Über das balkengerüstwerk in der menschlichen milz

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(Aus dem Anatomischen Institut der UniversitKt Miinchen. Vorstand: Geh. Rat Professor Dr. MOLLt~R.) ~BER ])AS BALKENGERUSTWERK IN DER MENSCHLICHEN MILZ. Von A. HARTMANN und G. A. BENNETT. Mit 2 Textabbildungen. (Ein~leganflen am 18. Mdrz 1927. Das Balkengerfistwerk der Milz wird in den g_ebr~uchlichen Lehr- bfichern der Histologie (v. EBNE~ 1899; P~ENANT 1911; SOBOTTA1914; v.MSLLENDOI~FF1924 ; SCHAFFER1924, SZr~ONOVmz-KRAuSE 1924 u. a. ) meist nur ganz kurz beschrieben Ms yon der fibrSsen Kapsel ausgehende strangfSrmige Fortsetzungen, die Trabekeln, welehe ein das ganze Organ durchziehendes Netzwerk bilden; die dickeren Balken enthalten die Ver- ~stelungen der grSBeren Gef~Be, dienen ihnen also gewissermaBen als Stfitze~ Diese V0rstellung grfindet sieh zum Teil auf die Bilder histo- logischer Schnittpr~parate, zum Teil auf die Resultate, die man erh~lt, wenn man ganze Milzen oder Stficke von solehen in physiologischer KochsalzlSsung ausknetet, um die weiehe Pulps zu entfernen, v. EB~.R (1899) bildet einen Querschnitt durch eine derartig ausgewaschene Ochsenmilz ab (Abb. 1035, S. 258), in welchem die st~rksten Balken zentral gelegen sind und feinere sich immer weiter verzweigende Fort- s~tze bis an die oberfl~ehliche Kapsel gelangen lassen. Ohne die Richtig- keit der gegebenen Abbildung zu bezweifeln, muB doch hervorgehoben werden, daB sie keinen AufsehluB geben kann fiber die Verteilung des Balkenwerkes im ganzen Organ; denn es ist anzunehmen (was ja auch an Querschnitten durch den Hilus ohne weiteres ersichtlich ist), dab die dicksten Balken nieht im Zentrum, sondern in der N~he des Hilus liegen, weil sich bier die Kapsel direkt auf die grSberen Gef~B~ste umschl~gt. Weiterhin haften dieser Darstellungsmethode aber auch groBe M~ngel an. Dureh das rohe Verfahren des Ausknetens werden einerseits feinere Balken~ste mit abgerissen und fortgeschwemmt, andererseits kSnnen kleinere Gef~Be (Arterien mit ihren Seheiden) h~ngenbleiben und Fort- setzungen der Trabekel vort~uschen, wo in Wirklichkeit keine mehr vor- handen sind, und endlich bleiben die einzelnen Bestandteile des Stfitz- gerfistes dann auch nicht mehr in ihrer relativen Lage zueinander, wenn

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Page 1: Über das Balkengerüstwerk in der menschlichen Milz

(Aus dem Anatomischen Institut der UniversitKt Miinchen. Vorstand: Geh. Rat Professor Dr. MOLLt~R.)

~BER ])AS BALKENGERUSTWERK IN DER MENSCHLICHEN MILZ.

Von

A. HARTMANN und G. A. BENNETT.

Mit 2 Textabbildungen.

(Ein~leganflen am 18. Mdrz 1927.

