Über die konstitution, konfiguration und bindungsverhältnisse des perchlordimethyltrisulfids...

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H. J. BERTHOLD, Bindungsverhlltnisse des Perchlordimethyltrisulfids Cl,C-S,-CCl, 237 Uber die Konstitution, Konfiguration und Bindungs- verhaltnisse des Perchlordimethyltrisulfids C13C-S3-CC13 Von H. J. BERTHOLD Mit 1 Abbildung Inhaltsiibersicht Die Kristallstrukturanalyse des Perchlordimethyltrisulfids Cl,C-S,-CCl, hat gezeigt. daO die beiden unter sich gleichen SS-Bindungsabstiinde eine Lange von 2,034 5 0,010 A besitzen. Dieser Wert ist kleiner als der normalc SS-Einfachbindungsabstand, und es wid auf einen gewissen Anteil an Doppelbindungscharakter geschlossen. Analoges gilt auch fiir die (2-8-Bindungen. Die rlumliche Einstellung der CCl,-Cruppen ist derartig, daB die an den Spitzen der SCC1,-Tetraeder angesetztcn SS-Bindungcn winkelhalbierend zii den gegeniiberliegcnden heiden Chloratomen liegen. Tnfolge starker Wechselwirkung zwischen dem mittleren Schwefelatom und den soeben erwkhnten Chloratomen ist die Symmetrie dcr beiden SCC1,-Tetraeder crheblich gestiirt. Der SSS-Winkel betragt 106,O & 0,5", die CSS-Winkel betragen 102 & 3,5O und die Die Ergebnisse stehen in giiter tfbereinstimmung mit molekiilspektroskopischen Unter- suchungcn. Die Verzerrung der SCCl,-Tetraeder fuhrt zu ciner starken Hemmung der inne- ren Rotation der CCI,-Gruppen um die CS-Achsen, die im RAMAN-Effekt AnlaB zu einer Torsionsfrequenz bei 93 cm-I gibt. Das Rehinderungspotential liegt bei etwa 8 kcal. beiden CSSS-Fllchenwinkel im Mittel 94 2'. Summary The crystal struetiire analysis of perchloro-dimethyl-trisulfide, Cl,C-S,-CCl,, has shown that the two S--8 bond distances are equal (2.034 & 0.010 a). This valuc is smaller than the normal S-S single bond distance and the bonds are assumed to have a certain amount of double bond character. The same is true for the C-S bonds with an average bond length of 1.796 -& 0.025 A. The orientation of the two CCI, groups with respect to the S-S bonds a t the top of t h e SCCl, tetrahedrons is such that a staggered configuration results in both cases. Due to large interactions bctwoen the central sulfur atom and the opposite chlorine atoms, the symmctry of the two SCC1, tetrahedrons is remarkably disturbed. The SSS bond angle has a value of 106.0 f 0.5", the CSS angles amount to 102.0 f 1.5" and the two dihedral angles CSSS to 94 f 2'.

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H. J. BERTHOLD, Bindungsverhlltnisse des Perchlordimethyltrisulfids Cl,C-S,-CCl, 237

Uber die Konstitution, Konfiguration und Bindungs- verhaltnisse des Perchlordimethyltrisulfids

C13C-S3-CC13

Von H. J. BERTHOLD

Mit 1 Abbildung

Inhaltsiibersicht Die Kristallstrukturanalyse des Perchlordimethyltrisulfids Cl,C-S,-CCl, hat gezeigt.

daO die beiden unter sich gleichen SS-Bindungsabstiinde eine Lange von 2,034 5 0,010 A besitzen. Dieser Wert ist kleiner als der normalc SS-Einfachbindungsabstand, und es w i d auf einen gewissen Anteil an Doppelbindungscharakter geschlossen. Analoges gilt auch fiir die (2-8-Bindungen.

