Über die natur der krämpfe bei schichtstar

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ber die %atur der Kri mpfe bei Schichtstar. Von Eugen Frank, can& reed. in Heidelberg. Die ~lteste Theorie, die sich mit der Entstehung des Schichtstars besch~ftigt, stammt yon Arlt. Arlt fasst den Schichtstar als Folge- zustand der Konvulsionen im fr~hen Kindesalter auf~ Analog den allgemeinen Konvulsionen entstehe auch dne Erschiitterung der Linse, wdohe zungchst eine Lockerung und dann dutch den AnpralI des hgrteren Kerns an der weiohen Rindenzone eine Kontusionskatarakt herr&rule. Die jetzt wohl yon der Mehrzahl der Autoren vertretene Theorie ist die yon Horner, der die Rhachitis fiir das Zustande- kommen der Cataracta zonularis verantwortlich macht. Als Konsti- tutionserkrankung bewirkt nach ihm die Rhachitis wie am iibrigen K5rper so auch an der Linse eine Ern~hrungsstSrung, die eine Triibung der Linse zur Folge hat. Diese StSrung wirkt zu einer Zeit a~f die Linse tin, wo sie noch im Wachstum begriffen ist. Daraus geht hervor, dass bei kurzdauernder Einwirkung der Sch~dlichkeit eine schichtf~rmige Triibung, bestehend aus den zu jener Zeit gebildeten Linsenfasern, auftritt, und dass ferner, wenn das die Ern~hrungs- stSrung bedingende sch~Ldliche Moment vortiber ist, wieder neue halle Linsenschichten gebildet werden kSnnen. Tritt die Sch~dlichkeit wieder yon neuem auf~ so werden wieder getriibte Linsenfasern gebildet. A us diesem Vorgang erkli~ren sich die Reiterchen~ die man bei man- chen Formen yon Schichtstar antrifft, und die mehrfachen Schicht- stare. Man kann sich nach Leber auch vorstellen, dass diese Er- n~hrungsstSrung nicht nur eine Hemmung in der Bildung neuer Linsenfasern hervorrui~, sondern dass auch gleichzeitig die obersten Schichten der schon gebildeten Linsenfasern gesch~digt und getriibt werden. Die Triibung beschr£nkt sich auf die oberflgchlichen Schichten, welt die schgdigende Wirkung kurzdauernd ist. Die Theorie yon tt o rn e r wird wesentlich untersttitzt durch die Beobachtung yon L e b e r gelegentlich eines Versuches, durch welchen er die Verheilung yon

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Page 1: Über die Natur der Krämpfe bei Schichtstar

ber die %atur der Kri mpfe bei Schichtstar.

Von

E u g e n F r a n k , can& reed. in Heidelberg.

Die ~lteste Theorie, die sich mit der Entstehung des Schichtstars besch~ftigt, stammt yon Arlt . A r l t fasst den Schichtstar als Folge- zustand der Konvulsionen im fr~hen Kindesalter auf~ Analog den allgemeinen Konvulsionen entstehe auch dne Erschiitterung der Linse, wdohe zungchst eine Lockerung und dann dutch den AnpralI des hgrteren Kerns an der weiohen Rindenzone eine Kontusionskatarakt herr&rule. Die jetzt wohl yon der Mehrzahl der Autoren vertretene Theorie ist die yon H o r n e r , der die Rhachitis fiir das Zustande- kommen der Cataracta zonularis verantwortlich macht. Als Konsti- tutionserkrankung bewirkt nach ihm die Rhachitis wie am iibrigen K5rper so auch an der Linse eine Ern~hrungsstSrung, die eine Triibung der Linse zur Folge hat. Diese StSrung wirkt zu einer Zeit a~f die Linse tin, wo sie noch im Wachstum begriffen ist. Daraus geht hervor, dass bei kurzdauernder Einwirkung der Sch~dlichkeit eine schichtf~rmige Triibung, bestehend aus den zu jener Zeit gebildeten Linsenfasern, auftritt, und dass ferner, wenn das die Ern~hrungs- stSrung bedingende sch~Ldliche Moment vortiber ist, wieder neue halle Linsenschichten gebildet werden kSnnen. Tritt die Sch~dlichkeit wieder yon neuem auf~ so werden wieder getriibte Linsenfasern gebildet. A us diesem Vorgang erkli~ren sich die Reiterchen~ die man bei man- chen Formen yon Schichtstar antrifft, und die mehrfachen Schicht- stare. Man kann sich nach Leber auch vorstellen, dass diese Er- n~hrungsstSrung nicht nur eine Hemmung in der Bildung neuer Linsenfasern hervorrui~, sondern dass auch gleichzeitig die obersten Schichten der schon gebildeten Linsenfasern gesch~digt und getriibt werden. Die Triibung beschr£nkt sich auf die oberflgchlichen Schichten, welt die schgdigende Wirkung kurzdauernd ist. Die Theorie yon t t o rn e r wird wesentlich untersttitzt durch die Beobachtung yon L e b e r gelegentlich eines Versuches, durch welchen er die Verheilung yon

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Linsenkapselwunden bei einem Kaninehen beobachten wollte. Es ent- stand zungehst Linsentriibung im Bereieh der Pupille. Als das Tier 821 Tage naeh der Operation tot. gefunden wurde, .fand man bei der Untersuehung des Au~es eine zentrale Kapselnarbe, welehe dureh einen Fortsatz mit dem intensiv kataraktSs getriibten zentralen Teil der Linse zusammenhing. Dieser war yon einer s]a--lmm dieken, vollkommen klaren Sehicht yon Linsensubstanz umgeben and yon letzterer seharf abgetrennt. Dieser Versuch ist so zu deuten~ dass sieh dutch das Trauma die Linse vollst~ndig triibte, und sp~tter, naehdem die Kapselwnnde gesehlossen war und demnaeh zu keiner weiteren Trgbung der Linse fiihren konnte, sieh allm[thlich klare Linsensubstanz bildete. Knies fasst wieder als Ursaehe der Schieht- starbildung die bei der Rhaehitis hgufig vorkommenden Konvulsionen auf und zwar beschuldigt er speziell die Ciliarmnskelkr~tmpfe, deren Koinzidenz mit allgemeinen Krgmpfen er bei einem Fall Yon Epi- tepsie mit dem Augenspiegel beobaehtet haben wiI1, woraus er den Sehluss zog, class Citiarmusketkrgmpfe aneh zu den rhaehitisehen Alt- gemeinkrgmpfen hinzutreten. Die Ciliarmuskelkrgmpfe sollten eine ErnghrungsstSrung der Linso herbeifiihren. Naeh Hess kann Cata- racta zonularis die Folge einer embryonalen EntwicklungsstSrung sein. @estatzt auf die Untersuehungen der sekund~ren Augenblase eines ca. 150 Stunden alten ttiihnehens fasst er den Vorgang als Folge einer ungeniigenden Abschniirung des Linsenbl~sehens yore ttorn- blatte auf, infolge deren die Linsenfasern zu wuehern beginnen und dann zerfallen. S c h i r m e r pfliehtet der Hornerschen Theorie in der Hauptsaehe bei. Er vertritt auch die Ansieht~ dass der Schichtstar a!s Folge einer ErniihrungsstSrung aufznfassen sei; er nimmt aber an~ dass das seh~dliehe Moment anf die ganze zurzeit gebildete Linse einwirke, starker auf die jiingeren, weniger stark anf die zentralen Pasern. Naeh S ch i rmer ver5ndert die Sch~dliehkeit das Gefiige so- wohl der schon gebildeten~ als anch der zu der Zeit der Einwirkung jener entstehenden Linsenfasern insofern, als sie Vakuolen erzeugt, die entweder in oder zwisehen den Pasern ]iegen. P e t e r s stellt die Behauptung auf, dass beina Schiehtstar die ~ttiologische Bedeutung nieht der Rhaehitis als soleher, sondern der in solehen P~llen mit der Rhaehitis kombinierten Tetanie zukomme. W~hrend er zuerst annahm, dass, wie in den Extremit~tenmuskeln tetanisehe Krgmpfe auftreten, sotehe aueh im Ciliarmuskel zu stande kommen und class diese dann eine ErnghrungsstSrung der Linse verursachen, wird in seinen sp~t- teren Arbeiten die Ansieht vertreten, dass dutch die der Tetanie zu-

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grunde liegende Intoxikation das CiliarkSrperepithel vedindert werde und dadurch Vergnderungen in der Zusammensetzung des Kammer- wassers entstehen, indem es an Eiweisskbrpern und Salzen reieher werde. Der grSssere Salzgehalt des Kammerwassers fiihre dadureh Erng.hrungsst6rung" der Linse herbei, dass ein Diffusionsstrom aus der Linse in das Kammerwasser stattfinde. Die ErnihrungsstSrung be- wirke Sehrumpfung des Kerns, infolge deren tells TrSpfchen her- ausgepresst~ teils Liieken zwisehen den einzelnen Fasern gebildet werden.

Die Theorie yon A t i t wird allgemein nieht mehr anerkannt. Dass Ersehiitterungen des KSrpers zur Entstehung yon Eatarakt nieht beitragen, geht daraus hervor, dass Leute, welehe solchen in hohem Grade ausgesetzt sind, wie Lokomotivfiihrer asw., zur Starbildung nieht m e h r neigen als andere, dass ferner mit Nystagmus Behaftete aueh nicht zu Eatarakt pr~idisponiert sind. Der triftigste Grund~ tier gegen die Arl tsehe Theorie sprieht, soll spiter erwihnt werden. Man kann sich abet aueh nieht vorstellen, dass, wie die Kniessche Theode annimmt, etwaige die allgemeinen Konvnlsionen begleitende Kdimpfe des Ciliarmuskels Katarakt zur Folge haben kSnnten. Ab- gesehen davon, dass das Vorkommen yon Ciliarmuskelkr~mpfen in derartigen F~illen durehaus nicht na&gewiesen ist~ wiirden sie aueh nicht Star zur ]~'olge haben k5nnen, da, worauf E. v. t t i p p e l auf- merksam maehte, lang fortgesetzte Esedneintr~uflungen bei Mensehen niemals eine Trtibung der Linse hervorrufen. Wenn wit yon der H e s s schen Theorie absehen~ bleibt demnaeh die hypothetisehe Intoxi- kation als ursfiehliehes Moment tier Cataraeta zonularis tibrig. W~ih- rend abet t t o r n e r und mit ihm Lebe r und die meisten Autoren vorwiegend die Rhaehitis daftir besehuldigen und die Ansieht vertreten, dass die Seh~idliehkeit direkt auf die Linse einwirkt, steht P e t e r s auf dem Standpunkt, dass jene Rolle nieht die Rhaehitis, sondern die Tetanie spiele und dass diese ihre Intoxikationswirkung dutch Ver- mittelung des CiliarkSrperepithels geltend maehe, wodureh es dann indirekt dureh eine Ver~.nderung in der Zusammensetzung des Kam- merwassers zur Seh~digung der Linse komme. Ieh gehe auf diese Ansiehten hier nieht ein, da sie, wie L e b e r gezeigt hat, der Krifik nieht standhalten und an& nicht zum eigenttiehen Gegenstand meiner Arbeit gehSren.