Das Balkengerfistwerk der Milz wird in den g_ebr~uchlichen Lehr- bfichern der Histologie (v. EBNE~ 1899; P~ENANT 1911; SOBOTTA 1914; v.MSLLENDOI~FF 1924 ; SCHAFFER 1924, SZr~ONOVmz-KRAuSE 1924 u. a. ) meist nur ganz kurz beschrieben Ms yon der fibrSsen Kapsel ausgehende strangfSrmige Fortsetzungen, die Trabekeln, welehe ein das ganze Organ durchziehendes Netzwerk bilden; die dickeren Balken enthalten die Ver- ~stelungen der grSBeren Gef~Be, dienen ihnen also gewissermaBen als Stfitze~ Diese V0rstellung grfindet sieh zum Teil auf die Bilder histo- logischer Schnittpr~parate, zum Teil auf die Resultate, die man erh~lt, wenn man ganze Milzen oder Stficke von solehen in physiologischer KochsalzlSsung ausknetet, um die weiehe Pulps zu entfernen, v. EB~.R (1899) bildet einen Querschnitt durch eine derartig ausgewaschene Ochsenmilz ab (Abb. 1035, S. 258), in welchem die st~rksten Balken zentral gelegen sind und feinere sich immer weiter verzweigende Fort- s~tze bis an die oberfl~ehliche Kapsel gelangen lassen. Ohne die Richtig- keit der gegebenen Abbildung zu bezweifeln, muB doch hervorgehoben werden, daB sie keinen AufsehluB geben kann fiber die Verteilung des Balkenwerkes im ganzen Organ; denn es ist anzunehmen (was ja auch an Querschnitten durch den Hilus ohne weiteres ersichtlich ist), dab die dicksten Balken nieht im Zentrum, sondern in der N~he des Hilus liegen, weil sich bier die Kapsel direkt auf die grSberen Gef~B~ste umschl~gt. Weiterhin haften dieser Darstellungsmethode aber auch groBe M~ngel an. Dureh das rohe Verfahren des Ausknetens werden einerseits feinere Balken~ste mit abgerissen und fortgeschwemmt, andererseits kSnnen kleinere Gef~Be (Arterien mit ihren Seheiden) h~ngenbleiben und Fort- setzungen der Trabekel vort~uschen, wo in Wirklichkeit keine mehr vor- handen sind, und endlich bleiben die einzelnen Bestandteile des Stfitz- gerfistes dann auch nicht mehr in ihrer relativen Lage zueinander, wenn

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die die Zwischenr~ume ffiUende Pulpa entfernt ist. Man kann also mit dieser Methode hSchstens eine ~bersicht fiber die grSbsten Verh~Itnisse erlangen, nicht aber darfiber, ob auch die feinere Aufteilung der Trabekel in einer bestimmten Weise erfolgt, etwa so,.daB sie einzelne kleinere Hohlr~ume gegeneinander ab.kammern, also gewisserma~en ein System in.die Verteilung des Milzparenchyms bringen, wie man es i~hnlich ja auch in den Lymphknoten finder. Um darfiber GewiBheit zu erlangen, genfigt auch die Durchsicht yon Schnittserien nicht; denn die Aufteilung des Balkenwerkes ist zu kompliziert, als dab man selbst Schnitt ffir Schnitt mit den Augen und Gedanken verfolgend eine der Wirklichkeit entsprechende r~umliche VorsteUung yon seiner Anordnung zu erhalten vermSchte.

Man kann aus den Schnittbildern ablesen, wie das auch bisher fest- gestellt wurde, dab die Milz nicht wie die Lymphdrfisen durch" yon der Kapsel abgehende fliichenhafte Sept~n in einzelne wenigstens oberfl~ch- lich gelegene Kammem abgeteilt ist; ein derartiges Verhalten gilt nur ffir die Milz einiger Haie (HEMMETER 1926) und der meisten Schlangen (Ho~I~MA~ 1890 U.a., HOYER 1892 und 1894 und eigene Beobach-

tungen) ; und man hat sich daher begnfigt, ein Gerfistwerk anzunehmen, das aus run~ichen oder etwas abgeplatteten Bindegewebsstr~ngen be- steht, die vielfach miteinander anastomosierend sich zwischen den Kapseloberfl~ehen ausspannen, ohne sich jedoch fiber die Form des Geriistes im einzelnen Rechenschaft zu geben. Nur hei SZYMO~OVICZ- KI~USE findet sich die kurze Angabe, dab die Milzbalken an der Ober- fl~che mehr regelm~Bige, im Inneren mehr unregelm~Bige Hohlri~ume umsehlieBen. Obwohl die Unregelm~Bigkeit des Gerfistes stets mehr oder weniger betont wird, sind in den hekannten Schemata (v. MfiLL~.I~- DORFF 1924; SCHAI~FER 1924), die auch in andere Arbeiten Eingang ge- funden haben (vgl. v. SKR~;MLIK 1927), die yon der Kapsel ausgehenden Trabekel so gezeichnet, daB notwendigerweise bei dem Unerfahrenen der Eindruek wenigstens oberfl~ehlich gelegener getrennter Kammern erweckt wird.

