, also Leistungen an Dritte erbringen. Uber den Umfang des Nichtmitgliedergeschiiftes streiten sich die Interpreten. Dazu wird die unhaltbare Auffassung (Hartard 1991, 13) vertreten, daB das Nichtmitglie­dergeschiift nicht iiberwiegend zu den Gewinnen der Vereinigung beitrag en darf, weil sonst der Forderzweck in den Hintergrund trete.

Die Zweckbegrenzung hat die rechtliche Konsequenz, daB die Grundungsmitglieder einen Kooperationszweck, z.B. den gemeinsamen Einkauf, eine Werbe- oder Beratungsgemein­schaft usw. vereinbaren und danach den Untemehmensgegenstand auswiihlen miissen. Wird ein anderer Zweck vereinbart, so haben die Grunder eine unzuliissige Rechtsform fUr die Zweckverfolgung gewiihlt und ihrem Gemeinschaftsprojekt ein falsches juristi­sches Kleid angepaBt. Daraus ergibt sich ein zwingender Auflosungsgrund fUr die Verei­nigung nach Art. 32 Abs. 1 EWIV-VO. Auf Antragjedes Beteiligten oder einer zustiindi­gen Behorde muB das Gericht die Auflosung der Vereinigung aussprechen, es sei denn, daB die Mangel der Vereinigung behoben werden konnen und vor der Entscheidung in der Sache behoben werden. Es besteht eine fehlerhafte Gesellschaft, deren Rechtsfolgen sich in subsidiiirer Anwendung des OHG-Rechtes aus Richterrecht ergeben: Die Vereini­gung wird bis zur Geltendmachung des Mangels als voll giiltig behandelt und mit Rechts­kraft des Urteils fUr die Zukunft aufgelost.

5.2.2 Hilfscharakter der Vereinigung

Der Forderzweck wird durch das weitere Tatbestandsmerkmal des Hilfscharakters der Vereinigung konkretisiert: 1m Verhiiltnis zur wirtschaftlichen Aktivitiit ihrer Mitglieder muB die Vereinigung eine dienende Funktion haben. Der deutsche Verordnungstext druckt dies ungenau so aus, daB ihre Tiitigkeit im Zusammenhang mit der wirtschaftli­chen Tiitigkeit der Mitglieder stehen muB und nur eine Hilfstiitigkeit hierzu bilden darf. Der Begriff Hilfstiitigkeit ist von deutschen Interpreten dem der Haupttiitigkeit der Mit­glieder entgegengesetzt worden. So kommt man schnell zu sehr restriktiven Ansichten iiber das Aufgabenfeld einer EWIV, auch wenn man einer weiten Auslegung des Begriffs Hilfstiitigkeit das Wort redet (so Meyer-Landrut 1986, 108; Scriba 1988, 58 f; Eckhardt 1989, 126). Ihre Tiitigkeit miisse zu derjenigen der Mitglieder akzessorisch sein, eine bloBe Erganzung zu dem Gegenstand der Mitgliederuntemehmen bilden. Es wird dazu ein Akzessorietiitstest angeboten: Wenn man die Tiitigkeit aller Mitglieder gedanklich entfallen lasse und daraufhin die Tiitigkeit der Vereinigung nutzlos erscheine, bestehe Akzessorietiit (Hartard 1991, 9). Der franzosische Verordnungstext (wortlich mit Art. 1 Abs. 3 des GIE-Statuts in der Fassung des Gesetzes Nr. 89-377 vom 13.7.1989 iibereinstimmend) druckt sich dazu schon deutlicher aus: Die EWIV muB Hilfscharakter haben. Ihre wirtschaftliche Tiitigkeit muB eine Verlangerung oder Fortsetzung der Aktivitiit der Mitglieder sein. Aber auch dieses Verstiindnis vom Zweck einer EWIV ist noch reichlich eng. So will man ihr die Expansion in neue, bisher von den Mitgliedem

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nieht gepflegte Geschaftsfelder verbieten (Seriba 1988, 58; Hartard 1991, 10). Proble­matisch bleibt aueh, ob die Mitglieder ganze Segmente ihres Geschliftsbetriebs auf die Vereinigung verlagem diirfen, z.B. ihre Fertigungskapazitiiten bei einem oder mehreren Produkten auf das Gemeinschaftsuntemehmen konzentrieren konnen (Mecadal/Janin 1990, S. 1218: Keine Absorption der wirtschaftliehen Aktivitiiten der Mitglieder; lihnlieh Kollhosser/Raddatz 1989, 12). Man sol1te nieht sklavisch franzOsische Rechtsgedanken iibemehmen, nur weil die Vereinigung dem GIE nachgebildet ist.

Die einzig plausible Eingrenzung der Hilfsfunktion enthiilt das sog. Ersetzungsverbot in Erwagungsgrund Nr. 5 der EWIV-VO. Danaeh darf die Tiitigkeit der Vereinigung keines der Tiitigkeitsgebiete der Mitglieder vollstiindig ersetzen. Der Gedanke ist, die wirtschaft­liehe Selbstiindigkeit der Mitglieder zu wahren und keine Teilfusion oder Konzemverbin­dung unter ihnen zuzulassen. Aus der Perspektive der Mitglieder ist allenfalls eine Uber­tragung betrieblieher Teilfunktionen moglieh (so Hartard 1991, 9; Miiller-Gugenberger 1989 b, 1454). Der Untemehmenskem jedes Mitglieds mufi wirtschaftlieh funktionsfahig bleiben, so daB konzentrative Gemeinsehaftsuntemehmen ausscheiden (Seriba 1988, 59). Bine Untemehmensaufgabe zu Gunsten der Vereinigung oder ein Riiekzug der Mitglieder auf blofie Verwaltungsfunktionen kommt nieht in Betraeht.

Das noch weithin unbestellte Feld der Auslegung der unbestimmten Verordnungsbegriffe "Forderzweck" und "Hilfscharakter" solI nieht weiter beaekert werden. Es geht nur dar­urn, die Rechtsungewifiheit iiber die Grenzen einer Zusammenarbeit aufzuzeigen, wenn man sich zu der europiiischen Kooperationsform entsehliefit. Ansiehten wie diejenige, daB sich damit nur betriebliehe Hilfsfunktionen vergemeinsehaften lassen, diirften fiir man­chen kooperationswilligen Untemehmer AnlaB zur Uberlegung sein, daB die EWIV ein zu enges Korsett fUr eine intensivere grenziiberschreitende Zusammenarbeit darstellt.

5.2.3 Verbot der eigenen Gewinnerzielung

In enger Verbindung mit der Zweckbegrenzung steht das Gewinnerzielungsverbot. Es ist nieht so zu verstehen, daB der Vereinigung die Erzielung von Gewinn verboten ist; dies ware absurd und rechtlieh nieht durehzusetzen. Es ist im Zusammenhang mit Art. 21 Abs. 1 und 40 EWIV-VO zu sehen und hat nur den Sinn, daB die Gewinne aus der Tiitig­keit der Vereinigung nieht bei ihr thesauriert, sondem an die Mitglieder weitergeleitet und bei ihnen realisiert werden. Die Mogliehkeit eigener Gewinnverwendung wiirde die Gefahr einer Verselbstiindigung des von der Vereinigung betriebenen Gemeinschaftsun­temehmens bedeuten.

5.2.4 Betatigungsverbote fur die Vereinigung

Zur Absieherung ihres Hilfszweckes hat der Verordnungsgeber besondere Betiitigungs­oder Verwendungsverbote fUr die Vereinigung eingefUhrt. Die EWIV unterliegt einem Konzemleitungs- und Beherrschungsverbot, Art. 3 Abs. 2 lit a EWIV-VO, einem Hol­ding- oder Beteiligungsverbot, Art. 3 Abs. 2 lit d EWIV-VO, einer Besehliftigungs­hOchstgrenze und einem Kreditgewlihrungsverbot an die Mitglieder, Art. 3 Abs. 2 lit d EWIV-VO (zur Uberfiiissigkeit des letzteren Verbots Gloria/Karbowski 1990, 317). Das Konzernleitungsverbot solI die Vereinigung als Leitungs- und Kontrollinstrument fUr Un­temehmensverbindungen untauglieh maehen. Es geht auf Befiirehtungen der deutschen

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76 Belke: Kooperationsinstrument EWIV

Gewerkschaften zuriick, daB andernfalls die EWIV zur AushOhlung der deutschen Unter­nehmensmitbestimmung mi.6braucht batte werden konnen. Dieser Motivation entspringt auch das Beschiiftigungsverbot von mehr als 500 Arbeitnehmern (zur Fragwiirdigkeit der Mitarbeitergrenze, Ganske 1988, 30; Gloria/Karbowski 1990, 1317). Koordinierungsauf­gaben, die erforderlich sind, urn den Zweck der Vereinigung zu erfiillen, sind yom Kon­zernleitungsverbot ausgenommen. Nur darf es nicht so liegen, daB die Vereinigung selbst Steuerungsfunktion gegeniiber den Mitgliedem entfaltet, so daB ein Mitglied in bezug auf seine Tiitigkeit in ein Weisungs- und AbhiingigkeitsverhaItnis zur Vereinigung geriit. Die Vereinigung darf weder unmittelbar noch mittelbar Anteile oder Aktien an einem Mit­gliedsunternehmen halten. Wohl aber darf sie sich an anderen Unternehmen beteiligen, soweit es zur Erreichung ihrer Ziele notwendig ist und es fUr Rechnung der Mitglieder geschieht. Der Sinn ist kIar: Die Vereinigung solI durch Beteiligungskonstruktionen nicht zu einem Herrschaftsinstrument mi.6braucht werden. Au.6erdem darf sie nicht Mitglied ei­ner anderen EWIV sein, Art. 3 Abs. 2 lit e EWIV-VO, weil ansonsten das Beteiligungs­verbot durch Hintereinanderschaltung von EWIV-Mitgliedschaften unterlaufen werden konnte. 1m Grunde ist das Mitgliedschaftsverbot nur kIarstellend, weil es sich schon aus dem Beteiligungsverbot ergibt; denn es ist unter keinen denkbaren Umstiinden notwendig, daB eine EWIV Anteile an einer anderen EWIV haIt, da diese Funktion auch von den Mitgliedern selbst ausgeiibt werden kann (Scriba 1988, 71 f).

5.3 Mitgliederkreis und Mitgliederschranken

Wer Griindungsmitglied einer Vereinigung sein oder ihr spilter beitreten kann, bildet ei­nen wichtigen Entscheidungsfaktor fUr deren Einsatzmoglichkeiten zu Kooperationszwek­ken. Formal bedarf es zur Griindung einer EWIV mindestens zweier Mitglieder. Eine Einmann-EWIV wiirde sich mit der yom Gemeinschaftsrecht vorgegebenen Struktur einer Personalgesellschaft nicht vertragen. Ais Gegengewicht zu den fUr die Zweckverfolgung errichteten Schranken zieht die va den Kreis moglicher Mitglieder sehr weit. Gemii.6 Art. 4 Abs. 1 und 2 EWIV-VO ist natiirlichen Personen, Gesellschaften im Sinne des Art. 58 Abs. 2 EWGV und sonstigen rechtlichen Einheiten der Zugang zur EWIV erOff­net.

Aus dem Riickverweis auf Art. 58 Abs. 2 EWGV in Art. 4 Abs. 1 lit a EWIV-VO folgt, daB der Verordnungsgeber solche Gesellschaften des biirgerlichen und des Handelsrechtes einschlie.6lich der Genossenschaften und sonstigen juristischen Personen des Offentlichen und privaten Rechtes fUr mitgliedsfahig haIt, die einen Erwerbszweck verfolgen und in­nerhalb der Gemeinschaft Niederlassungsfreiheit genie.6en. Streit ist im deutschen Schrift­tum iiber die Mitgliedsfahigkeit der BGB-Gesellschaft entbrannt (bejahend: Meyer-Land­rut 1988, 127; Autenrieth 1989, 308; Ziegler, 1989, 261; Zuck 1990, 956; Griininger 1990 b, 1452 f; Bach 1990, 1439; verneinend Miiller-Gugenberger, 1989 b, 1456). Die Problemstellung gewinnt auf dem Hintergrund Bedeutung, ob Anwalts-Sozietiiten oder andere Vereinigungen von Freiberuflem, die sich aus standesrechtlichen Griinden nicht anders als in der Form der Gesellschaft biirgerlichen Rechtes organisieren lassen, Mit­glied einer EWIV sein konnen. Der fundamentalen Bedeutung der Niederlassungsfreiheit im EWGV entspricht es, den Kreis der davon begiinstigten Erwerbsgesellschaften weit zu ziehen. Die aus dem nationalen Recht geliiufigen Systemeinteilungen der Gesellschaften in solche mit und ohne Rechtsfahigkeit sind im Hinblick auf den gemeinschaftsrechtlichen Auslegungsgrundsatz des "Effet utile" ohne Belang; danach ist eine Gemeinschaftsnorm zur Erreichung ihres Normziels Effektivitiit beizulegen. Auch nicht rechtsfahige Organi-

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Belke: Kooperationsinstrument EWIV n

sationsformen wie die BGB-Gesellschaft miissen in den Genu8 der Niederlassungsfreiheit und darnit auch der Mitgliedschaft bei einer EWIV kommen, wenn sie einen Erwerbs­zweck verfolgen und aIs Au6engesellschaft, d.h. aIs Einheit nach auBen, auftreten.

fiber die Erwerbsgesellschaften des Art. 58 Abs. 2 EWGV hinaus erweitert Art. 4 Abs. 1 lit a EWIV-VO den Mitgliederkreis auf "andere juristische Einheiten des Offentlichen und privaten Rechtes." Mit diesem Auffangbegriff werden aile selbstiindigen Wirtschaftsein­heiten, gleich welcher Rechtsform, die nicht zu den Erwerbsgesellschaften zahlen, aIs Mitglieder kooperationstauglich gemacht. ErfaBt werden Gesellschaftsformen, die nach den Prinzipien der Gemeinniitzigkeit oder Kostendeckung arbeiten, z.B. kirchliche oder karitative Institutionen, die sich in einer EWIV zur Durchfiihrung eines Entwicklungs­oder Hilfsprojekts zusammenfinden. AuBerdem sind aile Offentlich-rechtIichen und haIb­staatIichen Organisationsformen, wie die Anstalten, Stiftungen und Korperschaften des Offentlichen Rechtes, auch wenn sie nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind, "EWIV-tauglich" (Ganske 1988, 34, Gleichmann 1985, 638). So konnen staatliche For­schungsinstitute oder Universitiiten mit Untemehmen aus anderen Mitgliedstaaten zur praktischen Umsetzung von Forschungsergebnissen ein Gemeinschaftsuntemehmen be­treiben.

Schlie8lich stellt Art. 4 Abs.l b EWIV-VO kIar, daB einer EWIV aIs natiirliche Personen nicht nur Einzelkaufleute, Handwerker, Landwirte oder Freiberufler, sondem auch KiinstIer, Wissenschaftler, Schriftsteller oder karitativ Tiitige beitreten konnen, wenn sie ihre Aktivitiiten "wirtschaftlich" d.h. beruflich oder gewerblich auf einem Markt aus­iiben.

5.3.1 Das einengende Erfordernis des grenziiberschreitenden Mitgliederbestandes

Der in der Kompetenznorm des Art. 235 EWGV begriindete, supranationaIe Charakter der Vereinigung verlangt, daB ihre Mitgliederzusammensetzung "grenziiberschreitend" ist, Art. 4 Abs. 2 lit a EWIV-VO. Es miissen mindestens zwei Mitglieder verschiedenen Mitgliedstaaten wirtschaftlich zuzuordnen sein, wobei fiir diese Zuordnung an tatsachli­che MerkmaIe des Sitzes der HauptverwaItung und der hauptsiichlichen Untemehmenstii­tigkeit anzukniipfen ist. Bei Gesellschaften und juristischen Einheiten mussen mindestens zwei ihre HauptverwaItung in verschiedenen Mitgliedstaaten haben. Entsprechend miissen mindestens zwei natiirliche Personen "ihre Haupttiitigkeit" in verschiedenen Mitgliedstaa­ten ausiiben. Noch ungekliirt ist, ob der Schwerpunkt ihrer Tiitigkeit danach abgegrenzt werden solI, wo sich ihre Hauptbetriebsstiitte oder ihre zentrale Untemehmensorganisa­tion oder ihre hauptsiichlichen Beschaffungs-, Absatz- und Kundenbeziehungen befinden. Richtigerweise wird man eine typologische Gesamtschau anzustellen haben. IedenfaIls ist die StaatsangehOrigkeit natiirlicher Personen flir das MerkmaI der grenziiberschreitenden Mitgliedschaft ohne Belang.

Das zwingende Merkmal des grenziiberschreitenden Mitgliederbestandes engt die Anwen­dungsmoglichkeiten der EWIV erheblich ein. Bei einer Zusammensetzung aus Mitglie­dem, die nur in einem Mitgliedstaat wirtschaftlich tiitig sind, liegt ein Griindungshinder­nis vor. Entfiillt durch Austritt oder Tod von Mitgliedem das MerkmaI der grenzuber­schreitenden Beteiligung, so ist ein zwingender Auflosungsgrund nach Art. 32 Abs. 2 i.V.m. 31 Abs. 9 EWIV-VO gegeben.

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78 Belke: Kooperationsinstrument EWIV

5.3.2 Beteiligungsscbranken fUr au8erbalb der EG tiitige Wirtscbaftssubjekte

Beteiligungsschranken bestehen auch fUr EG-Auslander, d.h. Wirtschaftssubjekte die au­Berhalb der Gemeinschaft in Drittlandem beheimatet sind und dort ihre wirtschaftliche Haupttiitigkeit entfalten. Dies folgt daraus, daB mitgliedsfahige Gesellschaften und juristi­sche Einheiten gemiill Art.4 Abs.I lit a EWIV -VO in der EG gegriindet sein und ihren Sitz und ihre Hauptverwaltung innerhalb der Gemeinschaft haben miissen. 1m einzelnen bedeutet dies, daB sie entweder nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegriindet sein miis­sen, d.h. nach dessen IPR bestimmt sich das Gesellschaftsstatut nach der Griindungstheo­rie. Oder sie miissen ihren satzungsmiilligen oder gesetzlichen Sitz in einem Mitgliedstaat haben, d.h. nach dessen IPR bestimmt sich das Gesellschaftsstatut nach der Sitztheorie. Kummulativ zu dem Griindungs- oder Sitzerfordemis muB noch hinzutreten, daB die Ge­sellschaften oder sonstigen Einheiten ihre Hauptverwaltung und damit ihren wirtschaftli­chen Schwerpunkt in der Gemeinschaft haben.

Die Zuriicksetzung von EG-Auslandem war yom Rat der EG - auf der Grundlage des an­gestrebten innergemeinschaftlichen Forderzwecks - bewuBt gewollt; das supranationale Kooperationsinstrument sollte allein die Moglichkeiten der grenziiberschreitenden Zusam­menarbeit innerhalb der Gemeinschaft verbessem, insbesondere die Wettbewerbsfahigkeit kleinerer und mittlerer Untemehmen in der EG auf den Weltmarkten herstellen und nicht den Motor fiir eine weltweite Kooperation bilden.

In bezug auf die Mitgliedschaft natiirlicher Personen liillt es Art. 4 Abs. 2 EWIV -VO ge­niigen, wenn ein Mitglied mit auslandischer Staatsangehorigkeit eine wirtschaftliche Ta­tigkeit in der Gemeinschaft ausiibt oder dort andere Dienstleistungen erbringt. Umgekehrt ist auch einem GemeinschaftsangehOrigen die Beteiligung an einer EWIV verwehrt, wenn er seine wirtschaftliche Haupttiitigkeit in Drittstaaten ausiibt, z.B. nur dort eine Betriebs­stiitte unterhlilt.

Gemeinschaftsfremde Untemehmenstrager konnen jedoch iiber eine in der EG ansassige Tochtergesellschaft mittelbar an einer Vereinigung beteiligt sein, ohne in den Verdacht der Umgehung europarechtlicher Schranken zu gelangen. Denn die Gesellschaftsrechte samtlicher Mitgliedstaaten sehen vor, daB eine auslandische Gesellschaft oder ein auslan­discher StaatsangehOriger Mitglied einer inlandischen Gesellschaft sein kann. Unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. I lit a EWIV-VO ist nichts dagegen einzuwenden, wenn eine auslandische Gesellschaft sich an einer inlandischen Gesellschaft beteiligt, die dann ihrerseits Mitglied einer EWIV wird. GewiB lassen sich durch geschickte Beteiligungs­konstruktionen die yom Gemeinschaftsrecht aufgerichteten Mitgliederschranken iiberwin­den. Die Frage ist nur, ob sich die Miihe lohnt oder ob die Kooperationspartner nicht gleich eine nationale Gesellschaftsform wahlen, fiir die es vergleichbare Mitgliederbe­schrankungen nicht gibt.

5.4 Das auf die Gemeinschaft beschrankte Aktionsfeld der EWIV

Der durch das Gemeinschaftsrecht vorprogrammierte Anwendungsrahmen der Vereini­gung deckt bei weitem nicht aile Bediirfnisse nach Kooperation in der Wirtschaft abo Durch die Zweckbegrenzungen, Tatigkeitsverbote und Mitgliederschranken sollen die Einsatzfelder moglichst auf Kooperationsbildungen zwischen Klein- und Mittelbetrieben innerhaIb der Gemeinschaft beschrankt werden. Einen RechtsformenmiBbrauch durch

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Grofiuntemehmen zu weltweiter Kooperation wollte man verhindem. Nicht machbar mit einer EWIV sind strategische Allianzen zwischen Weltkonzemen und Multis, aber leider auch nicht Kooperationen von Mittelstiindlem iiber die EG-Grenzen hinweg. 1m Zeichen der Offnung nach Osten mutet die protektionistische Beschriinkung des Aktionsfeldes auf die Europaische Gemeinschaft anachronistisch an. Nicht geeignet und zuHissig ist die Vereinigung als blofie Managementgesellschaft, als Holdinggesellschaft oder als reine Be­sitz- und Verwaltungsgesellschaft. Ebensowenig kann sie als Leitungsorgan intemationa­ler Konzeme oder zu konzemintemen Kooperationszwecken eingesetzt werden.

6 Die EWIV im Wettstreit mit nationalen Gesellschaftsformen

Forscht man tiefer nach moglichen Griinden der Zuriickhaltung von Kooperationspartnem gegeniiber der EWIV, so hilft ein Blick nach Frankreich weiter. Der naheliegende ErkHi­rungsversuch, die Wirtschaft sei mit dem neuen europaischen Modell noch nicht vertraut, verfangt dort nicht. 1st doch die europaische Variante die fast deckungsgleiche Kopie des franzosischen Originals des GIE. Fiir einen franzosischen Untemehmer bestehen wenig Anreize, die europaische Version mit Sitz in Frankreich anstelle der nationalen Urform zu wahlen. Der Grund ist einleuchtend. Das GIE bietet ihm die gleichen rechtlichen Vor­teile; es ist mit einem hohem MaB an Rechtssicherheit ausgestattet und vermeidet alle Nachteile der Verwendungs- und Mitgliederbeschrankung, die der europaischen Variante anhaften. Erfolgreiche GroBuntemehmen in der Rechtsform des GIE, wie die Airbus-In­dustrie Toulouse (dazu J. Piersen in: die EWIV, ein neues Kooperationsinstrument, Ta­gungsbericht iiber die Informationsveranstaltung der EG-Kommission Briissel, 18.4.1989, S. 6 ft), an dem Partner aus 4 europaischen Undem beteiligt sind, konnten sich gar nicht in eine EWIV umwandeln, da die Beschiiftigungsgrenze von 500 Arbeitnehmem entge­genstehen wiirde. Ebenso steht rechtlich nichts im Wege, daB ein GIE auslandische Mit­glieder mit Untemehmensschwerpunkt in Drittstaaten hat. Die einzig greifbaren Interes­sen von Untemehmen aus verschiedenen Mitgliedstaaten, eine "franzosische" EWIV zu griinden, konnten darin liegen, sich aus Paritiitsgriinden nicht dem franzosischen Gesell­schaftsrecht zu unterwerfen oder sich ein modisches "Euro-Image" mit europaisch klin­gender Firma aus Werbe- und Prestigegriinden zulegen zu wollen (Mecadal/Janin 1990, 1218).

Demgegeniiber miiBte in Undem wie Deutschland oder England, die im innerstaatlichen Gesellschaftsrecht kein Parallelinstitut ausgebildet haben, eine Tendenz zur EWIV er­kennbar sein, wenn es sich urn eine attraktive Gestaltungsform fUr grenziiberschreitende Gemeinschaftsuntemehmen handeln wiirde. Bei Neugriindungen miifiten die dafUr iibli­cherweise gewahlten Standardformen der GmbH und der BGB-Gesellschaft spiirbar ver­drangt werden. Davon ist in der gesellschaftsrechtlichen Kautelarpraxis nichts zu spiiren und in den Handelsregistem nichts zu finden. Die Abstinenz gegeniiber dem europaischen Rechtsformangebot ist nicht anders zu erkliiren, als daB die deutschen Gesellschaftsfor­men den Bedarf fUr Kooperationszwecke gut abdecken.

Theoretisch liiBt sich der empirische Befund mit einem Wettbewerbsmodell erkliiren. Zwischen der EWIV und den nationalen Gesellschaftsformen besteht ein Wettbewerbsver­hiiltnis. Offenbar kann sich das Euro-Modell im Qualitiitsvergleich mit den deutschen AI­temativen nicht recht durchsetzen, weil es keine iiberzeugenden Gestaltungsvorteile fUr die Nachfrager nach Kooperationsformen auf weist. Wie auch sonst in der Phase des Inno-

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vationswettbewerbs bestehen zunachst bei EinfUhrung eines neuen Produkts Informations­defizite der Nachfrageseite, so auch nach Schaffung des neuen Rechtsprodukts der EWIV. Die Nachfrager, hier die kooperationswilligen Untemehmen und ihre Ratgeber, wurden jedoch alsbald - wohl mit geringerer ZeitverzOgerung als 3 Jahre - auf ein vorteil­haftes Gestaltungsangebot reagieren; sie wilrden von deutschen Gesellschaftsformen Ab­stand nehmen und auf eine EWIV mit Sitz in einem Mitgliedstaat umsteigen. Zu fUhl­baren Reaktionen im Wettbewerb der Rechtsformen wird es aber nur kommen, wenn die EWIV hinsichtlich ihrer rechtlichen Ausstattungsmerkmale in der Einschatzung der Ko­operationswilligen Vorzilge bietet, d.h. bei dem einen oder anderen fUr die Rechtsform­wahl ausschlaggebenden Qualitatsmerkmal gegenilber den nationalen Kooperationsformen wie der GmbH oder der BGB-Gesellschaft bzw. den entsprechenden Formen in anderen Mitgliedstaaten besser abschneidet.

6.1 Entscheidungskriterien fiir und gegen die EWIV

Auf die Ebene der Entscheidungstheorie gehoben, haben Kooperationspartner aus ver­schiedenen Mitgliedstaaten bei rationaler Entscheidungsfindung die reichhaltige Auswahl unter den nationalen Gesellschaftsformen der Mitgliedstaaten und 12 EWIV-Formen mit jeweils unterschiedlicher einzelstaatlicher Auspragung. Haben sie sich auf ein Gemein­schaftsprojekt geeinigt, so stehen sie vor dem Entscheidungsproblem, die geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen filr die Verwirklichung des Projektes zu schaffen. Die Frage der Rechtsformwahl stellt sich nicht nur bei einer Neugriindung eines Gemein­schaftsuntemehmens; vielmehr soUte in angemessenen Abstanden die Eignung der einmal gewahlten Rechtsform unter veranderten Umweltbedingungen - dazu gehOrt auch die Ver­anderung des Rechts durch EinfUhrung einer europliischen Kooperationsform - gepriift werden.

Die I...Osung hangt jeweils von der Gewichtung einer Vielzahl von Entscheidungskriterien ab, die aus den charakteristischen Rechtsformmerkmalen gewonnen werden. Dazu zahlen die Regelungen ilber UntemehmensfUhrung, Mitsprache- und Kontrollrechte, Flexibilitat der Rechtsform und Umwandlungsmoglichkeiten, Finanzierung, Haftung, Gewinn- und Verlustbeteiligung, Entnahmemoglichkeiten, Priifungs- und Publizitatspflichten, Nachfol­ge- und Erbregelungen, einmalige und laufende Rechtsformaufwendungen und schlie13lich die Besteuerung, urn nur die wichtigsten Entscheidungsmerkmale zu nennen. Der Unter­suchung ist es wert, ob die EWIV im Vergleich zu den konkurrierenden Kooperationsfor­men der mitgliedstaatlichen Gesellschaftsrechte in der rechtlichen Ausstattung mit qualita­tiven Vorzilgen oder Mangeln behaftet ist. 1m folgenden sollen nur einige wenige ent­scheidungsrelevante Merkmalsauspragungen der EWIV im Vergleich zu den entsprechen­den Merkmalsprofilen deutscher Rechtsformaltemativen gesetzt werden. Filr die kurzfri­stige Zusammenarbeit wird in der Wirtschaftspraxis bislang die BGB-Gesellschaft favori­siert. Filr auf Dauer angelegte Kooperationsvorhaben bevorzugt man die Rechtsform der GmbH.

6.2 FIexibilitiit der Vereinigungsfonn

Ais besonderer Vorzug der EWIV wird die Flexibilitat und Einfachheit ihres Gesell­schaftsstatuts angepriesen (Gleich mann 1985, 634; Gloria/Karbowski 1990, 1314). In der Tat engen nur wenige zwingende Vorschriften die Freiheit der Mitglieder ein, die Sat-

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zung und die Bedingungen fUr das Funktionieren der Gemeinschaftseinrichtungen frei zu gestalten. Die Griindung erfordert wenig formalen Aufwand. Ffir den Griindungsvertrag ist allerdings Schriftform vorgesehen; femer sind Mindestanforderungen fUr den Sat­zungsinhalt zu beachten, vgl. Art. 5 und 7 EWIV-VO. SchlieBlich mu6 die EWIV von den GeschaftsfUhrem zum Register angemeldet und eingetragen werden. Trotz Vertrags­freiheit bei der Ausgestaltung der Gesellschaftsbeziehungen, sind schon wegen der Betei­ligung von Partnem aus verschiedenen Mitgliedstaaten mit oft unterschiedlicher Rechts­tradition genau fixierte, schriftliche Regelungen fiber alle heiklen Punkte des Kooperati­onsverhiiItnisses zu empfehlen, so etwa fiber etwaige Beitrlige der Mitglieder, uber Art und Umfang der Mitgliedermtigkeit fur die EWIV bis hin zur Wahl der Vertragssprache. Besonders wichtig erscheint, das Aufgabenfeld und die Spezialisierungsfunktion der Ko­operation im VerhiiItnis zu den Mitgliedem abzugrenzen, z.B. welche Produkte der Mit­glieder dem Gemeinschaftseinkauf oder -vertrieb unterliegen usw.

Vergleicht man fUr den kurzfristigen Bereich damit die BGB-Gesellschaft, so haben die Gesellschafter noch mehr Moglichkeiten, ihre Beziehungen im Innen- und Au6enverhiiIt­nis frei zu gestalten. Es bedarf keiner Eintragung im Handeisregister, es bestehen keine Verwendungs- und Mitgliederschranken, um nur einige Gesichtspunkte zu nennen. Die GmbH als Vergleichsfigur fur den lllngerfristigen Bereich ist auf Grund der Satzungsauto­nomie im InnenverhiiItnis ebenso flexibel ausgestaltbar wie die EWIV. Sieht man einmal von der Ptlicht zur notariellen Beurkundung der GmbH-Satzung ab, so entsprechen zu­mindest bei einer Bargriindung die zwingenden Griindungsvoraussetzungen in etwa denje­nigen der EWIV. Gewill sind bei der GmbH zusatzlich die Vorschriften fiber die Aufbrin­gung und Erhaltung des Stammkapitals zu beachten. Aber diese Anforderungen werden durch die Vorteile der Haftungsbeschrankung aufgewogen. Fur die GmbH als Kooperati­onsinstrument spricht, daB ihr Untemehmensgegenstand frei gewahlt und verandert wer­den kann und keineswegs bI06en Hilfscharakter zu den Untemehmen der Kooperations­partner zu haben braucht. Die Wahl einer GmbH erweist sich auch deshalb von Vorteil, weil sie als Baustein einer konzemintemen Kooperation oder als Konzemleitinstrument eingesetzt werden kann.

6.3 Organisation und Fiihrungsstruktur

Ahnlich wie bei der GmbH sieht Art. 16 Abs. 1 EWIV-VO eine zweigliedrige Organisa­tionsstruktur, niimlich das Organ der gemeinschaftlich handelnden Mitglieder und die Ge­schiiftsfuhrung vor. Fur das Mitgliederorgan wird nicht der geliiufige Begriff Gesellschaf­terversammlung benutzt, um keine Anhaltspunkte fUr die Heranziehung des darauf an­wendbaren nationalen Rechtes zu bieten (Gleichmann 1985, 642 t). Die Verfahrensregeln zur Einberufung, Abhaltung der Versammlung und zur BeschIu6fassung konnen im Griin­dungsvertrag frei geregelt werden. Dies ermoglicht Kommunikationstechniken, wie Um­laufverfahren, die Zeit und Kosten sparen. Ffir das Stimmrecht der Mitglieder enthiiIt Art. 17 Abs. 1 EWIV-VO die Regel, daB jedes Mitglied nur 1 Stimme hat. Das Stimm­recht nach Kopfen kann durch das Mehrheitsprinzip ersetzt werden, wobei ein Mitglied keine Stimmenmehrheit besitzen darf. Einstimmige Beschlfisse sind nur ffir wenige Be­schlu6gegenstlinde vorgeschrieben, Art. 17 Abs. 2 EWIV-VO. Das Beschlu6recht der GmbH fu6t demgegenuber auf dem Mehrheitsprinzip, wenn man einmal von dem Erfor­demis der satzungsllndemden Dreiviertelmehrheit absieht. 1m fibrigen laBt sich die Ge­sellschafterversammlung bei der GmbH und bei der BGB-Gesellschaft durch Gesell­schaftsvertrag ahnlich flexibel ausgestalten.

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Art. 19 und 20 EWIV-VO unterscheiden auf der Leitungsebene zwischen Innen- und Au­Benverhaltnis: der oder die GeschliftsfUhrer sind das Geschliftsfiihrungs- und Vertretungs­organ. Die EWIV wird ausschlieBlich von einem oder mehreren bestellten Geschliftsfiih­rer, und zwar von jedem GeschliftsfUhrer allein, vertreten, Art. 20 Abs. 1 EWIV-VO. Daraus folgt, daB die Mitglieder selbst nicht zur Vertretung befugt sind und die Moglich­keit der Einsetzung von Fremdgeschliftsfiihrem besteht. Natiirlich konnen auch Mitglie­der zum Geschliftsfiihrer bestellt werden. Die Bedingungen fiir die Bestellung und Entlas­sung der Geschliftsfiihrer sind im Griindungsvertrag oder durch einstimmigen BeschluB der Mitglieder festzulegen, Art. 19 Abs. 3 EWIV-VO. Beschrlinkungen der Vertretungs­befugnis konnen Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, daB Gesamtvertretung durch zwei oder mehrere GeschliftsfUhrer vereinbart und im Register eingetragen und be­kannt gemacht worden ist (Art. 20 Abs. 1 S. 3 EWIV-VO in Anlehnung an die Schutzbe­stimmungen der 1. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie 6811511EWG yom 9.3.1968).

Inhaltlich deckt sich die Regelung von GeschliftsfUhrung und Vertretung weithin mit dem gesetzlichen Fiihrungsmodell der GmbH, wobei dieses noch starker an die Bediirfnisse der Kooperationspartner angepaBt werden kann. Auch die Leitung der BGB-Gesellschaft lliBt sich abweichend yom gesetzlichen Modell der Gesamtgeschliftsfiihrung und Gesamt­vertretung (§§ 709, 714 BGB) flexibel gestalten, wobei allerdings das Prinzip der Selbst­organschaft gewisse liu6erste Grenzen zieht. Dafiir besteht bei ihr die Moglichkeit, die Vertretungsmacht der geschliftsfUhrenden Gesellschafter zu beschranken. Dritte sind nur insoweit geschiitzt, als ihnen die Beschrankung der Vertretungsmacht nicht erkennbar war.

6.4 Haftungssystem der Vereinigung

Fiir die Griindung einer Vereinigung bedarf es weder einer Mindestkapitalausstattung, noch braucht die Vereinigung, etwa durch Beitrlige der Mitglieder, mit Eigenvermogen ausgestattet sein. Zum Ausgleich dafiir haften die Mitglieder gemliB Art. 24 EWIV-VO unbeschrankt, personlich und als Gesamtschuldner fUr jede Art von Verbindlichkeiten der Vereinigung (Erwligungsgrund Nr. 10: auch fiir Verbindlichkeiten im Bereich der Steu­em und der sozialen Sicherheit), wobei das einzelstaatliche Recht den Innenausgleich zwischen den Mitgliedem niiher bestimmt. Zunlichst haftet die Vereinigung - iihnlich wie bei einer OHG - als solche unmittelbar. Sie mu6 erst zur Zahlung in angemessener Frist aufgefordert werden, bevor ein Mitglied in Anspruch genom men werden kann. Nach franzosischem Vorbild ist gemliB Art. 24 Abs. 2 EWIV-VO die Mitgliederhaftung subsi­dilir. Sie bezieht sich auf Zahlung und nicht auf Leistung oder Erfiillung (Gleich mann 1988, 165).

Wie nach § 130 HGB haften neu aufgenommene Mitglieder fUr die vor ihrem Eintritt ent­standenen Verbindlichkeiten der Vereinigung, Art. 26 Abs. 2 EWIV-VO, es sei denn, daB ein Haftungsausschlu6 im Gesellschafts- oder Beitrittsvertrag eingetragen und be­kannt gemacht worden ist. Ebenso haften ausgeschiedene Mitglieder fUr Verbindlichkei­ten, die sich aus Tlitigkeiten der Vereinigung wiihrend ihrer Mitgliedschaft ergeben ha­ben, Art. 34 EWIV-VO. Die Anspriiche gegen das ausgeschiedene Mitglied verjiihren in 5 Jahren ab Bekanntmachung des Ausscheidens, mag auch das einzelstaatliche Recht ein langere Verjiihrung vorsehen.

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Die im Interesse des Glliubigerschutzes unbeschrlinkte und unbeschrlinkbare Mitglieder­haftung wird viele Interessenten von der Wahl einer EWIV abschrecken. Zwar lliBt sich durch die Mitgliedschaft einer "Beteiligungs-GmbH" die Haftung auf das Vermogen die­ser GmbH begrenzen, da juristische Personen nach Art. 4 Abs. 2 lit a EWIV -VO ohne weiteres Mitglieder einer EWIV sein konnen. Ebenso konnen die Griindungsmitglieder ausschliefilich juristische Personen sein, so daB - ahnlich wie bei der GmbH & Co. KG -die mittelbar an der EWIV beteiligten Hintermanner fUr die Verbindlichkeiten der EWIV nicht unbeschrlinkt haften (so Eckhardt 1989, 126). Indes fragt es sich, ob sich die Griin­dung und Dazwischenschaltung einer GmbH als "Haftungspuffer" fiir die Kooperations­partner lohnt; viel einfacher diirfte es sein, gleich eine GmbH als Organisationsrahmen fUr die Kooperation zu wahlen, urn Angste vor nicht iibersehbaren personlichen Haf­tungsrisiken abzubauen.

Gerade wegen des Vorteils der beschrankten Haftung erfreut sich die GmbH bei Koopera­tionspartnem der grofiten Beliebtheit; nach dem Trennungsprinzip haftet nur die GmbH als juristische Person, wenn die Stammeinlagen erbracht sind. Selbst bei der BGB-Gesell­schaft gestaltet sich die Haftungslage giinstiger als bei der EWIV, weil die Gesellschafter ihre personliche Haftung beliebig, z.B. auf das Gesellschaftsvermogen, beschrlinken kon­nen, wenn nur den GIaubigem die Haftungsbeschrankung erkennbar ist, und weil eine Haftung neu eintretender Mitglieder fiir Altschulden der Gesellschaft nicht besteht.

6.5 Besteuerung der Vereinigung

Da die Untemehmensbesteuerung in Deutschland nicht rechtsformneutral ausgestaltet ist, stellt die Besteuerung der EWIV (dazu Confederation Fiscale Euro¢enne 1991, 1 ff; Knobbe-Keuk, 1992, 1 ff; Mehring 1990, 3109 ff; Hamacher 1986,557 ff; Haug-Adrion 1985, 336 ff; Krabbe 1985, 2585 ff; Sass 1985, 2226 ft) im Vergleich zu den Altemativ­formen eine wichtige Schaltstelle fiir die Rechtsformwahl dar. Art. 40 EWIV-VO enthlilt ein bescheidenes Harmonisierungskonzept fUr die ertragssteuerrechtliche Behandlung der EWIV in den Mitgliedstaaten. Urn zu vermeiden, daB die EWIV je nach Mitgliedstaat einmal als Korperschaft, das andere Mal als Mituntemehmerschaft besteuert wird, hat Art. 40 EWIV -VO zum Zwecke der Steuerharmonisierung das Transparenzprinzip einge­fUhrt: Danach diirfen die Ergebnisse, die aus der Tlitigkeit der Vereinigung erzielt wer­den, nicht wie bei einer Korperschaft gesondert erfaBt, sondem nur bei den Mitgliedem besteuert werden. Jeder Mitgliedstaat hat zu klliren, ob das in ihm beheimatete EWIV­Mitglied einen Steuertatbestand verwirklicht und ob seine Besteuerungshoheit durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschrlinkt ist (vgl. auch Erwligungsgrund Nr. 14 der EWIV-VO). Nach dem Harmonisierungskonzept darf das Ergebnis aus der Tatigkeit der EWIV nur als Ertrag der Mitglieder (positive oder negative Einkiinfte) besteuert werden. In Deutschland gelten fUr die Besteuerung einer gewerblich tlitigen EWIV die Grundsatze der Mituntemehmerschaft des § 15 Abs. 1 EStG, d.h. als Personengesellschaft unterliegt sie mangels Steuersubjektivitlit nicht selbst der Einkommensteuer. Vielmehr sind die Ein­kiinfte aus der Beteiligung als Einkiinfte der Mitglieder aus gewerblicher Mituntemeh­merschaft zu qualifizieren, §§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG. Fehlt es an einer Gewinnerzielungsabsicht, dann liegt eine blofie Gewinn- und Kostengemeinschaft (EWIV als cost center) vor, die eine mittelbare Gewinn- bzw. Verlustermittlung auf der Ebene der Mitglieder nach sich zieht, vgl. § 180 Abs. 2 AO. Die steuerliche Transparenz vermeidet, daB Unterschiede der Einkommensbesteuerung die Entscheidung beeinflussen,

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in welchem EG-Land der Sitz der EWIV begriindet wird und wo gegebenenfalls weitere Niederlassungen gegriindet werden.

Aus steuerlichen Griinden wird es fUr den deutschen Kooperationspartner vorteilhafter sein, den Sitz der EWIV nicht nach Deutschland zu legen; denn die gewerbliche Tiitigkeit einer EWIV unterliegt der Gewerbesteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 GewStG), wobei dahinge­stellt bleiben kann, ob die Mitglieder nach § 5 Abs. 1 S. 4 GewStG als Gesamtschuldner fUr die AbfUhrung der Steuer haften oder ob die Vereinigung selbst als Gewerbetreibende steuerpflichtig ist. Vorzugswfirdig ist eine Anknfipfung von Steuerrecht in einem Mit­gliedstaat, wo es weder eine Gewerbesteuer noch abschreckende Einkommensteuersatze wie im Hochsteuerland Deutschland gibt.

Ffir Kooperationen eroffnet die GmbH die interessanteren steuerlichen Gestaltungsmog­lichkeiten. Als Kapitalgesellschaft ist sie selbst Steuersubjekt und unterliegt der Korper­schaftsteuer. Durch das Anrechnungsverfahren wird eine Doppelbesteuerung der Gesell­schafter bei der Einkommensteuer vermieden. Es kann nur angedeutet werden, daB bei Wahl einer GmbH die GeschliftsfUhrergehaIter und Pensionsriickstellungen als Betriebs­ausgaben abgesetzt werden konnen, daB das Schfitt-Aus-Hol-Zuriick-Verfahren zu einer mit Steuerersparnissen verbundenen KapitalzufUhrung benutzt werden oder daB bei mehr als lO%iger Beteiligung das Schachtelprivileg in Anspruch genommen werden kann usw.

7 Entscheidung fiir die europarechtliche oder eine deutsche Gesell­schaftsform

Wenn die Zusammenarbeit zwischen Partnem aus verschiedenen Mitgliedstaaten eine ge­sellschaftsrechtliche Organisationsstruktur erfordert, so Hiuft der EntscheidungsprozeB wohl nicht so ab, wie es sich der Gemeinschaftsgesetzgeber vorgestellt hat. Weigert sich bei den Kooperationsverhandlungen eine Vertragsseite, fremdes Gesellschaftsrecht zu ak­zeptieren, so mag sich die Griindung einer EWIV als VerhandlungskompromiB in der Theorie anbieten. In der Praxis spielt jedoch der Verhandlungspunkt, welches Recht auf das KooperationsverhaItnis und auf die zu seiner DurchfUhrung zu griindende Gesell­schaft Anwendung finden solI, eine eher untergeordnete Rolle. Wichtiger ist die Einigung fiber die Art und den Umfang der Kooperation und fiber die Merkmalsauspragungen der dafiir geeigneten Gesellschaftsformen. Letztlich wird sich bei der Wahl des Gesellschafts­statuts der Partner mit der grOfieren Verhandlungsmacht durchsetzen. Gelingt es dem deutschen Vertragsteil sich mit seinen europaischen Partnem auf eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland zu einigen, dann steht die Auswahlentscheidung an, ob eine deutsche EWIV oder eine funktionsgleiche deutsche Gesellschaft gegriindet werden solI. Welcher Gesellschaftstyp dabei in Konkurrenz zur EWIV tritt, hangt maBgeblich von der Art des geplanten Gemeinschaftsprojektes ab, namentlich ob es kurz- oder langfristiger Natur ist.

7.1 Auf bestimmte Vorhaben begrenzte Zusammenarbeit auf Zeit

Bei einer zeitlich beschrankten Zusammenarbeit bietet sich die BGB-Gesellschaft als ge­eignete Rechtsform an; denn sie kann auf die Verfolgung eines nur voriibergehenden Zweckes gerichtet sein und geht mit Zweckerreichung in Liquidation fiber, § 726 BGB. Die intemationale Bietergemeinschaft bei Offentlichen oder privaten Ausschreibungen

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oder die Arbeitsgemeinschaft im Bausektor mit intemationaler Beteiligung sind typische Beispiele. Viele Pluspunkte kann die EWIV bei Abwieklung grenziiberschreitender Ge­meinschaftsprojekte nieht fiir sieh verbuehen. Sieher hat die BGB-Gesellschaft bei einem Agieren iiber die Grenze das Handicap, daB sie nach au6en nieht als Einheit auftreten kann. Ferner darf sie sieh nieht wie eine EWIV mit einer europaisch klingenden Firma zieren. Aber sonst hat sie bei steuerlieh gleieher Behandlung als Mituntemehmer-Gesell­schaft alle Vorteile fUr sieh. Das Gesellschaftsverhiiltnis und die Rechte und Pfliehten der Gesellschafter konnen "bedarfsgerecht" und ebenso flexibel wie bei einer EWIV schrift­lieh festgehalten werden. Die BGB-Gesellschaft ist kostengiinstig und ohne viel Biirokra­tie zu handhaben; sie ist im Handelsregister nieht eintragungspfliehtig; ihre Liquidation erfolgt formlos naeh einfaehen Auseinandersetzungsregeln. Vor allem konnen die Gesell­schafter ihre pers6nliehe Haftung begrenzen. Die Vertretungsmaeht, im Namen der iibri­gen Gesellschafter zu handeln, kann dureh Gesellschaftsvertrag oder Beschlu6 in Abwei­chung yom dispositiven Modell der Gesamtvertretung beliebig erweitert oder einge­sehriinkt werden, wiihrend die Vertretungsbefugnis der GesehliftsfUhrer einer EWIV nieht besehriinkbar ist.

7.2 Dauerhafte Vergemeinschaftung betrieblicher Funktionen

Den Erfmdem der EWIV schwebte die auf Dauer angelegte Ausgliederung betrieblieher Teilfunktionen auf ein Gemeinschaftsuntemehmen vor, wobei die Mitgliederuntemehmen wirtsehaftlieh selbstiindig bleiben. Aber dafiir eignet sieh die GmbH als Organisations­form besser: Was Rechtslahigkeit, Satzungsautonomie GesehliftsfUhrung und Vertretung, Rechte und pfliehten der Gesellsehafter, Gesellsehafterwechsel, Liquidation usw. anbe­langt, ist sie der EWIV gleiehwertig. Die Chancen fUr eine GmbH-Griindung steigen nieht zuletzt deshalb aueh bei kleinen und mittleren Betrieben, weil die Haftung der Ge­sellschafter beschriinkt ist. Gerade fUr europaweit tiitige Untemehmen miissen die Haf­tungsrisiken des gemeinsamen Wirtschaftens mit ausliindischen Partnem iiberschaubar bleiben. Aueh im Hinbliek auf Kapitalautbringung und Finanzierung ist die GmbH vor­zugswiirdig. Bei fertigungsorientierten Gemeinsehaftsgriindungen besteht meist hoher Ka­pitalbedarf, der sieh im Rahmen einer EWIV mangels Beitragspflieht der Mitglieder und fehlender Mogliehkeiten der Gewinnthesaurierung nur schwer verwirkliehen last. Dazu kommt, daB die GmbH iiber die Grenze giinstigere steuerliehe Verrechnungs- und Gestal­tungsmogliehkeiten bei der Korpersehaftsteuer sowohl fiir die Korperschaft wie aueh fiir die Gesellschafter eroffnet. Als einer der wenigen Vorteile der EWIV kann man die Her­stellung eines europaischen Bezugs im Firmennamen aueh bei geringer GroBe des Ge­meinschaftsuntemehmens anfUhren, was bei einer GmbH aus wettbewerbs- und firmen­rechtliehen Griinden nieht moglieh ware, § 18 Abs. 2 HGB.

7.3 Paritatisches Joint-Venture-Modell mit Uberkreuzverflechtung

Das als Joint-Venture erriehtete Gemeinschaftsuntemehmen ist dadureh gekennzeiehnet, daB die Mutteruntemehmen wirtsehaftliehe Aktivitiiten in ein gemeinsames Untemehmen mit paritiitischer Beteiligun~ einbringen, wobei hliufig die Miitter eine gegenseitige Kapi­talverflechtung eingehen (Uberkreuzverflechtung). Beispielsweise werden eine ausliindi­sche Tochter oder unselbstiindige ausliindische Aktivitiiten in ein Joint-Venture mit einem einheimischen Untemehmen eingebraeht, um den Auslandsmarkt zu bedienen. Bei sol­chen Organisationsstrukturen mit gegenseitiger Beteiligung ist die EWIV keine emsthafte

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Gestaltungsaltemative. Finanzierungsgesichtspunkte, Haftungsbeschriinkungen, Fiihrungs­struktur und steuerliche Aspekte machen hier den Riickgriff auf eine nationale Kapitalge­sellschaft unabdingbar. Erst recht ist die EWIV als Vorstufe fUr eine geplante Fusion, et­wa fUr die Phase des gegenseitigen Kennenlemens im Wege einer Kooperation, nicht ge­eignet; schon deshalb nicht, weil die im Falle der Fusion gebotene Umwandlung der EWIV in eine Kapitalgesellschaft mit Ubertragungsformalitaten und nachteiligen Steuer­konsequenzen verbunden ware.

7.4 Das ErfoIgsmodeU der Freiberufler-EWIV?

Die Angehorigen freier Berufe gewinnen mit der europitischen Organisationsform Frei­raume fUr eine grenziiberschreitende Kontaktnahme mit Berufskollegen aus anderen Mit­gliedstaaten, die ihnen die BGB-Gesellschaft als einzige nationale Form gemeinschaftli­cher Berufsausiibung so nicht erOffnet. Aus standesrechtlichen Griinden ist in Deutsch­land den freien Berufen die Wahl von Kapitalgesellschaften, z.B. der GmbH, nicht mog­lich, wenn man von den gesetzlichen Ausnahmen fUr Wirtschaftspriifer (§ 27 ff WPO) und Steuerberater (§ 49 ff StBerG) absieht. Lohnende Kooperationsziele fUr eine Freibe­rufler-EWIV sind die Verbesserung des Zugangs zum Beratungsmarkt im Ausland, die Uberwindung von Informationsdefiziten und mangelnden Sprachkenntnissen, die Verrin­gerung von Transaktionskosten bei der Suche eines geeigneten Korrespondenzanwalts oder Gutachters im Ausland, gemeinsame Personalausbildung und Austausch von Mitar­beitem, Seminar- und Fortbildungsveranstaltungen, Herausgabe von Mandantenrund­schreiben oder Informationsbroschiiren usw. Die Rationalisierungseffekte sind unver­kennbar, wenn an interessanten europitischen Standorten wie Briissel oder Luxemburg, die Infrastruktur - Raume, Personal, technische Einrichtungen - von den Mitgliedem ei­ner EWIV gemeinsam finanziert und vorgehalten werden. Die Vereinigung kann femer zur gegenseitigen Mandatsgewinnung und -vermittlung eingesetzt werden, indem sich die Mitglieder verpflichten, Auslandsmandate den jeweils an Ort und Stelle anslissigen Mit­gliedem anzubieten. Besonders vorteilhaft ist, daB sich Sozietaten als BGB-Gesellschaft an einer EWIV und Angehorige verschiedener freier Berufsgruppen an einer interprofes­sionellen EWIV beteiligen konnen. Nicht von ungefahr stehen in der Griindungsstatistik der deutschen EWIV die Anwalts-Vereinigungen mit 12 von insgesamt 27 Griindungen (Stand: Oktober 1992) ganz oben.

1m Gegensatz zur intemationalen Anwaltssozietat deutschen Rechtes ist die Anwalts­EWIV mit Rechts- und Handlungsfahigkeit ausgestattet; sie kann eine werbewirksame Firma, nach einer, allerdings sehr bestrittenen Meinung (Miiller-Gugenberger 1989 b, 1453; Griininger 1990, 1451; LG Frankfurt BB 1991, 496; AG Miinchen BB 1990, 160; a. A. aber OLG Frankfurt DB 1993, 1182; Ziegler 1990, 242; Rechenberg 1992, 303) sogar eine "reine" Sachfirma mit europitischer Bezeichnung fUhren und mit einer effizien­ten GeschaftsfUhrung ausgestattet werden. Die personliche Haftung der an einer EWIV beteiligten Anwlilte oder Sozietaten rallt nicht ins Gewicht, da Anwlilte ihre personliche Haftung fUr eigene Beratungsfehler wie auch fiir Fehler anderer Sozien aus standesrechtli­chen Griinden nicht beschrlinken konnen (Griininger 1990 b, 1415, FN 48). Allerdings darf nach Erwagungsgrund Nr. 5 der EWlV-VO die Vereinigung selbst gegeniiber Drit­ten einen freien Beruf nicht ausiiben. AuBerdem stellt Erwagungsgrund Nr. 6 kIar, daB die Vereinigung den Rechts- und Standesvorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates ge­recht werden muB. Es ist also nicht moglich, eine intemationale Anwaltssozietat in Form

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einer Vereinigung zu grunden, die selbst Dienstleistungen gegeniiber Mandanten erbringt oder Mandate abwickelt (Gleich mann 1985, 639; Gloria/Karbowski 1989, 1319).

Steuersystematisch erzielen AngehOrige freier Berufe Einkiinfte aus selbstiindiger Arbeit nach § 18 EStG, auch wenn sie sich zur gemeinsamen Berufsausiibung in Form einer Per­sonengesellschaft, sei es einer BGB-Gesellschaft oder einer EWIV (Schreiben des BMF yom 15.11.1988, DB 1989, 354) zusammengeschlossen haben (eingehend Griininger 1990 b, 2161 ft). Entstehen aus einer Freiberufler-EWIV mit Sitz in Deutschland Ver­luste, so werden sie den deutschen Mitgliedern anteilig steuerlich zugerechnet. Dagegen konnen in Deutschland ansassige Freiberufler, die an einer EWIV mit Sitz im Ausland beteiligt sind, Verluste in Deutschland nicht geltend machen, da § 2 a Abs. 3 EStG die Verlustverrechnung aus Auslandsbeteiligungen auf Antrag auf gewerbliche Einkiinfte be­schrankt. Dies mag fiir die deutschen Mitglieder Anreiz sein, eine EWIV mit Sitz in Deutschland zu grunden, zumal Freiberufler nicht gewerbesteuerpflichtig sind.

8 Fazit uDd Ausblick

8.1 Zusammenfassend Hillt sich sagen, daB der EWIV mit Sitz in Deutschland nur dort dauerhafter Erfolg beschieden sein wird, wo das deutsche Gesellschaftsrecht den Bedarf nach grenziiberschreitenden Kooperationsformen unvollkommen befriedigt. Dies ist im Bereich der freien Berufe der Fall. Die Erfolgsquote lieBe sich hier noch steigern, wenn der Vereinigung selbst die Wahrnehmung internationaler Mandate gestattet ware und wenn Freiberuflern und Sozietaten aus Drittstaaten die Mitgliedschaft in einer EWIV of­fen stiinde.

8.2 Insgesamt hat die EWIV nicht gehalten, was sich der Gemeinschaftsgesetzgeber da­von versprochen hat. Seine Vorstellung, wegen Ausstattungsdefiziten der nationalen Ge­sellschaftsrechte sei die Einfiihrung eines Kooperationsinstruments auf Gemeinschaftsebe­ne unerliilllich, hat sich weithin als Scheinargument erwiesen. Die rechtstatsachliche Ent­wicklung und die daran anschlieBende Ursachenanalyse haben gezeigt, daB nationale Al­ternativen den Bedarf an Kooperationsformen oft besser abdecken.

8.3 Auch bei Wahl einer EWIV ist nicht zu vermeiden, daB nationales Recht erganzend angewandt wird und damit die Partner, deren Recht nicht vereinbart ist, sich bis zu einem gewissen Grade einer fremden Rechtsordnung unterwerfen miissen.

8.4 Der Verbreitung der EWIV stehen bei aller Flexibilitat des Gesellschaftsstatuts die Rechtsquellenvielfalt, die Begrenzung auf den Forderzweck, die Beteiligungsverbote und die Mitgliederschranken entgegen. Die Eingrenzung ihres Einsatzfeldes auf grenziiber­schreitende Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinschaft und das Erfordernis der Mit­gliedschaft von Partnern aus verschiedenen Mitgliedstaaten der EG sind gewichtige Hemmschuhe fiir die Wahl einer EWIV. Zwar wird zu Recht versucht, durch eine groB­ziigige Auslegung die einengenden Schrankennormen zu entscharfen und dadurch das sachliche und personelle Anwendungsfeld der EWIV zu erweitern. Aber der rechtliche Webfehler ihrer protektionistischen Ausrichtung auf die Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinschaft laBt sich damit nicht vollig ausrnumen. Ebensowenig kann der verhiingnis­vollen Tendenz, Gesellschaftsformen des Gemeinschaftsrechtes zur Durchsetzung natio-

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88 Belke: Kooperationsinstrument EWIV

naler Schutzpolitiken, wie etwa der Unternehmensmitbestimmung einzusetzen, durch Auslegungskiinste Einhalt geboten werden.

8.5 In ihrer rechtlichen Ausgestaltung weist die EWIV das erhebliche Manko auf, daB die Mitglieder persOnlich und gesamtverbindlich - wie in einer OHG - fiir die Verbindlichkei­ten der EWIV einstehen miissen. Dazu kommt die nicht begrenzbare Vertretungsmacht der Geschaftsfiihrer. Bei dieser Faktorkombination liillt sich das Kooperationsrisiko mit auslandischen Partnern nicht mehr verlaBlich kalkulieren. Daran wird die Wahl einer EWIV meist scheitern. Auch aus steuerlichen Grunden ware es besser gewesen, ein Ko­operationsmodell mit Haftungsbeschrankungsmoglichkeiten - etwa nach Art der Genos­senschaft - ins Gemeinschaftsrecht zu iibernehmen.

8.6 Die Einfiihrung der EWIV gibt Anschauungsunterricht fiir die aktuelle Diskussion urn das Subsidiaritiitsprinzip im Gemeinschaftsrecht (Art. 3 lit d Maastrichter Vertrag). Unter diesem Aspekt ist die Schaffung europiiischer Gesellschaftsformen in Konkurrenz zur ein­zelstaatlichen Modellvielfalt kritisch zu betrachten. Das Nebeneinander von europiiischen und nationalen Formen fiihrt nicht nur zu einer schwer durchschaubaren Komplexitiit der Rechtsmaterie, sondern stOBt auch auf Bedenken im Hinblick auf die Kompetenzvertei­lung in der Gemeinschaft (Zum Parallelproblem der EinfUhrung einer Europiiischen Akti­engesellschaft, zuletzt Hauschka 1992, 147 ff, 148). Fiir den Gemeinschaftsbiirger diirfte der bisherige Weg, iiber Richtlinien die nationalen Gesellschaftsrechte anzugleichen, urn Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, mit mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit verbunden sein.

Eine zentralistische Gemeinschaftslosung ist fUr das Gedeihen des Binnenmarktes durch Kooperation nicht erforderlich und zweckmaBig. Es stellt eine Uberschatzung der Mittel des Rechts im Sinne seiner Steuerungs- und Gestaltungswirkung dar, mit der Zurverfii­gungstellung einer Kooperationsform das Zusammenwachsen der Markte stimulieren zu wollen. Ob es zu Kooperationen kommt, hangt in der Wirtschaftspraxis nur zu einem ge­ringen Teil von dem anwendbaren Gesellschaftsrecht abo Psychologische Hemmnisse, sich einer fremden nationalen Rechtsordnung unterwerfen zu miissen, werden Kooperati­onspartner nicht von der Wahl einer vorteilhafteren nationalen Kooperationsform abhal­ten.

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Page 100: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Meyer: Versicherungswirtschaft

Zur Lage der Versicherungswirtschaft im vereinten Europa

von

Prof. Dr. Ulrich Meyer Lehrstuhl fiir Volkswirtschaftslehre, insb. Mikrookonomie und Ordnungspolitik

Otto-Friedrich-Universitiit Bamberg

1 Die deutsche Versicherungswirtschaft in Zahlen

2 Die derzeitige Regulierung der deutschen Versicherungswirtschaft

3 Von der Niederlassungs- zur DienstIeistungsfreiheit

4 Harmonisierung versus Wettbewerb der Systeme

5 Die geplanten Regelungen zur Offnung der Versicherungsmarkte

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Page 101: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

94 Meyer: Versicherungswirtschaft

1 Die deutsche Versicherungswirtschaft in Zahlen

In der EG soIl am 01.01.1993 eine neue Qualitiit des gemeinsamen Marktes beginnen: Die Vollendung des Binnenmarktes, die Endstufe des freien Verkehrs fUr Menschen, Wa­ren, Dienstleistungen und Kapital soIl realisiert werden. Fur die Versicherungswirtschaft ist dieser Starttermin abweichend von der ubrigen Wirtschaft auf den 01.07.1994 festge­setzt.

Die Auswirkungen dieser Vollendung des Binnenmarktes auf die Versicherungswirt­schaft, die ja spezielle Dienst1eistungen produziert und anbietet, sind Gegenstand dieses Artikels. Dabei soIl insbesondere aufgezeigt werden, welche Probleme bei der an sich einfach erscheinenden MaBnahme "Offnung der Grenzen" auftreten konnen.

Zunachst soIl die deutsche Versicherungswirtschaft grob quantitativ beschrieben werden, wobei die Zahlenangaben sich auf das Jahr 1991 beziehen. Yom Sozialprodukt her ist die Versicherungswirtschaft ein relativ kleiner Sektor; sein Beitrag zum Bruttosozialprodukt betragt mit 30 Milliarden DM ca. 1.2 %. Das entspricht der GroBenordnung der Land­wirtschaft oder der Mineraiolverarbeitung. Auch hinsichtlich der Beschaftigung ist die Versicherungswirtschaft ein kleiner Sektor; in ihr arbeiten weniger als 1 % aller Erwerbs­tiitigen der Bundesrepublik Deutschland.

Volkswirtschaftlich wichtig ist der Sektor der Versicherungswirtschaft hinsichtlich seines Umsatzes. In Tab. I sind die Bruttobeitragseinnahmen der Versicherungsuntemehmen fUr das Jahr 1991 angegeben. In der Summe sind das 204 Milliarden DM (zum Vergleich: Steuereinnahmen des Bundes: 316 Milliarden DM, Steuereinnahmen der Bundeslander: 226 Milliarden DM). Die Tabelle zeigt, daB die Lebensversicherung die wichtigste Ein­ze1versicherung ist; zum Zweig Schaden- und Unfallversicherung gehort als groBte Mas­senversicherung der Bereich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungen, daneben gehO­ren die Industrieversicherungen in diesen Bereich.