P e t e r s bemiingelt mit ~echt die Art der Anamnese, wie sie bisher in den Angenkliniken bei sehiehtstarkranken Kindern aufge- nommen wurde; dieselbe habe sieh darauf besehriinkt, nut iiberhaupt

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nach Kr~impfen zu fragen, ohne auf die N~tur derselben nS,her einzugehen; er erwm~tet yon einer Statistik, welehe mit Sorgfalt auch die Form der Kr~mpfe in Reelmung zieht, die Best~tigung

seiner Aufstellung. Auch L e b e r vermisst eine Statistik dariiber, wie oft die Kr~impfe bei Schiehtstar in Form der Tetanie auRreten. Es wurde deshalb seie einiger Zeit in der Heidelberger Uni~ersit~ts- Augenklinik bei Sehiehtstarkrankea die Anamnese auch in der Rich- tung mSgliehst sorgf~ltig aut)enommen, um ein Urteil tiber ihre Natur zu gewinnen. Das Ergeb~ds sind die folgenden Krankengeschiehten, welche mir ~'on Herrn Prof. L e b e r zur VerSffentliehung gtitigst tiber-

]assert wurden.

1. I~einrieh B, 9 Jahre. Patient lernte erst mit 51]~ Jahren gehen~ er hatte mehrfaeh Kr~mpfe gehabt im Alter ~'on 21]~--3 Jahren~ einmal eine ganze Naeht hindureh (wohl mit Unterbreehungen). Den KrSmpfen ging eine Aura voraus~ in der das Kind unruldg wurde und weinte. Wfih- rend der Anf~lle antwortete er night auf Fragen, verdrehte die Augen und ballte die Nnger zur Faust zusammen. Keine PfStehenstellung.

Star, praes.: Die bleibenden S&neidezithne ausgesproehen rha&itiseh. Beiderseits sehr diehter Sehiehtstar. Durehmesser 5 mm mit dem Pupillen- distanzmesser gemessen.

2. Hermine M.~ Nter als 6 Jahre. Patientin hat erst im zweiten Jahr gehen gelernt Sit hatte Kdtmpfe im 1. und 2. Lebensjahr~ zeitweise haufig. Bei den Kr~mpfen soll sic Kopf und Augen verdreht und gezuekt haben~ zuweilen aueh naehts mit einem Sehrei aufgewaeht sein, an den sigh ein gleieher Anfatl ansehloss. Krampferseheinungen an den H~nden wurden nicht beobaehtet.

Stat. praes.: Die vorhandenen Sehneidezahne 2. Dentition deutlieh rhaehitiseh~ kleine Drt~sensGhwellungen im Naekem Beidersei~ sehr grosser Sehiehtstar, der die dureh Atropin erweiterte PnpiUe voltstandig ansft~llt. Deutliehe feine Radiarstreifung.

3. Charlotte P , 10 Jahre. Hat angeblieh im 1. Jahr gehen gelernt und Zahne reehtzeitig bekommen. Krampfe werden entschieden negiert. Sic hat noeh 5 Gesehwister; davon haben mehrere Kr~mpfe gehabt~ aber keines ist augenkrank.

Stat. praeso: Sehw~ehliehes, ziemlieh blass anssehendes Kind. Seitliehe obere Sehneidezghne auffallend klein und spitz~ mitttere~ obere SGhneide- z~ihne auffallend gross. Eekz~ihne aueh klein und zum Teil caNSs. R. Sehieht- star. DurGhmesser 5 ram. Vor dessert Rand dart~her hinans wenige kurze Tdibnngsstreifen in einer mehr peripheren SGhieht. Naeh anssen davon brei- tere sektorenfSrmige Trtibung, die sieh abet naeh der Nitre rein auszieht. Sehiehtstar sehr dieht~ in der Mitte dichte 5 am Rande leieht unregelm~tssig~ anseheinend etwas gesGhrumpft. NiGht zu durehleuehten.

&. Rosa Pf.~ sehulpfliehtig. Patientin hat zur reehten Zeit gehen und sprechen lernen. Sic soll niemals Krampfe gehabt haben.

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Star. praes.: Keine Zeiehen yon Tetanie und Rhaehitis~ Sahneidezithne oben etwas eingekerbt Es finden siah am Nacken multiple kleine Driisensehwel- luagen. Es besteht eine eigenttimliehe Deformit~tt der Nasenwurzet, welche eine Uatersnchung in der 0hrenklinik veranlasst Es wurde eine geheiite Septum- pertbration und ein partiell atrophischer Zustand der Nasensehleimhaut kon- statiert~ welaher sehr suspekt ist auf Lues congenita. Wassermann negativ. Beiderseits Cataraeta zonularis ungewShnlieher Form mit vorzugsweiser Trti- bung der hinteren Cortiealis. - - Patientin kommt, naebdem sie vor einiger Zeit iridektomiert wurde, wieder mit Zunabme der Katarakt Es ist also docb wohl kein echter Schichtstar anzunehmen. Seit 1/2 Jahr angeblich Ab- nahme der Sehkraft. Patienfin sell damals mit der tinken Stirnseite auf ein Kratzeisen gefallen sein. Sonst stets gesund~ nur Masern iiberstanden.

5. Maria P., 18 Jahre. Patientin Iernte erst mit 21/~ Jallren gehen. A[s Kind litt sie an Zahnkriimpfen. Mit 14 Jahren trat der erste epilep- tisehe Anfall auf. Die Anf'~tlle wiederholten sieh anfangs in 15.ngeren hatb- ji~]hrigen IntervaUen, in letzter Zei~ aIIe Woehen ein Anfall. Der letzte wurde ara 24. hier beobaehtet. Ein Sehrei~ Verzerrung der reehten Gesiehtsh~lfte, vorwiegend tonisehe Kontrakturen des ganzen KSrpars, Weite und Starrheit de< Pupillen, blutiger Sehaum vor dem Mund, Cyanose und ersehwerte At- mung, Bewusstlosigkeit. Dauer des Anfalls 2 - -3 Minuten. Seit 2 Jahren bestebt Sehversehleehterung~ die mit den AnFallen zunimmt. AIs Sehulmi~dahen ~dll Patientin noeh gut gesehen haben. In ihrer Kindheit ist sie hier in tier Lnisenheilanstalt wegen Driisen im Unterleib mit Karbol innerlieh bahandalt worden. Voriibergehande bis zu ~/~ Stunde anhaltende tonisehe Krampfe der Hande und tier Beine ohne BewusstseinsstSrung will Patientiu sahon 5fters gebabt haben, angeblieb seit 1 Jahr. Dabei Formikation. Von den Gesahwistern leben zwei und sind gesund. Die drei letztgeborenen sind jung gestorben, eines angeblieh an Starrkrampf. Eltern leben und sind gesund, keine Nervenkrankheiten in der Familie.

Stat. praes.: Zahne ganz deutlieh rhaehitisetl deformier$. Die oberen Sehneidezahna ganz auffallend kurz, die Randzone dtinn und teilweise ein- gekerbt, die oberen saitliehen Sehneidezghne aueh sehr sehmal, aueh die Eckz~hne oben sehr mangelhaft entwickelt, zwisehen ihnen und den einzelnen Schneidezahnen tiberall Zwisehenraume. Aueh die unteren Sehneideziihne und Eekzi~hne auffaIlend klein~ der Sehmelz in der Gegend der Sahneide iiberall mangelhaft entwi@ett. Keine Struma, aber doeh der Hals etwas dick in der SehiIddriisengegend. An Sch~del- und K5rperstruktur keine auffaIlen- den Anomalien. Sternum normal, keine Driisen fiihlbar. Die Perkussion und Auskultation yon Herz, Lunge und Abdomen ergibt iiberall normale Verh~ltnisse. Beiderseits typiseher Sehiehtstar. R. Durehmesser ~ ungefiihr 6 mm, 1. eine Spur mehr. R. A.: Strnktur der Triibung radiarstreifig. Durch die vordere getriibte Sehicht erkennt man die hintere deutlieh hindureh. Die Xquatorialzone der Trtibung etwas st/irker getriibt~ der mittlere Tell der vorderen Sehicht etwas mehr fleckig, besonders aussen. L. A.: Yore Rande der Triibung strahlen zahlreiehe feine kurze Spitzen in die umgebende klare Linsensubstanz aus. Dieselben liegen deutlieh in ether geringen Ent- fernung naeh aussen yon der eigenfliehen Schiehtstartrtibung. Einige der- setben hubert auch deutlieh den Charakter yon Reiterehen. Augenhintergrtmd

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zeigt nat eine miissig breite Siehel am tempora|en Papiltenrand. Die Trii- bung l~isst sieh an beiden Augen in toto durehleuehten.

Nervenbefund: Bei leiehtem Beklopfen auf den Stature des Nervus faeialis ganz ausgiebige Zuckung in allen Zweigen seines Versorgnngsgebietes (FaeialisphSmomen~ Chvostek). Zunge wird gerade herausgestreekt, Gaumen- segel gleiebm~ssig gehoben. Vagt~s~ Aeeessorins gut. Obere Extremit~tt: Mo- tilit~t, SensibilitS.t und grobe Kraft gut. Keine Ataxie. Bei Beklopfen der grossen Nervenst~mme t~berall ausgiebige Zuekung in ihrem Ausbreitungs- gebiet, t/eflexe sehr lebhaft. Auf Dmek im Suleus bieipitalis naeh 2 - -3 Minuten dentliehe Pf6tehenstellung, toniseher Krampt~ustand~ der bei wieder- hergestellter Cirkulation fast sofort sieh wieder 15st (Trousseausehes Ph~- nomen). Dabei li'ormikation, ebenso wie beim Entstehen des Krampfes. Rumpf und untere Extremit~t: Motilit~t~ grobe Kraft ungestSr L keine Ataxi% normale Sensibilit~t. Reflexe ebenfalls nile pathotogiseh gesteigert. Kein Fuss- klonus~ kein Babinsky, kein Romberg. Elektrisehe Erregbarkeit qualitati~r im Muskel und Nerv nieht ver~tndert, kurze blitzartige Zuekung. Dagegen deutliehes Erbsehes Ph~tnomen. Qnantitati~, eine sehr grosse Steigernng tier elektrisehen Erregbarkeig nur im Nerv.

6. Karl W., 7 Jahre. Patient hat mit 18 Monaten gehen gelernt und hat im 1. Lebensjahr zeitweilig mitunter st~ndliehe Kr'~mpig mit Bewusst- losigkeit nnd Faustbildung tier Hgnde gehabt (naeh Berieht des Vaters PfStehenstellung ausdrfieklieh in Abrede gestellt).

