Über die reaktion von zitronensäure mit acetanhydrid und pyridin

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Archiv der Pharrnazie 308. Band August 1975 Heft 8 H. Auterhoff und I. Schwingel' ) Ober die Reaktion von Zitronensslure mit Acetanhydrid und Pyridin Aus dem Pharmazeutischen Institut der Universitat Tubingen (Eingegangen am 14. November 1973) Zitronensaure gibt mit Acetanhydrid und Pyridin eine RotfLbung, die zur Unterscheidung von anderen Sauren wie 2.B. dcr Weinsiure dient. Erstes Produkt der Reaktion 1st das Acetylzitronen- durey-anhydrid, das mit Pyridin die gleichc RotfLbung gibt wie die Zitronensaure mit Acctan- hydrid und Pyridin. Die Reaktion ist nicht streng spezifisch fiir die Zitronendure, denn auch andere hydroxylgruppenhaltige oder ungesattigte mehrwertige Carbonsiuren geben diese Rea- tion, und Acetanhydrid und Pyridin konnen teilweise gegcn andere Anhydride odcr organische N-Bascn ausgetauscht werden. Die Reaktion verlauft iiber radikalische Zwischenstufcn. Das braune Endprodukt der Um- setzung hat die Eigcnschaften eines Polyvinylenketoanhydrides, das nur wenig Pyridin salzartig gebunden enthalt. The Reaction of Citric Acid with Acetic Anhydride and Pyridine Citric acid gives with acetic anhydride and pyridine a red colour. First product of the reaction is the acetocitric acid 'y-anhydride which with pyridine gives the same red colour as citric acid with acetic anhydride and pyridine. The reaction is not very specific and other carboxylic acids with hydroxyl groups or double bonds react in the same way. Acetic anhydride can be partially exchanged with other anhydrides and pyridine with other organic N bases. The presence of radicals was demonstrated during the reaction. The final product has the properties of a polyvinyleneketoanhydride, containing only little pyndhe. Erwarmt man Zitronendure (1) mit Acetanhydrid und Pyridin, so entsteht eine Rotfarbung; da Weinsiiure unter gleichen Bedingungen eine Griinfarbung gibt, wird die Reaktion zur Identitatspriifung der Zitronenaure verwendet. Wie bereits Fiirth und Hewmann') zeigten, reagieren auch andere organische Sauren wie Aconit-, xpfel-, Maleinsiure u.a. unter Farbungen, wenn auch diese weniger charakteristisch sind. Nach Fiirth und Herrmann bildet sich aus Zitronendure und Acetanhydrid eine sogenannte ,,Farbstoffvorstufe", die mit Acetanhydrid und Pyridin die Rotfarbung gibt. 1 Teil der Dissertation von Inge Schwingel, Tubingen 1973. 2 0. Fiirth und H. Hcrrmann, Biochem. Z. 280, 448 (1935).

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Page 1: Über die Reaktion von Zitronensäure mit Acetanhydrid und Pyridin

Archiv der Pharrnazie

308. Band August 1975 Heft 8

H. Auterhoff und I . Schwingel' )

Ober die Reaktion von Zitronensslure mit Acetanhydrid und Pyridin

Aus dem Pharmazeutischen Institut der Universitat Tubingen (Eingegangen am 14. November 1973)

Zitronensaure gibt mit Acetanhydrid und Pyridin eine RotfLbung, die zur Unterscheidung von anderen Sauren wie 2.B. dcr Weinsiure dient. Erstes Produkt der Reaktion 1st das Acetylzitronen- durey-anhydrid, das mit Pyridin die gleichc RotfLbung gibt wie die Zitronensaure mit Acctan- hydrid und Pyridin. Die Reaktion ist nicht streng spezifisch fiir die Zitronendure, denn auch andere hydroxylgruppenhaltige oder ungesattigte mehrwertige Carbonsiuren geben diese Rea- tion, und Acetanhydrid und Pyridin konnen teilweise gegcn andere Anhydride odcr organische N-Bascn ausgetauscht werden.

Die Reaktion verlauft iiber radikalische Zwischenstufcn. Das braune Endprodukt der Um- setzung hat die Eigcnschaften eines Polyvinylenketoanhydrides, das nur wenig Pyridin salzartig gebunden enthalt.