Die weiteren Spalten der Tabelle enthalten die Bruttobeitragseinnahmen, die auslandi­schen bzw. EG-auslandischen Versicherungsuntemehmen zuflieBen. Ais auslandisch sind dabei Niederlassungen auslandischer Versicherungsuntemehmen und deutsche Versiche-

Versicherungszweig BBE davon auslindisch1 davon EO insgesamt BBE Anteil2 BBE Anteil2

Lebensversicherung 61,6 8,5 13,8 % 3,9 6,3 % Pensions- und Sterbekassen 5,4 -,- -,- % -,- -,- % Krankenversicherung 20,6 3,4 16,5 % 0,4 1,9 % Schaden- und Unfallvers. 79,8 10,7 13,4 % 4,9 6,1 % Riickversicherung 37,1 4,7 12,7 % 2,6 7,0 %

alle Versicherungszweige 204,5 27,3 13,3 % 11,8 5,8 %

Tab 1: Bruttobeitragseinnahmen (BBE) von Versicherungsuntemehmen in der BRO (1991) - Mrd OM -Quelle: BAV, Oeschiiftsbericht 1991, Berlin 1992

Page 102: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Meyer: Versicherungswirtschaft

Versicherungszweig Anzahl davon ausliindisch1 davonEG

insgesamt Anzahl Anteil2 Anzahl

Lebensversicherung 117 26 22,2 % 12 Pensions- und Sterbekassen 225 -,- -,- % -,-Krankenversicherung 62 3 4,8 % 2 Schaden- und Unfallvers. 345 111 32,2 % 72 Riickversicherung 28 5 17,9 % 4

aile Versicherungszweige 777 145 18,7 % 90

Tab. 2: Anzahlen von Versicherungsuntemehmen in der BRD (1991) QueUe: BAV, Geschiiftsbericht 1991, Berlin 1992

Anteil2

10,3 % -,- %

3,2 % 20,9 % 14,3 %

11,6 %

Versicherungszweig Kapital3 Kapitalertrag

Mrd. DM Anteil4 Mrd. DM Brutto-

verzinsungS

Lebensversicherung 493,6 63,1 % 36,5 7,7 % Pensions- und Sterbekassen 90,8 11,6 % 6,5 7,5 % Krankenversicherung 42,7 5,5 % 3,3 8,0 % Schaden- und Unfallvers. 98,4 12,6 % 7,8 8,2 % Riickversicherung 56,7 7,2 % 4,1 7,3 %

aile Versicherungszweige 782,2 100,0 % 58,2 7,7 %

1 Niederlassungen ausliindischer Versicherungsuntemehmen und deutsche Versicherungsunter-

2 3 4 S

nehmen, die mehrheitlich in ausliindischem Besitz sind. Prozentsatz, bezogen auf denjeweiligen Wert der Spalte "insgesamt" Kapitalbestand am lahresende Prozentsatz bezogen auf den Kapitalbestand aller Versicherungszweige Kapitalertrag bezogen auf jeweiligen mittleren Klipitalbestand in 1991

Tab. 3: Kapitalanlagen von Versicherungsuntemehmen in der BRD (1991) QueUe: BA V, Geschiiftsbericht 1991, Berlin 1992

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rungsuntemehmen, die mehrheitlich in ausliindischem Besitz sind, gewertet worden. In bezug auf die Bruttobeitragseinnahmen ist der Anteil ausliindischer Untemehmen mit 13 % bzw. der EG-Auslandsanteil mit 6 % relativ gering.

Tab. 2 enthiilt in derselben Untergliederung die Anzahlen von Versicherungsuntemehmen in der Bundesrepublik Deutschland. Mit 90 EG-ausliindischen Versicherungsuntemehmen ist das EG-Ausland, in dem es ca. 4 000 Versicherungsuntemehmen gibt, ausgesprochen schwach in der Bundesrepublik vertreten.

Eine ganz besondere Bedeutung kommt der Versicherungswirtschaft als Kapitalsammel­stelle zu (vgl. Tab. 3). Die Versicherungen verwalten Kapitalanlagen von ca. 780 Milli­arden DM. Das ist mehr als die gesamte Verschuldung des Bundes, die 1991 594 Milliar­den DM betrug. Diese Kapitalanlagen resultieren ganz iiberwiegend aus einem Sparvor­gang in der Kapitallebensversicherung (der dem Wesen nach nichts mit dem eigentlichen

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96 Meyer: Versicherungswirtschaft

Versicherungsvertrag zu tun hat). In den iibrigen Versicherungszweigen dienen die Kapi­talanlagen vor allem als Bedeckung der Riickstellungen fiir in der Zukunft abzuwickelnde Schadenregulierungen, der Schwankungsriickstellungen und der Riickstellungen fUr Bei­tragsriickerstattungen.

2 Die derzeitige Regulierung der deutschen Versicherungswirtschaft

Qualitativ ist der Versicherungsmarkt der Bundesrepublik Deutschland durch eine ausge­sprochen hohe Regulierungsdichte ausgezeichnet. Das ist in bezug auf die kommende Dienstleistungsfreiheit wichtig, da diese eine wesentliche Deregulierung mit sich bringen soll. Die Regulierungen werden in der Bundesrepublik Deutschland durch ein eigenes Amt, das dem Finanzminster unterstehende Bundesaufsichtsamt fUr das Versicherungswe­sen (BA V) mit Sitz in Berlin, iiberwacht. Die Regulierungen betreffen im wesentlichen folgende Punkte:

- Genehmigung zur Aufnahme des Geschiiftsbetriebs. Die Zulassung ist iihnlich wie im Bereich der Banken an eine gewisse finanzielle Mindestausstattung gekniipft, und an die Personen der Geschiiftsleitung werden gewisse Anforderungen gestellt.

- Einflu6 auf die Produktgestaltung. Das Versicherungsprodukt wird durch den Versi­cherungsvertrag erst definiert. Dabei spielen die dem Vertrag zugrundeliegenden All­gemeinen Versicherungsbedingungen (A VB) eine wesentliche Rolle. Dadurch daB sich das BA V die Genehmigung fast aller A VB vorbehiilt, nimmt es einen starken Einflu6 auf das Versicherungsprodukt.

- Einflu6 auf die Preisbildung. In den drei wichtigsten Bereichen des Privatkundenge­schiifts (Lebensversicherung, private Krankenversicherung, Kraftfahrzeug-Haftpflicht­versicherung) schreibt das BA V genaue Kalkulationsvorschriften vor und IMt sich alle Priimien und Priimienanpassungen (im vorhinein) zur Genehmigung vorlegen. Damit ist der Produkt- und der Preiswettbewerb im Versicherungsgeschiift stark einge­schrankt.

- Auflagen fUr die Kapitalanlage. Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) schreibt vor, daB die Kapitalanlage sicher, rentabel und liquide sein mu6. Dariiber hinaus enthiilt es eine Reihe von einzelnen Vorschriften, die z.B. bestimmen, welche Aktiva und in wel­chem Umfang sie (h6chstens) erworben werden diirfen. Diese Vorschriften dienen der Sicherheit der Kapitalanlage insbesondere durch Streuung.

- Auflagen fUr die Rechnungslegung. Diese Vorschriften betreffen zum einen die Aus­fUhrlichkeit der Angaben in der Bilanz (etwa die Tiefe der Gliederung) und zum ande­ren die Bewertungsvorschriften fUr die Kapitalanlagen.

- Solvabilitiitskontrolle. Das BA V soll drohende Insolvenzen von Versicherungsunter­nehmen im Vorfeld erkennen und nach Moglichkeit geeignete Abhilfe schaffen.

Diese starken Eingriffe in den Versicherungsmarkt werden begriindet mit dem Wesen der Versicherungsprodukte: "Sicherheit" erhalten die Nachfrager nach Versicherungsproduk­ten nur, wenn die dauemde ErfUllbarkeit der Versicherungsvertriige gewiihrleistet ist. Da­her mu6 insbesondere der Konkurs von Versicherungsuntemehmen verhindert werden. Auch die Allgemeinheit hat hieran ein Interesse, da ansonsten Versicherungsnehmer, die

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Meyer: Versicherungswirtschaft 97

wegen eines Konkurses ihres Versicherungsuntemehmens keine Leistungen erhalten (z.B. in der Lebensversicherung oder der Krankenversicherung), der Allgemeinheit zur Last fallen kOnnten. Ahnliches gilt flir geschadigte Dritte, etwa in der Kraftfahrzeug-Haft­pflichtversicherung.

3 Von der Niederlassungs- zur Dienstleistungsfreiheit

Gema6 der Niederlassungsfreiheit (die bereits seit 1973 in der EG realisiert ist, vgl. 1. Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, betreffend die Aufnahme und Ausubung der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversiche­rung), Abl EG Nr. L 228 vom 24.07.73, S. 3) besteht schonjetzt fur jedes EG-ausllindi­sche Versicherungsuntemehmen die Moglichkeit, in der Bundesrepublik Deutschland Versicherungspolicen zu verkaufen. Die ausllindische Versicherungsuntemehmung muS dazu allerdings eigens eine deutsche Niederlassung griinden; fiber diese kann sie dann -wie jede deutsche Versicherungsuntemehmung - Versicherungsvertriige in der Bundesre­publik anbieten. Fur ausllindische Versicherungsuntemehmungen ist das mit Schwierig­keiten (bohen Transaktionskosten) verbunden, da die jeweiligen deutschen Niederlassun­gen voll dem deutschen Recht, insbesondere der Regulierung durch das deutsche Bundes­aufsichtsamt flir das Versicherungswesen, unterliegen.

Ein franzOsischer Lebensversicherer z.B. kann demnach uber eine deutsche Niederlassung nicht einfach seine bestehende Produktpalette auch in der Bundesrepublik Deutschland an­bieten, sondem muS gesonderte Tarife eigens flir den deutschen Markt kalkulieren; er muS sich die Priimien dafur (im voraus) genehmigen lassen, Spezialisten beschaftigen, die die deutschen Rechnungslegungsvorschriften, die deutsche Rechtsprechung, die Rege­lungen flir die UberschuSgewinnbeteiligung, die Regelungen flir Ruckkaufswerte usw. kennen. Diese Probleme haben die meisten ausllindischen Versicherer davon abgehalten, den deutschen Versicherungsuntemehmen in der Bundesrepublik Konkurrenz zu Machen. Insofem bewirkt die Regulierung des Versicherungsmarktes nicht nur eine Einschrlinkung des Wettbewerbs der auf dem deutschen Markt aktiven Anbieter, sondem zusatzlich auch eine Abschreckung ausllindischer Konkurrenz.

fiber die Niederlassungsfreiheit hinaus soIl die kommende Dienstleistungsfreiheit das grenzuberschreitende Angebot an Versicherungsleistungen wesentlich vereinfachen (vgl. 3 Richtlinie zur Schadensversicherung Abl EG Nr. L 228 vom 11.08.92, S. 1): EG-aus­llindische Versicherer sollen ihr im Ausland vertriebenes Versicherungsprodukt unverlin­dert in der Bundesrepublik anbieten durfen. Dadurch wurden die Markteintrittsbarrieren wesentlich herabgesetzt.

4 Harmonisierung versus Wettbewerb der Systeme

Zu Beginn der Debatte uber die Dienstleistungsfreiheit herrschte die Auffassung vor, eine derartige Freizugigkeit setze eine Harmonisierun~ der wesentlichen Rahmenbedingungen, etwa der nationalen Versicherungsrechtsgrundlagen, voraus. Weil namlich das Versiche­rungsprodukt durch das Versicherungsrecht gepriigt wird, flihrt national unterschiedliches

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98 Meyer: Versicherungswirtschaft

Recht zu unterschiedlichem Versicherungsschutz, ohne daB das dem Versicherungsneh­mer jeweils in vollem Umfang klar sein kann.

Das Beispiel einer Feuerversicherung fUr ein Einfamilienhaus soli das verdeutlichen: Bei Eintritt des Schadenfalls (Abbrennen des Gebiiudes) mogen in der zum Gebiiude gehoren­den Garage zwei gefUlIte Benzinkanister lagern. Abhiingig yom Recht desjenigen Landes, nach dem dieser Schaden zu regulieren ist, ergeben sich unterschiedliche Leistungen der Versicherung. In England beispielsweise ware wegen der unzuliissigen Lagerung des Ben­zins keine Versicherungsleistung fallig, in Frankreich wiirde die Versicherungsleistung wegen Unterversicherung gekiirzt, da das durch die Lagerung von Benzin erhohte Risiko erhOhte Priimien erfordert hiitte, in Deutschland ware die Versicherungsleistung hingegen von der ursachlichen Beteiligung des gelagerten Benzins am entstandenen Schaden ab­hiingig.

Bei dieser Rechtslage ist es fiir den Versicherungsnehmer nicht moglich, eine sinnvolle Wahl zwischen den Versicherungsangeboten aus unterschiedlichen Uindern zu treffen. Wenn der Versicherungsnehmer sich bei seiner Entscheidung am Preis orientiert, wird er tendenziell den geringsten Versicherungsschutz erwerben. Dies sind natiirlich nicht die von dem innerhalb der EG angestrebten erhOhten Wettbewerb erhofften posiviten Konse­quenzen fUr den Verbraucher.

Der Versuch der inhaltlichen Harmonisierung des Versicherungsvertragsrechts dauerte ungefahr zehn Jahre. Ein Richtlinienentwurf der EG-Kommission yom 10.07.1979 wurde bis 1988 beraten, ohne daB der EG-Ministerrat sich auf eine zu verabschiedende Version hiitte einigen konnen. Inzwischen hat man den Versuch einer inhaltlichen Harmonisierung aufgegeben und setzt statt dessen auf Liberalisierung.

Dieser Ansatz folgt dem Weg, den der Europaische Gerichtshof der Gemeinschaft in mehreren Urteilen gewiesen hat (z. B. in bezug auf das deutsche Reinheitsgebot fUr das Bier). Dabei geht es urn das folgende grundlegende Problem: Wenn die einzelnen Mit­gliedstaaten der EG in bezug auf einzelne Giiter (z.B. Bier) unterschiedliche Auffassun­gen dariiber haben, welche Anforderungen an das Produkt zu stellen sind (z.B. Reinheits­gebot), dann darf diese Unterschiedlichkeit in den Auffassungen nicht zu einer Behinde­rung des Warenverkehrs fUhren. Es gilt vielmehr der Grundsatz, daB ein Gut, das in ei­nem Mitgliedsland zugelassen ist, auch in allen anderen Mitgliedstaaten angeboten wer­den darf. Von diesem Grundsatz darf nur abgewichen werden, wenn in bezug auf ein be­stimmtes Produkt in einem Mitgliedstaat ein zwingendes Allgemeininteresse die Einhal­tung spezieller Anforderungen erforderlich macht.

In bezug auf den Versicherungsmarkt fiihrt dieses Prinzip dazu, daB der Verbraucher trotz der groBen damit fUr ihn verbundenen Informationsprobleme mit den unterschiedli­chen nationalen Versicherungsprodukten konfrontiert werden wird. Dabei wird Harmoni­sierung durch Wettbewerb auf zwei Stufen ersetzt:

(I) Zum einen herrscht Wettbewerb zwischen den Unternehmen (innerhalb der einzelnen Staaten und grenziiberschreitend). Dabei werden Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen aus verschiedenen Staaten, die von unterschiedlichen Aufsichtssyste­men und unterschiedlichem Versicherungsrecht in den einzelnen Staaten herriihren, bewuBt in Kauf genommen.

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Meyer: Versicherungswirtschaft 99

(2) Diese Wettbewerbsunterschiede fiihren zum anderen zu einem Wettbewerb der Syste­me, wie an folgendem Beispiel erliiutert werden solI: In Land A werde eine sehr libe­rale Versicherungsaufsicht praktiziert und es mogen groBziigige Regelungen iiber zu­liissige Kapitalanlageformen existieren. In Land B moge demgegeniiber eine strenge Versicherungsaufsicht bestehen mit engeren Grenzen fiir die Kapitalanlage. Dadurch konnen die Versicherungsuntemehmen aus Land A hohere Renditen erwirtschaften, was sich in geringeren Pramien niederschlagen kann, allerdings wird auch die Kon­kursgefahr fiir Untemehmen aus Land A groBer sein als fiir die aus Land B. Wenn nun die Versicherungsnehmer die Konkursmoglichkeit der Versicherungsuntemeh­men in Land A starker bewerten als die hoheren Renditen/geringeren Pramien dieser Untemehmen, so werden sie sich tendenzielI den Versicherungsuntemehmen von Land B zuwenden. Da das eine Benachteiligung der Untemehmen aus Land A dar­stelIt, wird sich die Versicherungsaufsicht in Land A liingerfristig den Verbraucher­wiinschen durch eine schiirfere Beaufsichtigung anpassen.

Durch diesen Wettbewerb der Systeme in bezug auf die Versicherungsaufsicht wie auch in bezug auf das Versicherungsrecht kann sich so auf Dauer eine relative Harmonisierung ergeben, und zwar nicht "von oben", also per EG-Richtlinie, sondem "von unten", d.h. iiber den Markt, durch die Versicherungsnehmer.

Das Funktionieren dieses Wettbewerbs der Systeme, in dem gewissermaBen der Markt entscheidet, welche Art der Versicherungsaufsicht und des Versicherungsrechts sich durchsetzt, stelIt allerdings an die Entscheidungsfindung der Verbraucher hohe Anforde­rungen: Der Versicherungsnehmer, der sich etwa in der Lebensversicherung fiir die nach­sten 30 Jahre einer Untemehmung anvertrauen will, muB abschiitzen, welches Aufsichts­system (z.B. in England, in der Bundesrepublik, in Portugal) am effizientesten die Si­cherheit seiner etwa als Altersversorgung gedachten Kapitalanlagen garantiert. Offen­sichtlich ist er damit in aller Regel iiberfordert.

Hinzu kommt, daB er sich auch in bezug auf die angebotenen Versicherungsprodukte (be­dingt durch die unterschiedlichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen und durch un­terschiedliches Recht) einer groBen Vielfalt gegeniiber sieht. So muB er sich vor seiner Kaufentscheidung beispielsweise dariiber informieren,

- was eine Feuerversicherung in den verschiedenen EG-Liindem abdeckt (vgl. oben),

- wie UberschuBverwendung und Riickkaufswerte der Lebensversicherungen in den ver-schiedenen EG-Liindem geregelt sind,

- ab welchen Windstarken in den verschiedenen EG-Liindem in der Sturmversicherung Wind als Sturm gilt. (Die Liste lieBe sich beliebig fortsetzen.)

Die theoretisch bestechende Idee des Wettbewerbs der Systeme scheitert also in der Pra­xis an den Informationserfordemissen fiir den Versicherungsnehmer; die fehlende Markt­transparenz schriinkt die selektierende Wirkung der Konsumentensouveriinitiit ein.

5 Die geplanten Regelungen zur Offnung der Versicherungsmarkte

Die vorgesehenen Bestimmungen tragen diesem Problem in gewissem Umfang Rechnung. Beziiglich der Versicherungsaufsicht gibt es ein gewisses MaB an Harmonisierung. So

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100 Meyer: Versicherungswirtschaft

miissen etwa im Zuge der Vereinheitlichung die Vorabgenehmigungen der AVB und der Priimien, die bisher yom BA V vorgenommen werden, entfallen, und es gibt eine Richtli­nie des Rates iiber den IahresabschluB und den konsolidierten AbschluB von Versiche­rungsuntemehmen (Abl EG Nr. L 374 yom 19.12.1991, S. 7). Allerdings bleiben den einzelnen Staaten erhebliche Spielraume beim Umsetzen dieser Richtlinie in nationales Recht.

Mit diesen MaBgaben und trotz der verbleibenden Unterschiede gilt fUr die Versiche­rungsaufsicht das Sitzlandprinzip. D.h. jede Untemehmung unterliegt der Versicherungs­aufsicht des Landes, in dem es seinen Sitz hat, unabhlingig davon, in welchen Llindem die Untemehmung ihre Versicherungsprodukte anbietet. Ieder Staat erkennt also die Ver­sicherungsaufsicht jedes anderen EG-Staates an.

Beziiglich des anzuwendenden Versicherungsrechts sind zwei Falle zu unterscheiden: Fiir sogenannte GroBrisiken, also Versicherungsvertriige mit Untemehmen einer bestimmten Untemehmensgr0J3e, gilt eine gewisse Rechtswahlfreiheit: Es kann das Versicherungsver­tragsrecht des Sitzlandes der Versicherung oder des Landes, in dem das versicherte Risi­ko belegen ist, vereinbart werden. Dahinter steht die Vorstellung von gleichberechtigten Vertragspartnem, die sich auf das anzuwendende Recht einigen, wie sie fUr Untemehmen im Unterschied zum Privatkundengeschaft durchaus gerechtfertigt ist. Hier findet also ein Wettbewerb der Systeme in der oben beschriebenen Weise statt.

Fiir das sogenannte Massengeschaft mit Privatkunden gilt andererseits das Belegenheits­prinzip. d.h. es gilt das Versicherungsvertragsrecht desjenigen Mitgliedstaates, in dem das versicherte Risiko belegen ist. Insoweit ist ein Wettbewerb der Systeme in bezug auf das Versicherungsrecht ausgeschlossen, da der Nachfrager im Massengeschaft keine Wahlmoglichkeit zwischen verschiedenen Rechtssystemen hat.

Fiir die Wettbewerbsintensitat haben diese Regelungen wesentliche Konsequenzen: Wenn nach In-Kraft-Treten der Dienstleistungsfreiheit in der Versicherungswirtschaft am 01. 07.94 die ausllindischen U ntemehmen zumindest im Massengeschaft das deutsche Versicherungsrecht beach ten miissen, dann brauchen die deutschen Versicherer die aus­llindische Konkurrenz kaum mehr als bisher zu fiirchten. Denn bei Giiltigkeit von zwolf unterschiedlichen Versicherungsvertragsrechten innerhalb der EG bestehen nach wie vor fUr exportwillige Versicherungsuntemehmen wesentliche Markteintrittsbarrieren fiir die ausllindischen Markte. Zudem sind zur Zeit Gesetzgebungsbestrebungen im Gang, die zum Ziel haben, Elemente der Regulierung im Versicherungswesen, die bisher von der Versicherungsaufsicht wahrgenommen wurden, in das deutsche Versicherungsvertragsge­setz zu implementieren. Das ist teilweise sicherlich berechtigt und dient z.B. in der priva­ten Krankenversicherung ganz unstrittig den Interessen der Verbraucher. Es ist aber vor allem auch im Interesse der deutschen Versicherungswirtschaft, die dadurch vor auslandi­scher Konkurrenz geschiitzt wird.

Dieser letzte Effekt ist nicht erstaunlich. 1m Rahmen der Beratungen tiber neue Gesetze und Verordnungen beziiglich der Versicherungswirtschaft sitzen stets die Verblinde der Versicherungsuntemehmen mit am Verhandlungstisch oder werden als Experten gehort. Das Verbandsinteresse ist aber in der Regel auf eine Situation gerichtet, die moglichst wenig Wettbewerb unter den Verbandsmitgliedem mit sich bringt und nach Moglichkeit die Konkurrenz auslandischer Anbieter ausschlieBt.

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Meyer: Versicherungswirtschaft 101

So ist es wohl weniger der deutsche Verbraucher, der sich Sorgen maeht iiber das Rein­heitsgebot fiir das deutsche Bier, sondem es sind eher die deutschen Brauereien, die das Reinheitsgebot (zumindest aueh) aus Angst vor der Auslandskonkurrenz hochhalten. Ent­sprechend sind es nieht die Versieherungsnehmer, die in den verschiedenen Staaten der EG so untersehiedliehe zu schiitzende Interessen hatten, daB eine Harmonisierung des Versieherungsrechts nieht moglieh ware. Es ist vielmehr anzunehmen, daB in die Ver­handlungen iiber eine Harmonisierung des Versicherungsrechts die Argumentation der Versicherungswirtschaft Eingang gefunden hat, die - zwar nieht offen, sicherlieh aber der Intention nach - auf eine Absehottung gegeniiber ausliindiseher Konkurrenz geriehtet ist.

Zusammenfassend Hillt sich feststellen, daJ3 die deutschen Versicherungsuntemehmen naeh Einfiihrung der Dienstleistungsfreiheit im Versicherungswesen wohl - zumindest in der kurzen Frist - nieht iibermaBig unter dem neuen EG-weiten Wettbewerb zu leiden ha­ben werden. Von Seiten der Verbraueher ware hingegen zu wiinsehen, daJ3 sich auf Dau­er ein solches Verhiiltnis zwischen Produktdifferenzierung und Produktnormierung (und damit Markttransparenz) einstellt, das den Wettbewerb in seinen statisehen und dynami­sehen Funktionen zur vollen Entfaltung seiner wohlfahrtserhohenden Krafte bef3.higt.

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Wenzel: German Reunification

Economic and Fiscal Aspects of German Reunification and Lessons for European Integration-

von

Prof. Dr. Heinz-Dieter Wenzel Lehrstuhl fUr Volkswirtschaftslehre, insb. Finanzwissenschaft

Otto-Friedrich-Universitat Bamberg

1 Introduction

2 From a Command Economy to a Market Economy

3 Macroeconomic Results of the Reunification 3.1 Wealth 3.2 Income and Purchasing Power 3.3 Production 3.4 Employment 3.5 Productivity 3.6 Money Supply and Inflation 3.7 Foreign Trade and Current Account 3.8 The Capital Market

4 West-German Financial Assistance for the "New Lander"

5 The Financial Burden for the Public Budgets

(; Which are the lessons of German Unification for the transformation process in Eastern Europe and for the European Integration?

103

The effects of the German economic reunification on important macroeconomic determi­nants of the economy will be analysed in view of the burden on and strain of the public budgets. It will be shown that - in comparison to other Western industrial countries - the consolidated financial situation of the public budgets in the "Old Under", and the superb conditions on the German capital market, form a solid base for a major temporary in­crease of public debt to finance the reunification. This is the reason that the german way of transforming a socialist economy into a market economy can't be an example for east­ern european countries and european integration as well.

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1 Introduction

Shortly after the economic unification of the two German States as a result of the Eco­nomic, Monetary and Social Union (1. July 1990) and after the Political Union (3. Octo­ber 1990) came into force, one had to acknowledge that even pessimistic assumptions a­bout the condition of the East-German economy were still too optimistic. It was not sur­prising that the socialist command economy would leave an economically desastrous situ­ation, and that the standard of leaving was rather low compared to Western countries. But that the misallocation of labour, capital, and environment would have such a devastating effect on the infrastructure, nature, capital stock, productivity, housing, and energy sup­ply was not anticipated by the observers. Beside these uncovered physical defects there are the hidden psychological ones, the result of 40 years of totalitarian state leadership. A lack of entrepreneurship and self-confidence is all too present in the "New Uinder". To accomplish the German Union does not only mean to equalize the material conditions of living (as demanded in Art. 106 of the Constitution) but to create an immaterial, humane Union.

How much of the work effort of one generation can be used economically? In my opin­ion, if one looks at the stock of real capital, not much. This is a strange result if one takes into account that the National Account of the GDR displayed a higher investment ratio (20%) in the 80s than the comparable figure in the FRG. But obviously this is the reality, reflected by the meagre privatization receipts gained by the Treuhand. The situa­tion in the case of human capital is not as bad, though there needs to be something done here as well.

Still, a positive aspect are the experiences gained by forty years of Socialism in East-Ger­many. If one exaggerates somewhat, it can be learned that justice cannot be reached through equality, solidarity not through compellence, and material welfare not without in­centives and rewards for individual achievements. And, if one looks at the Western coun­terpart of this socialist experiment on German soil, it is evident that despite similar condi­tions at the start, the market-oriented economy of the FRG has achieved a high individual welfare and even higher social solidarity, based on individual egoism rather than altru­ism.

The importance of this comparison of two different economic orders for the world econo­my can be emphasized if one focuses his attention on the economic pressure for adapta­tion burdened on the socialist-oriented economies of many African and Latin American developing nations.

Another important lesson for the future could be that the success of system change, e.g. in Eastern Europe, depends to a great extent on a strict and rapid implementation of mar­ket principles, and not on a slow adaptation or even a mixture of economic orders. To show the superiority of a market economy is one important task for the German economic policy. If the economic realization of German unity would be unsatisfying despite the su­perb conditions in terms of material and human resources, it would be a major drawback for the model of a market economy and would give support to the forces trying to find a solution in the modification, not abandonment of a command economy.

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Wenzel: German Reunification 105

2 From a Command Economy to a Market Economy

As far as I know, their exists no economic theory able to act as a guide in the transforma­tion process from one economic order to another. In my view, one should not implement the new order in stages but as early as possible. This means that the way the Economic, Monetary, and Social Union has been brought into force (1.7.1990) seems to be the right one, if one takes in account the political, social and economic pressures. Sometimes the after-war situation in Germany is seen as an analogy to the current task. In these days the economy was centrally-planned to produce the goods needed to lead a war. After the war the economy had to be restructured to fulfil the requirements of a situation of peace. Transformation concepts were brought forward especially by the study group Erwin Beckarath, one of the so called "Freiburger Kreise" (Schulz 1990, 998-1015). Their re­ports, written 1942 - 1944 propose certain measures how to transform successfully the e­conomy. They included the theoretical backbone for the re-ordering of the after-war e­conomy, written by famous economists, like Heinrich von Stackelberg, Walter Eucken and Erwin Preiser.

Together with the publication of Miiller-Armack's "Wirtschaftslenkung und Marktwirt­schaft" (Hamburg 1947) and Ludwig Erhard's "Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsoli­dierung" (Frankfurt u.a.O. 1977), these writings formed the concept of a Social Market Economy (Soziale Marktwirtschaft).

Today, though one complains about a deficit in transformation theory, the situation is dif­ferent. In comparison to the post war period, the instruments of a Social Market Econo­my have been tested and further developed. They simply have to be implemented. Hence, the search for a transformation theory is often rather an excuse for economic-policy inac­tivity, resulting from a lack of knowledge about the working of a market economy.

The basic principles of a market economy have been formulated by Eucken in his "Grundsatze der Wirtschaftspolitik" (Tiibingen 1952), namely:

- Private Property

- Competitive Pricing

- Open Markets

- Contractual Freedom

- Liability

- Stable Economic Policy.

This does not mean that there exists no need for the regulating principles of a competition law. These regulations have to be developed if the principles named above are not ac­cepted by the private economic actors. Examples are the Laws protecting private property and ensuring contractual liability , or the ones preventing uncompetitive behaviour of mar­ket participants.

These kinds of regulations are necessary if individual and collective rationality are not consistent. Such a "rationality trap" can be the result of uncomplete-defined property rights or non-existent markets. Important examples are external effects and public goods.

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The socialist axiom of "people's property" (Volkseigentum) is one example for a rational­ity trap: the lacking individual property rights lead to an over-exploitation of the col1ec­tive resources, e.g. the environment.

Beside the necessary allocative regulations there exists a second category which is not based on efficiency but on social justice. Distributive regulations encompass the insurance of human basic needs. While the principles of a market economy have been implemented in the former GDR by the Monetary Union (1.7.1990), parallel1y the distributive regula­tions were brought into force to insure the Social Union, too. As by the "Monetary Re­form" after the war (20.6.1948), a centrally-planned economy characterized by:

- Rationing of Food

- Administered Distribution of Resources

- Price and Wage Controls

- External Trade Restiction

was replaced by a market economy. In 1948 the Americans were sceptical about the chances of success, in 1990 many economists warned that East-Germany will become the poorest part of Europe (StreiBler 1990).

3 Macroeconomic Results of the Reunification

If one looks at the development since July 1990, the warnings seem to be far exaggerated.

3.1 Wealth

In 1990 a large distibution of wealth from West-Germany into the "New Uinder" took place (see Wenzel/Kel1ermann 1991, p. 29). Because of a very favourable exchange rate for the East-German households, the citizens of the former GDR enjoyed, for the first time, real purchasing power and unrestricted consumer sovereignty. The part of the new­ly gained purchasing power which is spent for purchases of goods from the West of Ger­many or other countries, leads, directly or indirectly, to a distribution of goods from the West to the East of Germany. Even if the consumer sovereignty does not lead to higher spending this still means a welfare-increasing, voluntary saving. In comparison to the forced saving characteristic of a command economy because of a shortage of goods, vol­untary saving in a market economy increases tomorrow's consumption possibilities.

If one takes into account that after the Monetay Union the average money wealth of a household in the "New Under" totaled DM 30,000 then this is more than the monetary wealth of many West-German households. The sum of DM 30,000 was calculated by di­viding the increase of the money supply (M 3), DM 180 billion, by 5 million households in the East, and subtracting DM 30 billion company wealth, which were exchanged for 60 billion East-Mark at a rate 1:2.

This hypothesis of wealth distribution is doubted by some observers, some of whom even talk of exchange losses (see Sinn/Sinn 1991, p. 53) occuring because not all savings of

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Wenzel: German Reunification 107

the households were exchanged 1: 1. But if the hypothesis is interpreted as gained accessi­bility to Western goods then there can be no doubt anymore that every household in the "New Under" got a potential additional stream of Western goods because of the Mone­tary Union!. That this new disposition over goods has been used extensively is displayed e.g. by the increasing number of registrated cars manufactured in West-Germany and other industrial countries.

The wealth distribution in the housing sector is more favourable for the "New Under" compared to the West. It was calculated by the Institute for Market Research in Leipzig (see FAZ, Nr. 245, 22.10.1991) that e.g. in Thiiringen 44% and in Brandenburg 42% of the residences are owned by the inhabitants, while in the "Old Under" this ratio is lower, e.g. in Nordrhein-Westfalen less than 33%. Furthermore, in East-Germany most self­owned residences are one-family house, while in the West flats are far more common. Considering that the number of one-family houses is approximately more than 2 million, the wealth of East-German households rises considerably because of the reunification.

3.2 Income and Purchasing Power

The income situation for the "New Lander" cannot be viewed very positively. The aver­age wages e.g. in the processing trade (verarbeitendes Gewerbe) were only one third of the comparable West-German number in the first half of 1990. Since then the wages have been rising rapidly. The wages paid in the first half of 1992 reach 60% of the ones in the West. In some collective wage agreements it has been postulated to equalize West- and East German wages till 1994.

This development was accompanied by a rise of the consumer's price index ("cost-of-liv­ing index"). The consumer price rose in the first nine month after the reunification with a rate of 12% (see Wenzel/Kellermann 1991, p.lO). At the end of the first half of 1989, the costs of living, measured by the consumption structure of 1989 (which is still relevant for the price statistics)2, were 17,5% higher than one year ago, and in the average of 1989, 15% higher (see DBBank 1991, Monatsbericht September, p. 38).

The consumer price index shows only one aspect. If one looks at the purchasing power of income for an East-German market basket of goods, then it can be seen that this has been rising quickly since July 1990. The purchasing power decreases in relation to the rising consumption of high-quality West-German goods and services by the East-Germans. Fur­thermore, the loosening of former administered prices, e.g. housing rents and energy, and the inclusion of former rationed goods into the market basket cause the purchasing power to fall, too. But as a whole the real income of the East Germans has increased since the Economic, Monetary and Social Union was brought into force, i.e. the purchas­ing power has risen, parallel to an improvement in the supply of goods. Calculations done by the "Institut der Deutschen Wirtschaft" indicate that in the period April 1990 to April 1991 the incomes rose by 65% while the increase of prices amounted only to 14% (see IWD No. 37, 12.9.1991, p. 6). The group gaining the highest rise of purchasing power are the pensioners because of several adaptations of pensions. From a distribution­al point of view this has to be welcomed as this group has suffered most and will not live long enough to gain substantially by the new supply of goods.

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3.3 Production

In opposite to the income situation of the households the trend in the East-German pro­duction has been negative. Even at the time before the Monetary Union came into force it was 10% lower than in the preceding year (see OECO 1991, p. 40).

After the introduction of the Monetary Union a dramatic slump occured. The industrial production shrunk by 40% within two months and is still very low. As this sector's (in­dustry and craft) contribution to the National Income amounts to 75 %, its influence on the development of GOP is high. The GOP was calculated as OM 230 Million in 1990 (see Wenzel/Kellermann 1991, p. 41) and fell to OM 190 billion in 1991 (see BMW! 1992, Tagesnachrichten Nr. 9823/92).

The results put forward in the following Figure 1 are based on an projection of the OIW, and seen to be in accordance with current estimates, indicating that the gross production in 1991 was about 20% lower than in the preceding year.

160,00

140,00

120,00

100,00

80,00

60,00

Industry

40,00 Services and government sector

20,00 Trade and transport

0,00 ~=====::=======~==~====~==~ 1. Hi. 2. Hi. 1. Hi. 2. Hi. 1. Hi. 2. Hi.

1989 1990 1991

Fig. 1: East-Gennany: Gross Value Added by Economic Sectors in Current Prices Source: DIW (1991). Wochenbericht 12/91. p. 138

The main reasons have been the high level of costs in relation to productivity - enhanced by the high exchange rate of the Monetary Union -, the low product quality compared to Western standards, and the collapse of the COMECON, the main export market for East­German products.

On no account has the aggregate demand been responsible for the declining production. Because of the high transfer payments flowing from West to East in the second half of 1990, adding-up to OM 30 billion, one third of half-year's GNP, aggregate demand was far bigger than GNP.

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Wenzel: German Reunification 109

The domestic demand of the "New I.1i.nder" was bypassing the East production - because of a lacking elasticity of supply - and bought primarily West-German products and im­ports (see OECD 1991, p. 44). As a consequence the West-German economy experienced a two percentage-points higher growth rate of GNP in 1990, namely 4,6%. At that time, many other industrial countries were in an economic recession, e.g. USA and UK. As can be seen in Table 1, West-Germany has the highest growth rate of the important Euro­pean economies in 1990, and of the rest of the world only Japan has had a higher GNP increase (6,1 %). In 1991, the growth rate in West Germany is lower, 3,2%, but still higher than the average of the other Western countries.

Trend 1989 1990 1980-1989*)

Western Europe 2,2 3,2 2,8

France 2,0 3,7 2,6 Germany 1,8 3,3 4,7 Italy 2,3 3,2 2,5 United Kingdom 2,6 2,1 0,5 [Total above] [2,2] [3,1] [2,9]

Austria 1,8 4,0 4,5 Belgium 1,7 4,0 3,9 Denmark 2,3 1,2 1,0 Finland 3,3 5,2 0,3 Greece 1,5 2,8 1,2 Ireland 2,5 5,9 5,0 Netherlands 1,5 4,0 3,2 Norway 3,1 1,2 1,8 Portugal 2,3 5,4 3,9 Spain 2,6 5,0 3,5 Sweden 2,1 2,1 0,3 Switzerland 2,1 3,5 2,7 Turkey 4,9 1,6 9,0 [Total above] [2,4] [3,5] [3,0]

North America 3,0 2,5 1,0

Canada 3,2 3,0 1,1 USA 3,0 2,5 0,9

Total above 2,7 2,8 1,8

Memorandum item: Japan 4,0 4,9 6,1

Total above including Japan 2,9 3,1 2,4

*) Trendgrowtb rate estimated by fitting an exponential time trend to GDP data.

Tab. 1: Annual Percentage Changes of GDP Source: United Nations (1991), Economic Survey of Europe in 1990-1991, p. 17

Page 116: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

110 Wenzel: German Reunification

The expansion of aggregate demand led to large spill-overs on Western industrial coun­tries, especially for the ones depending on the German market for their exports.

In Table 2 it can be seen that Austria gained most, its growth rate rose to 4,5 %. But for Switzerland the German demand for Export was influential, too. In November 1990, the exports to German were 18% higher than in the preceding month. With a 20,6% share of all Swiss exports (average 1988/89) the German increase in imports caused the exports to rise by 4,7% from 1989-90, and prevented a bigger reduction in the growth rate for 1990 than 0,1 %. In comparison the 1990 growth rate of Swiss import (4%) lagged 1,5% be­hind the 5,5% of 1989 (see United Nations 1991, p. 17).

Relative impor- German import growth in 1990**) tance of German

Origin markets*) Q-III October November

Austria 34,7 14,9 14,5 24,5 Belgium 19,3 12,1 30,9 32,5 Denmark 16,5 23,3 34,1 39,3 France 16,2 15,2 11,8 19,5 Italy 17,5 16,9 10,7 28,9 Netherlands 24,7 8,7 20,1 26,4 Portugal 15,2 17,0 4,5 38,8 Spain 11,9 29,9 32,5 36,8 Sweden 12,4 5,5 -3,5 15,7 Switzerland 20,6 17,5 10,4 18,1 United Kingdom 11,8 7,1 9,5 20,1

CSFR ... 6,0 -1,6 12,0 Hungary ... 22,8 9,3 26,6 Poland ... 57,0 60,0 66,7 USSR ... 3,3 -1,2 10,0

*) Average share of German market in the total exports of each country in 1988-1989 **) Percentage change over corresponding period of previous year. Imports valued at current prices in

Deutschmarks (special trade)

Tab. 2: Germany: A "Growth Locomotive" in 1990 Source: United Nations (1991), Economic Survey of Europe in 1990-1991, p. 17

Especially in the second half of 1990, the import of foreign goods to Germany from countries like Poland, Spain, and Portugal boomed. Hence Germany had performed the role of a "growth locomotive", with great benefits for other countries, i.e. positive exter­nal effects of the German reunification on the world economy.

3.4 Employment

The diverging trends in production in East and West Germany is reflected by the situation on the labour market. In the "Old Lander", the number of employees rose continously from 1984 to 1990 - predominantly with increasing year to year changes, as can be seen in Figure 2.

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Wenzel: German Reunification

1000

800

600

400

200

o

-200

-400

1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992

Fig. 2: Development of Employment in the "Old Llinder" (annual changes in thousands) Source: Data of Deutsche Bundesbank, Monthly Report May 1993 and Statistisches Bundesamt

111

In 1990 the number of employed persons increased by almost 800 thousand. That the number of unemployed fell only by 200 thousand - see Figure 3 - highlights the fact that many evacuated and removed people have strengthened the supply of labour.

2400

2200

2000

1800

1600

1400 ............................ _ .... _ .. .

1200

1000

800+---+---+---+---+---+---+---+---+---+---+---+-~

1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992

Fig. 3: Unemployment in the "Old Llinder" (in thousand) Source: Statistisches Bundesamt (1988, 1992), Statistische lahrbiicher 1988 and 1992,

Deutsche Bundesbank, Monthly Report May 1993

This trend continued in 1991. The employment was in August 1991 in the West higher by 740 thousand persons compared to the year before, including 400 thousand East-West commuters. As a whole, in the seven years since 1985 approximately 3 million jobs have

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112 Wenzel: German Reunification

been created, with the result that in the fourth quarter of 1991 the number of employed rose to an unprecedingly high niveau of 29.4 million in the West, while the unemploy­ment ratio fell down to 4.7%.

In East Germany the number of employed persons have been decreasing strongly. From the 9.8 million !obs counted in the GDR in September 1989 only 6 million are left in September 1991 .The unemployment has been risen continuously from the Economic, Monetary and Social Union till July 1991. Since then it decreased slightly and amounted to 1.04 million in December 1991. The figure for Germany as a whole was 2.77 million unemployed of the end of 1991.

2500 .-.-.-............ -.-.-.-... -.......... -.-.-.-............ -.-.-.-.-............ -.-.-.-............ -.-.-.-............ -.-.-.-.-............ -.-.-.-............... -.-.-............... -.-.-.-.-............ -.-.-.-.......... .

People on short-time working, New Federal States 2000 ._--.... :="""'""~ .. -. _._ .................. _ .... _._ ............ _._._._ ............... _._._._ ............ _._._._ ............ _._._._ .......... .

1500 .. _. __ ............. V.!J.!!.mp.!Qy.!!Q,N!lw .. !:!lc:l!![!I.! ... s..~!!~!l.~L._._ ............ _._ .... _._ ............ _._._ ........... ____ ........... _._._. __ .

1000 .-.-.-............... -.-.-............... -.-.-.-............ -.-.-.-.-............ -.-.-.-............... -.-.-.-... . Unemployed, Old Fe.;:de:::.ra:::.I;:S:::ta:.:{te:;:s--'=I---Q--<1

500

o +--+--+--+--+--+--r--+--r--+--r--+~r-~~~~~--1-~ 8 9 10 11 12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1 2

1990 1991 1992

Fig. 4: Unemployment in Germany (in thousand) Source: Data of Deutsche Bundesbank, Monthly Reports November 1991, May 1992 and 1993

As is emphasized by Figure 4, the number of short-time jobs in the "New Under" rose heavily. Since the peak in April of more than 2 million they decreased to approximately one million in December 1991. But one should bear in mind that of the 550 thousand new jobs in 1991, 60% have been subsidized (ArbeitsbeschaffungsmaSnahmen) by the job centre (Arbeitsamt) (see IWD No. 42, 17.10.1991, p. 3). If one adds short-time jobs and unemployment together, as short-time work often means no work at all, the result is an unemployment ration of 11,8% or 2 million in December 1991.

In the Autumn report 1991, the five leading economic research institutes in Germany esti­mate for 1992 in East Germany a further increase of unemployment to 1,4 million and a decrease of short-time workers to 0,75 million (DIW 1992, Wochenbericht 16-17/92). The rise of unemployed persons in January by 300 thousand seems to verify this projec­tion. But that the decrease of short-time workers by 500 thousand was higher than the in­creasing number of unemployed should be viewed as a positive signal for the labour mar-

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Wenzel: German Reunification 113

keto The figures for February support this recovery, as the number of unemployed and short-time workers reached only 1,8 million. It seems to be the case that the Autumn re­port is too pessimistic in its projections.

3.S Productivity

Although the population in the "New Under" is shrinking, the productivitiy of labour is still lower compared to West-Germany. In 1990, the GNP per employee is only 40% of the level in the "Old Under"4. This ratio was even worse with 30% in 1991 (see BMW! 1992, Tagesnachrichten Nr. 9823/92).

The impact of the Western-oriented wages on unit costs in the East is obvious (assuming the same number of working hours). If one takes into account that the East-German pro­ductivity calculated in working hours is even lower, since the average working time is higher than in the West, then it becomes clear what an economic fallacy it is to base the collective wage agreements on the high West German wages, which are approximately 25 % higher than the wages in other industrial countries. To close the gap between wages and productivity the labour costs should only rise by the same rate as the productivity.

In the 50's the development of labour productivity reached rates of more than 6% in the "Old Under" (see Wenzel/Kellermann 1991, p.53). This rate could be surpassed in the East today if the transfers from West to East were used to build up a modem capital stock. Furthermore the market mechanisms with the possibility of personal losses have to work smoothly. The market pressures for adapting the number of employees in unproduc­tive firms are not to be evaded either by wage subsidies which lead to a biased competi­tion, or by the obligation to take over the personnel when buying a firm, as put forward in § 613 a BGBS. Even the deviation of collective wage agreements in favour of collec­tive firm-employees contracts, which might result in lower wages, should be allowed. To justify high wages in the East by pointing at the danger that labour might move to the West is not helpful, because the reasons for labour movements are predominantly to be found in the fear of becoming unemployed'. But unemploymennt is the logical effect of wages which are too high.

3.6 Money Supply and Inflation

The trend in the monetary sector has been remarkably smooth at the beginning. As a re­sult of the Monetary Union, a money stock of DM 180 billion was created in East-Ger­many which amounted to 15% of the West-German money supply measured by the mon­ey aggregate M 3 (see DBBank 1991, Monatsbericht September, p. 13). The increase of M 3 was higher than permitted by a potential-oriented monetary policy, as the production of the "New Under" in relation to the one in the West reached only 10%. In the first half of 1991 the growth of money suply has been moderate, being in the lower part of the monetary target zone of 3-5%. At the end of the year it rose somewhat faster than the 5 % upper band.

In 1990 the expected rise in the inflation rate did not occur. The consumer price index in West-Germany rose by 2.7% in 1990, which is lower than in the preceding year (1989: 2.8%, see DBBank 1991, Monatsbericht April, p. 72 and BMW! 1991, Tagesnachrichten

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114 Wenzel: German Reunification

No. 9788, 23.10.1991). Compared to the OECD average of 4.8% in 1990, the resulting increase of prices caused by the reunification is still rather low. Only Japan and the Neth­erlands have lower inflation rates (2.4%) than West-Germany (see BMW! 1991). In July and August 1991 the costs of living were 4% higher than one year ago because of higher indirect taxes. This caused an annual inflation of 3.5% in 1991. In comparison to other countries this figure was relatively low (in the EC the average rate was 5.1 % and the OECD average was 4.5%, see BMW! 1992, p. 77). In East-Germany the increase of consumer prices was clearly higher, as is displayed in figure 5.

130 --.-.. --.. ------.----.-.. -.-.-------.--------.. -.--... -.... --.-.--.... --.--.--.-.. --.. --.--... -..... . Food, beverages, tobacco

120

110

90 Furniture, household goods

80

70 Clothes, shoes

60

50 -.-.-.-....... --.-.--............... -.-.-.--....... --.-.-.-.-..... -... -.-.-.-..... --.-... -.-.--...... ----.-.----... -.. --.-.--... ----.--.. - ... --.--.-----.. -.

1989 .lui Aug Sap Oct Nov Dec Jan Feb Mar Apr May Jun JuI Aug Sap Oct Nov 1990 1991

Fig. 5: Consumer Price Index (cost-of-living index) for East-Germany (1989 = 100) Source: Data of Deutsche Bundesbank, Monthly Reports September 1991 and Febuary 1992

If one excludes administered price adaptations (as in the energy or public transport sec­tor) the consumer price index was around 5% higher than in the West (see DBBank 1991, Monatsbericht September, p. 8.). However, the effect on the overall inflation rate is rath­er small.

3.7 Foreign Trade and Current Account

From 1980 the West-German current account balance rose steadily from a negative bal­ance of DM 25.1 billion in 1980 up to DM 107.6 billion in 1989. The main determinant for this trend was foreign trade; the trade surplus reached DM 134.6 billion in 1989 (see DBBank 1991, Monatsbericht September, p. 75*). Within the last 5 years, the FRG has increased foreign savings by an export of capital amounting to DM 500 billion. This in­ternational creditor function was based on the high propensity to save of the West-Ger­man households; the average saving ratio being more than 13 % of disposable income, which means DM 188,6 billion was supplied on the capital market in 1989 (see DBBank 1991, Monatsbericht, September, p. 73*).

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Wenzel: German Reunification 115

In the year of the German reunification this situation changed. Because of increased im­ports, which were transfered to East Germany, (see DBBank 1991, Monatsbericht Juli, p. 27) - while exports stayed on a high level - the united Germany had in 1990 a swin~ of DM 30 billion in its trade balance and in its current account. This is the level of West­German saving which was directed to East-Germany. West-German products had been supplied without inflationary pressures. The increase in German aggregate demand had stimulated the economies of its trading partners. This impulse led to an average increase of GNP growth in the EC of 0,5% (see DBBank 1991, Monatsbericht Juli, p. 27), which was a helpful stimulant in a recessionary year.

On the other hand a reduction of a current account surplus means a decrease of capital supply, and hence leads to rising interest rates on the capital market. But to lay the blame on Germany is inconsistent with the former behaviour of some countries, which were complaining about the high current account surpluses on grounds of insufficient demand for their products.

In 1991 the swing in the current account was even higher. From January to August 1991, the trade surplus decreased by almost DM 74 billion and the traditional deficit in the trade of invisibles rose from DM - 18 billion to DM - 40 billion in comparison to last year. As a whole, in the first eight months of 1991 the current account balance was a­round DM 92 billion lower compared to last year's figures (see BMW! 1991). Tages­nachrichten No. 9787, 22.10.1991). Two reasons are responsible for this development: On the one hand, the shrinking of the visible trade surplus and on the other hand the large increase of transfer payments from Germany to the rest of the world. The latter are predominantly public transfers; the balance at the end of 1991 was more than - DM 50 billion. Components were the contribution to the EC (DM 31 billion) and other govern­ment payments including e.g. DM 10 billion to help finance the Gulf War, and several billion DM to smooth the retreat of the former Soviet Red Army from East-Germany and to support the transformation process in its homelands.

At the end of 1991, the current account deficit exceeded DM 34 billion. This means that in 1991 another swing of DM 110 billion in the current account - largely caused by the reunification -helped West-German trading partners to improve their economic situation. Even the subscriptions to the EC are higher than usual because of the reunification, the reason being that the consumption rose as part of GNP and hence the 1.4 % of EC share of V AT raised the payments to the EC, together with higher tariff receipts because of more imports to Germany.

3.8 The Capital Market

Has the German need for capital raised the interest rate on the capital market? Looking at the statistics does not support this supposition (see DBBank 1992, Monatsbericht).

From September 1989 to October 1990 the yield of government bonds (running more than 3 years) increased by 2.3 percentage points. The expectations of the capital market have taken the financial burden resulting from the reunification of Germany into account. Since September 1991 the yield fell back to 8.5% and has still a falling trend. Compared to other countries the interest rate level is relatively low. The J.P. Morgan-Index for gov­ernment bonds (running more than 5 years) showed on the 25.10.1992 that of the impor-

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116 Wenzel: German Reunification

tant OEeD contries only Japan and the USA have a lower yield than Germany (see FAZ Nr. 250,28.10.1991, p. 26).

Taking the inflation rate into account, the German real interest rate in 1991 reached only 6%, less than in 1990. This trend continues in the first months of 1992, too. But even in 1990 the real interest rates in the EC countries (except Luxemburg and the UK) were higher than in Germany. If one compares the short-term and long-term interest rate, the yield structure in 1991 and at the beginning of 1992 has been inverse7• This indicates that the capital market expects decreasing interest rates. The reason for the relative stability of the interest rate in spite of this extraordinary situation was the abundant capital market in Germany. In the year of the reunification (1990), the supply of capital in West-Germany based on household savings reached DM 225 billion; i.e. a saving ration of 14.7%, which is 19% higher compared to 1989. This amount is almost twice as much than the sum saved by the East-German population in 40 years!

As a whole, the non-financial sectors in West-Germany build up monetary wealth of DM 430 billion in 1990, DM 115 bilion more compared to the previous year (DBBank (1991), Monatsbericht August, p. 39). The demand for capital by the German firms has been traditionally relative low. Of all gross investments undertaken by the industrial firms in 1989, 87.3% were financed out of the cash flow (own calculation based on data from DBBank 1990, Monatsbericht Mai, p. 23).

4 West-German Financial Assistance for the "New Lander"

After the Economic, Monetary and Social Union of 1st July 1990, the East-German ag­gregate demand (about DM 135 billion) exceeded its GDP (less than DM 100 billion) by more than 40% in the second half of the year.

This was only possible because of the guarantee of support given by the West-German authorities in the Unification Treaty (Staatsvertrag). In the second half of 1990 the gross calculation of transfers reveals an amount of DM 47 billion (see Sachverstiindigenrat 1991, p. 138). Subtracting the tax receipts of the "New Lander" leaves a net transfer of DM 35 billion which is more than one third of East-German GDP. This sum is higher than the estimated financial assistance by the federal level (Bund) and by the newly cre­ated Fund for "German Unity" (Fonds "Deutsche Einheit"), which were supposed to fi­nance the deficit in the East-German budgets. Three suplementary budgets (Nachtrags­haushalte) were necessary in 1990 which included - beside the payments to the Fund for "German Unity" of DM 22 billion (1990) - in May 1990 DM 3.9 billion, in June 1990 DM 2.8 billion and in October 1990 DM 19 billion.

In total, the West-German gross financial assistance to the "New Lander" reached DM 153 billion in 1991, and an amount of DM 170 billion is estimated for 19928. This bur­den is shared by the territorial authorities including their special assets (Sondervermo­gen), namely the social security insurance, the "Treuhandanstalt" and the Fund for "Ger­man Unity". The transfers come up to 83% of GDP in 1991, which has been calculated by the DIW to be around DM 183 billion. An explanation for the fact that the difference between East-German domestic demand and East-German domestic production reached DM 160 billion in 1991 can be given by that (see DIW 1992, Wochenbericht 12-13/92,

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Wenzel: German Reunification 117

p. 132). Any forecasts for 1992 are - from the viewpoint of the author - speculation as the trend of GOP cannot be estimated.

Undoubtedly, the West-East-Transfer is a huge economic policy programme in a Keynes­ian fashion. West-German savings are convested into East-German purchasing power fi­nancing aggregate demand. This aggregate demand is helping to create jobs, income and, not to forget, tax receipts. It would be an interesting question to ask to which extent this transfer programme is financed by the economic activity which it stimulates. Unfortu­nately, the positive effects on economic growth and employment at this time are only felt in the West, since the East-German buy primarily products from the "Old Lander" and only a few firms have erected factories in the East. In the long run, it would be an "un­healthy" economic situation, if one region created income in a second region through the purchase of its products, while this demand would be financed by transfers from the first region.

It can be calculated quite easily that in the average, every citizen of the 16 million of the "New Lander", received OM 10.000 in transfer payments from the West. This is a con­siderable amount of additional income, though if one calculates the West-German subsi­dies to the mining industries and the agricultural sector in the same way, the per capita transfer is probably even higher. One difference is, however, that there are far more in­habitants living in the former GOR than miners and farmers working in the "Old Lan­der". Another difference is due to the fact that some transfers to the "New Lander" will only lead in the future to a real financial burden for the governmental units. For example, in the Fund for "German Unity" only the debt interest payments for the borrowing until 1994 (OM 95 billion) - beside the non - recurring payment of OM 20 billion by the fed­eral governmental level - will be displayed in the budgets of the federal level and the "Lander". Furthermore, the "Treuhandanstalt" is authorized to borrow up to OM 25 bil­lion per year on the capital market. This money would further enhance the transfer pay­ments.

The transfers through the Fund for "German Unity" will be increased between 1992 and 1994 by OM 6 billion annually. In the case that the tax receipts in the "New Lander" will not rise noticably - which seems to be a realistic view because of insufficiently equipped and probably lowly motivated tax autorities - the volume of transfer for 1992 named above, OM 170 billion, could be even higher. The return to a policy of welfare creation instead of welfare transfer would be hindered further.

5 The Financial Burden for the Public Budgets

For the governmental units the unification of budgets was fulfilled on October the 26th by the 3rd supplementary budget. A separate paragraph "B" has been introduced in 1991 which includes expenditures, receipts and financial obligations of the central and commu­nallevels of the former GOR. The balance of paragraph B in 1992 amounts to OM 41.5 billion. In 1990, the overall PSBR (public spending borrowing requirement) increased -due to the reunification - by OM 67 billion, adding up to OM 94 billion (see BMF 1991, p.85).

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118 Wenzel: German Reunification

Two special assets of the federal level, the Fund for "German Unity" and the "Loan Processing Fund" (Kreditabwicklungsfonds), have been especially created to include the costs of the reunification into the budget. The former's task is - as noted above - to fi­nance the current deficits of the ex-GDR budgets and to improve their financial situation, as long as their revenues are too low (see BMF 1991, p. 92). In the "Loan Processing Fund" the overall debt of the GDR and the deficits in the bank balance sheets after the Monetary Union have been included. Expenditures of this Fund are used for interest pay­ments and amortization, receipts are gained by subsidies by the federal level and the "Treuhand" .

The high financial demands on the public budgets were covered in 1990 to a great extent by borrowin~. Interestingly, net borrowing and hence the growth of public debt by DM 124 billion is DM 30 billion higher than the actual PSBR (DM 94 billion)! The reason for that is that money was faster provided by West-Germany than could be spent in the East. Hence in 1991, the borrowing of the administrative units is lower than the PSBR, calcu­lated as DM 157 billion (see BMF 1991, p. 84). This is based on the assumption that the special assets (Sondervermogen) do not borrow more money than planned. The "Treu­hand", which has the task to privatize 40% of the GDR wealth, state-owned firms and land, and which is supposed to support the administrative units by transfering its revenues and to give wealth shares to the East-German people9, seems to be transformed more and more into a supplementary budget. Especially because it is not only used as an instrument for privatization but it becomes a labour market instrument too, though it cannot reasona­bly perform this task. A further problem is that the revenues that have been realized by the "Treuhand" lag far behind the expectations. The receipts of the selling of one-third of the 10 thousand firms (November 1991) are rather low, and parallel the entered obliga­tions to finance redevelopment of firms and to pay for the "social plans" in case of clo­sures rise considerably. For 1992 a further increase of debt up to DM 30 billion is ex­pected. Birgit Breuel, the president of the "Treuhandanstalt", said in November 1991 that its task has been performed well10. The "Treuhand" has sold 3788 firms (20 per day), gained revenues of DM 13.9 billion, received investment guarantees of more than DM 85 billion, and job guarantees for around 720 thousand employees. The Federal Ministry of Finance (BMF) has calculated that the revenues of the privatization rose to DM 21 bil­lion, the investment guarantees to DM 120,7 billion, and the job guarantees to almost one million employees (see BMF 1992, Finanznachrichten 9/92, 27.1.1992, Bonn). This might be "good work" if one takes in account that till November around 24 thousand units of service firms had been privati sed too. But if one recognises that the best firms have been sold and the "Treuhand" needed more credits instead of gaining net receipts, than this result is not very satifactory. In 1991, the "Treuhand" has paid DM 77.5 billion for firms debt burdens, investments, loans to shareholders (Gesellschafterdarlehen), and liquidity guarantees and in addition DM 23 billion for reducing debt and financing equity capital (see FAZ No. 80, 3. April 1992).

Furthermore, the East-German tax receipts rose less than expected, and it is questionable whether the planned tax receipts of DM 21 billion DM can be reached (see BMF 1991, p. 89). But in spite of these budgetary risks the PSBR in 1991 amounts rather to DM 130 billion than to the planned deficit of DM 157 billionll. Therefore, for 1991 the ratio of overall PSBR to GNP will be approximately 4.7%, almost one percent lower than esti­mated in the Finanzbericht 1992 (5.5%). This ratio would be even lower than the one in 1975 (6.2%) or in 1981 (4.9%) (for the net-borrowing ratios, see BMF 1991, p. 84).

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Wenzel: German Reunification 119

Without the restictive fiscal poli«y sina: 1982 and hena: the lowering of this ratio to 1.2% in 1989, this would not have been possible. From 1989 to 1990, the ratio rose by 2.6% to 3.8%12. If one takes in account the social security insurana:, which had a sur­plus in 1989, the PSBRIGNP-ratio reached only 0,6%. Thus the basis for increasing pub­lic debt was solid and the burden on the capital market in 1990 and 1991 was not as high as one would have suspected on first sight. The high. although temporary. potential to in­crease publk debt in the year of German reunification is displayed in table 3, showing the main indicators for public debt in Germany sina: 197713.

Year Interest-tax- Interest-exJlt'nditure- Loan financing Net borrowing ratio[2] ratio[3] ratio[4] ratio[S]

Total Bund Total Bund Total Bund Total Bund

1977 6,9 5,8 5,2 5,0 8,0 12,9 2,6 1,8 1978 6,8 6,2 5,0 5,0 9,4 13,8 3,2 2,1 1979 7,2 6,7 5,3 5,5 9,2 12,6 3,1 1,8 1980 8,0 7,9 5,8 6,5 10,6 12,6 4,5 1,8 1981 9,8 9,9 6,7 7,7 12,8 16,0 4,5 2,4 1982 11,9 12,0 8,0 9,0 12,2 15,1 4,3 2,3 1983 12,9 13,9 9,0 10,8 9,9 12,7 3,4 1,9 1984 12,8 14,0 9,1 11,0 8,5 11,2 2,8 1,6 1985 12,8 14,1 9,2 11,3 6,7 8,7 2,2 1,2 1986 12,7 14,4 9,1 11,6 6,5 8,8 2,3 1,4 1987 12,4 14,3 9,0 11,5 7,1 10,2 2,4 1,3 1988 12,3 14,7 9,0 11,7 7,7 13,1 2,4 1,7 1989 11,4 13,0 8,7 11,1 3,7 6,9 1,2 0,9 1990 . 12,4 8,0 9,0 15,2 13,6 5,1- 2,1 1991 13,6 8,8 10,4 15,8 16,2 5,6 2,4 1992 13,6 10,9 11,8 4,3 1,7

[1] Federal, states, community level, equalization-of-burden fund (LAG), ERP and EEC-shares. [2] Defined as interest expenses: tax receipts. [3] Defined as interest expenses : total expenditure. [4] Defined as net borrowing: total expenditure; from 1990 onwards incI. fund Deutsche Einheit and

loan-processing fund (KAF). [5] Defined as net borrowing: GNP; from 1990 onwards incI. fund Deutsche Einheit and loan-proc-

essing fund (KAF). [*] The value of 1990 is related to the GNP of West Germany. In comparison it is too high. Moreover

the net borrowing on the market is lower than the new indebtness. An adjusted ratio for net bor-rowing would be at 3.8 per cent.

Tab. 3: Indicators of Public Debt[I] Source: Own calculation with data according to BMF, Finanzbericht, various years

The figures 6 and 7, plotted using the data from table 3, underline how the financial flex­ibility increased in the 80s; one might argue that by hindsight the public financial position has been strenghtened to be able to cope with the costs of the reunification.

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120 Wenzel: German Reunification

14 Interest-Tax-Ratio

12

10

8 Interest-Expenditure-Ratio

6

4

2

O+---r---r---~~---;---+---+---r---r--~--~--+---+-~

1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1988 1987 1988 1989 1990 1991

Fig. 6: Interest-Tax Ratio and Interest-Expenditure Ratio

16

14

12

10 "loan'Financing"Ratio

8

6

4 .... .. . ... "Bof,owinlfR'iitio

2

o +---r--;---r--~--+-~r--+---r--+---r--+---r--~--+-~ 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992

Fig. 7: Loan Financing Ratio and Net Borrowing Ratio

Compared to the OECD countries, the ratio of overall public debt to GNP was very fa­vourable in Germany (Based on the definition in the National Accounts (inclusive social security insurance), see BMF 1991, p. 302). In 1989 only the UK had a lower ratio than Germany's 41.1 %, if one focuses on the important states.

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Wenzel: German Reunification

1980 1985 1988 1989

Germany*) 32,5 41,1 42,6 41,1 France 37,3 45,4 47,2 46,6 United Kingdom 54,6 53,1 42,8 37,4 Italy 58,5 84,1 95,7 98,8 Japan 52,0 68,5 72,4 70,2 Austria 37,2 49,6 57,7 56,6 Canada 44,7 64,6 69,0 69,6 USA 37,9 48,8 53,8 54,0

*) Territory of West Germany before 3 Oct 1990 (social insurance included).

Tab. 4: International Comparison of Public Debt/GDP Ratio Source: BMF (1991). Finanzbericht 1992, Bonn, p. 302

121

1990

42,0 46,9 35,6

101,1 66,5 54,0 72,1 54,6

These indicators, based on relative numbers, are more valuable in assessing the economic burden of public debt than the absolute numbers of annual debt. Nevertheless, the debt stock is important to display the distribution of this burden on the administrative units. This is done in Table 5.

bnDM by the end of

Government units 1984 1989 1990 Sept. 1991

Federal 367,3 490,5 542,2 571,8 States[l] 230,6 309,9 328,8 334,6 LocaJ (West)[2] 113,1 121,4 125,6 129,0 Local (East) ... ... ... 4,2 ERP-Special asset 6,6 7,1 9,5 14,1 Fund "Deutsche Einheit" - - 19,8 49,7 Loan-processing fund - - 27,6 26,2

Total 717,5 928,8 1053,5 1129,4

Memorandwn items: Trustee agency (THA) - - 4,3 6,5[3]

[l] The East German states didn't raise any loans according to the statement up to the end of July of 1991.

[2] Includes indebtment of the local special purpose associations. [3] By the end of may.