Die rlumliche Einstellung der CCl,-Cruppen ist derartig, daB die an den Spitzen der SCC1,-Tetraeder angesetztcn SS-Bindungcn winkelhalbierend zii den gegeniiberliegcnden heiden Chloratomen liegen.

Tnfolge starker Wechselwirkung zwischen dem mittleren Schwefelatom und den soeben erwkhnten Chloratomen ist die Symmetrie dcr beiden SCC1,-Tetraeder crheblich gestiirt.

Der SSS-Winkel betragt 106,O & 0,5", die CSS-Winkel betragen 102 & 3,5O und die

Die Ergebnisse stehen in giiter tfbereinstimmung mit molekiilspektroskopischen Unter- suchungcn. Die Verzerrung der SCCl,-Tetraeder fuhrt zu ciner starken Hemmung der inne- ren Rotation der CCI,-Gruppen um die CS-Achsen, die im RAMAN-Effekt AnlaB zu einer Torsionsfrequenz bei 93 cm-I gibt. Das Rehinderungspotential liegt bei etwa 8 kcal.

beiden CSSS-Fllchenwinkel im Mittel 94 2'.

Summary The crystal struetiire analysis of perchloro-dimethyl-trisulfide, Cl,C-S,-CCl,, has

shown that the two S--8 bond distances are equal (2.034 & 0.010 a). This valuc is smaller than the normal S-S single bond distance and the bonds are assumed to have a certain amount of double bond character. The same is true for the C-S bonds with an average bond length of 1.796 -& 0.025 A.

The orientation of the two CCI, groups with respect to the S-S bonds a t the top of the SCCl, tetrahedrons is such that a staggered configuration results in both cases.

Due to large interactions bctwoen the central sulfur atom and the opposite chlorine atoms, the symmctry of the two SCC1, tetrahedrons is remarkably disturbed.

The SSS bond angle has a value of 106.0 f 0.5", the CSS angles amount t o 102.0 f 1.5" and the two dihedral angles CSSS to 94 f 2'.

238 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 325. 1963

The results are in good agreement -5th molecular spectroscopical investigations. The distortion of the SCCl, tetrahedrons leads to a large restriction of the internal rotation of the cC1, groups about the C-S axes, uhich gives rise to a Rawah frequency at 93 em-'. The barrier of the hindered internal rotation has iz value of about 8 kcals.

Die kiirzlich durchgefiihrte Kristallstrukturanalyse des Perchlordi- inethyltrisulfidsl) Cl,C-S,--CCl, hat gezeigt, daB die Schwefelatome in der Verbindung kettenformig aneinander gebunden sind.

An den Enden der Schwefelkette befindet sich je eine CC1,-Gruppe, deren raumliche Einstellung derartig ist, da13 die an den Spitzen der SCC1,-Tetra- eder angesetzten SS-Bindungen winkelhalbierend zu den gegeniiberliegenden beiden Chloratomen liegen (L4bb. 1).

dbb. 1. Bindungswinkel der CI,C-S,-CCl,-Molekel

Als Folge hiervon liegen die Atonie C1,Cl,,S,S8 sowie C1,C,,S,S8 je in einer Ebene.

Die auf einer IBM 7OQRechenanlage unter Venvendung zweier ver- schiedener Gewichtsschemata durchgefuhrte Verfeinerung der Ortskoor- dinaten nach der Methode der kleinsten Quadrate ergab fur die beiden unter sich gleichen SS-B in du ng sa b s t ande einen Mittelwert von 2,034 A und fi i r die beiden CS-Abstande einen solchen von 1,795 A. Bei den CCI-Bindungen wurden in jeder CC1,-Gruppe ein langerer Bindungsabstand ((2,-CI, bzw. Cll-C15) und zwei kiirzere Abstande aixfgefunden. Die beiden liingeren CCl- Bindungen sind 3,81 A, die 4 kurzeren CC1-Bindungen im Mittel 1,76 A lang .

l) H. J. BERTHOLD, Z. Kristallogr., Krjstallgeometr., Kristallphysik, Kristallchem. 116, 290 (1961).

