Über die wirkung von phenothiazinen und dolantin auf den nystagmus

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Arehiv Ohren- usw. Heilk. u. Z. tlals- usw. Heilk. 174, 486--495 (1960) Aus der Univ. tI~ls-Nasen-Ohrenklinik Freiburg/Br., (I)irektor Prof. Dr. F. Z6LLgS.~) [?her die Wirkung yon Phenothiazinen und Dolantin auf den Nystagmus Von G. WALDECKEI~ Nit 5 Textabbildungen (Eingegangen am 12. Dezember 1959) Bei der 0perationsvorbereitung werden in zunehmendem MaBe Narkotiea verwendet, die, wie wit feststellten, die Beobaehtung yon spontan anftretenden Nystagmen und die Prfifung der Labyrinthhmktion w~hrend der Operation weitgehend einschr/inken. W~hrend die vestibu- 1/ire D/impfung in manehen F/illen, wie beispielsweise bei der Fensterungs- operation, sear wiinsehenswert und angenehm ist, wird andererseits die reehtzeitige Erkenmmg einer Labyrinthgef/ihrdnng erschwert. Ebenso kann durch die vorangegangene ~edikation eine notwendige Labyrinth- funktionspriifung w/ihrend der Operation unsieher oder unm6glieh werden. Um eine quantitative Vorstellung zu gewinnen, wie weir die heute gebr/iuehliehstenMittel die vestibul/ire Erregbarkeit herabsetzen, wnrden versehiedene Versuehsreihen durehgefiihrt. Wit priiften einerseits am Gesunden die Wirkung yon Phenothiazinen und Dolalltin auf experimen- tell ausgel6ste Nystagmusreaktionen und andererseits den Einflufl dieser Medikamente auf einige pathologisehe Spontannystagmen. Bald nach Einfiihrung der Phenothiazine als Basisnarkotica wurde ihre vesti- bulgr di~mpfende Wirkung erkannt. Tierexperimentelle Beobaehtungen teilten ~TENGEB,; WEPlgER; SALERNO; CARBONARA11. SALONNA; BALACEANU-SToLNtCs ll. PvAICIULESCU; BEtCGSTR('DrCI 11. KOCH; BARBERI; DAL I~I 11. SCH)~FEI:r lnit, wg~hrend S_~J~ER~O; BEICI~]~RT U. WffST sowie FOWLE~jr. auf die Wirkung beim Nenschen au_fmerksam maehten. Die Vestibularishemmung der pharmakologisch verwandten Antihistaminica wurde meist beim Mensehen untersueht. (CAMPBELL; GAY; BOIgN- lglNG~IAUS ; KREJCI U. ~O~NSTEIN; t~ISKANR 11. PERMIN; GuNTEk% ~OU~D 11. HAN- J~EY; ASOHAN, BERGSTEI)T U. GOLDBEI~G.) J~hnlich wie R~CeABO~A U. JEZEK fiihrten an unserer Klinik BEICI~T und W~ST Verauche durch, um eine vegetative Labiliti~t unter MegaI)hen zu objektivieren bzw. die unkontrollierte Wirkung des Vegetativums auf Nystagmusreaktionen dutch Ganglienbloeker auszusehalten.

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Page 1: Über die Wirkung von Phenothiazinen und Dolantin auf den Nystagmus

Arehiv Ohren- usw. Heilk. u. Z. tlals- usw. Heilk. 174, 486--495 (1960)

Aus der Univ. tI~ls-Nasen-Ohrenklinik Freiburg/Br., (I)irektor Prof. Dr. F. Z6LLgS.~)

[?her die Wirkung yon Phenothiazinen und Dolantin auf den Nystagmus

Von

G. WALDECKEI~

Nit 5 Textabbildungen

(Eingegangen am 12. Dezember 1959)

Bei der 0perat ionsvorberei tung werden in zunehmendem MaBe Narkotiea verwendet, die, wie wit feststellten, die Beobaehtung yon spontan anftretenden Nys tagmen und die Prfifung der Labyr in thhmkt ion w~hrend der Operation weitgehend einschr/inken. W~hrend die vestibu- 1/ire D/impfung in manehen F/illen, wie beispielsweise bei der Fensterungs- operation, sear wiinsehenswert und angenehm ist, wird andererseits die reehtzeitige Erkenmmg einer Labyrinthgef/ihrdnng erschwert. Ebenso kann durch die vorangegangene ~edikat ion eine notwendige Labyrinth- funktionspriifung w/ihrend der Operation unsieher oder unm6glieh werden.