The Reaction of Citric Acid with Acetic Anhydride and Pyridine

Citric acid gives with acetic anhydride and pyridine a red colour. First product of the reaction is the acetocitric acid 'y-anhydride which with pyridine gives the same red colour as citric acid with acetic anhydride and pyridine. The reaction is not very specific and other carboxylic acids with hydroxyl groups or double bonds react in the same way. Acetic anhydride can be partially exchanged with other anhydrides and pyridine with other organic N bases.

The presence of radicals was demonstrated during the reaction. The final product has the properties of a polyvinyleneketoanhydride, containing only little pyndhe.

Erwarmt man Zitronendure (1) mit Acetanhydrid und Pyridin, so entsteht eine Rotfarbung; da Weinsiiure unter gleichen Bedingungen eine Griinfarbung gibt, wird die Reaktion zur Identitatspriifung der Zitronenaure verwendet. Wie bereits Fiirth und Hewmann') zeigten, reagieren auch andere organische Sauren wie Aconit-, xpfel-, Maleinsiure u.a. unter Farbungen, wenn auch diese weniger charakteristisch sind. Nach Fiirth und Herrmann bildet sich aus Zitronendure und Acetanhydrid eine sogenannte ,,Farbstoffvorstufe", die mit Acetanhydrid und Pyridin die Rotfarbung gibt.

1 Teil der Dissertation von Inge Schwingel, Tubingen 1973. 2 0. Fiirth und H. Hcrrmann, Biochem. Z. 280, 448 (1935).

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5 84 Auterhoff und Schwingel Arch. Pharmaz.

C*iz-CooH I ( ll,c-co)20 II

IIC-~-COOH - Farbstoffvorstufe kIIz-COOH

1

Die ,,Farbstoffvorstufe" wird in der Literatur' ) als ,,Acetylierte Dioxycitronen- saure" bezeichnet. Zu ihrer Darstellung wurde Zitronensaure mit Acetanhydrid erhitzt, wobei im Gegensatz zu Fiirth und Herrmann mit reiner Zitronendure keine olivgrune Farbung auftrat. Eine griine Farbung erhielten wir nur, wenn wir die Zitro- nensiure mit Aconitsaure mischten.

Wird nach der Vorschrift von Furth und Herrmann weitergearbeitet und der An- satz nach verschiedenen Zeiten dc untersucht, so stellt man fest, daO sich das ur- sprunglich einheitliche Produkt zersetzt. Dieses kann nur unter Wasserausschlul) rein hergestellt werden. Es schmilzt bei 120" und erwies sich nach IR und NMR-Spektren als Acetylzitronendure-yanhydrid(2). Zum Vergleich wurde 2 aus Zitronendure und Acetylchlorid hergestellt3 ).

(3) und Zitronensaure (1) eine Kristallmasse, wie sie wohl Fiirrh und Herrmann in der Hand gehabt hatten, und die mit Pyridin allein kein farbiges Produkt gibt.

Beim Stehen und durch Einwirken von Wasser entsteht aus 2 Acetylzitronendure

CII,-COOH

2

FH,-COOH

I 1 I , C - C ~ - c O o € I

b CHz-COOH

3

Versetzt man dagegen 2 mit Pyridin, so entsteht auch ohne Acetanhydridzusatz die Ro tfarbung.

Um Einblick in den weiteren Ablauf der Reaktion zu erhalten, wurde die Spe- zifitat der Reaktion uberpruft. Bei Einsatz der cis-Aconitsaure, der Maleinsaure, der Citraconsaure, der Itaconsaure und des Methylesters von 2 ergaben sich Rotfar- bungen, mit Bernsteinsaure und Zitronendure triathylester traten keine Farbungen auf. Als SchluBfolgerung ergab sich, da8 mehrwertige hydroxylgruppenhaltige oder ungesattigte Carbonsiiuren dann die Reaktion geben, wenn eine Anhydridbildung moglich ist.

saureanhydrid oder Benzoedureanhydrid trat die Reaktion unter geringfugig vari- ierten Bedingungen auch ein.

Gibt man statt Pyridin andere Aminc (Piperidin, Dimethylanilin, Methylamine) hinzu, so tritt bei den festgelegten Mengenverhaltnissen die Fkbung nur mit Pyridin

Acetanhydrid ist fur die R e a t i o n mit Zitronensaure entbehrlich, denn mit Phthal-

3 F. Klingemann, Ber. dtsch. chern. Ges. 22, 984 (1887).

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308 J 75 Zitronensiure, Acetanhydrid und Pyridin 585

auf, bei Variation der Aminmengen entstehen aber auch mit den anderen Aminen Ro tfarbungen.