H. J. BERTHOLD, Bindungsverhaltnisse des Perchlordimethyltrisulfids Cl,C-S,-CCI, 239

Die Standardabweichungen betragen fur den SS-Abstand weniger als 0,010 A, fur die CS- und CCl-Rindungsabstande etwa 0,095 A. Die relativ gro5en Fehler bei den letztrren sind dadurch bedingt, dab das Streuvermijgen der Kohlenstoffatome im Mittel nur r twa 6% des Streuvermogens der Elementarzelle betragt, und die Koortlinsten der C-Atome daher nicht so genau bestimmt werden konnten wie die der schweren Atome S und C1.

Besonders interessant sind die W7inkelbeziehungen in der Molekel. Wie aus Abb. 1 hervorgeht, betragt der Winkel S,S,S, 106,O & 0.5". Dirscr Wert kann als normal angesehen werden. Die W'inkel CSS sind niit einein Mittelwert von 102 f 1,5" deutlich kleiner, als die bei anderen orgariischen Sulfanderivaten beobachteten CSS-Winkel, die gewohnlich oberhalb von 104" liegen2),),). Auffallend ist die Tatsache, daD die Winkel S,C,,Cl, iind S,C,,Cl, mit einem Mittelwert von 103 1.5" wesentlich kleiner sind als die ubrigen vier SCC1-Winkel in den beiden SCC1,-Gruppen, die im Mittel bei I 13;5" liegen. Diese Unterschiede sind auf starke AbstoSung zwischen den Chloratomen C1, und Cl, (in der linken CCl,-Gruppe) bzw. Cl, und Cl, (in tier rechten CC1,-Gruppe) und. dem mittleren Schwefelatom 8, zuruckzii- fuhren und weisen auf eine bemerkenswerte Verzerrung der SCC1,-Tetraeder hin. Die Verkleinerung der beiden genannten Winkel driickt sich auch in einer starken Verkurzung der zugehorigen Kantenabstande S, . . . C1, iind S, . . . C1, aus. Die Bbstande betragen nur 2,82 f 0,02 8, wahrend der Mittel- wert der ubrigen S . . . C1-Kantenabstande bei 2,98 f 0,02 A lie@.

In1 Vergleich zu den beachtlichen Unterschieden bei den Winkeln ixnd Abstanden, an denen die Schwefelatome S , und S , beteiligt sind, ist die Rtiirung innerhalb der CC1,-Gruppen selbst nicht so stark ausgepragt. Sie zeigt sich hier in einer geringfugigen ,4ufweitung der Winkel Cl,C,,CI, bzw. Cl,CllC1, um etwa 1-2" gegenuber den iibrigen ClCC1-Winkeln, sowie auch in kleinen Unterschieden (maximal weniger als 0,02 A) bei den C1 . . . C1- Kantenlangcn. Diese Unterschiede liegen bereits innerhalb der Fehlergrenze der Bestimmung, jedoeh zeigen die Gesetzmaaigkeiten, mit denen sie an strukturell vollig verschieden liegenden, im Rahmen der Molekel aber ein- ander entsprechenden Winkeln und Kantenabstanden der CC1,-Gruppen auf- treten, daIj ihnen doch eine reelle Bedeutung zuzukommen scheint.

Der Mittelwert aller ClCC1-Winkel betragt 108,5 3 1,50", derjenige der C1. . . C1-Kantenabstande 2,88 & 0,02 d.

Die Flachenwinkel C,S,S,S, und CllS,S,S7 betragen 93 bzw. 95 & 2" und liegen damit wesentlich unter dem von DOROHUE und SCHOMARER im Dimethyltrisulfid gefundenen Wert von 106" ". Der von PAULING 5 , ge-

2 , J . DOXOHVE u. V. SCHOMAKER, J. chem. Physics 16, 92 (1948). 3, D. P. STEVENSON u. J. Y. BEACH, J. Amer. chem. S O C . 60, 2872 ( 1 9 3 ) . 4, H. J. M. BOWEN, Trans. Faraday SOC. 60, 452 (1954). 5) L. PAULING, Proc. nat. Acsd. Sci. USA 35, 496 (1949).