Tab. 5: Public Debt Source: Deutsche Bundesbank (1991), Monthly Reports August 1991, p. 34 and April 1992, p. 64

The federal budget is especially strained by the costs of reunification. But the current numbers show (see DBBank 1991, Monatsbericht October, p. 8) that the cash deficit from January to September 1991 of DM 40 billion is almost twice as high as in the previ­ous year, while the actual net borrowing amounts only to DM 17 billion during the same period.

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122 Wenzel: German Reunification

Outline

1990 1991 1992 1993 1994 1995

in bn OM

I. Expenditure 379,50 410,33 422,56 428,50 438,80 449,20 Increment year to year (in %) 31,00 7,9*) 3,00 1,40 2,40 2,40

II. Receipts

1. Tax receipts 276,20 311,80 337,93 355,10 380,00 398,60 2. Otber receipts 54,50 32,12 34,77 28,30 28,60 25,50

of which: - Profit of tbe Federal Bank 7,00 7,00 7,00 7,00 7,00 7,00 - Profit of Bundespost for the budget 6,08 8,78 9,70 6,20 7,20 3,90 - Seigniorage 1,32 0,98 1,05 0,90 0,90 0,90

3. Net borrowing 48,80 66,42 49,86 45,10 30,20 25,10

*) The statement of tbe rate of escalation of 1991 is restricted. On tbe one hand tbe total expenditure of 1991 includes tbe expenses for East Germany only of tbe second half of 1990, on tbe other hand tbe expenses of tbe newly constituted states and local governments are included.

Tab. 6: Federal Financial Planning Source: BMF (1992), Finanzbericht 1992, p. 43 and Finanznachrichten 9/92

As can be seen in Table 6, the planned net borrowing for 1991 totals DM 66.5 billion. This was more than needed in this year. The preliminary number for 1991 is calculated to be only DM 52.1 billion (see BMF 1992, Finanznachrichten 9/92, 27.1.1992). Three reasons can be named for this development: One is the high cash surplus in 1990, to­talling a sum between DM 20 to 30 billion. Secondly, with the same explanation as for 1990, the actual expenditure might be lower than the planned one. And thirdly that the tax revenues in 1991 were around DM 10 billion higher than forecasted14.

Facing this trend it seems to be possible that net borrowing, and hence the PSBR / GNP­ratio, can be lowered faster than expected. Thus the financial convergence criterion to en­ter the Ee Monetary Union - a PSBR / GNP-ratio of 3% has been put forward in the Treaty of Maastricht - might be fulfilled before the middle of the 90s.

6 Which are the lessons of German Unification for the transformation process in Eastern Europe and for the European Integration?

It is possible to speak of two economical experiments in Germany: The first one, social market economy in the West versus socialist planned economy in the East, ended on Oc­tober 3rd 1990. Two different political and economical systems had competed for 40 years. Although the starting conditions were not identical, the comparison of the results leads to the conclusion that market organized, and individualistic orientated competitive systems improve not only the individual's situation but also the collective well-being more than centrally-planned, socialist collective systems do.

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Wenzel: German Reunification 123

The second experiment is not over yet. It is the transformation of the latter system into the former one: The centrally-planned economic order in the East of Germany will be transformed into the evolutionary sucessful, market-orientated competitive system of the West. Success of this experiment is not only of importance for Germany but for many other economies too, which want to perform this transformation under far less favourable conditions.

The experience gained through the German experiment shows that the financin~ of the e­conomic restructuring is not the core problem. That the costs for the reunification were predominantly credit-financed was no problem because of the consolidated public budg­ets, and it was demanded by reasons of distribution policy anyway. Furthermore, as the capital market in Germany was very strong, the public borrowing was justifiable in terms of the economy as a whole. Consequently, the international creditor role had to be given up at least temporary, but in view of the high current account surpluses during the last years this cannot be a matter of concern.

Economic problems occur, however, if the huge financial transfers are used to a great ex­tent to finance consumption, without stimulating economic growth in East-Germany. The transfer of welfare can be no substitute for the self-production of welfare, a lesson learn­ed from the economically unsuccessful aid for developing countries. It would be the wrong way to attempt to close the welfare gap between the two parts of Germany through a further transfer of income. Non-market-oriented wages are one aspect of this wrong strategy. They distort competition, destroy jobs, and feed the illusion in the East that it is possible to reach a situation of affluence without working for it.

Though motivated by securing jobs, a policy of the "Treuhand" which is aimed more at the maintenance of unprofitable jobs instead of fast privatisation (as a precondition for the creation of profitable jobs), support the illusion of automatic prosperity in the East. Hence the "Treuhandanstalt" performs - as an undeclared supplementary budget - the function of a buffer, which is politically comfortable but an economical fallacy 15. By re­stricting the market forces, a fast restructuring of the economy will be hampered. But it would be a further mistake to assume that the market forces and its sanctioning mecha­nisms have been vanished. Now they simply work in the wrong directions. They put an­other burden on the strained public budgets, a burden, which will be felt heavier in the longer run than open unemployment would have. A labour market policy directed at keeping jobs in all circumstances is neither in the short nor in the long run a "social" policy.

To present such a strategy to the new democratic governments in Eastern-Europe as an exemplary and successful method for the transformation process from a planned to a mar­ket economy - as it is done more and more by the Federal Ministry of Finance - is not very helpful, as this is no advice based on the principles of a social market economy. The real dangers inherent in the economic integration of East Germany are not fiscal ones but questions of economic order. What one can only hope for is that the mistakes made in the implementation of a certain economic order will not cause severe fiscal difficulties. But the statements of the federal government (in April 1992) to solve the problems simply by cutting public spending or increasing taxation do not give support to this hope.

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124 Wenzel: German Reunification

The fact that the process of economic restructuring in East Germany is not a fiscal prob­lem (in its true sense) makes it completely different from the process of economic re­structuring in the Middle and Eastern European neighbour states. The West German capi­tal market was and still is very strong. In advance of the German reunification West Ger­many was an international creditor. To an extent of more than 100 billion DM per year a "Surplus" of goods was shifted to the trading partners. That means that to this extent in­sufficient foreign savings were supported by West Germany savings.

It is obvious that the West German savings excess supply could also satisfy additional na­tional demand. This was exactly the case after the German Unification. The public sector absorbed the savings surplus and was thereby able to redirect the goods from the West to the East without demanding more of the capital market than before.

This situation of costless redistribution by the state is not conceivable in any Middle or Eastern European reform state. Therefore it is not possible to apply the experience made in the process of transformation in East Germany. East Germany was able to go the ~ ~ whereas the Middle and Eastern Europe have to go the hard way.

That means that the free market restructuring has to be done by themselves and by their own efforts. There is no big brother who eliminates the mistakes made in the process of adjustment with his own money.

As a consequence the states of Middle and Eastern Europe have to avoid this kind of mi­stakes. Therefore it is necessary that the mechanisms of sanctions by markets stay in force. Just because of that - and we now reach our starting point - the soft labour market politics of the buffer Treuhandanstalt in East Germany can not be an example for the states of Middle and Eastern Europe regarding the process of free market restructuring. Transfer of welfare instead of forming a free market economy can not be the right advice for these countries.

Which conclusion can be drawn for Europe's integration into the West? Like before an apparent analogy misleads economically. The introduction of a common currency in Germany after the "economic, monetary and social union" (1990) is often compared with the introduction of a common European currency as scheduled by the Maastricht Treaty. The German way is seen as a justification for the European one. Peo­ple who take this point of view faite to see that the fast way of transforming the economic and the social order as well as the law system (in Germany) occurred under completely different conditions as we can find then in the process of European unification. In addi­tion to the different conditions it is questionable whether or not it makes sense to bring about economic unification in all aspects in Europe at all. This last question has to be de­nied as the principle of free market individualism tells us that a regulation and standardi­zation of economic conditions is not desirable. What is right for the mentality of Southern Europeans is not necessarily right for Middle or Northern Europeans.

The regulation that was implemented in Germany on 1. July 1990 and 3. October 1990 can economically only be justified with the homogeneous population structure in West and East Germany. Even if the hypothesis of homogenity was not correct - and this is ex­perienced stronger day by day in Germany - the underlying principle would be justified. In the European context however even this principle is not valid. Therefore standardiza-

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Wenzel: German Reunification 125

tion and especially the abolition of competition between the currencies can only be justi­fied with political reasons. While the cost of this regulation is still bearable in the unifica­tion process in Germany as shown above the political acceptance of a comparable transfer of welfare in Europe would be very, very small.

The welfare illusion as a consequence of a fiscal illusion caused by a common currency leads almost inevitably to an attitude demanding compensation for the different welfare levels. A first example of the struggle for income that has to be expected in Europe is the discussion about the nature and the size of the cohesion fund.

The lesson that can be learned from the German unification for the process of political and economic unification in Europe is that the market and competition forces have to be maintained. The introduction of a common currency however would prevent this; the competition of the currencies within the EMS would be dropped. On the other hand the competitive pressures within the EMS had been the explaniation of a gradual convergence of important budgetary figures in Member states in the last years. Without these pressures in the future there would be no need for any state to orientate itself to the leadership of the economically successful states. The results of such a regulation of competition would be an enormous loss of growth and welfare and a gigantic struggle for income at the same time.

Annotations

[*) I gratefully acknowledge the translation assistance of Bernd Hayo and Andrea Wolfel the most helpful data processing by Michael Betten and valuable comments by Barbara Wolfe and Matthias Wrede.

[1) An example of an island might underline this fact. Robinson on his island has a stock of goods, e.g. bananas and oranges. Now a shipwrecked person enters the beach. If Robinson is willing to trade some of his goods against a 'shell' -currency, than this means that a distribution of wealth takes place, no matter how many, in the eyes of Robinson, irrelevant things the shipwrecked has brought onto the island.

[2) The Federal Statistical Office (Statistisches Bundesamt) has changed in 1992 the base for its consumer price statistics in the 'New Linder' since the Monetary Union. The results were not availabele when this paper was finished.

[3) Own calculations and DBBank (1991). Monatsbericht September, p. 37. Official sources speak of 6.75 million jobs, which seems to be an exaggeration. The 9.8 million former jobs were calculated with numbers at the end of 1991, including the following components: 1 million unemployed, 1 million short-time workers, 0.4 million East-West commuters, 0.8 million people have been moved to the West, 0.5 million retired earlier, and 6.1 million jobs, including 500 to 600 thousand jobs subsidized by the job centre.

[4) The calculation is based on the following (approximated) data: GNP (East) = DM 230 bilolion, em­ployment (East) = 6.1 million, and GNP (West) = DM 2450 billion, employment (West) = 29 mil­lion.

[5) It is interesting to note that the Advisory Council of the Federal Ministry of Economic Affairs - in its February-Report, adressing 'Probleme der Privatisierung in den neuen Bundesliindem' (in: BMWI (1991). Studienreihe Nr. 73, p. 14) - names this paragraph clearly as an obstrackle to privatisation and advices a temporary abandonment.

[6) The assumption of this hypotheses are an above-average immobility and risk-aversion of the East-Ger­man population: Low wages would be accepted if they helped to secure the job. This hypotheses is supported by new studies of the DIW, see DIW (1992), Wochenbericht 3/92.

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126 Wenzel: German Reunification

[7] In the middle of August 1991, the yield of one-year running federal bonds was 3/4 percentage points higher than the comparable bonds running ten years (see DBBank 1991 Monatsbericht September, p. 17)

[8] The transfer payments for 1991 were calculated indirectly by using data from the Finanzbericht 1992 of the Federal Ministry of Finance (BMF). The tax estimates for the territorial units of the "New Lin­der" (DM 21 billion, see p. 89) were subtracted from the expenditures (DM 146 billion, see p. 89), and an expected subsidy to the Treuhand totalling DM 25 billion was added. The estimation for 1992 was taken from iwd Nr. 26, 27.6.1991, p. 4. Depending on the definitions other estimations have been put forward. For example, the Deutsche Bundesbank has calculated DM 140 billion for 1991 and forecasts DM 190 billion for 1992 (see DBBank 1992, Monatsbericht Marz, p. 15).

[9] In Art. 25 of the Unification Treaty it is demanded that the "people's property" must be used for measures in the "New Linder", and that the people who have saved money and exchanged it at a rate of 2: I might be compensated by shares of the "people's property".

[10] Speech of Birgit Breuel to the members of the "National Beirat der Creditanstalt" at 6. December 1991 in Vienna.

[II] Compare the data of the provisional closure of the budget for 1991 (BMF (1992), Finanznachrichten 9/92, 27.1.92); the deficit of the overall budget is calculated to be between DM 125 and 130 billion.

[12] It is important to note that the West-German costs of unification are calculated in relation to the West­German GNP.

[13] The net-borrowing ratios are slightly different to the ones calculated using the financial deficits, as PSBRs because of the financial deficits are lower by the revenues gained by issuing money coins.

[14] Tax increases in the same amount are expected tor the "Linder" and the communities.

[15] This is not surprising if one remembers that the non-market organized "Treuhandanstalt" was created at the time of the last socialist government under Modrow, and that it is still divided into the former SED districts.

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Meinig: WertschOpfungspartnerschaft

Wertschopfungspartnerschaft zwischen Automobilherstellern und Zulieferindustrie

- Problem der Arbeits- und Erlosteilung -

von

Prof. Dr. Wolfgang Meinig Professur fur Betriebswirtschaftslehre, insb. Automobilwirtschaft

Otto-Friedrich-Universitat Bamberg

1 Einleitung

2 ProblemsteUung

3 Forschungskonzeption

4 Datenerbebung

5 GegenfibersteUung der ennittelten Preiszeitreihen

6 SchluOfolgerungen

129

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130 Meinig: Wertsch6pfungspartnerschaft

1 Einleitung

In der tiber hundertjahrigen Geschichte der Automobilwirtschaft hat sich eine ausgepdigte Arbeitsteiligkeit zwischen den WertschOpfungsgliedem herausgebildet. Dabei hat sich tendenziell die Fertigungstiefe der Automobil-Markenhersteller kontinuierlich verringert. Dieser ProzeB ist in der japanischen Wirtschaft viel weiter fortgeschritten, als in der ame­rikanischen und europaischen Automobilindustrie. Gleichwohl zeichnet sich auch fUr die europaische Automobilindustrie ein neues Selbstverstandnis heraus: Die Automobil-Mar­kenhersteller verstehen sich mehr und mehr als "Systemintegrierer" von Zulieferproduk­ten und als "RegiefUhrer im Absatzkanal" .

Die hohe Arbeitsteiligkeit in der Automobilwirtschaft wirft unter anderem die Frage der Auswahl der Beschaffungsmarkte auf. Dabei sind zwei extrem unterschiedliche Beschaf­fungsstrategien zu sehen. Sie manifestieren sich im "Global Sourcing" (d.h. weltweite Beschaffung von Zulieferteilen) und dem "Single Sourcing" (d.h. Zulieferpartnerschaft fUr ein Teil nur mit einem einzigen Lieferanten).

Beide strategische Varianten sind mit organisationalen und 6konomischen Vor- und Nach­teilen verbunden. Vor diesem Hintergrund tendieren die meisten Automobil-Markenher­steller zunehmend dazu, eine Lieferpartnerschaft nur mit wenigen hundert Zulieferbetrie­ben einzugehen, die dann ihrerseits die Regie in den Beschaffungsmiirkten tibemehmen. Sofem sich die so organisierten Beschaffungsaktivitiiten auf den europaischen Raum be­ziehen, hat der Begriff "European Sourcing" seine Berechtigung.

Mit den aufgezeigten Entwicklungen - verringerte Fertigungstiefe und europaischer Ver­bund des Zulieferwesens - verbinden sich bei der Zulieferindustrie Hoffnungen auf die Verbesserung der seit langerer Zeit unbefriedigenden Preis-, Erl6s- und Kostensituation.

Bei kritischer Betrachtung sind allerdings Zweifel anzumelden: Von der Zulieferbranche wird seit Jahren die Auffassung vertreten, daB sich der Ausbau von "ProblemI6sungska­pazitiiten" und die Ubemahme wirtschaftlicher Risiken nicht in den Erl6sentwicklungen aller Wertsch6pfungsglieder der Automobilwirtschaft positiv niederschlage. Wahrend die Automobil-Markenhersteller die Preise fUr Neufahrzeuge sukzessive erh6hen konnten, seien die Preise fUr Zulieferteile tiber einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren nahezu konstant geblieben oder sogar gesunken.

Das Ziel der im folgenden dargestellten Untersuchung bestand darin, durch eine modell­spezifische ErmittIung und Gegeniiberstellung der Preisentwicklung von deutschen Perso­nenkraftfahrzeugen und deren Zulieferteilen fUr die Erstausstattung, die oben angespro­chenen (angeblich divergierenden) Preisentwicklungen einer empirischen Analyse zu un­terziehen.

2 Problemstellung

Die intemationale Wettbewerbssituation im Automobilsektor ist u.a. durch steigende marktseitige Anforderungen an Leistung, Qualitiit, Zuverlassigkeit und v.a. durch eine weitgehende Individualisierung des Produkts Automobil gepdigt. MaBnahmen der Auto­mobilhersteIler, die dazu beitragen sollen, den geii.nderten WettbewerbsverhiiItnissen

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Meinig: Wertschopfungspartnerschaft 131

Rechnung zu tragen, erschOpfen sich nicht allein im permanenten Streben nach Rationali­sierung im eigenen Fertigungsbereich. Vielmehr werden vermehrt Wertschopfungsaktivi­taten an spezialisierte Zulieferbetriebe vergeben. Damit wird das Ziel verfolgt, eine gro­Bere Produktdifferenzierung des Automobils bei verkiirzten Entwicklungszeiten und ins­gesamt hOherer Leistungseffizienz zu rea1isieren.

Die veriinderte Wettbewerbskonstellation birgt fiir die Betriebe der Zulieferindustrie glei­chermaBen Chance und Risiko in sich: Einerseits begibt sich der Lieferant innerhalb einer - insbesondere im Zuge des »single sourcing« begriindeten - engen »WertschOpfungspart­nerschaft«l u. U. in ein starkes Abhiingigkeitsverhaltnis zum Automobilhersteller; ande­rerseits erwachsen ihm daraus moglicherweise Stiirken, die insbesondere aus strategischer Perspektive zu dauerhaften Wettbewerbsvorteilen fiihren konnen.

Ziel der vorliegenden Studie war es, iiber einen Zeitraum der letzten fiinfzehn Jahre hin­weg die Preisentwicklungen fiir Zulieferteile im Erstausstattungsgeschaft2 der deutschen Automobilwirtschaft zu analysieren. Damit widmet sich die Untersuchung zugleich einem der Kemprobleme in der kooperativen Zusammenarbeit zwischen Automobilhersteller und Zulieferbetrieb: Konkret ging es urn die Frage, ob die Herstellerseite im Druck inter­nationalen Wettbewerbs die Einkaufspreise starker beriicksichtigt als die dauerhaft ange­legte partnerschaftliche Zusammenarbeit und die schwer meBbaren Leistungen in Form von Forschung, Entwicklung und gewachsener und bewahrter Flexibilitat. - Aus der Be­antwortung dieser Frage lassen sich gleichzeitig einige Tendenzaussagen iiber langfristige Entwicklungen der Beziehungen zwischen Zulieferant und Automobilhersteller gewinnen.

3 Forschungskonzeption

Ausgangspunkt der empirischen Erhebung bildeten zwei Hypothesen:

(1) Die Preisentwicklungen von Neufahrzeugen und der dazugehorigen Zulieferteile sind in Deutschland durch eine gegenlaufige Entwicklung gekennzeichnet: Wahrend die einheimischen Automobilhersteller in der jiingeren Vergangenheit sukzessive Preiser­hOhungen fiir Neufahrzeuge gegeniiber den Endverbrauchem durchsetzen konnten, stagnierte oder sank das Preisniveau der in diese Modelle eingehenden Zulieferteile.

(2) Preissteigerungen fiir Neufahrzeuge wurden - zumindest in den letzten Jahren -hauptsachlich von zusatzlichen Serienausstattungen getragen.

Die Untersuchung oben angesprochener Preisentwicklungen war an drei Voraussetzung gebunden:

(1) Zunachst muJ3te eine fiir den gesamten Untersuchungszeitraum (1975 - 1992) nach­vollziehbare Modellfolge ermittelt werden, anhand derer sich wirkliche Preisentwick­lungen nachzeichnen lieJ3en.

(2) Urn tatsachlich »echte« Preissteigerungen zu bestimmen, waren samtliche Ausstat­tungsattribute, die im Untersuchungszeitraum werterhohend in das betrachtete Neu­fahrzeug eingingen, zu eliminieren. Nur auf diesem Wege konnte eine hinreichende

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132 Meinig: WertschOpfungspartnerschaft

Vergleichbarkeit des Automobils aus dem Jahre 1975 mit dem Automobil des Jahres 1992 gewahrleistet werden.

(3) SchlieJUich muBten modellspezifisch reprasentative Zulieferteile bestimmt werden; damit sollte die Moglichkeit geschaffen werden, die Preisentwicklung der ausgewahl­ten Fahrzeugmodelle mit der durchschnittlichen Preisentwicklung derjenigen Zulie­ferteile zu vergleichen, die in die Produktion dieses Modells eingingen.

ad (1): Auswahl der Fahrzeuemodelle

Wichtigstes Selektionskriterium bei der Bestimmung repriisentativer Fahrzeugmodelle bil­dete das Bestehen einer iiber den gesamten Untersuchungszeitraum eindeutig identifizier­baren Modellkette, fiir die sich Preisentwicklungen feststellen und zuordnen lieBen. Fer­ner sollten die Fahrzeugmodelle - im Gegensatz etwa zu Luxusmodellen - einer »gewohn­lichen«, d.h. iibertragbaren Preisentwicklung unterliegen. - Diese Uberlegungen boten AnlaB fiir die Auswahl folgender sechs Modelle:

1. Audi 80 3. Ford Escort 5. Opel Kadett (Astra) 2. BMW 318 4. VW Golf 6. Mercedes-Benz 200

ad (2): Ermittlune ausstattungsbereinieter Neuwagenpreise

Die Modellpolitik aller Automobilhersteller zeichnete sich im Untersuchungszeitraum u.a. durch eine sukzessive und tumusmliBige Mehrausstattung der Kraftfahrzeuge mit zu­satzlichen Attributen aus. - Diese Zusatzausstattungen stellten zunachst eine Ursache fiir Preissteigerungen (im Sinne der Hypothese 2) dar. Dariiber hinaus muBten diese zusatzli­chen Serienausstattungen fiir die Priifung von Hypothese 1 insofem beriicksichtigt wer­den, als dort nur solche Preissteigerungen von Neufahrzeugen erfaBt werden sollten, die nicht auf eine Mehrausstattung der Pkw zuriickzufiihren waren. Dementsprechend muBten "ausstattunesbereinigte Neuwagenpreise" ermittelt werden, indem die Differenzen zwi­schen Neuwagenpreisen (UPE) und den Preisen fiir zusatzliche Serienausstattungen gebil­det wurden.3 Die zeitliche Analyse der auf diesem Wege gewonnenen ausstattungsberei­nigten Neuwagenpreise spiegelt die »echten« Preissteigerungen wider.

ad (3): Bildung des Zulieferteile-Sortiments

Die Bildung eines modellspezifisch reprii.sentativen Zulieferteile-Sortiments orientierte sich an der Forderung, nur solche Teile in die Untersuchung einzubeziehen, die im Un­tersuchungszeitraum unter materiellen und technologischen Gesichtspunkten weitgehend unverandert geblieben waren. Der Heranziehung als Untersuchungsobjekt stand jedoch nicht entgegen, wenn ein Zulieferteil im Sinne des allgemeinen technischen Fortschritts eine »normale Qualitiitsverbesserung« erfahren hatte. Als weitere Restriktion bei der Aus­wahl der fiir die Untersuchung herangezogenen Teile wurde femer die Notwendigkeit eindeutiger und im Zeitablauf unveranderter Systemgrenzen eines Zulieferteils eingefiihrt. Demnach blieben modelltypische Funktionsteile, die im Produktlebenszyklus »zusammen­gewachsen« sind, auBerhalb der Betrachtung. - Als Ergebnis eines Evaluierungsprozesses wurden die in Abb. 1 dargestellten Teile in die Untersuchung einbezogen:

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Meinig: WertschOpfungspartnerschaft 133

0 Abgasschalldampferanlage 0 Reifen 0 Blinkgeber 0 Scheibenwaschpumpe 0 Felgen (Stahl) 0 Scheibenwischermotor 0 Generator 0 Scheinwerfer 0 Hauptbremszylinder 0 Sicherheitsgurt (Automatic; vorne) 0 Hauptschlufileuchte 0 Signalhorn 0 Kolben 0 Starter 0 Kupplung (komplett) 0 Starterbatterie 0 Lenkrad 0 Sto.6dampfer 0 Olfilter 0 Zylinderkopfdichtung 0 Radlager

Abb. 1: Ausgewihlte Objekte der Zulieferteil-Preisanalyse

4 Datenerhebung

Die Ermittlung der verwendeten Fahrzeugpreise, der Serienausstattungen sowie der Aus­stattungspreise basierte im wesentlichen auf der Auswertung modellspezifischer Daten des Speichermediums »SilverDAT« der Deutschen Automobil Treuhand GmbH (DAT). Da­tenstruktur und Art der auf dieser Compact Disc erfaBten GroBen bildeten eine hinrei­chende Grundlage, urn Fahrzeugmodifikationen und damit korrespondierende Preisent­wicklungen zu erfassen.4 - Die durchschnittliche Fahrzeugmarktpreisentwicklung (UPE) aller untersuchten Modelle errechnete sich schliefilich aus dem fUr jedes Jahr gebildeten arithmetischen Mittel der Kfz-Marktpreisindizes der einzelnen Fahrzeugmodelle. Dement­sprechend griindet sich die durchschnittliche Preisentwicklung der ausstattungsbereinigten Fahrzeugpreise auf den Indizes der ausstattungsbereinigten Fahrzugpreise aller Modelle.

Informationen uber die in der Erstausstattung erzielten Zulieferteil-Preise wurden mittels einer Primiirerhebung bei n = 43 fUr die betrachteten Modelle »zustiindigen« Unterneh­men der Zulieferbranche gewonnen. Die Preisentwicklung der fahrzeugspezifischen Zu­lieferteile-Sortimente bzw. die Preisentwicklung aller Zulieferteile ergaben sich demnach auf der Grundlage von 160 auswertbaren Fragebogen, die in AusnahmefaIlen (bei unvoll­stiindigen Preiszeitreihen) durch das Verfahren der »linearen Trendrechnung« erganzt wurden. Zur Ermittlung der durchschnittlichen Preisentwicklung der jeweiligen Zuliefer­teilsortimente wurde fur jedes Jahr (t) das arithmetische Mittel aus den Preisindizes der sortimentszugehOrigen Zulieferteile (PX**) gebildet. Die Zeitreihe dieser neu errechneten Preisindizes stellt die gewunschte Preisentwicklung dar.

i PS t

wobei:

i PS t PX t n i

=

Blinkgeber FeIge Zylinderkopfdtg. PX t + PX t + ... + PX t

n i

Preisindex des Zulieferteilesortiments i in der Periode t Preisindex eines Zulieferteils in der Periode t Anzahl der im Sortiment i enthaltenen Zulieferteile

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134 Meinig: Wertschopfungspartnerschaft

5 Gegeniiberstellung der ermittelten Preiszeitreihen

Eine Zusammenfassung der untersuchten Preisentwicklungen bietet Abb.....l. Hierbei zeigt sich eine im Untersuchungszeitraum uber siimtliche Fahrzeugmodelle aggregiert stetig an­steigende, nahezu linear verlaufende Zeitreihe der Neuwagenverkaufspreise (UPE).

Der Vergleich der Zeitreihe fur Fahrzeug-Marktpreise mit derjenigen fUr die entsprechen­den ausstattungsbereinigten Neuwagenpreise verdeutlicht einen in der Tendenz gleichen Kurvenverlauf bis zum Jahr 1988. Auch die ausstattungsbereinigten Neufahrzeugpreise entwickeln sich bis zu diesem Zeitpunkt annahemd linear; danach allerdings wird eine leichte Verringerung der Preissteigerungen erkennbar. Hieraus lassen sich eindeutige Ruckschlusse ziehen, und zwar

(a) auf die in der jungeren Vergangenheit im Interesse einer weiteren Steigerung des Komforts und der Sicherheit verbesserte Serienausstattung der untersuchten Fahr­zeugmodelle und

(b) auf die ,.uberproportionale Verantwortlichkeit« (im Sinne der Hypothese 2) dieser er­weiterten Serienausstattungen fUr die in den letzten drei Jahren eingetretenen Preis­steigerungen an Neufahrzeugen .

. Preiaindex 300~======================~------------1

280F.ahrzeull-Marktprala. (UPE der Hersteller)

280 JlI~I_.~laatl.aUun.lI.bar:ellllllte .. FIII~rDlulIl~rlll.e ................... L ... . [2J Prel.e der fahrzeullapezlfllchen

240 Tellesortlment.··

220

200

180

160

140

120

100~~~~~ru~~~ru~

75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 t

Bezugsjahr Jahr

Abb. 2: Durcbschnittliche Preisentwicklung der FBhrzeuge Audi 80, BMW 318, Ford Escort, Mercedes-Benz 200, Opel Kadett und VW Golf sowie der fahrzeugspezifischen Teilesortimente.

QueUe: Erhebung ZU Preisentwicldungen in der Automobilindustrie 1992 Forschungsstelle Automobilwirtschaft (FA W), Universitit Bamberg

~ belegt auch einen annahemd proportionalen Verlauf des (ungewichteten) Preisin­dex aller fahrzeugspezifischen Zulieferteil-Sortimente zum Preisindex fur Neuwagen bis zum Jahr 1987. Mit diesem Zeitpunkt geht der Preisindex fur Zulieferteile jedoch in ei-

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Meinig: WertschOpfungspartnerschaft 135

nen nahezu konstanten Kurvenverlauf fiber, was eine k1are Bestiitigung von Hypothese 1 darstellt: Wahrend die Endverbraucherpreise fUr Kraftfahrzeuge im Zeitablauf kontinuier­lich angestiegen sind, gilt zumindest fUr den Zeitraum von 1987 bis 1992, da6 die im Erstausstattungsgeschaft der Automobilwirtschaft engagierten Betriebe der Zulieferindu­strie gegeniiber ihren Kunden im Durchschnitt keine Produktpreissteigerungen durchset­zen konnten.

Die nach Modellklassen differenzierte Analyse der durchschnittlichen Preisentwicklungen fUr Kraftfahrzeuge der »Kleinwagenklasse« und diejenigen der »Fahrzeugmittelklasse« er­brachte eine zwischen beiden Fahrzeuggruppen weitgehend iibereinstimmende Preisent­wicklung bei den ausstattungsbereinigten Fahrzeu~reisen (wobei die ausstattungsberei­nigten Fahrzeugpreise des Mittelklassesegments etwas starker angestiegen sind).

Preiaindex 300.---------------------------------------------,

280

260

240

220

200

180

160

140

120

. _F,.hn.ug-U.rktpr ••••• Orupp. t (UPE .. d.r .... H .• r.t.U.r)...... .... ....................... .

.~F,.hrzeug~t..'.r~tll~41·I141.· ... ~rllpp4l~(UF'!.~41r .. H.r.tll···r)

100 -'-..--''''F'-.....",.......,=-

75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92

BezU~ajahr Jahr

Abb. 3: Vergleich durchschnittlicher Marktpreisentwicklungen (UPE) der Modellgruppen Ford Escort. Opel Kadett. VW Golf (Gruppe 1) sowie Audi 80. BMW 318. Mercedes Benz 200 (Gruppe 2)

Quelle: Erhebung zu Preisentwicklungen in der Automobilindustrie 1992 Forschungsstelle Automobilwirtscbaft (FAW). Universitit Bamberg

Der fahrzeuggruppenspezifische Vergleich der durchschnittlichen Marktpreisentwicklun­~en auf Basis der upE dagegen dokumentiert, da6 sich der Preisindex fUr Neufahrzeuge der Mittelklasse im Gegensatz zum Preisindex der Kleinwagenklasse bis zur Gegenwart linear ansteigend entwickelt hat (vgl. Abb. 3). Eine Erklarung fUr diese Abweichung konnte in der recht starken intemationalen (insbesondere japanischen) Konkurrenz im Segment der Kleinwagen gesehen werden. Deutsche Automobilhersteller konnten in die­sem modellklassenspezifischen Wettbewerbsfeld aufgrund des Konkurrenzdrucks - wenn fiberhaupt - nur noch verhaItnismaBig geringe Preissteigerungen durchsetzen. Moglicher­weise ist darin auch der ma3gebliche Grund dafiir zu erkennen, weshalb die Zulieferteil­preise - wie in ~ illustriert - in diesem Segment besonders unter Druck geraten sind.

Page 141: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

136 Meinig: WertschOpfungspartnerschaft

Geringfligig giinstiger stellt sich dagegen die Situation bei den Zulieferteilpreisen fiir Mit­telklassefahrzeuge dar, d.h. es ist davon auszugehen, daB die in diesern Modellausschnitt aktiven Zulieferbetriebe vergleichsweise hOhere Deckungsbeitriige irn Erstausstattungs­geschiift realisieren konnten.

Preisindex 140

11_ Teilesortimente der Gruppe 1 I E5I Teilesortimente der Gruppe 2

130 ....................•... .... I····· I·

120

110 .. _ ... .. ..

100 ..tJl 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92

BezutSj8hr Jahr

Abb. 4: Gegeniiberstellung durchschnittlicher Preisentwicklungen der fahrzeugspezifischen Teile sortimente in zwei Gruppen. Gruppe 1: Teilesortimente der Fahrzeuge Ford Escort, Opel Kadett,

VW Golf; Gruppe 2: Teilesortimente der Fahrzeuge Audi 80, BMW 318, Mercedes Benz 200 QueUe: Erhebung zu Preisentwicklungen in der Automobilindustrie 1992

Forschungsstelle Automobilwirtschaft (FA W), Universitit Bamberg

Urn Aussagen dariiber treffen zu konnen, urn welchen Faktor sich die ausstattungsberei­nigten Fahrzeugpreise stiirker erhOht haben als die Preise der fahrzeugspezifischen Zulie­ferteil-Sortirnente, wurde flir beide GrOBen eine Regressionsanalyse vorgenornrnen. Abh.. S. verdeutlicht das Verhii.ltnis dieser beiden durchschnittlichen Preisentwicklungen fiber siirntliche untersuchten Fahrzeugrnodelle aggregiert. Die errnittelte Relation 1 : 2,86 die besagt, daB die ausstattungsbereinigten Fahrzeugpreise urn das 2,86-fache stiirker ange­stiegen sind als die Teilesortirnentspreise, resultiert dabei aus den entsprechenden Preis­verhii.ltnissen der Kleinwagenklasse (1 : 3,16) und denjenigen der Fahrzeugrnittelklasse (1 : 2,62).

6 SchluRfolgerungen

Die Gegenfiberstellung der errnittelten Preiszeitreihen belegt zweifelsfrei die Diskrepan­zen zwischen der Preisentwicklung der untersuchten Kraftfahrzeuge und der Preisent­wicklung der fahrzeugspezifischen Zulieferteile. Auch unter Beachtung der Tatsache, daB Wertzuwiichse und damit verbundene Preissteigerungen, die z. B. auf produkttechnische

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Meinig: WertschOpfungspartnerschaft

Preiaindex auaatattungabereinigter Fahrzeugpreia (abhinglge Variable) 210

200+·········································

190

180

170

160

150

140

130

120

110

100

100

X ·····,···x·····················

.............. , .............. -/' ..................................... .

110 120 130 140 Preiaindex fahrzeugapez. Teileaortiment

(unabhiinglge Variable)

Abb. S: Regression zwischen ausstattungsbereinigten Fahrzeugpreisen und den Preisen der fahr­zeugspezifischen Teilesortimente aller Fahrzeugmodelle. Untersuchungszeitraum 1975 - 1992

Quelle: Erhebung m Preisentwicldungen in der Automobilindustrie 1992 Forschungsstelle Automobilwirtschaft (FA W). Universitit Bamberg

137

Verbesserungen der Automobilhersteller oder ZuliefererS sowie eine vergro6erte Teile­zahl zuriickgefUhrt werden konnen, nicht in die vorliegende Untersuchung integriert wur­den, scheinen die erzielbaren Zulieferteilpreise zunehmend unter das Niveau ihres ent­sprechenden WertschOpfungsanteils zu sinken.

Diese Vermutung wird auch durch den Kurvenverlauf gestiitzt, der sich im Falle einer Gewichtung - also bei Beriicksichtigung unterschiedlicher Abgabepreise und Verwen­dungsraten der Zulieferteile im Kraftfahrzeug - ergibt (vgl. ~. Hierbei zeigt sich, daB die durchschnittliche Preisentwicklung aller Zulieferteile bis zum Jahre 1986 noch einmal um ca. zehn Prozent niedriger ausfaIlt als bei Au6erachtlassung von Gewichtungs­faktoren. Ab diesem Zeitpunkt weist die gewichtete Zulieferteilpreisentwicklung aufgrund des vergleichsweise schwacheren Ansteigens hochpreisiger gegeniiber den niedrigpreisi­gen Zulieferteilen sogar eine fallende Tendenz auf. Unter Zugrundelegung der Gewich­tung weichen die Neufahrzeug- und Zulieferteilpreisentwicklung folglich noch starker voneinander ab als in den vorhergehenden Abbildungen bereits angedeutet.

Mit diesen AusfUhrungen werden auch die vielfach im Zentrum wissenschaftlicher Dis­kussionen stehenden positiven Aspekte relativiert, die sowohl der Verringerung der Ferti­gungstiefe als auch dem Trend zum ,.single sourcing« innezuwohnen scheinen. So fUhren zwar gro6e Stiickzahlen in der Fertigung zu verringerten Stiickkosten, und zwar unmittel­bar uber die Nutzung der economies of scale und im long run durch erzielte Lemkurven­effekte sowie der (outputabhangigen) Moglichkeit, weniger effiziente Produktionsverfah­ren und Technologien durch neue LOsungen zu ersetzen. Dariiber hinaus sehen sich die Zulieferbetriebe im Zuge dieser Entwicklung jedoch immer komplexeren Leistungsan-

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138

Jahr Be­zuga~5 jahr 76

77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92

100 110

Meinig: Wertschopfungspartnerschaft

120 Preiaindex

130 140

Abb. 6: Gegeniiberstellung der Zulieferteil-Preisentwicklungen (ungewichtet und gewichtet nach den Zulieferteil-Angebotspreisen und der Verwendungsmenge im Kraftfahrzeug)

QueUe: Erhebung zu Preisentwicklungen in der Automobilindustrie 1992 Forschungsstelle Automobilwirtschaft (FAW), Universitit Bamberg

spriiehen der Abnehmer gegeniibergestellt (z.B. Nachweis von F & E-Potentialen, logisti­schen Problemlosungskapazitiiten, Qualitiitsstandards in der Fertigung).

Untemehmen, die den genannten Anforderungen nieht gerecht werden konnen, werden sieh mittelfristig aus dem Erstausstattungsgesehlift der Automobilindustrie zuriiekziehen miissen. Leistungsstiirkeren Betrieben steht zunaehst noch die Mogliehkeit offen, iiber Fusionen oder iiber eine Weitergabe des Kostendrueks an die eigenen Unterlieferanten den geiinderten Wettbewerbsverhiiltnissen zu begegnen. Diese Entwieklung endet jedoch spatestens dann, wenn aueh solehe MaBnahmen nieht mehr ausreichen, die hOheren Ko­sten zu decken. Es bleibt in diesem Zusamrnenhang eher Hoffnung als Gewifiheit, daB sieh die pessirnistisehe Einsehlitzung D.N. Burt's nieht bewahrheiten wird: "Auf Dauer geht der Trend wohl dahin, daB Zulieferer nieht imstande sein werden, die Mittel zu ver­dienen (oder an sieh zu ziehen), die sie benotigen, urn ihre Mitarbeiter zu qualifizieren und ihre Anlagen auf dem neuesten Stand zu halten. Darunter wird die gesarnte Wertkette leiden, der Endverbraueher eingesehlossen. "6

Anmerkungen

[1] VgI. zum Begriff und zur Konzeption der WertschOpfungspartnerschaften: Johnston, R., Lawrence, P.R., Vertikale Integration II: WertschOpfungspartnerschaften leisten mehr, in: Harvard Manager, 11. Jg. (1989), Nr. I, S. 81 ff.

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Meinig: WertschOpfungspartnerschaft 139

[2] Der Begriff "Zulieferteile fUr die Erstausstattung" von Kraftfahrzeugen umfafit solehe Einzelteile, die oboe oder mit geringfUgiger Weiterverarbeitung regelmiiBig in die Produktion von Kraftfahrzeugen eingehen, nur in dieser bestimmten Verbindung zu velWenden und fUr die Herstellung des Endproduk­tes erforderlich sind. "Zulieferbetriebe der Automobilwirtschaft" sind demnach Untemehmen, die 801-che Teile fertigen und liefem (vgJ. Eriksen, K. (1990): Das Marktverhalten der Automobilhersteller auf den Kfz-Teile-Miirkten der Bundesrepublik Deutschland, Wirtschaftspolitische Studien, H. 82, Gottingen 1990, S. 10).

[3] Bei der Eliminierung zusiitzlicher Serienausstattungen kamen drei alternative Methoden zur Anwen­dung: (1) die Ausstattungsbewertung iiber die geforderten Preise fUr Wahlzusattsausstattungen der VOIjahre; (2) die Ausstattungsbewertung anhand von Ersatzteilpreisen; (3) die Ausstattungsbewertung anhand von Preisen der Mittwettbewerber.

[4] Unwesentliche Ausstattungsmerkmale (z.B. zusiitzliche Dekorstreifen, serienmiiBiger Aschenbecher) wurden nicht in die Untersuchung einbezogen, da der Wert dieser Ausstattungsattribute im Vergleich zum Wert der beriicksichtigten Ausstattungsiinderungen iiuBerst gering war. Eine eventuelle Abwei­chung der Ergebnisse bewegt sich in einer Grollenordnung von unter einem Prozen!.

[5] So fiihren z.B. H. Bertram und E.W. Schamp das Beispiel des Kabelbaums an, der in einem Zeitraum von vier Jahren eine Wertsteigerung um das Fiinffache erfahren habe (vgJ. Bertram, H., Schamp, E. W., Riiumliche Wirkungen neuer Produktionskonzepte in der Automobilindustrie, in: Geographische Rundschau, 41. Jg. (1989), H. 5., S. 288).

[6] Burt, D.N., Hersteller helfen ihren Lieferanten auf die Spriinge, in: Harvard Manager, 12. Jg. (1990), Nr. 1., S. 79

Literatur

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BURT, D.N., Hersteller helfen ihren Lieferanten auf die Spriinge, in: Harvard Manager, 12. Jg. (1990), Nr. 1., S. 72 - 79

ERIKSEN, K. (1990): Das Marktverhalten der Automobilhersteller auf den Kfz-Teile-Miirkten der Bundes­republik Deutschland, Wirtschaftspolitische Studien, H. 82, Gottingen 1990

JOHNSTON, R., LAWRENCE, P.R., Vertikale Integration II: Wertschopfungspartnerschaften leisten mehr, in: Harvard Manager, 11. Ig. (1989), Nr. 1, S. 81 - 88

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Zelk6: Privatization

Privatization in Hungary: Methods, Results and Problems

von

Prof. Lajos Zelk6 Wirtschaftsuniversitiit Budapest

1 Realizing the Need for Privatization

2 Privatization in Hungary

3 Methods of Privatization

4 Supply and Demand in Privatization

5 The main Results of Privatization

6 What is to come?

141

In Hungary, as in most of the centrally planned economies state property had become overwhelming in all the main branches of the national economy, except agriculture, by the early 1950es. In agriculture, state-frames had a share of about 15 percent, measured either by cultured land or by their contribution to production. In the late 1950es and early 1960es the creation of agricultural production cooperatives was also concluded and the share of private farms shran~ to a few percent only. Still, private smallholders, together with the household plOts or members of cooperatives added up to some 15 percent of cul­tivated land and to more than one third of agricultural production in the 1980es. Their share was even higher in fruit, vegetable and meat production and in some other special fields. Private property also survived in retail trade and in some services.

The overall share of production by small private and semi-private owners in Hungary used to be in the range of 8-10 percent in the national economy during the 1970es and 1980es.

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142 Zelk6: Privatization

1 Realizing the Need for Privatization

It may be more or less known that economists, managers and also a great number of poli­ticians were in favour of reforming the central direction and regulation of the economy in Hungary. In 1968 the so-called economic reform was launched and - although by inter­ruptions and sometimes setbacks - it had been continued all the way until 1990, when the political system was basically transformed. This reform era was a series of experiments with the end goal of improved, more effective functioning of the national economy.

'. .... " " ,'"""l'0'\\ (~' .. 41i,.!>M~l4. At the beginning, the salient features of economic reforms were the moves to ensure great, close to full autonomy to enterprises and the moves towards the abolishment of the compulsory character of detailed centrally prepared plans. -</"'(;:LV~

1 d!Cv.J '-Oi After these measures had been put in force and the general accomplishment of the nation-al economy still lagged behind expectations, it was concluded that an increased role for market was unavoidable. However, in the 1970es the so called national "state or at least cooperative ownership" of the means of production was considered sacrosanct partly on ideological grounds, partly because of the political will of other centrally planned coun­tries, especially of the Soviet Union, even in revisionist-minded Hungary.

In agriculture, as already mentioned, the situation was somewhat different. Besides some small private holdings and the household plots, some 40 percent of the land cultivated by cooperatives was legally still privately owned. Although in practice most of the owners were members of the cooperatives without having any special rights. Partly by means of ideological reasoning (cooperative property is owned by members of the cooperatives and not by the nation1'pi}!!!Y because of practical reasons, in this branch of the economy common sense prevailed: Autonomy was much greater than in general, organizational forms and structures were allowed to develop as demanded by economic efficiency con­siderations and had become really diversified. Farmgate prices were contracted and set between the producers and the big procuring agencies, but producers had direct access to the market and were also allowed to process their products and sell them this way. Agri­culture in Hungary was not much more centrally regulated than in most Western devel­oped countries, and had been subsidized to very small extent, if at all. This way in this branch of the national economy the market really functioned, and Hungarian agriculture was a real success, also competitive in foreign trade.

In other branches of the economy, where contrary to group ownership, state enterprises were overwhelming if not exclusive, the general situation was different. In the lack of at least group interests, it did not seem rational to give unharnessed autonomy to state owned firms. For example, in the given social and political situation salaries and wages had to be centrally set or at least centrally regulated by the government. Otherwise their general increase would in all certainty very much surpass the level warranted by the in­crease of economic output. Similar was the case with the allocation of capital: managers' appetite is too great, if the owners - in this case the government - do not force them to try to invest only in profitable projects. Given these circumstances, the government had tried to impose market conditions on firms by applying some kind of foreign trade prices in the domestic trade of goods and services, too. This proved to be an unsuccessful experiment to simulate the real market by way of centrally set conditions.

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Zelk6: Privatization 143

In a desperate effort to create market conditions, where state owned firms were over­whelming in the economy, in 1984 the majority, about 80 percent, of state firms were by law declared to be self governing ones. But in the lack of real owners, managers in most of the cases have got complete control of the firms. Still, they did not behave the same way, as private owners usually do. Consequently, this measure did not promote effec­tively the coming into being of a real market, either. Other efforts have also been made. In principle joint ventures with foreign capital have been allowed since 1972, but until the late 1980es there hid been only a few of them, with rather small capital investments.

Besides cooperatives, private entrepreneurs have been allowed to function since 1979. Retail and service shops, or restaurants could be hired from the state or from cooper­atives for longer - usually five-year periods - and operated by individuals. The fees were determined through auctions. The contracts could be renewed. Private ownership in retail trade and small scale services and industries have always been allowed to a limited ex­tent, but the above mentioned steps and other ones, like renting out whole organizational units or shops in big firms, were significant in preparing still more important changes.

As in the reform process in general, agriculture again played a pioneering role in Hun­gary. The so called law on cooperatives was modified in 1988. Accordingly, 50 percent of the assets of cooperatives could be distributed to their members in the form of shares. These shares then were allowed to be bought and sold amongst the members. If they left the cooperatives, they were entitled to change them to money or to physical assets. Simi­larly, they could take out or sell the land in their ownership, if they decided to leave the cooperative. The limit on the extent of household plots was abolished. As a consequence, in theory all the land in the possession of cooperatives could have been cultivated individ­ually by the members.

All summed up, the reform measures had helped a lot to make our economy function somewhat more effectively. But the results, even if not negligable, were far behind ex­pectations.

It was concluded in Hungary that market economy, with all its pitfalls was the most ef­fective economic model. First, at least in recent decades, the market economies of the de­veloped countries proved to be much more effective than the centrally planned econo­mies. Second, because Hungarian agriculture functioned under conditions in many ways similar to those in Western developed countries and proved to be really effective.

At the same time it seems obvious that market economy rests on agreed share of the pri­vate ownership of the means of production as opposed to state ownership. For an effec­tive functioning of the market, private interests are to exert influence. There is supposed to be a very strong link between state ownership of firms on the one hand and the inten­sive central government direction and regulation of the national economy on the other one. At the same time a correlation between private ownership and less centralized and less bureaucratic, market-type coordinating mechanisms is supposed to exist.

Furthermore, there was a widespread belief, that in most cases state-owned firms in the developed countries were less competitive than the privately owned ones, although this supposition could not be proved in a really convincing way so far.

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144 Zelk6: Privatization

All this given, it was not appropriate to speculate whether state owned companies in the former centrally planned economies, under less rigid and more sophisticated central regu­lation and amidst better in - country and international environment could have been much more effective or not. History probably will not give proof for this kind of speculation -at least not in the foreseeable future.

It is taken for granted that a market economy, resting mostly on the private ownership of the means of production, i.e. on privately owned firms in the formerly centrally planned economies, too, will function as effectively as it has functioned in the developed econo­mies. By all means, at least more effectively than under central command or regulation. Also, privatization and deregulation may advance simultaneously. Privatization will prob­ably exert a favourable effect on the liberalization of foreign trade. It will require also the building up of all those institutions coherent with market economies.

2 Privatization in Hungary

Since privatization is the key condition in the transformation of centrally planned econo­mies to market economies, by now it has become a political tenet, that it should be ac­complished urgently.

However privatizing virtually almost whole national economies is an unprecedented task. While state owned firms had produced about 90 percent of GDP in Hungary, the contri­bution of state owned firms in the Ee countries did not reach the 12 percent mark, whereas the average index in the developing countries is about 10 percent. It is interest­ing to point out that the Thatcher government in Great Britain, most dedicated to privati­zation, during the course of more than a decade, could privatize only 60 companies, con­tributing to GDP only a few percentage points. In the developed Western countries the basic method of privatization has been the selling out of companies, either by the sale of shares on the stock market, or by selling whole firms directly. In that model the follow­ing procedure is typical: through evolution of the company; appreciation of its value; its financial renovation if necessary: possibly the creation of a more effective, new organiza­tional structure within the firm. This way in Great Britain and in France, where privatiza­tion has so far been done on the largest scale amongst the developed countries, 90 percent of the firms privatized have been profitable.

Furthermore, besides economic and philosophical considerations, the direct aims of gov­ernment by privatizing were to decrease the deficits in the national budgets and to ensure, or at least to facilitate the buying of shares by wider groups of the population.

In ~f&bQ'y~ mentioned countries all that was possible. The burden on the national budg­ets Tri'Ci.llie'<T"by the sometimes necessary rehabilitation of the firms was not excessive, the necessary institutional framework existed, private capital to buy up the shares or whole companies was sufficient.

In Hungary the situation has been basically different. State ownership in 1990 was 85-90 percent. The government has not had the resources and the skill to rehabilitate, restruc­ture the majority of its firms. Institutional conditions were not satisfactory, private capital has been sparse, and so on.

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Zelk6: Privatization 145

3 Methods of Privatization

In Hungary the basic concept of privatization was the same as in the more developed Western countries. The reasons for that are numerous. ~t, experts have been convinced that this would be the only way to have really private owners whose interests, goals and business behaviours are behind the Western-like functioning of the market. Second, the government wanted to share from the financial ~s of privatization and wanted to be . amongst the main ~_of it. The central government and also local governments could aJleviate their budgetary problems (repay part of the debts accumulated by their budgets, or at least to make yearly budgetary deficits smaller): the central government could use part of the proceeds to settle or to service foreign debts. Third, companies sold (privatized) only in part could increase their base capital and use part of the price re­ceived to modernize, upgrade their techniques. Fourth, serious reservations regarding the mass privatization programmes in the Czech and Slovak Republic and in Poland, existed. As known, the idea behind these programmes is the distribution of vouchers to buy shares to employees or to all citizens and to financial institutions. Financial institutions, such as banks, insurance companies, pension funds and mutual funds would come up with e­nough shares in their hands - either through direct distribution of shares or through pur­chases from the citizens on the secondary market - to be able to excercise supervision over the management of the companies. While this method of privatization could certain­ly speed up the process, it may also result in an excessiv~dispersion of ownership that . certainly would prevent real supervision of managements. An~ssible consequence could be the concentration of shares in the hands of a few holding companies which would probably create similar difficulties of supervision than those encountered by the former economic ministries. Hungarian economists often add to this point that not being private, these institutions would render ownership as abstract and as inefficiently moti­vated as state ownership used to be.-These privatization techniques may have unwelcome macroeconomic implications, like not desired wealth effects or inflationary effects, too.

Of course, the share of private capital can be increased by the creation and gradual ex­pansion of new private firms whose importance may increase over time. However, if it is done in a responsible way, it may prove to be a very slow process because of the lack of domestic private capital.

Both privatization and the eltiii~1i'm&t and growth of new private firms may be affected by reprivatization or by full or partial compensation of owners, whose fSlI1J.Ul« had been I nationalized, or of their discendants. Reprivatization and partial compensation is going on in Hungary in spite of the widespread ~n that as much as nationalization without com- I

pensation may have hurt social justice, compensation or even partial compensation of for­mer owners at the expense of anew, young generation, which had nothing to do with na­tionalization, hurts social justice, too. Reprivatization in the physical sense is - in most of the cases - impossible. Some nationalized superstructures have basically changed or sim­ply disappeared, market values have changed, some are used by the public and cannot be replaced overnight. Reprivatization of land may hurt the rational functioning of, or may lead to the dis~~!l!!!g of formerly effective cooperatives or state farms. The building up of the legal and institutional basis of privatization had begun already before the basic p0-

litical changes.

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146 Zelk6: Privatization

A comprehensive law on the organizational forms of firms was enacted in 1988. This law gave detailed regulations on the different organizational types of firms - allowing for all the existing opportunities to private, including foreign capital. This law was accompanied by the modernization of the tax system, by the introduction of the two-tire banking sy­stem, and so on.

In 1990 the so called State Property Agency (SPA) was established. This agency was to represent the state as the owner of firms. Its role in the process of privatization was also defined. It was authorized with a general supervising and initiating, and to an extent reg­ulating role in all privatizing actions.

Also in 1990 the so called law on transformation, regulating the transformation of differ­ent types of firms into each-another, for example that of state enterprises into limiteds, or into companies; or cooperatives and limiteds into companies was 9acted.. In the same year a law on small privatization (privatization of small retail shops and other small serv­ice units) was passed.

As far as the concrete techniques of privatization are concerned, so far it could have been initiated: a) Qythe firms themselves and it could be implemented under the supervision and/or quite active piirli'CipaIloi'lorthe SPA. This type is generally referred to as the ~!I,~~usprivatizatiS'r; b) by the SPA when it grouped and offered for sale major state enterprises, referred to as ~ti~~ptiya~ c) by potential buyers who approach the SPA withp.!:()posals or offers and the SPA forces firms into privatization, referred to as the third road."'Recenifya fourth way has been introduced; certain conSUlting-type agen­cies, specializing in it, may implement the privatization of firms with little or no interfer­ence by the SPA. This method is now referred to as ~lf-J!rivatization, since it is done in full cooperation with the firms privatized. ---

4 Supply and Demand in Privatization ~·',At1.

In principle and by and large also in practice the SPA cofi'ducts a so called market method privatization. Accordingly, complete firms or parts of them are acquired by those who bid and pay the highest prices. At least so far it has been considered important to insure fair competition among potential buyers by means of open, and on rare occasions by closed bidding.

Who may become the new owners, i.e. who represent the demand side in the privatiza­tion process?

According to the presently valid law, local governments become the owners in firms bought by private investors up to 50 percent of the value of their land property, if it is lo­cated inside villages or towns. In case the state continues to be the owner, the relevant figure is 100 percent.

Foreign capital, directly invested in Hungary. About one third of incoming foreign capi­tal has so far been spent to buy state owned firms or parts of them. At the same time it plays significant role in capital-extensions of Hungarian companies. Taken this also into account, it is probably a realistic estimate to say that about 50 percent of foreign capital,

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Zelk6: Privatization 147

directly invested in Hungary has been invested in the formerly exclusively state owned firms. It is expected that this ratio remains close to constant also during the coming 2-3 years. The remaining half is invested into newly founded firms, or has simply been in­vested to yield interests.

Private Hungarian capital also has appeared amongst the buyers when medium-sized, of larger state firms were privatized. However, their weight is not yet considerable, and it is a potential risk factor that their source of financing is mostly borrowed money.

Po .0-, Mutual ~ssion (cross ownership) of parts of each others' assets between banks and companies or between companies has not been unusual in recent years. If these banks and other companies are completely or to a large extent state owned, statistics as far as the privatized shares of these firms are concerned, will probably be false and misleading, since shares possessed by other firms, banks or institutions may be counted for as private.

In small privatization (privatization of retail trade, small services and industries) small Hungarian entrepreneurs have played a considerable role in certain cases, although they, too, have relied to a large extent on borrowed money, a fact that makes them vulm!mble in the coming years. Especially so, if we take into account that in this field foreign capi­tal has also been very active.

Commercial banks may potentially become buyers in firms, especially if they want to get rid of bad debts. This kind of activities, however, should be quite limited from the point of view of ensuring necessary bank liquidity.

In spite of all that has already been said about the compensation of mostly old proprie­tors, and of reprivatization, in Hungary several laws covering different fields of compen­sation have been passed. The estimed gross value of compensation certificates is probably to reach 5 percent of the value of assets destined for privatization. But only 1-2 percent will really become a demand factor in the privatization process, while the remaining 3-4 percent will probably be spent to buy land or apartments or will be converted to some kind of annuity. ~ It

Recently the appearance of contracting managers or group managers to operate whole state owned firms or certain parts of them has been considered. Then, if they are being successful, they will have an option to buyout the firms or their shares.

Last, private money savings by the population may also be used at least in part in the process of privatization. Only a part of them, because competing alternatives, like time deposits, real estate and so on also exist.

In analysing the supply side, the weight of former state enterprises, transformed into companies may be a good indicator to use. Being a company is an important condition for privatization. However, if a decision to privatize has been made and if there is sufficient demand, state enterprises can be transformed into companies easily and in a short time. By the middle of 1992 the share of companies in state owned firms was about 30 percent in value. It should, however be noted, that this indicator of supply becomes less and less reliable over time. At the beginning profitable state enterprises were transformed into companies. Later on less and less profitable firms were transformed, therefore they have

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148 Zelk6: Privatization

not increased the supply of attractive assets in a proportionate way. For example in the framework of the so called active privatization programme the SPA listed twenty state owned firms to be privatized. Until the end of 1991 they had succeeded only with three of them. This indicates that these firms may not have been attractive enough. Firms, where the government wanted only a partial privatization or where it did not intend to privatize, have also been transformed into companies.

5 The main Results of Privatization

In order to be able to register the results, we once more take a look at the transformations implemented by the middle of 1992. There were 36 cases in 1990, 197 cases in 1991 and 153 cases in the first half of 1992. Foreign capital was involved in 16 transformations in 1990, in 33 ones in 1991 and only in 3 cases in the first half of 1992.

Their aggregate book value was increased by about 1.3 times in all the three years as they have been transformed into companies, while in 1991 and in 1992 less than this value was classified as base capital. Even this way the market value of state enterprises in the process of privatization was significantly higher than their former book-value.

In reality, a change from state ownership to private one has mostly occured only when the new owners were foreign investors. Their share is about 3 per cent of the value of all firms and foreign direct investment decreased in dramatic measure in the first half of 1992. Still, so far about three fourth of government revenue gained from privatizations is of foreign origin. The pace of inflow of foreign capital has again increased in recent months.

The share of domestic capital has been less than 1 percent, while that of domestic acquisi­tions financed by borrowed money has been about 2.5 percent.

It is obvious that the results are meager, if we compare them with the expectations. Since foreign capital is interested in the profitable fields, and since a considerable share of prof­itable firms has already been privatized future prospects are discouraging.

It should be noted, however, that in certain fields the role of privatization has been aston­ishingly great. These are the following: paper-, cement- and food-industry, within the lat­ter one the sugar, vegetable oil or tobacco-industries; public road construction and in general trade and certain services, like insurance.

By now it is observed that in several of these cases oligopolistic market structures have developed. For example, in the sugar industry three groups of owners are in a dominating position; and similar is the case in public road construction or in the cement industry. In other cases the possibility of their coming into being is highly probable. In certain in­stances there were signs according to which factories were bought up only to pave the road for imports by shut-downs.

It can also be observed that direct capital investments are mostly the so called profession­al investments opposed to portfolio-type investments. Mostly on the basis of earlier business contacts and ties, or cooperation in production, development or selling, foreign

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Zelk6: Privatization 149

investors know a lot about Hungarian conditions, but of their managements, too. Not rar­ely, intensive personal links exist. On this ground, and also because Hungarian managers often see incoming foreign capital as their own good chance to stay with and to modern­ize their companies, mutual interests to sell these firms partly to foreigners and on their side to buy them out, develop. These kinds of foreign investments in privatization are the so-called professional ones. It is quite general that they aim at such a high share in the re­spective companies as to be able to control them. This tendency in itself may prove to be useful but also to become harmful as far as Hungarian interests are concerned in different situations later on.

6 What is to come?

The expectations regarding the speed and also the results of privatization have so far only partially been fulfilled. It is by now obvious that if privatization is going on with the methods and along the ways of the recent two and a half years, privatizing 50 percent of all state owned assets by the end of next year seems impossible. The future of new Hun­garian entrepreneurs is extremely volatile, since they mostly bought out state property by borrowed money, and it is highly unprobable that they will be able to service their debts, especially in the depressed state of the economy which probably is going to last if not fur­ther deteriorate in the coming years.

Of course, by now the government accepted a concept, according to which certain seg­ments of the economy will remain in state ownership, at least in the foreseeable future. A majority-type state ownership is envisaged and stated by law for certain firms in the ener­gy sector, in infrastructure services, in certain fields of industry, in state farms which have a leading role in different aspects of agricultural development and in certain banks (saving banks and one export financing bank).

A law was passed in parliament about the organization, role and main functions of the so­called "Company to Manage State Property". It may establish companies with 100 per­cent state ownership, but in most cases, where the state is not the sole owner, it may con­tract with institutions to operate, or to manage these firms.

The State Property Agency has similar rights and duties with the firms until they are not privatized. However, the forms and ways of concrete solutions at present are not final­ized yet. In the absence of Hungarian private capital, and with the realization that firms attractive for foreign capital to a considerable extent have already been privatized, new solutions to speed up privatization are also considered. Amongst them leasing, payment of the purchase price by instalments, special credit schemes, and selling out to managers are thought of.

In certain cases transfer of ownership without financial compensation is also considered. (Transfer to Pension and Health Insurance Agencies or to Funds with a Public Interest Policy.) All these are at the stage of contemplation. The fact that such methods are con­sidered in Hungary, too, illustrates the contradiction existing between politicians about speedy privatization and how to resolve the tremendous difficulties in the road of this un­precedented task.

Page 154: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

T6th: Commercial and Competition Policy

Commercial and Competition Policy in Hungary (Facts, Laws, Consequences and Experiences)

von

Prof. Tamas T6th Wirtschaftsuniversitat Budapest

1 Some facts about market entry into Hungary

2 Some facts about the state of competition in Hungary 2.1 Misunderstanding about the unlimited positive rule of competition 2.2 Wide dispersion of productivity levels 2.3 More processing less efficiency 2.4 Monopolized nature of many industries

3 The Law about Unfair Market Behaviour 3.1 Historical precedents 3.2 Main regulations of the Law about Unfair Market Behavior 1990

3.2.1 General Clause 3.2.2 Prohibition of Unfair Competition 3.2.3 Prohibition of Fraud against Consumers 3.2.4 Prohibition of Restriction of Competition 3.2.5 Prohibition of Abuse of Dominant Economic Position 3.2.6 Control of Mergers

4 Experiences of the Application of the "Competition" Law

151

The commercial (trade) policy and the competition policy of any given country are strongly interrelated. The regulations of the former might curb or encourage competition from abroad, the latter has a strong influence on the business practices of both domestic and foreign firms.

In my lecture I will put the emphasis on the latter because many elements of the commer­cial policy will be covered in other lectures of this conference. Among others I will not speak in detail about custom duties (tariffs), avoidance of double taxation, foreign invest­ment, foreign exchange regulations etc. Concerning trade policy the only thing that I try to prove is that the Hungarian commercial policy does not hinder the development of real competition in Hungary.

Page 155: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

152 T6th: Commercial and Competition Policy

1 Some facts about market entry into Hungary

The imports into Hungary were liberalized with an unprecedented speed and to an un­precedented extent in the last three years. Foreign investment and repatriation of profits earned are free and have a preferential treatment (there are several tax concessions) in a wide range of industries and activities. The Act on Concessions (1991) gives the same right for foreign companies to participate in the public procedures as for domestic ones.