Star. praes.: Zahne, hauptsaehlieh obere Sehneidezahne, besonders klein und teilweise yon Zalmsehmelz entblSsst. Beiderseits Cataraeta zonnlaris; R. A.: dieselbe ist radi'~r gestreift und l~sst sieh gut dureblenehten. In der Peripherie naeh innen unten reiterehenf6rmige Trtibung, naeh den tibrigen Riehtungen Andeutung yon desgleiehen. L.A. Sehichtstar yon gleiehem Aus- sehen und ungef~hr demselben Dnrehmesser~ wegen unvollstSndiger Mydriasis nicht in seiner ganzen Ausdelmung siehtbar. Durehmesser r. = 7 mm, 1. ---~ ungef~lar 7 ram.

7. Ludwig H.; 8 Jahre. Patient lernte erst mit 2 Jahren gehen unel soil hie an KrSompfen gelitten haben. Er soll sehon yon Geburt an sehleeht gesehen nnd gesehielt haben.

Star. praes.: Seh~del ist auffallend gross und hat Qnadratform. Die Stirne erseheint etwas vorgewNbt. Z~thne sind niebt rhaehitiseh. Tibiae zeigen geringe Kr~immung. Beiderseits Sehiehtstar. Der Durehmesser des Sehieht- stars betr~tgt bis 6 mm. Beiderseits besteht Sehiehtstar yon gleiehmfissiger~ etwas radi~tr angeordneter Strnktur und Diehte. Beiderseits fehlen Reiterehen.

8. Emil W., 3~[2 Jahre. Patient lernte erst mit 2 Jahren gehen, er hatte mit 8 Tagen naeh der Geburt 8 Tage dauernde Kr~mpfe (genaueres ~ber die Natur der Kr~mpfe ist nieht zu erfahren).

S~at. praes.: Patient kann his jetzt noeh gar nieht spreehen. Beider- seits Cataraeta zonularis~ Durehmesser = 5 mm. Zeigt noeh Andeutung yon strahliger Struktur. Beiderseits finden sieh typisehe Reiterehen. Ophthalmo- skopiseh l~sst sieh die Papille naeh Pupitlenerweiterung sowohl neben dem

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Schichtstar wie dutch den SehicMstar hindurch sehen und erseheint bei- derseits etwas weisslieh, aber noeh in den Grenzen des Physiologischen. Patient soll auf griissere Gegenst~inde anrennen und aueh seheinbar niehts erkennen.

9. Ptfilipp D., 15 Jahre. Lernte erst mit 21[~ Jahren gehen infolge engliseher Krankheit. Er hat als Kind yon 2 Jahren sehr starke Kr~mpfe dnrehgemaeht~ die, durehaus epileptiformen Charakter trugen (Daumen stets eingesehlagen). Kr~mpfe dauerten (wohl mit Unterbreehungen) bis zu 1/~ Tag an. Vor ungef~hr 2 Jahren Diphthd'ie. Sonst gesund. Gesehwister aUe ge- sund. Vater kurzsiehtig, sonst in der Familie kein Augenleiden.

star. praes.: Kleiner~ sehm~ehtiger Junge mit Residuen fiberstandener Rhachitis~ insbesondere typische rhaehitisehe Z~hne. Beiderseits Cataraeta zonu- taris~ Durehmesser = 6 mm. Linsen beiderseits ganz gleiehm~ssig diffus ge- triibt, die Peripherie ist ganz fret. Keine Reiterehen. Trttbung nur sehr zart. Ophthalmoskopiseh ~berall rotes Lieht. Vor Homatropin Papille ganz sebwaeh zu sehen, naeh ttomatropin aus der Peripherie deutliehes normales~ ein wenig verzerrtes Bild. Pupillen reagieren prompt; auf Homatropin maxi- mal weit.

10. Heinrieh L , 13 Jahre. Patient hat frtih gehen und spreehen ge- lernt und hatte nie Kr~tmpfe. Er hat bet Beginn des Sehulbesuehs gut ge- sehen, gibt aber zn, dass er niemals so gut gesehen hat wie andere. Will seit 3 Jahren in der Niihe und in der Feme nleht gut sehen; damals war eine Fleekenepidemie in H.~ auf die er das Sehleehtsehen zuriickflihrt. Familienanamnese ohne Belang.

Star. praes. : Z~hne gut ausgebildet. Beiderseits Sehichtstar~ Durehmesser r. ~ 7--7~5~ 1. ~ 7~5 ram. Vordere Linsensehieht fast gar nieht getriibt~ mit Ausnahme einiger kleiner am vorderen Pol getegener Streifehen~ hintere Linsensehiei~t radiSr getrtibt.

11. Rudolf" H.~ 6 Jahre. Pat. war stets sehw/iehlieh~ lernte erst mit 3 Jahren gehen. Nit 2 Jahreu hatte or Kr~mpf% dabei sehtittelte er mit Hi~nden und Ftissen~ maehte mit den H~nden F~ust% ohne den Daumen einzuschlagen~ nnd bekam Sc|mum vor den Mund. Solehe KrS.mpfe hatte e r ungefiihr 12. Vater, Mutter: 2 Geseh~ister gesund. Ein Kind mit 7 Monaten an Gieh~ern gestorben, Erst beim Sehulbesueh fiel auf~ wie wenig das Kind sah, and deshalb wurde er yore Lehrer in die hiesige Klinik geschickt.

Stat. praes.: Ziemlieh gut entwiekeltes Kind mit typisehem Caput. .quadratum~ deutlieh rhaehitisehen Z~ihnen. Beiderseits Cataraeta zonularis~ Durehmesser ~ 7 mm. Pupillen reagieren prompt. Auf Atropin maximale Erweiterung. Beiderseits ist die Linse his auf einen schmalen Saum in der Peripherie getriibt mit deutlicher RadiS, rstreifung. Triibung in der Mitre am stSrksten. Ophthalmoskopisch nur aus der Periphea'ie noeh rotes Licht.

12. Hermann W., 15 Jahre. Pat. lernte mit s]4 Jahren gehen, hatie keine krummen Beine. Soll keine englische Krankheit gehabt haben. Er lite naeh Angabe des Vaters an Kr~mpfen beim Zahnen (Giehter); dabei sehlug er um sieh; besonders h~,tnfig sehlug er mit dem Kopfe auf; die H~nde waren gebalIt~ die Daumen eingesehlagen. Die Sehkraft war immer sehlecht~

v. Graefe ' s Archiv fiir Ophthalmologie , L X X ¥ I I . 1. 8

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besonders reehts; doch will Patient erst vor 2 Jahren durch seinen Lehrer anf seine Augenerkrankung aufmerksam gemaeht worden sein.

Stat. praes.: Kleiner graeiler Pat. Sehr schleehte typiseh rhaehitisehe Z~hne, keine Drtisenschwellung, keine sonstigen Zeiehen yon Rhachitis. Rechts Aphakie, links Cataracta zonularis, D. ~ 6 1/2 ram. Rechtes Auge operiert~ Pupille reagiert auf Atropin maximalweit. Naeh Erweiternng tells feine~ tells derbere Cortiealreste siehtbar~ dis sonst von der Iris verdeckt werden~ so dass in der Mitre eine schwarze Lticke erseheint. Einzelne feine hintere Synechien naeh Erweiternng zu bemerken. Ophthalmoskopiseh: rotes Lieht aus Mitte und Peripherie. Normales Fnndnsbild. Linkes Auge: gusserlieh reiz- los~ aus Tranensaek niehts ansdriiekbar. Pupille reagiert prompt~ auf Atropin maximalweit, keine Syneehien. Linse: feine Speiehenbildung, keine Reiter- chert. Nur die ~usserste Peripherie ist etwas weniger getrtibt. Ophthalmo- skopiseh sehwaeh rotes Lieht, hellrotes nur aus der Peripherie. Kein Fun- dusbild.

13. tteinrieh K, 151/2 Jahre. Er war so sehwg.ehlich~ dass er erst mit (~ Jahren gehen lernte. Sonst will er hie krank gewesen sein. Pat. hatte bis zu seinem 4. Lebensiahr Kr~mpfe, bei denen er F~uste bildete und mit Handen und Ftissen um sich schIug. Beim Sehulbesuch i]el auf~ wie wenig er sal~.

Stat. praes.: Sehr anamisehes~ ftir sein Alter kleines and schw~tehliehes Kind. Seh~del deutlich dolichocephal, Hinterhaupt hSher, Stirn finch. Sehneide- und Eckz~hne typiseh rhachitiseh. Beiderseits Cataraeta zonularis. Dureh- messer ungef'~hr 7 ram. Ileehtes Auge: Die Trtibung ist am Rande scharf abgegTenzt~ sehr zart, zum grSssten Teile aus feinen Piinktehen und Stri- ehelchen bestehend~ am vorderen Po lde r gefrtibten Sehieht zu einer kurzen Strahtenfigur aneinander geffigt. Naeh innen obea ein etwas grSsseres Piinktchen. Peripher yon der getriibten Sehieht noch feine radiSre Streifung. Linkes Auge: Aussehen der Triibung ganz ~thnlieh, doch ein wenig starker. Strahlige Bildung am vorderen Pol weniger ausgebildet. 0phthalmoskopiseh: Papitle beiderseits verschwommen, aber doeh als normal zu erkennen.

1E. Johanna Pf, 17 Jahre. Hat erst mit 19 Monaten gehen gelernt und hatte keine Kr~mpfe.

Stat. praes. : Rhachitisehe Z~hne. Beiderseits Sehiehtstar. Durehmesser ungefahr 61/2 ram. Typiseher ~tusserst zarter Sehichtstar anf beiden Augen; vollstandig zn durehleuchten, Papille siehtbar und normal. Beiderseits nnten an der Hinterfl~che der Schiehtstartrtlbung in der Cortiealis gesattigte Trfibung (Reiterehen).

15. Alois B., 20 Jahre. Von Giehtern nnd sp~tteren Kr~mpfen epilep- tiseher Natur niehts zu eruieren.

Star. praes.: Rhachitisehe Zahne. Trtibung beiderseifs sehiehtsfarartig. Reehts sehr unvoltst~ndig, nur aus 5 - -6 getrennten breiten~ keilfSrmigen Streifen bestehend, die zum Tell sehr dentlieh in der vorderen und hinteren Cortiealis als Reiterehen hineinragen. Links etwas kleiner, Rand nnregei- ra~ssig, anseheinend gesehrumpft, mit fokaler Beleuehtung doeh noeh eine vordere yon einer hinteren Sehicht zu nnterseheiden, abel" Tr0.bung sehr dieht~ nieht zu durehlenchten. Dem Rand eine AnzahI feiner Spitzen aufgesetzt.