U m eine quanti tat ive Vorstellung zu gewinnen, wie weir die heute gebr/iuehliehstenMittel die vestibul/ire Erregbarkei t herabsetzen, wnrden versehiedene Versuehsreihen durehgefiihrt. Wit priiften einerseits am Gesunden die Wirkung yon Phenothiazinen und Dolalltin auf experimen- tell ausgel6ste Nystagmusreakt ionen und andererseits den Einflufl dieser Medikamente auf einige pathologisehe Spontannystagmen.

Bald nach Einfiihrung der Phenothiazine als Basisnarkotica wurde ihre vesti- bulgr di~mpfende Wirkung erkannt. Tierexperimentelle Beobaehtungen teilten ~TENGEB,; WEPlgER; SALERNO; CARBONARA 11. SALONNA; BALACEANU-SToLNtCs ll. PvAICIULESCU; BEtCGSTR('DrCI 11. KOCH; BARBERI; DAL I~I 11. SCH)~FEI:r lnit, wg~hrend S_~J~ER~O; BEICI~]~RT U. WffST sowie FOWLE~ jr. auf die Wirkung beim Nenschen au_fmerksam maehten. Die Vestibularishemmung der pharmakologisch verwandten Antihistaminica wurde meist beim Mensehen untersueht. (CAMPBELL; GAY; BOIgN- lglNG~IAUS ; KREJCI U. ~O~NSTEIN; t~ISKANR 11. PERMIN ; GuNTEk% ~OU~D 11. HAN- J~EY; ASOHAN, BERGSTEI)T U. GOLDBEI~G.)

J~hnlich wie R~CeABO~A U. JEZEK fiihrten an unserer Klinik BEICI~T und W~ST Verauche durch, um eine vegetative Labiliti~t unter MegaI)hen zu objektivieren bzw. die unkontrollierte Wirkung des Vegetativums auf Nystagmusreaktionen dutch Ganglienbloeker auszusehalten.

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Wirkung yon Phenothiazinen und Dolantin auf den Nystagmus 487

Methodik An 13 Personen ohne Spontannystagmus und an 3 Personen mit pathologisehem

Nystagmus wurde die Wirkung yon 1. Dolantin (Farbwerke Hoechst AG), 2. Atosil (Farbenfabriken Bayer AG), 3. 100 mg Dolantin, 50 mg Atosil, 25 mg Megaphen als ,,Lytische Mischung"

studiert. Die Medikamente injizierten wir intramuseulgr. Bei den 13 Personen ohne Spontannystagmus wurde ein experimenteller vesti-

bulgrer Nystagmus caIorisch, rotatorisch und als sogenanntes l~istelsymptom bei gefensterten Patienten ausgel6st. Bei der calorischen Prtifung bedienten wit uns einer modifizierten Veits-Methode (10 em a Wasser yon 20 ~ in 10 see), wghrend wit bei tier rotatorischen Prrifung den Pendeltest nach Wrist bzw. einen modifizierten Barany-Test (Stop des Drehstuhles nach 51/2 Umdrehungen in 20 see) anwandten. Zum Vergleich wurde der optokinetisehe Nystagmus herangezogen, den wir dutch eine vet den Augen der Versuehsperson rotierende Streifentrommel ausl6sten.

Die Registrierung erfolgte elektronystagmographisch. Der calorisohe und rota- torische Nystagmus sowie die Spontannystagmen wurden bei geschlossenen Augen im abgedunkelten Raum abgeleitet.