240 Zeitschrift fur anorganische und allgcmeine Chemie. Band 325. 1963

schatzte Normalwert des Flachenwinkels fur die SS-Bindung betragt etwa 100".

Vergleicht man die durch Riintgenst,rukturanLyse des Perchlordimethyltrisulfids or- mittelten Bindungslangen mit den in der Literatur angegebenen, an Bhnlichen Verbindun- gen gefundenen Werten, so erkennt man bemerkenswerte Unterschiede.

BOW EN^) hat vor einiger Zeit, uber die Struktur von Perfluordimcthyltrisulfid berichtet. Er wertete das Elektronenbeugungsspektrum der Verbindung aus, wobei er jedoch zwecks Reduktion der Zahl der Parameter verschiedene Annahmen iiber Bindungslangenverhiilt- nisse, Winkel sowie uber die Konfiguration der Molekel machen muBte. Unter anderem nahm er an, dal3 das Verhaltnis der Bindungslangen C-F/S-S = 1,33/2,05 sei. Demzufolge wurden die CF- und SS-Bindungsabstande nicht anabhiingig voneinander bestimmt.

Als Ergebnis der Untersuchung fand BOWEN fur die hier interessierenden Bindungs- langcn und Winkd:

S-S = 2,065 f 0,016 A, C-S = 1,848 f 0,015 A, 4 SSS = 103,8 3".

Beim Perfluordimethyldisulfid, das ebenfalls von BOWEN untersucht wurde, egaben sich folgende Werte:

8-S = 2,053 0,019 A, C-S = 1,829 f 0,017 A, Q CSS = 105,4 3".

Auch hier mufiten fur die Auswertung der Elektronenbeugungsspektreu einige Voraus- setzungen uber die Struktur gemacht werden.

Die SS- und CS-Bindungslangen sind in beiden Fallen groBer als die yon uns beim

Obwohl berucksichtigt werden muB, daB die in der Kristallstruktur ge- fundenen Dimensionen nicht notwendig mit denen ubereinzustimmen brau- chen, die die Molekel im freien Zustand besitzt, glauben wir auf Grund molekulspektroskopischer Untersuchungen am Pcrchlordimethyldi-, -tri- und -tet,rasulfid 6), da13 die fur das feste Trisulfid gefundenen Bindungslan- gen, die raumliche Lage der CCl,-Gruppen sowie die beobachtete Verzerrung der SCC1,-Tetraeder grundsiitzlich auch fur die freie Molekel gelten. Zu dieser Annahme fuhrt u. a. ein Vergleich der in den RAMAN-Spektren der Perchlor- dimethylsulfane beobachteten Linien und Linienlagen mit den auf Gmnd der Ergebnisse der Kristallstrukturanalyse des Trisulfids zu erwartenden Frequenzen.

Die SS-Valenzfrequenz wurde beim Perchlordimethyldisulfid im RAncAN-Spektrum bei 527 cm-l, im Infrarotspektrum bci 528 cm-l gefunden. Vergleicht man diesen Wert mit den Wertcn fur Dimethyldisulfid (512 cn1-l RAMAN-Spektrum, 517 em-l IR-Spektrum) und Diathyldisulfid (509 om-' bzw. 510 cm-l ?)), so zcigt sich cine deutliche Erhnhung der Fre- quenz. Einen noch groBeren Wert fiir die SS-Frequenz, niimlich 548 em-l fanden Brandt, EBI'IELEUS und HASZELDINE 8, im IR-Spektrum des Perfluordimethyldisulfids.

Perchlordimethyltrisulfid gefundenen Bindungsliingen.