~ber die der Wirklichkeit entsprechende Form und Verteilung des Stiitzgeriistes in der Milz kann nur eine plastische Rekonstruktion Auf- sehluB geben. Der Ausffihmng einer sol,hen stehen jedoch erhebliche Schwierigkeiten im Wege. Eine ganze menschliche Milz zu rekon- struieren, ist unmSglich, denn sobald man unter eine gewisse VergrSfle- rung heruntergeht, fallen die feineren Ver~stelungen, auf die es ja doch gerade ankommt, unter den Tisch. Andererseits w~re aber die Darstel- lung der ganzen Kapsel mit dem gesamten Gerfistwerk speziell in soinen Beziehungen zum Hilus und den hier eintretenden Gef~Ben absolut notwendig, um feststellen zu kSnnen, ob in den Trabekeln tatsi~chlich in bestimmter Riehtung orientierte Verspannungszfige gegeben sind.

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Die neuerdings bekannt g'ewordenen groi3en Volumschwankungen der Milz (vgl. BARCRO~r 1927) innerhalb sehr kurzer Zeiten selbst auf an- scheinend geringfiigige Veranlassungen hin, legen diesen Gedanken jeden- falls nahe, um so mehr, als die Zusammenziehung des Organs nicht in Mien Richtungen des Organs gleichm~Big erfolgt (v. SKRAMLIK 1927, S. 518). Zwar gelten die Beobachtungen v. SKRAMLIKS und anderer Autoren in erster Linie fiir Reizung der Milznerven bei Tieren, deren Kapsel und Trabekel glatte Muskulatur in grSf~erer Menge enthaltcn; doch sind Volumschwankungen der Milz aueh beim Menschen hinreichend bekannt, wenn auch noeh nicht in dieser Weise experimentell erforscht. Glatte Muskelzellen im bindegewebigen Geriistwerk der menschlichen Milz sind nur sp~rlich nachzuweisen (v. M()LLENDORFF, SCHAFFER U. a . ) , dagegen sehr reichlich elastisches Gewebe. Dies letztere spielt zwar ffir die aktive Kontrakt ion keine Rolle, kann abet dutch seine besondere Anordnung sehr wohl die Form des Organs bei Kontrakt ion und Deh- nung mit best immen und so auch Einflul~ auf die inneren r/~umlichen Verh/~ltnisse gewinnen.

Wegen des verschiedenen histologischen Aufbaues von Kapsel und Trabekeln bei verschiedenen S/~ugern, erscheint es auch nicht einwand- frei, das Balkengeriistwerk der Milz eines kleineren Tieres (etwa einer Maus oder Ratte) zum Vergleich heranzuziehen; die langgestreckte platte Gestalt des Organs bei diesen Tieren (wie auch bei Hund und Katze) macht eine andersartige Verteilung der Balken yon vornherein wahrscheinlich. Doch wiirde dies nichts ausmachen fiir die Frage, ob fiberhaupt ein funktionelles System im Geriistwerk gegeben ist. Gerade bei Rat te und Maus sind aber Kapsel und Trabekeln aul~erordentlich dfinn und zart und den Schnittbildern entsprechend sehr welt ausein- andergezogen, so dal~ sich auch bier b~i der Rekonstruktion sehr erheb- liche technische Schwierigkeiten ergeben wiirden.