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16. Philipp H., 9 Monate. Partus ohne StSrung. Das Kind sell stets ganz gesund gewesen sein, keine VerdauungsstSrungen und keine Kriimpfe gehabt haben. Keine Angaben ftir Tetanie. Gleich naeh der Geburt will die Matter bemerkt haben, dass die Augen sehleeht geSffnet wurden und, wenn dies gesehah, sie sieh in SehiefsteUung befanden und besonders naeh innen und oben abgewiehen waren.

star. praes.: Gesund aussehendes~ gut entwiekeltes Kind. SehSodel kaum deforraiert. Itinterhaupt etwas flaeh. Grosse und kleine Fontanelle nieht gesehlossen. Erst ein Sdmeidezahn. Thorax: Rhaehitiseher Rosenkranz ra~sigen Grades, sonst gut gew5Ibt. Auftreibung der Epiphysen am Vorderarra und Untersehenkel~ besonders stark am Handgelenk. Leiehte Verbiegung der Tibien. Beiderseits Cataraeta zonularis. Reehte Pupille auf Atropin nur un- vollkoraraen erweitert In tier Mitre tier Pupille weissliehe Triibung, deren Zentrum eingenoraraen wird yon ether 8telle intensiver weisser FSrbung~ dis wile verkalkt erseheint. Die Triibung seheint nieht tier 0ortiealis anzuge- hSren, sondern ira Kern zu liegen. Vordere Kammer yon norraaler Tiefe. Linkes Auge: PupiIle aueh nieht maximal zu erweitern~ ohne class hintere Syneehien nachweisbar waren. Weissliehe Linsentrabung yon dera Oharakter der Cataraeta zonularis. Neben tier Trtibung ophthalraoskopiseh rotes Lieht. Bild wegen grosser Unruhe nieht erh~iltlieh. Im GlaskSrper flottiert dunkle Masse, deren Natur nieht erkennbar.

17. Karl G., 26 Jahre. Lernte nieht besonders spat gehen, soil ale Kind sehwer gezahnt haben. Weiss nichts yon Krampfen anzugeben. Familien- anamnese bdanglos.

Stat. praes.: Z~ihne rhaehitisch ver~ndert, keine typisehen~ rhaehitisehen V~-~nderungen am Seh~del. Beiderseits Cataraeta zonularis. 1896 links iridektomiert, l 8 9 9 reehts.

18. Elise H.~ 12 Jahre. Pat. lernte mit einera Jahr gehen~ sell nie krank gewesen sein und keine Kr~irapfe gehabt haben. Farailienanaranese belanglos. Angeblieh seit dera 3. Jahre soil yon dan Angeh5rigen bei der Pat. erst am rechten Auge~ kurz darauf am linken Auge Star bemerkt worden seth.

Star. praes.: Reehts Mitte der Pupille yon ether kleinen kalkweissen Triibung eingenommen, die sieh vom Sehichtstar aus alimahlieh verjiingend bis zur vorderen Kapsel hinzieht. An diese diehte mitflere Ttqlbung schliesst sieh eine weniger dicht getriibte, kreisrunde Zone: der Schiehtstar an. Triibungen in dieser Zone tells radi~r~ tells punkffSrraig. Linsenperipherie fi:ei yon Trtibungen, nur nasal unten Reiterchen siehtbar, uraschriebene Trtibung ira peripheren sonst durehsiehtigen Teil der Linse. Links Kernstar wit reehts, doeh zieht dieser nicht wie reehts his zur vorderen Kapsel. Sehiehtstar wie reehts und nasaler Reiter. Reehts naeh Atropin rotes Lieht im Bereieh des 8ehiehtstars. Im Bereieh tier kinse@eripherie Augenhinter- ~-und deutlich sichtbar. Links desgleiehen. Papille normal.

19. Henriette B, 23 Jahre. Anaranestisch niehts deutliches yon Rha- ehitis, lernte ii'iih gehen. Hatte ale Kind keine Krampfe. Die mit 6 Jahren itberstandene Krankheit sell nieht Meningitis gewesen sein; Pat. gibt an, sie set ungePahr 6 Tage ohne Bewnsstsein gewesen~ habe Fieber t~ber 420

8"

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116 E. Frank

gehabt. Die Krankheit habe 8 Woehen gedauert~ habe Lunge~ }[agen und Darm betroffen. Augen waren hie entztindet.

Star. praes.: Keine Zeiehen yon Rhaehitis~ ZNme gub nieht g'erieft. gSrt gut. Beiderseits Cataraeta zonularis. Durehmesser = 4~5 sam. Reehts operiert. Iriseolobom naeh unten innen. Beiderseits diehter besonders kleiner Sehiehtstar, ausserdem am linken Ange anssen oben und ausseri unten periphere Trtibung (Reiterehen), die etwa 1 mm t~ber die trtiben Sehiehten hinausragen. Aneh im reehten Auge im Colobom dn kleines Reiterehen zu sehen. Fnndusbild besonders klar und ohne Besonderheiten an sehen.

20. Johann Georg W., S0 Jahre. Pat. lernte spat gehen. Pat. sieht yon Kind auf sehleeht~ seit der Sehulzeit soil die Sehkraft noah abgenommen haben. Eltern beide gesnnd. Eine Sehwester ganz klein, ungef~hr 1]s Jahr alt, an Giehtern gestorben. 5 Gesehwister leben und sind gesund. Pat. selbst will hie ernst]ieh krank gewesen sein, hat angeblieh nie Driisen gehabt~ weiss niehts yon Kr~tmpfen.

Stat. praes.: Sehr sehleehte Zahne. Beide Tibien zeigen ganz leiehte Kr~immung. Sehleeht gebauter Thorax. Beiderseits Cataraeta zonularis. Reehts typiseher Sehiehtstar, an Umfang der mitteIweiten Pupille ent- spreehend. Stre~fige Struktur tier Trtibungen. Ophthalmoskopiseh dureh die getrtibten Partien der Linse rotes Lieht, in der Peripherie deutlieh Fun- dus siehtbar. Links Sehiehtstar wie reehts. Trtibungen der Linse zum Tail radi~ir, zum Tell nnregelm~ssig, yon grSsserer Diehte wie reehts. Ophthal- moskopiseh wenig rotes Lieht dureh die zentralen Linsenpartien. Peripher Fundusbild siehtbar.

21. Klara G, 9 Jahre. Die Zghne soil das Kind erst sp~t bekommen haben, gehen erst zwisehen 21Is nnd 3 Jahren g'elernt haben. Es hat vom 1. Lebensjahre an bis zum ~. Jahr zeitweise Krgmpfe gehabt~ und mit 3 - - 4 Jahren soil es aueh Stimmlitzenkrampfe bekommen haben~ naehdem die andern Krampfe seltener anfgetreten waren. Die Krg~mpfe dauerten an- geblieh 3--d: Minuten und war das Kind dabel bewusstlos, hatte Sehaum vor dem Mund, die H~nde zur Faust eingezogen nnd die Daumen einge- sehlagen. Bei den Anf~tllen zuweilen aueh Zuekungen der Arme nnd Beine; doeh soU das Kind hie dabei die Zunge wund gebissen haben.

Star. praes.: Ziemlieh gut gen~hrtes Kind. Zahne zeigen ausgesproehen rhaehitisehe Ver~indemngen. Die Sehneide der nnteren SehneidezNme ist ein- gekerbt. Bei mehreren Z:~thnen fehlt der Sehmelz an der Spitze und ist Ietztere koniseh gefermt. Die Z~hne selbst klein. Links Cataraeta zonulm% reellts Aphakie naeh Diseission tier Cataraeta zonularis. Links Durehmesser = 7 ram. Diesolbe lasst sieh mit dem Sp~eget ganz durehleuehten und zeigt deutliehe radiate Streifung. Im Zentrum der vorderen Sehieht befindet sieh ein saturiertes Fleekehen. in der Peripherie sind einige sehr kurze feine Trtibungsstreifen siehtbar~ die fiber den Rand des Sehiehtstars hintiber- ziehen. Bei erweiterter Pupille bleibt nnr eine minimale Zone zwisehen Pnpillan'and und Sehiehtstar frei. Am reehten Auge ist ansgebreiteter Naeh- star vorhanden, der das ganze Pnpitlengebiet einnimmt: sieh abet dureh- !enehten lgsst. Der Naehstar ist am oberon und am unteren Pup~Ilarrand adh~trent. Faeialisph~nomen jetzt nieht vorhanden.

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Uber die Natur der Kr~mpfe bei Sehichtstar. 117

22. Friedrich E, 10 Jahre. Keine englisehe Krankheit. Hat frtih gehen ternen~ mit s]4 Jahren zi Wochen lang Kr~impfe (,Giehter"); dabei Krampf- stellung der tt~inde.

Stat. praes.: Rhaehitisehe Zahnbildung. Beiderseits Se.hiehtstm 5 Durch- messer ~ 7 ram. Beide Augen reizlos, I-Iornhaut klar~ Pupille weir. Beider- seits typiseher Sehichtstar mit zahlreiehen Reiterchen. Ophthalmoskopiseh: Beiderseits verwasehenes Bild der anseheinend normalen Papille; in der Peripherie ist die Pupille sehSn zu durehleuchten und man bekommt ein normales Bild des Augenhintergrundes.

23. Theodor B., 11 Jahre. Im Alter yon 2 Jahren mehrere Monate lang Kr~impfe~ hielt die Finger zusammengezogen~ nieht ausgestreekt~ war dabei bewusstlos und bekam Schaum vor den MuM. Die Kr~impfe dauerten jedesmal h5chstens 10 Minuten. Sie hSrten naeh der angegebenen Zeit voll- st~indig und dauernd auf.

Star. praes.: Beiderseits grosse Cataraeta zonuIaris mit vielen Reiterehen. Durehmesser r. ~ 6 ram. Augen vollkommen reizlos. Beiderseits dichte Trfibung~ welehe sieh wenig durehleuehten l~sst und bei Atropin-Mydriasis nur einen sehmalen Santo yon ungefahr 2 mm f)~eilasst. Am pe~ipheren Rand noeh radi~ire Vorsprt~nge.

24. Leonhard S, 5 Jahre. Pat. hat erst mit 2 Jahren gehen, er hat aueh erst sp~t sprechen gelernt. Nach brieflichem Berieht des Vaters kon- statierte der bei den Kr~impfen zugezogene Arzt englische Krankheit. Nit ~]4 Jahren hatte el" heftige Anf~lle yon Kr~mpfen, bei denen er die Augen verdrehte. Sie hielten ungeF~hr ein halbes Jahr an. Manehmal 14tagige Unterbreehung der Kr~mpfe, manehmal t@lieh 2 - - 4 Anf~lle. Einsehlagen der H~inde oder Sehaumbildung vor den Lippen bemerkt zu haben ist den Eltern nieht in Erinnerung. Bewusstlos war Patient dabei meistens 3 - - 1 0 Minuten. Seit einem Jahr will tier Vater bemerkt haben, dass der Junge sehleelat sieht.

Star. praes.: Beiderseits Cataraeta zonulm'is et polaris anterior. Reehts Strabismus divergens. Beide Augen 5ousserlieh reizlos, tIornhaut klar. Pu- pillen reagieren prompt auf Liehteinfalh Vor Itomatropin eine zarte grauliehe Trfibuag der Linsen im Bereieh des ganzen Pupillargebietes. Beiderseits ~ordere Polarkatarak b derart sieh darstellend~ dass gerade am vorderen Linsenpol beiderseits eine oval% ungef~hr i mm im grSssten Durehmesser messende, grauweissliehe Kapselverdiekung deutli& ausgesproehen ist. Oph- t halmoskopiseh beiderseits kein rotes Lieht. Visus: Erkennt Gegenstande bei Tageslieht in n~ehster Nah% bei guter k~instlieher Beleuehtung in 1]~--1]~m. Naeh Homatropin erkennt man, dass es sich beiderseits um einen gTossen Sehiehtstar handelt, so dass man in der Peripherie kaum rotes IAeht bekommt. Visus naeh Homatropin nieht besser.