Ergebnisso L D olantin-Versuehe (j eweils 100 mg Dolantin intramuscular). Versuch 1. Gustav W. (normaler otol. Befund), calorisehe Prrifung: 5 rain nach

Dol. Ny deutlieh vermindert; 12 rain naeh Dol. Ny ausgefallen; 22 rain nach Dol. Ny ausgefallen, vereinzelte Pendeldeviationen; 75 rain nach Dol. ~Ty ausgefallen.

Versuch 2. Eugen E. (normaler otol. Befund), ealorische Priifung: 3 rain nach Dol. Ny deutlieh vermindert; 20 rain nach Dol. ~ y angedeutet; 35 rain naeh Dol. Ny ausgefallen -- dutch Beseh/~ftigung mit einer Reehenaufgabe vorribergehend wieder hervorgerufen.

Versuch 3. Walter M. (normaler otol. Befund), rotatorisehe Prtifung (Abb. 1) und optokinetische Prrifung: 10 rain naeh Dol. rotat, und optok. Ny unver~ndert; 60 rain nach Doh rotat. Ny stark vermindert, optok. Ny unver~ndert; 180 rain nach Dol. rotat. Ny leicht vermindert, optok. Ny unvergndert.

Versueh 4. Augusta K. (Zustand naeh ~ensterung links), ealorische Prrifung reehts, Pendeltest, optok. Prrifung: 7 rain nach Dol. perrotat. Ny ausgefallen, cal. Ny stark vermindert, optok. Ny unver~ndel*. Versueh wegen Erbrechen bei Prtifung des Xompressionsny. abgebrochen.

Versuch 5. Heinz Seh. (akutes Vestibularissyndrom) : 3 rain nach Dol. Spontanny leicht vermindert (Amplitude und Geschwindigkeit der langsamen Phase !); 8,5 rain nach Dol. Spontanny erlosehen; 10,5 rain nach Dol. Spontanny trit t vorribergehend naeh akustischem Reiz auf; 120 rain naeh Dol. Spontanny trit t wieder auf; 195 min naeh Dol. Spontanny gegeniiber Ausgangswert noch vermindert.

Versuch 6. Walter St. (Spontanny mit Kippdeviationen bei Astigmatismus und Strabismus convergens, Abb. 2): 7 rain naeh Dol. Spontanny erlosehen, Kippdevia- tionen selten, Auftreten yon Pendeldeviationen; 15 min naeh Do]. ursprringliches Kurvenbild beim L6sen einer Reehenaufgabe; 180 min nach Dol. allm~hliehe Rriek- bildung zum Ausgangsnystagmogramm.

Zusammen/assend stel len wi t fest, dab Dolan t in sowohl einen experi- mente l l en vestibul/~ren als aueh pa tho log isehen N y s t a g m u s d/~mpft oder sogar ausl6scht , w/~hrend der op tokine t i sehe N y s t a g m u s bei e iner Dosie- rung yon 100 mg unbeeinflul~t b le ib t . Die W i r k u n g setz~ nach wenigen Minuten ein und k l ing t 2 - - 3 S tunden sp/~ter ab.

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4 8 8 G. WALDECKER:

Abb. 1. Der Einflufl yon Dolantir~ auf einen rota~orischen l~ystagmus (die obere Kurve zeigt die Dr, eh- sSuhlbewegung an). A Perrotatorischer lqystagraus (Pendeltest) vor Dotantin; :B Perrotatorischer I~ystagmus 60 rain nach 0,1 Dolantin i.m,; C Postrotatorische~ zXystagraus (modif. Baranytest) vor

Dolantin; D Postrotatorischer aXystagmus ~ystagmus 60 rain nach 0,1 Dolantin i.m.

Abb. 2. Der Einflufi yon 0,1 Dolantin i.m. auf eiuen pathologisehen Nys~agmus, A Spoatannys/~agmus mit Kippdeviationen; ]3 30 rain nach Dolantin: Pendeldevia~ionen; C 180 min nach Dolantin:

Allm~i,hliche Riickkehr zum Ausgangs-ENG.

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Wirkung yon Phenothiazinen und Dolantin auf den ~Nystagmus 489

II. Atosil-Versuche (jeweils 50 mg Atosil intramuscular)

Versuch 7. Eugen E. (normaler o~ol. Befund) calorische Prfifung: 14 rain naeh Atosil Ny deutlieh vermindert, ansehlie~end Pendeldeviationen. 35 rain nach Atosil ~ y angedeutet.