6, F. F E E ~ R u. H. J. BERTHOLD, Chem. Ber. 88, 1634 (1955). 7) 1. F. TROTTER u. H. W. THOMPSON, J. chem. SOC. [London] 1946, 481. 8 ) G. R. A. BRANDT, H. J. EiVIErhs u. R. N. HASZELDINE, J. chem. Soc. [London]

1959, 2649.

H. J. BERTHOLD, Bindungsverhaltnisse des Perchlordimet,hgltrisulfids CI,C-S,-CCI, 241

Aus dicsen Beobachtungen darf geschlossen werden, daW die Einfiihung der stark negativen Xubstituenten (F und Cl) am Kohlenstoffatom eine Er- hohung der Kreftkonstanten der SS-Bindung init sich bringt. Beriicksichtigt man nun, da13 die SX-Bindiingslange im Dimethyldisulfid 2,04 f 0,03 A3) betragt, so sollte men auf Grund der von BADGER^) angegebenen Beziehung zwischen Bindungslange und Bindungskraftkonstante erwarten, daB bei den perhalogenierten Dimethyldisulf anen ein kleinerer Wert a18 2,05 A (wie von BOWEN angenommen) vorliegt.

Beim Perchlordimethyltrisulfid und -tetrasulfid konnte molekiilspektro- skopisch keine Frequenzerhohung der SS-Valcnzschwingung im Vergleich zu den normalen Dimethylsulfanen beobachtet werden, und fi i r die hoheren Perfluordimethylsulfane sind von den englischen Autoren keine Werte der SS-Schwingungen mitgeteilt worden. Der durch Kristallstrukturanalyse beim Perchlordimethyltrisulfid gefundene kurze SS-Bindungsabstand von 2,034 f 0,010 A zeigt nun aber, dal3 auch in dieser Verbindung die SS-Bin- dung durch die Gegenwart der Chloratorne eine Verfestigung erfahren hat.

Der von uns gefundene Abstand liegt sehr nahe bei dem kiirzlich von A B R A H A I V ~ S ~ ~ ) fur rhombischen Schwcfel gefundenen Wert von 2,037 A.

Mit dieseni Wert sind altere Angaben von WARREN und BURW-ELL~~) sowie von VEN- T R I G L I A ~ ~ ) , nach denen der SS-Bindungabstand im rhombischen Schwefel 2,12 betrhgt, uberholt. Elektronenbeugungsuntersuchungen an der S,-Blolekel lieferten Werte VDII

2,07 0,0213) bzw. 2,08 f 0,02 ill4). Unter der Annahme, da13 der von PAIJLING und HCGGINS 15) als wahrscheinlichster Wert fur die SS-Einfachbmdung angegebene Wert von 2,08 A einer Einfachbindung, der Abstand von 1,89 A einer Doppelbindung entspricht, lrommt ABRAHAMS'") zu drm GchluB, da13 die SS-Rindungen in der S,-Molekel des rhom- bischen Schwefels etwa 30% Doppclbindungscharakter besitwn. Seine Auffassung wird durch thermottjnamische Uritersuchungrn an Schwefelschmelzen von POWELL und EY- RING^^) gcstut z t . Diese Autoren nehmen an, daJ3 in der ringformigen S,-Nolekel konjugierte Doppelbindungen auftreten, indcm die verfiigbaren 3d Orbitale auqenutzt werden, und daB die konjuqierten Doppelbindungen auch beim Aufbrechen der Ringe zu Schwefelketten zum Teil erhalten bleiben.

Slternierende SS-Bindungsabstknde, die fur eine Konjugation innerhalb einer Schwefel- kette sprecheii, wurdeu durch Ront~ens tmkturana l~ se von ABRAHAIVIS und GRISON 17) beim Caesiumhexasulfid und von ABRAHAMS~~) beim Rariumtetrasulfid-Monohydrat gefundm.