Da uns aber aus anderen Griinden gerade die menschliche Milz beson- ders interessierte und wir auch yon der Rekonstruktion eines kleinen Anteils uns schon manchen b~merkenswerten AufschluB erhofften, haben wir uns entschlossen, ein Stiick des Geriistwerkes einer menschlichen Milz mit Hilfe der BoRNschen Wachsplattenmethode plastisch darzu- stellen. Herr G. A. BENNETT hat diese auBerordentlich schwierige und miihevolle Aufgabe tibernommen und das Modell mit b3wundernswerter Geschicklichkeit und Geduld ausgeffihrt.

Der dem Modell zugrunde liegende Block stammte aus einer normalen frisch fixierten Milz eines 36jKhrigen Hingerichteten; die 7,5/x dicken Schnitte wurden bei 50facher VergrSBerung gezeichnet und nut jede zweite Zeichnung zu einer 0,75 mm dicken Wachsplatte ausgewalzt. Dadurch ergaben sich beim Auf- einanderfiigen der Platten gewisse Rauhigkeiten in den Konturen des ModelIs; doch muBte dieser l~belstand mit in Kauf genommen werden; er erwies sich als

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gering gegeniiber der Schwierigkeit nur 0,375 mm dicke Platten gleichm~Big herzustellen" und ohne Verbiegung der feinen Vcr~stelungen zusammen zu setzen.

Als Orientierungslinie beim Aufeinanderfiigen der Platten diente die Milz- kapsel; es war dcr Block so aus dem Organ ausgeschnitten worden, dab die Kapsel eine etwa 0,65 qcm groBe ebene Fl~ehe bildete und der Querschnitt der- sclben bei dcr Projektion in der angegebenen VcrgrSBerung ganz in das Gesichts- feld zu liegen kam. So konntcn wenigstens Vcrzcichnungen dutch Verschiebung vermieden werden. Die Unebenheiten sind in der Zeichnung fiir die Abb. 1 aus- geglichen worden um die ~bersichtlichkcit zu erleichtern.

Dargestellt wurden lediglich die Bindegewebsbalken mit oder ohne in ihnen verlaufenden Gef/~l~en, nicht aber kleinere Arterien, die nur noch sp/~rlich bindegewebige Adventitia besitzen.

Dabei zeigte sich nun, dab nur die gr6bsren Balken Gef/iBe enthalten, w~hrend die Hauptmasse des feineren Geriistwerks keine GefiiBe, zum mindesten keine Arterien mehr enth/~lt; doch liegen gr61~ere Venen sehr h/~ufig den Balken an, gewissermaBen als ob sie Sttitze an ihnen suchten.

Die Wiedergabz des Modells in einem wirklich naturgetreuen Bilde erwies sich als sehr schwierig. Die Photographie bringt selbst b~i kfinst- licher Beleuchtung yon verschiedenen Seiten her nut ein sinnverwirren- des Dureheinander der sich vielfach iib~rschneidenden Trabekeln zur Ansehauung, ohne den rgumlichen Tiefenverh~ltnissen gerecht zu werden. Wir haben uns daher mit der Zeichnung begniigt, welche in Abb. 1 dar- gestellt ist; bei allem Bestreben, die in dem Modell verwirklichten For- men naeh GrS~e und Verteilung exakt zur Darstellung zu bringen, mul~t~ doch auf manehe Details verzichtet werden, um die ]~bersichtliehkeit zu erleichtern. Dadurch kommt vor allem die Plastik der tiefer gelegenen Absehnitte nieht mehr voll zur Geltung; wir hoffen jedoch aueh mit dieser Zeiehnung alles Wesentliche der folgenden Besehreibung belegen zu kSnnen.

Mit Ausnahme der vom Hilus ausgehenden sehr festen und dieken Balken, mit welchen die Gef~l~e in das Organ eintreten, sind die in die Kapsel einstrahlenden Bindegewebsziige meist klein, dfinn und rundlich; es finden sich ja auch sonst keine G e f ~ e in der Kapsel. Man gewinnt viel eher den Eindruck, als ob das Balkengeriistwerk im Innern des Organs nur eine stiitzende Verbindung mit der Hfille suehte, nieht aber dal~ yon der Hfille selbst feste Streben ausgehen, die sich im Innern ver- zweigen (SzYMOlqOVIcz-KRAuSE). Wit haben dieses Verhalten auch nicht nur an dem kleinen rekonstruierten Stfick festgestellt, sondern sehr viele Schnitte aus einer gr6Beren Zahl yon Milzen daraufhin untersucht und fiberall das gleiche gefunden. Hin und wieder gehen aber auch yon dbn inneren Bindegewebslagen der Kapsel kr/iftigere Zfige in das Pulpa- reticulum fiber, die sich aber meist sehr rasch aufl6sen und vielleicht nur als Haftpunkte fiir das Faserwerk des Pulpanetzes in Betracht kommen.