25. August W, t5 Jahre. Cataraeta zonularis bds. Hat als Kind Menin- gitis mit Kr~tmpfen~ englisehe Krankheit~ Masern, Scharlaeh und Keuehhusten gehabt; immer sehle&t gesehen; hat erst Ende des 2. Jahres gehen gelernt.

Stat. praes.: Rhaehitisehe Z~ihne; bds. typiseher Sehiehtstar yon mittlerer GrSsse, sehwaeh zu durehleuchten. Die Trt~bungen der Sehiehtstarzone haben

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!18 E. Frank

stellenweise Speiehenibrm.: in der ganzen Circumfereuz der Katarakt kleine Relterchen, Peripherie ganz klar, Papillo gut zu sehen bet erweiterter Pupille.

26. Felicitas W, 11 Jahre. 27. Salt W., 7 Jahre. Beide Cataraeta zonularis ohne Indizien zur

Rhachitis, aber Konsangninit~it der Eltern. Mutter leidet am reehten Auge an Amblyopie.

28, Fritz L, 7 Jahre. Beiderseits Cataracta zonularis. Schichtstar sehr zart. Hat als Kind Kr~tmpfe gehabt nnd erst mit 3 Jahren gehen gelernt.

29. Ernst Pf, 6 Jabre. Beiderseits Cataracta zonularis. SehstSrung in der Sebule zuerst bemerkt. Keine rhachitisehen Erscheinungen. Soil zur rich- tigen Zeit gehen gelernt und keiue Kr~mpfe gehabt haben. Sehr zarter Schiehtstar~ zu durehleuchten und Augengrund hindurchzusehen.

30. Willi H, ] 8 Jahre. Keine Kriimpfe. Lernte naeh etwas fiber i Jahr gehen~ Ziihne wohl gebildet.

31. Emil W, 18 Jahre. Beiderseits Cataracta zonu!aris. Rechts von mittterer Griisse, links grosset. Iridektomie ist nach innen gemacht. Sotl als Kind Kr~impfe gehabt haben. Zahne stark rhachifiseh. Weiss nieht~ wanner gehen gelernt hat.

32. Minna G., 11 Jahre. Reebts Cataraeta zonularis, links desgleiehen, operiert. Lernte sp~it gehen, erst mit 2 Jahren. Llatte abgesetzte Glieder. Drtisenabscess am Hals. Z~lme exquisit rhachitisch. Von Krampfen weiss der Vater niehts zu beriehten.

33. Margerit L., 5 Jahre. Seit Geburt Sehielen und leichter Nystag'mus bemerkt. Keine Kr~tmpfe. Lernte zur rechten Zeit gehen. Beiderseits seharf begrenzte zentrale Linseniriibung, schichtstar~ilmlieb~

34. Fritz B.~ ] l Jahre. R. Cataraeta zonularis, 1. desgleiehen, ander- weitig mit negativem Resnltat operiert. Hat angeblieil zur rechten Zeit gehen gelernt und keine Kriimpfe gehabt Lernte in der Schule lesen, spiiter soll das Sehen a.bgenommen haben.

35. Mal~e W, 5 Jahre. Beiderseits Cataraeta zonularis yon grossem Durchmesser. Hat erst mit 19 Monaten gehen gelernt; Kr~mpfe wurden nieht bemerkt~ wohl aber bet einem itingeren Kind.

36, Robert St., 3I]~ Jahre. Beiderseits Cataraeta zonularis. S~abismus div. air. Durehmesser gering. Hat den ersten Zahn mit einem Jahr be- kommen und um diese Zeit gehen gelernt'. Keine Kriimpfe.

Bevor ich zur Analyse der einzelnen F~lle iibergehe, halte ich es ffir angebracht~ einen kurzen [Tberblick fiber die versehiedenen Arten tier Krgmpfe im Kindesalter zu geben.

H o c h s i n g e r trennt eine Xrampffbrm~ welche sich nur auf das erste Quartal des ersten Lebensjahres beschr[inkt und die er mit dem Namen ,,Myotonie der Neugeborenen und Siiuglinge" bezeichnet, yon den nnter dem Sammelbegriff ,,Spasmophilie" zusammengefassten

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])ber die Natur der Krampfe bei Schichtstar. 119

Kr~impfen, die mitunter bis zur Pubertiit beobachtet werden kSnnen. Er unteischeidet zwischen einer Myotonia physiologica und einer Myotonia pathologica. Myotonia physiologica ist die normale ga l tung des Neugeborenen und jungen Sgugling% bei dem eine Neigung zur Flexion in Yersehiedenen Gelenken bestehto Tritt aber eine Steigerung dieses Zustandes ein, so muss er als pathologiseh bezeichnet werden. Das eharakteristische MerkmaI aller pathologischen Myotonieformen ist das Faustphiinomen, dagegen kann man niemals Facialisph~nomen naehweisen. Steht schon damit die Myotonie in sehroffem Gegensstz zur Tetanie, so ist sie noch durch eine Reihe anderer Momente scharf yon ihr abzugrenzen. W~hrend die Tetanie gekennzeichnet ist dureh I~:rgmpfe yon tonisch intermittierendem Charakter bei gleichzeitiger l~bererregbarkeit des Nervensystems, kSnnen die Spasmen bei der Myotonie wochen- bis monatelang bestehen bleiben. Ferner kommen als atiologisches Moment bei der Myotonie intestinale Erkrankungen in Betracht, wiihrend die eehte Tetanie auf rhaehitischer Basis auf- gebaut ist.

Erst naeh dem Alter yon drei Monaten treten die idiopathischezl Kr~mpfe des Kindesalters auf~ welche uns bier interessieren. Unter idiopathisehen Krgmpfen versteht man solehe, bei denen keine naeh- weisbare Ursaehe vorliegt und welehe in den ersten Jahren vorkommen. DiG wiehtigsten Formen dieser Kr~mpfe sind die Eklampsie, der Spasmus glottidis und die Tetanie. Der eklamptisehe Anfall kann in der Form des yell ent~iekelten epileptischen Anfalls auftreter b d.h. er geht mit Bewusstseinsverlust, Starre der Pupillen und der quer- gestreiften Mnskulatur einher mit naehfolgenden stossenden Zuekungen entweder der gesamten willkilrliehen Muskulatur oder eines TeiIes derselben. Von diesem .a.usgepri~gten Anfall gibt es Uberggnge bis zu dem als psyehisehes Aquivalent bezeichneten epiteptisehen Anfall. So kann die Eklampsie beispielsweise aueh nur in der Form yon toniseher Starre der Extremitiiten mit Bewusstseinsverhst auftreten. Der eklamptisehe Krampf ist im Gegensatz zum epileptisehen nur auf die ersten Kinde~jahre besehrgnkt. Damit sell nicht gesagt sein, dass ausnahmsweise Epilepsie nicht schon in den ersten Jahren auf- treten kann. Ebenso kSnnen, wie die Untersuchungen yon T h i e m i e h und B i r k gezeigt haben, Kinder, welehe an einer Form der idio- pathischen I~rg~mpfe gelitten haben~ his zur Pubert~t hin ab nnd zu yon einem eklamptischen AnfM1 befallen werden.

Der Spasmus glottidis tritt als selbstgndiger Krampf, abweeh- selnd mit eklamptisehen Anfiillen oder ats deren Vorbote auf. ~/3 der mit

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120 E. Frank

diesem Krampf behafteten Kinder bieten manifeste Zeichen der Tetanie.

Eine viel seltenere Erkranknng ist die Tetanie. Ieh will yon eii~er Schilderung der Berufstetanie oder der Tetanie, die bei stillenden Frauen vorkommt, oder derjenigen, die nach Schilddrtisenexstirpation auftritt, absehen nnd Rich nur auf die Kindertetanie besehrgnken, weil nur sie bei der Beurteilung unserer Fglle in Betracht kommt.

Die Tetanie ist charakterisiert durch Dauerspasmen, welche Minuten, Stunden, Tage, ja Wochen lung die Extremit~ten befallen. Sie steht naRentlich dadurch in sehroffem Gegensatz zum eklamptischen Anfall, welcher aach in Form yon tonischen Krgmpfen auftreten kann, dass bei ihr alas Bewusstsein vStlig erhalten ist. Dem tetanischen Anfall kann ~hnlieh wie dem epileptischen ein Prodromalstadium vorausgehen, in welehem der Kranke allgemeines Unwohlsein, unbestimmte Schmerzen, Schwgche und Steifigkeit vor allem in den Armen empfindet. Da- dureh, dass bei den Spasmen haupts~chlich die Beugemuskulatur er- griffen wird, wird das Aussehen des Tetaniekrampfes Bin ganz eharakte- ristisches: an den H~nden manifestiert er sieh als sog. Geburts- helferhand, an den Ffissen ist er charakterisiert durch die pedalen Danerspasmen. Doeh sieht man auch manchm~l wahrend des Anfalls die Hand zur Faust gebaltt. Die Oberarme sind dem Rumpf genghert, iR Ellbogen etwas gebeugt~ die Hgnde plantar-flektiert. Der Krampf kann sieh auf den Rumpf und Nacken sowie das @esieht ausdehnen. Manehmal wurde raseh voriibergehendes sp~stisehes Schielen bemerkt.

Diese drei Krampfformen treten ohne jede gussere Veranlassung aui~ kSnnen sich kombinieren and haben die Neigung zu rezidivieren.

Die innere ZusammengehSrigkeit atler drei KrampfforRen wird besonders dadurch gekennzeichnet, dass auch Eklampsie und Spasmus glottidis die frtiher allein fiir Tetanie als eharakteristisch betrachteten Zeiehen vergnderter mechanischer and elektrischer Erregbarkeit der peripheren Nerven darbieten, welehe Ran als latente Tetanie bezeich- net. Es sind die Phfinomene yon Chvos tek , E rb und Trousseau . Diese Ubererregbarkeit der peripheren Nerven besteht nieht nur zur Zeit der Krgmpfe, sondern aueh in den Pausen und Monate lang vor und nach denselben, ja er kann sogar bestehen, ohne dass bis dahin Krgmpfe aufgetreten sind oder solche sparer auftreten werden. Man bezeiehnet diesen Zustand naeh T h i e m i c h aIs Spasmophilie.

Das Chvosteksehe oder Faeialisphgnomen ]~sst sieh dureh Be- klopfen der Wangen zwisehen lV[undwinkel und ,~iussereR Geh6rgang naehweisen. 5fan erh~lt eine blitzartige Zuekung im Faeialisgebiet

Page 15: Über die Natur der Krämpfe bei Schichtstar

Uber die ~atur der Kr~mpfe bet Schichtstar. 121

der betreffenden Seite. Das Vorhandensein dieses Ph~nomens allein gentigt sehon zur Stellung der Diagnose ,Spasmophilie". Das Facialis- ph~nomen kann oft noeh nach vielen Jahren nachgewiesen werden.