9, E. M. BADGER. J. chem. Physics 2,128 (1934); 3, 710 (1936). lo) S. C. ABRAHAMS, Acta crystallogr. [Copenhagen] 8, 661 (1955). 11) B. E. WARREB u. J. T. BURWELL, J. chem. Physics 3, 6 (1935). 12) 1J. VENTRIQLIA, Periodico Mineralog. 90, 237 (1951). 13) CHL~-SI LU u. J. DOXOHUE, J. Amcr. chem. Soc. 66, 818 (1944). 14) J. D. HOWE u. K. LARK-HOROVITZ, Physic. Rev. 51, 380 (1937). 15) L. PATJLING 11. M. L. HUGGINS, Z. Xristallogr., Mineralog. Petrogr. Abt. A 87, 205

16) R. E. POWELL u. €1. EYEING, J. Amer. chem. Soc. 65, 645 (1943). 17) S. C. ABRAIIAMS u. E. GRISON, Acta crystallogr. [Copenhagen] 6, 206 (1953). 18) S. C. ABRAHAIW, Acta crystallogr. [Copenhagen] 7, 423 (1954).

(1934).

16 Z. anorg. allg. Chemie. Bd. 325.

242 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chernie. Rand 326. 1963

Als Erklarung fur die verschiedenen Abstande wird hier angenommen, daR die von den Caesiumatomen bzw. vom Bariumatom abgegebenen beiden Elekt'ronen in gewissen Bindun- gen der Schwefelkette lokalisiert sind, die dadurch Dop~elbindungscharakter erhalten und demzufolge einen kiirzereri Abstand aufweisen. Sowohl Caesiumhexasulfid als auch Barium- tetrasulfid-Monohydrat haben eine ungerade Anzahl von SS-Bindungen, und es ist klar, dalj der Effekt nur in einem solchen Falle auftreten kann. Sind nur zwei SS-Bindungen vorhan- den, wie bei unserem Trisulfid, so miissen diese in jedem Falle gleich sein, und eine eventuelle Verstiirkung der Bindung fiihrt zu einer Verkiirzung beider Abstiinde.

Nach der von ABRAHAMS l 8 ) aufgestellten Kurve fur den Zusammenhang zwischen der Ordnung einer SS-Bindung urid der Bindungslange entspricht dem im Perchlordimethyltrisulfid gefundenen SS-Abstand ein Doppelbin- dungscharakter von etwa 33y0.

Es mu13 betont werden, daB die zahlenmaoigen Sngnben iiber den Pro- zentsatz an Doppelbindungscharakter naturgemLB stark davon abhangen, welche Werts man fur die reine SS-Bindung und fur die SS-Doppelbindung annirnnit.

JEFFREY und SHIONO~~) glaubcn z. B., da,Ij der von ihnen im 4-~~ethyl-1,2-dithia-4- cyclopenten-3-thion gefundene SS-Abstand von 2,047 einer reinen a-Bindung entspricht. GroRere SS-Abstande deuten danach auf eine Bindung hin, die schwiicher als einfach isl. Jedoch auch mit dem von JEFFREY und SHIONO angenommenen Abstand fiir eine Einfach- bindung spricht der im Perchlordimethyltrisulfid gefundene Wert, noch fur etwa 10-16qb Doppclbindungscharakter der beiden SS-Rindungen.

Es ist anzunehmen, daI3 der Doppelbindungsanteil der verkurzten SS- Bindungen durch die Ausnutzung von d-Orbitalen der S-At,ome bewirkt wird.

Der Anteil an Doppelbindungscharakter im Perchlordimethyldisulfid durfte dem im Trisulfid mindestens gleichkommen, eventuell ist die SS- Bindung hier sogar noch etwas stiirker.

Der bei der Kristallstrukturbestimniung des Perchlordimethyltrisulfids fur die beiden CS-Abstiinde gefundene Mittelwert von 1,795 A ist, ebenklls kiirzer als der normale CS-Einfachbindungsabstand, fur den Werte von 1,81 bis 1,82 A angegeben werden20)21). Berucksichtigt man dabei noch, da13 zwischen den grofien Chloratomen der CCl,-Cruppen und dem mittleren Schwefelatom bemerkenswerte AbstoBungskrafte wirksam sind, so darf angenommen werden, daW die Verkiirzung der CS-Abstande irn Perchlor- dimethyltrisulfid auf einer Verstarkung der CS-Bindungen im Vergleich zu denen in vielen anderen organischen Schwefelverbindungen beruht.