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Faflt man die Form der einzelnen Balken ins Auge, so ist diese ebenso versehieden wie ihre Dicke und Verlaufsrichtung. Neben nahdzu runden, kommen auch stark abgeplattete und vielfach verbogene Zfige vor, doch keine, die auf grSL~ere Strecken hin als dicht geschlossenen Membranen angesprochen werden kSnnten. Der Durchmesser der Balken betr~gt im Modell zwischen 5 mm und 50 mm etwa ( ~ 0,1--1 mm); die obere

Abb. 1. Wachsp la t t enmode l l des Balkenger i is tes eines oberfl~chlich gelegenen Stlickchens yon der Milz eines Hinger ich te ten . Gez. yon R. PROI, I, ER. VergrS~erung des Modells 1 : 50.

VergrSBerung der Zeichnung 1:18.

Grenze daff 'aber als betr~chtlich hSher angenommen werden, nament- lich in der Gegend des Hilus. Im allgemeinen sind die Balken dicker als die Kapse], die wir in ~bereinstimmung mit SOBOTTA Ztl etwa 0 , 1 m m

gemessen haben; doch sind gerade die v o n d e r Kapsel ausgehend~n Ramifikationen h~ufig noch diinner und auch yon den Balken zweigen sich gelegentlich diinne kurze Zfige ab, die dann meist auch frei in der Pulpa endigen (Abb. 1). Die grSberen rundlichen Trabekeln zeigen, wie

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aus Abb. 1 ersichtlich ist, in ihrem Verlauf nur ganz geringe Schwan- kungen ihres Kalibers; nur an den SteUen, wo mehrere zusammen- treffen oder sich aufteilen, erscheinen sie verdickt, wodurch massige K n o t e n zustande kommen kSnnen.

Ebenso verschieden ist die L~nge der einzelnen Balken, die, ab- gesehen yon den ganz feinen, niemals frei endigen, sondern sich stets wieder miteinander verbinden, so dab ein ~uBerst kompliziertes, im ganzen Organ verspanntes Netzwerk entsteht. Die Aufteilung der Balken kann deshalb auch nicht mit der Ver~stelung eines Baumes verglichen werden.

Die Verlaufsrichtung des einzelnen Balkens yon einem Knotenpunkte zum n~chsten ist meist ziemlich geradlinig, nur selten starker gekriimmt; das gibt dem ganzen Geriist den Eindruck einer gewissen Starrheit. Die Winkel, unter denen die einzelnen Balken zusammentreffen, sind aber auch sehr verschieden groB, wodurch die scheinbare Unregelm~Big- keit d.~s Gerfistwerks noch erhsht wird. Die mit der Kapsel verbundenen Balken dagegen sind fast alle nahezu senkrecht auf sie orientiert.

Interessant wird das Geriistwerk jedoch erst, wenn man es als Ganzes betrachtet und yon Form, Dicke und Verlaufsrichtung des einzelnen Trabekels ganz absieht. Es ergibt sich dann n~mlich, dab die Balken docl~ kein regelloses Fachwerk bilden, sondern als Scheidewi~nde um Hohlr~ume angeordnet sind, die ihrerseits f re i yon Trabekeln bleiben. Diese Kammern sind auf Abb. 1 gut zu sehen; sie sind verschieden in ihren GrSBendimensionen, ungleichm~Big in ihrer Form u n d liegen regellos neben- und tibereinander wenigstens in dem kleinen rekon- struierten Stfick; Um feststellen zu kSnnen, ob in der r~umlichen und formalen Anordnung der Kammern im ganzen Organ gewisse Gesetz- m~Bigkeiten bestehen, h~tte man natiirlich einen grSBeren Abschnitt wiederaufbauen mtissen; es ist wenigstens denkbar, dab in der Hilus- gegend vielleicht sich etwas andere Verh~ltn~sse ergeben wfirden, whh- rend wir ftir die mehr oberfl~chlich gelegenen Abschnitte wohl iiberall das gleiche Verhalten wie in unserem Modell annehmen diirfen.