Die Umsetzung von Zitronensiiure mit Acetanhydrid und Pyridin verlauft uber zahlreiche instabile Zwischenstufen. Beim Chromatographieren der Andtze in kurzen Zeitabstanden auf Diinnschichtplatten sieht man 5 bis 10 Minuten nach Beginn der Reaktion ein Maximum von 7 Flecken. Dann verringert sich die Zahl der Flecke, und es bleibt nach etwa 45 Minuten nur ein brauner Fleck am Start zuriick (Abb. 1).

m379 j

Abb. I : DC der Reaktionslosung aus Zitxonensaure, Acetanhydrid und Pyridin nach verschiedenen Zeiten. FlieDmittel wie bei 2 im Exp. Ted.

Abb. 2: DC von Substanz A. FlieDmittel: Amcisendure + Aceton + Xthanol 96 % = 5 + 50 + 50.

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Die am Start verbleibende Substanz (=A) ist, wie die DC in anderen FlieBmitteln zeigt, nicht ganz einheitlich, doch erhalt man einen Hauptfleck, der durch prapara- tive DC gereinigt wurde (Abb. 2 ) . Die Bildung zahlreicher Zwischenprodukte und die Uneinheitlichkeit von Substanz A ist verstandlich, wenn man beriicksichtigt, daB beim Zusammengeben der drei Komponenten Zitronendure, Acetanhydrid und Pyridin radikalische Reaktionen ablaufen. Nimmt man ESR-Spektren des Reaktionsansatzes auf, SO findet man Hin- weise auf mindestens drei verschiedene Radikale, die auch noch 2 Stunden nach Beginn der Reaktion nachweisbar sind; erst 2 Tage nach Reaktionsbeginn ist der Paramagnetismus des Ansatzes nicht mehr meBbar*.

Substanz A ist ein braunes Pulver, das bis 350" nicht schmilzt, in Kohlenwasser- stoffen unloslich, in Athanol und Methanol dagegen gut loslich ist. Die Substanz lost sich auch in Laugen, nicht dagegen in Sauren. Das ungefahre Mo1.-Gew. wurde diinn- schichtchromatographisch mit Hilfe von Sephadex-LH20 bestimmt und lag groBen- ordnungsmafiig bei 2000. Dieser Wert stimmt auch mit dem von Fiirth und Herrmann nach Barger-Rast ermittelten iiberein. Der Gehalt der Substanz an Pyridin ist mit etwa 3 Mol auf das Mo1.-Gew. von 2000 bezogen gering.

Der Verlauf der Reaktion und die Eigenschaften der Substanz A erinnern an die von Schopov4) erhaltenen Polymere aus Malein- bzw. Furmarsaure mit Triathylamin und Phosgen, die als Polyvinylenketoanhydride formuliert werden. Da die Reak- tion mit Zitronensaure uber das Citraconsaureanhydrid verlauft, muij Substanz A aber zudtzliche Methylgruppen tragen. Das IR-Spektrum von A weist die gleichen Banden auf wie die Polyvinylenketoanhydride von Schopov: CO der Anhydridgruppen - 1740, 1780,1185 crn-', -C-O-C- der Anhydridgruppen - 1245 cm-1, Ketobande bei 1630 cm-1. Es kann infolgedessen fur das Endprodukt der Reaktion von Zitronen- du re mit Acetanhydrid und Pyridin die nachfolgende Formel diskutiert werden, die alle nachgewiesenen Strukturelemente enthalt, in die aber zudtzlich auf radikalischem Wege entstandene Methylcyclopentanonderivate eingebaut sein konnen (vgL4)' )):

Wir danken dcm Fonds Chemie fur die Unterstutzung d i e m Arbeit.

Beschreibung der Versuche

Nochweisreaktion der Zitronensciure

5 mg Zitronensaure werden mit 1,s ml Acetanhydrid und 3,s ml Pyridin im Wasserbad erwiirmt. In 10 Min. entsteht eine Rotf%rbung. In gleicher Weise wurden andere Saurcn uberpriift.

4 I . Schopov, Makromolekulare Chem. 137, 285 (1970). * Wu danken dem Chemischen lnstitut der Univcrsitat Tubingen fiir die Durchfuhrung der

Messungen.