19) G . A. JEFFREY u. R. SHIONO, Acta crystallogr. [Copenhagen] 12, 447 (1959). ?O) E. G. Cox u. G . A. JEFFREY, Proc. Roy. SOC. [London] A 207,110 (1961). 21) S. C. ABRAHAMS, Quart. Rev. chem. SOC. [London] 10, 407 (3956).

H. J. BERTHOLD, Bindungsverhiiltnisse des Perchlordimethyltrisulfids C13C-S,-CC13 243

Wir nehmen an, da13 die verkiirzten Abstande a d isovalenter Hyper- konjugation zz) unter Heranziehung von n-Elektronen der Schwefelatome berulien, wodurch fur die CS-Bindungen ein gewisser Anteil an Doppelbin- dungscharakter resultiert.

Eine Aussage iiber das Vorliegen groIjerer Kraftkonstanten bei den CS- Bindungen auf Grund der im RAMAN- und Infrarotspektrum gefundenen Frequenzen 1aBt sich in diesem Falle nicht leicht treffen.

SHEPPARD~~) hat sich eingehend mit der Lage der CS-Frequenzen in organischen Ver- bindungen (Merkaptanen, Thioathern und Disulfiden) befaDt und dabei gefunden, daD diese Frcquenzen im allgemeinen im Bereich ewischen 600 und 700 em-1 auftreten. Sind zwei Fre- quenzen zu erwarten, so fLllt mindestens eine davon in das genannte Bebiet. Ueim Perchlor- diniethyltrisulfid liegen in diesem Bereich keine Frequenzen. Die Verbindung besitzt da- gegen im RAMAN-Spektrum drei Frequenzen bei 741, 760 und 7% em-l, im IR-Spektrum bci 744, 760 und 784 em-l 6 ) . Eine dieser Frequenzen kann der doppelt entarteten CC1,- Pendelschwingung, die beiden anderen solchen Schwingungen zugeordnet werden, bei denen die CC1,-Gruppen und die zugehorigen endstandigen Schwefelabome der beiden Molekel- halften einmal in Phase, das andere Ma1 auner Phase schwingen. Wegen der Gegenwart der schweren Chloratome an den KohIenst,offatomen kann man hier allerdings nur noch bedingt von einer symmetrischen und antisymmetrischen CS-Valenzschwingung sprechen und infolgedessen aus der Erhiihung der Frequenzcn im Vergleich zu den CS-Schwingungen normaler organischcr Schwrfelvcrbindungen nicht ohne weiteres niehr auf eine Erhohung der Kraftkonstanten der CS-Rindung riickschliefien. Modellrechnungen, die hieriiber Aus- kunft gebcn konnt,en, sind bisher noch nicht durcbgefiihrt ord den^^).

Interessant ist, daB alle bisher bekannten Perchlordimethylsulfane gegeniiber waSriger Natronlauge in der Siedehitze bestandig sind 25)), wohin- gegeii die Perfluordimethylsulfane mit Ausnahme des stabilen Monosulfids von Natronlauge bereits bei Temperaturen von etwa 60 "C zersetzt werden. Dies deutet darauf bin, da13 die Bindungsverhaltnisse bei den hoheren per- fluorierten Dimethylsulfanen anders sind als bei den von uns untersuchten Perchlorverbiiidungen, und zwar durfte vor allem die uberlange und damit deutlich geschwachte CS-Eindung bei den perfluorierten Verbindungen (1,848 A beim Trisnlfid) fur ihre Unbestandigkeit gegeniiber Natronlauge verantwortlich sein.