Die Kammern, welche das Milzparenchym enthalten (kleinere Ar- terien~ste mit lymphoiden Scheiden; SCHWEIGOER-SEIDELsche Htilsen; Venensinus und Pulpareticulum), stehen infolge der eigenartigen Kon- struktion der Scheidew~nde alle untereinander in Verbindung und lassen gelegentlich auch alveolenartige Ausbuchtungen erkennen. Es mag vielleicht widersinnig erscheinen, hier iiberhaupt yon Scheidew~nden zu sprechen, doch deckt die Rekonstruktion gerade das Vorhandensein auch ausgedehnterer fl~chenhafter, wenn auch stark durchbrochener Bindegewebsztige auf. Da diese in der Zeichnung des Gesamtmodells wegen der Verkiirzung nur schlecht dargestellt werden kSnnen, geben wir in Abb. 2 die Fl~chenprojektion eines derartigen ,,Septums" wieder.

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Aber auch an Stellen, an welchen sich die Balken selbst fl/~chenhaft verbreitern, bleibt wenigstens ihre Anordnung in gekrtimmten Fl~ehen erhalten, welche die Kammern wie die Wand eines locker geflochtenen Korbes umgrenzen.

MALL (1898) beschreibt unscharf begrenzte Li~ppchen der Milz (bei?) yon etwa 1 mm Durchmesser, die ihrer Zahl nach sehon sehr friihzeitig angelegt werden; leider war uns die Arbeit yon MALL im Original nicht zug~nglich, es erscheint uns aber sehr wahrscheinlieh, dab seine L/~pp- ehen, die er als strukturelle Einheiten auffal~t, mit den im Modell gege- benen Ki~mmerchen sieh decken. Auch die GrSl3e der letzteren s t immt mit der yon MALL ffir die Lobuli angegebenen ungefi~hr fiberein.

Abb. 2. Projektion einer , ,septumartigen" Scheidewand zwischen zwei Milzk~mmerchen.

Es bleibt nun noch zu er5rtern, wie man sich etwa die Entstehung dieser Milzk/~mmerchen erkl/~ren kann und ob ihr Vorhandensein in irgendwelcher Beziehung zur Funktion steht oder .ob sic nur zufgllige Bildungen darstellen.

Uber die Entwicklung der Milz, speziell der mensehlichen, ist sehr wenig bekannt (vgl. SABIN 1911); auch wird meist nur die Herkunf t und erste Umbildung des Materials der Anlage (To~KOFF 1900) beriick- sichtigt oder die Ausbildung des Blutgef/~Bsystems (SABIN), nicht abet die endgiiltige Differenzierung des Geriistwerks aus dem Mesenchym. S ~ I ~ beschreibt bei Schweinefeten die Entwieklung kleiner kugelfSr- miger Kapillarbezirke, die in kleinen durch yon der Milzkapsel ausgehen- den B/~lkchen begrenzten Abteilungen liegen und die mit den strukturellen Einheiten yon MALL (1898) identisch sind. Wie die kleinen Abteilungen selbst entstehen, wird nicht geschildert. Es ist aber wohl anzunehmen,