Das Erbsche Ph~nomen zeigt, class bet der Spasmophilie die elektrische Erregbarkeit gesteigert ist, namentlich die KaO-Zuekung schon bei Werten unter 5 Milli-Amp~re auftritt.

Das Tronsseausehe Ph~nomen ist ebenso wie das Chvosteksche ein Beweis fiir die mechanisehe Ubererregbarkeit bet der Spasmophilie. Bet Druck der Nerven am Suleus bicipitalis internus durch Kom- pression des Oberarms entsteht die Geburtshelferstellung der Hand.

Das Auftreten der Tetanie ist in bezug auf Frequenz an ver- schiedenen Orten versehieden. Besonders h~ufig ist ihr Vorkommen in Wien und Heidelberg.

An Hand dieser Darstellungen der Kr~mpfe im S~uglings- und t~rfihen Kindesalter soll es im folgenden meine Aufgabe sein~ eine mSglichst genaue Analyse der Kr~mpfe vorzunehmen, welche bet den in den Krankengeschiehten erwghnten Patienten, bet denen Schiehtstar vorgefunden wurde~ aufgetreten sind.

Bet Fall 1 handelt es sieh zweifellos um einen eklamptisehen Anfall epileptiformen Charakters. Die Kr~mpfe traten im Alter yon 2112 bis 3 Jahren auf. Wie dem ausgebi]deten epileptischen Anfall, so geht aueh diesem Krampf ein Prodromalstadium voraus, in der der Patient unangenehme Sensationen empfindet und motorische Unruhe an den Tag legt. Auf diese Aura folgt der eigentliehe eklamptisehe Anfall~ tier mit Bewusstlosigkeit des Patienten vor sich geht und ih~n in einen tonisehen Kramphustand versetzt. Es wurde Verdrehung der Augen nnd Faustbildung beobaehtet, w~hrend PfStchenstellung ausdrficklieh negiert wird. Das Bild tier Aura darf man wohl nicht als charakteristisch ansehen fiir diejenige Form der Aura r die wir beim epileptischen Anfall sehen; denn auch dem tetanischen Krampf kann eine Aura vorausgehen, in der der Patient unangenehme Em- pfindungen verspiirt. Aber ganz unzweifelhaft wird die Natur der Aura im Zusammenhang mit dem sieh ihr ansehliessenden Krampfanfall. I)er Krampf ist tonischer Natur. Wenn schon an und ffir sieh die Faustbildung, die hierbei beobaehtet wurde, nieht gerade charakte- ristisch ffir Tetanie ist~ aber immerhin in di3ser Form bet Tetanie vorkommen kafln~ so steht der Anfall aber dadurch in sehroffem G egensatz zum Tetanie-Anfall, dass Bewusstlosigkeit w~hrend des- selben vorhanden war.

Bet Fall 2 handelt es sieh unstreitig um eklamptisehe Anf~lle.

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122 E. Frank

Das Alter des Kindes war I--2 Jahre. Der Krampf ist eine ~om-

bination yon tonischen und klonischen Zuekungen, Zuerst wurde

Verdrehung des Kopfes und der Augen, dann Zuckungen beobachtet. Die Fi~nde waren am Krampfe nicht beteiligt. Bewusstlosigkeit ist wohi nicht ausdriicklich erw~hnt; doeh hat sic wohl bestanden, da der Anfall im iibrigen dem epileptiformen Anfall ghnlich ist nnd zu- dem angegeben wird~ dass Krsmpferscheinungen an den H~nden nicht beobachtet wurden; demnach ist Tetanie sieher auszuschliessen.

Bei Fall 5 sehen wir, wie bei einer Person drei ihrer Art naeh vers&iedene Krgmpfe anfgetreten waren. In frfiher Jugend lift Pat. all sog. Zahnkrgmpfen, unter weIehen man im Volk Konvnlsionen, eklamptisehe Anfglle, versteht, welche naeh P e e r mit der ZMmung gar niehts zn tun haben, sondern nur deswegen damit in Zusammen- hang gebracht werden, weil sie eben zu jener Zeit beobaehtet werden und weil sic anch oft ~trztlicherseits als Verlegenheitsdiagnose figu- rieren. P e e r hat. in seiner langjiihrigen Praxis sein besonderes Angen- merk auf die Dentitionskrankheiten geriehtet~ aber niemals Zahnkr~tmpfe beobaehtet, sieh dagegen hgufig iiberzeugen kSnnen, dass die angeb- lichen Zahnkrgmpfe eine Folge yon Spasmophilie waren. Es wi~re in diesem Pall yon besonderem Interesse gewesen festzustellen, ob sic vielleieht einen ausgesproehen epileptiibrmen Charakter hatten, weft man im Zusammenhang mit den sparer auftretenden epileptischen Anf~illen eventuell hiitte beurteilen kSnnen, ob jene vielleieht auch schon epileptiseher Natur waren. Epilepsie tritt wohl in ganz friiher Jugend sehr selten auf, wird abet in ihrem Wesen dutch sparer auf- tretende eehte Epilepsieanfglle erkannt. Epileptisehe Anf~lle traten im Falle 5 mit dem 14. Jahre auf. Ein Anfai1 wurde in der Klinik beobaehtet, wobei vorwiegend tonisehe Kontrakturen am ganzen Korper vorhanden waren~ aber mit Bewusstlosigkeit. Zwei Jahre spgter be- ginnend traten bei tier Patientin 8fret Kr~mpfe der H~nde nnd Ffisse auf, die ohne Bewussflosigkeit einhergingen und toniseher Natur waren. Dies sowie der Nervenbefund spreehen daftir, dasses sieh nm Tetanie handelt. Das Erbsehe, Chvosteksehe und Trousseansehe Ph~tnomen waren stark positiv.

Bei Pall 6 handelt es sieh um einen eklamptisehen Anfall tonischer Natur.

Fall 8 ist wohl ein Beispiel fiir einen myotonisehen Krampf. Es handelt sieh um ein Kind yon 8 Tagen. Es bestehen zwar keine genaueren Angaben fiber die Natur der AnNlle, abet man kommt per exclusionem zu dieser Diagnose. Das Auftreten der Kr~mpfe in

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Uber die Natur der Kr~mpfe bei Schichtstur. 123

einer so fr~ihen Zeitperiode spricht gegen Tetanie und Epilepsie, w~hrend Myotonie gerade in den ersten Wochen beobachtet wird. Die eklamptischen Anf~lle treten am friihesten mit 3--4 Monaten au£ F e e r hat nur einen Fall unter 2 Monaten gesehen.

Bei Fall 9 waren die Kr~mpfe epileptiseher Natur, wobei zur genaueren Charakterisierung noch bemerkt ist, dass der Daumen w~hrend des Anfalls eingeschlagen war.

Bei Fall 11 sind wohl ohne Zweifel die Kr~mpfe epileptiformen Charakters. Dafiir spricht die Kombination yon tonischen und klo- nischen Kr~mpfen und das Auftreten yon Sehaum vor dem Mund. Bewusstlosigkeit ist allerdings nicht ausdr[icklieh erw~hnt.

12. Patient hatte ,Gichter", die man~ wie bereits erw~hnt, zu den eklamptischen Anfallen rechnen muss. Sie sind charakterisiert in der Hauptsache durch starke klonische Kr~mpfe, kombiniert mit vereinzelten tonischen Kr~mpfen, wobei erw~hnt ist~ dass der Daumen eingeschlagen war. Die ausdriickliche Erw~hnung der Bewusstlosig- keit ist wohl wegen der diese involvierenden Bezeichnung der Kr~mpfe als Gichter unterb]ieben.

Dieselbe Form der Kr~mpfe wurde bei Fall 13 beobachtet. Fall 21 gibt ein Beisloiel daf[ir ab, dass die spasmophilen Kr~mpfe

kombiniert auftreten kSnnen, so hier Ek]ampsie mit Spasmus glottidis. ¥o~h 1. his 4. Jahre nur epileptiforme AnfSlle vornehmlieh tonischen: bisweilen aueh klonisehen Charakters bei Bewusstlosigkeit. Vom 4. Jahr ab auch Stimmritzenkr~mpfe.

Bei 22 wurden ,Gichter" beobachtet; demnach hat Eklampsie bestanden.

Der Fail 23 hot Kriimpfe epileptiformen Charakters rein toni- scher Natur.

Die Anf~lle in Fall 24 sind wohl sieher auch als eklamptische aufzufassen. Daffir spricht~ dass die AngehSrigen keine besonderen Krampfstellungen an den H~inden oder Beinen beobachtet zu haben glauben~ dagegen ist ihnen in Erinnerung~ class alas Rind bei den Anf~llen bewusstlos war.

Tm Fall 25 sind im Anschluss an Meningitis Krfimpfe auf- getreten, die demnach den sog. organisehen Kr~mpfen zuzurechnen siad. Als solche werden diejenigen Kr~mpfe bezeichnet~ die dureh Erkrankung des Zentralnervensystems verursacht werden.

In der folgenden Tabelle ist zusammengestellt, in welehen F~llen yon Sehichtstar Kr~mpfe aufgetreten sind und welcher Iqatur letztere waren. Sie gibt ferner darfiber Aufsehluss, ob Rhaehitis bestanden

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126 E. Frank

h a t . D i e 11 ]e tz ten F~ille de r Tabe ] l e e n t h a l t e n ke ine g e n a u e r e n

A n g a b e n f iber die N a t u r de r K d i m p f e , da die F~ille aus f r i iheren

gah rg~ ingen s t ammen , in we l chen m a n sieh d a m i t begnt ig te , das V o r -

h a n d e n - oder N i e h t v o r h a n d e n s e i n yon K r ~ m p f e n festzustel len.

' ~ Durchmesser des Name ~ "~ Art der Kra.mpfe "= Sehichtstars

1. It. B. + IEklampsm rein tomsch mit 2~/s--3 Jahren. bds. 5 mm 2. H . M . ~- Eklampsie tonisch + klon. im 1. und bds. 7,8ram

2. Lebensjahr. 3. Ch. P. + - - r. 5ram 4. R. Pf. - - - - ? 5. M . P . ,'-- Zahnkr~impfe, Epilepsie mit 14 Jahren, r. ungef~ihr 6 mm

Tetanie mit 17 Jahren. l. eine Spur mehr 6. K . W . + Eklampsie im 1. Lebensjahr tonisch, r. 7 mm

7. L. It. ~ + Ii" ungefahr 7 mm - - . bds. 6 mm

8. E . W . + Krampfe mit 8 Tagen, tonisch? I bds. 5ram 9. P h . D . + Eklampsie mit 2 Jahren tonisch -I- klo- bds. 6 mm

H.L. i i __ nisch. __ r. 7--7,5 mm

I I. 7,5 mm R.H. + Eklampsie mit 2 Jahren tonisch + klo- bds. 7 mm

nisch. H . W . -}- !Eklam sie beim Zahnen (Gichter). I. 6,5 mm

Tonisch + klonisch, r. Aphakie H . K . + )sie bis zum 4. Jahr tonisch + bds. ungefghr 7 mm

klonisch. J. Pf- + - - bds. ungef~hr 6,5 mm A . B . + - - 9 Ph. H. + - - ? H . G . + -- bds. h'id, E . H . - - - - bds. 5,5 mm tI. B. - - - - ;bds. 4,Smm J . G . W . + - - ,bds. 5,5mm C]. G. + Eklampsie vom 1. bis 4. Jahr hauptsach -I 1. 7ram

lich tonisch, Spasmus glottidis mit 3 bisJ r. Aphakie i 4 Jahren.

