Über blut- und liquoruntersuchungen bei lipoidosen, insbesondere bei schüller-christianscher...

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(Aus der Deutschen Forschungsanstalt fiir Psychiatrie [Kaiser Wilhelm-Institut] in Miinchen.) Uber Blut- und Liquoruntersuchungen bei Lipoidosen, insbesondere bei Schiiller-Christianscher Krankheit. Yon F. Plaut und H. Rudy. Mit 2 Tcxtabbildungen. (Eingegangen am 22. August 1933.) Es sind bisher drei Formen von ,,Lipoidosen" beschrieben worden, Erkrankungen, bei denen StSrungen des Lipoidstoffwechsels zur Ein- lagerung yon Lipoiden in die Gewebe ffihren. Die Formen sind klinisch, pathologisch-anatomisch und chemisch differenziert. Man unterscheidet: 1. Morbus Gaucher (Splenohepatomegalie. Einlagerung des Cero- brosids Kerasin). 2. Morbus Niemann-Pick (Splenohepatomegalie. Einlagerung von Phosphatiden). Unterform: Amaurotische Idiotie, cerebrale Form der phosphatid- zelligen Lipoidose. 3. Morbus Schfiller-Christian: Einlagerung von Cholesterin. W~hrend wir fiber die chemische Beschaffenheit der erkrankten Gewebe bei den Lipoidosen, insbesondere die der Mflz und Leber bei den Splenohepatomegalien, die des Gehirns bei der amaurotischen Idiotie, die des xanthomatSsen Granulationsgewebes bei der Schi~ller- Christianschen Krankheit recht gut unterrichtet sind, sind nur sp~rliche Untersuchungen fiber den Lipoidgehalt des Blutes bei diesen Krank- heitsformen angestellt worden. Auch fiber das Verhalten des Liquor cerebrospinalis bei den Lipoidosen enth~lt das Schrifttum nur vereinzelte Angaben, Prfifungen des Liquors auf Cholesterin und Phosphatide scheinen bisher fiberhaupt noch nicht durchgefiihrt worden zu sein. Wir hatten in letzter Zeit Gelegenheit, bei einigen F~llen yon Schi~ller- Christianscher Krankheit und bei einem Fall von amaurotischer Idiotie Blut und Liquor zu untersuchen, und wir glauben, dal~ im Hinblick auf die bisher so unzureichenden Erhebungen die Mitteilung unserer Befunde angezeigt ist.

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Page 1: Über Blut- und Liquoruntersuchungen bei Lipoidosen, insbesondere bei Schüller-Christianscher Krankheit

(Aus der Deutschen Forschungsanstalt fiir Psychiatrie [Kaiser Wilhelm-Institut] in Miinchen.)

Uber Blut- und Liquoruntersuchungen bei Lipoidosen, insbesondere bei Schiiller-Christianscher Krankheit.

Yon

F. Plaut und H. Rudy.

Mit 2 Tcxtabbildungen.

(Eingegangen am 22. August 1933.)

Es sind bisher drei Formen von ,,Lipoidosen" beschrieben worden, Erkrankungen, bei denen StSrungen des Lipoidstoffwechsels zur Ein- lagerung yon Lipoiden in die Gewebe ffihren. Die Formen sind klinisch, pathologisch-anatomisch und chemisch differenziert. Man unterscheidet:

1. Morbus Gaucher (Splenohepatomegalie. Einlagerung des Cero- brosids Kerasin).

2. Morbus Niemann-Pick (Splenohepatomegalie. Einlagerung von Phosphatiden).

Unterform: Amaurotische Idiotie, cerebrale Form der phosphatid- zelligen Lipoidose.

3. Morbus Schfiller-Christian: Einlagerung von Cholesterin. W~hrend wir fiber die chemische Beschaffenheit der erkrankten

Gewebe bei den Lipoidosen, insbesondere die der Mflz und Leber bei den Splenohepatomegalien, die des Gehirns bei der amaurotischen Idiotie, die des xanthomatSsen Granulationsgewebes bei der Schi~ller- Christianschen Krankheit recht gut unterrichtet sind, sind nur sp~rliche Untersuchungen fiber den Lipoidgehalt des Blutes bei diesen Krank- heitsformen angestellt worden. Auch fiber das Verhalten des Liquor cerebrospinalis bei den Lipoidosen enth~lt das Schrifttum nur vereinzelte Angaben, Prfifungen des Liquors auf Cholesterin und Phosphatide scheinen bisher fiberhaupt noch nicht durchgefiihrt worden zu sein.