Exports 1990 1991 1990

By countries of origin/destination

Industrialized countries 57,9 67,9 59,8

of which: OECD 54,6 67,1 58,0

EEC 36,2 45,7 37,6

EFTA 12,2 15,0 15,4

Developing countries 7,9 8,4 9,7

Former socialist countries 33,8 23,6 30,S

of which: Eastern Europe 27,4 19,4 27,1

Others 0,4 0,1 0,1

Total 100,0 100,0 100,0

By contracting countries

Industrialized countries 64,2 75,8 66,8

of which: OECD 62,9 74,S 66,0

EEC 39,4 48,S 39,9

EFTA 18,4 20,S 23,8

Developing countries 6,5 6,8 5,5

Former socialist countries 29,2 17,3 27,7

of which: Eastern Europe 25,3 15,3 25,0

Others 0,1 0,1 0,1

Total 100,0 100,0 100,0

Exh. 1: Total Trade by Regions (Calculated on HUF basis) Source: Official statistics of the Hungarian Statistical Office

Imports 1991

66,6

66,0

41,1

19,1

7,9

24,1

22,3

1,5

100,0

77,S

76,7

44,9

27,9

4,8

17,8

16,3

-

100,0

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Page 157: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

154 T6th: Commercial and Competition Policy

The tariff system of Hungary has been in accordance with GATT regulations since 1973 and the level of tariffs is quite low compared with the tariff level of other countries of the same development level. Exporting and importing are a so-called statutory right of Hun­garian companies (more the 30.000 firms are registered to make foreign trade business) and importers have the right to buy the required foreign currency from the authorized fi­nancial institution without permission or restriction.

As a basic rule, from January 1, 1991 exports and imports are not subject to licensing. Cases where licensing is still maintained will be considered as expceptions and the cover­age of licensing is substantially reduced. Some 92 per cent of imports is free from li­censing which in terms of GDP means that over 70 per cent of the Hungarian production is exposed fully to import competition. The total imports of Hungary in 1991 was about 12 billion dollars, from that amount 2,7 billion dollars were the imports of consumer goods. Practically this is the only product group where for some products (detergents, shoes, clothing, food and beverages, tobacco, used cars etc.) licensing is necessary. For these products the so called global quota was 600 million dollars, less than one quarter of the total imports of consumer goods. There are separated quotas for EC member coun­tries and for the others. The fact that the actual imports is only 70 per cent of the quota does show the quota not being a real obstacle to exports to Hungary. Some data show a really rapid development in the consumption of consumer goods of foreign origin. More than 50 per cent of beer consumed in Hungary comes from EC countries. In the last 4 years the import of coffee from Austria has grown 6 times, that of beer 10 times and chocolates 13 times. Austria sold more goods to Hungary than to the U.S.A., China or Japan. As a result of these developments Hungary's trade structure just in one year has changed enormously as shown by exhibits 112.

To circumvent the undesirable effects on the situation of domestic producers Hungary naturally has to use all the available and internationally accepted means which ensure that the Hungarian companies do not have to face competitors who use unfair means and as a result of that enjoy unjust advantages. It means we use anti-dumping procedures (in ac­cordance with the GATT Anti Dumping Code), we use procedures against market disrup­tion (safeguard regulation).

2 Some facts about the state of competition in Hungary

2.1 Misunderstanding about the unlimited positive rule of competition

As in the other Central-Eastern European countries there was (and is) a naive belief in the omnipotent positive power of market forces. Many people believe "the market" is a per­fect allocator of resources in every case. It is easy to prove that this is not the case. Just consider exhibit 3.

Without going into the details of the definitions of the above mentioned concepts (no­tions) it is easy to see "the market" is a perfect allocator only in the case where the three circles are perfectly overlapping. In all other cases some type of governmental interven­tion is unavoidable. Because the lack of real competition in the last 40 years in Hungary the common part of the three "products" is naturally much smaller than in the case of the well developed market economics. It is a basic fact that the Hungarian economic policy and competition policy have to take into account.

Page 158: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

T6th: Commercial and Competition Policy

S.D.: Socially Desirable products T.P.: Technically (Technologically) Possible products Pr.: Profitable products

Exh.3: "product" types

2.2 Wide dispersion of productivity levels

155

To compare the productivity level of different industries is not an easy task (according to some economists it is just a pure nonsense!). But by international comparison there is a possibility to make a rank order of different industries because there is an average differ­ence between the productivity level of two countries and there are the actual differences in cases of different industries. In Hungary it was calculated the following way: the actu­al production cost of a given product (in forints) was divided by the actual export price of the product (in dollars). That forintl$ ratio did show enormous differences among differ­ent products and different industries. Other calculation made on the basis of "physical" productivity measurement, such as pieces of products produced by one man-hour, showed the same wide range in productivity level. That wide dispersion has a simple conse­quence: using "average" exchange rate as a cutoff point, under which every industry and product is uncompetitive and does produce losses, means that a big percentage of indus­tries and products will be so far away from the cut off point that tariffs mean no protec­tion at all. This wide dispersion of productivity is a direct result of prices which had nothing to do with market prices and a levy-subsidy system which far departed prices from cost und supply-demand conditions as well. As a result of all these things the eco­nomic policy of the country cannot simply follow the remedies suggested by economic theory.

2.3 More processing less efficiency

A further and rather unusual consequence of the above mentioned facts is a negative cor­relation between the processed level of the product and efficiency measured by world market standards. According to various calculations and estimations made in the last dec-

Page 159: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

156 T6th: Commercial and Competition Policy

ade, the more elaborated, the more times processed is a product, the more forint produc­tion cost is worth 1 $. It means the more people touch the product the more disastrous will be the efficiency level. In case of high level of unemployment it is natural for the government to prefer labor intensive industries but that policy might lead to less efficien­cy. This vicious circle has also be taken into account in dividing the economic and the competition policy of the country.

2.4 Monopolized nature of many industries

In Hungary, as in the case of other Central-Eastern European countries, there was a tend­ency of centralization and concentration of companies. In many industries (e.g. milk, beer etc.) one company has been one industry. In this case the liberalization of imports does not help too much in "decentralizing" the industry's "competition structure". The level of concentration is well documented by the following exhibit:

Name of product group Market share of the Market share of the Number of the companies biggest producer four biggest producers in the industry

Parquetry 97,8 99,9 12

Garden furniture 47,8 91,6 16

Paper-boxes 30,4 90,0 29

Wood-cask 86,8 100,0 3

Wooden windows 28,4 75,3 92 and doors

Cotton fabric 28,3 71,8 37

Silk fabric 69,9 99,1 12

Exh. 4: Concentration in some industries in Hungary Source: Berbine-Bod-Nagy: A monop6lium es a versenypiac kOzOtt (Between monopoly

and competition) Kozgazdasagi Szemie, Budapest July 1990

The research did collect the data of about 458 product groups in manufacturing in 1988. In 302 cases (2/3!) the market share of the biggest producer was above 50 per cent! With this market structure it is perfectly understandable why import liberalization is a key question in creating "market economy" in Hungary. Because of the 4 phenomena just dis­cussed, competition had to be regulated in Hungary as early as possible not just because

- regulation of competition is necessary in every country,

- for long-range strategic reasons Hungarian regulations have to be compatible with EC regulations.

But because of the 4 phenomena regulation is not easy and the adjustment process does require time. That task was fulfilled in 1990.

Page 160: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

T6th: Commercial and Competition Policy

3 The Law about Unfair Market Behaviour

3.1 Historical precedents

157

As I did mention earlier economic policy and competition policy have to be integrated. In the modem history of Hungary people living today have had two different experiences about the connection between competition and economic development: (1) In the '20s and the '30s the competition (the market) have ruined many industries

and families.

(2) In the '50s, '60s and '70s the market was ruined by the government. Therefore it is absolutely necessary to explain to the population that laws about competition equally have to take into account

- the interests of competitors,

- the interests of consumers,

- and the interests of the community.

Therefore the government had to set those rules, which, if followed, would ensure the defence of the interests of all the above mentioned three groups. The rules have to be "neutral" but because of the historic heritage discussed in part II, there has to be - at least for some time - a positive discrimination as well.

In Hungary the Law about Unfair Competition passed in 1923 was effective for 67 (!) years. For decades that law was about the same level as the regulations of the most devel­oped market economies. After the communist takeover the law remained effective but in a centrally planned economy it had no real meaning or importance. Therefore the "new law" of 1990 is not a consequence of organic development but "newly created" on the ba­sis of international experiences and the actual requirements of the Hungarian economy.

3.2 Main regulations of the Law about Unfair Market Behavior 1990

The objective of my lecture is naturally not to make known the whole content of the law, it is published and can be read in English or German as well. My intention is just to ac­centuate the main points and give some examples how the law is practiced. The structure and the main elements of the law are the following:

3.2.1 General Clause

The role of the general clause is to emphasize the freedom and fairness of competition and define the four main actors, namely:

(l) the entrepreneur,

(2) the economic activity,

(3) the competitor and

(4) the consumer.

Page 161: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

158 T6th: Commercial and Competition Policy

Besides the positive guidelines the law does prohibit every indecent business activity which does hurt the interest of the competitors and consumers. This part and the whole law does not decide what is decent or indecent because the content of these terms changes in time. What is decent or indecent depends on the business practices of the participants of business life, their customs and expectations make it decent or indecent!

3.2.2 Prohibition of Unfair Competition

The law prohibits:

- Publication of untrue facts.

- Publication of misunderstandable statements.

- Publication of business secrets.

- Boycott - asking somebody not to do business with a third party.

- With holding products before price increases.

- Tying the sales of one product to another.

- Copying any product or service, including design, packaging, name etc.

One open and widely discussed question is the copying of the "inside solution" of a given product. The new phenomenon, the so called "reverse-engineering" is an accepted prac­tice by many countries of the world in case the "outside" of the product is distinctly dif­ferent. The Hungarian practice and the law experts are inclined to follow the international trends. As you could see the Hungarian regulations are nearly the same as those of the EC.

3.2.3 Prohibition of Fraud against Consumers

The key question is what is considered to be a fraud. According to the law there is a fraud, if the seller gives untrue or misleading statements about any important characteris­tic of the product, such as:

- Misleading comparison with other products and the publication of this type of compar­ison.

- Keeping back information about product features which do not suit legal prescriptions, standards etc.

- Labels which might be misleading in any way.

- Advertizing of products where supply is limited except if the message says so, etc.

As you can see the majority of laws in this chapter are somehow connected with promo­tion, with advertising. Naturally laws cannot cover all the possibilities, therefore the ethi­cal code of marketing, especially the ethical code for advertisers also play an important role in forming the rules of giving information about products or services. Marketers are sometimes inclined to circumvent the rules or use questionable techniques if they are not

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T6th: Commercial and Competition Policy 159

explicitly forbidden by the law. It is a questionable behavior when world famous compa­nies coming from countries where tobacco advertising is forbidden at home are flooding the markets of developed countries with cigarette advertising. Good taste is also a scarce commodity when companies are advertising diapers and tampoons at dinner time in East­ern-European televisions. Just follow the words of the law but not the spirit of it might not be illegal but it is not the best business strategy in the long run.

3.2.4 Prohibition of Restriction of Competition

Collusion for this purpose is strictly prohibited even if the agreement has been concluded outside the borders of Hungary. This prohibition is especially strong for fixing prices, di­viding markets and discrimination against any group of buyers and sellers. "Fair trade" is also a law, just suggested retail prices are allowed. This means that both horizontal and vertical restrictions of competition are prohibited. There are two exceptions from the a­bove mentioned laws:

(1) the objective of the "collusion" is defense against the dominant economic power of the bigger ones,

(2) it is of small importance.

In practice it means that the added up market share of the participants in the "collusion" are less than 10 % of the relevant market. It is understandable the definition and the actu­al circumscription of the relevant market is not so well developed as for instance in the U.S.A. where it has been practiced in actual proceedings for more than 80 years. There are a number of exemptions from the law where it does lead to lower price, better quali­ty, better conditions of sale etc. The objective of these exemptions is to avoid that the law hinder those cooperations which are essential to the functioning of modem economic life. As a rule of thumb cartel (trust) type of behavior is suspected where the joint market share of "cooperation" parties is higher than 30 per cent of the relevant market.

3.2.5 Prohibition of Abuse of Dominant Economic Position

It is prohibited to abuse dominant economic position:

- By signing contracts which ensure unilateral advantages for one of the parties.

- By refusing to sign a contract without reasons.

- By preventing others from entering the market.

- By preempting or reducing competition through pricing practices.

That latter point gives quite a headache for Hungarian companies. If a foreign company tries to build a monopoly situation by low prices, in this case anti-dumping procedures might help. But what about foreign companies who spend more on advertising than the yearly sales of the given product of the given company. It is difficult to prove and there are no explicit laws against it.

Page 163: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

160 T6th: Commercial and Competition Policy

3.2.6 Control of Mergers

It is such a big field it could give ample issues to be covered by a separate lecture. And it is connected with privatization, foreign capital investment and other topics I promised not to cover in this lecture. The only thing I would like to mention about this topic is the fol­lowing: Permission for mergers is considered and given based on the same line of thoughts I covered in paragrahps No.3. and No.4., that means the merger is not hinder­ing competition, does not lead to monopoly and does not result in dominant economic p0-sition.

4 Experiences of the Application of the "Competition" Law

The content of the Law about Unfair Market Behavior is much wider than a pure list of regulations which has to be followed. As any other law it does deal a lot with the en­forcement of the law and procedural questions as well. It clarifies how this law is con­nected to contract-law, what are the procedures to follow, what is the status in this re­spect of different organizations and offices etc.

A special section of the law deals with licenses, tasks and authorisation of the so called Office for Economic Competition. Together with other organizations, offices and natural­ly the participants of business life this office is responsible to keep an eye on how the market forces in Hungary are working.

The report of this Office to the Hungarian parliament about the experiences in the first year of the application of the "competition law" does contain some interesting informa­tion.

In the first year of application there were 176 procedures (legal proceedings). From this number 136 were initiated by the actors of the market. The actors' unfamiliarity with the new law is shown by the fact, that in 23 cases the actors of the market have initiated pro­cedures at the Office where the market anomalies has nothing to do with the new law. From the 77 decisions (28 was handled on the basis of "Dominant Economic Position") handed out 29 proved to be infringement of lawful rights, that means somebody was found guilty. The total fine imposed was 6l. 7 million forints. The number of cases and the small amount of fines does show the actors of business life are not very active in sueing other participants and they are absolutely not keen on take an action against for­eign companies.

According to my opinion that does not mean foreign companies in Hungary know every­thing about the Hungarian "Competition Law" and their behavior is always unquestiona­ble from the business ethics point of view. To avoid lawsuits in the future as well, for­eign firms have to make themself familiar with the whole content of competition law. This lecture did try to emphasize which are the main points and questions where this fa­miliarization is the most urgent.

Page 164: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Istvlinffy: Convertibility

Transition and Convertibility

von

Prof. Hajna Istvlinffy Wirtschaftsuniversitat Budapest

1 The Convertibility Target

2 Convertibility - what does it mean in the practice?

161

3 The Hungarian Foreign Exchange Regime - the Convertibility of the Hungarian Forint

Page 165: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

162 Istvanffy: Convertibility

1 The Convertibility Target

Transition in East-Central Europe - this is one of the most often discussed topic of our days. The ex-communist countries with their command economies are now undergoing a fundamental transformation undertaking dramatic efforts not only to build up, but to open their national economies based on market principles. The reform programs of the single countries - mainly the Czech Republic, Hungary, Poland and Slovakia - may of course differ in their speed, targets and task ranking etc. but they certainly represent the same ambition concerning the convertibility of their national currencies.

As a matter of fact, monetary and fiscal objectives construct the core of the transforma­tion policy. Institutions, mechanism, as well as the legal framework are just built out and strengthened. The task is not easy, since the development of new markets is to be stimu­lated together with the restoration of macroeconomic stability and the restructuring of their economies.

Naturally, the establishment of currency convertibility has been paid especially keen in­ternational interest, since it would mean a freedom to buy or sell foreign exchange. By other words: administrative control of payments related to international trade in goods, services and financial assets should be finished. Conventional views of the former CO­MECON countries concerning convertibility used to emphasize its unnecessary or danger­ous feature. There were however significant differences among the national standpoints. Hungary seemed to accept the positive elements of convertibility, by far more, than its eastern partners. The case of convertibility stood several times in the focus of economic debates. Nevertheless up to the 90s it was refused at all times, with the official explana­tion that economic and financial preconditions of any - even limited - kind of convertibili­ty failed. With the new political situation it has become widely accepted that the liberali­zation of international trade and payments has to go ahead hand in hand, therefore a con­vertibility introduced for current payments is an absolutely necessary prerequisite for any further liberalization step. To measure and stimulate the efficiency of domestic economic units through appropriate price signals is evidently a necessary condition, otherwise effi­cient decisions neither in the production, nor in the investments could take place.

Transformation in East-Central Europe often results really embarassing situations, which can hardly be foreseen or explained on basis of conventional economic wisdom. A typical example is offered by the evolution of convertibility, that follows a totally different path in the region as usually, e. g. in the great Western-European wave of introducing con­vertibility at the end of the 50s. Following the pressing need of external financing, the absolute shortage of domestic resources, the related countries have liberalised some part of their international capital flows without having completed convertibility in the field of current payments. Those efforts extending the freedom of international payments even to some elements of the capital flows can be understood on basis of the specific external and internal conditions only.

Convertibility has recently become a widely accepted key symbol of openess and liberal economic policy, by which EC-Europe does demonstrate its "good-will" as to marketisa­tion and the liberal/free market character of its economic transition. Still the question and dilemma is there whether and how convertibility can be considered as one of the most im­portant and synthetic target of macroeconomic policy, or it is rather an instrument pro-

Page 166: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Istvanffy: Convertibility 163

moting economic target, convertibility must follow a rather moderate way depending on the availability of the necessary preconditions. Whereas in the latter case, free access to foreign exchange should be guaranteed without any delay.

There is no definite and regionally homogenous answer to this question. The Czech, Po­lish and Hungarian attitude towards convertibility shows anyhow some characteristic dif­ferences. Seemingly Hungary represents a special combination of the basic concepts; con­vertibility is a very useful and fundamental instrument reducing the costs and increasing the efficiency of domestic foreign exchange allocation, but it can be implemented under relatively developed and therefore flexible market conditions only.

This explains why Hungary has not taken part in the "convertibility game" of the early 90s, when official declarations followed each other in Jugoslavia, Rumania and Poland. With the total absence of any exchange market in Romania the "seriousness" of converti­bility was rather evident for the West. Not speaking about the declared convertibility of the Jugoslavian dinar, where soonly after it turned out that the dinar is not even a national currency, lacking the unified national economic base.

2 Convertibility - what does it mean in the practice?

There is a sometimes rather disturbing confusion about convertibility. Its content has of course permanently changed reflecting the qualitative changes in the world financial sy­stem. Since the end of the gold standard till our days the definition has been several times modified. It is evident why the IMF declared in that question. The Funds Articles of Agreement give a clear definition (Article VIII). IMF member states have the obligation to undertake convertibility prescribed by the related Articles. They are required to elimi­nate restrictions in the way of international Payments and to restore current account con­vertibility as soon as possible. Convertibility was originally defined as the freedom of selling and buying foreign exchange at the officially declared exchange rate for the pur­pose of current payments. By introducing floatation, free conversion may take place at the prevailing market rates. Convertibility does not necessarily mean the freedom of capi­tal flows. Capital transactions can be administratively controlled without damaging the convertibility of the national currency. The definition reflects the IMF assumption that the liberalization of international payments has a natural and logical graduality, it should be extended from the top items of the Balance of Payments (trade in goods and services) to the closing items (capital flows, credits, long and short term).

Should a currency be considered as convertible, the required - or the minimum - area where free access to foreign exchange must be guaranteed is the current account. Coun­tries are not allowed to impose new restrictions on the current items of international pay­ments, unless they have got an approval from the Fund with respect to the BP problems. Surprisingly enough trade barriers, quantitative import limitations although they have a straight effect on payments, are not prohibited from the point of view of convertibility, since they are adopted for BP reasons.

The articles have some further special statements, which are especially important con­cerning the present efforts of EC-Europe. Export income surrender Requirements are not against convertibility. Residents may be compelled to sell their foreign exchange income

Page 167: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

164 Istvanffy: Convertibility

to the monetary authorities. Although it is not in line with the "freedom of selling foreign exchange", it can be accepted if residents enjoy a free access to foreign exchange. Fur­thermore, some other restrictions may be imposed by the authorities concerning the ori­gin of the currency balances offered for sale.

The articles distinguished between old and new balances whether they were accrued be­fore or after the declaration of convertibility. Newly acquired balances must be purchased by the monetary authority of the issuer country, since those assets might have been ac­quired as a result of recent current transactions. Whereas old balances, acquired before the convertibility originate from previous, illegal transactions, without having any guar­anty for repurchase by the issuer. Although it is rather difficult to separate old and new balances, the regulation is of great importance especially for the EC countries, where sig­nificant currency balances might have been accumulated abroad during the decades of strict administrative foreing exchange control.

Another distinction is made on basis of who owns the balances or where the currency bal­ances are hold. Who holds the balance, it basically refers to residents or non-residents. Sometimes regulations distinguish among domestic business (enterprises) and non-busi­ness (households) owners. Internal and external convertibility have been attached differ­ent contents. Recently internal convertibility has been more often explained that residents have the right to owe special assets of foreign currencies with domestic banks and to con­vert the national currency into foreign currency assets. This right does not automatically extend to the freedom of international payments. To make payments abroad from the le­gally held foreign exchange deposits or to have other financial assets (not foreign curren­cies) needs a special permission. Therefore internal convertibility in its limited form is very far from the unlimited and liberal form of current payments which is the essence of any convertibility. Internal convertibility by its traditional explanation means that official guaranty for the free conversion, use and repurchase of the national currency has been extended from non-residents to residents, as well.

Current account convertibility abolishing all prohibitive quantitative restrictions on im­ports can lead to significant increase not only in consumption, but in domestic output, as well, by improving the opportunity to obtain the optimal technology and all necessary im­ports, as inputs. Convertibility as a direct impact on the supply side of the economy, its effect depends on the flexibility of the domestic market, how market participants - pro­ducers - can get informations and react to market signals (prices etc.). When transform­ing macroeconomic management, the quick decentralization of production decisions may cause serious confusion among producers; the precious command mechanism they were used to is not perating any longer, but the new information system has not been built out yet ... Apart from difficulties as to following the actual market changes, adjustment to the new supply and demand situation has elementary financial preconditions.

Without suitable financing - quickly developing domestic money and capital markets, ef­ficient banking system and sufficient domestic resource mobilization - the positive supply side effects of current account convertibility could hardly appear. To the contrary, liber­alization of current payments, free foreign trade, uncontrolled and unlimited import of goods and services are to bring to light the weaknesses of domestic economic activity both in quality and in structure causing a dangerous decline in the national output. Pro­ducers of tradeable and non-tradeable goods, in export and import sectors, as well, can

Page 168: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Istvlinffy: Convertibility 165

successfully react to international competition if they find the neccessary financial re­sources to promote innovation and improve quality.

Furthermore time factor should be taken into consideration. International competition -under the best financial conditions - can prompt domestic producers to improve their per­formance exploiting the real comparative advantages of the national economy to the lon­ger run. The well known "I-curve" effect clearly appears: direct or short term effects of current account convertibility are more probably disturbing. Decline of net export in­come, rising unemployment level, currency devaluation, stronger inflationary pressure may appear if the government fails to implement some compensationary actions modera­ting the short term negative effects of current account convertibility. A special attention must be paid to exchange rate policy. The crucial point of introducing convertibility is whether and how exchange rate level reflects the relative prices. Should external prices be generally lower than the cost level of domestic producers, the elimination of trade bar­riers is surely to increase the trade deficit and so to destroy convertibility. Exchange rate plays a critical role. To maintain relatively stable employment level and real wages, when exposing the economy to real international competition, an appropriate exchange rate lev­el is essential. Where is that exchange rate level, it is perhaps the most difficult question. Should exchange rate policy serve export promotion, import as a whole becomes too ex­pensive. Undervaluation of the domestic currency can hinder the import of not only con­sumer goods, but those fundamental products (goods, services, technologies etc.) which are critical for any further development of the national economy. Exchange rate policy can not be put in the exclusive service of import either, since it would destroy all export activities. Some compromise is to be found between the different interests and/or func­tions attached to the exchange rate mechanism. By other words exchange rate policy is far from being the exclusive and fully efficient instrument of maintaining domestic and external eqUilibrium.

As a rule, capital account convertibility has been built on the successful operation of cur­rent account convertibility. On basis of the long term BP effects international capital flows involve, governments usually extend convertibility to the capital account rather cautiously, after having obtained positive experiences with the free system of current pay­ments (GNP growth, balanced foreign trade, moderate price-level increase etc.).

In case of EC-Europe governments follow a different path to complete convertibility. Since domestic financial resources are limited and due to the embrional stage of their cap­ital markets which cannot provide for the efficient mobilization and allocation of domes­tic savings, liberalization of foreign trade and the connected payments is insufficient in it­self for promoting domestic economic development. Therefore it is quite natural that economies in transition are faced as the most important key issue how to attract more capital and other productive resources from abroad. EC-European countries belong to the so called upper-middle income country group (with a per capita GNP of more than $ 2(00) which means that they cannot rely on official grants, aids and technical assistance. The basic form of channeling external financing is the import of private capital. Undoubt­fully the success of their transformation efforts is determined by the speed of private cap­ital inflow, predominantly by foreign direct investments.

This is why governments undertake the introduction of capital account convertibility even if they have not got enough experiences with current account convertibility (not having

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166 Istvanffy: Convertibility

completed it yet, or before it should have resulted the necessary improvement in the eco­nomic situation). Some special types of international capital flows have been liberalisated in all countries, mostly those connected with working capital import. The key issue of the recently introduced capital import policy of the EC-Euopean countries is to stimulate for­eign capital owners to invest more in the country, offering them more attractive after-tax profits, higher rate of return and of course full freedom for repatriation of their initial capital investments, as well as, of the earned profits. Capital account convertibility to di­rect and portfolio investments forms a very important precondition for working capital in­flow. It must be supported however by other instruments, infrastructural development, stable and clear legal system, etc. Extending convertibility to the capital account - to for­eign direct investments - has some risks again.

It cannot be excluded that speculative capital inflow may appear and greater volatility in exchange rates takes place. Capital export is not necessarily a danger, since the outflow of domestic capital can be prevented by administrative control.

Convertibility is granted for foreign investors only. Whether and how capital flight would strengthen, it is a further question. It is motivated by very different factors. The real dan­ger of free capital inflow is related with the structure or orientation of foreign direct in­vestments; whether they result in new, green field projects or they are mainly used in the privatisation process. The former creates new jobs and increases domestic output. The latter, taking over the ownership of previously state run productive units almost generally causes some slow-down in the production and following a rationalization, a down-swing in the employment level is the natural consequence. Under normal conditions - apart from those investments which aim at the liquidation of the previous competition by domestic enterprises - the negative effects of foreign direct investments are of transitional character. This is a special form of the "I-curve" mechanism again, that should be taken into consideration, but accepted. Foreign direct investors are the most important partici­pants in the privatization. Without their active presence governments were unable to re­duce the proportion of state ownership to an acceptable level (appr. 40-50 %) within rea­sonable time (2-3 years). Consequently, the extention of convertibility to certain types of capital flows is absolutely necessary, even if it involves some negative side effects.

3 The Hungarian Foreign Exchange Regime - the Convertibility of the Hungarian Forint

Current Account payments in Hungary are de facto liberalised, if they are related to for­eign trade, postal and telecommunication and international transportation. Otherwise gen­eral or individual licensing is in effect.

Importers have free access to foreign exchange. Exporters are however requested to sell their convertible currency receipts for forints. The so called export surrender requirement means in practice that Hungarian enterprises are not entitled to keep foreign exchange ac­counts (except the amount the foreign owner of the enterprise had paid in as capital).

Entrepreneurs have to account for the foreign trade receipts or the import expanditures. In case if enterprises have intentionally misused the foreign exchange, the National Bank may take penalty actions. Above a given limit Hungarian exporters are obliged to agree

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Istvanffy: Convertibility 167

with their foreign partners in the prescribed form of payment (documentary or clean col­lection). Deferred payments can be offered without permission only within one year.

Transfer of income from capital is liberalised with respect of non-residents. They are en­titled to convert that income into convertible currency and transfer abroad. Residents hav­ing obtained profits, dividends of interests on capital obtained abroad (with the permis­sion of the foreign exchange authorities) may freely transfer their income into Hungary, but legal persons have to sell the convertible currency income for forints.

There are special regulations for travels and tourism. Hungarian citizens over 14 years of age may obtain convertible currency of $350 annually. Residents and non-residents have a special limit for the amount of Hungarian banknotes they are allowed to take in and out of the country. Residents may take abroad any amount of foreign currency if they prove its origin (their foreign exchange account held with and of the domestic banks). Non-resi­dents have to declare when entering the country the amount of travellers'cheques and banknotes they owe, in order to take out some part of that amount when leaving Hun­gary. Non residents may convert their HUF amounts into convertible currencies only up to 50 % of the amount they have originally imported to the country.

For Private and official/business travel there are separate rules. The amount of foreign exchange enterprises dealing in foreign trade may obtain for postal services, telecommu­nications, international transportation and for business travels is related to the convertible currency turnover (to the value of their export income and/or import payments).

Foreign direct investments are treated in Hungary rather liberal. By the recent law for­eign investors have to pay their cash contribution to the equity of for acquisition of an ex­isting company in convertible currency, or in HUF, in case if those amounts originate from their other, already existing investments in Hungarian companies. Should they ac­cept HUF for their export into Hungary, non-residents are to hold their Ft-account at a resident financial institution. They are permitted to pay with these amounts for Hungarian goods and services to be exported abroad or they may purchase units of investment funds registered in Hungary. The yield and the proceeds are transferable. Capital export for re­sidents is subject to authorization. Legal entities, as well as, private enterpreneurs have to obtain individual licences.

Credits directly linked with international commercial transactions or with the rendering of international services are subject to authorization if having more than 12 month maturity. General conditions of export credits are being worked out. Authorised banks are allowed to grant credits and loans to non-residents up to a given maturity and a certain percentage of the funds collected from non-residents. Other residents need inividual licence for granting credits.

Non-residents may deposit their forint and transfer it from a domestic entity on a Ft-ac­count. These amounts may be used without limitation, e.g. for foreign trade transactions denominated in Forint. Impratant, transfer from Ft-account to abroad cannot be executed. Forint income originating from domestic direct or portfolio investment may be converted into foreign currency and transferred to abroad. Therefore, Ft-incomes that are transfera­ble could be clearly separated from those that are not.

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168 Istvanffy: Convertibility

The process of extending the convertibility of the Forint is moderate but uninterruptedly going on. Hungary has not taken part in the convertibility game of EC-Europe which re­flects rather irrational economic thinking. The convertibility of a currency does not de­pend on the official declaration, but on the existence of a stable eonomic, financial and political background. The Hungarian policy follows a more realistic way. It is fully aware of the fact that after the declaration the convertibility of the Forint can be main­tained only if the conditions are given. First of all inflationary pressure is to be modera­ted, inflationary expectations should diminish. Official reserves should remain on an ac­ceptable relatively high level. Last but not least economic growth is needed.

The internationally accepted economic performance of Hungary should increase providing for the necessary confidence in the Hungarian currency. This is the core of the economic policy! To concentrate on the de jure convertibility of the Forint is not only misleading, but dangerous as well. Instead of the L'art pour l'art convertibility eneavours, the Hunga­rian government has to concentrate its efforts to the economy, to put the national econo­my on a steady growth path allowing as much de facto freedom for the international real and financial transactions as it seems to be useful.

Item 1988 1989 1990 1991 1992 1992 1992 1992 1992 marc. jun. szept. okt. nov. 31. 30. 30. 31. 30.

International Reserves Convertible currency 1976 1725 1166 4017 4488 5268 5632 5142 4848 - Gold (320 $/ounce) 510 479 97 82 57 60 34 32 33 - Foreign Exchange 1466 1246 1069 3935 4431 5208 5598 5110 4815

Other external assets 202 567 803 706 655 50 56 51 48

Convertible currencies 3660 3765 4166 4086 3993 4166 4393 4164 4094 - Short term 2201 2356 2740 2606 2525 2600 2883 2720 2662 - Long term 1459 1409 1426 1480 1468 1566 1510 1444 1432

Non-convert. currencies 502 669 591 516 480 1299 1310 1305 1261 - Short term 69 169 108 117 109 913 915 925 845 - Long term 433 500 483 399 371 386 395 380 416

Tab. 1: International Reserves of Hungary Source: National Bank of Hungary, Repon, December 1992

Item Import Export

Value Index Value Index

1991 1991 1992 1992 1991 1991 1992 1992 January - November 1991 January - November 1991

TOTAL (HUF bn) 855,6 789,8 782,7 99,1 764,3 663,8 745,2 112,3 Convertible (US-$ miUtions) 11082 10234 9933 97,1 9972 8662 9510 109,8

Tab. 2: Trade Balance

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Istvanffy: Convertibility 169

Item 1991 1991 1992 Changes Index (%) nov. 30. dec. 31. nov. 30. since 92 nov. 30. 92 nov. 30.

31. oct. 92 91 nov. 30. 91 dec. 31.

(HUF billions) Gross liabilities 1667,9 1713,4 1846,2 +44,0 110,7 107,7 Gross assets 566,2 612,8 746,5 +1,1 131,8 121,8 NET DEBT 1101,7 1100,6 1099,7 +42,9 99,8 99,9

(US-$ millions Gross liabilities 21288 22658 22116 -386 103,9 97,6 Gross assets 7227 8104 8942 -364 123,7 110,3 NET DEBT 14061 14554 13174 -22 93,7 90,75 Exchange rate Ftl$ 78,35 75,62 83,48 - - -

(ECU millions) Gross liabilities 17040 16927 18093 +508 106,2 106,9 Gross assets 5785 6054 7315 +42 126,4 120,8 NET DEBT 11255 10873 10778 +466 95,8 99,1 Exchange rate Ftl$ 97,88 101,22 102,04 - - -

Tab. 3: Convertible Debt Stock of Hungary Source: National Bank of Hungary, Report, December 1992

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Vegs6: Marketingprobleme

Marketingprobleme ungarischer Unternehmungen

von

Assoc. Prof. Bela Vegso Wirtschaftsuniversitat Bundapest

1 Entwicklungen in Europa und ihre marktstrukturellen Foigen in Ungaro

171

2 Marketingprobleme ungarischer Unteroehmen wlihrend der Umwandlungsphase 2.1 Marketing und Transformation des Wirtschaftssystems

2.2.1 Produkt-/Leistungs-Mix 2.2.2 Distributions-Mix 2.2.3 Promotion-Mix 2.2.4 Preis- und Konditions-Mix

3 Moglichkeiten uod Aufgabeo

In diesem kurzen Beitrag darf ich die im Titel genannte Problematik von zwei Seiten be­handeln. Die Entwicklungen in Europa und ihre Folgen auf den ungarischen Markt einer­seits und ihre Auswirkungen auf die Marketingtiitigkeit ungarischer Untemehmungen an­dererseits stehen dabei im Mittelpunkt. AnschlieBend versuche ich einen zusammenfas­senden Ausblick iiber die Moglichkeiten un serer Untemehmungen zu geben.

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172 VegsO: Marketingprobleme

1 Entwicklungen in Europa und ihre marktstrukturellen Folgen in Ungaro

1m Gegensatz zu Robert Merles "1M WESTEN NICHTS NEUES" gibt es im Westen doch sehr viel Neues. Man mu6 nur als erstes an Maastricht und die Vereinigung Deutschlands denken. Von diesen Anderungen sind aber auch die politischen, gesell­schaftlichen und wirtschaftlichen Umwandlungsprozesse in Mittel- und Osteuropa nicht zu trennen. Die Prozesse bedeuten in dieser Region gleichzeitig einen Systemwechsel von der Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft. Nebenbei auch bemerkt werden, daB sich auf diesem Wege eine gro6e Weltmacht aufgelost hat. Diese Auflosung hat noch gr06ere Auswirkungen als die Veriinderungen im Westen. Es trifft sowohl auf die politischen als auch auf die wirtschaftlichen Strukturen und Moglichkeiten der betroffenen Under zu.

Man mu6 im Zusammenhang mit diesen auch noch darauf hinweisen, daB in den mittle­ren und ostlichen Regionen von Europa die Entwicklungs- und Umwandlungsprozesse sehr gro6e Phasenunterschiede aufzeigen. Diese Unterschiede tragen dazu bei, daB die ehemaligen Ostblocklander auch unterschiedliche Moglichkeiten der wirtschaftlichen An­passung an das neue Europa haben.

Es wird im allgemeinen immerhin betont, daB von diesen Undem Ungaro das Land ist, wo die vorher genannten Umwandlungen am weitesten vorangekommen und so die Marktverhiiltnisse "am echtesten" sind. Unabhangig von dieser Feststellung lassen sich die allgemeinen Rahmenbedingungen auf dem ungarischen Markt vom Gesichtspunkt der gesamtwirtschaftlichen Hochrechnung wie folgt charakterisieren:

Entstehungsseite:

Das Volumen der Produktion und der angebotenen Dienstleistungen ist insgesamt gesun­ken. Es ist sichtbar geworden, daB nicht nur ihre Qualitiit sondem auch ihre Struktur nicht marktgerecht ist, wenn es auch in dieser Hinsicht in den einzelnen Branchen gro6e Unterschiede gibt. Es ist in der intemationalen Arbeitsteilung trotz der teilweise noch heute vorliegenden Kostenvorteile ein gro6er Nachteil. Besonders dann, wenn man in Be­tracht zieht, daB sich diese nominalen Kostenvorteile durch das niedrige Arbeitsprodukti­vitiitsniveau in vielen Bereichen der Wirtschaft und Produktion verringem werden. Wenn ich es beurteilen darf, mu6 ich betonen, daB fiir unsere Untemehmen von dieser Seite die strukturellen Schwachen gr06ere Anpassungsschwierigkeiten bedeuten, als die schrump­fenden Markte. Es hangt auch damit zusammen, daB unsere Untemehmen in den letzten Jahren (der sogenannten weichen Planwirtschaft) vor der historischen Umwandlung in gro6em MaBe von dem richtigen Markt geschont waren (teilweise durch unser Preissy­stem, die Subventionen und durch die fast gesicherten RGW-Markte bzw. durch die ge­genseitigen Lieferungsabkommen).

Die Einengung der inneren und au6eren Markte (Rezession im Westen, Zerfall im Osten) hatte mit den Schwierigkeiten des Systemwechsels nicht nur den Riickfall der Produktion sondem auch die Arbeitslosigkeit zur Folge. All diese Prozesse waren auch noch durch die hohen Inflationsraten und Zinsen neagtiv beeinflu6t, die gleichzeitig mit der schrump­fenden Nachfrage verbunden waren.

Insgesamt betrachtet ist es keine Ubertreibung, wenn man feststellt, daB in allen drei Hauptelementen der Entstehungsseite (Vorleistungen, Amortisation und NettowertschOp-

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VegsO: Marketingprobleme 173

fung) in der Ubergangsphase zu unseren Verhaltnissen strukturelle, mengen- und quali­tatsmiillige Verzerrungen vorhanden sind. Diese, wie es spater gezeigt wird, beeinflussen auch die Markttatigkeit der Untemehmungen.

Verwendun~sseite:

In einer Wirtschaft wird nicht nur fUr sich produziert. Die Verwendung der hergestellten Waren und Dienstleistungen ist die Seite der Wirtschaft, wo der Verbrauch der privaten Haushalte, die Kaufe des Staates, die (Bilanz) der Exporte und Importe, die Investitionen sowie die Faktoreinkommen aus dem Ausland bzw. ihre Bedeutung yom Gesichtspunkt des gesamten Marktes erklarbar sind. Was Ungam betrifft, konnen folgende Entwieklun­gen festgestellt werden:

- Was bei der Entstehungseite iiber die Einengung gesagt wurde, gilt auch hier. Nicht nur das Angebot, sondem auch die Nachfrage haben nachgelassen.

- Der Verbrauch der privaten Haushalte konnte bei normalen Marktverhaltnissen eine wirtschaftsbelebenden Funktionen ausiiben. Bis jetzt aber fehlen diese AnstoBe von dieser Seite, da es nicht nur Nachfragemangel sondem auch strukturelle Umstellungen im Verbrauch gibt. Dem konnte bislang weder durch die Inlandsproduktion noch durch die liberalisierten Importmoglichkeiten entsprochen werden.

- Obwohl die offentlichen Ausgaben stark zugenommen haben, haben sie nur die innere Staatsverschuldung erhOht. Es fehlen namlich die klassischen infrastrukturellen Ent­wicklungen und die gut durchdachten und effektiven Unterstiitzungen fiir die Produk­tion. Es solI aber auch bemerkt werden, daB unser Haushalt sehr groBe Lasten tragt, die teilweise Folgen der Umstellung sind: einerseits die Arbeitslosigkeit , andererseits die ungelosten Probleme der Sozialversieherung. Letzlich muB man auch in Betracht ziehen, daB die auBere Verschuldung des Landes sehr hoch ist. Ihre Lasten beschran­ken die Bewegungsfreiheit nieht nur der Regierung, sondem auch der ganzen Wirt­schaft. Es sei wahrheitshalber gesagt, daB die Verschuldung von dem vorherigen Sy­stem geerbt wurde.

- Die Bilanz der Ausfuhren und Einfuhren war im Endeffekt bis jetzt (November 1992) zumindest positiv. Es ist fast bewundemswert, daB sich die ungarischen Untemehmen so schnell und effektiv an die groBen strukturellen Verlinderungen unserer vorherigen AuBenmarkte angepaBt haben. Die Frage ist aber, inwieweit wir die ehemaligen sozia­listischen Exportmarkte durch die westlichen effektiv ersetzten konnen.

- Dabei helfen uns natiirlich die verschiedenen Direktinvestitionen yom Ausland eben so wie die verschiedenen auslandischen Untemehmen und Joint-Ventures in unserem Lan­de. Diese haben auch einen weiteren Effekt. Es handelt sich namlich darum, daB sie nicht nur materielle Stromungen bedeuten, sondem auch immaterielle wie z.B. moder­ne, marktorientierte Denkweise, Management- und Organisationsmethode, Finanzie­rungsmodelle und nieht zuletzt Marketingkonzepte und -losungen in allen Bereichen der Untemehmungen.

Verteilungsseite:

Die tiefgreifenden Umstellungsprozesse haben auch diese Seite der Wirtschaft umstruktu­riert. Die Konzeption ist, alle Elemente der Verteilung marktorientiert zu gestalten. Da durch die Verlinderungen dieser Seite die Einkommenspositionen der einzelnen Einkom-

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174 VegsO: Marketingprobleme

menstriiger (Biirger, Untemehmen und Staat) stark beeinfluBt werden, ist die Verwirk­lichung dieser Konzeption mit vielerlei Problemen verbunden. Es soil hier nur auf die Abschreibungen, Steuer, Subventionen, Gewinne, Vermogenseinkommen, Geschaftsein­kommen und Arbeitseinkommen hingewiesen werden. Einzeln betrachtet konnte man im Zusammenhang mit dem Thema dieses Beitrags folgendes hervorheben:

- Das Abschreibungssystem behindert un sere Unternehmen in ihren Entwieklungen nicht, da es insgesamt marktgerecht ist, und entsprechende Entscheidungsmoglichkei­ten bei der Wahl zwischen den Abschreibungsarten sichert. Das Problem liegt eher darin, daB die Nachfrage, wie schon oben erwiihnt, im allgemeinen nachgelassen hat, und deshalb die in den Verkaufspreisen enthaltenen Abschreibungen in einer Periode nicht in vollem Umfang zuriickflieBen konnen. Dadurch oder durch die Verschiebung dieses Riickflusses werden die Untemehmen benachteiligt.

- Es ist sehr richtig, daB die friiheren, nicht marktgerechten Subventionen abgebaut wer­den. Wie man es aber heute beurteilen kann, hat man beim Abbau eher fiskalpolitische Uberlegungen in den Vordergrund gestellt. Dies gilt auch fUr die Steuer, wo man durch ihre ErhOhung ebenso wie bei dem Abbau der Subventionen in erster Linie nieht die Sicherung der gleichen Marktchancen erzielt hat, sondem die Erhohung der staatli­chen Einnahmen.

- Was nun die verschiedenen Gewinne und Einkommen anbelangt, so werden diese nicht zentral geregelt wie friiher, sondem grundslltzlich durch den Markt bestimmt, obwohl sie wie in allen Marktwirtschaften durch die Gesetzgebung bestimmte Grenzen haben.

2 Marketingprobleme ungarischer Unternehmen wahrend der Um­wandlungsphase

Die erwiihnten Prozesse haben durch ihre Auswirkungen das ganze System in Ungaro umgewandelt. Yom ungarischen Standpunkt aus ist hervorzuheben, daB die genannte Um­wandlung gleichzeitig neue Rahmenbedingungen fUr un sere Untemehmen und ihre Tatig­keit geschaffen hat. Diese neuen Bedingungen sind mit neuen Marktstrukturen in Inland und Ausland verbunden.

Was kann das Marketing in dieser Situation leisten, und welche Probleme haben die Un­temehmen zu bewaltigen? 1m weiteren versuche ich diese Frage aufgrund der Praxis un­garischer Untemehmen zu beantworten.

2.1 Marketing UDd Transformation des Wirtschaftssystems

Marketing ist ein umweltbezogenes Konzept der Untemehmensfiihrung, das sich gerade dadurch auszeichnet, daB es darauf abzielt, die extemen und die internen Gegebenheiten optimal aufeinander abzustimmen. Dabei andert sich die Umwelt nicht nur in der Trans­formationsphase und durch die Transformation des Wirtschaftssystems. Sie ist vielmehr permanent im FluB.

Aus Sicht des Untemehmens beinhaltet das eine aktive und eine passive Komponente. Es geht also nicht nur urn die Anpassung der untemehmensintemen Faktoren an die Bediirf-

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VegsO: Marketingprobleme 175

nisse der Marktpartner. Marketing stellt auch fur die aktive Beeinflussung der Marktpart­ner ein h6chst effizientes und praxiserprobtes Instrumentarium (z.B. das Kommunikati­ons-Mix) zur Verfugung. Marketing zielt dabei nicht ausschlie6lich auf die Abnehmer. Zu den "Ziel-"Gruppen konnen Lieferanten, Mitarbeiter, Banken und Mitbewerber eben­so gehOren wie die Politik.

Der Wegfall der staalichen Planung darf fur die Unternehmen jedoch auf keinen Fall zu "Planlosigkeit" fiihren. Das Management konnte und mu6te sich bisher am Plan orientie­reno Diese Orientierungsfunktion kann jetzt durch Marketing durchaus ubernommen wer­den. In der Marktwirtschaft wird der Wirtschaftsproze6 vom Markt koordiniert und nicht vom Plan. Die Orientierung am Plan wird durch die Orientierung am Markt, also durch Marketing, ersetzt.

1m Zusammenhang mit der postulierten Marketingorientierung stellt sich fur die Unter­nehmen zwangslliufig die Frage nach der konkreten Umsetzung. 1m Laufe der Zeit wer­den zur LOsung der einzelnen Aufgabenstellungen, die sich daraus ergeben, eine Vielzahl von Instrumenten und MaBnahmen entwickelt, die sich wechselseitig beeinflussen und die gegenseitige Abhllngigkeiten aufweisen. 1m deutschsprachigen Raum setzte sich dafur der Begriff "absatzpolitisches Instrumenatrium" (Gutenberg) durch. International wird dafur der Terminus "Marketing-Mix" verwendet.

Die Einzelelemente des Marketing lassen sich in Gruppen einteilen. Manche Anslitze ar­beiten mit drei Bereichen (Marktleistungen, Distribution und Kommunikation), manche mit fiinf Instrumenten (Leistung, Preis, Service, Kommunikation, Distribution). Ich m6chte mich dem am meisten verbreiteten Konzept anschlie6en. Demnach gehOren zum Marketin~-Mix vier Bereiche: Product, Place, Promotion, Price. 1m folgenden versuche ich eine Ubersicht uber die ungarische Unternehmenspraxis und ihre Probleme zu geben.

2.2.1 Produkt-/Leistungs-Mix

Das Produkt-/Leistungs-Mix umfaBt alle zielorientierten Entscheidungen, welche auf die marktgerechte Gestaltung des Leistungsprogrammes eines Unternehmen gerichtet sind. Dazu gehOren die Produktpolitik und die Programmpolitik.

Die Produktpolitik beschliftigt sich mit den einzelnen Produkten und Leistungen. Hier geht es darum, daB die Produkte mit allen Leistungsmerkmalen auf die Markt- und Kun­denanforderungen ausgerichtet sind. Neben der Qualitlit und den technischen Eigenschaf­ten mussen hier auch Markenname, Design, Verpackung usw. aufeinander abgestimmt werden.

Dabei mu6 auch die Dynamik der Markte beriicksichtigt werden. Es kommt nlimlich dar­auf an, die richtigen Produkte auch zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt zu bringen. Hier besteht eine enge Verzahnung mit dem strategischen Management und der Wettbe­werbsstrategie eines Unternehmens.

Man mu6 die Erorterung des Produkt-Mix gleich mit der Fragen der Qualitlit der Produk­te beginnen. Wie allgemein bekannt ist, hat Ungam noch in den letzten Jahren vor dem Systemwechsel ungefiihr 40-50% seiner Exporte und Importe mit den damaligen soziali­stischen Llindern abgewickelt. Friiher war dieser Anteil noch hOher, sogar zweimal so

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176 Vegso: Marketingprobleme

hoch in den 50er Jahren. Dies bedeutete, daB unsere Produkte (ebenso wie die von den anderen ahnlichen Landem) direkt fUr diese "Markte" bestimmt waren.

In den 60er Jahren, als die weltpolitische Milderung eingetroffen war, und dadurch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ost und West lebhafter wurden, stellte sich heraus, daB die meisten sozialistischen Errungenschaften auf dem Gebiet der Technologien und Pro­dukte, besonders auf dem Zivilmarkt, nur eine Sammlung von veralteten, dem Markt nicht entsprechenden Leistungen verkorpert haben. Trotz aller spateren Modemisierungs­versuche hatten wir auch noch gegen Ende der 80er Jahre groBe Nachteile nicht nur in der Makro- sondem auch in der Mikrostruktur der Produktion. Diesbeziiglich haben wir im Rahmen des Systemwechsels groBe Aufgaben: modeme und qualitativ marktfahige Produkte zu produzieren, urn auf den inneren und auBeren Markten wettbewerbsfahig zu sein.

Die ungarischen Untemehmen haben natiirlich wettbewerbsfahige Produkte auch schon friiher produziert. AnteilsmiiBig haben sie aber im Warenumsatz weder im Inland noch im AuBenhandel eine besonders groBe Rolle gespielt.

Fiir un sere Untemehmen bedeutet eine groBe Hilfe in dieser Hinsicht, daB sie praktisch ohne Grenzen mit den Untemehmen der entwickelten Lander zusammenarbeiten konnen, was zur Gestaltung ihrer Produktpolitik beitragen kann. AuBerdem darf man auch nicht vergessen, daB das liberalisierte Importsystem sowie die in Ungam tiitigen auslandischen Untemehmen zwangsliiufig zu einem verstiirkten Wettbewerb fUhren. Es ist wiederum ein Anreiz fUr sie, ihre Produktpolitik in aller Hinsicht marktorientiert zu formulieren und zu verwirklichen. Sie haben neben der Qualiilit auch aus anderen Gebieten des Produkt-Mix noch viel zu tun. Dazu braucht man natiirlich entsprechende Mittel, materielle und geisti­ge, wie z.B. Geld, Know-how (nicht auf dem Gebiet der Technologien sondem auf dem des Managements), entsprechendes Personal, Organisation und nicht zuletzt Ideen.

Zur LOsung dieser Probleme konnen die auslandischen Untemehmen und Beratungsfir­men groBe Hilfe leisten. Sie haben aber ihre eigenen Interessen und Motivationen.

Man sieht aber, daB die auslandischen Untemehmen (die z.B. hier ungarische Untemeh­men angekauft haben) in vielen Fallen die ungarischen Produkte durch ihre oder (wie im Handel) mitgebrachten Produkte yom Markt Schritt fUr Schritt verdrangen. In anderen Fallen, wo die Forschungs- und Entwicklungstiitigkeiten in Ungam schon friiher gutes Niveau in Ungam erreicht haben, werden die Ergebnisse in Produkte eingebaut, die mit Markennamen des auslandischen Eigentiimers vermarktet werden.

Insgesamt betrachtet haben aber die ungarischen Untemehmen (durch die intensiver ge­wordenen Beziehungen und Zusammenarbeit mit westlichen Untemehmen) sehr viel ge­lemt, und neue Moglichkeiten zur Gestaltung ihrer Produktpolitik, z.B. im Rahmen von Kooperationen, Joint-Ventures, Zulieferungsvertragen usw., erhalten.

Die anderen ungarischen Untemehmen, die so1che Moglichkeiten nicht haben, werden durch die auch auf lange Sicht nicht einschatzbaren Tendenzen des Marktes bzw. der gan­zen Wirtschaft in ihren produktpoiitischen Entscheidungen beeintrachtigt.

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VegsO: Marketingprobleme 177

2.2.2 Distributions-Mix

1m Distributions-Mix werden die Entscheidungen iiber die DistributionskanaIe und das 10-gistische Distributionssystem getroffen.

Die Wahl der Absatzwege hangt von mehrerem Faktoren ab, z.B. yom Produkt selbst, von den Einkaufs- und Nutzungsgewohnheiten, von der Kostenstruktur der Distributions­organisation usw. Da fUr das Untemehmen mehrere Moglichkeiten bestehen, miissen sie immer sorgfaltig untersucht werden, weIehe yom Gesichtspunkt der Untemehmensziele am besten geeignet sind. In der ungarischen Praxis kommen alle traditionellen Distributi­onslosungen wie betriebseigene, betriebsfremde Verkaufsorganisationen sowie die Inan­spruchnahme von Absatzmittlem vor. Eine Belebung auf diesem Gebiet konnte man schon vor dem Systemwechsel bemerken, in den letzten Jahren aber hat sich die Um­strukturierung der Distributionssysteme beschleunigt. Es hangt natiirlich auch damit zu­sammen, daB sehr viele auslandische Untemehmen ihre Tlitigkeit hier in Ungam ausge­weitet, und dadurch auch ihre Erfahrungen und Organisationskonzepte mitgebracht ha­ben. Diese wurden z.B. in den Joint-Ventures, wenn auch den hiesigen Bedingungen ent­sprechend modifiziert, in der Praxis eingefiihrt. Das hatte natiirlich seine Auswirkungen, eben so wie die Ubemahme soIeher Erfahrungen und LOsungen von anderen ungarischen Untemehmen.

So haben sich solche Vertriebsorganisationen, wo man den Kundenkontakt in allen Fra­gen jederzeit selbst bestimmen kann, schnell und weit verbreitet. Dies gilt besonders bei den Dienstleistungen und Produkten, die eine kundenindividuelle Betreuung , umfassende Systemberatung , komplexe Problemlosungen, gute Servicebereitschaft usw. erfordem. Es ist deshalb besonders zu begriil3en, da fiir diese im alten System kaum gesorgt wurde.

Probleme werden in erster Linie dadurch verursacht, daB unsere Untemehmen im allge­meinen nicht besonders kapitalstark sind. So konnen sie die betriebseigenen Formen nur selten oder nur mit grol3em Risiko aufbauen. Dazu kommt noch, daB die Mietpreise und Zinsen sehr hoch sind, und es mangelt an gutgelemten Fachleuten auf diesem Gebiet. Trotz aller Schwierigkeiten verbreiten sich auch die betriebsfremden Distributionssysteme und die verschiedenen LOsungen durch Mitwirkung von Absatzmittlem.

Neben diesen traditionellen Vertriebssystemen gewinnen soIehe umfassende Kooperati­onsformen zunehmend an Bedeutung, wie z.B. Vertragshandler-, Franchise- oder Kom­missions- bzw. Agentursysteme. Ausweitung erfahren in den letzten Jahren auch neue Distributionsmethoden wie Direct-mailing oder Telefonverkauf.

Zum Distributions-Mix gehOrt auch die Logistik. Ein Lager erfiillt dabei die Funktion, dem Kunden einen hohen Servicegrad bzw. eine hohe Leistungsbereitschaft zu bieten. Dieses Gebiet ist aber heute noch zuriickgeblieben, da die Untemehmen seine Bedeutung erst in den letzten 2-3 Jahren erkannt haben.

1m allgemeinen konnen aber auch bei diesen Methoden die finanziellen Probleme und die fehlenden Erfahrungen sowie Ausbilungsschwachen erwiihnt werden. Ais ein besonderes Gebiet in dieser Hinsicht kann der Aul3enhandel bemerkt werden. 1m Gegensatz zu den friiheren Jahren hat man in Ungam das Aul3enhandelsrecht dezentralisiert. So kann man praktisch ohne weiteres am Aul3enhandel teilnehmen. Wobei die Distributionsprobleme

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178 Vegso: Marketingprobleme

noch groBer sind als im Innenhandel. Fiir viele Unternehmen fehlen nicht nur die materi­ellen Quellen dazu, sondern auch die Markt- und Fachkenntnisse sowie die Partnerkon­takte.

2.2.3 Promotion-Mix

Das Promotion-Mix wird oft mit der Werbung gleichgesetzt, obwohl sie nur ein Teil­aspekt der Kommunikation ist, der zusammen mit der VerkaufsfOrderung und der Offent­lichkeitsarbeit als Promotion-Mix zu verstehen ist.

Die Kommunikation mit den Marktpartnern sorgt fUr die Verbreitung von Informationen iiber die unternehmerischen Aktivitaten. Betont werden dabei die Mitteilungen iiber Pro­dukt-, Preis- und Distributionspolitik, iiber die generellen Fiihigkeiten des Unternehmen, Kundenprobleme zu losen und Bediirfnisse erfolgreich zu befriedigen.

Diese Tatigkeiten sind kostenintensiv, sie brauchen viel Kreativitat und Sorgfalt. Es ist auch charkteristisch, daB ihre unmittelbaren Auswirkungen nur schwer bzw. in den mei­sten Fallen nicht zu messen oder zu fassen sind. In einer Marktwirtschaft sind diese Ta­tigkeiten der Unternehmungen aber trotz dieser Probleme sehr wichtig, urn erfolgreich auf dem Markt tatig sein zu konnen.

Mit der Umstellung hier in Ungarn hat sich diese Sphare sehr stark belebt. Diese Bele­bung ist in groBem MaBe auf die intensiven Aktivitaten der auslandischen und gemischten Unternehmen zuruckzufUhren. 1m Zusammenhang mit diesen ist zu bemerken, daB sie in vielen Fallen z.B. ihre Reklame einfach ins Ungarische iibersetzen lassen, die aber nicht immer mit den hiesigen Traditionen und Gewohnheiten iibereinstimmt.

Bei der VerkaufsfOrderung geht es urn MaBnahmen, urn am Ort des Verkaufs den Absatz zu fOrdern. Dabei wird zum einen die Aufmerksamkeit besonders intensiv auf bestimmte Produkte gelenkt und zum anderen ein besonderer Kaufimpuls gegeben. Diese MaBnah­men konnen kurzfristig und auch kontinuierlich durchgefUhrt werden, wobei eine optima­Ie Kombination zu erzielen ist. Dazu braucht man entsprechnde Produkte und Dienstlei­stungen.

In der heutigen Lage gibt es bestimmte Probleme mit den angebotenen Warensortimen­ten, aber das Hauptproblem ist, daB sich die zahlungsfahige Nachfrage nach den einzel­nen Einkommensgruppen stark polarisiert hat. In vielen Warengruppen kann es festge­stellt werden, daB die in dem Preis und der Qualitat mittelmaJ3igen Produkte trotz aller verkaufsfOrdernden MaBnahmen nicht oder kaum gefragt werden, so z.B. Unterhaltungs­elektronik, Fernsehen, Bekleidung, Lebensmittel. Von Ihnen werden entweder die h6ch­sten oder die niedrigeren Qualitatsstufen gesucht. In diesen Fallen versuchen die Unter­nehmen durch die Verkaufsforderung diese Moglichkeit natiirlich auszunutzen. Auf lange Sicht miissen sie sich fUr die Belebung und Umstrukturierung der Nachfrage auf diesem Gebiet vorbereiten.

Gleiches gilt auch fUr die dazu gehorenden Schulungs- und TrainingsmaBnahmen fUr den Zwischenhandel (Vermittlung von Produktkenntnissen, Verkaufsargumenten, Marktinfor­mationen iiber Kunden- und Konkurrenzverhalten). Die marktgerechten Entwicklungen

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VegsO: Marketingprobleme 179

kann man in dieser Hinsicht auf der sich schnell erhohenden Zahl der Beratungs-, Trai­nings- und WeiterbildungsmaBnahmen messen.

Auch ein wichtiges Element der VerkaufsfOrderung ist die sogenannte Public Relation. Sie zielt nicht auf die Vermittlung von Produktbotschaften sondem auf Informationen fiber das Untemehmen aIs ganzes abo Sie ist damit einer der wichtigsten imagebildenen Faktoren in der Untemehmenspolitik. In der ungarischen Praxis ist dieses Gebiet meiner Meinung nach am wenigsten entwickelt. Dies hat seine Griinde. Friiher gab es gro.6e staatliche Untemehmen, von denen die Offentlichkeit wu6te, wie gro6 und wie wichtig sie waren, da sich die Medien immer mit ihnen befaBten. Den anderen (privaten) Unter­nehmen standen soIehe Moglichkeiten nicht offen.

Heute haben die ehemaIs staatlichen Untemehmen einerseits gro6e Marktschwierigkeiten und verlieren dariiber hinaus aufgrund der Privatisierung ihr bisheriges "Image". Die neueren Untemehmen versuchen, ihre Offentlichkeitsarbeit marktorientiert zu betreiben, aber mit Ausnahme der ausHindischen Untemehmen und der Joint-Ventures fehlt es an Praxis und an Fachleuten sowie an entsprechenden Medienkontakten.

2.2.4 Preis- oDd KODditions-Mix

Es mu6 nicht besonders betont werden, daB die Preis- und Konditionenpolitik eines Un­temehmens (oft auch Kontrahierungs-Mix genannt) in einer Marktwirtschaft eine ent­scheidende Rolle in der Ausnfitzung der Marktmoglichkeiten yom Gesichtspunkt des Un­temehmens spielt. 1m aIIgemeinen betrachtet gibt es in den Marktwirtschaften drei ver­schiedene Ansatzpunkte fUr die untemehmerische Preisgestaltung:

Bei der kostenorientierten Preisgestaltung ergibt sich der Preis fUr ein Produkt bzw. eine Dienstleistung als Summe von Kosten und Gewinnzuschlag. Die Problematik bei diesem Vorgehen besteht darin, da6 sich die Gemeinkosten nicht ohne weiteres den einzelnen Produkten zuordnen lassen und es somit zu Verzerrungen in der Preisstruktur kommen kann. Au6erdem bleiben die Preise der Mitbewerber und die Bereitschaft der Abnehmer, eventuell auch mehr zu bezahlen, unberiicksichtigt.

Bei der konkurrenzorientierten Preisgestaltung werden in erster Linie die Preise der Mit­bewerber fUr vergleichbare Produkte in die eigenen Preisfiberlegungen einbezogen. Die­ses Verfahren wird besonders gem angewendet, wenn die Produkte in einem Markt be­sonders leicht vergleichbar sind oder wenn es einen starken MarktfUhrer gibt, an dem sich aile anderen Mitbewerber orientieren.

Bei der nachfrageorientierten Preisgestaltung kommt der Preis dadurch zustande, daB der Kunde in einem Produkt bzw. einer Dienstleistung einen Nutzen oder Wert sieht, fUr den er bereit ist, einen bestimmten monetiiren Gegenwert zu erbringen. Die Schwierigkeit bei diesem Ansatz ist es, die Zahlungsbereitschaft der Abnehmer zu ermittlen.

In Ungaro hat man im Jahre 1968 mit der Liberalisierung des plangebundenen Preissy­stems angefangen. Trotz der spateren Reformen in dieser Hinsicht hatten unsere Unter­nehmen in ihrer Denkweise die kostenorientierte Preisbildung beibehaIten. In den 80er Jahren hatte das System einen Importwettbewerb zu imitieren versucht. Dies aber be­schriinkte sich fast ausschlie6lich auf die Konsumgfiter, und auch dort hat man bestimmte

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180 Vegso: Marketingprobleme

Ausnahmen gemacht. Es ging eigentlich bei dieser LOsung darum, daB die Untemehmen keinen hoheren Preis hatten festsetzen konnen, der bei einem gegebenen Produkt im Falle seiner angenommenen (und parametrisch gleichwertigen) Einfuhr hiitte festgesetzt werden konnen. Durch die spateren Entwicklungen wurde die Preisbildung weiter liberalisiert, und vor dem Systemwechsel hatten wir fast ein Marktpreissystem.

Heute findet man in der Praxis der Preisbildung alle moglichen LOsungen, aber uberwie­gend ist weiterhin die Kostenorientierung. Es ist meines Erachtens in erster Linie nicht durch die alten Reflexe bedingt, sondem durch den Abbau der Subventionen, durch die importierte und die von uns selbst generierte Inflation.

In den Bereichen, wo es Konkurrenz gibt, spurt man. daB die Untemehmen diese Tatsa­che bei ihrer Preisbildung in Betracht ziehen. Durch das neue Gesetz uber das Rech­nungswesen gibt es dafUr legale Moglichkeiten.

Ais eine negative Tendenz ist zu bemerken, daB viele auslandische Untemehmen (teilwei­se in Form von Joint-Ventures) ihren Bereich monopolisiert haben und dadurch ihre Prei­se ± autonom festlegen konnen. Eine andere LOsung ist, daB diese Untemehmen die Wa­renstruktur (z.B. bei den Lebensmitteln, bei der Bekleidung , Musikinstrumenten, Sport­waren usw.) so veriindem, daB in ihrem Angebot die teuren Produkte die friiher billige­ren ersetzen.

Naturlich gibt es positive Entwicklungen, wie die sich verbreitende Preisdifferenzierung, die vielen Preissenkungsaktionen, die saisonale Preisbildung, der preispolitische Aus­gleich durch Mischkalkulationen, die psychologische Preisfestsetzung usw., die friiher nur selten angewandt werden konnten.

Das Kontrahierungs-Mix umfaBt neben der Preispolitik auch das Konditions-Mix. Dazu gehoren die Absatzkreditpolitik und die Rabattpolitik. Letztere versucht vor allem im Ge­schiift zwischen Kaufleuten durch Funktions-, Mengen-, Zeit- und Treuerabatte Praferen­zen fUr das eigene Untemehmen zu erreichen.