Fr. E. -+- Gichter tonisch + klonisch mit '~/', Jahren.I Th. B. - - !Eklampsie tonisch mit 2 Jahren. L . S . + Eklampsie tonisch. A. U. W. ~ + Kr~impfe bei Meningitis. F . W . [ - - S . W . ! Fr. L. + + E. Pf. --

W . H . --

E.W. + I + M. G1. + M . L . - - Ft. B1. ! M . W . ? R. St.

A u s d iese r S t a f i s t i k g e h t hervor , dass yon den 36 in d e r T a b e t l e

U b e r die

10.

11.

12.

13.

14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.

22. 23. 2 4 . 25. 26, 27. 28. 29, 30. 31, 32. 33. 34. 35. 36.

au fge f i ih r t en F g l l e n y o n S c h i c h t s t a r 16 K r a m p f e ha t t en .

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Uber die Natur der I(r~mpfe bei Sehichtstar. 125

Natur der Kr~mpfe finden sich bei 14 Aufzeiehnungen, wghrend bei 2 genauere Angaben dariiber fehlen. Es f~llt auf, dass die Kr~mpfe zum grossen Teil tonisehen Charakter haben und zwar rein tonisehen in 5 F~Iten, vorwiegend tonisehen in 1 Fall, bei welchem aueh Spas- mus glottidis vorlag, in einem grossen Teil der F~ille, ngmlieh in 6, ist das genaue Verhgltnis zwisehen tonisehen und klonischen Krgm- pfen nieht angegeben; rein klonisehe finden wir, wenn wir die Kr~mpfe bei Meningitis noeh hinzurechnen, nur in 2 F~llen. Tetanie ist nur in einem Fall vorhanden. In diesem Fall 5 bestand die Tetanie seit einem Jahr, wiihre:~d Sehverschlechterung sehon seit 2 Jahren bemerkt wurde. Demnaeh kommt aueh hier Tetanie als iitiologisches Moment nieht in Betraeht. Uberdies hatte Patiel~tin unzweifelhaft Rhaehitis. Bei dieser Gelegenheit sei nachtriiglich eingesehoben, dass die Arltsche Theorie ausser aus den sehon frfiher erwghnten Griin- den aueh besonders in dieser Beobaehtnng der vorwiegend tonisehen Natur der I42riimpfe bei Schiehtstar ihre Widerlegung findet.

Aus dieser Zusammenstellung ersieht man ferner die dominierende Rolle, welehe die Rhaehitis bei Sehichtstar spielt. Unter 35 beobaeh- teten F~llen yon Schichtstar war in 2~, also = 68,5 °[o Rhaehitis nach- weisbar, und unter diesen war sie in 15 Fi~llen = 4~2,S °]o mit Kr~mpfen kombiniert, in 9 F~llen = 25,7°]o allein vorhanden.

Wenn wir die Krankengesehiehten mit Riieksieht auf die Form der Rhaehitis ins Auge fassen, so sehen wit, dass es sieh mit Aus- nahme yon 2 FNlen, we es sieh um Kinder handelte, die erst mit 5:/2 bzw. 6 Jahren gehen lernten, in der grossen Mehrzahl der P~lle anseheinend nm leichte Fglle yon l~hachitis handelte. Die wiehtigste P~olle spielen die charakteristischen Zahndeformitiiten, und wir miissen demnaeh annehmen~ dass es gerade eine in bezug auf die Knoehen- erkrankung weniger sehwere Form yon Rhaehitis ist, welehe das ttinzu- treten yon Cataraeta zonu]aris begiinstigt. Aus nnsern Krankengesehieh- ten geht hervor, dass nicht in e inem Falle schwere l~hachitis vorgelegen hag, welehe bedeutende Residuen zuriiekgelassen hgtte, wie hoch- gradige Verkr[immungen der Extremitiiten, Kyphose, Skoliose, Lordose. Es hat sich sogar nur in einer Minderzahl um FNle yon mittlerer In- tensitSt gehandelt, so am ein Kind, das erst mit 5112 Jahren gehen lernte, ferner 4 Fglle mit Schadeldeformitgten, yon welchen ein Fall mgssige Residnen allgemeiner Rhachitis, ngmlieh Rosenkranz und Auftreibung der Epiphysen aufweist, einer erst mit 6 Jahren gehen lernte, and 2 weitere Fglle yon allgemeiner mi~ssiger Rhaehitis. 5 :on diesen weisen rhaehitische Ver~nderungen an den Ziihnen auf, bei einem ist die

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Zahnentwieklung gehemmt, und nur bei einem ist erw~thut, dass die Z~hne nicht rhachitisch sind. In 9 weiteren FNlen finden wir keine andern Residuen iiberstandener l~hachitis als die rhachitischen Ver- 5nderungen der Z~ihne, ausser diesen beweist aber auch die Anam- nese, dass Rhachitis bestanden hat. In 4 weiteren Fallen haben wir keine weiteren AnMltspunkte fiir Rhachitis als. die Ver~nderungen der Z~hne, 4 F~ille lassen sich als Rhachitis ausschliesslich aus der Anamnese eruieren. Wir ersehen daraus, dass die rhachitischen Ver~inderungen der Z~ihne eine t:IanptroIle spielen. Sie finden sich unter den 24 F~llen yon Rhachitis 20real = 83,33 °/o , 4real waren Sch~ideldeformit~ten nachweisbar ~ 16,66 °]o , und 18maI bestand allgemeine Rhaehitis = 75 °/o. Die Ver~tnderungen der Zghne entspreehen im allgemeinen dem Bild, wie es I-Iorner yon den rhaehitisehen Z~hnen entwirft. Ausdriieklieh erw~thnt ist die Kleinheit der Sehneide- und Eckz~ihne und die mangethafte Entwieklung des Zahnschmelzes.

Vergleiehen wit damit die Statistiken yon I-Iorner, v. Arx und Bahr , so finden wit ghnliehe Verhiiltnisse. In der Statistik yon H o r n e t , welcher 78 Fglle yon Sehiehtstar auffahrt, finden sieh Zahn- deformit~ten in 78,2 °[o , KonvuMonen in 70,5 °/o , Seh~delasymmetrien in 39,7 °[o , Imbeeillitgt in 6,4 °/o , Rhaehitis der Extremit~ten in 4,7 °/o. Bi ihr fand in der I t i r sehbergsehen Klinik unter 89 Fgllen yon Sehiehtstar, fiber welehe im Krankenjournal genauere Notizen vor- lagen, 79mal ---~ 88,8°]o mehr oder weniger stark ausgesproehene Rhaehitis, davon Zahnver~nderungen in 52 F~llen---~ 58,6°/o, allge- meine Zeichen yon Rhachitis in 33 Fiillen ~--- 36 °/o. v. Arx land unter 189Fiillen yon Sehiehtstar rhaehitische Zahnanomalien in 91F~tllen = 66,07 °/o , Sehiidelmissbildungen in 60 F~llen = 31,74~ °/o , deutlieh ausgesprochene Rhaehitis der Extremit~tten in 4~0 Fgllen = 26,16 °/o. Diese Beobaehtungen lassen ebenfalls keinen Zweifel zu tiber die Bedeutung tier t~haehitis bei Schichtstar, da bei H o r n e r und B~hr noeh ein grSsserer Prozentsatz yon Rhaehitis bei Sehiehtstar vorge- funden wurde , w~ihrend dieser Prozentsatz bei v. Arx ungef~hr dem hier gefundenen entsprieht. Dieser Prozentsatz yon Rhaehitiserkran- kungen bei Sehiehtstar ist geeignet, die Ansieht yon Pe te r s zu wider- legen, welcher auf dem Standpunkt steht, dass die Rhaehitis keine urs~iehliehe Rolle bei Schich~star spiele, vielmehr diese der Tetanie zuzusehreiben sei. P e t e r s folgert diese Annahme haupts~chlieh aus dem Umstande, dass die Untersnehung yon 80 sehwer rhaehitiskranken Kindern nieht in e inem Fall das Vorhandensein yon Sehiehtstar ergab, wiihrend er bei 10 Tetgnief~illen 4~mal sehiehtstarartige Linsen-

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triibungen konstatieren konnte. Diese Schlussfolgerung ist aber nicht zutreffend. Denn P e t e r s untersuchte je ein Auge und es erscheint nicht ganz ausgeschlossen, dass das nieht untersuchte andere Auge Schicht- star aufwies. Ausserdem legt P e t e r s Gewicht daraui~ dass diese 80 F~lle yon l~hachitis besonders schwer waren. Es scheint aber, wie er- w~hnt, nach unsern Untersuchungen nicht auf die Schwere der Rhaehitis anzukommen, wenn Sehichtstar hinzutritt, sondern bestimmte Arten yon Rhaehitis seheinen zu Schichtstar zu disponieren, wobei die rhachitisehen Yeriinderungen der Z~hne ~m Vordergrunde stehen. Was anderseits die ~ oben citierten F~lle yon P e t e r s yon Tetanie und Schiehtstar a.nlangt~ so wird yon ibm selbst in einem Falle m~ssig ausgesproehene Rhachitis zngegeben, w~hrend in den 3 andern FMlen keine Angabe fiber :Rhachitis vorliegt. I~ach den Ergebnissen unserer Statistik mfissten wir in dem einen Falle yon Schichtstar, bei dem ausser Tetanie noch Rhachitis vorliegt, letzterer die gtiolo- gische Bedeutung beilegen. Dass der Tetanie nicht die Bedeutung beizumessen ist, die man allgemein der 1%achitis zuschreibt~ ngmlich b~ufig Schiehtstar zu verursachen, geht noch besonders aus dem Um- stande hervor, dass das Material unserer Statistik aus Heidelberg stammt. Wie schon erw~hnt, sind Wien und Heidelberg Pr~dflek- t:ionsstgtten der Tetanie. Es kommen jghrlich in der hiesigen Kinder- klinik etwa 10 F~lle zur Beobachtnng. Trotzdem ist in unserer Sta- tistik nur 1 Fall vertreten~ bei dem es sich aber nicht um infantile Tetanie handelt, und die tiberdies zum Schichtstar in keiner ursach- l:ichen Beziehung steht, well die Sehverschlechterung schon 1 Jahr vor dem Auftreten der Tetanie bemerkt worden war.