Versuch 8. Edita E. (normaler otol. Befund), rotatorische und optokinetische Priifung: 10 rain nach Atosfl rotat. Ny vermindert; 45 rain nach Atosil rotat. Ny ausgefallen, optok. Ny vermindert.

Versuch 9. Josefine H. (normaler otol. Befund), rotatorische u. optokinetische Prfifung: 5 min naeh Atosil rotat, und optok. Ny vermindert; 15 rain nach Atosil rotat. Ny ausgefallen, optok. My stark vermindert; 210 rain nach Atosil rotat, und optok. Ny ausgefallen.

Versuch 10. Karl K. (normaler otol. Befund), rotatorisehe und optokinetische Priifung: 10 rain nach Atosil rotat, und optok. Ny vermindert; 60 rain nach Atosil rotat. ~ y ausgefallen (Wiederauftreten naeh Anruf), optok. Ny stark gehemmt; 8 Std nach Atosil rotat, und optokin. Ny vermindert; 11 Std nach Atosil rotat. My vermindert, optokin. My normal; 25 Std nach Atosil rotat, und optok. Ny wie vor Atosil.

Versueh 11. Hilde Sch. (Zustand nach Fensterung links), rotatorische und opto- kinetische Priifung und Kompressionsnystagmus: 10 min nach Atosil rotat, und optok. My vermindert, Kompressionsny unver~ndert; 30 rain naeh Atosil rotat, und optok. Ny ausgefallen, Kompressionsny vermindert; 60 rain nach Atosil rotat, und optok. ~ y ausgefallen, Kompressionsny ausgefallen; 61/2 Std nach Atosil rotat, und optok. My vermindert Kompressionsny wie vor Atosil.

Versuch 12. Wilffied F. (normaler otol. Befund), rotatorische und optokinetische Priifung (Abb. 3) : 10 rain nach Atosil rotat, und optok. Ny vermindert, anschlieBend Deviationen; 6 Std nach Atosfl rotat, und optok. ~ y vermindert, nach rotat. Prfi- lung Ny-Aktivierung dutch Anruf; 22 min nach Atosil rotat. My leicht vermindert optok. My wie vor Atosil.

Versuch 13. Walter M. (normaler otol. Befund), rotatorische und optokinetisehe Priifung: 15 min nach Atosil rotat. Ny vermindert, optok, my unver~ndert; 60 min nach Atosil rotat. My vermindert, optok. Ny unver~ndert. Weitere Atosilgaben im Abstand yon 11/2 und 21/2 Std d~mpften den rotat. Ny welter, beeinflul]ten aber den optok. ~ y nicht.

Versuch 14. Heinz Sch. (akutes Vestibularissyndrom): 10 rain nach Atosil Spontanny vermindert; 15 rain nach Atosil Spontanny ausgefallen; 40 rain nach Atosil Spontanny tri t t beim LSsen einer Rechenaufgabe wieder auf; 100 rain naeh Atosil Spontanny trit t allm~thlich wieder auf; 210 rain nach Atosil Spontanny noch vermindert.

Versueh 15. Albrecht G. (akuter Meni~reanfall) : 11 rain naeh Atosil Spontanny erloschen.

Zusammen/assend zeigen die Versuche, dab durch Atos i l sowohl pa tho- logische als auch exper imente l l e vest ibul / i re N y s t a g m e n s t a rk ge he mmt oder ausgel6scht werden, w~hrend die W i r k u n g au f den op tok ine t i schen N y s t a g m u s n ich t so deut l ich ist. Atos i l w i rk t spKter a l s / ) o l a n t i n , fiber- daue r t abe r die Do lan t i nwi rkung u m viele S tunden . I )as M a x i m u m wird e twa 1 S td nach der I n j e k t i o n erre icht . Die Atos i lwi rkung k a n n durch Weckre ize un te rb rochen werden.