Zur Absatzkreditpolitik gehoren z.B. die Liefer- und Zahlungsbedingungen (Barzahlung mit Skontoabzug, Teilzahlungsmoglichkeiten usw.), die Inanspruchnahme von Altmodel­len und die Gewahrung von Kreditfinanzierungsmoglichkeiten. Einen festen Platz im Price-Mix hat sich inzwischen auch in Ungam das Leasing erkampft.

Trotz allen Finanzierungsproblemen der Untemehmen ist es wohl zu sehen, daB alle diese Elemente des Konditions-Mix in der Praxis von vielen Untemehmen zu finden sind. Es hangt damit zusammen, daB die Untemehmen wegen der eingeschrankten Nachfrage ge­zwungen sind, auch durch solche MaBnahmen die Kautbereitschaft der potentiellen Kun­den zu verstarken. 1m Zusammenhang mit dem Leasing seitens des Leasingnehmers spielt auch eine groBe Rolle, daB er die Ausgaben fUr das Leasing als Kosten vererchnen kann.

3 MoglichkeiteD uDd AufgabeD

Obwohl in Ungam im Vergleich zu anderen ehemaligen sozialistischen Llindem in Euro­pa auf dem Gebiet des Marketing theoretisch und praktisch bestimmte Vorteile erreicht

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VegsO: Marketingprobleme 181

werden konnten, haben die ungarischen Untemehmen weitere Aufgaben zu losen und neuere Moglichkeiten auszuniitzen.

Die erfolgreiche Anwendung des Marketinginstrumentariums in einem Untemehmen setzt einige Grundbedingungen voruas. Ais erstes muB das notwendige Know-how vorhanden sein. Das kann durch die Aus- und Weiterbildung des bisherigen Mitarbeiter, durch das Einstellen einschliigig qualifizierter Mitarbeiter oder durch das "Zukaufen" von Know­how von extemen Beratem oder Dienstleistem (Werbeagenturen etc.) erfolgen.

Wie die Erfahrungen ungarischer Untemehmen es zeigen, wird bei der Umstellung des Untemehmens unabhiingig von der Art der Bereitstellung des notigen Marketing-Know­how von den Mitarbeitem sehr viel verlangt.

SchlieBlich hiingt es wesentlich von ihnen ab, ob ihr Untemehmen sich den neuen Rah­menbedingungen anpassen kann und somit iiberlebensflihig ist. Diese Umstellung im Denken und Handeln fallt vielen Mitarbeitem oft nicht leicht.

Andererseits gibt es Mitarbeiter, die durch die Transformation des Systems frustriert sind, weil sie damit ihre gewohnte Umgebung verlieren oder weil der "Zusammenbruch" des alten Systems ihre personlichen Wertvorstellungen und Uberzeugungen einstiirzen liiBt. Es ist deshalb angebracht, Umstellungs- und Anpassungsftihigkeit und Anpassungs­willigkeit zu unterscheiden, und sie dementsprechend differenziert zu behandeln.

Ais problematisch erweist sich im allgemeinen auch der Ausbildungsaufwand. Auch die lemwilligen und lemfahigen Mitarbeiter benotigen Zeit und Geld, urn sich das notige Know-how zu verschaffen. Das fUhrt in doppelter Hinsicht zu Lasten fUr das Untemeh­men. Erstens rallt der jeweilige Mitarbeiter fUr den produktiven ProzeB wiihrend der Bil­dungsmaBnahme aus und zweitens werden dadurch nicht unerhebliche Kosten verursacht.

Nachteilig wirkt sich femer aus, daB zwischen der theoretischen Schulung und einer er­folgreichen praktischen Anwendung in der Regel einige Zeit und einige Erfahrungen lie­gen. Denn letztere lassen sich beim Wissenstransfer nicht ohne weiteres vermitteln. Hier helfen oft die verschiedenen Europrogramme, woriiber aber die Untemehmen in vielen Fiillen wenig informiert sind.

1m Laufe der Umstellung miissen im Untemehmen auch die organisatorischen Vorausset­zungen geschaffen werden: marktorientierte Strukturen und Abliiufe. Das bedeutet kon­kret, daB die Autbauorganisation dafiir sorgen muB, daB Funktionen, die nicht mehr oder zumindest nicht mehr im bisherigen AusmaB gebraucht werden (Planung, vertikale Koor­dination usw.), aufgelost und statt dessen neue Marketingabteilungen mit der notwendi­gen personellen und materiellen Ausstattung geschaffen werden. Aber auch Bereiche, die als soIehe erhalten bleiben (z.B. Fertigung, Lagerhaltung), miissen im allgemeinen einer organisatorischen Umstrukturierung unterzogen werden.

Es ist deshalb wichtig, weil (wie auch Kotler meint) ein Untemehmen zwar ein Marke­tingressort einrichten kann, sich aber trotzdem nicht wie ein fortschrittliches Marketing­untemehmen verhalten mu6. Das gilt ebenso fUr die Ablauforganisation. Hier miissen die Prozesse und Abliiufe innerhalb und zwischen den Abteilungen so gestaltet werden, daB das gesamte Untemehmen auf die Anforderungen der Miirkte ausgerichtet ist. Das kann

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182 Vegso: Marketingprob1eme

letztlich aber nur gelingen, wenn die Abteilungen und Funktionen auch im ausreichendem MaRe fiber die Entwicklungen auf dem Markt informiert werden. Deshalb ist es ganz ent­scheidend, ein funktionsflihiges Informationsmanagement zu etablieren und das Sammeln, Aufbereiten und Austauschen von marketingrelevanten Daten zu institutionalisieren. Es wird leider von unseren Unternehmen oft vergessen werden.

Zum Schlu6: Wenn man davon ausgeht, daB sich in Ungaro mittel- bis langfristig lihnli­che Strukturen entwickeln werden, wie sie heute im Westen bestehen, so la6t sich daraus feststellen, daB die unternehmerischen Entscheidungen gerade in bezug auf die Marktori­entierung bei einer erheblich gro6eren Unsicherheit getroffen werden mfissen.

Dabei wird aber von den Undern Europas und im allgemeinen den westlichen Industrie­nationen erwartet, entsprechende Unterstfitzung zu gewlihren, urn die notwendigen struk­turellen Anderungen zu ermoglichen.

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Pahinkai: Integration

Integration of Hungary into European economy

von

Prof. Tibor Palankai Wirtschaftsuniversitat Budapest

1 Transformation and the integration into the world economy

2 Road to Association

3 The main provisions of our association

4 General economic considerations and benefits of our EC Associations

5 EC Interests in Association with the East

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1 Transformation and the integration into the world economy

The main strategic directions and lines of transformation in Eastern and Central Europe are marketization, privatization, democratization and integration into world economy. The marketization and privatization are internal sides of information, even if they have several external aspects. The integration into the world economy as external side of trans­formation is no less important.

During the past few decades, a new world economic system based on interdependence and integration has emerged. The process of internationalization and the growth of inten­sive economic cooperation contributed tremendously to the increase of efficiency and welfare in the participating countries. The present high level of economic development in the industrial countries is without exception based on intensive international economic co­operation, enabling complex exploitation of the advantage of the international division of labour. High levels of development and full and organic integration into the world econo­my are inseparable processes.

As a result of maintaining closed systems of bureaucratic planning and management, Central and East European countries widely drived themselves from the tremendous a­bove advantages. The present state of East European economies, their lower efficiency and level of development, therefore can be attributed basically to the lack or improper in­tegration into the world economy. In other words, the world economic isolation of CMEA countries is one of the basic reasons for their backwardness. Lasting economic progress for the reforming countries of Central and Eastern Europe is unthinkable without more intensive links to world economy. The world economic integration is of utmost im­portance for these countries, should be emphasized no less than domestic issues, and is not only one of the options for Central and Eastern Europe (ideas about the "Third Road"), but an absolute necessity.

Close cooperation with highly developed regions is of special importance. Experience over the past few decades has more or less proved that less developed countries can achieve satisfactory development only if cooperating and interacting with developed re­gions and partners. The policies of delinking have produced limited and highly questiona­ble results, and the experiences of the regional integration efforts of some less developed countries have only reaffirmed that thesis.

Of course, there are no such mechanisms which guarantee that integration with the devel­oped countries brings about only benefits and that the catching up is automatically en­sured. On the contrary, the global market mechanisms basically tend to increase gaps be­tween the more and the less developed and some countries suffer great losses due to world market developments. On the other hand, it is recognized, that modern technolo­gies, management and marketing techniques, capital resources and gains from inter-com­pany cooperations can only be obtained in cooperation with developed regions.

Through regional integration, the EC countries have established themselves as centers of the world economy with high levels of development. The implementation of the single market program by 1992 and later the creation of the monetary union could further in­crease the attractiveness of the region. The EC integration has widely exploited the ad­vantages offered by close economic relations, particularly the "static" comparative advan-

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Palankai: Integration 185

tages (cost differences) in the framework of a common market. Since the 1970s, howev­er, the emphasis has shifted to dynamic comparative advantages (innovation and increas­ing efficiency), and as result of the technological revolution, the structural advantages (product innovation, technological sophistication) gained increased importance. Creating single market in 1992 is a complex answer to those challenges.

For the central and East European countries, the development of close and complex rela­tions with the EC is of strategic importance. The EC is not only the most attractive part­ner geographically, culturally and economically and the gateway to the world economy, but it offers also an opportunity to get out of the historically developed peripherical posi­tion in Europe, in fact first time after many centuries. While the formerly underdevel­oped Nordic countries could catch up already in the first part of this century, the same is happening now with the Mediterranean periphery of Europe, and in many respect just due to their recently accelerating integration with the European developed core. By East-West confrontation Eastern Europe was not only cut of the European integration and moderni­zation, but particularly since the early 1970s it has fallen behind more and more.

2 Road to Association

The EC was first hostilly received by the East. The EC was seen as a threat to the super­power status and the European influence of the Soviet Union. The CMEA was forced to "solidarity" with Soviet policies, but Hungary always took a pragmatic approach to the EC. Politically Hungary "recognized" the EC already in early 196Os. But the diplomatic recognition and the acceptance of common commercial policies (after 1978) was refused. Hungary, however, concluded "technical agreements" after 1968 (for agricultural prod­ucts) and "sectoral agreements" between 1978 and 1982 for "sensitive products" (steel, textiles etc.). In 1973 Hungary joined the GATT, but EC maintained special "state trad­ing status" toward Hungary, basicly in form of "special quantitative restrictions" (quotas) and dumping procedures.

The gradual normalization between Hungary and EC started after 1983. In June of 1986 the European Parliament passed a positive decision about Hungary and in April of 1987, the Commission received its negotiation mandate from the Council on a "trade and coop­eration agreement". Negotiations started in June 4, 1987, and the agreement was signed on September 26, 1988.

Trade and cooperation agreement foresaw the gradual elimination of discriminative quan­titative quotas (about 2000) in three stages (from January 1989, January 1993 and all till December 31, 1995.), which meant similar treatment to Hungary, like to other industrial states (GATT and full MFN). In terms of dumping procedures, however there was no change.

Due to the starting revolutionary political changes the PHARE (Poland and Hungary, As­sisting Restructuring of Economies) program was launched by the G 24 in July of 1989. It contained several trade policy measures, most of all the abolishment of discriminative quotas already by January 1, 1990 (instead of December 31 of 1995) and also the exten­sion of GSP, affecting about 4 % of Hungarian trade.

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186 Palankai: Integration

There were also financial provisions in the PHARE, which for Hungary provided an ECU 1 billion bridging credit for three years for balance of payments stabilization. From the PHARE Hungary was offered ECU 100 million in 1992 as technical help.

The decision was made about setting up the European Bank for Reconstruction and De­velopment in December of 1989. It started its loan operations in 1991. Now there are 55 (42 founders) member and 22 (originally 7) beneficiary countries. The own capital is ECU 10 bn., but about ECU 4.000 bn. would be needed for the whole region. So far (till April, 1992) Hungary is participating in 20 projects with ECU 621 million capital.

The idea of association of Central and Eastern Europe with the EC was raised already in the autumn of 1989 by several leading EC politicians (Helmut Kohl, Jacques Delors, Hans-Dietrich Genscher): and the most specific proposal was offered by former British Prime Minister Margaret Thatcher, who in a statement in the House of Commons on No­vember 14, 1989 proposed a "Turkish type" of accomodation for the interested Central and East European countries.

The official decision on offering association to these countries, that opened the way for concrete and practical preparation, was made at the Dublin summit meeting of EC leaders on April 29, 1990: "Discussions will start forthwith in the (EC) Council, one the basis of the (EC) Commission's communication, on Association Agreements with each of these countries of central and eastern Europe which include an institutional framework for po­litical dialogue", states the final communique. In principle, the association was offered to all of the six Central and East European countries (poland, Czecho-Slovakia, Hungary, Romania, Yugoslavia and Bulgaria) at that time.

The negotiations about association of Czecho-Slovakia, Hungary and Poland started in the autumn 1990 and they were completed after one year of hard bargaining. Meantime, due to economic, political and ethnic problems, Eastern Europe was splited, and for sev­eral reasons the possibility of association of others (Romania, Bulgaria and Yugoslavia) was postponed. The EC signed similar association agreements with Romania and Bulgaria about one year later, and from the former Yugoslavia probably only Slovenia and Croatia have a chance for association in the foreseeable future. Meantime, the row for association has broadened with Albania, Estonia, Latavia and Lituania (probably some of the other former Soviet republics may also apply), but only the Baltic states have chances for early association.

The European Community offers "European" (association) agreements to the East and Central European countries, which recognize the differences in levels of development and the specific problems of the region. The association agreements with Czecho-Slovakia, Hungary and Poland are based on asymmetric liberalizations and have to be progressively implemented during a transition period until end of 2000. The trade parts of the treaty en­tered into force from March 1 of 1992 (under interim agreements) and the whole treaty will after ratifications in 1993. The agreements establish a full free trade area between the affected regions, which is essential for the Central and East European economies in order to exploit all of the market benefits and impulses, for the reconstruction and moderniza­tion of their economies. The three (four) countries negotiate free trade agreements with EFTA countries and also among themselves (possibly CEFTA - Central European Free Trade Association).

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Palankai: Integration 187

Politically, Hungary has made it clear several times that the country strives for full EC membership, and this aspiration is broadly supported by all major political parties. The new, democratically elected government stated on May 22, 1990 that Hungary "is com­mitted to the idea of European Integration" and it aims at gaining "membership in the Eu­ropean Communities" in the next decade. The concrete economic benefits of an associa­tion notwithstanding, the EC appeals to other European countries for several reasons. Hungary has strong traditional cultural devotion to, and relations with Germany, France and Italy. The EC is considered a realization of traditional European political and moral values. There are major expectations for economic improvement and for the stabilization of the democratization processes once a country has joined the EC, and in spite their diffi­culties, the examples of Greece, Spain and Portugal are considered as success. There is deep conviction, particularly among Hungarian intellectuals, that the country traditionally and historically belongs to Europe, and a stable and prosperous Europe can be achieved only through unification. Similar aspirations for full membership have been spelled out in all of the other Central and East European countries.

3 The main provisions of our association

It is one of the important political points of the agreement, that Hungary has pledged it­self to political democracy, which means a commitment to pluralist democracy, rule of law, human rights, fundamental freedoms, multiparty system, free and democratic elec­tions, principle of market economy and social justice.

Political dialogue and cooperation is agreed by both sides, based on shared values and as­pirations (integration into the community of democratic nations, convergence of positions on international issues, consideration of interests of the other parties, and enhance securi­ty and stability in Europe).

The agreement foresees a transition period of maximum ten years in two successive stag­es, each in principle lasting five years. During the course of the twelve months preceding the aspiration of the first stage, the Association Council can consider "any possible changes" in implementation of second stage. Some decisions could be taken later, which means that certain evolution seems possible in the future.

In the domain of trade in goods with exception of agrarian products the agreement envis­ages a complete free trade area by December 31 of 2000 between EC and Hungary. It means free flow of goods unencumbered by customs duties, other financial charges or quantitative restrictions. The regulations will apply also to those industrial sectors, which has been traditionally subjected to special regulations (metallurgy and textiles). The free trade area will be established in an asymmetrical manner. While EC grants first and more rapidly preferences to Hungary. Hungary will benefit from a 4-5 years of grace period in order to complete transition to a market economy and to consolidate the competiveness of its industry. Liberalization schedule of the Community:

- For the industrial goods accounting for nearly 55 percent of the Hungarian export, the quantitative restriction are promptly abolished upon the entry into force of the Agree­ment. More than 2/3 of these goods will promptly enjoy customs free treatment. The customs duties on the remaining, so-called "sensitive goods" will be phased out - ac-

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188 Palcinkai: Integration

cording to various timetables - in five years at the latest. Meantime Hungary gets for certain products in this category customs-free quotas or "ceilings", while reduced-rate customs duties will be imposed on deliveries exceeding that ceilings.

- Concerning steel products (5 % of Hungarian exports), all quantitative restrictions are immediately lifted, and the customs duties are gradually and completely abolished by the end of the fifth year.

- For the textiles (15 % of Hungarian export) all quantitative restrictions will be abol­ished during the transition period. The final precise timetable will be fixed in 1993 and conditioned on the outcome of the current Uruguay Round of GATT negotiations (it may be 6 to 10 years). Hungarian export products produced on commission will be promptly exempted from customs duties, the duties on others will be reduced by 29 % upon entry into the force and then will be phrased out gradually in six years.

- For agricultural goods no free trade is envisaged, but special references will be mutu­ally granted on concrete goods. The Ee shall consolidate the bulk of the agricultural preferences hitherto given to Hungary under the GSP. For the other products the gen­eral rule is that the EC will reduce the charges (levies) and customs duties imposed on Hungarian agricultural export by an annual 20 percent through 3 years, that is by a to­tal of 60 percent. The preferences will be granted under determined quantitative quotas and such quotas will increase by an annual 10 % on average for a period of 5 years. It effects about 70 % of our agricultural exports.

Schedule of dimantling the trade barriers by Hungary:

- Hungary will start to lift the quantitative restrictions only as of January 1, 1995 and complete this process by December 31, 2000. But in the first 3 years at least 40 % of quotas should be abolished.

- Concerning about 10 % of Hungarian import, the EC enjoys already an tariff-free treatment. For another 15 % of import goods the customs duties will be reduced in 3 equal steps between the coming into force of the treaty and the first day of the third year. By January 1 of 1994 1/4 of Hungarian import from the EC will be duty-free.

- For major part of imports originating in the EC, the abolition of customs duties will start on January 1, 1995, and will be proceed in seven steps until January 1 of 2000.

- For the remaining products the customs reduction will also start in 1995, but comple­ted by three equal reductions in 2 years.

- Hungary is entitled to protect new industries or those under restructuring until Decem­ber 31 of 2000, by introducing unilateral market-protection measures in the form of raising customs duties.

- Hungary will also grant agricultural concessions within determined quantitative limits, primarily in products which have so far played a considerable role in the Hungarian market.

Concerning supply and trade of services the parties aim at liberalization and the necessary future measures are assigned to the Association Council. The measures for the movement of labour are relegated to the bilateral agreements with the EC member states (the valid agreement with FRG can be a model) and the Agreement provides for an improvement of the social circumstances of those employed abroad. Concerning liberalization on estab-

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lishment the Agreement is generally based on the so called national treatment with imme­diate effect, but in the banking and insurance sector only in 10 years and for self-em­ployed professionals the right of establishment will be granted in 5 years.

In case of direct investments immediates guarantee are given for repatriation of profits and capital. Gradual transition is foreseen to free flow of capital according to the Com­munity rules. No new restrictions can be introduced on existing regulations, but Hungary can limit the capital transfer of its citizens and companies.

Harmonization measures will be taken in broad fields, meaning that Hungary will gradu­ally comply with EC norms, regulations and laws (consumer protection, competition, en­vironment, standards etc.).

The future full membership is foreseen, but the as ready only for vague political commit­ments concerning "evolution". "Having in mind that the final objective of Hungary is to become a member of the Community and that this association, in the view of the Parties, will help to achieve this objective." (preamble). The three countries are pressing for a le­gal commitment, while they accept the setting of the membership "criteria" by the EC, but the decision was postponed about that to Copenhagen Council meeting in June 1993.

Due to PHARE measures and the collaps of CMEA, Hungary has been rapidly reorien­tating her trade relations since 1989. The proportion of EC in Hungary's trade has in­creased from 114 to 112 in two years and taking into account the enlargements, the EC share may easily reach about 75-80 % in the near future.

1970s 1980s 1989 1991

CMEA EC

67 20 50 42 23-25 20 47-48

Tab. 1: Shares in the Hungarian foreign trade (in %) According to the estimates, the share of EC in Hungarian foreign trade

exceeds 50 % and that of EFTA 20 % before end of 1992

(+EFTA)

(25)

(36-43) (60-65)

4 General economic considerations and benefits of our EC Associ­ations

It would be highly risky and hypothetical to make any concrete estimates about the future benefits and costs of presently signed association agreements by the three Central Europe­an countries. There are too many unpredictable factors, which may effect the future c0-

operation, and the need for fundamental structural changes make impossible any linear extrapolations. Therefore, it seems, that the only possible way to answer those questions is to start with some general theoretical assumptions and then to confront them with the present realities of economic situation in these countries.

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190 Pahinkai: Integration

As for the beginning we can assume that the benefits of association with the EC (which also apply to similar arrangements with EFT A) can be basically compared to those that may arise in different forms of market integration (free trade areas, customs unions or common markets).

As a result of the formerly closed character of the East and Central European economies both structurally and institutionally, there are large potential "static" gains (latent com­parative advantages). The free trade association may enable them to exploit such advanta­ges on a large scale, making it possible for producers and consumers to use the cheapest import sources both for production inputs and final consumption. This could lead to "trade creation" in both directions (replacement of inefficient and expensive domestic production by cheaper imports). These "static" advantages and efficiency gains could be substantial, of course, particularly for Central Europe. In the areas where Hungary has a comparative advantage, export possibilities can be opened, and a conscious exploitation of them (proper marketing strategies, flexible adjustment to market changes) could ensure a satisfactory external balance for the country.

Parallel free trade arrangements with other partners (the other three associating countries and the EFTA) would assure that the diversion of trade could be limited.

By opening the formerly closed domestic markets, their monopolistic structures can be broken up, and really competitive market conditions can be created. Such a development would be extremely important: thus far the reforms geared toward marketization have of­ten failed to produce the anticipated benefits exactly because the monopolistic market po­sitions have not been eliminated and so profit has remained a function of market position rather than of increasing efficiency. Market competition could lead to the cutting monop­olistic prices and costs, to eliminating the shortages, to improving the quality of goods and the efficiency in general.

Some fears are expressed, however, about too rapid liberalization, which could make the Hungarian economy unprotected from distructive EC competition too early. In fact. Hun­gary has implemented broad (and hurried) unilateral import liberalization measures since 1989, which deprived it from important bargaining cards already during the association negotiation. The protectionist walls of a bureaucratic planning system were dismantled, but they were not supplemented with the rational and necessary measures and policies of market-conform protection. Now, afterwards, the introduction of even the legitimate pro­tection measures may prove to be difficult and provoke sharp protests from the partners.

The early liberalization and the PHARE measures gave big encouragement and incentives to the export efforts, which combined with the collaps of the CMEA, resulted in drastic reorientation of sales. The export of Hungarian companies to EC increased by 49 % in 1990 and by 57 % in 1991, and it was 21 % in the first 8 months of 1992. Besides the liberalization measures, the source of that export was the private entrepreneurship, which was relieved by the elimination of the bureaucratic state trading structures. But as these factors may be rapidly exhausted, and the necessary structural modernizations due to deep and long recession are lagging, the above pace can markedly slow down in the near fu­ture. The effect of scheduled liberalizations under association, as far as the margins of the comparative cost disadvantages covered by present EC tariffs are small, may be margin­al. At the same time, as the recession is over, the demand particularly on investment

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PalanIcai: Integration 191

goods may substantially increase, and lead to sharp widening of Central European trade deficits with the Community. As far as the earlier liberalizations lead to cheap non-Euro­pean imports, there are fears about trade diversion due to implementation of the associa­tion in the future.

Market competition and direct company contacts with Western partners would promote technological progress and the transfer of modem technologies as well as structural change. The bureaucratic central planning and the monopolistic position of state-owned enterprises were accompanied by unreasonably slow technological development, a lack of interest in innovation, and the general structural rigidity of the economy. The reliance on Eastern markets hindered the modernization also in terms of having access only to outdat­ed suppliers and undemanding consumers.

At the same time the revolution in technologies in the West have made drastic cost reduc­tions possible (for example, computerized systems of organization, new management structures, organization of cooperating partners outside the company). They have also led to radical transformation of services and infrastructure (new information techniques and communication systems). The Central and East European countries have missed much of this development, and thus the gap between them and the Western countries has in­creased. The competiveness of Central and Eastern Europe has further deteriorated, and the region has squandered many market opportunities (to the benefit of NIC's, especially in Asia).

The larger markets can attract joint ventures and private capital investments. In the framework of market integration, capital resources can be mobilized and allocated in a more efficient way. The trade and the flow of technology, and the related capital move­ments, are interconnected. With larger markets, national economies are better placed to overcome structural and institutional bottlenecks in capital supplies. In this respect, Hun­gary's association and participation in the 1992 measures could improve the opportunities and the competiveness of Hungarian enterprises.

Despite the dramatic political changes and the efforts to develop attractive legislation, the countries of Central and Eastern Europe do not offer yet sufficiently encouraging and convincing conditions for investment and business opportunities to Western companies. There is no need to stress that foreign private investments and joint ventures would be of utmost importance for the technological and structural transformation and modernization of these economies. According to Hungarian government estimates, a minimum of $ 1.5 billion to $ 2.0 billion in capital is needed annually to create a viable investment environ­ment, beyond financing the $ 2-3 billion annual debt service in the 1990s.

So far, however, somewhat $ 4 billion had been invested cumulatively, in Hungary up to the middle of 1992, and they have been above the annual $ 1 billion ceiling only since 1991. Unfortunately only a smaller part is contributing to the modernization, while rela­tively large financial inflows are connected with the growing off shore position of Hun­gary. Although they are improving the financial position of Hungary, at the same time they are also a source of uncertainty. These investments so far have been limited only to certain fields, and they sometimes tend to strengthen the existing monopolistic structures instead of creating competitive environments. "The multinational firms investing in Hun-

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192 Palankai: Integration

gary earlier urged the liberalization. Once they set up production, factories in Hungary, they advocate already the increase of tariffs. "I

The attractiveness of Central and Eastern Europe for foreign investment is still limited because of remaining legal uncertainties, persistent economic difficulties and some dis­couraging social and political developments (such as an accelerating inflation, the balance of payments and budgetary problems, the reemerging ethnic and nationalist conflicts).

It must be noted that as a function of changes and improvements, interest on the part of some of foreign companies is growing, but caution still remains. The Yugoslavian civil war and the disturbancies in the other countries have definitely reverse effects on the process.

Hungary has some traditional high-tech industries (telecommunication, electronics, elec­trical and medical equipments etc.) which now face serious difficulties in adjustment to the new situation. These industries have been closely connected to the Soviet (and CMEA) markets until recently, and in many cases have been suppliers of Soviet military developments, now due to break down of Soviet markets, it is extremely difficult to shift to new partners. These companies, even by modernizing, have little chance to compete with large transnationals, except they seek close and direct relations with them and try to integrate into their global structures (and it is no question, that only as minor partners). And in hope of any success, it seems that the participation in high-tech programs would be highly desirable either on EC level (ESPRIT, RACE or the Transeuropean Networks) or in intergovernmental frameworks (Eureka).

In the broad range of common goods, Hungary (and the others) have good chances for exploitation of prospective comparative advantages, particularly in terms of skilled labour force and low wage rates. The wages in Hungary are 1/10 of the German level, which may be an important source of competiveness in certain fields. Besides trade gains, this factor may be important in attracting companies from EC countries as well as the US or Japan, which could build factories in Central and Eastern Europe and then ship their products to the Western markets.

From points of view of the present cooperation with EC it is an unfavourable circum­stance that the EC faces acute unemployment (about 9 %) for many years. The employ­ment situation may be aggravated by the pressures of meeting "convergency criteria" set in Maastricht in December of 1991 for the coming years during the 1990s. At the same time the EC has shortage of labour force in highly qualified jobs and because of demo­graphic reasons this may not change in the future, while the EC probably remains reluc­tant to open its labour markets to the Central European associates, the chances of highly skilled cheap labour could be favourable in getting jobs in EC countries. The develop­ment of education and training, therefore, is a strategic question for these countries in maximally exploiting the opportunities offered by the EC association.

The association may also improve the macroeconomic performance of the countries con­cerned in many respects. It is generally assumed that the dynamic effects of market inte­gration increase the growth rates. The process of economic growth can be stabilized be­yond the market impulses by proper economic policies, and in some fields by the coordi­nation of policies. The structural change can help the nation better utilize its labour re-

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PaIankai: Integration 193

sources (thus overcoming unemployment). Monetary cooperation (some sort of connec­tion to the EMU) is, as the experience of some members and outsiders clearly proves, in­dispensable for stabilizing the exchange rates, allowing for the convertibility of national currency, and it is necessary from the beginning to check accelerating domestic inflation. The association can improve the changes of avoiding serious external imbalances due to integration into the world economy (through trade preferences and other support mecha­nisms).

At the same time, servicing the accumulating debt would require a surplus in the balance of trade and payments over a long period of time. Experience over the past few decades proves, however, that market integration often leads to deterioration of the balance of trade and payments, particularly in the case of a less developed country. This may apply also to the case of the Hungarian association, because of the structural weaknesses and in­herited rigidities of the economy. The present high level of indebtness is the most crip­pling weakness and a great hindrance to entering into any market integration.

It must be stressed, that the Central and East European countries (including Hungary) are not yet prepared at all in advantages, therefore, are highly hypthetical and they may be exploited only after long and conscious preparation and tough adjustment. It must be clearly seen, that association involves several dangers, and we must be fully aware of them. It can raise substantial costs, sometimes in close relation to benefits.

Those adjustment and social costs and dangers are, however, neither totally unavoidable nor unmanageable. Some costs must be simply accepted, but they are counterbalanced by the overall benefits of association. Others (e.g. unemployment) can be treated by appro­priate economic policy measures, and the negative consequences can be reduced to a tol­errable level.

It is, therefor, very important to stress that an association is not automatically beneficial, and comprehensive integration strategies and measures must be developed both at the EC and domestic policy levels. These policies are still lacking.

5 EC Interests in Association with the East

The EC countries have shown so far less enthusiasm about association with Eastern Eu­rope than the other way around. In the short run, Western interests are particularly weak and vague in many fields, and there are spheres where interests conflict. First of all, the political interests of EC in accepting Central and Eastern Europe even as associated part­ners are fairly contradictory.

No doubt, that the reforms and revolutionary changes in Eastern Europe were received enthusiastically by the West from the beginning. It was common hope that the division of the continent by hostility and confrontation can be replaced by cooperation an friendly re­lations, and that the tremendous costs and burdens of military confrontation can be saved. It is also broadly accepted that the East European countries by transforming into demo­cratic societies must be integrated into the European unification process as full partners.

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194 Pahinkai: Integration

At the same time it seems that the readiness to take these countries into the EC as full members is far not so strong as it was in the case of accession of Greece, Portugal and Spain in the previous decades. While under the conditions of bloc confrontation in Eu­rope the fairly balanced economic pros and cons on both sides were unambigously over­ridden by the political considerations in favour of letting these countries into the EC, the disappearance of bloc division seem to make the same interests concerning Central and Eastern Europe weakened.

The changes in Central and Eastern Europe have also renewed the discussions about the EC's prioritiy of "deepening" or "enlargement". There are anxieties and fears that any form of closer relations (closer association or membership) with the East may endanger the political integration and undermine the plans concerning the 1992 single market and the monetary union. The region is afflicted by serious social, political, national and eth­nic conflicts, and the EC is clearly reluctant to undertake full commitment for the securi­ty and the stability of these countries. The Maastricht decisions clearly show that EC gave a priority to deepening and automatically set much higher adjustment requirements for those, who want to join than it was the case with Greece or Portugal formerly. While the less developed members now enjoy the seemingly quite substantial help of more de­veloped partners in meeting the "convergence criteria" (the planned increase of "structur­al funds" and the creation of a "cohesion fund"), such a support probably can not be ex­pected for the late-comers.

In economic terms, Central and Eastern Europe is still a marginal partner for the EC, and this situation will not change overnight. The trade with the three associating countries (Czecho-Slovakia, Hungary and Poland) was only ECU 11 billion both for export and import and ECU 21 billion (export) and ECU 22 billion (import) for all of the six coun­tries (plus Bulgaria, Romania, Yugoslavia) of the region in 1990. The six Central and East European countries have about 130 million people, and their combined trade ac­counts only for less than 2 % of the EC trade. The new associates account to less than 1/3 of the EC trade with Switzerland.

There are also asymmetries in the trading relations between the region and the different member countries. More than two-thirds of the EC trade of Hungary takes place with Germany and Italy (52,4 % and 17,7 % of Hungary's EC exports in 1990, respectively). Taking into account the heavy indebtedness of these countries, the prospects of rapidly dynamizing this trade for a longer period are rather bleak, particularly in terms of West­ern supplies. It must be stressed, however, that in the long run the above disproportions have to be considered potential assets rather than liabilities.

The structural weaknesses of Central and East European economies create limits and counter-interests in trade and cooperation. Their exports are composed mainly of such materials and goods, in which the expansion of trade is limited by static demand, and also by inflexible export capacities. These sectors are particularly vulnerable to cyclical changes. These products of " crisis industries" often face fierce competition both from West European producers and from developing countries.

One of the neuralgic points of any East and Central European future membership is agri­culture. Most of the countries of the region have agricultural surpluses (potentially the same may apply to Romania or Bulgaria, which may overcome the shortages in a rela-

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Pahinkai: Integration 195

tively short time in the future) and many have comparative cost advantages. Hungary has a $ 1.5 to 2 billion annual export surplus and the costs are about on 2/3 of EC level. Hungary has climatic and geographical advantages, low land prices, rents and wages, fa­vourable farm sizes. The level of efficiency of farms may improve through privatization, while on the longer run some advantages may be lost (land prices, rents, farm sizes or wages).

While the EC agriculture has internationally relatively high subsidization level in terms of producer subsidy equivalence (in 1990 48 % in total output, compared with 30 % of the US level), the Central European countries (CSFR 17-18 %, Hungary 11-14 %) rank with Australia (11 %) and New Zealand (5 %).

Under these circumstances, the Central and Eastern European countries may be intolera­ble burden in terms of potential budgetary support and a serious threat both as competi­tors and source of overproduction. According to calculations of Hungarian Ministry of Agriculture the costs of full membership of the three Central European countries in agri­cultural budget would be ECU 44 billion and ECU 12 billion annually only for Hungary, if the present support structures would be maintained.2

In the middle of the 1960s, agricultural goods accounted for more than 60 % of the Hun­garian exports to EC countries. This share decreased to 30 % by 1981, and it was 25,6 % in 1990. In the middle of the 1970s still more than half of the Hungarian agrarian export consisted of meat and live animals, which share fell to only a little more than 15 % by 1990. Because of substantial and influential farm interests in many EC countries this situ­ation cannot be altered significantly; the agrarian and "crisis industry" lobbies of the less developed members will exert the greatest resistance to a full membership of these coun­tries. This was well demonstrated by the rigidity of France's position toward the three as­sociation candidates concerning beef or goose liver export, which proved that the EC is reluctant to give even minor and marginal concessions to these countries in the "sensi­tive" fields.

There are also strong industrial sectoral counter-interests (textiles, furnitures, glass wares etc.) and fears against those concessions in the less developed member countries. One of the shortcomings of the association agreements with the three countries compared with the previous ones is the lack of effective financial provisions. The agreement contains on­ly vague commitments to financial aid, mostly in the framework of PHARE. The rules on financial cooperation "enables the Community to participate in programs promoting the development of Hungarian infrastructures and stabilization and restructuring of Hungari­an economy in the form of grants and loans." Of course, the reasons for Western hesi­tance to give more extenisve help are very simple. The resources needed are substantial, and the EC both on national and on Community levels is basically in deficit positions.

The fears, therefore, that the Community may easily be finanically committed beyond its current capacities, are not unfounded. According to Delors, if the six new democracies of the East get the same help under the same criteria as the EC's own less-developed re­gions, it would require an extra ECU 14 billion a year in new EC resources, plus an ad­ditional ECU 5 billion a year from the European Investment Bank.

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196 Palankai: Integration

Altogether, that would mean an amount of ECU 100 billion to 200 billion for the EC re­channelled to the Central and East European Countries over a period of five to ten years. The need of the five countries (Hungary, CSFR, Poland, Bulgaria and Romania) of the region from the structural funds of the Community alone would be ECU 13 billion ac­cording to the "Maastricht cohesion principles.3

The present annual budget of the Community is less than ECU 60 billion. The costs of German unification have greatly exhausted the capacities of helping the other new democ­racies. The urgent needs of the former Soviet republics may also divert resources from Central Europe, and the assurances given at the Washington Conference on Aid in those respect in January 1992 are only partly encouraging.

Helping Central and Eastern Europe on a larger scale may adversely affect also certain regional interests, in connection with the offered trade policy concessions. Less devel­oped EC nations such as Spain, Portugal and Greece are concerned about that some of the economic aid they expected to gain from the newly integrated Community may go instead to Central and Eastern Europe. There are also financial commitments to less developed countries outside Europe, particularly regarding the Lome Conventions.

The other weakness of the association agreements with the three countries is the negli­gence of monetary questions. This is a great shortage, because these countries are still ahead of introducing the convertibility of their national currencies, which is a precondi­tion of working of any market integration. The introduction and the maintenance of con­vertibility in these countries can be hardly possible without the financial support mecha­nisms and funds and as the EMS proved these are needed even among the highly devel­oped and relatively stable economies. No doubt, that this is much more the case with the countries of Central Europe, which are heavily indebted (particularly Hungary and Po­land) and structurally weak. In light of Maastricht decisions the monetary issues are up valued, and not only for the members, but also for the associate partners. It would be ur­gent, therefore, to work out in details, how the Central European associates can be con­nected to the EC monetary mechanisms and what are the implications of the growing use of the ECU by these countries?

No doubt, that the East and Central European region has a historical chance to break out of peripherical position. It is, however, a function of broad and complex adjustment and for that comprehensive strategies and policies are needed. In general, the EC is ready and interested to integrate the region, but those interests are very contradictory, therefore any progress can only be achieved through hard bargainings and compromises.

Annotations

[1] Figyelo, October 22, 1992.

[2] Vilaggazdasag, October 28, 1992.

[3] The Economist, October 17, 1992.

Page 199: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Blum/Leibbrand: Wettbewerbsstrukturen

Wettbewerbsstrukturen im Transformationsprozefi

von

Prof. Dr. Ulrich Blum I Dipl.-Wirtsch.-Ing. Frank Leibbrand Technische Universitat Dresden

1 Problemstellung

2 Ausgangslage 2.1 Fragen des Ordnungsrahmens 2.2 Angebot

2.2.1 Betriebliche Rahmenbedingungen: Ressourcen und Budgets 2.2.2 Untemehmerische Zielsetzungen

2.3 Nachfrage

2.4 Transaktionskosten

3 Aspekte des Transfonnationsprozesses 3.1 Wettbewerbsordnung 3.2 Wettbewerbstest

3.3 Eigentumsordnung

4 Betriebliche Anpassungsmoglichkeiten auf wirtschaftspolitische Ma8nahmen 4.1 Untersuchungsansatz

4.2 Probleme der Ausgangslage und Moglichkeiten einer Bewertung der Transfor­mation

4.3 Einzelne Ma6nahmen und ihre Wirkungen 4.4 Ma6nahmen der Abfederung

5 Forderung industrieller Kerne

197

1m vorliegenden Artikel analysieren wir die Wettbewerbsstrukturen, die sich innerhalb der Transformation von einer Zentralverwaltungswirtschaft in eine Marktwirtschaft erge­ben. Dabei werden zunachst die relevanten Unterschiede in den Systemzustiinden be­schrieben, urn hieraus den im Rahmen eines Transformationsprozesses zu durchschreiten­den Pfad darstellen zu konnen. Darauf autbauend werden einzelne strukturbegriindende ProzeBdeterminanten intensiv analysiert.

Page 200: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

198 Blum/Leibbrand: Wettbewerbsstrukturen

1 Problemstellung

Die Transformationsprozesse der einzelnen Volkswirtschaften in den ReformHindem des Ostens erscheinen au Bert facettenreich und enthalten iiber gewisse grundsatzliche Gemein­samkeiten hinaus, die vor allen Dingen die Eckpunkte Preisfreigabe und Privatisierung betreffen, sehr viele Unterschiede auf der Auspragungs- und Ablaufebene.

Dieser Artikel will versuchen, eine strukturierende Analyse von Transformationsprozes­sen vorzunehmen und hierbei ein besonderes Augenmerk auf die Frage zu lenken, welche Bedeutung Transaktionskosten in altemativen Wirtschaftssystemen zukommt.

2 Ausgangslage

2.1 Fragen des Ordnungsrahmens

Die marxistische Theorie definiert die Eigentumsordnung als das zentrale Kriterium zur Unterscheidung von Wirtschaftssystemen und damit auch als den Kempunkt der Ausein­andersetzung der gesellschaftlichen Systeme. 1m Gegensatz hierzu gehen die Analytiker der marktwirtschaftlichen Ordnung in der Regel von einer Vielzahl nicht in eine gegen­seitige Ordnung oder Abhangigkeit einstellbarer Kriterien aus. Allerdings lieBe sich die These wagen, daB sich diese in der Frage biindeln, welche Qualitat des Wettbewerbs in einem Wirtschaftssystem herrscht - gleichsam als Uberbau der einzelnen strukturierenden Determinanten. Bei dieser Gegeniiberstellung von Eigentumsordnung und Wettbewerbs­ordnung ist wohl bekannt, daB hier auch in den jeweiligen antagonistischen Wirtschafts­ordnungen in der Realitat erhebliche Unterschiede in der Ausgestaltung auftreten konnen. Zu denken ist hier auf der einen Seite an die Vielfalt von sozialistischen Eigentumsfor­men, auf der anderen Seite die wissenschaftstheoretisch noch nicht abgeschlossene Frage nach einer effizienten Wettbewerbsform.

Aus dieser Sicht konnte man die sprachlich oft ungenaue begriffliche Auseinandersetzung zwischen Plan- und Marktwirtschaft vielmehr als eine Auseinandersetzung von Zentral­verwaltungs- und Wettbewerbswirtschaft begreifen. Sozialistische Planwirtschaft und So­ziale Marktwirtschaft sind dann reale Auspragungen, die in bestimmten I1i.ndem zu be­stimmten Zeiten die geltende Wirtschaftsordnung definieren.

Die folgende Darstellung wird starker auf systemtheoretische Fragestellungen Bezug neh­men. Diese stehen bei den derzeitigen Transformationsprozessen sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht im Vordergrund, so daB sich die ErschlieBung anderer Merkmale von hieraus anbietet.

Jeder ProzeB ist durch eine definierte Ausgangs- und Endsituation festgelegt. Wahrend erstere infolge des stationaren Anspruches der zentralen Planung als gegeben angesehen werden kann, ist das Endergebnis in dem Sinne offen, als Wettbewerb selbst ein offener ProzeB ist, der aus den beiden Teilen Innovations- und TransferprozeB besteht und nicht durch statische Kriterien beschrieben werden kann. Insoweit kann sich die Transformati­onsokonomie nicht auf ein fixierbares Leitbild stiitzen, man miiBte sogar sagen, ein TransformationsprozeB soUte sich in diesem Sinne darauf beschranken, die zentralverwal­tungswirtschaftlichen Strukturen zu zerstoren, urn dann den Koordinationsprozessen in re­alen Wettbewerbswirtschaften die Neuordnung selbst zu iiberlassen. 1m Mittelpunkt der

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Blum/Leibbrand: Wettbewerbsstrukturen 199

Untersuchung stehen damit die Wirtschaftseinheiten und ihre Strukturen sowie der ge­wiinschte bzw. notwendige Grad ihrer ZerstOrung.

2.2 Angebot

2.2.1 Betriebliche Rahmenbedingungen: Ressourcen und Budgets

In seiner wegbereitenden Untersuchung hat Komai (1980) erkannt, daB bei marktwirt­schaftlichen Untemehmen und sozialistischen Firmen im Hinblick auf die Finanzbudgets und die Ressourcen unterschiedliche Systemeigenschaften vorliegen. Er postuliert, daB fiir die sozialistische Firma Budgetschranken nicht existieren (da sie im Zweifelsfall nicht in Konkurs gehen kann und die autonome nationale Wlihrungspolitik eine Zahlungsbereit­schaft zumindest im Inland herstellen kann). Ressourcenschranken greifen hart, weil in­nerhalb einer Zentralverwaltungswirtschaft dariiber hinaus die Preise Verrechnungsgro­Ben darstellen, die nicht auf Knappheitsgrade reagieren (Dominanz der Mengen- vor der Wertplanung). Dem stellt er die marktwirtschaftliche Untemehmung gegeniiber, bei der durch flexible Preissysteme eine Ressource immer verfiigbar ist (wird sie nicht genutzt, so ist sie bezogen auf ihre Grenzproduktiviilit zu teuer), wlihrend die Budgetschranke hart greift.

In der Realiilit ist das Budget der Untemehmung in der Marktwirtschaft keine harte Schranke, sondem nur die knappste Ressource, die iiber die Kreditaufnahme flexibilisiert werden kann. In der Zentralverwaltungswirtschaft legt letztlich die AuBenverschuldungs­grenze das Maximalbudget fest. Die Analyse von Komai gilt demzufolge eigentlich nur fiir geschlossene Zentralverwaltungswirtschaften. Sie hat ihre Berechtigung in realen Zen­tralverwaltungswirtschaften deshalb, weil eine effiziente Ubertragung der extemen Impul­se auf die Produktionseinheiten fehlt, so daB globale und lokale Optima voneinander ab­weichen.

2.2.2 Unternehmerische Zielsetzungen

Folgt man dieser Darstellung, so muB in sozialistischen Firmen ein Schwerpunkt der Pla­nung auf die Verfiigbarkeit von Ressourcen gerichtet sein. Die Erfahrung, daB deren Feh­len das "maBvolle Ubererfiillen des Planes" als betriebliche Zielsetzung unmoglich ma­chen konnen, fiihrt zu erheblichen Hortungstendenzen und zu vertikaler Konzentration. Demgegeniiber konzentriert die marktwirtschaftliche Untemehmung ihren Schwerpunkt auf die Sicherung der jederzeitigen Liquidiilit und hortet, wenn man so will, Geld.

Aus der betrieblichen Zielsetzung der sozialistischen Firma und ihren Rahmenbedingun­gen, insbesondere dem Fehlen flexibler Preise, folgt der bestiiodige Mangel an erwiinsch­ten Giitem (vergleiche hierzu Komai, 1980; Kowalski, 1983). Demzufolge ist die Wirt­schaft durch die Produzentensouvediniilit gekennzeichnet.

Dem gegeniiber steht die Konsumentensouveranitat der marktwirtschaftlichen Ordnung, bei der durch die Konkurrenz der Untemehmer urn den Kunden ein gegebenes Produkt zum giinstigsten Preis erhaltlich ist.

Bereits erwlihnt wurde, daB fiir eine sozialistische Firma das "maBvolle Ubererfiillen ei­nes Planes" rational ist. Dies liegt darnn, daB hierdurch eine Pramienmaximierung mog-

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200 Blum/Leibbrand: Wettbewerbsstrukturen

lich wird, ohne dem Risiko stark steigender Normanforderungen begegnen zu mussen. Die hierbei betrieblich auftretenden Transaktionskosten der Produktion werden im Ver­gleich zu dem Nutzen einer hohen Flexibilitat der Zielerreichung geringer bewertet. Un­ter diesen Systembedingungen wird damit das Verhalten lokal effizient handelnder Betrie­be beschrieben. Dariiber hinaus flihrt auf volkswirtschaftlicher Ebene die zentrale Pla­nung als Auflosung des Widerspruchs zwischen der Rationalitat des Betriebes und der Ir­rationalitat des Marktes zu einer hohen Bewertung sozialer Kosten, die systembedingt in starkem MaBe zu internalisieren sind.

Marktwirtschaftliche Unternehmen unterwerfen sich dem langfristigen Gewinnerzielungs­ziel. Ohne weiter auf die markt- und wettbewerbswirtschaftliehe Bedeutung des Gewinns eingehen zu wollen, folgt hieraus unmittelbar, daB Transaktionskosten zum Gegenstand des Kalkiils werden, die im Sinne von Coase (1937) und Williamson (1981, 1985) festle­gen, welche Aufteilung in marktliche (betriebsexterne) und in hierarchische (betriebsin­terne) Koordination, die die Art und GrOBe von Organisationseinheiten bestimmen, ge­wahlt wird.

2.3 Nachfrage

Wir gehen davon aus, daB die Priiferenzen der Burger nicht yom ordnungspolitischen Rahmen abhangen, sondern, daB die Nachfrage durch Unterschiede, die im wesentlichen von Einkommensniveau, Einkommensstruktur, Vermogen und den angebotenen Guter­bundeln beeinflu6t sind, determiniert ist. Damit unterliegt die Nachfrage strukturell nieht dem TransformationsprozeB.

2.4 Transaktionskosten

Selbst bei identischer Ausgangslage (als hypothetischen Urzustand) wurden unterschiedli­che Ordnungsrahmen bei gleichen Priiferenzstrukturen und gleichen Technologien sowie einem identischen Metaziel (Nutzenmaximierung) dazu flihren, daB die in den Betrieben internalisierten Transaktionskosten in unterschiedlicher Hohe anfallen und damit - sy­stembedingt - ein unterschiedliches Arrangement der Wirtschaft entsteht. Es treten damit grundsatzlich die gleichen Arten von Transaktionskosten auf, aber die spezifisch zuge­rechneten Betriige weiehen voneinander abo Die Systemtransformation impliziert dann, daB die Zentralverwaltungswirtschaft plotzlich der Internalisierungsstruktur eines Wettbe­werbssystems ausgesetzt wird, wodurch der Zwang zur Reorganisation besteht.

Folgende Frage konnte dann formuliert werden: 1st die reale Ausgestaltung der Zentral­verwaltungswirtschaft als Spezialfall einer Wettbewerbswirtschaft denkbar, d. h. gibt es in einer Wettbewerbswirtschaft einen Ordnungsrahmen, der bei der Minimierung der Transaktionskosten zu einer vollstiindig hierarchischen Koordination flir Deutschland in der "BRD-AG" flihren kann? Eine Deutschland-AG wurde dann als hierarchische LOsung auf der Grundlage des Transaktionskostenansatzes effizient sein, um im Spannungsfeld zwischen marktlicher und hierarchischer Ordnung eine Ressourcenverschwendung zu ver­hindern. Tatsachlich existierte in diesem Sin nne eine "DDR-AG", die auf dem Weltmarkt wettbewerblich agieren muBte. Hier konnte sie teilweise nur mit Geld zahlen, das nicht aus der eigenen Geldschopfung stammte.

Page 203: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Blum/Leibbrand: Wettbewerbsstrukturen

3 Aspekte des Transformationsprozesses

3.1 Wettbewerbsordnung

201

In einer Wettbewerbsordnung spiegeln die Preise Knappheitsgrade wider. Auch ein eige­nes Wiihrungsgebiet hiitte der Industrie Ostdeutschlands keinen leichteren Entwicklungs­pfad geebnet, weil sich Wettbewerb auf Grund der stark vertikal integrierten Kombinats­strukturen kaum aus eigener Kraft hatte entwickeln kannen. 1m Lichte der modernen Wettbewerbstheorie ware vielleicht wettbewerbliches Verhalten durch potentielle Konkur­renz, insbesondere durch durch Verringerung von Markteintritts- und -austrittsschranken erzwingbar gewesen. Echte Preisreformen, die damit auch Unternehmenswerte begriin­den, sind nur maglich durch eine Offnung der Wirtschaft. Durch eine Wirtschafts- und Wiihrungsunion wird fiber die international gehandelten Gfiter hinaus auch die lokal er­zeugte und verbrauchte Produktion vermehrt in den Wettbewerb einbezogen. Da hier­durch die klassischen Abfederungsmoglichkeiten in den auBenwirtschaftlichen Ubertra­gungsmechanismen, namlich Wiihrungskurse, Zinsen und Kaufkraft, weitgehend oder vallig entfallen, wachst der Anpassungszwang der Sektorstruktur.

3.2 Wettbewerbstest

Wenn es das Ziel des Transformationsprozesses ist, die Voraussetzungen einer Wettbe­werbswirtschaft zu schaffen, so stellt sich fUr die Politik die Frage nach den notwendigen ordnungspolitischen Vorgaben. Ausgangspunkt ist im einfachsten Fall die Uberlegung, ob bestimmte Marktstrukturen, Marktverhalten oder Marktergebnisse auf eine hohe Intensitlit des Wettbewerbs hinweisen kannen, und man mit bestimmten zielgerichteten politischen Eingriffen und dem Aufstellen wirtschaftlicher Verhaltensregeln eine tragflihige Aus­gangslage fUr Wettbewerb quasi "am griinen Tisch" bestimmen kann.

Die bekannten Markt- und Wettbewerbstests erlauben es jedoch nicht, eindeutige Zusam­menhlinge zwischen den als relevant erkllirten Wettbewerbsindikatoren und der Intensitlit des Wettbewerbs zu finden. So versagt die Marktstrukturh~pothese angesichts bekannter hoher Wettbewerbsintensitliten sowohl auf oligopolistischen Mlirkten (Automobilindu­strie) als auch bei tendenziell polypolistischen Mlirkten. Markter&ebnisse kannen sowohl Folge wettbewerblichen als auch nicht wettbewerblichen Verhaltens sein, wie dies bei Monopolrenten infolge von Innovationen (positive Beurteilung) oder wegen eines abge­schlossenen Marktes (negative Beurteilung) sichtbar wird. Auch konkrete Verhaltenswei­~, wie beispielsweise Preissenkungen, kannen sowohl als WettbewerbsvorstoB interpre­tiert werden, als auch die Vorbereitung zur ruinosen Konkurrenz darstellen. Somit wird klar, daB Marktstruktur, -verhalten und -ergebnisse weder notwendige noch hinreichende Voraussetzungen fUr Wettbewerb sind, sondern allenfalls das Ergebnis aus der Vorgabe eines ordnungspolitischen Rahmens darstellen.

3.3 Eigentumsordnung

Die Begriindung von privaten Eigentumsrechten ist von zentraler Bedeutung im Hinblick auf den Anreizmechanismus und dessen Entsprechung bei wirtschaftlichem MiBerfolg, der Haftung. Weiterhin erleichtert sie die dezentrale Beschaffung von Informationen; fiber Markt- und Wettbewerbsprozesse kann eine weit groBere Informationsflut, die

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202 Blum/Leibbrand: Wettbewerbsstrukturen

dezentral beschafft wurde, verarbeitet werden, als dies je fUr eine Zentralverwaltungsbe­horde moglich ist. 1 Mit Ausnahme der allgemeinen Forderungen nach Schaffung privater Eigentumsrechte und der Freigabe der Preise, der Begriindung eines Ordnungsrahmens sowie der Offnung der Wirtschaft erscheint es konkret unmoglich, dariiber hinaus einen theoretisch klaren Pfad zur Uberfiihrung des zentralverwaltungswirtschaftlichen Systems in einen wettbewerbstheoretisch definierten Endzustand festzulegen. Dies lenkt das Argu­ment auf die Beeinflussung der Angebotsstruktur in dem Sinne, welche Strukturen ord­nungspolitisch zu vermeiden sind. Der (altemativen) akademischen LOsung des Transfor­mationsprozesses im Sinne der Chicago-Schule des schnellstmoglichen Erreichens dieser Wettbewerbsstruktur, gekoppelt mit einer hohen Wettbewerbsintensitiit, nlimlich der SchlieBung aller nicht konkurrenzfahigen ostdeutschen Betriebe bei gleichzeitiger Markt­erweiterung bei den im Wettbewerb stehenden Westuntemehmen, wollen wir uns ver­schlie6en. Das Problem kann nicht losgelost von den hieraus entstehenden Folgen, insbe­sondere im Sinne einer evolutorischen Wettbewerbsstruktur, die dann beschlidigt wiirde, und des sozialen Sprengstoffes, betrachtet werden.

Damit riickt das ostdeutsche Untemehmen in den Mittelpunkt unserer Analyse, es ist ge­kennzeichnet durch eine hohe vertikale Integration, hohe Lagerbestiinde bei niedriger Produktivitiit und hohen Personal(fix)kosten. Wir gehen im folgenden der Frage nach, wie die Untemehmen auf einzelne MaBnahmen reagieren konnen, urn wettbewerbsfahig zu werden. AnschlieBend solI die entstehende Wettbewerbsstruktur untersucht werden.

4 Betriebliche Anpassungsmoglichkeiten auf wirtschaftspolitische Ma8nahmen

4.1 Untersuchungsansatz

1m folgenden solI iiberpriift werden, welche Anpassungsprozesse in den ehemaligen Kombinaten ablaufen, wenn fiktive EinzelmaBnahmen ergriffen werden. Diese impuls­theoretische Analyse solI auf prototypischen Strukturen, d.h. einem Kombinat mit hoher vertikaler Integration aufbauen, so daB die Vorgehensweise weitgehend einem Gedanken­experiment entspricht.

Neben der Untersuchung der Wirkungsweise einzelner Instrumente ist auch zu diskutie­ren, ob es eine vorgegebene in sich schliissige Reihenfolge gibt oder inwieweit eine Par­allelisierung der MaBnahmen moglich erscheint. Diese Fragestellung ist eng verbunden mit dem in der Wirtschaftspolitik diskutierten Reihenfolgeproblem von Privatisierung und Preisfreigabe. Wir behaupten, daB infolge der Ubertragung der Wirkungen einzelner MaBnahmen, der Vemetztheit und den zugrundeliegenden synergetischen Prozessen keine Moglichkeit besteht, eine theoretisch schliissige Reihenfolge anzugeben, weshalb eine evolutorische Vorgehensweise als einzige politische Moglichkeit verbleibt.

In diesem Zusammenhang ist auf eine Reihe von Einzelproblemen hinzuweisen, die in der Diskussion nicht unbeachtet bleiben diirfen:

(1) Die finanzielle Grundausstattung der Untemehmen, die in den Wettbewerb entlassen werden, ist von zentraler Bedeutung, da ohne entsprechende Liquiditiit kein Uberle­ben moglich ist: 1m Zweifelsfall erfolgt die Kalkulation gegeniiber den Moglichkei­ten, Fremdkapital aufzunehmen.

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Blum/Leibbrand: Wettbewerbsstrukturen 203

(2) Infolge nicht unbeschriinkter komparativer Standortvorteile sind Produktivitatssteige­rungen von derzeit 30 % des Westniveaus notwendig, die sehr haufig Personalabbau bedingen; dieser unterliegt allerdings hinsichtlich seiner Flexibilitat und Geschwin­digkeit Grenzen. Diese yom politischen System diktierten Kosten begrenzen die Fle­xibilitiit des in den Wettbewerb zu entlassenden oder bereits entlassenen Unterneh­men erheblich und vergrOBeren den Anpassungsdruck gegeniiber Westunternehmen.

(3) Die vertikale Integration kann durch Ausgliedern von Unternehmensteilen oder durch Outsourcing verringert werden. Dadurch verringern sich auch die versunkenen Ko­sten, so daB die potentielle Konkurrenz einen hOheren Stellenwert erhiilt. Zunachst fiihrt diese MaBnahme aber zur Schwachung des Unternehmens, weil alte Verflech­tungen aufgebrochen werden, neue Koordinationen aber noch nicht geleistet sind; auch dies fiihrt in der Anfangsphase zu erheblichen Belastungen.

4.2 Probleme der Ausgangslage und Moglichkeiten einer Bewertung der Transformation

Fiir die Privatisierungsinstitutionen besteht die widerspriichliche Aufgabe darin, innerhalb eines staatlichen Planungsrahmens eine Angebotsstruktur zu schaffen, die Wettbewerb er­m6glicht, die aber eigentlich Ergebnis des Wettbewerbsprozesses selbst sein sol1te. Zu­gleich werden hierdurch die extrem hohen versunkenen Kosten der Zentralverwaltungs­wirtschaft offengelegt, was den politischen ProzeB tangieren kann: Dieser steht in der 6f­fentlichen Verantwortung fUr die "Zerschlagung" der alten Strukturen.

Aus der Theorie der Unternehmung (Coase, 1937) ist bekannt, daB die Frage, ob Ange­bot durch interne Koordination oder durch marktliche Strukturen erfolgen solI, im we­sentlichen von den Kosten der Koordination abhangt. Unternehmen wachsen solange, bis der Vorteil hierarchischer Koordination geringer ist als der Vorteil marktlicher Koordina­tion. Damit ist der Transaktionskostenansatz geeignet, als EffizienzmaBstab einer Markt­wirtschaft im Sinne einer hypothetischen stationaren Endlage herangezogen zu werden.

4.3 Einzelne Ma6nahmen und ihre Wirkungen

Notwendige Bedingungen, die erfiillt sein miissen, urn eine marktwirtschaftliche Ordnung zu begriinden, werden von Eucken (1960) wie folgt angegeben:

- Existenz eines funktionsfahigen Preissystems;

- Freiheit des Markteintritts;

- Preisstabilitat der Wiihrung;

- Privateigentum;

- Abbau von Haftungsbeschriinkungen;

- stetige und vorhersehbare Wirtschaftspolitik.

Diese konstituierenden Bedingungen werden von Eucken durch regulierende Prinzipien ersetzt, die in starkem die spezifische Wettbewerbsordnung der Bundesrepublik Deutsch-

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204 Blum/Leibbrand: Wettbewerbsstrukturen

land bestimmen. Es gibt jedoch alternative Konzepte, die andere Regulierungsanforderun­gen stellen, in ihrer extremsten Form von der Chicago-Schule vorgebracht, die insbeson­dere auf eine Monopolkontrolle verzichtet, es sei denn, Ressourcenmonopole Uigen vor. Infolge obiger Bedingungen bietet es sich an, den TransformationsprozeB durch

- die Freigabe der Preise,

- die internationale Offnung der Markte,

- die Privatisierung,

- die Hartung der nationalen Wahrung und

- die Hartung der betrieblichen Budgets (durch ein Konkurs- und Vergleichsrecht)

einzuleiten. Dabei solI zuniichst von einem stark vertikal integrierten Kombinat als "Im­pulsempflinger" dieser MaBnahmen in einer Zentralverwaltungswirtschaft, die nur partiell in die Weltwirtschaft und in verstarktem Ma6e in eine zentralverwaltungswirtschaftliche GroBraumwirtschaft eingebettet ist, ausgegangen werden.

Eine Freigabe der Preise durfte zuniichst zu einer erheblichen Erhohung des nationalen Preisniveaus, d.h. zu einem Inflationsschub, fUhren, weil das monopolistische Angebot versuchen wird, die entsprechenden Preissetzungsspielriiume auszunutzen, urn die Gewin­ne zu maximieren. Hierbei wird unterstellt, daB die bisherige Preissetzung nicht dem Cournot-Konzept folgt; dies kann begriindeterweise auf Grund von existenten Warte­schlangen vermutet werden.2

Bei einer alleinigen Offnung der Markte konnten die internationalen Produktivitiitsunter­schiede durch die klassischen Ubertragungsmechanismen, niimlich Zinsen, Kaufkraft und Wahrungsparitiiten kompensiert werden. Allerdings ergiibe sich ein sektoraler Druck auf die Wirtschaft, da nunmehr, solange dies nicht durch Quersubventionen durch den Staats­haushalt kompensiert wird, komparative Standortvorteile zur Geltung und Durchsetzung kommen und somit ein Strukturwandel zugunsten der relativ produktiven Sektoren in Gang kommt.

Eine Privatisierungsstrategie alleine bedeutet, daB Unternehmenswerte sich auf der Basis der Verrechnungspreise bilden. Werden diese als langfristig nicht stabil angesehen, weil keine offenen Kapitaimarkte existieren, so ist damit zu rechnen, daB keine privaten Inve­storen gewonnen werden konnen, weil eine Offnung der Kapitaimarkte nicht ausgeschlos­sen werden und dies zu erheblichen Risiken bei den Unternehmenswerten fUhren kann. Immerhin ergiibe sich private Motivation und das Ausnutzen von Gewinnmoglichkeiten bei geltenden Verrechnungspreisen.

Eine Hartung der Wahrung und der Budgets durch eine neue Geldverfassung auf nationa­ler Ebene sowie eine Konkurs- und Vergleichsordnung fUr die Betriebe zur Durchsetzung des Anreiz- und Haftungsprinzips erfordert parallel auch eine Umstellung des Abgaben­und Finanzierungssystems der Wirtschaft. Solange die Wirtschaft auf nationaler Ebene eine positive Wertschopfung ausweist, kann sie auf der Basis von entsprechenden Ver­rechnungspreisen auch bei harten Budgetschranken auf der Ebene des Kombinats und des Betriebes jegliches Konkursrisiko ausschlie6en. Damit entstehen nicht die erwunschten Verhaltensiinderungen auf Betriebsebene.

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Blum/Leibbrand: Wettbewerbsstrukturen 205

Die Diskussion der einzelnen Punkte zeigt deutlich, daB EinzelmaBnahmen nicht geeignet sind, einen TransformationsprozeB innerhalb einer Zentralverwaltungswirtschaft einzulei­ten. Hier muB eine kritische Menge von Instrumenten angesetzt werden, urn den Gesamt­umbau leisten zu konnen. Dies bedeutet insbesondere, daB auf Basis einer heuristischen Argumentation Privatisierung, Preisfreigabe und Herstellung von Konvertibilitiit sich ge­genseitig bedingende und verstiirkende Instrumente sind. Nur durch Preisfreigabe konnen sich Firmenwerte fUr private Investoren bilden - aber nur bei offenen Miirkten und priva­ten Eigentumsrechten. Ohne ein Konkursrecht ergeben sich keinerlei langfristige Perspek­tiven fUr produktive Untemehmen, weil sie dem Risiko eines Subventionswettbewerbs ausgesetzt sind. AuBenwirtschaftliche Offnung verbessert die Moglichkeiten der Privati­sierung, weil hierdurch der entsprechende Anpassungsdruck erhOht wird. Wenn aller­dings soziale Gesichtspunkte einen hohen Stellenwert besitzen, so wird dieser AuBen­druck moglicherweise nicht ausreichen, weil die alten Firmenleitungen ihre Belegschaft in Geisel nehmen, urn die bisherige GroBenstruktur am Markt, notfalls mit Unterstiitzung aus staatlichen Mitteln, aufrechterhalten zu konnen. Bedrohlich wiirde dies vor allem dann, wenn hierdurch der notwendige und von auBen kommende Produktivitiitsdruck innerhalb der Firmen nicht mehr umgesetzt wiirde. Offnung allein, ohne Konkurs- und Vergleichsrecht, ist also wenig effizient.