Wir hatten in letzter Zeit Gelegenheit, bei einigen F~llen yon Schi~ller- Christianscher Krankheit und bei einem Fall von amaurotischer Idiotie Blut und Liquor zu untersuchen, und wir glauben, dal~ im Hinblick auf die bisher so unzureichenden Erhebungen die Mitteilung unserer Befunde angezeigt ist.

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424 F. Plaut und H. Rudy: 0ber Blur- und Liquoruntersuchungen

Methodisehes zur ehemisehen Serum- und Liquoruntersuehung.

1. Serum. Die Bestimmung des gesamten und freien Cholesterins wurde nach Windaus in Halbmikroausffihrung durchgefiihrt (s. aueh Plaut und Rudy). Zur Bestimmung des freien Cholesterins wurden zwecks ErhShung der Genauigkeit 10 ecru Serum und entsprechend mehr Alkohol verwendet (die gewogenen Mengen Digitonid bewegten sieh dabei zwischen 0,025 und 0,030 g).

Die Bestimmung des Gesamtfettes und des ,,Leeithins" 1 wurde nach dem Bang-Bloorschen Oxydationsverfahren durchgeffihrt 2

2. Liquor. Die Cholesterinbestimmungen wurden nach der Methode von Plaut und Rudy durchgeffihrt. Ffir die Bestimmung der Phospha- tide 1 haben wir ebenfalls eine Methode ausgearbeitet, die es erlaubt, mit 1--2 ccm Liquor auszukommen. Ihre ausfiihrliche Mitteilung wird demn/~chst erfolgen.

Wir berichten zun~tchst fiber drei F~lle yon Schiiller-Christianscher Krankheit.

Bei dieser yon Chiari als ,,generalisierte Xanthomatose vom Typus Schi~ller-Christian" bezeiehneten Krankhei t entwiekeln sich gelbfarbige cholesterinreiche Einlagerungen, die die Form yon Geschwiilsten an- nehmen kSnnen. Kliniseh ist in den ausgeprs F~llen das Krank- heitsbild dureh eine Trias von Erscheinungen eharakterisiert: Defekt- bildungen am Skelet insbesondere am Seh~deldaeh, wo seharf begrenzte ,,landkarten~rtige" Lficken entstehen, Exophthalmus und Diabetes insipidus. Von der Dura aus, die hiiufig in den Proze] einbezogen ist, wuchert das Granulationsgewebe nieht selten in die Hypophyse ein, aueh Herde im Hypophysenstiel, im Infundibulum, im Tuber cinereum sowie in der Epiphyse wurden beschrieben. Der hypophysiixe Prozel3 ist die Grundlage der Diabetes insipidus sowie des mehrfach bei Schiiller-

1 Beziiglich der Ausdrucksweise muB hier festgestellt werden, d~13 Phosphatid- und Lecithinwerte durchaus verschieden shad. Die Bezeichnung ,,Phosphatide" ist nur richtig, wenn darin aul~er dem ~ther- bzw. petrol~therlSslichen Lecithin und Kephalin auch das ~therunlSsliche Lecithin yon Merz und das ~therunlSsliehe Sphingomyelin enthalten sind. Werden nur die in Petrolather 15slichen Phosphatide Lecithin und Kephalin bestimmt (wie z. B. nach Bloor), darm ffigt man zweckm~Big noch ,,~ther"- oder ,,petrol~therlSslich" hinzu oder aber man spricht kurz yon ,,Lecithin" (vgl. dazu auch Sobotka, Epstein und Lichtenstein). Wir haben uns ha der vorliegenden Mitteilung streng daran gehalten und haben vor allem, da die Serumphosphatidwerte sich auf den petroli~therlSsliehen Anteil beziehen, einheitlich nur ,,Lecithinwerte" angefiihrt. Fiir den Liquor gelten diese Einsehr~nkungen indessen nicht, da wir mit unserer Metho4e die gesamten Phosphatide effassen.

Die Werte fiir alas veresterte oder ,,gebundene" Cholesterin, die natfirlich zu unterscheiden sind yon denjenigen fiir Cholesterinester, sind die Differenz der tat- s~chlich gefundenen Werte ~fir gesamtes und freies Cholesterin.