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490 G. WALDECK~R:

HI . Versuche mR der lyt ischen Mischung (100 mg Dol~n~in, 50 mg Atosil, 25 rag )//egaphen intr~muscul/~r).

Versuch 16. Horst C. (normaler obol. Befund), c~lorische PrSfung: 10 rain nach lyt. ~ i schung kein Ny, nur Pendeldeviat ionen; 30 rain nach lyt. iVIisch, kein Ny, auch nicht nach Spiilung mit Wasser yon 5~

Abb.3. Der Einflu2 yon Ar auf einen rotatoriscben Nystagmus (die obere Kurve zeigt die Dreh- stuhlbewegung an). A Perrotatorischer Nystagmus vor Atosil; B Pos~rotatorischer 5Tystagmus vor AtosiL CPerro~a~orischer Nystagraus 1Std nach 0,05 AtosilLm.; D Pos~rotatorischer Nystagmus 1 Std nach 0,05 Atosil i.m.; E Aktivierung eines postrotatorischen Nystagmus 6 Stunden nach

Atosil dutch Anruf des Patientcn

Versuch 17. Heinrich W. (normalor otol. Befund), calorische Priifung naeh zwei- maliger Gabe yon lytischer Mischung. 10 Std nach der zweiten In jek t ion kein Ny; nuch zweimaliger Gabe yon 0,1 Cardiazol intr&venSs und zweimal 0,5 Lorfan intra- venSs keine cal. Ny-Re~ktion.

Versuch 18. Paul P. (Zustand nach R~dik&loperation rechts), Calorische Priifung des rechten Ohres: 5 rain nach lyt. Misch. Ny verminder t ; 35 rain nach ]yt. Misch. Ny ausgefallen; 42 rain nach lyt. Misch. Spiilung mi t Wasser yon 2~ kein Ny; 8 Std nach lyt. ~ isch . Spiilung mi t Wasser yon 2 ~ C: kein Ny; l l Std n~ch ]yt. Misch. Spfilung mi t Wasser yon 2~ Ny vermindert .

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Wirkung yon Phenothiazinen und Dolantin auf den Nystagmus 491

Versuch 19. Gabriele Sch. (Zustand nach Fensterung links): 1 Std nach lyt. Misch. und 21/2 Std nach 100 mg Atosil weder rotat, noch optok, noch Kompres- sionsny (Abb. 4) auszulOsen.

Zusammen/assend zeigen die Versuche mit der lytischen Misehung die potenzierte Wirkung der einzelnen Medikamente, die dutch zentrale Analeptica nicht rfickg~ngig gemacht werden kann.

Abb.4. Yer~tnderung eines Kompres- sionsnystagmus durch Atosil und lytische Mischung. A Vor Nedikation; B 2 Std naeh 0,05 Atosil und I Std nach lytischer ?r

Abb.5. Typische Formiinderung der Eichkurven. A Vor Atosil; B i Std naeh 0,05 Atosil i.m.

Erwghnenswert ist die Form~nderung der fibliehen elek~ronys*agmo- graphisehen Eichkurve (Abb. 5). Die gewohnte Reehteekform geh~ kon- form mit zunehmender Nystagmushemmung in eine Wellenform fiber. Dolantin allein bewirkt diese Formgnderung nieht.

Die subjektiven Sehwindelbesehwerden nahmen im allgemeinen mit Hemmung der Nystagmusreaktion ab. In einigen F/~llen wurde der Sehwindel jedoeh unvermindert erlebt, obwohl kein Nystagmus mehr auszul6sen war. Ein Abnehmen des Sehwindels ohne Nystagmushemmung kam nieht vor.