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dab gleichzeitig mit der Herausdifferenzierung bestimmter Gef~Bbahnen aus dem primitiven kapiUaren l~etzwerk auch die Ausbildung eines st~rkeren Fasergeriistes in dem zwischen den Kapillaren gelegenen Mesenchym erfolgt, zun~chst als Stfitze der Gef~Be selbst, dann aber auch zur Festigung und Abgrenzung einzelner Bezirke, welche das letzte Aufl6sungsgebiet der Arterien~ste umfassen. Dab es dabei nicht zur Entstehung geschlossener bindegewebiger Scheidew~nde sondern ein- zelner fester Ziige kommt, die eine stark durchbrochene Wandung fiir die K~mmerchen bilden, erkl~rt sich ohne weiteres aus der ersten geweblichen Anlage des Organs; die netzig untcreinander zusammen- h~ngenden, sehr weiten Kapillaren, aus welchen die Pulpavenen hervor- gehen, stehen der Ausbildung yon dichten Scheidew~nden von vorn- herein entgegen; ihre Verbindung mit dem Maschenwerk des Mesen- chyms, die, wenn auch modifiziert, erhalten bleiben muG, l~Bt ebenfalls die Entwicklung dichterer Bindegewebssepten nicht zu, die dem Verkehr yon Gef~Binhalt und Reticuluminhalt nur hindernd entgegenstehen wiirden. So kann sich ein kr~ftiges Stiitzgeriist nur in Form yon fund- lichen oder abgeplatteten Str~ngen oder nur in Form weir durchlScherter Membranen entwickeln und auch nur an solchen Stellen, die den innigen Konnex der einzelnen zusammenwirkenden Bestandteile des Parenchyms (lymphoides Gewebe, Reticulum mit den eingelagerten Zellen und Venen- sinus) nicht stSren.

Auf diese Weise wird die besondere Anordnung des Stiitzgeriistes in einzelnen aber untereinander zusammenh~ngenden Str~ngen ve.rst~nd- lich und zugleich auch die Abgrenzung einzelner kleiner R~ume gegen- einander, die, obwohl sie nicht vollst~ndig voneinander getrennt und nicht gleichm~Big in der Form sind, dennoch eine gewisse Regelm~Big- keit in das System des Organs bringen, indem sie bestimmte Bezirke des Parenchyms zusammenfassen und ihnen damit auch eine gewisse Selb- st~ndigkeit verleihen. Wie die Anlage im speziellen erfolgt und vor allem auch, wie sie mit der Entstehung der lymphoiden K6rperchen und der Endver~stelung der Arterien in Beziehung steht, miiBte erst noeh genau untersucht werden.

Uber die funktionelle Bedeutung der K~mmerchen mSchten wir uns nur sehr vorsichtig ~uBern. Dab im Gesamttrabekelsystem der Milz ein Stiitzgeriist fiir das Parenchym gegeben ist, bedarf wohl keiner weiteren ErSrterung ; eine andere Frage dagegen ist, ob aus der besonderen Form desselben sich in anderer Hinsicht funktionelle Beziehungen ableiten lassen. Von bestimmt gerichteten trajektoriellen Verspannungen kann jedenfalls keine Rede sein; es sind solche unseres Erachtens hier auch gar nicht notwendig. Der regulatorische EinfluB auf die im Kreislauf zirkulierende Blutmenge (BARcROFT 1927) kann wohl durch ein zweck- m~Big eingebautes S.tiitzgeriist unterstiitzt werden, wird aber auch ohne

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dasselbe zus tande kommen, wie die Milzen ohne ausgesprochene Tra- bekeln bei manchen Tieren beweisen. Auch fiir die Blut regenera t ion u n d ZerstSrung kSnnen die Bindegewebsbalken k a u m eine Rolle spielen. Anderersei ts ist die Aufte i lung in kleine Hohlr~ume doch zu auff~llig, als dab m a n sie als rein durch Zufall bedingte Bi ldungen auffassen kSnnte . So bleibt nu r die A n n a h m e iibrig, dab durch sie in der Milz doch be- s t immte s t rukturel le (ira Sinne yon MAT.L) u n d vielleicht auch funkt io- nelle E inhe i t en abgegrenzt werden, wie das ~hnlich yon vielen Driisen bekann t ist, die un te r bes t immten Bedingungen auch ge t rennt in T~ttig- kei t t r e t en kSnnen.

Marz 1927.

L i t e r a t u r .

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