Dic in jeder CC1,-Gruppe des Perchlordimethyltrisulfids aufgefundene ungewohnlich lange CC1-Bindung von 1,81 A (der Normalwert lie@ bei

a2) Uber die verschiedenen Arten isovalenter Hyperkonjugation siehe be1 R. S. MUL-

23) N. SHEPPARD, Trans. Faraday Soc. 46, 429 (1950). 2r) Einen Vergleich der Spektren vom Typ C13CX (X = H, I), CH,, F, CN, CO,, NO,,

Br) und besonders des Spektrurns von CCl, mit drm Spektrum von C1,CfiCl hzw. der Gruppe C1,CS haben J. A. A. KETELAAR u. vCT. VEDDER [Rec. Trav. ehim. Pays-Bas 74,1482 (1955)l in ihrer Arbeit iiber das IR-Spektrum von Perchlormethylmerkaptan durchgefdhrt.

16*

LIKEN, Tetrahedron [London] 6, 253 (1959).

25) Das Monosulfid ist bisher noeh nicht iuoliert worden.

244 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 325. 1963

1,76 A) findet eine naheliegende Erklarung in der Annahme. daB dies eine Polge der sterisch bedingten Verkleirwrungen der Winkel S,C,Cl, und S,CI1CI, ist. Die Chloratome C1, und Cls versuchen der starken Annaherung an das zugehorige Schwefelatom S, bzw. S,, die sich in den oben erwahnten sehr kurzen Kantenabstanden zwischen diesen Xtomen deutlich bemerkbar macht, auszuweichen.

Andere Ursachen, wie hyperkonjugative Einfliisse in Verbindung mit ionischen Resonanzstrukturen sowie Anderungen in1 Hybridisierungszu- stand der Kohlenstoffatonie konnen allerdings fur die verlangerten CCl- Bindungen zu einem geringen Teil mitverantwortlich sein.

Betrachtet man schlieBlich nach Kenntnis der Atomlagen die Moglichkeit einer Rotation der CC1,-Gruppen um die CS-Achsen, so erkennt man deut- lich, da13 diese infolge der beschriebenen Verzerrung der SCCl,-Tewaeder stark behindert sein muB. In voller iybereinstimmung hiermit wurde im RAMAN-SpCktI'um des geschmolzenen C1,C-S,-CCl, auck eine der Torsions- schwingung der CCl,-Gruppen um die CS-Schsen zuzuordnende Frequenz bei 93 em-l aufgefunden6). Auch Perchlordimethyldi- und -tetrasulfid zeigen im RAMAN-Spektrum eine bzw. zwei Frequenzen in der Gegend urn 100 em-l, die auf Torsionsschwingungen der genannten Art zuruckzufuhren sind ". Beim Perchlormethylmerkaptan, der Ausgangssubstanz fur die perchlorier- ten Dimethylsulfane, liegt die Torsionsfrequenz bei 90 cm-l. Hieraus ergibt sich fur das Behinderungspotential der gehemmten inneren Rotation ein Wert von 7,83 kca126). Auf Grund der AhnIichkeit der schwingenden Sy- steme und der ahnlichen Frequenzen deer Torsionsschwingungen ist anzu- nehnien, dazD die Hohen der Potentialschwellen in der Perchlordimethyltri- sulfidmolekel, die einer freien Rotation der CC1,-Gruppen entgegeii wirken, ebenfalls etwa 8 kcal betragen.

Dem Bundcsministerium fur wissenschnftliche Forschnng, der Deutschen Forschungs- gemeinschaft sowie dem Ponds der Chemischen Industrir danke ich fur (lie Unterstiitzung unserer Arbeiten.

ae) P. FEHER u. H. J. b R T H O J , D , %. anorg. allg. Chem. S84, 60 (1SfiC;).

Mainz, Institut fiir Anorganische Cheniie und Kernchemiz der Univer- sitit.

Bei der Redaktion eingegangeu am 28. November 1961.