Besprechung der Ergebnisse Bei der Betraehtung der Ergebnisse f~llt auf, dab dutch Dolan*in und

Phenothiazine bei fiblieher therapeutiseher Dosierung eine Nys*agmus- hemmung zustandekommt, die aueh don gebr/iuchliehsten Inhalations- narkotica und den Barbituraten eigen ist. Die Hemmung kann bei nicht zu hoher Dosierung dureh Steigerung der Aufmerksamkeit aufgehoben werden, so dab ffir kurze Zeit eine normale Nystagmus-Kurve erscheint. Dieser Effekt ist Ausdruek des ,,arousal mechanism" der Substantia retieularis. Die gleiehen Beobachtungen an Tieren beschrieben BALA- CEANU-STOLNICI U. I~AICIULESCU sowie BERGSTROM und KocH. Die relativ

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492 G. WALDEOKER:

geringe Wirkung auf den optoldnetisehen Nystagmus ist somit nieh~ verwunderlieh. Die Mitarbeit und Waehheit des Probanden ist ffir das Zustandekommen eines guten optokinetisehen Nystagmus erforderlieh und hs weitgehend yon dieser ab. Die Nystagmushemmung maehte sieh bei ealoriseher und rotatoriseher Reizung vorwiegend dureh Ampli- tudenabnahme bemerkbar, w/~hrend die Dauer der Reaktionen im An- fangsstadium der Pharmakawirkung relativ unvergndert blieb. Die Spontannystagmen reagierten deutlieher dutch eine Frequenzabnahme bei wenig ver/~nderter Amplitude.

Eine Nystagmusaktivierung, wie sie yon BEROSTR6M U. KOCH sowie B~ICKER~ U. WOST beobaehtet wurde, sahen wir nieht. Die Ursaehe dafiir dfirfte in der Dosierung bzw. in der Auswahl des Patientenkreises zu suehen sein. BEIC~ZE~T U. W~ST fanden bei den vegetativ stabilen Per- sonen ebenfalls eine Hemmung des Nystagmus.

Naehdem dureh HIPPIUS, MELLIZq U. ROSE~K6TTER; AMOLS; BRAD- LEY U. I~ANCE; GANGLOFF U. MONNIER; WIKLER; NONNIEt~ U. K:gUPP; TI~UITT und andere Autoren siehergestellt ist, dab die Phenothiazine vorzugsweise die Formatio retieularis des Hirnstammes beeinflussen, geht man sieher nieht fehl, wenn man annimmt, dag yon bier aus aueh der Nystagmus gehemmt wird. Allerdings ist naeh den Untersuchungen yon D o m ~ A ~ , FA~KASHIDI U. SALONNA aueh eine sekunds Wirkung fiber zentrifugale Bahnen auf das vestibul~re Sinnesorgan anatomisch nieht ausgeschtossen.

Wie wir yon Fensterungsoperationen wissen und in Abb. 4 demon- strierten, kommt es dureh entspreehend hohe Dosierung nieht nur zu einer Hemmung bzw. einem Ausfall des vestibuls experimentellen Ny- stagmus, sondern man sieht aueh bei Kompression des Endolymph- sehlauehes eine unregelm/~13ige Pendelbewegung der Augen :Die Rhythmik der langsamen und rasehen Nystagmusphase ist unterbrochen. Nach den grundlegenden Untersuetmngen -con LORENT]~ DE N~ und DUENSING U. SC]~AEFEg entsteht diese Rhythmik in der Formatio retieularis. Damit haben wit einen weiteren Hinweis ffir den Angriffspunkt der Phenothi- azine und des Dolantins. DaB aueh andere Narkotiea an dieser Stelle angreifen, geht aus dem Versuehen yon FRENCh, VE~ZEANO U. MA~ovN sowie I)UENSING U. SCHAEFER hervor. Neben den Pendelbewegungen der Augen bei Priifung des Fistelsymptoms sahen wit bei einem Drittel unse- rer Fs auch unwillkiirliehe rhythmisehe Augendeviationen, wit sie yon J u n o u. Mitarb. erstmals besehrieben wurden. Sic t ra ten im Anfangs- stadium der Phenothiazin- und Dolantinwirkung zweimal anstelle der erwarteten Nystagmusreaktion auf, sonst naeh vestibul/~r ausgel6stem Nystagmus. Naeh KORN~U~R sind sie der Ausdruek einer vorfiber- gehenden ~nderung der Stammhirnfunktion.