Wiihrend die klassischen Liberalisierungsschritte auf der Preis-, der AuBenwirtschafts­und der Wiihrungsebene in der Regel unstrittig sind, ergeben sich starke Unterschiede bei den Privatisierungsstrategien. Idealtypisch miiBte der Wettbewerbsmarkt langfristig iiber die optimale Gruppen- und Sektoralstruktur entscheiden. Dies wiirde jedoch eine zeitliche Dimension in den TransformationsprozeB hineinbringen, die von den Gesellschaften der Reformliinder sozial und politisch nicht durchgehalten werden kann. Insofem wird die Privatisierung in die Hand von Institutionen gelegt, die den Widerspruch aufiosen miis­sen, durch zentralplanerisches Handeln eine Struktur zu schaff en , die sich eigentlich durch den Wettbewerbsmarkt ergeben wiirde. Dabei ist es problematisch, sich an westli­che WertschOpfungsketten hinsichtlich der horizontalen Integration oder an die gegebene Sektor- und Gruppenstruktur anzulehnen, weil diese Vergangensheitsorientierung mogli­cherweise zu weiteren Anpassungslasten in Zukunft fUhrt.

Urn den "trial and error" ProzeB des Wettbewerbsmarktes angesichts der Unsicherheit iiber die Zukunft maximal auszunutzen, muB ein Pluralismus von Privatisierungs- und Reorganisationsstrategien gefordert werden.

4.4 Ma8nahmen der Abfederung

Die tendenziell eher sozial- - als wirtschaftspolitische Fragestellung, welche Wahl zwi­schen den Altemativen einer optimalen Giiterversorgung bei erhohter Arbeitslosigkeit und damit Unterstiitzung iiber Sozialfonds gegeniiber einer suboptimalen Giiterproduktion bei geringerer Arbeitslosigkeit besteht, kann nicht nur unter Wohlfahrtsgesichtspunkten beur­teilt werden; hier sind auch Verteilungseffekte, die Kosten von erhOhten Wanderungsstro­men und die industrielle, insbesondere die forschungstechnologische Erosion von Land­strichen zu beriicksichtigen. Die volkswirtschaftlichen Kosten werden hier sehr stark von den betriebswirtschaftlichen abweichen. Moglicherweise ziihlt die "soziale Akzeptanz" des Transformationsprozesses zu den notwendigen Bedingungen eines erfolgreichen Um­baus von Wirtschaft und Gesellschaft.

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206 Blum/Leibbrand: Wettbewerbsstrukturen

Die sozialen Anpassungslasten sind das Ergebnis des Einsatzes der Instrumente mit dem Ziel, den TransformationsprozeB einzuleiten und haben ihren Ursprung auf betrieblicher Ebene durch die Hartung der Budgets und den steigenden Produktivitatsdruck. Die Har­tung des Budgets erfolgt im wesentlichen durch die Privatisierung inkl. Haftung, wobei die Treuhand durch die Vergabe von Liquiditatskrediten und -hilfen einen "weichen" Ubergang ermoglicht, der aber erhebliche Probleme dann aufwirft, wenn Wettbewerb zu bereits privatisierten Unternehmen mit ahnlicher Technologie besteht.

Ware die theoretische Anpassungs- und Umstellungsflexibilitat der Unternehmen bekannt, so konnte eine optimale Subventionierungspolitik auf der Outputseite verfolgt werden, bei der die Hohe der produktbezogenen Bezuschussung mit dem theoretisch moglichen An­passungs- und Restrukturierungsfortschritt sinkt. Dieser Ansatz wiirde nicht zwischen den Produktionsfaktoren diskriminieren, wie dies beispielsweise bei dem Vorschlag der Lohn­subventionierung in Abhangigkeit der Produktivitatsrate der Fall ist. Es ware dann auch moglich, die zum Zwecke der Ansiedlungsforderung gewahrte Kapitalsubventionierung abzubauen. Damit stiinden die Unternehmen unter einem "normalen" Wettbewerbsdruck mit der nicht verlustbringenden Moglichkeit einer Bewahrung in den Markten.

Unter den erwahnten MaBnahmen der Abfederung, namlich durch Liquiditatshilfen (Aus­weitung des Budgets), durch Kapital- und Lohnsubventionen sowie durch Outputsubventi­onen erscheint uns letzteres das geeignete Mittel zu seine, eine Wettbewerbsf<ihigkeit oh­ne verzerrende Wirkung auf die Produktionsfaktoren zu erzeugen. Die fiskalische Durch­fiihrung konnte in der Bundesrepublik Deutschland iiber Mehrwertsteuerpraferenzen er­folgen.

5 Forderung industrieller Kerne

Die Restrukturierung der ostdeutschen Wirtschaft macht die Gewahrung von Finanzhilfen erforderlich, so daB sich - iiber den Ansatz beim Budget, beim Kapital, bei der Arbeit oder beim Output hinaus - die Frage stellt, wie dies im Hinblick auf die Auswahl der fOr­derungswiirdigen Unternehmen zu organisieren ist. Hier steht die aktuelle Wirtschaftspo­litik vor einer erstklassigen Herausforderung, muB sie doch iiberlebensunf<ihige Unterneh­men von denen selektieren, denen ein hohes kiinftiges Potential zugeschrieben wird.

1m Zusammenhang mit dieser Diskussion hat sich der Begriff der "Industriellen Kerne" herausgebildet. Fiir diese bieten sich drei Definitionen an:

(1) Zunachst kann eine Industrie gemeint sein, die auf Grund ihres iiberregionalen Absat­zes einen Produktivitatszusammenhang zwischen der Region und der AuBenwelt her­stellt. Dieser Primareffekt erzwingt, daB auch Unternehmen mit nur regionalen Markten dem nationalen oder internationalen Produktivitatsdruck ausgesetzt sind. Ei­ne GroBzahl fiskalischer FordermaBnahmen findet hier ihren Ansatz, wobei nicht verschwiegen werden darf, daB der Anteil des iiberregionalen Absatzes definitorisch durch die zugrundeliegende GebietseinheitsgrOBe festgelegt wird. In der Regel wer­den derartige "Industrielle Kerne" auch eine hohe Verflechtung im Bereich des Ab­satzes und der Beschaffung mit der iibrigen Wirtschaft aufweisen.

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Blum/Leibbrand: Wettbewerbsstrukturen 207

(2) Oer "Industrielle Kern" kann weiterhin tiber seine Bedeutung am 6rtlichen Arbeits­markt definiert sein. Hier besteht die erhebliche Gefahr, daB das Wettbewerbsprinzip zugunsten einer Arbeitsmarktbetrachtung ausgeh6hlt wird, so daB damit industrielle Restaurationspolitik getrieben wird.

(3) Schlie61ich kann der "Industrielle Kern" tiber das technologische Potential eines Un­ternehmens oder einer Region definiert werden. Geht man davon aus, daB das Hu­mankapital den grOBten regionalen bzw. unternehmerischen EngpaBfaktor darstellt, eine Abwanderung infolge eines industriellen Kahlschlages somit zu Irreversibilitaten fiihrt, wird klar, daB dieser Ansatz den Weg zu einer sinnvollen Wirtschaftspolitik im Rahmen der Transformation er6ffnet. Oem Humankapital ist langfristig das notwen­dige Sachkapital und die exekutive Arbeit beizuordnen, die Wettbewerbsfahigkeit er­m6glicht; solange dies nicht der Fall ist, sind outputseitig Anpassungssubventionen zu leisten. Oem Wettbewerb kann damit langfristig die Selektion der Erfolgreichen vorbehalten bleiben.

Anmerkungen

[1] Vgl. hierzu auch die Auseinandersetzung zwischen v. Mises (1935) und Lange (1938).

[2] Als ungleichgewichtiger Zweitmarkt mit UberschuBangebot sind vermutlich die Finanzmiirkte anzuse­hen, bei denen in erheblichem MaB Zwangsersparnisse vorlagen.

Literatur

COASE, R.: The Nature of the Firm, Economica 4, 1937, 386-405.

EUCKEN, W.: Grundsiitze der Wirtschaftspolitik, Tiibingen-Ziirich 1960.

KORNAI, J.: Economics of Shortages, North Holland, Amsterdam 1980.

KOWALSKI, J.: On the Relevance of the Concepts of 'Centrally Planned Economies', Jahrbuch fiir Sozi­alwissenschaft 34/2, Vandenhoeck & Ruprecht 1983.

LANGE, 0., TAYLOR, F. M., LIPPINCOTT, B. E. (eds.): On the Economic Theory of Socialismes, Minneapolis 1938.

MISES, L. V.: Economic Calculation in the Socialist Commonwealth, in: Hayek (ed.), Collectivist Eco­nomic Planning, London/Henley 1935.

WILLIAMSON, O. E.: The Modem Corporation. Origins, Evolution Attributes, in: Journal of Economic Literature, Vol. 19 (1981), S. 1537-1568.

WILLIAMSON, O. E.: The Economic Institutions of Capitalism, New York 1985.

Page 210: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Ulram: Politische Kultur

Politische Kultur in Ost-Mitteleuropa: Ein erster Uberblick im Vergleich

von

Univ. Doz. Dr. Peter A. Ulram Fessel & GfK Institut, Wien

209

1 Die politische Kultur in Ost-Mitteleuropa als Gegenstand empirischer Sozialfor­schung

2 Systemwechsel in den osteuropiiischen Reformstaaten - Demokratisierung versus politisches Desinteresse

3 Voraussetzungen fUr die Etablierung von Demokratie

Page 211: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

210 Ulram: Politische Kultur

1 Die politische Kultur in Ost-Mitteleuropa als Gegenstand empiri­scher Sozialforschung

Der vorliegende Beitrag prasentiert einen Uberblick zentraler Ergebnisse einer verglei­chenden Studie zur politischen Kultur in den neuen, postkommunistischen Demokratien Ost-Mitteleuropasl . 1m Mittelpunkt des vorliegenden politischen Kulturvergleichs steht eine empirische Bestandsaufnahme politisch-kultureller Orientierungen in Ungaro, der ehemaligen CSFR und Polen unter besonderer Beriicksichtigung der System- und ProzeB­kultur (politisches Rollenverstiindnis, Partizipationsorientierungen, Vertrauen in die poli­tischen Institutionen, Parlamentsverstiindnis, Akzeptanz demokratischer Normen und Wertvorstellungen, Einbindung in soziokulturelle und politische Netzwerke). Ziel ist a) die Erforschung der politischen Alltagskultur, individueller Werthaltungen und des subjektiven Politikverstiindnisses sowie der persOnlichen Erwartungen, Hoffnungen und Angste, die sich aus der gesellschaftlichen und politischen Umbruchsituation erge­ben; b) ein Vergleich dieser Einstellungsmuster mit vorliegenden Daten zur politischen Kultur etablierter demokratischer Systeme.

2 Systemwechsel in den osteuropiiischen Reformstaaten - Demokrati­sierung versus politisches Desinteresse

Die Situation in den neuen Demokratien Ost-Mitteleuropas ist durch einen paradoxen Wi­derspruch zwischen der fortschreitenden faktischen Demokratisierung auf der einen Seite - Aufbau demokratischer politischer Institutionen, Durchfiihrung freier Wahlen, Formie­rung politi scher Parteien etc. - und dem Riickzug gr6Berer Bev6lkerungsteile yom politi­schen ProzeB, groBflachiger Enttauschung iiber den bisherigen TransformationsprozeB und Unzufriedenheit mit den politischen Institutionen auf der anderen2 gekennzeichnet. Das Interesse an Politik ist in den drei postkommunistischen Liindem unterschiedlich aus­gepragt: am geringsten in Polen, wo sich nur ein Zehntel (sehr) stark, aber die Halfte kaum bzw. iiberhaupt nicht politisch interessiert zeigt; nicht wesentlich h6her in Ungaro (14 % stark, 43 % wenig oder iiberhaupt nicht interessiert). Demgegeniiber liegt das poli­tische Interesse in der (ehemaligen) CSFR mit einem Viertel an stark Interessierten und lediglich einem Fiinftel an Desinteressierten sogar iiber den entsprechenden Werten in den "alten" postautoritaren Demokratien Osterreichs und der Bundesrepublik Deutschland (alte Bundesliinder).

in % interessieren CSFR Ungam sieh fUr Politik ... 90 91 91

sehr stark 37 25 14 etwas 41 55 40 kaum/iiberhaupt nieht 22 19 43

Tab. I: Politisehes Interesse im Vergleieh Quelle: Fessel +GfK, Repriisentativumfrage CSFR (1990), Demokratie­

und Parlamentsverstiindnis in Ost-Mitteleuropa (1991)

Polen 91

12 35 51

Der auffallende Unterschied zwischen Polen und Ungam auf der einen, der CSFR auf der anderen Seite diirfte dabei zu einem Gutteil auf den Faktor "Zeit" zuriickzufiihren sein:

Page 212: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Ulram: Politische Kultur 211

Die "samtene Revolution" mit ihrem abrupten Ubergang von einem (gerade auch im ost­mitteleuropliischen Vergleich) starren und rigiden autoritiiren Regime zu einem demokra­tischen System liegt erst eineinhalb Jahre zuriick; Erinnerungen und Emotionen sind noch frisch und lebendig; das politische Engagement der BevOlkerung - obgleich nunmehr auch hier geringer als in den ersten Monaten nach dem Umbruch - ist noch starker und weni­ger von den beginnenden "Miihen der Ebene" erschopft.

Politisches Interesse und Siehtweise der politischen Vedinderungen stehen in engem Zu­sammenhang: Wer seine Erwartungen an den Systemwechsel erfiillt oder sogar positiv iibergriffen sieht, zeigt sich deutlich interessierter als jene, die von den Veranderungen bisher enttiiuscht wurden oder sieh von Anfang an niehts Gutes erwartet hatten. Wer das kommunistische System retrospektiv negativ bewertet, ist gleiehfalls politisch interessier­ter, wahrend jene, die am Kommunismus auch gute Seiten wahrzunehmen glauben, mit einer Abwendung vom politischen Geschehen reagieren. Die genannten Muster ziehen sich durch alle drei nationalen Populationen und pragen Grad und Intensitiit des politi­schen Engagements.

Das Politikbild der Burger der drei untersuchten neuen Demokratien ist nur zu einem eher geringen AusmaB von positiven Emotionen, hingegen zu einem betdichtliehen Teil von negativ-aversiven Einstellungen gepragt. Eine Gemeinsamkeit, die die neuen post­kommunistischen Demokratien Polen, Ungam und CSFR nieht zuletzt mit den alten post­autoritaren Demokratien Osterreich und Italien teilen. Auch fUr die politische Kultur die­ser beiden Lander ist eine aversive emotionale Grundhaltung gegeniiber dem politischen Geschehen charakteristisch; ganz im Unterschied zur altesten europaischen Demokratie, der Schweiz, wo nur eine vergleiehsweise kleine Minderheit ein negativ gepragtes Poli­tikbild besitzt.

in % (der Italien Osterreich CSFR Biihmenl Slowakei Ungam Polen 1. Nennungen) gesamt Miihren

85 91 91 91 91 91 91

Leidenschaft 1 1 1 1 1 2 2

Begeisterung 2 1 3 3 1 1 1 26 37 49 58 31 31 23

Anteilnahme 4 14 10 13 5 2 2

Interesse 19 21 35 41 24 26 18

Gleichgiiltigkeit 21 17 9 8 12 25 26 33 21 12 11 16 33 33

Langeweile 12 4 3 3 4 8 7

Mi8trauen 14 25 28 24 36 17 20

kger 17 41 14 43 9 39 8 34 13 52 16 37 11 43

Widerwillen 10 4 2 2 3 4 12

Tab. 2: Politikbild im Vergleich Quelle: MannheimerlSani (1987) fiir Italien, Demokratie- und Parlamentsver~tiindnis in Ost-Mitteleuropa

(1991). Fessel+GtK. Demokratie- und Parlamentsverstiindnis in Osterreich (1991)

Mit der neuen politischen Ordnung zeigen sich vier von zehn Ungam und Slowaken 50-

wie ein Drittel der Polen unzufrieden, im tschechischen Landesteil der CSFR ist der ent-

Page 213: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

212 Ulram: Politische Kultur

sprechende Satz mit einem Viertel geringer. Demgegenuber bekundet nur ein vergleichs­weise geringer Prozentsatz der Burger in den alten postautoritiiren Demokratien Oster­reich und (West)-Deutschland Unzufriedenheit, wlihrend hier der Anteil der sehr Zufrie­denen mit 15 % bzw. 18 % deutlich uber den Werten in den neuen Demokratien Ost-Mit­teleuropas liegt.

in % sind mit der Demo- BRD kratie und dem ganzen CSFR Tschechien Slowakei Polen Ungam Osterreieh alte politischen System ... Bundesl.

sehr zufrieden 3 4 2 5 2 15 18 einigerma8en zufrieden 67 72 56 62 56 75 63 nieht zufrieden 29 24 41 32 39 9 12

Tab. 3: Regimezufriedenheit im Vergleieh QueUe: Gluehowski/Zelle (1991) fiir BRD, Plasser/Uiram (1991) fiir Osterreieh, Demokratie­

und Parlamentsverstindnis in Ost-Mitteleuropa (1991)

Das Vertrauen in staatliche und gesellschaftliche Institutionen liegt deutlich unter den Werten in etablierten Demokratien, wenngleich diese mittlerweile ihrerseits mit erhebli­chen institutionellen Vertrauenslucken zu ringen haben. Wlihrend aber das defizitiire Ver­trauen in wesentliche Trager der politischen Willensbildung - die Parteien - in den gereif­ten Demokratien durch einen intakten Vertrauensvorschu6 in zentrale rechtsstaatliche In­stitutionen zumindest teilweise kompensiert wird, ist das institutionelle Vertrauensprofil der neuen Demokratien generell nur uberaus schwach aus~eptj~t. Das vergleichsweise hohe Vertrauen, das traditionelle, eng mit der nationalen Identitat verbundene Institutio­nen wie etwa die Kirchen in Polen und Ungarn genie6en, bzw. das uberdurchschnittliche Ansehen der nationalen Armeen sind kein Ersatz fur ein belastbares Vertrauen in Schlus­selinstitutionen des politischen und gesellschaftlichen Lebens.

in % haben Ostdeutsch- Ungam CSFR Polen Westdeutsch Osterreieh Vertrauen in ... land land

Geriehte 44 44 39 30 57 50

Polizei 37 43 33 30 59 51

Re~ierungen und 36 28 39 22 44 32 Par amente

Armee/Heer 35 47 45 53 41 41

ijehorden und 24 33 26 19 40 43 Amter

Kirchen 23 46 25 50 40 37

Gewerksehaften 39 25 36 20 31 31

Parteien 19 16 23 7 25 19

Tab. 4: Regimezufriedenheit im Vergleieh QueUe: Gluchowski/Zelle (1991) fiir BRD, Plasser/Uiram (1991) fiir Osterreieh, Demokratie­

und Parlamentsverstindnis in Ost-Mitteleuropa (1991)

Page 214: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Ulram: Politische Kultur 213

Das gegenwiirtige Defizit an generalisiertem Vertrauen in demokratische Einrichtungen hangt dabei auch mit dem Fehlen funktionierender gesellschaftspolitischer "Ubersetzungs­mechanismen" zusammen. Die neuen Demokratien laborieren an einem intermediiiren Vakuum, d.h. gesellschaftlich nur rudimentiir verankerten Parteien3, schwachen Interes­senvertretungen und weitgehend konturlosen Netzwerken der Integration und Reprasenta­tion gesellschaftlicher Anliegen. Wiihrend sich in Ostdeutschland bereits vor der Wende "Quasi-Parteibindungen" herauszukristallisieren begannen, die nach der Vereinigung ak­tualisiert und mobilisiert werden konnten, mangelt es in den ost-mitteleuropiiischen Demokratien an vergleichbaren Orientierungspunkten wie Integrationsmechanismen. Die iiberwiegende Mehrheit steht dem Parteienangebot distanziert bis skeptisch gegeniiber. Es fehlen emotionale Bezugspunkte, persOnliche Loyalitiiten und substantielle, inhaltliche Angebote der Eliten, die dazu beitragen, den politischen Prozefi zu strukturieren und po­litische Leistungs- und Vertrauensimpulse der Bev61kerung zu kanalisieren.

in % Ostdeutsch - Ungarn CSFR Polen Westdeutsch Osterreich land land

Parteineigung 70 25 29 15 70 58 Parteiferne 30 75 71 85 30 42

Tab. 5: Regimezufriedenheit im Vergleich .. QueUe: GluchowskifZeUe (1991) fiir BRD, PlasserfUlram (1991) fiir Osterreich, Dernokratie­

und Parlamentsverstiindnis in Ost-Mitteleuropa (1991)

Ein vielfach ungeklartes und widerspriichliches Rollenverstiindnis der politischen Elite, ein nur schwach ausgepragtes Institutionenprofil, erhebliche Vertrauensliicken, fragmen­tierte, iiber der Gesellschaft "schwebende" Parteiensysteme und defizitiire Integrations­strukturen iiberschatten den Demokratisierungsprozefi in Ost-Mitteleuropa - die tiefrei­chende okonomische Krise droht ihn zu gefahrden. Steigende Arbeitslosenzahlen, der un­vermeidliche Zusammenbruch veralteter industrieller Produktionsstrukturen, erhebliche Einbufien im Lebensstandard, die wachsende Schere zwischen aufgestauten Konsumwiin­schen und der Tristesse des wirtschaftlichen Alltags, existentielle Verunsicherung, soziale Abstiegsiingste und die drohende Verarmung der iilteren, iiberwiegend auf staatliche Ga­rantieleistungen angewiesenen Generationen stellen einen brisanten Faktor der Destabili­sierung hochgradig instabiler. kaum belastbarer Systeme dar4. Die okonomischen Per­spektiven der Bev61kerung Ost-Mitteleuropas sind verdiistert. Rund die Hiilfte rechnet mit einer anhaltenden Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Lage.

Frageversion: "1st die wirtschaftliche Lage in ... besser, gleich oder schlechter als vor 12 Monaten?"

in% Ungarn CSFR Polen

besser 11 15 8 gleich 12 16 10 schlechter 74 61 78

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214 Ulram: Politische Kultur

Frageversion: ·Und wie wird sieh Ihrer Meinung naeh die gesamtwirtschaftliehe Lage in den kommen-den 12 Monaten entwiekeln?"

besser 18 20 10 bleibt ungefiihr gleieh 24 21 16 schlimmer 46 45 56 unentschieden 13 14 18

Tab. 6: Beurteilung der Wirtschaftslage (1992) QueUe: Fessel +GtK, Entwieklung der wirtschaftliehen Lage im Osten (1992)

Eine retrospektive Bilanz der Erwartungen, die mit dem Wechsel des politischen Systems verbunden waren, ergibt aus der Sicht der Burger der neuen Demokratien Ost-Mitteleuro­pas zum gegenwiirtigen Zeitpunkt einen uberwiegend negativen Saldo. Die iiberwiegende Mehrheit fiihlt sich in ihren persOnlichen Erwartungen enttiiuscht, wobei der Grad sowohl zwischen den als auch innerhalb der betreffenden Lander variiert. Am enttiiuschtesten zei­gen sich die Biirger Ungarns, von denen nur 18 % ihre persOnlichen Erwartungen an den Regimewechsel als weitgehend eingelost betrachten. Die ausgepriigte Desillusionierung der ungarischen BevOlkerung muB vor dem Hintergrund vergleichsweise positiver okono­mischer Erfahrungen wahrend der Spatphase des patemalistischen kommunistischen Re­gimes gesehen werden, das beachtlichen Teilen der Bevolkerung einen - wenngleich be­scheidenen und hart erkauften - okonomischen Wohlstand gestattete, der dementspre­chend hOhere Einkommens- und Konsumerwartungen stimulierte.

in% CSFR Tsehechien Slowakei Ungaro Polen

Meine Erwartungen sind iibertroffen worden, es 2 3 1 1 4 geht besser, als ieh ge-daeht habe

Meine Erwartungen sind im gro8en und ganzen er- 23 26 16 17 24 fiillt worden

Ieh bin enttiiuscht worden, ieh hitte mehr erwartet 53 52 56 56 41

Ich bin sehr enttiiuscht, fast nieht von meinen Er- 13 10 19 13 19 wartungen ist eingetreten

Ieh habe mir vom System-wechsel von Anfang an 8 8 8 11 10 Diehts Gutes erwartet, und so ist es aueh eingetroffen

Tab. 7: Persiinliehe Erwartungen, die mit dem Wechsel des politischen Systems verbunden wurden QueUe: Demokratie- und Parlamentsverstiindnis in Ost-Mitteleuropa (1991)

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Ulram: Politische Kultur 215

In den Einschatzungen der Biirger der CSFR, die ebenfalls eine iiberwiegende Enttau­schung zum Ausdruck bringen, finden auch die objektiven okonomischen Disparitaten zwischen den Landesteilen ihren Niederschlag: Die Bilanz fallt in BOhmen und Miihren tendenziell positiver aus als in der Slowakei. In Polen schlieBlich bewirkt die sich zuspit­zende okonomische Krise eine unverkennbare Polarisierung zwischen jenen, die yom Re­gimewechsel bislang profitierten, und jenen, die sich zu den enttauschten Verlierem der okonomischen Umstrukturierung ziihlen.

Das diistere Bild verbreiteter Desillusionierung, Resignation und Apathie in den neuen Demokratien relativiert sich bei einer Gegeniiberstellung mit der Situation in gefestigten Traditionsdemokratien. Mit Ausnahme der Schweizer Demokratie, die sich mentalitats­miiJ3ig sehr weit dem Typus einer aktiven Biirgerdemokratie anniihert, entspricht die Ver­teilung staatsbiirgerlicher Orientierungen weitgehend den einschlagigen Werten fUr Oster­reich bzw. die Bundesrepublik Deutschland. Aktive staatsbiirgerliche Orientierungen und ausgepragtes politisches EffektivitatsbewuBtsein beschriinken sich in neuen wie ver­gleichsweise etablierten Demokratien auf einen iiberschaubaren Prozentsatz artikulations­und handlungsstarker Personen.

Ablehnung in % Sehweiz BRD Osterreieh CSFR Ungam Polen

Leute wie ieh haben kei-nen Einflu6 darauf, was 46 32 24 21 19 II die Regierung tut

Die Politiker kiimmem sieh nieht viel darum, was 42 27 26 26 28 15 die Leute wie ieh denken

Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wahler, 38 24 26 34 31 21 ihre Ansiehten interes-sieren sie nieht

Manehmal ist die Politik so kompliziert, daB Leute 32 31 30 16 25 16 wie ieh kaum noch verste-hen kiinnen, was vorgeht

Tab. 8: Politisches Effektivitiitsbewu6tsein im Vergleieh QueUe: Plasser/UJram (1991), Demokratie- und Parlamentsverstandnis in Ost-Mitteleuropa (1991)

Grundsatzlich sprechen sich in Polen, Ungaro und der CSFR (in letzterer mit steigender Tendenz) groBe Mehrheiten fUr die Uberlegenheit der Demokratie gegeniiber einer autori­wen Systemaltemative aus; eine Priiferenz fUr eine Diktatur auBem jeweils nur kleine Gruppen; wobei die entsprechenden Prozentsiitze zwar iiber jenen in Osterreich und (der Bundesrepublik) Deutschland, aber in der Gr0J3enordnung jener der postautoriwen De­mokratien Lateineuropas liegen.

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216 Ulram: Politische Kultur

in% CSFR Ungaro Polen Osterr. BRD ltalien Spanien 90 91 91 91 89 89'1"" 85 85

Die Demokratie ist auf jeden Fall besser als eine Diktatur "') 69 74 69 60 91 90 70 70

Unter bestimmten Umstinden kann eine Diktatur besser sein 9 8 9 14 5 6 13 10 als eine Demokratie

Fur Leute wie mich macht es keinen Unterschied, ob sie in 14 12 18 23 3 3 10 9 einer Demokratie oder in einer Diktatur leben

"') ltalien/Spanien: "Die Demokratie ist jedem anderen Regime vorzuziehen. " "'''') Alte Bundesliinder

Tab. 9: Prinzipielle Einstellung zur Demokratie im Vergleich QueUe: Plasser/Ulram (1991), Demokratie- und Parlamentsverstindnis in Ost-Mitteleuropa (1991)

in % befiirworten ein CSFR Ungaro Polen Osterreich BRD ltalien Ein-Parteien-System

friihe 50er Jahre '" 21 '" spite 50er Jahre 16 12 ... 60er Jahre ... 9 ... 70er Jahre II 8 ... 1991 (Italien: 1985) 9 18 19 5 '" 6

Tab. 10: Priferenz fiir ein Ein-Parteien- vs. Mehr-Parteien-System im Vergleich Quelle: Plasser/Ulram (1991), Demokratie- und Parlamentsverstiindnis in Ost-Mitteleuropa (1991)

Die neue demokratische Ordnung wird zwar nur von einer kleinen Minderheit offen abge­lehnt, mentale Vorbehalte sind jedoch (wie in Deutschland und Osterreich in der unmit­telbaren Nachkriegszeit) bei groBen Bev61kerungsgruppen nachweisbar.

3 Voraussetzungen fur die Etablierung von Demokratie

Die Entwicklung einer belastbaren und dauerhaften demokratischen politischen Kultur durfte jedoch auf einer Reihe von Voraussetzungen basieren, deren Existenz heute noch nicht als selbstversilindlich angenommen werden kann. Dazu zahlen - ohne hier den An­spruch auf Vollsilindigkeit erheben zu wollen - insbesondere:

- Bine auch fUr den einzelnen Burger konkret wahrnehmbare Verbesserung der wirt­schaftlichen Situation in absehbarer Zeit. Gerade die Erfahrungen mit dem demokrati­schen (Wieder-)Aufbau der postautoritiiren Systeme (West-)Deutschlands, Osterreichs und Italiens haben gezeigt, daB es zumindest in der Anfangsphase einen Zusammen-

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Ulram: Politische Kultur 217

hang zwischen wirtschaftlichem und sozial(staatlich)em Fortschritt und der Stabilisie­rung demokratischer Verhiiltnisse gibt. Erst ab einer liingeren Erfolgsphase beginnen sich die Bereiche voneinander zu entkoppeln, erscheint demokratische Systemstabilitat auch ~ okonomischer und sozialer RiickschUige gewahrleistet: 1m Unterschied zu den alten postautoritaren Demokratien Europas wird die Situation in den neuen ost­mitteleuropaischen Demokratien dadurch erschwert, daB die betroffenen Menschen nicht nur permanent mit einer prosperierenden Nachbarschaft konfrontiert sind, son­dem auch die bisherigen wirtschaftlichen Wiederautbauhilfen des "reichen" Westens (mit Ausnahme des innerdeutschen Mitteltransfers) jenen Umfang und Weitblick ver­missen lassen, wie er flir die Marshall-Plan-Programme in Westeuropa charakteristisch war.

- Eine auch mentale Neuorientierun~ jedenfalls der jungen Generation weg von der jahr­zehntelangen Giingelung und gleichzeitig protektiven Umarmung durch eine allzustiin­dige staatliche Obrigkeit. Das betrifft sowohl die wirtschaftsbezogenen Orientierungen als auch das grundsatzliche Verhiiltnis zwischen Biirger und Staat (civic competence). Die "Civil Society" Osteuropas war im wesentlichen ein Riickzugsbereich wie Alterna­tivmodell zum kommunistischen System, zur offiziellen politisch-Offentlichen Sphare von Staat und Einheitspartei - eine "Ghetto"-politische Kultur, deren pragende Erfah­rungen in mancherlei Weise den Funktionsbedingungen liberal-demokratischer Syste­me nicht entsprechen.

- Die Herausbildung und Etablierung einer verantwortun~sbewuBten politischen und so­ziOOkonomischen Elite, die sich nicht nur rhetorisch zu den demokratischen Spielre­geln bekennt, sondem auch im faktischen Umgang mit den politischen Gegenspielem wie beim Autbau politi scher Institutionen ein geriittelt MaB an Konsensfahi~keit und RealiWssinn entwickelt. Geht man davon aus, daB politisch-kulturelle Orientierungen am ehesten in und im Gefolge von Umbruchphasen form- und beeinfluBbar sind, so wird die Bedeutung und Verantwortung der neuen Fiihrungsschichten besonders au­genscheinlich: "civic virtues" sind somit nicht nur bei den Biirgem, sondem gerade auch bei den Angehorigen der politischen Elite gefragt.

Anmerkungen

[1] Die Feldarbeit wurde von der GtK-Gruppe bei jeweils n = 2000 reprisentativ ausgewihlten Befragten in Polen. Ungarn und der CSFR im Sommer 1991 durcbgefiihrt; eine ausfiihrliebe Darstellung der Er­gebnisse ebenso wie Analysen aus der Siebt von Sozialwissenscbaftlern aus den betroffenen Lindern findet sieh bei Gerlieh/Plasser/Uiram (1992). Zum Begriff der politischen Kultur und seine Bedeutung in politiscben Transfonnationspbasen siebe AlmondNerba (1989 a.b). Plasser/Uiram (1991). Hun­tington (1991). Przeworski (1991). Szoboszlai (1991) sowie kritiscb Di Palma (1990). Fiir die Ge­scbiebte des Umbruebs. die bier nur andeutungsweise gestreift wird. siehe Asb (1990). Banac (1992) und Rupnik (1989).

[2] Fiir eine detaillierte Analyse der Situation in Polen siebe Asb (1991). Krol (1991). Szacki (1992). Do­ebenskalBronowieka/Szmajka (1992). in Ungarn IlonszkilKurtan (1992). in der CSFR Brold/Mansfel­dova (1992).

[3] Einen Uberbliek iiber die sieb neu entwiekelnden Parteiensysteme bieten BerglundlDellenbrant (1991) und Mangott (1992); fiir linderspezifiscbe Ergebnisse siebe Blahoz (1992). Kurtan (1992). Szajkowski (1992) und Winter (1992).

[4] Unteracbiedliebe Zuginge zur wirtscbaftliehen Situation und deren Entwieldungstendenzen bieten Ro­se/Haerpfer (1992) und Stankovsky (1992).

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218 Ulram: Politische Kultur

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Page 221: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Gal: Direktinvestitionen 221

Lage und Analyse der ausUindischen Direktinvestitionen in Ungarn und die Folgen ffir den Technologie-Transfer

von

Assoc. Prof. Peter Gal Wirtschaftsuniversitat Budapest

1 Lage und Analyse der ausliindischen Direktinvestitionen in Ungaro und die Fol­gen fiir den Technologie-Transfer

2 Charakteristika der Direktinvestitionen in Ungaro

3 Anreizfaktoren der auslandischen Direktinvestitionen und Lage der ungarischen Wirtschaft

Page 222: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

222 Gal: Direktinvestitionen

1 Lage und Analyse der ausHindischen Direktinvestitionen in Ungaro und die Folgen fUr den Technologie-Transfer

Bestimmende Faktoren der intemationalen Wirtschaftsbeziehungen der heutigen Weltwirt­schaft sind die ausUindischen Direktinvestitionen. Wlihrend in den 50er und 60er Jahren die Ausbreitung des Welthandels die wirtschaftliche Entwicklung am meisten anspomte, iibt diese Wirkung heute der Strom der direkten Kapitalanlagen aus. Das Zuwachstempo dessen iibertrifft mehrfach das des GDP, sowie das der Entfaltung des Welthandels. Urn dies zu veranschaulichen: 1970 betrug er 12,1 Milliarden US$, 1989 belief sich der Wert auf 197,9 Milliarden US$. Innerhalb von zwei Jahrzehnten wuchs also das im Ausland jlihrlich angelegte Kapital urn das Achtzehnfache. Schatzungen zufolge sind fast 80 % der Direktinvestitionen Ergebnis der Tatigkeit transnationaler Untemehmen. Ein Gro6teil der heutigen intemationalen Arbeitsteilung realisiert sich in der Form, daB sie intemationale Beziehungen innerhalb einer bestimmten Firma bedeutet.

Heute stellen die 500 gro6ten transnationalen Firmen mehr als ein Drittel der Industrie­produktion der OECD-Uinder her (Anfang der siebziger Jahre erreichte dieser Anteil blo6 ein Viertel); mehr als die HaIfte des Au6enhandels derselben Lander wickeln diese Firmen ab - einen bedeutenden Teil davon durch den Warenverkehr zwischen den Fir­menvertretungen in verschiedenen Landem.

Au6er der Entwicklung des Transports, der Nachrichteniibermittlung usw. wurde dies auch dadurch moglich, daB nach dem Zweiten Weltkrieg unter den industriell entwickel­ten Landem sich ein relativ freier Waren- und Kapitalstrom und zugleich die relativ gro6e HomogeniW der Tatigkeit und Struktur der Markte realisierte. Mangels dieser techni­schen und intemationalen wirtschaftspolitischen Faktoren ist die Herausbildung transna­tionaler Untemehmen nicht moglich.

In der heutigen Weltwirtschaft werden infolge der technologischen Entwicklung, der stets steigenden Marktanforderungen und des au6erst harten Kostenwettbewerbs im Interesse der erfolgreichen Bewirtschaftung nicht nur die klassischen Gro6untemehmen und Mono­pole transnational, sondem immer mehr auch mittelgro6e, ja sogar Kleinuntemehmen.

Die Weltwirtschaft wandelte sich also in den vergangenen Jahrzehnten praktisch zu einem System, das auf dem Kapitalstrom basiert. Innerhalb dessen ist der Strom des Aktivkapi­tals jenes Element, das durch die direkte Verflechtung der Firmeninteressen und die Ent­faltung der trans- und multinationalen Firmen zwischen den einzelnen nationalen Wirt­schaften den erfolgreichen Strom der Produktionselemente sichert und zum Teil als Folge dessen die intemationalen Handelsbeziehungen und den technologischen Transfer be­wirkt.

Die in den siebziger Jahren angefangene neue Phase der technischen Entwicklung steht mit dem Proze6 der Transnationalisierung in enger Wechselwirkung und was den techno­logischen Transfer betrifft, mit der intemationalen Direktinvestition. Die Rolle der An­wendung neuer Technologien und der High-Tech-Produkte, die eine intensive Forschung und Entwicklung benotigen, ist au6erordentlich gewachsen. Einerseits, was die erfolgrei­che Bewirtschaftung der Untemehmen anbelangt, andererseits beziiglich der Moglichkei­ten, den Markt zu erweitem und in ihm bestehen zu konnen.

Page 223: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Gat: Direktinvestitionen 223

Die Wirkung der technologischen Entwicklung ist im Welthandel starker zu spiiren. Der Anteil der High-Tech-Produkte nimmt stiindig zu, die Nachfrage nach diesen Produkten auf dem Weltmarkt ist stabiler, weniger von den konjunkturellen Wirkungen abhiingig, als im Falle von Produkten mit kommerzieller Technologie oder der nicht gefragten Pro­dukte. Die bestimmende Rolle der technologischen Entwicklung in der intemationalen Konkurrenzfahigkeit der Untemehmen hat sich also verstarkt.

Die Anpassung an die technologische Entwicklung, die Innovationsfahigkeit und die Moglichkeiten der Einfiihrung neuer Technologien in die Massenproduktion differenzie­ren eindeutig die einzelnen Untemehmen in der Weltwirtschaft. Parallel dazu werden die neuen technologischen Kenntnisse auf Firmenebene immer mehr geschiitzt, immer weni­ger zugiinglich, die modemste Spitzentechnik konzentriert sich auf einen relativ engen Firmenkreis.

Die wichtigste Moglichkeit des technischen Imports liegt nunmehr nicht im Warenhandel, und besonders nicht im Kauf von Lizenzen und Know-How, sondem in der Nutzung des intemationalen direkten Kapitalstromes. Die immer starkere Firmen-Monopolisierung der technologischen Entwicklung fiihrt in jenen Liindem, die sich innerhalb der intemationa­len Wirtschaftsbeziehungen organisch an das System der direkten Kapitalanlage ankniip­fen, zum stufenweisen Ausgleich des technologischen Niveauunterschiedes (natiirlich im Rahmen des jeweiligen Firmensystems, doch sind die Folge- und Anreizwirkungen giin­stig bzw. zwingen sie durch die Verschiirfung des Wettbewerbs die Untemehmen des Empfangslandes zur Entwicklung).

Es besteht zwischen der technologischen Entwicklung und den einzelnen Nationalwirt­schaften, der strukturellen Anpassung der Firmen eine enge Beziehung. Da in der Welt­wirtschaft der Strom der Technologien und der direkte Kapitalstrom ein immer starker verflochtenes System bilden, spielen die ausliindischen Direktinvestitionen in der wirksa­men strukturellen Anpassung der einzelnen Firmen eine immer grOfiere Rolle. In dieser Hinsicht ist vor allem die Bedeutung der transnationalen Firmen hervorzuheben, deren Firmengriindungen im Ausland die eindrucksvollsten Resultate bringen, weil sie infolge ihrer Kapitalstarke und der Ausma6e der Investitionen in der Produkt-, Beschaftigungs­und Exportstruktur des Empfangslandes bedeutende Anderungen verursachen konnen.

Andererseits haben die intemationalen Verflechtungen der Klein- und mittelgroBen Fir­men und deren ausliindische Investitionen gerade wegen der Flexibilitat giinstige Folgen. Es ist also kein Zufall, daB sich in letzter Zeit der Wettbewerb um ausliindische Direktin­vestitionen unter den Empfangsliindem immer mehr verschiirfte. In den industriell ent­wickelten Liindem ist das Anlocken von ausliindischen Investoren und transnationalen Firmen mit wirtschaftspolitischen Mitteln von besonderer Bedeutung (z.B. in Osterreich, Irland, Canada). Ein ebenfalls wichtiger wirtschaftspolitischer Trend zeichnet sich in der Intemationalisierung der nationalen Untemehmen sowie in dem Anreiz zu verschiedenen Fusionen ab - so z.B. in der Europiiischen Gemeinschaft.

Ein bedeutender Wandel in den Charakteristika des intemationalen direkten Kapitalex­ports ist die Tatsache, daB sich sowohl in den industriell entwickelten als auch in den Ent­wicklungsliindem die nationale wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Beurteilung der ausliindischen Kapitalanleger und der transnationalen Untemehmen geiindert hat. Anstatt der sich gegen die transnationalen Firmen richtenden Tendenz der sechziger Jahre, als die

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224 Gal: Direktinvestitionen

meisten nationalen Wirtschaften ihr nationales Kapital schiitzen wollten, versucht ein GroBteil der Staaten heute seinen Markt mit den verschiedensten wirtschaftspolitischen Mitteln attraktiv zu gestalten, damit das auslandische Kapital hier angelegt wird.

In den Empfangslandern der auslandischen Direktinvestitionen zeichnen sich die Vorteile der Anlagen in verschiedenen allgemeinen und konkreten Ergebnissen ab, darunter eini­gen ausgesprochen makrookonomischen, aber auch solchen, die auf das Budget eine posi­tive Wirkung ausiiben - somit kompensieren sie bereits mittelfristig mehrfach die Kosten der den auslandischen Investoren indirekt oder direkt gewiihrten Unterstiitzungen. Zusam­menfassend konnen die positiven Auswirkungen der auslandischen Investitionen folgen­dermaBen bezeichnet werden (im allgemeinen erwarten auch die entwickelten Industrie­lander die Erfiillung einiger dieser):

- Die Entwicklung der internationalen Wettbewerbsfahigkeit der Wirtschaft infolge der sich durch die auslandischen Investitionen verscharfenden Wettbewerbssituation.

- Zuwachs der Beschaftigungszahl in der Wirtschaft.

- Erhohung des Produktionsniveaus und der technischen Leistungsfahigkeit. 1m allge-meinen iibertrifft das Produktionsniveau bei den groBen transnationalen Firmen wegen der entwickelten Produktstruktur und dem hoheren technologischen Stand dasjenige des Empfangerlandes - auch dies spornt zum Wettbewerb und zur Anpassung an. An­dererseits ist besonders bei den transnationalen Unternehmen die Forschungs- und Ent­wicklungstiitigkeit viel intensiver, als bei den iibrigen Firmen, und dies wird bei den Tochtergesellschaften immer deutlicher sichtbar. Je scharfer der Wettbewerb der ein­heimischen und sonstigen Firmen im Empfangsland ist, desto groBer ist die Bedeutung der Forschungs- und Entwicklungstiitigkeit der auslandischen Direktinvestitionen.

- Exporterweiterung. Die auslandischen Direktinvestitionen erhohen von vornherein den AuBenhandelsverkehr des Empfangslandes. Dies ist nicht nur beim Import von Tech­nologie und Investitionsmitteln bei der Griindung und eventuell auch spater zu beob­achten: der Export dieser bestimmten Firmen ist im VerhaItnis zu ihrem Verkehr im allgemeinen bedeutend. Bei den transnationalen Unternehmen ist diese Tendenz noch deutlicher. In dieser Situation - in der sich einerseits das Angebot des direkten Kapital­exports entfaltete, andererseits sich aber auch der Kreis der giinstigen Investitionsmog­lichkeiten erweiterte - entscheiden die auslandischen Anleger meist aufgrund folgender Gesichtspunkte iiber die Investitionen, erwagen bei der Wahl des Investitionslandes folgende Vorteile:

- Moglichkeiten zur Markterweiterung und U msatzsteigerung als Ergebnis der auslandi­schen Investition. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, daB in dieser Hinsicht die aus dem Empfangsland giinstig erreichbaren neuen Markte oder Umsatzsteigerungen zu verstehen sind. Also sind der im Empfangsland erreichbare Zuwachs des Verkaufs und die von hier durch wirksamen Export realisierbare Markterweiterung gleichermaBen wichtig.

- Die komplex interpretierten Vorteile an Kosten. Darunter miissen die in den Lohnko­sten bestehenden Vorteile erwiihnt werden. Die Bedeutung dessen vermindert sich rela­tiv im Falle von Technik-intensiven Produkten, und falIt bei der Wahl des Landes flir die auslandische Investition nur dann ins Gewicht, wenn man unter Llindern zu ent­scheiden hat, die sonst im groBen und ganzen gleiche Bedingungen bieten.

Page 225: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Gat: Direktinvestitionen 225

Die Lander Ost- und Mitteleuropas sind aus diesem bestimmenden ProzeB der Weltwirt­schaft herausgeblieben. Einerseits wegen ihrer inneren wirtschaftlichen Verhiiltnisse - das von dem der entwickelten Industrieliinder abweichende Wirtschaftssystem -, andererseits wegen der Abgesondertheit ihrer Beziehungen zur AuBenwirtschaft. AuBer dem Waren­verkehr schlossen sie praktisch aIle sonstigen Moglichkeiten der internationaIen Arbeits­teilung aus, darunter auch die ausliindischen Direktinvestitionen. Ungarn fiihrt gegeniiber den anderen einstigen soziaIistischen Landern bereits seit langem eine liberalere Wirt­schaftspolitik, eine offenere AuBenwirtschaftspolitik. Ein Zeichen dessen war auch, daB Ungarn ab 1972 - gerade 20 Jahre her - aIs erster Staat Osteuropas den Import von Di­rektkapital ermoglichte, obwohl am Anfang noch in begrenzter Weise, in Form von Joint Ventures mit ungarischer Majoritiit. Da wooer die juristischen Bedingungen und die in­liindischen Wirtschaftsverhiiltnisse, noch der Mechanismus des ungarischen AuBenhandels (COMECON, eingeschriinkte Devisenbewirtschaftung, strenges System der Importzulas­sungen usw.) die Investitionen der Auslander in Ungarn anspornten, wurden zwischen 1972 und 1984 bloB 30 Firmen mit ausliindischer Beteiligung gegriindet, die praktisch nur die Rolle von Vertretungen spielten. (Unter den ersten Unternehmen mit ausliindi­scher Beteiligung griindete man die ungarische Tochtergesellschaft von SIEMENS.)

Die grOBten Probleme der heutigen ungarischen Wirtschaft sind bekannt. Einerseits ste­hen sie im Zusammenhang mit der LOsung der Aufgaben beziiglich einer Wandlung des wirtschaftlichen Institutionssystems, totaler Umstrukturierung der Eigentumsverhiiltnisse und der Wirtschaft, der Offnung in Richtung Weltwirtschaft und der Integration. Ande­rerseits sind sie Folgen des technologischen und strukturellen Riickstands, der geringen strukturellen Anpassungsfahigkeit der Unternehmen, der niOOrigen Produktivitiit, des Ka­pitalmangels, der Verschuldung usw. Obwohl in Ungarn die institutionellen und rechtli­chen Bedingungen auf nationaler und internationaIer Ebene infolge der friiheren Reform­prozesse aus vieler Hinsicht giinstiger sind, als in den iibrigen Landern Ost- und Mitteleu­ropas, ist auch hier eine grundsatzliche Transformation erforderlich. Internationale Erfah­rungen zeigen, daB der radikale Zuwachs der ausliindischen Direktinvestitionen zur LO­sung der hier aufgezahlten Probleme und zur Realisierung der Transformation in Ungarn in bOOeutendem MaBe beitragen konnen. Ein Charakteristikum aller, sich in den vergan­genen Jahrzehnten den entwickelten Landern anschlieBenden "Erfolgswirtschaften" ist, daB die rasche wirtschaftliche Entwicklung mit dem schnellen Zuwachs der Investitionen ausliindischer, zum Teil transnationaler Firmen einherging. (Selbstverstiindlich gibt es da­mr nicht nur positive Beispiele, hat sie ja auch bestimmte ungiinstige Folgen; die Damp­fung dieser ist auch Aufgabe der Wirtschaftspolitik, urn den tragischen sozialen Fiillen ei­niger lateinamerikanischer oder fernostlicher Uinder vorzubeugen.)

Anders formuliert konnen die ausliindischen Direktinvestitionen den internationalen Er­fahrungen nach der ungarischen Wirtschaft bei der LOsung einiger grundsatzlicher Pro­bleme helfen - Exportanreiz, ErhOhung des technologischen Niveaus, Ausbildung einer auf die Unternehmungen orientierten wirtschaftlichen Anschauung, strukturelle Wandlun­gen usw. Ein bOOeutender Boom der ausliindischen Investition in Ungarn ware auch ein Zeichen damr, daB die Anpassung der ungarischen Wirtschaft an die Weltwirtschaft wirk­lich im Gange ist und sie sich an das allgemeine Wirtschaftsmodell der Marktwirtschaften annahert. Es muB ja beriicksichtigt werden, daB der ausliindische Kapitalanleger seine hiesigen Moglichkeiten nicht mit der Lage der Unternehmer und den Verhiiltnissen im Empfangsland - Ungarn - vergleicht, sondern mit den Investitionsmoglichkeiten anderer Lander. Dies ist besonders bei ausliindischen Investitionen transnationaler Firmen der

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226 Gal: Direktinvestitionen

Fall, die bedeutende technologische Entwicklung, Exporterweiterung und wesentlichen Strukturenwandel ermoglichen.

In Ungarn nimmt die Zahl der ausHindischen Direktinvestitionen rapide zu. Vor allem seit 1989, als das neue Gesetz iiber die ungarischen Investitionen der Auslander in Kraft trat. Zur Zeit (September 1992) sind in Ungarn bereits 13.370 eingetragene Firmen mit aus­landischer Kapitalbeteiligung tatig. Wiihrend aber die Zahl der auslandischen Investitio­nen rapide steigt, ist die auf ein Unternehmen fallende durchschnittliche Kapitalhohe und der auslandische Kapitalanteil sehr gering. Obwohl 1991-1992 einige GroBinvestitionen die durchschnittlichen statistischen Werte in dieser Hinsicht verbesserten, betragt die Hohe des auslandischen Kapitals auf ein Unternehmen berechnet nur 300.000 USD.

1m Herbst 1992 waren in den fast 14.000 Unternehmen mit auslandischer Beteiligung ins­gesamt 4.000.000.000 USD investiert. 1 Ein GroBteil davon gelangte jedoch nicht als ma­terieller Apport ins Land. Das durch das Bankensystem eintreffende auslandische Direkt­kapital belief sich Mitte des Jahres auf 2,7 Milliarden Dollar.2 Wenn wir vor Augen hal­ten, daB den Schatzungen zufolge in den Wirtschaften der mittel- und osteuropaischen Uinder bis zu diesem Zeitraum ca. 7 Milliarden Dollar auslandischer Direktinvestitionen realisiert wurden, ist der Anteil des Kapitalimports Ungarns imponierend. Das Bild ist aber gar nicht so giinstig, wenn wir die auslandischen Investitionen in den Wirtschaften priifen, die geographisch oder den Entwicklungsstand betreffend mit Ungarn verglichen werden konnen (so z.B. Osterreich, bzw. Spanien, Portugal); oder wenn wir die Direkt­investitionen in Ungarn nach Tatigkeitsbereichen oder deren Struktur je nach Kapitalhohe untersuchen.

Zugleich verscharfte sich der Wettbewerb unter den einstigen sozialistischen Staaten urn die Investitionen ausiandischer Firmen. Immer attraktivere Ziellander der Kapitalaniagen dieser Region sind auBer Ungarn vor allem die Tschechische und Slovakische Republik, Polen und Rufiland. Die Daten des Jahres 1992 zeigen, daB Ungarn seine aus den friihe­ren Reformen stammenden diesbeziiglichen speziellen Vorziige in gewissem MaBe verlor, und bei den Investitionen bereits die wirklichen wirtschaftlichen Gesichtspunkte der vier Uinder entscheiden. Den Daten der Financial Times zufoige stromte im ersten Halbjahr 1992 Kapital in der Hohe von 952 Millionen US-$ in die Tschechische und Slovakische Republik, 732 Millionen US-$ nach Rufiland, 532 Millionen US-$ nach Ungarn und 512 Millionen US-$ nach Polen zwecks Direktinvestition. Es ist auch ersichtlich, daB sich zur Zeit 80 % der Kapitalinvestitionen auf die industriell entwickelten Lander konzentrieren; die Wirtschaften Mittel-Ost-Europas konnen nur 0,4 % des Direktkapitalstroms an sich ziehen.

2 Charakteristika der Direktinvestitionen in Ungaro

(1) Die hinsichtlich des Herkunftslandes aufgestellte Gliederung der in Ungarn entstande­nen Firmen mit auslandischer Beteiligung weicht von den sonstigen wirtschaftlichen Be­ziehungen etwas ab, so vor allem von den Interessenverflechtungen im AuBenhandel. Wahrend im Warenverkehr die Kontakte mit den EG-Uindern am intensivsten sind - fast die Halfte des ungarischen AuBenhandeis wird mit diesen Landern abgewickelt -, stammt mehr als ein Drittel der ausiandischen Investitionen aus den Vereinigten Staaten, nur ein Achtel des in Ungarn angelegten Kapitals ist deutscher Herkunft. Der Anteil des in Un-

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Gal: Direktinvestitionen 227

garo investierten osterreichischen Kapitals erreicht fast dieselbe Hohe. Die mehr als 2000 ungarischen Firmen mit deutscher Beteiligung haben unter dem Durchschnitt liegende In­vestitionen durchgefiihrt, die geringer waren, als bei amerikanischen Firmen, ahnlich wie die osterreichischen Unternehmer. Der Grund dessen kann es auch sein, daB die deut­schen und osterreichischen Firmen in Ungaro mit einem anderen Ziel investieren, als die aus Ubersee. Man kann die Folgerung ziehen, daB sie vor allem ihre Position auf dem ungarischen inneren Markt aufrechterhalten bzw. erweitern mOchten und nicht daran inte­ressiert sind, durch die Produktion in Ungaro neue Markte zu erschlieBen. Andererseits wollen sie durch ihre Investitionen ihre speziellen komparativen Vorteile nutzen. Da der deutsche Export nach Ungaro bereits friiher bedeutend war, steht es nicht in ihrem Inter­esse, zur Herstellung jener Produkte, bei denen sie bereits stabile Marktpositionen besit­zen, gemischte Unternehmen oder eigene Kapazitiiten auszubilden. Auf diesem Gebiet er­folgten eher Firmengriindungen zur Sicherung der Marktprasenz, zur Vertretung und Re­paratur oder Investitionen fiir geringe Produktionskapazitiiten. Infolge des sen ist der An­teil der in Ungaro gegriindeten deutschen und osterreichischen Unternehmen hinsichtlich ihrer Zahl viel gr0J3er (etwa 1/5 bis 1/6), als die Kapitalanlage betreffend.

AuBerdem ist auch jene Tatsache kennzeichnend, daB deutsche Firmen an der Privatisie­rung so1cher Unternehmen teilnehmen, mit denen sie friiher bedeutende Handelsbeziehun­gen hatten, und sie die Aufrechterhaltung dieser in der Weise oder durch die Kapitalbetei­ligung an Produktionsfirmen sichern wollen.

Bei den amerikanischen Firmen hingegen erfolgt die Investition in Ungaro gemaJ3 des Kriteriumsystems des allgemeinen Entscheidungsmechanismus. Ihr Anteil am ungarischen Markt ist sehr gering. Sie erwarten von den Investitionen, daB sie dadurch in den euro­paischen, aber mindestens den ost-mittel-europaischen Markt eindringen konnen; selbst­verstiindlich unter Beriicksichtigung der gegebenen - und zu erwartenden - komparativen Vorteile. Deswegen steht bei den amerikanischen Investoren die Griindung neuer Firmen, die Entwicklung von Produktionskapazitiiten verhhltnismaJ3ig im Vordergrund; wahrend­dessen rufen die deutschen Firmen lieber joint ventures mit bereits funktionierenden un­garischen Unternehmen ins Leben oder beteiligen sich an der Tatigkeit dieser.

(2) Die Branchenstruktur der in Ungaro mit auslandischer Kapitalbeteiligung gegriindeten Firmen betreffend ist festzustellen, daB sie zum GroBteil im Dienstleistungssektor bzw. im Handel tiitig sind. 1991 arbeiteten mehr als zwei Drittel aller joint ventures bzw. aus­landischen Firmen in Ungarn auf diesem Gebiet und die Hhlfte des investierten Kapitals konzentrierte sich auch darauf. Ende 1991 gestaltete sich die Gliederung der Gesellschaf­ten mit auslandischer Beteiligung folgendermaBen:

Anteil der Zahl Anteil des aus-der Unternehmen (%) Hindischen Kapitals (%)

Industrie 24 57 Binnenhandel 32 13 AuBenhandel 15 3 Bauwesen 9 6 Sonstiges 20 21

Quelle: Zentralamt fiir Statistik

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228 Gli1: Direktinvestitionen

Dies ist an und fUr sich nicht schlecht, ja sogar eindeutig positiv in der Hinsicht, daB sie die Entwicklung der mangelhaften Dienstleistungen in Ungam fOrdert und fUr die auf iihnlichen Gebieten tiitigen ungarischen Firmen eine Konkurrenz bedeutet. Leider wurden aber auf dem Gebiet der stark technologieintensiven und zugleich kapitalbediirftigen Dienstleistungen, wie z.B. Post, Nachrichteniibermittlung - wo lange Zeit hindurch staat­liches Monopol herrschte -, nur wenige auslandische Investitionen geringen Umfangs rea­lisiert.

(3) Nur ein relativ kleiner Teil, die Hiilfte der auslandischen Investitionen in Ungam, zahlenmii6ig weniger als ein Viertel, betrifft die Industrie. 1m internationalen Vergleich ist dies nicht wenig, aber wenn wir die heutigen ungarischen Umstfulde sowie die im all­gemeinen sehr geringe Kapazitiit der Investitionen in Betracht ziehen, konnen diese keine radikale technologische und strukturelle Wirkung ausiiben. Die Investitionen in der Indu­strie konnen in zwei Gruppen geteilt werden. Zur ersten gehOren die wenigen GroBinve­stitionen, die unter den ungarischen Verhiiltnissen sehr bedeutende Kapitalanlage verkor­pern, die technologische Entwicklung fordern und Arbeitspllitze schaffen. Die Mehrheit dieser wurde in der Kraftwagenindustrie realisiert (GM, Ford, Suzuki). 1m internationa­len Vergleich stellen sie kleine Serien her und wurden mit "geringem" Kapital gegriindet. Sie basieren vor allem auf den Vorteilen der Lohnkosten und dem einheimischen Markt; das Grundkapital betrug 150-200 Millionen USD pro Unternehmen.

AuBer diesen GroBinvestitionen wurde auch in der Industrie Kapital zur Herstellung von Produkten mit niedriger oder mittlerer Technologieintensitiit angelegt, vor allem in der Leicht-, Bekleidungs-, Bettwlische-, Lebensmittelindustrie, im Bauwesen usw. (35 % des in die Industrie investierten auslandischen Kapitals konzentriert sich auf die Maschinen­und Fahrzeugindustrie, 28 % auf die Lebensmittelindustrie und 13 % auf die Leichtindu­strie).

Ein GroBteil dieser Produkte hat auf dem heimischen Markt keine Konkurrenz - zumin­dest nicht von soIchem Niveau -, oder gilt in Ungam als Neuheit, weshalb sich die Nach­frage im Vergleich zu den allgemeinen Verhiiltnissen giinstig gestaltet; ihr Preis ver­spricht auf dem heimischen Markt gute wirtschaftliche Ergebnisse.

(4) Unter den auslandischen Unternehmen, die in Ungam zwecks Produktion investieren, befinden sich nur wenige transnationale Firmen (z.B. Nokia, General Electric, Henkel, GM, Ford), und nur einige dieser bauten eine bedeutende Produktionskapazitiit auf - vor allem auf den heimischen Verbrauchermarkt ausgelegt (z.B. Unterhaltungselektronik, Waschpulver, Kraftwagen). Au6erdem griindeten fast alle wichtigen transnationalen Fir­men eigene oder gemischte Unternehmen in Ungam, mit minimalem Grundkapital, prak­tisch nur urn die Marktprasenz und die Vertretung sichern zu konnen.

(5) Der GroBteil des direkten Kapitalexports wurde in der Form von gemischten Unter­nehmen, gemeinsam mit einer ungarischen Firma verwirklicht. Es gibt nur wenige Fir­men in auslandischem Eigentum, 13 % sind Unternehmen mit auslandischer Beteiligung und 13 % mit iiberwiegendem auslandischen Anteil. Diese sind im allgemeinen an die Gro6investition angekniipft. 1m Fall der gemischten Unternehmen ist die auslandische Be­teiligung gering, etwa zwei Drittel kamen mit ungarischer Majoritiit zustande. Der Anteil des auslandischen Kapitals am Grundvermogen gemischter Unternehmen betrligt insge­samt 40 %. Dies steht im Gegensatz zu den Tendenzen der Weltwirtschaft. Unter den

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Gal: Direktinvestitionen 229

Grunden spielen die Angst vor dem Risiko, der Mangel an Anreizfaktoren fUr den Kapi­talimport sowie wahrscheinlich jenes Element der ungarischen Regelung eine Rolle, laut dessen sie den ausllindischen Investitionen gebotene, praktisch einzige spezielle Unterstiit­zung, die Steuerbegiinstigung, auch Unternehmen mit geringer ausllindischer Beteiligung, fruher 20 %, zur Zeit 30 %, zusteht.

(6) In der Weltwirtschaft entstand zwischen dem Kapitalverkehr und dem Technologie­verkehr ein enger Kontakt, was auch in Ungarn selbstverstlindlich ist. Boshaft formuliert konnten wir sagen, erstere ist - auf ein Unternehmen gerechnet - sehr niedrig, letztere auch gering. Dies entspricht aber so nicht ganz der Wahrheit, denn die Firmen mit aus­lli.ndischer Beteiligung iiben in Anbetracht der ungarischen Wirtschaftslage eine sehr giin­stige Wirkung aus. 1m internationalen Vergleich sind die positiven Wirkungen der ausllin­dischen Investitionen relativ klein, vor allem was den Beitrag zum konkreten Technolo­gie-Transfer und zum allgemeinen Strukturenwandel betrifft. Aus den strukturellen Cha­rakteristika der ausllindischen Direktinvestitionen, den Marktverhiiltnissen und der Zu­sammensetzung der Investoren folgt die Tatsache, daB die Firmen mit ausllindischer Be­teiligung in Ungarn trotz der Tendenzen der industriell entwickelten Lander praktisch kei­ne Forschungs- und Entwicklungstiitigkeit entfalten. Dies steht zum Teil im Zusammen­hang damit, daB:

- die hier hergestellten Produkte im allgemeinen keine tiefgehende Forschung erfordern.

- sich ihre Lebenskurve auf dem absteigenden Ast des Weltmarktes befindet.

- der technologische Transfer der ausllindischen Investoren grundsatzlich durch die Ein-fUhrung der Investitionsgiiter als Apport erfolgt.

- die Mehrheit der ausllindischen Investoren meistens auch soIehe Kleinunternehmen sind, die auch selbst keine Forschungs- und Entwicklungstiitigkeit ausiiben.

All diese relativ ungfinstigen Tendenzen im Vergleich zu den internationalen Erfahrungen hinsichtlich der technologischen Wirkung der ausllindischen Direktinvestitionen hlingen mit der heutigen inneren und internationalen Lage der ungarischen Wirtschaft zusammen. Die Anreizelemente fUr die ausllindischen Direktinvestitionen wurden nur in letzter Zeit ausgearbeitet, und mehrere wichtige indirekte und direkte Elemente sind entweder nur zum Teil oder gar nicht vorhanden. Zusammenfassend ist die Rolle der ausllindischen In­vestitionen in Ungarn eindeutig positiv, doch verglichen mit ihrer Rolle in den Landern mit entwickelter Marktwirtschaft kommen nur die anflinglichen Wirkungen zur Geltung.

3 Anreizfaktoren der ausUindischen Direktinvestitionen und Lage der ungarischen Wirtschaft

Vorteile aus den ausllindischen Direktinvestitionen und bedeutende Investitionen transna­tionaler Unternehmen sind nur dann zu erwarten, wenn im Empfangsland die Bedingun­gen zur Nutzung des aus den Investitionen zu erwartenden Gewinns gegeben sind. Bei der Entscheidung fiber die Investition der transnationalen Gesellschaften spielen im allgemei­nen folgende Gesichtspunkte eine Rolle:

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230 Gal: Direktinvestitionen

- Heutzutage ist die Markterweiterunl: ein bestimmender Faktor. Darunter ist nicht nur die Steigerung des Absatzes auf dem Markt des Empfangslandes, sondern auch der von dort realisierbare Export zu verstehen.