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308 f 75 Zitronensaure, A cetanhydrid und Pyridin 587

Acetylzitronensiiure-y-anhydrid (2)

a ) 5 g Zitronensaure werden mit 5 3 g Acetanhydrid und 2 TI. Schwefelsiurc (konz.) versetzt und 20 Min. a m Ruckflu6 mit aufgesetztem Calciumchloridrohr im siedenden Wasserbad er- wirmt. Die farblose Losung wird in 150 ml wasscrfreies Benzol gcgossen. Nach 1 2 Std. wird abfiltriert, mit Benzol nachgewaschen und getrocknct. Ausbeute: 4,9 g (= 86 % d. Th.), Schmp. 119-121'.

CBH807 Ber.: C44,46, H 3.73, Mo1.-Cew. 216,l;Gcf.: C44,32, H 3,79, Mo1.-Gew. 212 (om.). DC: Kieselgel F 254 Fertigplatten Merck. FlieOmittel: Ameisendure + Accton + Benzol + Ather = 10 + 20 + 30 + 4 0 VOLT. Dctektion: Bespriihen mit Pyridin/Acetanhydrid - rote Flecke. Rf 2 - 0,65; bei Zers. durch Feuchtigkcit tretcn auch die Flecke auf: 3-0,35; 1 - 0,OS. 1R- Spektrum (Beckman IR 8): CO-Valenzschwingungcn bei 1780 und 1860 cm-1 (cycl. Anhydrid), CO-Valcnzschwingung des Esters 1740 cm-1, CO-Valenzschwingung der freien Carboxylgruppe 1695 crn-l. NMR-Spektrum (Varian A-60), Tetramethylsildn als Referenz: 7 6,63 ppm (CH2 im cycl. Anhydrid), 7 6.80 ppm (CH2 an freier Carboxylgruppe), T 7,94 ppm (CHQ im Acetylrest).

b) 4 g Zitroncndure wurdcn mit 4 g Acctylchlorid irn sicdenden Wasscrbad erwirmt bis keine Gasentwicklung mehr auftrat. Die olige Fliissigkeit wurde im Exsiccator evakuiert. Nach 30 Min bildcten sich Kristdllc, die mit Benzol gewaschen wurdcn. Ausbeute: 3,9 g (= 87 % d. Th.), Schmp. 120 --123'.

C8H807 Ber.: C44,46, H 3,73, Mo1.-Gew. 216, l ;Gcf . : C44,27, H 3,78, MoLGew. 215 (om.).

Isolierung von Substanz A

5 g Zitronensiure wurdcn mit 15 ml Acetanhydrid und 2 ml Pyridin 45 Min. im siedenden Wasserbad crhitzt. Wahrcnd der Reaktion f i rbt sich der Ansatz gelb, orange, rot, blauviolett und schlieblich braun. Nach dcm Erkalten wird die Losung in 200 ml Xthcr gegossen, der Niederschlag abfiltriert und zur Reinigung 5 ma1 in Aceton gelost undjeweils rnit Ather gefallt. Ausbeute: 2,8 g.

Auf selbstgestrichenen DC Platten mit Kieselgel G wurde je Platte 50 mg Rohprodukt auf- getragen und mit dem FlieDmittel wie bei 2 entwickelt. Die braune Substanz wurde mit Aceton a m Soxhlet eluiert. Ausbeute 15 mg jc Platte. ESR-Spektren: Varian V-4500-EPRSpektrometer.

DC-Mol. -Gew. -Bestimmung an Sephadex- LH 20

20 g Scphadex-LH 20 wurden in 80 ml Dimethylformamid stchen gelassen. Das Gel wurde auf gerillte Glasplatten (Rillen 4 mm breit und 0,3 mm hoch) gebracht und getrocknct. Die Chro- matographie wurde absteigend durchgefuhrt (Neigungswinkel der Plattc 10'). Vor Auftragen der Probe wurde die Schieht 15-20 Std. mit Dimethylformamid gespult. Vergleichssubstanzen waren Polyathylenglykol 1500,2000 und 3000. Nach 4 Std. Laufzeit wurden die Platten an der Luft gctrocknet und mit Draggendorff's Rcagens bcspriiht. Rf-Wert der Substanz A 0,60, des Polyathylenglykols 1500-0,55, des PAC 2000-0.65.

Anschrift: Prof. Dr. H. Autcrhoff, 7 4 Tubingen, Auf dcr Morgenstelle [Ph 3791.