Ein weiterer Einwand yon P e t e r s gegen die Bedeutung der Rbaehitis zur Entwicklung yon Sehichtstar, welehe die Hornersehe Theorie annimmt~ finder seine St[itze in den Linsenmessnngen yon Dub, welcher den ~quatorialen Durchmesser yon Sehichtstar bei Kindern mass und ihn in 10 F~llen zwisehen 4=,4 und 5,6 mm sehwan- kend :['and. Da der Durehmesser der Linse im ersten Lebensjahr mindestens 6,8 mm betr~gL so nimmt Dub an, class der Sehichtstar inf~a.uterin oder in den ersten Lebensmonaten entstanden sei. In letzterem Falle zieht er zur Erklgrung der Tatsache, dass der Durch- messer des Schichtstars geringer war, als dem Linsendurehmesser zu dieser Zeit entsprich L eine Schrumpfung der zentralen Teile der Linse herbei. Gemgss der yon D a b gefundenen kleinen Durchmesser mfisste man annehmen~ dass die meisten Schichtstare fStaI entstanden sind. Bei dieser Annahme mfisste man davon Abstand nehmen~ die

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Rhachitis als urs~chliches Moment fiir die Entstehung des Sehichtst~rs zu beschuldigen. Denn nach der Untersuchung yon 976 Neugeborenen in der Baseler Frauenklinik kam W i e l a n d zu dem Ergebnisse, dass nicht in einem Falle rhachitische Ver~nderungen vorlagen. Bei den Messungen unserer SchiehtstarfSlle ergaben sieh aber grSssere Dureh- messer. Wir finden 9real einen Durehmesser yon 7--7,8 mm und kSnnen diese F~lle uus ungezwungen naeh der Hornersehen Theorie entstanden denken, auch ohne eine Sehrumpfung der inneren Teile der Linse annehmen zu miissen. Naehdem durch diese Messungen erwiesen ist, dass Schichtstare in den ersten Jahren naeh der Hornersehen Theorie sieh entwiekeln kSnnen, steht nichts im Wege, aueh ftir die Entstehung der k]eineren Sehiehtstare dieselbe Theorie gelten zu lassen; man muss sieh dann vorstellen~ dass sic bis zu dem gegebenen Umfang geschrumpft sin& Es ist iibrigens dureh direkte Beobaehtungen~ fiber welehe g i r s c h b e r g , B e c k e t und H o s c h be- riehten~ die Frage sowohl der intra- a.ls aueh extra-uterinen Ent- stehung des Sehiehtstars in positivem Sinne entschieden. Beziiglich der ersteren sei bier nut die Feststellung yon t I o s c h genauer ange- fiihrt. Er kannte eine Ft~milie~ in weteher die wegeu h~ufiger Sehicht- starerkrankungen in ihrer Familie sehr 5~ngstliehe Frau bei drei Kin- dern und bei einem Enkel sofbrt nach deren Geburt die Startrtibung bemerkte. Anderseits ist (lurch direkte Beobaehtung yon K n a p p erwiesen~ dass der Sehichtstar aueh naeh der Geburt entstehen kann. Er Matte Gelegenheit, bei einer Patientin die Entwieklung des Sehieht- stars zu beobaehten. Das Kind wurde ibm im Alter von 2 Jahren 2 Monarch zugefiihrt; damals war die Linse transparent; ~ Jahre sp~ter wurde, naehdem das Kind unterdessen 5fters untersueht worden war~ zum erstenmal ein dtinner und breiter Sehiehtstar auf beiden Augen konstatiert. Es steht demnach niehts im Wege anzunehmen, dass auch ein grosser Tell unserer ]~lte extrauterin entstanden ist~ und fiir diese dfirfen wir nach unserer Statist,ik ftir den grSsseren Prozentsatz Rhaehitis als urs~chliches Moment in Betracht ziehen. Unsere Annahme, dass die t{hachitis die Hauptrotle bei der Schicht- starbildung spielt~ wird aueh durch die Beobaehtung untersttitzt, dass in L~ndern, in welehen Rhaehitis selten vorkommt~ aueh Sehiehtstar wenig bemerkt wird.

Die ~tiologisehe Bedeutung tier Rhaehitis bei Cataraeta zonularis kSnnte naeh meiner Ansieht aueh dann nieht gesehw~eht werden, wenn in dem einen oder andern Falle ausser der Rhaehitis Tetanie bestehen wtirde, da der hohe Prozentsatz soleher F~ille, we ausser der

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~ber die Natur der Kri~mpfe beim Schichtstar. 129

Cataracta zonularis tlhachitis allein vorliegt, beweist~ dass nur letzterer <tie iitiologische BedeuDdng zukommt Unter den F~llen~ in welchen keine tlhaehitis konstatiert wurde, kSnnen wir wohl be] zweien eine abnorme Keimanlage annehmen. Es Mind dies die Fglle 26 und 27 mid handelt es sich hier um @eschwister be] Konsanguinitgt der Elterno Es ]st dies ein Analogon zu den yon Manchen beobaehteten F~illen yon Vererbung yon Sehiehtstar, in welehen ebenfalls eine abnorme fStale An]age angenommen werden muss. Be] den andern Fiil]en kSnnen wir keine Ursache ausfindig machen; vielleieht handelt es sieh in dem einen oder andern Falle urn ausgeheilte Rhaehitis.

Nachdem erwiesen ]st, dass die Tetania strumipriw, welehe ge- ]egentIieh naeh Kropfoperationen be] 5Iensehen entsteht, dureh die Entfernung der EpithelkSrperchen verursacht ist~ und da experimente]le Untersuchungen an Ratten, welehen yon E r d h e i m die EpithelkSrper- chert entfernt wurden, zu Tetani% Ver~nderung der NagezNhne und Kataraktbildung fahrte~, ]st man vielfaeh geneigt, nile Tetanieformen, sowohl die der Erwaehsenen (Arbeiter-, Sehwangerschafts-, Magen- Darm-, strumiprive) als aueh die infantile Tetanie pathogenetiseh als gleiehartig aufzufassen. Man stellt sieh vor, dams die Tetanie ihre Entstehung einem Gift verdank% das naeh Wegfall der Epithel- kSrperfunktion zur Geltung kommt. Es bestehen manche Bedenken gegen diese Auff~ssung. Pathologiseh-anatomiseh ]st eine Erkrankung tier EpithelkSrperehen bei TeXan]e, n~mlich H~morrhagien, nur beim S~inglinge yon ¥ a n a s e gefunden worden. Aber bei Erwachsenen, wetehe naeh Tetanieerkranktmgen verstorben waren, fiel der Befund an den EpithetkSrperchen negativ aus. Es fehlt demnaeh der patho- l ogiseh-anatomische Naehweis Nr die Riehtigkeit der obigen Hypo- these. Ferner Nhrt die Tetanie-der Erwaehsenen sehr oft zu Stb- rungen epithelialer Gebilde. So ist, seitdem W e t t e n d o r f e r als der erste auf den Zusammenhang zwisehen Tetanie und Katarakt auf- merksam gemacht hatte, dureh zahlreiche Publikationen das Vor- kommen yon Xatarakt bei Tetanie der Erwachsenen erwiesen, wShrend in unsern Fgllen Katarakt als Folge yon Tetanie ver- misst wird. Als eine "weitere Eigenttimliehkeit der Tetanie der Er- waehsenen kann angefiihrt werden, dass sie zu vasomotoris&-tro- phisehen StSrungen der .Haut fiihren kann. ()fters sind Ausfall der I~aare, der Nfiget, vereinzelt Herpes~ Urticaria beobaehtet worden. Letztere Veriinderungen finden sich aber bei der Tetanie der Kinder nicht vor." Es besteht demnach aueh hierin ein LTntersehied zwischen der Tetanie der Erwaehsenen und der der Kinder.

v. Graefe~s Archiv Nr Ophthalmologie. LXXVII . 1. 9

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130 E. Frank, Uber die Natur tier Kr~mpfe bei Schichtstar.

Zum Schluss ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem hoch-

verehrten Lehrer, t t e r rn Geheimrat L e b e r , fiir die reichliche Unter-

sttitzung bei dieser Arbei t meinen ergebensten D a n k auszusprechen.

L i t e r a t u r v e r z e i c h n i s .

1865. Dav idsen , S., Cur Lehre veto Schichtstar. Inaug.-Diss. v. Ztirich. 1880. Leher~ Th, Kernstarartige Trfibung der Linse naeh Verletzung ihrer

Kapsel; nebst Bemerkungen fiber die Entstehungsweise des station~en Kern- and 8chiehtstars iiberhaupt, v. Graefe's Arch. f. Ophth. Bd. XXVI, 1. 2.

t883. v. Arx , Zur Pathologie des Schichtstars. Inaug.-Diss. v. Ziirich. 1891. Dub, B., Beitr~ige z/lr Kenntnis der Cataraeta zonularis, v. Grae fe ' s

Arch. f. Ophth. Bd. XXXVII, 4. 1893. Knies , Die Beziehungen des Sehorgans und seiner Erkrankungen zu den

iibrigen Krankheiten des K6rpers und seiner Organe. 1900. B~hr, Ein Beitrag zur Pathologie und Therapie des 8chichtstars. Deutsche

reed. Wochenschr. l~r. 9. t t o c h s i n g e r , Die Myotonie der S~uglinge und deren Beziehung zur

Tetanie. Wien. reed. Wochenschr. :Nr. 9. Pe te rs , Weiteres fiber Tetanie und Starbildung. Zeitschr. f. Augenheilk.

Bd. IV. 1903. H e u b n e r , 0., Lehrbuch der Kinderkrankheiten. Die Kr~impfe im S~iug-

lingsalter und friihen Kindesalter. 1904. Peters, Weitere Beitr~ge zur Pathologie der Linse. Klin. Monatsbl. f.

Augenheilk. Bd. XLII, 2. t t o c h s i n g e r , Versuch einer pathogenetischen Einteilung der funktionellen

Kinderkr~impfe. Wien. meal. Woehenschr. Nr. 51. F r e u n d , Tetanie als Ursache der Starbi]dung. Wien. med. Wochenschr.

Nr. 10. 1905. L e b er , Th., Zur Pathogenese der Katarakt. Klin. Monatsbl. f. Augenheilk.

Bd. XLIII, 1. Hess, Die angeborenen Starformen. Grae f e -Saemisch , Handb. d.

Augenheilk. Bd. VI. Abt. 2. 1906. H o s oh, Ophthalmologische Miscellen. Zur Xtiologie des Schichtstars. Arch.

f. Augenheilk. Bd. LIV, 2. 1907. Knapp , Ober die Ja:tiologie des Schichtstars. Arch. f. Augenheflk.

Bd. LVI, 4. v. F r a n k l - H o c h w a r t , Die Tetanie der Erwachsenen. Feer~ Die idiopathischen Kr~mpfe (Spasmophilie) des frtihen Kindesalters.

Korresp.-Bl. f. Sehweizer Arzte. Nr. 22. W i e l a n d , E., I~eferat. Deutsche reed. Wochenschr. Nr. 36.

1908.

1909.