- Verschiedene Kostenvorteile. Die Wirkung der internationalen Lohnunterschiede ver­minderte sich im Falle von technologieintensiven Investitionen. Beim EntschluB fUr die Investition fallen sie nur dann ins Gewicht, wenn man unter Wirtschaften mit nahezu gleichen Bedingungen wattlen muB (ein gutes Beispiel dafUr ist die giinstige Lage Spa­niens).

Immer wichtiger werden aber die sonstigen Kosten, wie die wirtschaftspolitischen Ko­sten, Steuern, Zoll usw., Kosten des Kapitalmarkts, vor allem Zinsen und infrastruktu­relle Kosten.

- Von grundsatzlicher Bedeutung ist der Entwicklungsgrad der Infrastruktur im Emp­fangsland sowie die Struktur und Fachausbildung der Arbeitskriifte.

- Das Ziel der Markenverbreitung kann auch nicht auBer acht gelassen werden.

- Zuletzt sei noch einer der bestimmenden Faktoren der ausHindischen Direktinvestitio-nen erwatmt: im Empfangsland sollten im Grunde genom men gleiche wirtschaftliche und geschiiftliche Rahmenbedingungen zur Verfiigung stehen, wie im Herkunftsland. Die Bewirtschaftung der ausliindischen Beteiligung sollte in das allgemeine wirtschaft­liche und Entscheidungssystem eingefUgt werden konnen. Dieser Kreis umfaBt soIehe Faktoren - die der Investor in der Marktwirtschaft gewohnt ist - wie der freie Strom von Produktionsfaktoren, liberalisierter AuBenhandel, Transparenz und Stabilitiit der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, Konvertibilitiit, Stabilitiit und Ahnlichkeit des Rechtssystems.

Die heutige Lage der ungarischen Wirtschaft entspricht all diesen Erwartungen nur in ge­wisser Hinsicht und nur zum Teil. Zugleich gehen die nicht nur auf die Priisenz, sondern auf die Bewirtschaftung ausgerichteten ausliindischen Unternehmen von den internatio­nalen Wettbewerbsverhiiltnissen aus. GemiiB der Erhebung von Deloitte Touche Tohmat­su - eine der groBten BuchfUhrungs- und Beratungsfirmen der Welt - ist unter den Anreiz­faktoren fUr ausliindische Investitionen die Moglichkeit der Markterweiterung genauso von bestimmendem Charakter, wie beim Kapitalexport in andere Lander der Welt. Die­sen Faktor hielt man sowohl in der osteuropiiischen Region als auch in den entwickelten Landern zu 70 % wichtig, wiihrend die niedrigen Produktionskosten bei den Investitionen in einstigen sozialistischen Staaten bloB zu 18 % wichtig war. (Anderswo war ihre Rolle 10 %.) Natiirlich hindern die MaBe des ungarischen Marktes, die ungiinstige Konjunktur und die wesentlich hohere Inflationsrate als in den industriell entwickelten Landern die ausliindischen Investitionen. Die relativ hohe Inflation und der niedrige Stand der un­garischen heimischen Investitionen bremsen zusammen mit der fehlenden Konvertierbar­keit den Import von Direktkapital. Die Kreditzinsen liegen in Ungarn ja urn 15 - 30 % hoher als in Westeuropa oder in den USA. Dies verhindert praktisch die Finanzierung der ausliindischen Investitonen durch den ungarischen Geldmarkt bzw. erhOhen sich dadurch die ungarischen Produktionskosten.

Meiner Meinung nach ist es unentbehrlich, daB die ungarische Marktwirtschaft aufgrund iihnlicher Mechanismen und mit iihnlicher Wirtschaftspolitik funktioniert wie die der westeuropiiischen Under, denn nur das fUhrt zum weiteren rapiden Zuwachs der ausliin-

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Gal: Direktinvestitionen 231

dischen Investitionen und zur Herausbildung einer giinstigeren Struktur als die jetzige. Dies konnte die Grundlage un serer vollberechtigten Teilnahme an der westeuropiiischen Integration bilden, was auch die von Ungaro aus erreichbaren Markte attraktiver machen wiirde. So konnten unsere wirklich vorhandenen dynamischen und komparativen Vorteile den Kapitalimport anspomen.

Es miissen einheitliche und dauerhafte Regelungen fUr in- und ausllindische Investoren gesichert werden, und zwar in der Weise, daB sie sich den intemationalen Tendenzen ent­sprechend gestalten. (Z.B. beziiglich Steuerpolitik und Steuemiveau, Kurspolitik usw.) Zugleich ist ein wirklich effektiver Wertpapier- und Kreditmarkt notwendig. Dem An­schein nach benotigen all diese Faktoren die - zumindest teilweise - Konvertibilitiit des Forints, was einen organischen Bestandteil der Offenheit gegeniiber der Aufienwirtschaft, der intemationalen Kalkulationsmoglichkeit der Bewirtschaftung sowie der gewohnten wirtschaftlichen Bedingungen der ausUindischen Investoren verkorpert.

Natiirlich sind all dies auch Bedingungen zur Umgestaltung der ungarischen Untemeh­men. Ihre giinstige Wirkung hinsichtIich der ausllindischen Direktinvestitionen konnen sie auch nur im Fall einer allgemeinen Wettbewerbslage ausiiben, die innerhalb eines solchen ungarischen Marktes zustande kommt, der offen und organisch an die Weltwirtschaft an­kniipft.

Anmerkungen

[1] Figyel6, 15. OktobeT 1992.

[2] Monatsbericht deT Ungarischen Nationalbank, Juni 1992.

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WimmerlWesnitzer: Markteintrittsstrategien

Markteintrittsstrategien in Osteuropa: Die Perspektive der Konsumgiiterindustrie

von

Prof. Dr. Frank Wimmer I Dr. Markus Wesnitzer Lehrstuhl fUr Betriebswirtschaftslehre, insb. Absatzwirtschaft

Otto-Friedrich-Universitat Bamberg

1 ProblemsteUung

2 Empirische Untersuchung

3 Theoretischer Hintergrund zom internationalen Markteintritt

4 Ergebnisse zor Wahl der EintrittsCorm in osteuropaischen Markten 4.1 Zentrale Bestimmungsfaktoren der Eintrittsform

4.2 Untemehmensstrategische Bestimmungsfaktoren der Eintrittsform: Integration in Europastrategien und Risikostreuung

4.3 Uinderspezifische Analyse von Bestimmungsfaktoren der Eintrittsform: Sonderauswertung ehem. UdSSR

4.4 Moglicher Einflu6 untemehmensspezifischer Charakteristika auf die Eintrittsform

233

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234 Wimmer/Wesnitzer: Markteintrittsstrategien

1 Problemstellung

Wenn zu Beginn der 90er Jahre im Rahmen der allgemeinen Globalisierungsdiskussion die Frage nach einem verstiirkten Engagement deutscher Untemehmen in den (zukiinfti­gen) Wachstumsregionen der Welt aufgeworfen wird, so steht regelmaBig der Hinweis auf die vemachlassigten siidostasiatischen Markte im Mittelpunkt (vgl. z.B. Raya, 1993). Dieser Beitrag geht von der These aus, daB sich mit den Veranderungen in Osteuropa zu­kunftstrachtige und erfolgversprechende Markte vor der eigenen Haustiir auftun werden -und zwar nicht nur fUr die traditionell dort schon engagierte Investitionsgiiter- sondem auch fUr die Konsumgiiterindustrie.

Fiir deutsche Untemehmen besitzen die dortigen Veranderungen - von der "Ostabhangig­keit" ostdeutscher Betrieb ganz abgesehen - besondere geostrategische Relevanz. Un mit­telbar hinter der Landesgrenze entwickelt sich fUr sie ein eigenes "Hinterland" an Mark­ten und potentiellen Produktionsstandorten, wie es den beiden anderen Triade-Wirtschafts­machten Japan und USA mit den asiatischen Schwellenlandem bzw. Mexiko (und ande­ren mittel- bzw. siidamerikanischen Markten) bereits zur VerfUgung steht. Aus deutscher Untemehmenssicht erOffnet sich angesichts ihrer relativ schwachen Position in der asiati­schen Wachstumsregion vielleicht sogar die letzte Chance, das weltstrategische Gleichge­wicht zu den eigenen Gunsten zu verandem. Urn sie zu nutzen, wird ein Uberdenken strategischer Positionen in ahnlichem Umfang notwendig, wie dies auch die Verwirklich­ung des Europaischen Binnenmarktes erfordert. Dabei stellt sich die Frage einer Strate­gieanpassung besonders dringend, denn das Ausmafi der Umweltveranderungen in Osteu­ropa ist enorm, das Know-how im Umgang mit diesen Markten aber, jedenfalls in der Konsumgiiterindustrie, sehr gering.

Was die Under im einzelnen betrifft, so besteht allgemeiner Konsens, daB sich die Auf­merksamkeit zunachst auf die Dreiergruppe der unmittelbar angrenzenden relativ stabilen Nachbarmarkte friihere CSFR (inzwischen Tschechische Republik und Slowakei), Polen und Ungam richten sollte. Aufgrund der strategischen Bedeutung konnen dariiber hinaus die Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR einbezogen werden - im folgenden kurz "ehem. UdSSR" genannt - die trotz des momentanen Chaos schon allein aufgrund der rie­sigen Zahl der Bedarfstrager, das gr6J3te Potential verheissen.

Die Handelsbeziehungen (west-)deutscher Untemehmen mit den ehemaligen Staatshan­delslandem waren bislang von Investitionsgiitern dominiert. Speziell fiir Konsumgiiter­hersteller tun sich hier "weifie Flecken" in der Auslandsmarktstrategie auf. Deutsche Konsumgiiterhersteller miissen bei der Erschliefiung und Bearbeitung der osteuropaischen Markte praktisch bei Null beginnen, weshalb vorrangig die Frage des Markteintritts zur Entscheidung ansteht.

Generell liegt ein "internationaler Markteintritt" vor, wenn ein Untemehmen erstmalig die Tatigkeit auf einem auslandischen Absatzmarkt aufnimmt. Es sind also, einem ent­scheidungsorientierten Ansatz folgend, mogliche Eintrittsstrategien fUr die osteuropa­ischen Markte zu analysieren. Unter "Eintrittsstrategien" werden dabei, dem anglo-ameri­kanischen Verstandnis entsprechend (synonyme Begriffe sind "entry strategy" und "entry mode", siehe z.B. Young et al. 1989, 266), die altemativen Eintrittsformen in den aus­landischen Markt verstanden. Alternative Formen, in denen ein Untemehmen einen aus­landischen Markt betreten und erschliefien kann, sind insbesondere Export, Lizenzverga-

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Wimmer/Wesnitzer: Markteintrittsstrategien 235

be und Direktinvestitionen. Abbildun~ 1 systematisiert diese drei zentralen Markteintritts­formen nach den Kriterien der Eigenleistung bzw. Kapitalbeteiligung des Unternehmens einerseits und der Produktionsverlagerung in den ausliindischen Markt andererseits.

JA

Produktlons­verlagerung

NEIN

Eigenieistung bzw. Kapltalbetelligung

JA NEIN

Produktions-investition Lizenzvergabe

(Tochler, JOinl Venlure)

Export Export (Verlriebslochler/-Joinl-Venlure) (Imporleur)

Abb. 1: Zentrale Eintrittsformen in ausllindische Markte

Mit soIehen Eintrittsstrategien sachlich untrennbar verkniipft sind iiber diese "Basisstrate­gien" (Eintrittsformen) hinaus auch Entscheidungen iiber deren konkrete Ausgestaltung, im Fall des Exportes in einen ausliindischen Markt beispielsweise die Entscheidung iiber den dann geeigneten internationalen Vertriebsweg (sogenannte "Folgestrategien", vgl. Wesnitzer, 1993, 63ff.). Und auch die Festlegung des Eintrittszeitpunktes bzw. des zeitli­chen Verlaufs eines Markteintritts gehOrt an sich zu den Entscheidungstatbestiinden einer internationalen Markteintrittsstrategie ("Timingstrategien", vgl. Wesnitzer 1993, 71ff.). Auf diese zusatzlichen Dimensionen der intemationalen Markteintrittsplanung solI hier nicht eingegangen werden.

Ausgeklammert bleiben auch zwei weitere Entscheidungstatbestiinde, die bei einer Ein­trittsstrategie vorgiingig entschieden sein miissen: Die Wahl des zum Eintritt anstehenden Marktes sowie die Auswahl der fiir einen Markteintritt geeigneten Produkte einschlielUich ihrer Anpassung an die Zielmarktverhiiltnisse. Mit Blick auf die zur Diskussion stehenden neuen osteuropaischen Markte stellen beide Entscheidungstatbestiinde zur Zeit nicht die wichtigsten Probleme dar.

Zum Thema des Markteintritts deutscher Konsumgiiterhersteller in Osteuropa liegen em­pirische Ergebnisse so gut wie nicht vor. Es ware deshalb schon von Interesse, iiberhaupt erst ein quantitatives Bild von der Bedeutung verschiedener Eintrittsstrategien zu gewin­nen. Das Anliegen diese Beitrages geht aber in eine andere und weiterfiihrende Richtung: Wie lassen sich von deutschen Unternehmen in Osteuropa praktizierte Markteintrittsstra­tegien erklaren, welche Bestimmun~sfaktoren sind fUr die Wahl der Markteintrittsform entscheidend'1 Anders formuliert stellt sich damit die Frage nach der Brauchbarkeit bzw. Ubertragbarkeit vorhandener Theorien und Erkliirungsansatze zur Markteintrittsplanung internationaler Untemehmen, wie sie in der Literatur zum internationalen Marketing zu finden sind. Nachfolgend wird deshalb in Abschnitt 3 ein kurzer Uberblick iiber den theoretischen Hintergrund zum intemationalen Markteintritt gegeben und die Frage auf-

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236 Wimmer/Wesnitzer: Markteintrittsstrategien

geworfen, ob und in welchem MaB diese theoretischen Ansatze auf das hier vorliegende spezifische Problem des Markteintritts in Osteuropa als anwendbar erscheinen.

Diese Frage laBt sich am besten anhand empirischer Einsichten in die Uberlegungen und Betimmungsfaktoren beantworten, die deutsche Konsumgiiteruntemehmen tatsachlich zur Entscheidung flir Export, Lizenzvergabe oder vertriebsorientierter Direktinvestitionen in den zur Debatte stehenden osteuropaischen Markten veranlaBt haben. Es war deshalb das Ziel einer kleineren, explorativ angelegten und tiefergehenden empirischen Analyse, solche Bestimmungsfaktoren sichtllar zu machen.

Insgesamt erscheint die Kombination von Fragen des intemationalen Markteintritts mit der spezifischen Situation in Osteuropa unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten als be­sonders interessant, wegen der Dynamik der Entwicklungen in diesen Markten aber auch besonders riskant. In diesen Markten wirken einzigartige Umfeldeinfliisse (z.B. Devisen­mangel, mangelndes Know-how osteuropaischer Partner), die zu ganz spezifischen Resul­taten der Markteintrittsentscheidungen flihren diirften. Es stand deshalb von vomeherein zu vermuten, daB die Ergebnisse der empirischen Studie die in der Literatur bestehenden theoretischen Ansatze nur bedingt stiitzen wiirden; vielmehr waren sehr spezifische Krite­rien flir die Entscheidung deutscher Untemehmen zu dieser oder jener Markteintrittsform zu erwarten.

2 Empirische Untersuchung

Vor diesem Hintergrund wurde am Lehrstuhl flir Absatzwirtschaft der Universitat Bam­berg im Sommer 1991 eine empirische Untersuchung durchgeflihrt, bei der 32 Entschei­der in flihrenden Positionen bei deutschen Untemehmen der Konsumgiiterindustrie iiber ihre Eintrittsstrategien in mindestens einem der vier osteuropaischen Markte befragt wur­den. Die personlichen Interviews dauerten in der Regel etwa 1 114 Stunden, worn it sicher an die Grenze der zeitIichen Verfligbarkeit der hochrangigen Entscheidungstrager gegan­gen wurde. Das wesentliche Ziel dieser qualitativen Studie lag darin, empirische Anhalts­punkte zu den Entscheidungskriterien zu gewinnen, die flir die in den verschiedenen ost­europaischen Absatzmarkten gewahlten Eintrittsstrategien prinzipiell von Bedeutung sein konnen. Aus Literaturbeitragen zum Thema der intemationalen Markteintrittsplanung (siehe Abschnitt 3) sind grundsatzlich bedeutsame Entscheidungskriterien ableitbar; ihre Bedeutung im Zusammenhang mit konkreten, stattgefundenen Entscheidungen bei der Er­schlieBung osteuropaischer Absatzmarkte war zu iiberpriifen.

Fiir die Interviews erfolgte eine bewuBte Auswahl, bei der hauptsachlich auf VerOffent­lichungen iiber ein Engagement des betreffenden Untemehmens in osteuropaischen Mark­ten zuriickgegriffen wurde. Man muB davon ausgehen, daB durch diese Art der Auswahl bekanntere und in ihrer Branche, zumindest was das Engagement in osteuropaischen Markten betrifft, flihrende Untemehmen iiberreprasentiert sind.

Eine spezielle Quotierung der ausgewahlten Untemehmen ergab sich zwangslaufig da­durch, daB alle drei Eintrittsformen gleichermaBen abgedeckt werden sollten, was sich bei Konsumgiiterherstellem insbes. hinsichtIich der Lizenzvergabe schwierig gestaltete. Auch sollten die Untemehmen eine bestimmte MindestumsatzgroBe nicht unterschreiten, urn prinzipiell flir aile Eintrittsformen in Frage zu kommen (auch flir die vergleichsweise

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aufwendige Direktinvestition). 1m Ergebnis wurde eine ausgeglichene Mischung von GroBuntemehmen und (groBeren) mittelstandischen Betrieben erreicht. Die untere Um­satzgrenze lag - bei einem durchschnittlichen Umsatz von ca. 7.8 Mrd. DM - bei 300 Mio. DM.

AuJ3erdem war eine gewisse Branchenstreuung zu gewahrleisten, wobei die geringe Fall­zahl natiirlich eine Schwerpunktbildung unumganglich machte. Wie Abbildung 2 zeigt, lag der Fokus dabei auf sog. Signalprodukten, d.h. Markenartikeln aus Warenbereichen, die besonders deutlich das Image westlichen Lebensstils verkorpem und in den ostlichen Miirkten auf breite Nachfrage stoBen diirften.

Branche Zahl

GenuBmittel 5 Nahrungsmittel 5 Textilien/Bekleidung/Schuhe 5 Waschmittel/Kosmetika 5 Elektr. Haushaltsgerate 4 Unterhaltungselektronik 2 Sonstige 3

Gesamt 29

Abb. 2: Verteilung der befragten Untemehmen nach Branchen

Wie Abbildung 2 deutlich macht, ist im folgenden generell von einer Basis von 29 be­fragten Untemehmen auszugehen, da eines der 32 Gesprache Pretestcharakter hatte und in zwei Hillen Zeit- bzw. Kompetenzmangel der Befragten kein verwertbares Interview zulieBen.

3 Theoretischer Hintergrund zurn internationalen Markteintritt

Aus einer Vielzahl moglicher Formen intemationaler Geschaftstatigkeit (z.B. Vertrags­produktion, Managementvertrage) kristallisieren sich Export. Produktions-Direktinvestiti­on und Lizenzvergabe als die drei zentralen Basis-Markteintrittsformen heraus. Zur Wahl zwischen diesen drei Basisformen existieren verschiedene theoretische Ansatze zur Ablei­tung prinzipiell moglicher Bestimmungsfaktoren und somit zur Erklarung der Formen­wahl. 1m Rahmen dieses Beitrages kann nur iiberblickartig auf drei Ansatze, namlich die Theorie der intemationalen Untemehmung, der strategischen Untemehmensfiihrung so­wie verhaltenswissenschaftliche Ansatze eingegangen werden (ausfiihrlich dazu z.B. Stein 1992, Kappich 1988).

Beitrage der Theorie der intemationalen Untemehmung beschaftigen sich damit, die Ent­wicklung intemationaler Untemehmungen zu erkliiren, deren Entstehen mit einem ver­mehrten Einsatz der Eintrittsform "Direktinvestition" einhergeht. Sie fragen, warum Un­temehmen vorrangig intemationale Direktinvestitionen vomehmen und nicht eine der bei­den Altemativen "Export" oder "Lizenzvergabe" wahlen.

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- Das zugehorige Konzept der Wettbewerbsvorteile von Untemehmen argumentiert dies­bezliglich z.B., daB Vorteile entweder aus economies of scale oder aus Produktdiffe­renzierung die Voraussetzungen schaffen, urn die beim Eintritt via Investition entste­henden hohen Kosten schneller zu amortisieren bzw. Anlaufschwierigkeiten besser zu meistem. Das Vorhandensein umfangreicher Vorteile dlirfte ceteris paribus zu einem vermehrten Einsatz von Direktinvestitionen flihren, geringe oder keine Vorteile umge­kehrt zu mehr Eintritten liber Exporte bzw. Lizenzen.

- Ausgangspunkt der Intemalisierungstheorie ist der Wettbewerbsvorteil "Technologie". Der Grundgedanke dieses Ansatzes besteht in der Annahme, daB der (intemationale) Markt fUr technologisches Wissen unvollkommen ist. Diese Marktunvollkommenheit bedeutet flir die Untemehmung, daB sie ihr Wissen auf dem firmenextemen Markt nicht zum wahren Wert verkaufen kann (vgl. Casson 1982, 202) oder die Nutzung die­ses Marktes in vielen Hillen zu aufwendig bzw. unrentabel wird. Hieraus resultiert der Anreiz, einen "firmenintemen" Markt fUr den Wissenstransfer zu schaff en oder, mit anderen Worten, die extemen Markte zu intemalisieren (vgl. Casson 1987, 36). Auf die Wahl der Markteintrittsform angewandt, kann die Direktinvestition als Konkreti­sierung der untemehmensintemen LOsung - als Schaff en eines intemen Marktes fUr den Wissenstransfer - interpretiert werden, wobei von der Auspragung der 100%-­Tochter ausgegangen wird, da ein Joint Venture iihnliche Know-how-Schutzprobleme wie die Lizenzvergabe aufweist. Export und Lizenzvergabe entsprechen folglich der "Markt"-LOsung, dem Transfer liber exteme Partner.

- Ahnlich laBt sich auch der Transaktionskostenansatz anwenden, der allerdings den Analyseschwerpunkt von der Firma auf die (intemationalen) Transaktionen selbst ver­lagert. Ubersteigen die (Transaktions-)Kosten einer okonomischen Aktivitiit, die liber den Markt ausgefUhrt wird, die Kosten einer altemativen untemehmensintemen Durch­flihrung (sog. "Organisationskosten"), so wird die Firma bestrebt sein, den "versagen­den" Markt zu intemalisieren, die Tatigkeit also liber eigene Organisationsstrukturen abzuwickeln. Bei diesen Transaktionskosten handelt es sich im wesentlichen urn Auf­wendungen, die in der Informations- und Verhandlungsphase eines Vertragsabschlus­ses anfallen, sowie urn Kosten der spateren Kontrolle und eventuellen Vertragsanpas­sungen (vgl. Picot 1982, 270). Bei Export oder Lizenzvergabe hiingt die Hohe der Transaktionskosten bspw. von der Moglichkeit der ausliindischen Marktpartner zu op­portunistischem Verhalten abo Hat der exteme Marktpartner die Moglichkeit, opportu­nistische Verhaltensweisen an den Tag zu legen - fehlen also geeignete Sanktionen, die verhindem, daB er seine Interessen zum Nachteil der eintretenden Untemehmung durchzusetzen versucht -, wird die Markttransaktion flir das Untemehmen (Lizenz oder Export via Importeur) unattraktiv. Dies kann in Osteuropa bspw. der Fall sein, wenn sich die eintretende Untemehmung nur einer kleinen Anzahl von Transaktions­partnem (z.B. Importeuren) gegenlibersieht oder wenn Aufwendungen fUr die Schu­lung schlecht qualifizierter Lizenzpartner hohe Wechselkosten entstehen lassen.

Hinsichtlich der beiden anderen theoretischen Ansiitze solI jeweils ein Beispiel genligen, das den Bezug zur Wahl der Eintrittsform verdeutlicht. In Beitragen der strategischen Un­temehmensflihrung wird u.a. darauf eingegangen, inwieweit wettbewerbsstrategische Zie­Ie die Formenwahl beeinflussen. Handelt es sich bspw. urn den Heimatmarkt eines inter­nationalen Konkurrenten, so kann ein von der Einzelprojektevaluation her nicht gerecht­fertigter Eintrittsaufwand durchaus zweckmiiBig sein, weil etwa ein umfangreiches Enga­gement in diesem Markt liberdurchschnittlich viele Ressourcen des Konkurrenten bindet

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und so dessen Eintritt in andere Miirkte verhindert (vgl. Hill et al. 1990, 122). Die Uber-1egungen gehen also davon aus, daB urn der internationalen Wettbewerbsposition willen im Eintrittsmarkt ein umfangreiches, unter Umstiinden okonomisch suboptimales Engage­ment eingegangen wird (vgl. Anderson/Gatignon 1986, 22). So1che konkurrenzinduzier­ten "Verzerrungen" fUhren zur Bevorzugung der Direktinvestition, wo die Rahmenbedin­gungen an sich eher fUr Export oder Lizenz sprachen.

Verhaltenswissenschaftliche Beitrage rucken die Motive und Merkmale der Entscheider se1bst in den Mittelpunkt. Hier geht es urn Einflu6gro6en, die zu einer subjektiv individu­ell unterschiedlichen Bewertung objektiv gleicher unternehmens- und umweltspezifischer Voraussetzungen fUhren konnen, die dann moglicherweise in einer objektiv schwer nach­vollziehbaren (Markteintritts-)Entscheidung miindet (vgl. Wiedersheim-Paul/Erland 1979, 135). Eine typische Einflu6gro6e liegt bspw. in der internationalen Erfahrung der Ent­scheider. Landes- oder marktspezifische Erfahrung aus einem bisherigen geschaftlichen oder privaten Bezug zum Zielmarkt reduziert die Unsicherheit des Entscheiders. Dies sollte - mit der Einschrankung, daB Erfahrungswerte der Vergangenheit in turbulenten Urn welten wie den osteuropaischen Miirkten nur wenig Bestand haben - im Ergebnis zu starker rational gepragten Eintrittsentscheidungen fUhren. Au6erdem wird ein marktkun­diger Entscheider eher bereit sein, die mit einer Produktionsinvestition verbundenen Risi­ken einzugehen (vgl. Anderson/Gatignon 1986, 16).

"Unterhalb" so1cher theoretischen Erklarungsansatze bestimmen betriebswirtschaftliche Kosten-Erlos-Uberlegungen die Wahl der Markteintrittsform. Sie beziehen sich auf un mit­telbar schatz- oder planbare Kosten (z.B. Produktionskosten) und Erlose oder auf entspre­chende EinfluBfaktoren (z.B. bessere Marktnahe bei Direktinvestitionen, vgl. Contractor 1990, 44) und berucksichtigen ggfs. auch die Sicherheit diesbeziiglicher Informationen bzw. Annahmen. Meist erschopfen sich entsprechende Darstellungen in der Literatur in einem Katalog von Einflu6faktoren, d.h. einer deskriptiven Aufzahlung von mehr oder minder einfach klassifizierten Kriterien (vgl. z.B. Juh11981, 677 f.; Seidel 1977, 91 f.).

4 Ergebnisse zur Wahl der Eintrittsform in osteuropiiischen Miirkten

Zu den Befragungsergebnissen sei vorweg einschrankend angemerkt, daB sie hinsichtlich des AusmaBes des planerischen Vorgehens beim Eintritt in osteuropaische Miirkte im we­sentlichen Young bestatigen: " ... it is doubtful if many companies consciously weigh up the alternatives between different modes o/involvement" (1987, 34). So zeigt unsere Stu­die, daB es fUr mehr als ein Drittel (11) der Entscheider keine echte Alternative zu der von ihnen gewahlten Eintrittsform gab, die Formenwahl als unternehmensstrategische Entscheidung hier also iiberhaupt nicht stattfand. Ein wei teres Drittel prufte zwar mehrere (meist zwei) Optionen, hatte jedoch sehr schnell eine klare Praferenz fUr eine bestimmte Eintrittsform, die dann gezielt untersucht und verfolgt wurde. Auch in diesen Fallen kann man nicht von einem planenden Entscheidungsproze6 im Sinne eines systematischen ver­gleichenden Abwagens mehrerer Alternativen sprechen. Ein so1cher, also eine wirklich systematische Evaluation mehrerer Eintrittsformen, fand nur bei acht der befragten Un­ternehmen statt.

Insgesamt muB also ein hohes AusmaB an Problemvereinfachung konstatiert werden, insbes. wenn man bedenkt, daB ein gewisses Bediirfnis der Interviewten bestehen diirfte,

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im Befragungsgesprach ihre Entscheidungsvorbereitung eher aufzuwerten. Aktionismus beherrscht also vor strategischer Entscheidungsvorbereitung das Bild. Das konnte durch­aus osteuropaspezifische Ursachen haben, namlich einmal einen gewissen (zumindest sub­jektiv empfundenen) Zeitdruck durch die plotzliche Offnung der Markte, oder auch die Einschatzung, daB in diesen Markten auf absehbare Zeit eher kurzfristig angelegte Ge­schafte zu realisieren sein werden, die noch keinen strategischen Ansatz erfordem.

4.1 Zentrale Bestimmungsfaktoren der Eintrittsform

Die Bedeutung eines Bestimmungsfaktors fUr die Wahl der Eintrittsform wurde daraus abgeleitet, wieviele Entscheider ihn anfUhrten. Dabei wurde jedes Kriterium pro Ent­scheider nur einmal erfaBt, auch wenn der Befragte den Sachverhalt mehrfach aus ver­schiedener Perspektive (z.B. einmal fUr die Lizenzvergabe, einmal gegen die Direktinve­stition) formulierte, so daB von einer prinzipiell moglichen H6chstzahl der Nennungen von 29 auszugehen ist. Abbildun~ 3 gibt zunacht in einer Ergebnisiibersicht die zentralen Kriterien in der Rangfolge ihrer Bedeutung wieder.

Rang Kriterium Anzahl Haupt-

* ** ***

argumentationsrichtung

1 (Handels-)Hemrnnisse 21 Con Export 2 Risiko 14 Con Investition 3 Kapazitiitsauslastung 13 Pro Export 4 Investitionsaufwand 13 Pro Export 5 (Vertriebs-)Kontrolle 11 Con Lizenz

6 Produktqualitiit 10 Con Lizenz 7 Devisensituation 10 Geteilt* 8 Sourcing 9 Pro Export 9 MarktgroBe 9 Con Investition **

10 "Erster Schritt" 8 Pro Export

11 Formspez. Erfahrung 8 Geteilt*** 12 Untemehmensressourcen 7 Con Investition 13 Arbeitsplatze 7 Con Export 14 Herkunftslandirnage 6 Pro Export 15 Lohnkosten 6 Pro Investition

16 Flexibilitiit 5 Con Investition 17 Strategischer Schwerpunkt 5 Pro EXfort 18 LogistiklTransport 5 Geteilt 19 Partner 4 Pro Investition 20 Lizenz-Ertragspotential 3 Con Lizenz 21 Abwertungstendenzen 3 Con Investition

fUr die ehem. UdSSR con Export, fUr die anderen Linder pro da meist auf die drei Reformstaaten bezogen etwa gleich oft pro Export und pro Investition

Abb. 3: Kriterien der Wahl der Eintrittsform in osteuropaische Markte QueUe: Untersuchung des Lehrstuhls fUr Absatzwirtschaft an der Universitiit Bamberg

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Es handelt sich urn Kategorien, in denen gleichlautende bzw. sinngemii6e Antworten der Entscheider zusammengefaBt wurden. Zusatzlich ist jeweils die vorherrschende Hauptein­fluBrichtung des Kriteriums in bezug auf die Wahl der Eintrittsform angegeben, wie sie von der Mehrzahl der Befragten geauBert wurde. Beispielsweise gaben 21 der befragten Entscheider als Grund fUr bzw. gegen eine der drei Eintrittsformen von den osteuropa­ischen Staaten ausgehende Restriktionen (und zwar fast ausschlieBlich Handelshemmnis­se) an und argumentierten dabei vorwiegend gegen Exporte nach Osteuropa.

Einige wichtige Kriterien sollen im folgenden naher erortert werden, insbes. soIehe, bei denen die dahinterstehende Argumentation nicht offenkundig ist.

Risiko 14 der befragten Entscheider gaben auf die hohe Umweltdynamik zuriickzufiihrende Risi­koasoekte als entscheidungsrelevant an. Bei den osteuropiiischen Uindem handelt es sich urn neue Markte, auf denen die Spielregeln erst etabliert werden miissen, die Unsicher­heit iiber zukiinftige Entwicklungen folglich groB ist (analog zu neuen Produktfeldem; vgl. Porter 1980, 215). Weniger das politische Risiko als die mit der normalen GeschMts­tiitigkeit verbundenen finanziellen Risiken stehen dabei im Mittelpunkt der Uberlegungen. Die Investitionssummen selbst sind im Vergleich zu denen im Westen gering, so daB das damit unmittelbar verbundene Risiko (zumindest fiir groBe Untemehmen) eher als unter­geordnet erscheint. Finanzielle Risiken drohen eher bei den oftmals ausufemden Folgein­vestitionen ("FaB ohne Boden-Syndrom").

Da Produktionsinvestitionen mit dem gro6ten finanziellen Einsatz verbunden sind, wur­den vor allem sie unter Risikoaspekten kritisch beurteilt. Konflikte mit staatlichen Stellen (z.B. iiber Beschliftigungsfragen) sind vorprogrammiert, wo iibemommene Betriebe um­strukturiert werden. Allerdings sind auch die beiden anderen Eintrittsformen im Zuge der Umwruzungen risikoreicher geworden, da man es nun mit einer Vielzahl unbekannter Partner zu tun hat. Vertriebs- oder Lizenzvertriige mit den neuen osteuropiiischen Privat­untemehmem zu schlie6en ist, nachdem staatliche Garantien entfallen sind, mit erhebli­chen Geschaftsrisiken verbunden.

Kapazitiitsauslastung Aufgrund der generell nachlassenden Konjunktur auf ihren westlichen Absatzmarkten scheint die Mehrheit der befragten Firmen iiber geniigend freie Kapazitiiten zu verftigen, urn daraus auch mittelfristig den Bedarf der osteuropiiischen Markte via Export decken zu konnen. Hinzu kommt, daB einige Untemehmen gerade ihre westeuropiiischen Fertigungs­standorte als Vorbereitung auf den EG-Binnenmarkt verringem; fiir sie scheidet deshalb ein Ausbau via Produktionsinvestition in Osteuropa bei gleichzeitiger Konzentration in Westeuropa aus.

Investitionsaufwand Aus der geringen Wettbewerbsflihigkeit der osteuropiiischen Untemehmen leitet sich ein Kriterium ab, zu dem sich die Antworten unter dem gemeinsamen Nenner "Investitions­aufwand" fassen lassen. Schlechte produktionstechnische Standards und mangelhafte ver­trieblich-Iogistische Kenntnisse bringen es mit sich, daB die Konsumgiiterhersteller so­wohl im Lizenz- als auch im Investitionsfall eine umfangreiche Unterstiitzung vor Ort lei­sten mii6ten. Wird aber ein erheblicher personeller und finanzieller (ungeniigende Kapi-

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talausstattung der osteuropaischen Firmen!) Einsatz vor art notig, verliert die Lizenzal­temative gegeniiber der Direktinvestition an Reiz; entsprechend wird auch in Beitragen der Theorie der intemationalen Untemehmung argumentiert (hohe Transaktionskosten). Die zur Starkung des Lizenznehmers notigen Mittel investiert man dann lieber in das ei­gene Untemehmen.

Fiir die befragten Untemehmen stellt sich dariiber hinaus die Frage, ob sich ein solcher Aufwand angesichts der widrigen okonomischen VerhaItnisse selbst im Investitionsfall rechnet oder ob diese Markte nicht auf absehbare Zeit reine Exportmarkte bleiben. Letz­tere Einschatzung dominierte und pragt so das Kriterium insgesamt zugunsten der Ein­trittsform "Export".

Kontrolle In den osteuropaischen Markten bedarf insbes. der Vertrieb der Kontrolle und Steuerung durch das eintretende Untemehmen selbst, da einheimische Hersteller als Vertriebspartner nur iiber sehr geringe Marketingkenntnisse verfUgen wiirden, andererseits aber die ver­trieblichen Anforderungen aufgrund des noch rudimentaren, sich rasch wandelnden Dis­tributionssystems hoch sind. Hinzu kommt, daB einem fachgerechten Vertrieb in der jet­zigen Phase des Markenautbaus besondere Bedeutung zukommt. Ausgepragte Durch­griffsmoglichkeiten auf die Vertriebsorganisation sollen nicht zuletzt Grauexporte in den Westen verhindem.

Bei einer Lizenzvergabe wiirde nun der Vertrieb vollig aus der Hand gegeben, so daB sich diese Eintrittsform im Hinblick auf dieses Kriterium als besonders problematisch er­weist. Es laBt sich mit erhohten Transaktionskosten (verursacht durch umfangreiche Kon­trollen) argumentieren, welche die Eigenleistung (d.h. Produktionsinvestitionen) nahele­gen. Auch der Export wiirde sich durch den fUr die Vertriebskontrolle notigen hohen Res­sourceninput verteuem, so daB das Kriterium insgesamt als "investitionsfOrdemd" einge­stuft wurde.

Sourcing Das mit dem Devisenmangel zusammenhangende Sourcingproblem begiinstigt, meist auf die ehem. Sowjetunion bezogen, eher den Export. Fehlende Rohstoffe und Vormateri­alien in geeigneter Qualitat machen deren Import aus dem Westen notig. Die Devisen fiir diese Zulieferungen sind bei einer Ausrichtung auf den Binnenmarkt nicht selbst zu ver­dienen und wegen der Devisenknappheit in der ehem. UdSSR auch anderweitig schwer zu bekommen. Die Produktion vor art wird so in manchen FaIlen durch den zu geringen lokalen Wertschopfungsanteil unrentabel.

Lohnkosten Neben der Sourcingfrage spieiten natiirlich auch die Lohnkosten als weitere "faktormarkt­bezogene" EinfluBgroBe einer Produktionsverlagerung eine Rolle. Der Grundtenor laute­te, die Lohndifferenz zu westlichen Produktionsstandorten zu nutzen, urn Produkte vor art preiswerter anbieten zu konnen. Angesichts der niedrigen Produktivitat bezweifelten allerdings einige Entscheider, in Osteuropa wirklich geringere Lohnstiickkosten erzielen zu konnen. AuBerdem ist bei der Wahl der Eintrittsform nicht nur die aktuelle Lohnni­veaudifferenz, sondem die Angleichungsgeschwindigkeit zu beriicksichtigen, die bei einer baldigen EG-Annaherung einzelner Reformstaaten recht hoch liegen diirfte.

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Der Hauptgrund fiir die insgesamt geringe Bedeutung des Kriteriums "Lohnkosten" ist wohl darin zu suehen, daB diese bei den befragten Untemehmen aufgrund des hohen Ra­tionalisierungsgrades oft nur noch einen geringen Teil der gesamten Herstellungskosten ausmaehen. Dariiber hinaus steht bei den befragten Untemehmen generell nieht die Ko­stenorientierung, sondem die Absatzmarkterschliefiung im Vordergrund.

Eintrittsformspezifisehe Erfahrung Bei einigen Firmen bewirkten mit bisherigen Eintrittsformen gewonnene Erfahrungen ei­ne generelle Priiferenz flir eine bestimmte Form. Diese formspezifische Erfahrung und die damit bereits verbundenen Strukturen organisationaler und infrastruktureller Art bil­deten offenbar einen starken Anreiz, auf eben diese Weise aueh den neuen osteuropa­isehen Markt zu erschliefien. Das Kriterium kann als Hinweis auf die Riehtigkeit verhal­tenswissenschaftlieher Uberlegungen gewertet werden, wonaeh Entscheider eine ihnen vertraute Eintrittsform oft weitgehend ohne Beriieksiehtigung situativer Einfliisse bevor­zugen.

Bei den befragten Untemehmen war eine solche subjektive Bevorzugung entweder in be­zug auf den Export oder die Investition festzustellen, eine Strategie der "Lizenzvergabe wo immer moglieh" gab es hingegen nieht. Die Lizenzvergabe wird von den Firmen of­fenbar kaum aus eigenem Antrieb eingesetzt, sondem nur, wenn die beiden anderen For­men schwerwiegenden Restriktionen unterworfen sind.

ArbeitspUitze Das Kriterium "Arbeitspliitze" wird in der Literatur iiberhaupt nieht in der geiiufierten Weise angesprochen. DaB ihm von den Befragten eine gewisse Bedeutung beigemessen werden wiirde, war zu erwarten; nieht jedoch, daB eine Mehrzahl der (dieses Kriterium ansprechenden) Entscheider die Sehaffung bzw. den Erhalt von Arbeitspliitzen dureh eine Produktion vor Ort befiirwortete, ganz entgegengesetzt zum iiblieherweise diskutierten Pro-Export-Argument "Erhalt deutscher Arbeitspliitze". Die Einsieht, daB das Geld flir den Konsum aueh verdient werden mufi, beeinflufit offenbar die Ablehnung der Exportal­temative - und dies, obwohl diese Erkenntnis ja nur makrookonomisch zutrifft, die Inter­essenlage der Untemehmen nur mittelbar beriihrt ist.

Herkunftslandimage Gerade auf neuen Auslandsmiirkten, in denen die Marke selbst noch relativ unbekannt ist, spielt das "Made-in-Label" als Orientierungshilfe im Kaufentseheidungsprozefi eine wieh­tige Rolle. Ein positives Herkunftslandimage, iiber das westliehe Markenartikel aufgrund ihrer friiheren Niehterhiiltliehkeit und objektiver Qualitatsvorteile verfiigen, gibt deshalb in osteuropiiischen Miirkten in vielen Produktbereiehen einen zentralen Wettbewerbsvor­teil fiir den Export abo "Made in Germany" scheint speziell im hOheren Preissegment ein entscheidendes Plus zu sein, sofem der jeweilige Warenbereieh stark mit einem positiven Deutsehlandbild verkniipft ist (Extrembeispiel: Bier). Andererseits kann nieht ausge­schlossen werden, daB es in Zukunft, wie am Beispiel Ostdeutsehland beobaehtbar, zu ei­ner "Riiekbesinnung" auf einheimische Waren oder gar zu Ressentiments gegeniiber aus­liindischen, insbes. deutsehen Produkten kommt.

Strategiseher Sehwerpunkt Unter der Kategorie "Strategischer Sehwerpunkt" werden schliefilieh Aufierungen zusam­mengefaBt, von denen sieh auf einen untemehmensstrategischen und verhaltenstheoreti-

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schen Hintergrund schlieBen Hi6t. Andere strategische Prioritiiten (vor allem die Vorbe­reitung auf den EG-Binnenmarkt oder die ErschlieBung Ostdeutschlands) haben in einigen Hillen dazu gefiihrt, daB man die osteuropiiischen Markte bislang nicht mit vollem Enga­gement anging und zwischenzeitlich einfach exportierte. Raumt man hingegen (selten) diesen Markten hOchste Prioritiit ein, so sind aufwendige Eintrittsprojekte (Direktinvesti­tionen) die logische Folge. Der Bezug zu der in verhaltenswissenschaftlichen Beitragen angesprochenen subjektiven "Sonderstellung eines Eintrittsmarktes" (s. Abschnitt 3) ist herstellbar .

.ElW1 Insgesamt zeigt sich (hinsichtlich Anzahl und Wichtigkeit der Kriterien) eine recht klare Bevorzugung des Exporteintritts. Die befragten Konsumgiiterhersteller versuchen, die ost­europiiischen Markte, wo immer es die Einfuhrrahmenbedingungen zulassen, iiber Expor­te zu erschlieBen. Der "Notlosung" Lizenzvergabe kommt als Eintrittsform in diesen Markten in Zukunft offenbar eine eher untergeordnete Rolle zu. AuBer einer Minimie­rung des Ressourcenaufwandes bzw. Risikos spricht kaum etwas fiir sie. Der mit ihr ver­bundene geringe EinfluB auf Produktion und Vertrieb sowie die unbefriedigenden Er­tragsmoglichkeiten fiihren angesichts ungeeigneter Partner und unsicherer Ziellandver­haItnisse zu einer Bevorzugung der Produktionsinvestition, wo der Export ausscheidet.

Was die Kriterien betrifft, so kamen den Entscheidem vor allem Standortfaktoren in den Sinn, d.h. solche Bestimmungsfaktoren, die sich stark am osteuropiiischen Umfeld orien­tierten und die deshalb einen Bezug zu den in Abschnitt 3 angesprochenen eher untemeh­mens- (bzw. entscheider-)orientierten theoretischen Ansatzen nur selten zulieBen. Letztere scheinen sich in ihrer Erkllirungskraft auf Zielmarkte mit weniger ausgepragten Besonder­heiten zu beschranken, auf denen es sich die eintretenden Untemehmen eher "leisten kon­nen", bei der Formenwahl starker auf eigene Ziele abzustellen. Die untergeordnete Rolle von Kriterien der strategischen Untemehmensfiihrung bei Entscheidungen iiber die Form des Eintritts auf osteuropaische Markte ist moglicherweise so zu erklaren: Untemehmens­strategische Aspekte riicken vor allem bei einer Dominanz der Wettbewerbsorientierung, d.h. im Verdrangungswettbewerb auf gesattigten westlichen Markten ins Blickfeld der Entscheider, wlihrend in Osteuropa derzeit eher eine Markt-(ausweitungs-)orientierung vorherrscht. Zudem begiinstigt die Geschwindigkeit, mit der sich in Osteuropa die Ereig­nisse vollziehen, nicht gerade einen strategischen Ansatz.

Weiterhin faUt auf, daB Kriterien, die eindeutig auf das Ziel ErschlieBung der osteuropa­ischen Absatzmarkte abstellen (Handelshemmnisse, Vertriebskontrolle, Produktqualitiit, Devisenlage, MarktgrOfie, usw.), gegeniiber generellen Bestimmungsfaktoren (Risiko, In­vestitionsaufwand, "Erster Schritt", usw.) von der Anzahl und Wichtigkeitseinstufung her eine bedeutendere Stellung einnehmen. Darin spiegelt sich der Fokus der Stichprobenaus­wahl auf absatzorientierte Markteintritte wider.

4.2 Unternehmensstrategische Bestimmungsfaktoren der Eintrittsform: Integration in Europastrategien und Risikostreuung

In der Befragung wurden zwei prinzipiell denkbare, aus der Theorie der strategischen Untemehmensfiihrung abgeleitete "strategische" Kriterien gezielt angesprochen: Inwie­weit wird die Wahl der Eintrittsform von dem Ziel beeinfluBt, den betreffenden Markt in einen bestehenden oder geplanten intemationalen Produktions- und Vertriebsverbund des

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Gesamtunternehmens zu integrieren? Welche Rolle spielt andererseits fUr die Wahl der Eintrittsform das Unternehmensziel, eine Risikostreuung durch neu hinzukommende Markte zu erreichen?

Dem Integrationsgedanken maBen die meisten Entscheider keine Bedeutung bei. Die ost­europaischen Markte wurden als ein noch nieht integrierbarer Spezialfall gesehen bzw. auf eine Integration ausHindischer Operationen wurde generell wenig Wert gelegt. Osteu­ropa stellt natiirlich insofern einen Sonderfall dar, als sieh der Integrationsgedanke auf­grund der bisherigen Andersartigkeit der Systeme, die sich teilweise sogar in spezifischen Organisationsstrukturen niederschlug, nicht eben aufdriingt. Speziell die Exporteure ver­folgten meist iiberhaupt (noch) keine internatij;!!)ale Strategie oder sie sahen eine Integra­tion als rein produktionstechnische Frage an.INur einige Investoren betrachteten die ost­europaischen Markte bereits als Teil des europaischen Marktes und somit als Bestandteil ihrer Europastrategie; fUr sie bedeutet aber Integration vorrangig, in diesen Markten die gleiehen international en Marken wie im Westen einzufiihren und zu produzieren, und we­niger, diese Liinder in iibergreifende Vertriebs- und Fertigungskonzepte einzubeziehe~

Die Ablehnung des Kriteriums mit dieser Deutlichkeit laBt doch Zweifel an der allge­meingiiltigen Bedeutung aufkommen, die ihm in der Literatur zugewiesen wird (vgl. z.B. Hill et al. 1990, 121). Nur GroBunternehmen mit einem bereits hohen Internationalisie­rungsgrad scheinen die Integrationsfrage iiberhaupt mit der Formenwahl zu verkniipfen, und dann nur im Zusammenhang mit einer Direktinvestition. Die eigentliche Frage, ob niimlich das Integrationsziel zu einer starken Kontrolle des Auslandsgeschiiftes von Unter­nehmen und damit zu Direktinvestitionen fUhrt, kann deshalb nicht beantwortet werden.

Das andere Ziel der Risikostreuung durch neu hinzukommende Markte wurde von den meisten Entscheidern als Kriterium fUr die Wahl der Eintrittsform ebenfalls verworfen. Ais generelle Begriindung wurde u.a angefUhrt, daB die hohen Einzelmarktrisiken in Ost­europa eine Verkniipfung mit dem Risikominderungsziel nieht gerade nahelegen und ein Risikoausgleieh als Strategie generell abgelehnt wird, da Liinder oder Regionen als "prof­it center" einander nieht subventionieren sollen. SchlieBlich falle eine weitere Risiko­streuung durch die wenigen und wenig "ergiebigen" Ostmarkte bei bereits stark interna­tionalisierten Unternehmen kaum ins Gewicht. 1st der Risikostreuungsaspekt also bereits generell nicht von Bedeutung, so muB er erst recht in bezug auf die Wahl der Eintritts­form (hoher Ressourcentransfer via Investitionen in den neuen Markt ermoglicht eine op­timale Risikostreuung) als irrelevant eingestuft werden.

4.3 Landerspezifische Analyse von Bestimmungsfaktoren der Eintrittsform: Sonderauswertung ehem. UdSSR

1m Rahmen der Interviews wurden den Entscheidern mogliche Kriterien der Eintrittsfor­menwahl auch vorgegeben. Dabei konnten die Entscheider die Bedeutung einzelner Krite­rien auf einer Skala von 1 (wichtig) bis 3 (unwichtig) einstufen. Auf der Basis dieser Fra­ge war es moglich, Besonderheiten beim Eintritt in die ehem. UdSSR, die sieh bei den ungestiitzten Antworten bereits abzeichneten, genauer herauszuarbeiten und auf Plausibi­litiit zu iiberpriifen. Stellt man die Ergebnisse mit Bezug zu Eintrittsprojekten in der ehem. Sowjetunion denjenigen fUr aIle vier untersuchten osteuropaischen Liinder gegen­iiber, so wei sen einige Kriterien bei den Durchschnittswerten relativ deutliche Abwei­chungen auf (~ 0.4, siehe Abbildung 4).

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Kriterium UdSSR Gesamt

Kapitalverlustrisiko 1.1 2.0 Politische Lage 1.6 2.1 Transportfaktoren 2.1 2.6

Handelshemmnisse 2.5 1.8 Fertigungs-Betriebsgrii8envorteile 2.6 2.1 Staatliche Investitionsanreize 2.9 2.5

Abb. 4: Spezifika des Eintritts in die ehem. Sowjetunion (Mittelwerte) Quelle: Untersuchung des Lehrstuhls fiir Absatzwirtschaft an der Universitiit Bamberg

Die politisch und wirtschaftlich in stabile Lage in der ehem. Sowjetunion bringt es mit sich, daB den risikobezogenen Uinderfaktoren beim Eintritt in diesen Markt iiberdur< schnittliche Bedeutung zukommt. Zudem schwlicht die restriktivere Investitionsgesetzge­bung die insgesamt schon geringe Bedeutung von staatlichen Investitionsanreizen weiter abo So gesehen ware eine Produktionsverlagerung im Fall der ehem. UdSSR eher abzu­lehnen.

Andererseits erhOht die GroBe des Landes den Stellenwert der Transportproblematik. und die MarktgroBe macht die Diskussion urn ausreichende Skalenvorteile in der Produktion nahezu irrelevant, was dann doch eher fUr eine Verlagerung sprliche.

4.4 Moglicher Einflu8 untemehmensspezifischer Charakteristika auf die Eintrittsform

Uber die von den Entscheidem geliuBerten Kriterien hinaus wurde versucht, indirekt An­haltspunkte fiir mogliche weitere untemehmensseitige EinfluBfaktoren der Formenwahl in osteuropliischen Markten zu finden. Hierzu verkniipften wir in der Untersuchung erhobe­ne Firmenmerkmale mit der vorrangig gewlihlten Eintrittsform. Da sich das Datenmateri­al yom Stichprobenumfang her kaum zu quantitativen Auswertungen eignet, konnen nur einige zentrale Trendaussagen abgeleitet werden.

Dazu wurde nach der Grundausrichtung des eintretenden Untemehmens in 12 Exporteu­re, 8 Lizenzgeber und 9 Investoren gesplittet. Die Einteilung erfolgte zunlichst nach der ausschlieBlich oder iiberwiegend angewandten Eintrittsform. Die verbleibenden Untemeh­men, die verschiedene Formen parallel in gleichem Umfang einsetzen, wurden nach ih­rem aus den Antworten ersichtlichen Selbstverstlindnis einer der drei Kategorien zugeord­net.

Zunlichst wurde untersucht, ob Unterschiede im strukturellen Merkmal "Untemehmens­~rOBe" deutlich werden, wenn man nach der vorrangig gewlihlten Markteintrittsform trennt. Dabei ergaben sich doch recht klare Abweichungen in der vermuteten Richtung: Investoren wiesen mit durchschnittlich etwa 21 Mrd. DM einen mehr als zehnmal hohe­ren Jahresumsatz (Welt 1990) auf als reine Exporteure oder als Lizenzgeber. Kein einzi­ger Exporteur oder Lizenzgeber erzielte mehr als 5 Mrd. DM Umsatz, jedoch fUnf der neun Investoren. Damit wird die aus der Theorie der intemationalen Untemehmung abge-

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Wimmer/Wesnitzer: Markteintrittsstrategien 247

leitete These gestiitzt, daB die Unternehmensgro.6e und die damit verbundene Ressourcen­verfiigbarkeit die Wahl der Eintrittsform beeinflu.6en.

Ais weiteres strukturelles Unternehmensmerkmal mit potentiellem Einflu.6 auf die For­menwahl wurde der Internationalisierun~s~rad herangezogen. Je nachdem, ob es sich fiir das befragte Unternehmen bei den osteuropaischen Markten urn das letzte "wei.6e Feld auf der Landkarte" handelte, alle iibrigen relevanten Auslandsmarkte also bereits bearbei­tet wurden, erfolgte - teilweise erglinzt durch den Exportanteil bzw. Anteil des im Aus­land erzielten Umsatzes - eine Klassifikation in drei Internationalisierungsgrade. Klare Hinweise darauf, daB Firmen mit gro.6erer Erfahrung aus zahlreichen Auslandsmarktein­tritten beim Eintritt in neue Under keine Lernphasen (mit Export und Lizenz) benotigen, sondern direkt iiber die Form der Produktionsinvestition einsteigen wiirden, ergaben sich jedoch nicht. Allerdings handelte es sich bei den Firmen meist urn Gro.6unternehmen, so daB wohl eine Korrelation mit dem Kriterium Unternehmensgr0.6e vorliegt.

Der Technologiegehalt des fiir den Markteintritt vorgesehenen Produktes schlie.6lich kann die Wahl der Eintrittsform ebenfalls beeinflussen, speziell im Hinblick auf die Teilent­scheidung "Lizenzvergabe versus Direktinvestition". In der Literatur wird einerseits fiir einen verringerten Einsatz der Lizenzvergabe bei High-tech-Produkten aus Geheimhal­tungsgriinden argumentiert. Andererseits scheint auch der umgekehrte Zusammenhang plausibel, daB gerade High-tech-Produkte attraktive und gut iiber Patente absicherbare Li­zenzgegenstlinde darstellen. Sie zwingen zudem durch meist kiirzere Lebenszyklen zu ei­ner raschen ErtragsausschOpfung, fiir die sich die Lizenzierung gut eignet.

Die befragten Unternehmen wurden nach dem Technologiegehalt der Produkte' mit denen sie auf den osteuropaischen Markten vertreten waren, den beiden Kategorien "niedriger Technologiegehalt" (in der Untersuchung typischerweise Nahrungsmittel, Kosmetika) und "hoher Technologiegehalt" (z.B. Unterhaltungselektronik, elektrische Haushaltsgerate) zugeordnet.

Technologiegehalt

Eintrittsformen niedrig hoch

Exporteur 5 7 Lizenzgeber 8 -Investor 8 1

Abb. 5: Untemehmen nach Eintrittsform und Technologiegehalt der Produkte QueUe: Untersuchung des Lehrstuhls fUr Absatzwirtschaft an der Universitit Bamberg

In Abbildung 5 zeigt sich ein relativ eindeutiges Bild, das auf den ersten Blick die Ge­heimhaltungsthese zu stiitzen scheint: Hersteller technologieintensiver Konsumgiiter lehn­ten die Lizenzvergabe beim Eintritt in osteuropaische Mlirkte abo Da sie jedoch die Inve­stition offenkundig als eben so ungeeignet empfanden, sind theoriegeleitete Thesen wie die obige flir Osteuropa offenbar unbrauchbar. Entscheidend wirkt sich vielmehr aus, daB der (proze.6-)technologische Entwicklungsstand der osteuropaischen Unternehmen eine lokale Produktion von Konsumgiitern mit hohem Technologiegrad dort kaum zullillt, egal ob als Eigen- oder Fremdproduktion. Fiir Hersteller solcher Produkte bleibt somit nur der Ex­port.

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248 Wimmer/Wesnitzer: Markteintrittsstrategien

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Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien

Markteintrittsstrategien deutscher Unternehmen in Ungarn: Ergebnisse einer empirischen Erhebung

von

Prof. Dr. Johann Engelhard / Dipl.-Kfm. Stefan Eckert Lehrstuhl fUr Betriebswirtschaftslehre, insb. Europaisches Management

Otto-Friedrich-Universitat Bamberg

1 Osteuropiiische Miirkte als neues Betiitigungsgebiet fur deutsche Unternehmen

249

2 Internationalisierung von Unternehmen als Untersuchungsgegenstand wirtschafts­wissenschaftlicher Forschung 2.1 Definitorische Abgrenzung 2.2 Theorien der Intemationalisierung von Untemehmen

3 Ungarisches Wirtschaftssystem und ungarische Investitionsgesetzgebung im Zeit­ablauf

4 Markteintrittsstrategien deutscher Unternehmen in Ungarn vor dem Hintergrund der Transformation des Wirtschaftssystems 4.1 Marktauswahlverhalten 4.2 Untemehmenspolitische Ziele 4.3 Risikobeurteilung 4.4 Entwicklung von Intemationalisierungspfaden

4.4.1 Grundsatzliche Uberlegungen

S Fuit

4.4.2 Intemationalisierungspfade deutscher Untemehmen in Ungam 4.4.3 EinfluB der Untemehmensgro6e auf das Intemationalisierungsverhalten 4.4.4 Zeitliche Differenzierung des Intemationalisierungsverhaltens

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250 Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien

1 Osteuropaische Markte als neues Betatigungsgebiet fUr deutsche Unternehmen

Osteuropa ist in den letzten Jahren zunehmend in das Interessenfeld westlicher Untemeh­men geriickt. Der Wandel von zentral-administrativ gelenkten Wirtschaftssystemen zu marktwirtschaftlichen Ordnungen verspricht niimlich bislang abgeschottete Markte im­mensen AusmaBes fUr westliche Untemehmen zu offnen. Angesichts des hohen Siitti­gungsgrades westlicher Markte sehen viele Untemehmen darin eine Chance, langfristig neue Absatzmarkte zu erschlie6en (zu Marktbearbeitungsmotiven fUr Osteuropa vgl. bspw. Wesnitzer 1993, 2 ff.).

Die Expansion westlicher Untemehmen in Richtung Osteuropa hat deshalb teilweise Ziige angenommen, die an den amerikanischen Goldrausch des vergangenen Jahrhunderts erin­nem. Die anfangliche Euphorie wieh aber bei vielen Untemehmen aufgrund der auftre­tenden massiven Probleme rasch einer tiefgreifenden Desillusionierung und Emiichterung (vgl. o. V. 1992, 15). Ursiichlich dafUr war wohl in zahlreichen Fiillen eine ungeniigende Vorbereitung auf die kultur- und wirtschaftssystemspezifischen Besonderheiten der osteu­ropiiischen Staaten und der daraus sich ergebenden untemehmenspolitischen Probleme. Vielfach wurden westliche Untemehmen auch durch die diskontinuierliche politische und wirtschaftliehe Entwieklung iiberfordert. Die Einschiitzung der Volatilitiit der Aufgaben­umwelt aus Untemehmenssieht stimmte offensichtlich mit dem tatsiichlichen Spektrum der Rapiditiit und Widerspriichlichkeit der Veriinderungen nieht iiberein.

Angesiehts der faktischen Probleme und der Komplexitiit der in Osteuropa vorhandenen Rahmenbedingungen erwiichst die dringende Notwendigkeit, die Untemehmenspraxis bei der Bearbeitung der ehemaligen RGW-Markte mit methodisch fundierten Analysen zu un­terstUtzen. Dieses unumstrittene Anliegen st06t allerdings an Grenzen theoretischer Machbarkeit: Zum einen ist die Intemationalisierung von Untemehmen ein weit ausgrei­fendes Phiinomen, das bislang immer noch ungeniigend erforscht ist. Zum anderen hat der politische und wirtschaftliche Transformationsproze6 in Osteuropa eine vollig neue historische Situation geschaffen, die ~ili1eLk~_I}I}t. Gerade aufgrund der Einma­ligkeit der Ereignisse ergibt sich aus-wissenschaftlicher Sieht die seltene Chance, den Zu­sammenhang zwischen Wirtschaftssystem, Wandel des Wirtschaftssystems und Marktein­trittsverhalten wirtschaftssystemfremder Untemehmen zu untersuchen.

Es ist das Ziel des vorliegenden Beitrags, diesen Zusammenhang am Beispiel Ungams nii­her zu beleuchten. Die Auswahl Ungams wird hierbei insbesondere durch dessen Vorrei­terrolle im Proze6 des Systemwandels gerechtfertigt. 1m Falle Ungams scheint der politi­sche und wirtschaftliehe Systemwandel nahezu vollzogen, so daB besonders der Zusam­menhang zwischen Wirtschaftssystemtransformation und Marktbearbeitungsverhalten aus­liindischer Untemehmen offengelegt werden kann.

Grundlage des Beitrags ist der auf Ungam bezogene Teilbereich einer breit angelegten empirischen Befragung deutscher Untemehmen mit Aktivitiiten in den ehemaligen RGW­Uindem, die im Laufe des Jahres 1992 durchgefUhrt wurde. Diese Untersuchung ist Teil eines Forschungsprojekts zum Intemationalisierungsverhalten deutscher Untemehmen in osteuropiiischen Uindem. Hierbei wurden u. a. 500 Untemehmen zu ihren Geschiiftsakti­vitiiten in Ungam befragt. Davon konnten 78 verwertbare Antworten in die Untersuchung einbezogen werden. Einen Uberblick iiber erste Forschungsergebnisse beziiglich des

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Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien 251

Marktbearbeitungsverhaltens deutscher Untemehmen in Ungam geben die folgenden Aus­fiihrungen.

2 Internationalisierung von Unternehmen als Untersuchungsgegen­stand wirtschaftswissenschaftlicher Forschung

2.1 Definitorische Abgrenzung

Fiir die Analyse des Intemationalisierungsverhaltens von Untemehmen ist eine Klarung des Begriffs "Intemationalisierung" angezeigt. Obwohl bereits zahlreiche Untersuchungen im Bereich Intemationales Management sich mit Intemationalisierung von Untemehmen beschiiftigt haben, ist bislang dennoch keine vollige Ubereinstimmung im Begriffsver­standnis erreicht worden.

Wahrend beispielsweise DULFER unter Intemationalisierung " ... jede Art grenziiber­schreitender Aktivitat der Untemehmung ... " (Diilfer 1991, 105; vgl. bspw. auch Kohler 1991, 52 ff.) faBt, will SHIN Intemationalisierung als ProzeB von Auslandsaktivitaten verstanden sehen, " ... der sich beginnend mit dem Export bis hin zur Errichtung einer Tochtergesellschaft entwickeln kann" (Shin 1984, 4). Dieser Auffassung folgen auch MACHARZINA und ENGELHARD, indem sie Intemationalisierung als Teil der Unter­nehmensentwicklung verstehen, der " ... iiber die Zeit..." (Macharzina/Engelhard 1984, 30) stattfindet. Zusatzlich folgem sie: "Sie ist ein ProzeB der zunehmenden Ausweitung oder der riickwiirtsgerichteten Einschrankung des Auslandsengagements mit entsprechen­den Konsequenzen fiir die Untemehmensstrategie und -struktur" (Macharzina/Engelhard 1984, 30). Nach dieser Definition sagt der Terminus Intemationalisierung allerdings noch nichts iiber die Richtung der Untemehmensentwicklung in bezug auf den Grad intematio­naler Verflechtung aus.

LUOSTARINEN bezieht neben Entscheidungen iiber Eintrittsformen und Typen bearbei­teter Miirkte sogar Entscheidungen iiber die Produktkategorien, die in den grenziiber­schreitenden Transfer eingebunden sind, in die Intemationalisierungsentscheidungen mit ein (vgl. Luostarinen 1979, 177).