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Wirkung yon Phenothiazinen und Dolantin auf den Nystagmus 493

Die Narkotiea, Phenothiazine und Dolantin heben dureh ttemmung der Substantia reticularis die Nystagmusrhythmik auf, w~hrend durch vestibulare Reizungen in diesem Stadium noch langsame Augendevia- tionen mSglieh sind. Erst mit fortschreitender Wirkung, wenn auch die Kerngebiete betroffen sind, hSren alle Augenbewegungen auf. Dal3 wir anstelle des ausgefallenen experimentellen Nystagmus nur relativ selten Deviationen der Augen sahen, liegt wohl daran, dal3 die Prfifungen nur in lgngeren Abstanden durchgeffihrt wurden.

Die klinisch bekannte Tatsache, da6 dureh zentrale Analeptica die 1)henothiazinwirkung nur schwer aufzuheben ist, best~tigen wir in einem Falle im Hinbliek auf die Nystagmuswirkung.

Was die Formanderung der Kurven bei willkfirlichen ]31ickbewegun- gen (Eichkurven Abb.5) betrifft, kSnnen wir nns noch keine Vorstellung ~ron dem zngrunde liegenden neurophysiologischen Geschehen maehen.

Ebenso interessant wie unklar ist aueh das Ergebnis der Dolantin- wirkung bei dem an Strabismus und Astigmatismus leidenden Kinde. Wahrend wir bei dem yon der vestibul~ren Seite des optisch-vestibularen Systems ausgelSsten Spontannystagmus (Menigre-Syndrom bzw. akutes Vestibularissyndrom) nach anfanglieher Hemmung des Nystagmus vSllige Augenruhe beobachteten, kam es bei dem Schielkinde zwar zu einem Sistieren des spontanen Nyst~gmus und der Kippdeviationen, dafiir traten aber in nnunterbrochener Folge Pendeldeviationen auf. Die Augenbewegungen solcher Schielkinder wurden eingehend yon D o D ~ studiert.

Ffir klinische Zwecke ist eine symptomatisehe Behandlung yon schweren vestibularen l~eizzusti~nden mit lytisehen Mischungen sicher geeignet. (A)~oI~s). Wir mSehten abet auf die damit verbundenen Gefah- ren des Blutdruekabfalles und anderer Erseheinungen hinweisen (Wv~D~ u. ZioL~o).

Bei Anwendung der Phenothiazine in der operativen Ohrenhei/kunde sollte man sich daran erinnern, dal~ die Uffenordesche Labyrinthpriifung mit J~ther nieht mehr durehzufiihren ist.

Zusammenfassung Durch elektronystagmographische Ableitung yon experimentellen und

pathologischen Nystagmusarten konnten wir einen hemmenden EinfluB yon Phenothiazinen und Dolantin zeigen. AuBerdem wird oft die Ny- stagmusform im Sinne von Pendeldeviationen der Augen abge~ndert. Dolantin wirkt kfirzer und schw~cher gegenfiber Atosil. Die hemmende Wirkung wird bei nicht zu hoher Dosierung durch Steigerung der Auf- merksamkeit vorfibergehend aufgehoben. Auf Grund elektrophysiologi- scher Befunde mu6 man als Angriffsort die Substantia reticularis des

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494 G. WALDECKE~:

R h o m b e n e e p h a l o n s ansehen . Erh/~lt e in P a t i e n t als O p e r a t i o n s v o r b e r e i -

t u n g P h e n o t h i a z i n e ode r D o l a n t i n , so g i b t e ine L a b y r i n t h p r f i f u n g wgh-

r e n d de r O p e r a t i o n ke ine s iehere A u s k n n f t f iber die v e s t i b u l g r e E r r e g b a r -

ke i t , a u e h k 6 n n e n u n b e a b s i c h t i g t e R e i z e be i g e 6 f f n e t e m L a b y r i n t h

( F e n s t e r u n g , V e s t i b u l o t o m i e ) d a d u r e h f i be r sehen ode r u n t e r s c M t z t

we rden .

Literatur

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Wirkung yon Phenothiazinen und Dolantin auf den Nys~agmus 495

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Dr. G. WALDECKER, Freiburg i.Br., Univ.-ttNO-Klinik, Hugstetterstr. 55