Die aufgezeigten Unterschiede beziiglich des Begriffsverstandnisses von Intemationalisie­rung erfordem eine definitorische Eingrenzung unter Beriicksichtigung artverwandter Termini. 1m folgenden solI Intemationalisierung als ein ProzeB der Untemehmensent­wicklung hin zu einem hOheren Intemationalisierungsgrad (vgl. Welch/Luostarinen 1988, 36) verstanden werden. Ein hoherer Intemationalisierungsgrad (vgl. zur Problematik der Messung von Intemationalisierungsgraden Schmidt 1980, 57 ff.) kann einerseits durch verstarktes Engagement auf ausIandischen Miirkten und andererseits durch die Auswei­tung der Untemehmenstatigkeit auf bislang nicht bearbeitete auslandische Miirkte erreicht werden. Die erste Moglichkeit der Erreichung eines erhohten Intemationalisierungsgrades ist in vielen Fallen mit einer Veranderung der Markteintrittsform bzw. Marktbearbei­tungsform verbunden. Eine verstarkte Bindung von Ressourcen im Ausland durch den Wechsel der Marktbearbeitungsform stellt somit eine Teilkomponente der Intemationali­sierung von Untemehmen dar. Diese Teilkomponente steht im Mittelpunkt der durchge­fiihrten Untersuchung[Ziel ist dabei festzustellen, ob sich bestimmte typische Verhaltens­weisen bei der Veranderung von Marktbearbeitungsformen in einem spezifischen Aus-

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252 Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien

landsmarkt (unter spezifischen Rahmenbedingungen) identifizieren lassen. Veriinderungen der Marktbearbeitungsform eines Auslandsmarktes werden als Marktbearbeitungs­verhalten bezeichnet und sind Teil des Intemationalisierungsverhaltens von Untemehmen.

2.2 Theorien der Internationalisierung von Unternehmen

Terminologische Vagheiten und Inkonsistenzen des Intemationalisierungskonstrukts be­hindem zwar die Verstiindigung der einschliigigen Fachvertreter, deren evidentes For­schungsinteresse am Erfahrungsobjekt "Intemationale Untemehmung" wurde dadurch al­lerdings nicht geziigelt. Der iiberbordende Literaturbestand zur Theorie intemationaler Untemehmenstiitigkeit weist daher eine Fiille von Erkliirnngsansiitzen (vgl. zu einer syn­optischen Darstellung bspw. Macharzina 1982, 113 ff.) aus, von denen einzelne Stro­mungslinien der Argumentation knapp wiedergegeben werden.

Ein Kembereich theoretischer Konzeptualisierungsbemiihungen gilt der Erkliirnng der Existenz des Phiinomens der intemationalen Untemehmung. Vor allem im anglo-amerika­nischen Raum wurde diese Problemstellung bereits in den 60er Jahren verstiirkt aufgegrif­fen. Bestiindig auftauchende Erkliirnngsansiitze fUr die Existenz von intemationalen Un­temehmen waren dabei das Auftreten von Marktversagen (vgl. Hymer 1977), Transakti­onskosten (vgl. Calvet 1981, 43 ff.)}oder das Zusammentreffen verschiedener giinstiger Rahmenbedingungen und firmenintemer Vorteile (vgl. Dunning 1988?J

1m Vergleich dazu fristet die wissenschaftIiche Auseinandersetzung mit Intemationalisie­rungsprozessen als Teil der Untemehmensentwicklung bislang ein Schattendasein. Zentra­Ie Fragestellung ist hier die Suche nach typischen Mustem in der Untemehmensentwick­lung von der nationalen zur intemationalen Untemehmung sowie die Erkliirnng dieser Vorgehensweisen. Ais giingiger Ansatzpunkt wird dabei in den meisten Fiillen auf die strategische Vorgehensweise bei der Bearbeitung ausliindischer Markte zuriickgegriffen. So versucht beispielsweise RUGMAN den Intemationalisierungspfad von Untemehmen durch Intemalisierungsvorteile zu erkliiren und schliigt folgende Abfolge der Betiitigungs­formen vor: Export - Direktinvestition - Lizenzvergabe (vgl. Rugman 1980, 23 ff.)

Ein anderer Ansatz findet sich im Intemationalisierungsmodell der Uppsala Schule. JO­HANSON und WIEDERSHEIM-PAUL erkliiren in ihrem Modell nicht nur die Vorge­hensweise bei der Bearbeitung ausliindischer Markte, sondem auch die dieser genetisch vorausgehenden Marktwahl. Das Modell fuBt auf dem Konzept der kognitiven Distanz, die der/die Entscheidungstriiger im Vergleich von HeimatIand und den Zielliindem perzi­pieren. Auch hier kommt es zur Identifizierung eines typischen Intemationalisierungspfa­des, der "establishment chain" (vgl. Johanson/Wiedersheim-Paul 1975, 306 f.). Diese In­temationalisierungskette besteht im einzelnen aus folgenden Gliedem, die in dieser Rei­henfolge realisiert werden:

- keine regularen Exportaktivitiiten

- Export iiber unabhiingige Dritte

- Einrichtung einer Vertriebsgesellschaft

- Einrichtung einer Produktionsgesellschaft

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Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien 253

(vgl. Johanson/Wiedersheim-Paul 1975, 307). Die Giiltigkeit der Theorie der kognitiven Distanz wird allerdings durch die Veriinderung relevanter Rahmenbedingungen einge­schriinkt (vgl. Nordstrom 1991, 180 f. oder Johanson/Vahlne 1990, 15). Diesbeziiglich wird davon ausgegangen, daB mit zunehmender intemationaler Erfahrung und zunehmen­der kultureller Konvergenz nationaler Markte der Erklarungsgehalt des Faktors kognitive Distanz abnimmt.

Sowohl das Wirtschaftssystem als auch die legislativen Rahmenbedingungen fiir Okonomi­sche Aktivitaten bilden wichtige Bestandteile der Kultur eines Landes. Deren Einflu6 auf die intemationale Betiitigung deutscher Untemehmen in Ungam wird im weiteren unter Bezugnahme auf die Theorie der kognitiven Distanz gepriift. Aufgrund der statistisch bis­lang nicht erfaBten Grundgesamtheit deutscher Untemehmen mit Engagements in Ungam sind die Ergebnisse nicht reprasentativ; ihr explorativer Charakter erlaubt dennoch analy­tisch interessante Einblicke in ein neues Segment des Intemationalisierungsverhaltens.

3 Ungarisches Wirtschaftssystem und ungarische Investitionsgesetzge­bung im Zeitablauf

Eine Analyse des Zusammenhangs zwischen dem Marktbearbeitungsverhalten von Unter­nehmen und landerspezifischen Rahmenbedingungen setzt zunachst eine Auseinanderset­zung mit den das untemehmenspolitische Verhalten beeinflussenden Rahmenbedingungen voraus. In Ungam wurde 1949 das System der kommunistischen Zentralverwaltungswlrt­schaft implementiert (vgl. zu den konstitutiven Merkmalen der Zentralen Direktiven Planwirtschaft BaBeler/Heinrich 1984). Bereits Mitte der 50er Jahre waren allerdings be­reits erste Bestrebungen weg yom System der zentral verwalteten Wirtschaft stalinisti­schen Stils festzustellen. Ein erster entscheidender Einschnitt fand jedoch erst im Jahre 1968 mit der Einfiihrung des "Neuen Okonomischen Mechanismus" statt. Das bis dahin installierte Planungssytem, welches wirtschaftliche Input- und Outputziele bis in die ein­zelnen Wirtschaftseinheiten vorgegeben hatte, wurde durch ein System abgelost, das den Wirtschaftseinheiten gro6eren Spielraum gab und die zwangsweise Erfiillung von Plan­vorgaben beseitigte. Jedoch erfuhr diese Phase der Liberalisierung schon bald wieder Ein­sctrriinkungen und nach 1973 begann eine "Phase der Rezentralisierung". Eine in gro6em Rahmen durchgefiihrte Konzentration von Untemehmen in Trusts mit einer gleichzeitigen Aufwertung der Planvorgaben induzierte eine nahezu vollstandige Konterkarierung be­gonnener Reformen.

Die ersten rechtlichen Grundlagen fiir Auslandsinvestitionen wurden in Ungam im Jahre 1972 gelegt. Diese Liberalisierung der Moglichkeiten auslandischer Untemehmen verlief allerdings parallel mit einer Rezentralisierung des wirtschaftlichen Umfelds. Angesichts dieser Rahmenbedingungen, unter Beriicksichtigung der noch unzureichenden legislativen Moglichkeiten - der auslandische Kapitalanteil konnte maximal 49% betragen, die Tatig­keit der Gemeinschaftsuntemehmen beschriinkte sich auf den Dienstleistungs- und Han­delsbereich, das Genehmigungsverfahren erwies sich als umstandlich - ist die mangelhafte Resonanz westlicher Untemehmen daher verstandlich.

Eine emeute Trendwende wurde Ende der 70er Jahre unter dem Eindruck der okonomi­schen Konsequenzen der beiden Olkrisen eingeleitet. Die Entflechtung der stark monopD­lisierten Industrie wurde forciert und gleichzeitig wurde die Griindung kleiner Untemeh-

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men gefordert. Eine Offnung zum Westen hin wurde durch Ungarns Beitritt in den Inter­nationalen Wahrungsfonds und die Weltbank signalisiert. 1m Bereich der Gesetzgebung von Gemeinschaftsuntemehmen wurden weitere rogerliche Liberalisierungsschritte unter­nommen. Die Mitte der 80er Jahre stellt fiir Ungarn den wesentlichen Wendepunkt der Entwicklung dar. Die zunehmende Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation er­munterte die ungarische Regierung zur Ausarbeitung eines Reformprogramms, dessen Ziel die Etablierung einer sozialistischen Marktwirtschaft sein soUte. Um den Transfer von westlichem Kapital zur Unterstiitzung der wirtschaftlichen Entwicklung zu starken, wurde 1986 ein Investitionsschutzabkommen zwischen Ungarn und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen. Unter anderem wurde deutschen Investoren darin Entschadi­gung bei Enteignung sowie der freie Transfer von Kapital und Ertrligen zugesichert. Die politische Abkehr vom totalitaren Einparteienregime der USAP institutionalisierte glei­chermaBen die endgiiltige Abwendung vom System der Zentralverwaltungswirtschaft und die Hinwendung zu einem marktwirtschaftlichen System westlicher Pragung. Von 1988 an ist eine Welle von LiberalisierungsmaBnahmen im Bereich der Auslandsinvestitionsge­setzgebung festzusteUen, an deren Ende eine, bis auf sektorale Ausnahmen, vollstlindige Entscheidungsfreiheit beziiglich der Ausgestaltung von Auslandsinvestitionen ohne die Notwendigkeit einer Genehmigung stand.

4 Markteintrittsstrategien deutscher Unternehmen in Ungarn vor dem Hintergrund der Transformation des Wirtschaftssystems

Der Zusammenhang zwischen Untemehmensumwelt im TransformationsprozeB und Markteintrittsverhalten soli anhand der durchgefiihrten Befragung naher analysiert wer­den. Die folgende Darstellung bezieht sich auf die Ergebnisse der erhobenen Studie, da­her ist in der Folge mit dem Terminus "deutsche Untemehmen" immer von den 78 unter­suchten Untemehmen die Rede.

4.1 Marktauswahlverhalten

Wichtige erste Uberlegungen betreffen das Marktwahlverhalten deutscher Untemehmen in Osteuropa angesichts evidenter Turbulenzen in der Entwicklung der Rahmenbedingun­gen. Trotz der uniibersehbaren Komplexitlit und Turbulenz sind im Zerfall des osteuropa­ischen Blocks Grundtendenzen zu erkennen. Betrachtet man den Stand der Transformati­on, die okonomische Grundausstattung sowie den Grad an politischer und sozialer Stabili­tlit in den einzelnen osteuropliischen Undem, so zeigt sich eine Tendenz der Spaltung in zwei Lager.

Auf der einen Seite stehen hierbei Ungam, Polen, und die ehemalige CSFR, deren wirt­schaftliche und politische Lage im Vergleich zu den anderen osteuropliischen Staaten we­sentlich mehr AniaB zu Optimismus gibt als die entsprechende Situation in den siidosteu­ropliischen Staaten Rumlinien, Bulgarien, Albanien, den ehemals zu Jugoslawien gehoren­den Undem sowie den Staaten der ehemaligen UdSSR es vermag.

Die Dipolarisierung der ehemals von westlichen Untemehmen als extrem homogen wahr­genommenen Staatengemeinschaft RGW schlagt sich im Marktwahlverhalten deutscher Untemehmen nieder. Demzufolge lautet die erste These:

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Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien

1. Deutsche Untemehmen. die in Ungam tiitig sind. betatigen sich hliufiger zusatzlich in der CSFR und in Polen als in anderen osteuropiiischen Undem.

255

Die Ergebnisse der Befragung von 78 deutschen Untemehmen untermauem diese Vermu­tung. Die in Abbildung 1 dargestellte Haufigkeitsverteilung von anderen zusatzlich bear­beiteten osteuropiiischen Staaten belegt, daB deutsche Untemehmen, die in Ungaro aktiv sind, mit Vorliebe auch in der CSFR oder in Polen tatig sind. Widerspriichlich scheint in gewissem MaBe die hohe Haufigkeit an zusatzlichen GUS-Aktivitiiten. Dem liiBt sich al­lerdings entgegenhalten, daB es sich bei der GUS urn einen Staatenbund handelt. Wiirde man die Aktivitiiten nach einzelnen Republiken differenzieren, ware eine umso deutliche­re Bestiitigung der These zu erwarten.

70

60

50

40

30

20

10

0

60

Albanien Bulgarien CSFR GUS Polen Rumanien

Abb. 1: AktivitJiten deutscher Untemehmen, die in Ungam tJitig sind, in anderen osteuropaischen Liindem

Hierbei sind 43 deutsche Untemehmen, die in Ungaro operieren, sowohl in der CSFR als auch in Polen aktiv. Das entspricht einem Prozentsatz von 55 %. Andererseits sind nur 14 deutsche Untemehmen aus unserer Untersuchung (18%), die in Ungaro tatig sind, nicht in der CSFR und nicht in Polen aktiv (vgl. Abb. 2).

Somit unterstiitzen die Ergebnisse un serer Untersuchung die Uberlegung, daB in der Re­gel eine gleichzeitige Bearbeitung der Markte Ungaro, Polen und CSFR auftritt. Diese Verhaltensweise belegt die These einer relativen Homogenitat dieser Under in der Ent­wicklung innerhalb des Transformationsprozesses. Offensichtlich entsteht hier, zumindest in den Kopfen westlicher Untemehmer ein Wirtschaftsraum, angesichts dessen Homoge­nitat eine sequentielle Marktbearbeitung im Sinne einer Wasserfallstrategie nicht erfolg­versprechend erscheint.

Dariiber hinaus spiegelt sich die unterschiedliche Stabilitat der osteuropiiischen Under im Marktbearbeitungsverhalten der deutschen Untemehmen wider. Instabilere Under sind weniger haufig das Ziel der Marktbearbeitung deutscher Untemehmen.

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50 - ---.- - ----.- ------- - -------, 43

40

30

20 14

10 4

o nurUngarn UngamJPolen UngamJCSFR Ungam{polen/CSFR

Abb. 2: Aktivititen deutscher Untemehmen in den Visegrad-Lindem

4.2 Unternehmenspolitische Ziele

Urn das Marktbearbeitungsverhalten von Unternehmen besser zu verstehen, gilt es zu analysieren, welche zugrundeliegenden Motive deutsche Unternehmen veranlassen, in Ungarn tiitig zu werden. Da der osteuropiiische Markt bislang fUr westliche Unternehmen nicht zuganglich war, auf der anderen Seite aber nunmehr langfristig ein immenses Kun­denpotential bietet, formulierten wir die These 2:

2. Absatzpolitische Ziele dominieren bei der Marktbearbeitunl: deutscher Un­ternehmen in Ungarn.

Bei der Befragung wurden die deutschen Unternehmen gebeten, verschiedene Motive, die der Bearbeitung eines auslandischen Marktes zugrunde liegen, beziiglich ihrer Bedeutung fiir ihre Aktivitiiten in Ungarn einzuordnen. Hierbei wurden unter anderem die folgenden Motive in die Bewertung einbezogen:

- ErschlieJ3ung des ungarischen Absatzmarktes

- ErschlieJ3ung mehrerer osteuropiiischer Markte iiber die Basis Ungarn

- Ausnutzung steuerlicher Vorteile

- Nutzung von Kostenvorteilen.

Die hohe Bedeutung, die absatzpolitischen Zielen eingeraumt wird, manifestiert sich in der hohen Zahl an Unternehmen, die dieses Motiv in die Kategorie "sehr wichtig" oder "wichtig" einstuften (vgl. Abb. 3).

Wenig iiberraschend war sicherlich auch das Ergebnis, daB steuerliche Aspekte bei der Entscheidung, grenziiberschreitende Aktivitiiten zu entfalten, in Ungarn kaum eine Rolle

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Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien 257

spielten. Erstaunlicher erscheint aber die relativ schwach ausgepragte Bedeutung Ungarns als "Briickenkopf' fiir weitere osteuropiiische Markte (vgl. Abb. 4).

ErschlieBung des ungarischen Absatzmarktes

50

40 37

Abb. 3: Erschliellung des ungarischen Absatzmarktes als Motiv der Marktbearbeitung

20

ErschlieBung mehrerer osteuropaischer Absatzmarkte uber die "Basis" Ungarn

19 19

Abb. 4: Ungaro als Briickenkopf fiir die Bearbeitung weiterer osteuropaischer Markte

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258 Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien

Dieses Ergebnis bestiitigt andererseits unsere These eines simultanen Markteintritts in mehrere osteuropaische Under (vgl. die Ergebnisse des Marktwahlverhaltens). Die se­quentie\le Marktbearbeitung, durch die Nutzung eines osteuropaischen Landes a1s "Briik­kenkopf' fUr den Markteintritt in anderen osteuropaischen Undern, erweist sich einer­seits durch die desintegrativen Tendenzen des osteuropaischen Blocks und andererseits durch den hohen Grad an Homogenitiit zwischen den favorisierten ZielUindern Ungaro, CSFR und Polen a1s wenig vorteilhaft.

Die Bedeutung von Kostenvorteilen unterliegt hingegen sehr unterschiedlichen Einschiit­zungen (vgl. Abb. 5).

Nutzung von Kostenvorteilen

25

21

Abb. 5: Nutzung von Kostenvorteilen als Motiv der Marktbearbeitung in Ungarn

Augenscheinlich ist die Relevanz von Kostenvorteilen stark von der Art der Marktbear­beitung abhiingig und spielt vor alIem bei jenen Unternehmen eine groBe RolIe, die in Ungaro produzieren. Kostenvorteile lassen sich gegentiber den westeuropaischen Nach­barliindern insbesondere bei den Lohnkosten realisieren.

4.3 Risikobeurteilung

Da das MarkteintrittsverhaIten in hohem MaB von der subjektiven Risikoeinschiitzung tiber ein Land abhiingt, wurden die untersuchten Unternehmen befragt, wie sie die Un­derrisiken in Ungam einschiitzten (zur Problematik der Bewertung von Underrisiken vgl. Engelhard 1992, 382). Angesichts der relativ stabilen evolutorischen Entwicklung in Un­garo in Richtung Marktwirtschaft und Demokratie und der vorfindbaren Situation wurde folgende These aufgestelIt:

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Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien

3. Zahlun~sstromorientierte Underrisiken dominieren ge~eniiber kapitalbe­standsorientierten Risiken.

259

Konkret wurden die Untemehmen gebeten, folgende Risiken fiir das Land Ungaro einzu­stufen:

- Politische Stabilitiit

- Enteignungsrisiko

- Wechselkursrisiko

- Transferrisiko.

Un serer Ansicht nach hatten dabei das Risiko politi scher Instabilitat und das Enteignungs­risiko lediglich sekundare Bedeutung, wah rend angesichts der schwierigen wirtschaftli­chen Situation grenziiberschreitende Zahlungsstrome doch einem wesentlich hoheren Transfer- sowie insbesondere Wechselkursrisiko ausgesetzt sind.

Diesbeziiglich wurden unsere Einschatzungen durch die dort tiitigen deutschen Untemeh­men bestatigt (vgl. Abb. 6 und 7). Kaum ein Untemehmen maJ3 der Gefahr der Enteig­nung von Seiten des ungarischen Staates wesentliche Bedeutung beL In gleichem Urn fang wurde auch die Gefahr politischer Instabilitat trotz einer parteipolitischen Splitterland­schaft vorwiegend gering eingeschatzt. Wesentlich hOherem Risiko sind dernnach jedoch grenziiberschreitende Zahlungsstrome ausgesetzt, wobei diese Risiken eher aus der preka­ren wirtschaftlichen Situation resultieren und letzten Endes temporare Konsequenzen des okonomischen Transformationsprozesses sind.

Enteignungsrisiko 35

31

30

25

20

15

10

5

0 '----'---sehr wichtig v611ig bedeutungslos

Abb. 6: Enteignungsrisiko in Ungam aus der Sicht deutscher Untemehmen

Page 259: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

260 Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien

(Kapital-) Transferrisi ko 25 r---------------------------------------~

21

Abb. 7: Transferrisiko in Ungam aus der Sieht deutscher Untemehmen

4.4 Entwicklung von Internationalisierungspfaden

4.4.1 Grundsatzliche Uberlegungen

1m Zentrum der vorgenommenen Untersuchung stand das Internationalisierungsverhalten deutscher Unternehmen im ungarischen Markt. Konkret sollte an diesem Beispiel iiber­priift werden, ob es typische Muster im Internationalisierungsverhalten von Unternehmen gibt, ob diese durch institutionelle Veranderungen beeinfluBt werden und wenn ja, durch welche Faktoren diese EinfluBnahme stattfindet.

Angesichts spezifischer Rahmenbedingungen in Osteuropa muBten zur DurchfUhrung die­ser Analyse in einem ersten Schritt typische Markteintrittsformen deutscher Unternehmen in osteuropaischen Landern identifiziert werden. Dabei wurden 7 gangige Formen der Marktbearbeitung unterschieden: indirekter Export, direkter Export ohne eigene Repra­sentanz, direkter Export mit eigener Reprasentanz, Lizenzvergabe, Vertragsproduktion, Joint Venture und l00%ige Tochtergesellschaft (vgl. bspw. Kumar 1989, Sp. 914 ff.).

Einige dieser Formen sind besonders typisch fUr den Markteintritt in osteuropaische Lan­der. Indirekter Export als Markteintrittsform erwies sich im Fall osteuropaischer Mlirkte als giinstige und in Anspruch genommene Markteintrittsform, da die z'Y~di­schem Produzenten und auslandischem Importeur zwischengeschaiteterQntermediare)be­sondere Fachkompetenz im Umgang mit den Verfahrensweisen und Kommunikationska­naJen osteuropaischen AuBenhandels gesammelt haben (vgl. Kulhavy 1981, 12 ff.).

Die Einrichtung eigener Reprasentanzen als unterstiitzende MaBnahme fUr Exporttatigkeit war einerseits eine hilfreiche MaBnahme zur Verbesserung von Geschaftsverbindungen und andererseits ein erstes kapitalma6iges Engagement des Unternehmens im jeweiligen

Page 260: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien 261

Land. Entgegen der Einrichtung einer eigenen Reprasentanz hatten Untemehmen auch die Moglichkeit, unabhangige Reprasentanten oder die Reprasentanten anderer Untemehmen zu nutzen. Daher wurden Export ohne eigene Reprasentanz und Export mit eigener Re­prasentanz als weitere Exportformen unterschieden.

Da kapitalmlifiiges Engagement westlicher Untemehmen in Osteuropa lange Zeit sehr re­striktiv gehandhabt wurde, standen westlichen Untemehmen insbesondere Formen auslan­discher Produktion ohne eigenes Kapitalengagement, beispielsweise Lizenzvergabe, zur Verfiigung. Die Inkonvertibilitat osteuropaischer Wahrungen begiinstigte spezifische Ko­operationsformen, die unter dem Terminus "industrieller Countertrade" subsumiert wer­den. Vertragsproduktion als Form des industriellen Countertrade ermoglicht insbesondere die Ausnutzung von Lohnkostendifferenzen zwischen Ost- und Westeuropa (vgl. Jalloh 1990, 76 ff.).

SchlieBlich sind noch unterschiedliche Formen von Direktinvestitionen zu beriicksichti­gen. Hierbei ist zwischen l00%igen Tochtergesellschaften und Gemeinschaftsuntemeh­men (Joint Ventures) zu differenzieren. Die Bedeutung von Joint Ventures im Rahmen von Ost-West-Aktivitaten rechtfertigt deren akzentuierte Beriicksichtigung, da diese Form auslandischen Kapitalengagements vor dem Zusammenbruch des Ostblocks haufig die einzige Moglichkeit war, investiv tatig zu werden.

4.4.2 Internationalisierungspfade deutscher Unternehmen in Ungarn

Urn das Intemationalisierungsverhalten von Untemehmen zu analysieren, bedarf es eines Instrumentes, das in der Lage ist, komplexe Sachverhalte verstandlich aufzubereiten. In dieser Hinsicht erweist sich die "Intemationalisierungstafel" als geeignetes Werkzeug (vgl. Engelhard/Eckert 1993, 131 ff.). Wahrend die vertikale Referenz eines Feldes dar­iiber AufschluB gibt, von welcher Form der Marktbearbeitung aus ein Wechsel hin zu ei­ner anderen Form getatigt wurde, ist aus der horizontalen Referenz eines Feldes zu er­kennen, zu welcher Form der Marktbearbeitung hin gewechselt wurde (vgl. Tab. 1). Die Formen der Marktbearbeitung wurden dabei hinsichtlich ihrer durchschnittlichen typi­schen Intensitat an Auslandsmarktengagement (Foreign Market Exposure) sortiert.

Aufgrund der Fremdheit der Umwelt, die sich westlichen Untemehmen in Ungaro erOff­nete, waren wir der Auffassung, daB die kognitive Distanz als Erkllirungsfaktor fUr das Intemationalisierungsverhalten von Untemehmen in den I1indem des ehemaligen Ost­blocks eine groBe Rolle spielt. Dementsprechend wurden folgende Thesen formuliert:

4. Es existieren "typische" Verhaltensweisen beziiglich der Intemationalisie­rung deutscher Untemehmen in Ungaro.

5. Die vorgenommene Intemationalisierung deutscher Untemehmen verlauft im Fall Ungaros "in kleinen Schritten".

Bereits die kursorische Sichtung der Intemationalisierungspfade deutscher Untemehmen in Ungaro llifit erste SchluBfolgerungen zu. Zunachst ist relativ eindeutig der ProzeB eines iiberwiegend zunehmenden Engagements deutscher Untemehmen in Ungaro festzustellen, der sich in einer relativ starken Frequentierung der linken unteren HaIfte der Intemationa­lisierungstafel niederschlagt (vgl. Tab. I).

Page 261: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

262 Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien

von keine indirekter direkter direkter Lizenzver- Vertrags- Joint Tochter-

I Markt- Export Export ohne Export mit gabe produktion Venture ~esellschaft

bearbertung eigene eigener

J Reprasen- Reprasen-nach tanz tanz

keine Marktbearbei- X 1 1 - - -tung

indirekter Export I ,It' 13 X 1 1 2 1 -

direkter Export ohne 31)_ 3 X 1 2 - -eigene Reprasentanz t--

direkter Export mrt 15 3---.:.1 P. 121} eiflener R~asentanz X 2 4 1 1

Lizenzvergabe 10 5 8 \ 4 X 2 1

Vertragsproduktion 12 3 3 I~ 3 3 X 2 2

Joint Venture 7 3 10 (9) ~ 5 X 3

Tochtergesellschaft 11 2 6 8 7 ~ (12) X

Tab. 1: Internationalisierungspfade deutscher Untemehmen in Ungam von 1965 an (absolute Zahlen)

Weiterhin sind eben so typische Muster bei der Vorgehensweise der Intemationalisierung zu beobachten. So zeichnet sich insbesondere beim Blick auf die relativen Hllufigkeiten ziemlich kIar das Bild der folgenden "Intemationalisierungskette" ab (vgl. Tab. 2):

von keine indirekter direkter direkter Lizenzver- Vertrags- Joint

I Markt- Export Export ohne Export mit gabe produktion Venture

bearbertung eigene eigener

J Reprasen- Reprasen-

nach tanz tanz

keine Maridbearbei-tung

X 5,3 - 2,3 -indirekter Export 1jj(16,7 X 2,7 - 3,8 8 2,5

direkter Export ohne ~9,i t:::---15,8 eigene Reprasentanz X 2,3 7,7 -

direkter Export mit 19,2 15,~ ~~6~ X 7,7 16 2,5-eigener Reprasentanz

Lizenzvergabe 12,8 26,3 21,6\ 9,1 X 8 -

Vertragsproduktion 15,4 15,8 8,1 ~ 6,8 11,5 X 5

Joint Venture 9 15,8 27 ~0,5) ~2 20 X

Tochtergesellschaft 14,1 10,5 16,2 18,2 26,9 ~ (30}

Tab. 2: Intemationalisierungspfade deutscher Untemehmen in Ungam von 1965 an (relative Zahlen, Angaben in Prozent)

Tochter-~esellschaft

-

-

2,3

2,3

4,5

6,8

X

Page 262: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien 263

Keine Aktivitiiten in Ungarn -- > direkter Export ohne eigene Repriisentanz -- > direkter Export mit eigener Repriisentanz -- > Joint Venture -- > Tochtergesellschaft.

Oariiber hinaus bestiitigen relativ viele "Zwischenstationen" zwischen Anfangs- und End­zustand der Kette die Vermutung, daB die Intemationalisierung deutscher Untemehmen in Ungarn in kleinen Schritten erfolgt.

4.4.3 EinOu8 der Unternehmensgro8e auf das Internationalisierungsverhalten

Urn das Verhalten der Unternehmen genauer analysieren zu konnen, bedarf es einer diffe­renzierteren Betrachtung. Die Analyse des Internationalisierungsverhaltens von Unterneh­men unter Beriicksichtigung der UntemehmensgroBe lilt vermuten, daB groBe Unterneh­men tendenziell weniger Schritte im IntemationalisierungsprozeB benotigen urn zur Stufe von Oirektinvestitionen zu gelangen (vgl. JohansonlVahlne 1990, 12). Dies wird mit dem relativ hOheren MaB an Ressourcen, die groBen Unternehmen zur Verfugung stehen, be­griindet. Kleine Unternehmen, die wesentlich weniger an UberschuBressourcen auf wei­sen, tendieren in stiirkerem MaB zu einer Internationalisierung in kleinen Schritten. Fur die 78 untersuchten Unternehmen verwendeten wir den Umsatz des Unternehmens als In­dikator fUr die UnternehmensgroBe und differenzierten zwischen Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu und mehr als 40 Millionen OM. Uberraschenderweise lassen die ge­wonnenen Ergebnisse eher auf das Gegenteil als auf unsere Vermutungen schlieBen (vgl. Tab. 3 und 4). Kleine Unternehmen zeigen nicht das erwartete "vorsichtigere" Verhalten bei der Vorgehensweise der Marktbearbeitung, sondern erweisen sich im Gegenteil ten­denziell "kiihner" als groBe Unternehmen, indem sie den Schritt zur Direktinvestition im Vergleich zu GroBuntemehmen friiher innerhalb der Intemationalisierungskette ansetzen (vgl. hierzu auch Waas von Czege 1992, 273 f.).

von keine indirekler direkler direkler Lizenzver- Vertrags- Joint Tochter-Markl- Export Exportohne ExportmH gabe produklion Venture gesellschafl

bearbeHung eigene eigener Reprasen- Reprasen-

nach tanz tanz

keine Marklbearbei- X 1 - 1 - - - -tung_

indirekler Export 4 X 1 - 1 - 1 -direkler Export ohne 12 1 X 1 2 - - -eigene Reprasentanz

direkler Export mH 4 1 7 X - 2 - -eigener Reprasentanz

Lizenzvergabe 6 1 3 1 X 1 - 1

Vertragsproduklion 9 1 1 1 2 X 2 1

Joint Venture 5 1 5 2 3 4 X 2

T ochtergesellschaft 7 - 2 2 3 3 4 X

Tab. 3: Internationalisierungspfade deutscher Unternehmen in Ungarn (Umsatz kleiner als 40 Mio. DM)

Page 263: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

264 Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien

von keine indirekler direkler direkler Lizenzver- Vertrags- Joint Tochter-Markl- Export Export ohne Export m~ gabe produklion Venture ~esellschaft

bearbe~ung eigene eigener Reprllsen- Reprllsen-

nach tanz tanz

keine Marklbearbei- X - - - - - - -tuna

indirekler Export 9 X - - - 2 - -direkler Export ohne 17 2 X - - - - -ei!lene Reprllsentanz

direkler Export m~ 8 2 12 X 2 2 1 1 eigener Reprllsentanz

Lizenzvergabe 4 4 5 3 X 1 - -Vertragsproduklion 3 2 2 2 1 X - 1

Joint Venture 2 2 4 6 2 1 X 1

T ochtergesellschaft 3 2 4 3 4 3 8 X

Tab. 4: Intemationalisierungspfade deutscher Untemehmen in Ungam (Umsatz gro8er aIs 40 Mio. DM)

4.4.4 Zeitliche Differenzierung des Internationalisierungsverhaltens

Bei aggregierter Betrachtung iiber den gesamten Zeitraum der Analyse weisen die Ergeb­nisse ein gewisses MaB an Streuung auf. DemgemaJ3 galt es zu iiberpriifen, ob durch Dif­ferenzierung nach zeitlichen Phasen, die beziiglich unternehmerischer Rahmenbedingun­gen gegeneinander moglichst heterogen und andererseits innerhalb jeweils hinreichend homogen waren, verbesserte Ergebnisse erreicht werden konnten.

Ausgangspunkt der Uberlegungen waren die Phasen 1965-1968, 1969-1972, 1973-1979, 1980-1986 und die Zeit nach 1987. Fiir Veriinderungen im Internationalisierungsverhal ten maBgeblich verantwortlich gemacht konnten nach den Ergebnissen jedoch lediglich die Phasen 1965-1979, 1979-1986 sowie 1987 und spater. Diese Ergebnisse wurden durch simulative Suche nach kritischen Punkten iiberpriift und bestatigt. Die kritischen Zeitpunkte (vgl. Miller/Friesen 1980, 591 ff.), die eine Anderung im Internationalisie­rungsverhalten der auslandischen Unternehmen bewirkten, waren im Fall von Ungarn 1979 und 1986.

Die erste Untersuchungsphase von 1965 bis 1979 weist ein relativ vorsichtiges Verhalten der in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen auf. Obwohl bereits seit 1974 Joint Ventures erlaubt waren, konnten investive Engagements wiihrend dieses Zeitraums nicht festgestellt werden. Die Konzentration der meisten Unternehmen lag auf Exporttatigkeit und hierbei insbesondere auf Exporttatigkeiten ohne Kapitalengagement in Ungarn. Es blieb auch wiihrend dieser Phase bei diesen Engagements, d.h. ein Wechsel zu intensive­ren Formen der Marktbearbeitung wurde in dieser Phase kaum genutzt. Die Rahmenbe­dingungen zeichneten sich fiir westliche Unternehmen durch ein fremdes politisches und

Page 264: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien 265

von keine indirekter direkter direkter Lizenzver- Vertrags- Joint Tochter-Markt- Export Export ohne Export mit gabe produktion Venture geselischaft

bearbeitung eigene eigener Reprasen- Reprasen-

nach tanz tanz

keine Marktbearbei- X - - - - -tung

indirekter Export ,~6 X - - 1 -

direkter Export ohne ( 18) - X 1 - -eigene Reprasentanz

direkter Export m~ 8 1 1 eigener Reprasentanz

X - 1 1

Lizenzvergabe 3 1 - X -Vertragsproduktion 3 1 1 X -Joint Venture 1 X -Tochtergeselischaft - - - - X

Tab. 5: Intemationalisierungspfade deutscher Untemehmen in Ungam (Zeitraum 1965-1979)

von keine indirekter direkter direkter Lizenzver- Vertrags- Joint Tochter-Markt- Export Export ohne Export mit gabe produktion Venture ~eseliSChaft

bearbeitung eigene eigener Reprasen- Reprasen-

nach tanz tanz

keine Marktbearbei- X - - - -tung

indirekter Export 5 X - - - - -direkter Export ohne 7 1 ,~X - - - -eigene Reprasentanz

direkter Export m~ 1 (6) X - - - -eigener Reprasentanz

Lizenzvergabe 4 3 4 - X 1 -

Vertragsproduktion 4 1 1 - - X -

Joint Venture 1 2 - 1 - X -

T ochtergeselischaft 1 - 1 - 1 X

Tab. 6: Intemationalisierungspfade deutscher Untemehmen in Ungam (Zeitraum 1980-1986)

Page 265: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

266 Engelhard/Eckert: Markteintrittsstrategien

von keine indirekter direkter direkter Lizenzver- Vertrags- Joint Tochter-Mark!- Export Export ohne Export mtt gabe produktion Venture ~esellschaft

bearbeitung eigene eigener Reprasen- Reprasen-

nach tanz tanz

keine Marktbearbei- X 1 - 1 - - - -tung

indirekter Export 2 X 1 - 1 1 1 -direkter Export ohne 6 2 '~X 1 1 - - -eiaene Reprasentanz

direkter Export mit 7 1 14) X 2 3 - 1 eiQener Reprasentanz

Lizenzvergabe 3 1 4 4 X 1 - 1

Vertragsproduktion 5 2 1 3 2 X 2 2

Joint Venture V 6 1 9 9 4 5 '~X 3

Tochtergesellschaft (10) 2 5 8 7 5 ( 12) X

Tab. 7: Intemationaiisierungspfade deutscher Untemehmen in Ungam (Zeitraum ab 1987)

wirtschaftliches System aus. Eine hohe psychische Distanz zwischen deutschen Untemeh­men und Ungam verhinderte weitere Schritte "in den Markt" .

In der Phase von 1980 bis 1986 geriet das Intemationalisierungsverhalten der deutschen Untemehmen in Ungam in Bewegung. Zaghaft entwickelte sich ein verstiirktes Engage­ment in Form von Kapital- (verstiirktes Einrichten eigener Repriisentanzen) und Know­How-Transfer (verstiirkte vertragliche Kooperation zwischen deutschen Untemehmen und ungarischen Betrieben). Investives Engagement trat weiterhin eher sporadisch auf (vor­wiegend in der Form der Errichtung eigener Repriisentanzen). Vorherrschende Erstmarkt­eintrittsform blieb vorerst der Export ohne kapitalmaBiges Engagement. Besonders er­wlihnenswert erscheint in diesem Zusammenhang die Tatsache, daB diejenigen Untemeh­men, die wlihrend dieser Phase eine eigene Repriisentanz in Ungam errichteten, in jedem Fall bereits vorher in irgendeiner anderen Form in Ungam tiitig waren. Daraus laBt sich folgem, daB die in Ungam tiitigen Untemehmen ihr Engagement in "kleinen Schritten" auch nach 1979 beibehielten und lediglich zu einer Fortsetzung in Richtung auf ein hohe­res Niveau des Marktengagements (vgl. MacharzinalEngelhard 1991, 36) bewegt werden konnten.

Die letzte identifizierte Phase beginnt nach AbschluB des Investitionsschutzabkommens der Bundesrepublik mit Ungam. Aufgrund der Ergebnisse laBt sich folgem, daB dieses Abkommen als "critical event" das Intemationalisierungsverhalten deutscher Untemeh­men in Ungam maBgeblich beeinfluBte. Deutlich wird dies durch die Ablosung der Do­minanz von Exportformen als Form des Ersteintritts zugunsten der Errichtung von Toch­tergesellschaften. Aber auch von allen anderen Formen der Marktbearbeitung ohne Kapi­talengagement ist eine starke Orientierung hin zu investiven Formen der Marktbearbei­tung festzustellen. Als ob eine Barriere aufgehoben wurde, befinden sich die Intemationa­lisierungspfade der Untemehmen in der Intemationalisierungstafel scheinbar "im freien Fall".

Page 266: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

EngelhardlEckert: Markteintrittsstrategien 267

Mit dem AbschluB des Investitionsschutzabkommens konnte ein wesentlicher Beitrag zum Abbau der psychischen Distanz zwischen deutschen Unternehmen und Ungaro geleistet werden, der das Intemationalisierungsverhalten der deutschen Untemehmen nachhaltig veriinderte. Es ist immer noch ein ProzeB zunehmenden Engagements deutscher Unter­nehmen in Ungaro feststellbar, aber zum einen ist das Intemationalisierungsverhalten der jeweiligen Untemehmen in starkerem MaB von untemehmensspezifischen EinfluBfaktoren und weniger durch die Fremdheit der Untemehmensumwelt gepriigt, was sich in einer verstarkten Diffusion der Intemationalisierungspfade konkretisiert; zum anderen ist auch die Tendenz zum Uberspringen von Stationen im IntemationalisierungsprozeB wesentlich starker geworden und verringert daher die empirische Aussagekraft der Theorie der ko­gnitiven Distanz.

5 Fazit

Aus den Befunden kann geschlossen werden, daB deutsche Untemehmen bei der Markt­bearbeitung (zumindest im Falle Ungaros) - unter Beriicksichtigung von Informationspa­thologien (vgl. hierzu bspw. Macharzina 1984, 77 ff.) - "rational" vorgehen (zur Ratio­nalitiit der Markteintrittsentscheidungen deutscher Konsumguterhersteller vgl. Wesnitzer 1993, 194 ff.). Eine Veriinderung institutioneller Rahmenbedingungen induziert entspre­chende AnpassungsmaBnahmen im Verhalten der Untemehmen. Die Schaffung attraktiver und verllilllicher sozio-okonomischer Rahmenbedingungen erweist sich damit als einziger erfolgversprechender Hebel fur die gezielte Forderung ausllindischer Untemehmensenga­gements. Dagegen durften den Erfolgsaussichten einer direkten Subventionierung solcher Untemehmensengagements seitens der Sitzllinder intemationalisierender Untemehmen en­ge Grenzen gesetzt sein.

Anmerkungen

[1] Die Durchfiihrung der Befragung und die Erstauswertung der gewonnenen Daten ubemahm im Rah­men seiner Diplomarbeit Herr Christian Blei. Fur die engagierte Unterstiitzung sowie fiir fruchtbare und kritische Anregungen w8hrend seiner Teilnahme am Forschungsprojekt sei ihm an dieser Stelle herzlich gedankt.

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Page 268: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

Pantze: Wirtschaftsbeziehungen

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bayern und Ungarn

von

Ministerialrat Dipl.-Ing. Bernd Joachim Pantze Bayerisches Staatsminsterium fUr Wirtschaft und Verkehr

1 Historischer Riickhlick auf die Beziehungen zwischen Ungam und Bayem

2 Der osteuropaische Refonnproze8 2.1 Scheitern der Planwirtschaft 2.2 Vision eines Gesamteuropiiischen Marktes

3 Bayem als Wirtschaftspartner der Refonnstaaten 3.1 AuBenhandel mit den ehemaligen RGW-Staaten 3.2 Bayerisch-ungarische Wirtschaftsbeziehungen

3.2.1 Umfang und Struktur des AuBenhandels 3.2.2 Forderung von Exporten und Kooperationen bayerischer Unternehmen 3.2.3 Direktinvestitionen in Ungarn

4 Ungam und der Europaische Binnenmarkt

269

5 Aus- und Weiterbildung ungarischer Manager als Element des Umgestaltungspro­zesses

Page 269: Ungarn im neuen Europa: Integration, Transformation, Markteintrittsstrategien

270 Pantze: Wirtschaftsbeziehungen

1 Historischer Riickblick auf die Beziehungen zwischen Ungarn und Bayern

Nur ein paar Schritte von hier entfemt, im Dom zu Bamberg, ist Kaiser Heinrich der Zweite, der Grunder des hiesigen Bistums begraben. Seine Schwester Gisela heiratete im Jahre 995 den ersten Konig Ungams, Stephan den Heiligen. Vor fast genau tausend Jah­ren war dies der Beginn besonderer Beziehungen Bayems zu Ungam. So freue ich mich, daB ich hier in Bamberg iiber die Wirtschaftsbeziehungen Bayems zu Ungam spreehen kann.

Neben dieser lange zuruck liegenden historischen Episode gibt es auch ein ganz aktuelles Ereignis, das Bamberg mit Ungam verbindet. Seit September dieses Jahres ist der Main­Donau-Kanal eroffnet. Die ungarischen Bindungen nach Bayem auf der Donau gehen also jetzt iiber Passau und Regensburg hinaus ins Friinkische und weiter in den Westen. Bayem ist fUr Ungam nicht nur das Tor zu Deutschland, sondem auch das Tor zur EG.

2 Der osteuropaische Reformproze8

2.1 Scheitern der Planwirtschaft

Vor drei Jahren begann sich der endgiiltige Zusammenbruch des kommunistischen Sy­stems in den ehemaligen Ostblocklandem abzuzeichnen. Gebannt blickte damals die Welt auf die umwaIzenden Ereignisse im Osten und nach wie vor verfolgen wir die Gescheh­nisse in diesen Uindem mit hOchstem Interesse. Wir setzen gro6e Hoffnungen auf einen stabilen und friedlichen Wandel, auch wenn des ofteren der Blick nach Osten von Ang­sten und Sorgen iiber die Ereignisse getrubt ist, die uns fast tagtiiglich aus dieser Region erreichen.

Ein wesentlicher Faktor fUr das Scheitem des Kommunismus in diesen Uindem war eine desolate Wirtschaftslage. Mit dem Abschiitteln der sozialistischen Diktatur setzte in die­sen Uindem auch ein radikales Umdenken in der Wirtschaftspolitik ein: weg von der Pro­duktion nach Plan und hin zu mehr Flexibilitiit in Richtung marktwirtschaftliche Wirt­schaftsordnung.

Durch den osteuropaischen Reformproze6 wurden hierzulande gro6e Erwartungen ge­weekt. Der Autbruch in die Marktwirtschaft wurde von vielen euphorisch gesehen, sie reehneten mit einem raschen Autbliihen der Wirtschaft, sobald nur die Krafte des Freien Marktes zu wirken begannen.

Heute wissen wir, da6 der Weg von der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft mit riesen­gro6en Problemen gepflastert ist. So wamte schon Anfang 1990 der Bayerische Staatsmi­nister fUr Wirtschaft und Verkehr, Herr Dr. h.c. August R. Lang, daB man bei aller Freude iiber die Reformen in Osteuropa nicht den Sinn fUr die Realitiiten verlieren diirfe.

Heute ist jedem das AusmaB sichtbar, wie miserabel der Zustand der Industrie im ehema­ligen Ostblock nach 40 oder zum Teil sogar nach 70 Jahren verfehlter kommunistischer Planwirtschaft ist. Gerade wir Deutsche haben dies hautnah im Gefolge der Wiederverei­nigung un serer Nation erfahren miissen. Uberdimensionierte und unflexible Gro6betriebe

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Pantze: Wirtschaftsbeziehungen 271

sowie veraltete Industriestrukturen sind eine Erblast der Planwirtschaft. Insbesondere das Fehlen eines leistungsfahigen Mittelstandes hat dazu beigetragen, daB die ostliche Wirt­schaftsordnung zusammengebrochen ist und dies macht auch einen Neubeginn so schwie­rig.

2.2 Vision eines Gesamteurop8ischen Marktes

Trotz dieser Probleme setzen wir in Bayem in die Entwicklung unserer ostlichen Nach­barstaaten liingerfristig groBe Erwartungen. Die GrenzOffnung und die wirtschaftliche Umgestaltung in den Staaten Osteuropas haben die Situation fUr die bayerische Wirtschaft grundlegend geii.ndert. Vor unserer Haustiir hat sich ein Markt mit 400 Millionen Men­schen ge6ffnet. Bayem liegt nun im Schnittpunkt der Koordinaten Europas. Damit be­kommt auch der Wirtschaftsstandort Bayem eine vollig neue Qualitiit. Der Freistaat ist nun von seiner Randlage am "Eisemen Vorhang" in die Mitte Europas geriickt.

Durch den Umbruch in den Liindem Osteuropas ist die Vision eines Gesamteuropaischen Marktes, der vom Atlantik bis zum Ural reicht und fast 700 Millionen Menschen umfaBt, kein vollig utopisches Himgespinst mehr. Fiir den, der in historischen Zeitriiumen denkt, liegt diese Vision keineswegs mehr auBerhalb jeder Reichweite. Aber es muB uns allen bewuBt sein, daB bis dahin noch ein sehr weiter Weg zuriickzulegen ist.

3 Bayern als Wirtschaftspartner der Reformstaaten

3.1 Au8enhandel mit den ehemaligen RGW-Staaten

Die tatsachliche Lage in unseren Wirtschaftsbeziehungen zum Osten ist heute noch eher emiichtemd. Lassen Sie mich einige Zahlen nennen:

- 1m Jahre 1989 gingen nur 3 % der bayerischen Exporte in die Staaten des damaligen Rates fUr gegenseitige Wirtschaftshilfe. In absoluten Zahlen waren dies nur knapp 3 Milliarden DM. Zum Grossenvergleich: ungefahr die gleiche Menge haben wir 1989 nach Schweden ausgefiihrt. Allein in die Schweiz haben wir etwa doppelt so viel ex­portiert.

- 1990 veriinderten sich gegeniiber 1989 diese Zahlen beziiglich der Exporte urn ein Plus von 62 Millionen und 1991 erreichte die Exporttiitigkeit 3,7 Milliarden DM.

- Die Einfuhren steigerten sich 1990 im Vergleich zu 1989 urn 21 % auf 6,2 Milliarden DM und erreichten 1991 7,8 Milliarden DM.

1m Hinblick auf den ohnehin schwachen AuBenhandelsumfang von 1989 bedeutet dieser prozentuale Anstieg tatsachlich nur eine geringe Steigerung. Ein genauerer Blick auf die auBenwirtschaftlichen Beziehungen zu den ehemaligen Staatshandelsliindem laBt aber Dif­ferenzierungen zu: Wlihrend die Entwicklung in den GUS-Staaten sowie in Siidosteuropa negativ verHiuft, sind die Zahlen aus Ungaro und der CSFR sehr positiv.

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3.2 Bayerisch-ungarische Wirtschaftsbeziehungen

3.2.1 Umfang und Struktur des Au6enhandels

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Ungaro hat bereits eine beachtliche Strecke gemeistert. Seine Wirtschaft hat den Wegfall des friiheren RGW-Marktes in erstaunlicher Weise verkraftet. Ungaro hat 1991 bereits ca. 75 % seines AuBenhandels mit den OECD Staaten, also den westlichen Industrieliin­dem, abgewiekelt. 27 % der ungarischen Exporte gingen nach Deutschland, das fUr Un­garo das wichtigste Exportland ist. Selbst wenn man Bayem alleine betrachtet, nehmen wir nahezu 8 % aller ungarischen Exporte weltweit ab und stehen somit hinter der GUS, Osterreich und Italien an 5. Stelle der Exportliinder fur ungarische Waren.

Ein weiterer Aspekt der bayerisch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen erscheint mir be­merkenswert. Bayem hat schon traditionell einen EinfuhriiberschuB gegenuber Ungaro, das heiBt, wir beziehen mehr Waren von dort als wir nach Ungaro verkaufen. Somit lei­sten wir seit vielen Jahren einen stiindigen positiven Beitrag zur Stabilisierung der ungari­schen Devisenbilanz. Wir sind nicht traurig dariiber, denn wir wissen, daB AuBenwirt­schaft keine EinbahnstraBe ist.

Wir haben groBes Verstiindnis fur die Probleme, die der Umbau von der Plan- zur Markt­wirtschaft mit sich bringt. Wir kennen diese Schwierigkeiten aus der ehemaligen DDR:

- Produktionsanlagen mussen von Grund auf emeuert,

- berufliche Fertigkeiten und Kenntnisse auf einen neuen Stand gebracht,

- gewohnte Verhaltensweisen geiindert,

- Miingel der Infrastruktur und des StandortgefUges behoben,

- gravierende Umweltschaden beseitigt werden.

Es liegt in unserem eigenen Interesse, daB die mittel- und osteuropiiischen Staaten schnell wieder auf die Beine kommen. Dies betrifft zum einen die wirtschaftlichen Chancen, die dieser Raum birgt, zum anderen aber auch die wirtschaftlichen Belastungen, die den westlichen Staaten aus einem Zusammenbruch des Ostens erwachsen wurden.

Sicher muB die Autbauleistung zunachst von den osteuropiiischen Staaten selbst erbracht werden. Ebenso oder gar mehr noch als Ungaro hat die CSFR relativ gute Chancen, eine rasche und durchgreifende Wende zum Besseren herbeizufUhren. Sicher ist dabei auch, daB die angelaufenen Reformprozesse in den friiheren Staaten des RGW einer massiven Flankierung durch den Westen bedurfen. Ich denke dabei keineswegs nur oder vorrangig an Hilfen durch den Staat, sondem vor allem auch an die Zusammenarbeit zwischen westliehen und ostlichen Untemehmen. Und ich bin sieher: Un sere Untemehmen werden sich aus eigenem wirtschaftlichem Interesse am AutbauprozeB beteiligen - durch Handel, durch Joint-Ventures, durch Direktinvestitionen.

So hat der bayerisch-ungarische AuBenhandel 1991 in beide Richtungen urn nahezu 20 % zugenommen und ein Volumen von fast zwei Milliarden DM erreicht. Die bayerischen Exporte nach Ungaro sind hauptsachlich Maschinen, elektrotechnische Erzeugnisse, Kraftfahrzeuge und textile Vorerzeugnisse.

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Bei den Einfuhren aus Ungam liegt der Schwerpunkt bei Bekleidung, chemischen Halb­waren, elektrotechnischen Erzeugnissen und Maschinen. Die Tatsache, daB auf der Im­port- wie auf der Exportseite zum Teil die gleichen Produkte stehen, beweist, daB sich modeme Industriegesellschaften in ihren Produktionsstrukturen keineswegs ausschlie8en, sondem sich im Regelfall in sinnvoller Weise erglinzen. Schlie8lich sind diese Zahlen auch ein Beleg fUr den intensiven Lohnveredelungsverkehr zwischen beiden Llindem im Textil- und Bekleidungssektor. Ich bin sicher, daB diese Art der Zusammenarbeit noch weiter ansteigen wird, zum einen wegen des Interimabkommens zwischen der EG und Ungam, das zu einem Abbau der Zoll- und Handelsschranken fUhrt, zum anderen wegen der krisenhaften Entwicklung in Jugoslawien und einem Umlenken der dortigen Handels­strome nach Ungam.

Daneben genie8t fUr Ungam der Export von agrarischen Produkten nach Bayem gr08e Bedeutung. 1m Bereich der Emlihrungswirtschaft steht Ungam weltweit an 6. Stelle der bayerischen Lieferllinder.

3.2.2 Forderung von Exporten ond Kooperationen bayerischer Untemehmen

Sie sehen aus all diesen Zahlen die Intensitiit der bayerisch-ungarischen Wirtschaftsbezie­hungen. Dieser Erfolg kommt nicht von ungefahr. Er ist das Ergebnis einer lang und breit angelegten bayerischen Au8enwirtschaftspolitik in Richtung Ungam. Bereits seit Anfang der 70er Jahre ist Bayem bei der "Budapester Intemationalen Friihjahrsmesse" of­fiziell vertreten. Wir waren damals noch vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Ungam in Budapest. Der "Bayerische Abend", der traditionell yom Bayerischen Wirtschaftsminister am 2. Messetag gegeben wird, ist ein bedeutender Treffpunkt fUr Aussteller und Fachbesucher, ftir Repriisentanten aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Wir wollen diese Tradition auch im nachsten Jahr fortsetzen, wenn die Friihjahrsmesse erstmals als Industrie-Messe unter dem Titel "Industria '93" abgehalten wird. Die Budapester Messe ist auch ein Beleg fur den Erfolg des bayerischen mittelstlin­dischen Messeprogramms. Dieses Programm solI den bayerischen Untemehmen die Be­teiligung an ausllindischen Ausstellungen ermoglichen. Gerade in schwierigen Markten ist eine Messebeteiligung vielfach die einzige Moglichkeit, uberhaupt auf diesen Markt zu kommen. Der Messeausschu8, dem Vertreter der bayerischen Kammem und der Ver­blinde von Industrie und Handel angehOren, legt jeweils das Messebeteiligungsprogramm fest. Die staatliche Kostenbeteiligung erstreckt sich auf firmeniibergreifende MaBnahmen (z.B. gemeinsamer Ausstellungsstand). Die finanzielle Forderung ist eine notwendige Entlastung bayerischer mittelstlindischer Firmen. Die langjlihrige Erfahrung zeigt, daB fast alle Aussteller Kontakte anbahnen und vertiefen konnen. Sie verzeichneten Verkaufs­abschliisse und die Vorbereitung langfristig angelegter Kooperationsabkommen.

Ein weiteres bayerisches Programm zur Unterstiitzung kleiner und mittelstlindischer Un­temehmen beim intemationalen Wirtschaftsverkehr ist das Au8enwirtschaftsberatungspro­gramm. Freiberufliche Consultants kommen in das Untemehmen und fiihren eine indivi­duelle, betriebsbezogene Beratung durch. Ein Kontaktgespriich ist kostenlos, fUr die fol­gende intensivere Beratung wird ein Zuschu8 geleistet, der nach Betriebsgro8e gestaffelt ist. Die entsprechenden Antrage sind bei der ortlich zustlindigen IHK zu stellen, die auch die Berater vermittelt. Handwerksbetriebe konnen sich an die Exportberatungsstelle des Bayerischen Handwerks wenden.

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Die beiden Programme, die ich Ihnen vorgestellt habe, sind nicht liinderspezifisch. Allein fur Ungarn jedoch haben Bayern und Baden-Wurttemberg im Oktober 1989 einen Rah­menkredit in Hohe von je 250 Millionen DM zur Forderung bayerisch- bzw. baden-wurt­tembergisch-ungarischer Joint Ventures zur Verfugung gestellt. Diese Aktion, die mit dem Bund abgestimmt war, war die Antwort an Ungarn, das damals als erstes Land den "Eisernen Vorhang" ge6ffnet und - wie wir nun wissen - den Grundstein zur deutschen Einheit gelegt hat. Dieser Rahmenkredit war die richtige MaBnahme zum richtigen Zeit­punkt. Von bayerischer Seite wurden zahlreiche Projekte genehmigt. Der Kredit lauft in seiner jetzigen Form zum Jahresende aus. Die beteiligten bayerischen Banken werden ihre Engagements in Ungarn in anderer, intensiver Weise fortsetzen. Der Bayerische Staat ist nach wie vor zur krliftigen Unterstutzung Ungarns bei dem Autbau marktwirt­schaftlicher Strukturen bereit. Besonders wichtig erscheint uns dabei die Schaffung eines Existenzgriindungs-Institutes nach dem Vorbild der Bayerischen Landesanstalt fUr Auf­baufinanzierung. Hier bestehen intensive bilaterale Kontakte.

Fur bayerische Unternehmer, die mit Ungarn zusammenarbeiten wollen, gibt es mittler­weile viele Kontakt- und Anlaufstellen. Der DIHT ist mit einem Delegierten-Buro in Budapest vertreten. Das Bayerische Wirtschaftsministerium hat eine Wirtschaftsinforma­tionsstelle Budapest errichtet, die gemeinsam mitder Reprasentanz der Bayerischen Lan­desbank betrieben wird. Seit Beginn dieses Monats ist auch das Bayerische Handwerk mit einer eigenen Niederlassung in Budapest prasent.

Ich darf an dieser Stelle auch besonders auf die Arbeit der Bayerischen Kammern in Richtung Ungarn hinweisen. Die IHK Munchen hat eine Partnerschaftsvereinbarung mit der Ungarischen Wirtschaftskammer abgeschlossen. Die Handwerkskammer arbeitet eng mit der Ungarischen Organisation der Kleingewerbetreibenden IPOSZ zusammen. Ferner bieten die Kammern auch einen Kooperationsservice an, der interessierte Unternehmen auf beiden Seiten zusammenfUhrt.

3.2.3 Direktinvestitionen in Ungarn

Von deutschen Anlegern in Ungarn horen wir ambivalente Erfahrungsberichte. Die Firma SchOller, zum Beispiel, konnte in der Nlihe von Budapest in kurzester Zeit eine Eiscreme­Fabrik autbauen. Es handelt sich urn ein Projekt von 60 Millionen DM und 310 Arbeits­platzen. Die lokalen Behorden haben hier eine weitgehende Forderung geleistet.

Andererseits haben deutsche Anleger in der Provinz teilweise Schwierigkeiten, weil die dortigen BehOrden oft nur am hohen Preis und kaum an Arbeitsplatzgarantien interessiert sind. Die Kommunen sollten sich hier dariiber im Klaren sein, daB die potentiellen Inve­storen auch anderswo umworben werden.

Moglicherweise sollte Ungarn hier daran denken, regionale Entwicklungsgesellschaften zu griinden. HierfUr gibt es von Bundesseite im Rahmen eines deutsch-ungarischen Mei­nungsaustausches Hilfestellung.

Fur den Privatisierungsbereich hat die in diesem Jahr neu gegriindete Treuhand-Osteuro­pa-Beratungsgesellschaft einen Fachmann zur VerfUgung gestellt. Es gibt auf diesem Sek­tor bereits ungarische Erfahrungen mit Beratern aus dem angloamerikanischen Raum.

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Sicherlich sind fiir Ungaro hier auch die Kenntnisse, die sich aus der wirtschaftlichen Umgestaltung in den neuen Liindem ergeben haben, von Interesse.

Andererseits ist nicht zu iibersehen, daB Ungaro auch von der problembehafteten Situa­tion in den neuen Liindem profitieren kann. Deutsche Untemehmer haben ihr Augenmerk in vielen Fiillen nach der Wende vor allem auf die damalige DDR gerichtet und schauen jetzt wieder mehr iiber die deutschen Landesgrenzen hinaus. Ungaro hat dabei den Vor­tei!, daB der Rechtsrahmen fUr die Marktwirtschaft bereits steht. Das Gesellschaftsrecht, zum Beispiel, entspricht weitgehend dem deutschen. Ais beliebteste Gesellschaftsform hat sich die "GmbH" herauskristallisiert, die in Ungaro "KFT" heiJ3t.

4 Ungaro und der Europaische Binnenmarkt

Bei einem Ausblick in die Zukunft der Wirtschaftsbeziehungen zu Ungaro spielt der Eu­ropiiische Binnenmarkt eine wichtige Rolle.

Bayem bereitet sich schon seit geraumer Zeit intensiv auf die Vollendung des Europiii­schen Binnenmarktes zum 1. Januar 1993 vor. Der Gemeinsame Markt innerhalb der EG bietet Chancen, die hOher als die damit verbundenen Risiken einzuschatzen sind. Eines kann schon jetzt gesagt werden. Der EG-Binnenmarkt wird keine 'Festung Europa' wer­den. Wir sind weiterhin daran interessiert - und Bayem als Randland der EG in besonde­rem MaBe - iiber die Grenzen des Binnenmarktes hinaus - gute Wirtschaftsbeziehungen zu haben. Wir begriiJ3en daher auch das Assoziierungsabkommen zwischen der EG und Un­garo, das seit dem 1. Marz 1992 in Kraft ist. Es ist ein wichtiger Schritt zu einer Voll­mitgliedschaft Ungaros in der Europiiischen Gemeinschaft, die wir befUrworten, wenn auch die bisher verstrichene Zeit noch zu kurz ist, als daB man die Auswirkungen dieses Abkommens bereits statistisch klar untermauem konnte. Die wesentlichen Regelungen des Abkommens sehen vor:

- Der Zoll und Quotenabbau der EG gegeniiber Ungaro erfolgt im GroJ3en und Ganzen schneller als umgekehrt.

- Rund 70 % der ungarischen Industriegiiter-Exporte konnen seit Inkrafttreten des Inte­rimabkommens zollfrei in die EG eingefUhrt werden und geniessen somit praktisch die gleiche Vorzugsbehandlung wie Waren aus der EG. Ungarische Produkte konnen so­mit kiinftig ihre Wettbewerbsvorteile voll nutzen. Die iibrigen Industriegiiter ungari­schen Ursprungs werden spatestens in den nachsten fUnf Jahren von Einfuhrzollen in der EG befreit.

- Bestehende EG-Kontingente fUr einfuhrbeschrankte Waren aus Ungaro sollen schritt­weise erhOht werden.

- Das Praferenzsystem gegeniiber Ungaro sieht nicht nur eine Zollbegiinstigung fUr Pro­dukte vor, die vollstliodig in Ungam hergestellt werden, sondem auch fUr Drittlands­Waren nach ausreichender Verarbeitung. Besondere Vorteile ergeben sich fUr EG-Wa­ren, die nach nur geringfiigiger Bearbeitung in Ungaro in die EG zuriickgehen. Die Begiinstigung geht weit iiber das hinaus, was in Praferenzvertragen der EG mit ande­ren Liindern vereinbart ist.

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Ungarn hat somit gegeniiber vielen Konkurrenten auf dem Weltmarkt einen unmittelbaren Wettbewerbsvorteil, der nicht zu iibersehen ist.

5 Aus- und Weiterbildung ungarischer Manager als Element des Um­gestaltungsprozesses

Bei einem Vortrag im Rahmen einer universitaren Veranstaltung mOchte ich auch die bayerische Hilfe fiir Ungarn auf dem Gebiet der Aus- und Weiterbildung erwlihnen. Als sich die politische und wirtschaftliche Umgestaltung im Osten zeigte, haben wir das Bayerische Zentrum fiir Ost-West-Managementtraining gegriindet, kurz genannt OWZ. Diese Institution in der Rechtsform einer GmbH hat die Kammern und das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft als GeseIlschafter; die Finanzierung erfolgt weitgehend durch das Bayerische Staatsministerium fiir Wirtschaft und Verkehr. Aufgabe des Instituts ist es, Aus- und Weiterbildungsseminare fiir Fiihrungskriifte aus den ehemals kommunisti­schen Staaten zu organisieren. Das Wissen iiber die soziale Marktwirtschaft soIl weiterge­geben werden und sich in den Partnerliindern wie im Schneeballsystem verbreiten. Das OWZ arbeitet effektiv und erfolgreich. Die Partnerliinder wissen diese konkrete bayeri­sche Hilfe zu schiitzen.

Von den Staaten des friiheren COMECON bietet Ungarn mit die besten Entwicklungs­chancen. Die bayerische Wirtschaft hat dies erkannt und sich dort in beachtenswerter Weise engagiert. Veranstaltungen wie die heutige konnen sicherlich zu einer weiteren Vertiefung un serer Beziehungen beitragen.