2 Die Ausffihrung dieser Analysen verdanken wir Fraulein Dr. Pasternak (Chemische Abteilung unseres Institutes).

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bei Lipoidosen, insbesondere bei Schtiller-Christianseher Krankheit. 425

Christianscher Krankheit beschriebenen Zwergwuchses bzw. der Dys- trophia adiposo-genitalis. Auch der Exophthalmus entsteht meist im Zusammenhang mit Geschwulstbildungen der Dura, die in die Orbita einwachsen und die Protusio bulbi veranlassen; auch Wucherungen, die v o n d e r knSchernen Orbita ausgehen, kSnnen den gleichen Effekt herbei- fiihren. Inwieweit andere Teile des Gehirns, als die erw~hnten, erkrankt sein kSnnen, l~Bt sich mangels ausreichender Untersuchungen nicht beurteflen, wie Folke Henschen betont. Dieser Autor erw~hnt in seiner Monographie nur den Fall von Herzenberg, wo sich in der Hirnrinde aufgetriebene, abgerundete, feintropfig verfettete Ganglienzellen, ferner Einlagerungen yon Lipoiden in den blasig aufgetriebenen Gef~Bendo- thelierl des Gehirns und Riickenmarks fanden. Die Beteiligung der Dura und des nervSsen Gewebes ist im Hinblick auf das Verhalten des Liquors yon Interesse, weshalb wir auf diese Lokalisation etwas ausfiihrlicher eingegangen sind. I m fibrigen kann die Erkrankung, die sehr viel- gestaltig verlaufen und die verschiedenartigsten Formen der Verbreitung im Organismus aufweisen kann, hier nicht n~her besprochen werden. Es sei auf die erwiihnte Monographie von Henschen, sowie auf die Mono- graphien von Chiari und von Moreau verwiesen.

Ffille yon Schiiller-Christianscher Krankheit .

Fail 1. Gr., Thekla (Chirurgische Universiti~tspoliklinik *, Mfinehen). 60 Jahre alto Frau. Beginn der Erkrankung vor einem Jahr. Status praesens: Multiple bis handtellergrol~e Sch~deldefekte, besonders am Sch~deldaeh. Ausgepr~gter Exophthalmus rechts, unter der Conjunctiva durchscheinend gelbrote Massen; Bulbus unbeweglich. Amblyopie, Neuritis optica reehts. Weitere Geschwfilste an der rechten Schl~fe und am Hinterhaupt. Klagen fiber heftige Kopfschmerzen, Benommenheit, ~belkeit, Erbrechen. Zunehmende Kachexie.

Blutbefunde (Serum). Wa.R. negativ, desgleichen Meinieke und Sachs.Georgi. Gesamtcholesterin 148,5 rag- %, freies Cholesterir~ 36,0 mg- %,

freies Cholesterin 1 Lecithin 1 gebundenes Cholesterin -- 3,2' Cholesterin -- 1,3' ,,Lecithin" = 115,4 mg-%, Gesamtfett = 657,4 mg-%.

Liquorbe]unde. Liquor steht unter hohem Druek (keine Messung vorgenommen). Aussehen: klar, keine Gerinnselbildung, Xanthochromie, grellgelber Farbton. Benzidinprobe negativ. Zellen: 4/3 in 1 emm, lymphocyt~ro Elemente. Nur ver- einzelte Erythrocyten im Praparat. GesamteiweiB: 100 mg-%. Nonne: starke Opalescenz; Pandy: + + + + . Zucker: 66,9mg-%. Wa.R. negativ, ausgewertet bis 1,0; Citochol- und Mfiller-Ballungs-Reaktion II: negativ. Cholesteringehalt: 1,5 mg- %, somit eine Vormehrung um mindestens das Fiinffaeho. Phosphatidgehalt: 1,5 mg-%, somit nicht oder nieht wesentlich erh5ht (of. Knauer und Heidrlch).

Ergebnis der Serumuntersuchung. Gesamtcholesterin entspricht der Norm. Verhitltnis des freien zum gebundenen Cholesterin zugunsten des gebundenen verschoben. Lecithingehalt herabgesetzt. Verh~ltnis

1 Die klinisehen Notizen fiber diesen Fall verdanken wir ~errn Dr. R6mmelt, Assistenten der Chirurgischen Universit~tspoliklinik.

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des Lecithins zum Gesamtcholesterin etwas zugunsten des Gesamt- cholesterins verschoben. Gesamtfett normal.

Ergebnis der Liquoruntersuchung: Es fanden sich Xanthochromie, Ei- wei~vermehrung (ohne Pleocytose) und Rechtsverlagerung des Flockungs- maximums der Kolloidkurven (diese ausgepr~gter bei der Gold- als bei der Mastixreaktion). Man wird zun~chst im Hinblick auf diese Kom- bination, die an das Froin-Nonnesche Kompressionssyndrom erinnert, die Frage zu prtifen habcn, ob eine StSrung der Liquorzirkulation zu diesen Liquorver/~nderungen gefiihrt hat. Klinische Erscheinungen einer spinalen Blockade lagen allerdings nicht vor. Eine Beteiligung der cerebralen Dura daft jedoeh mit Sicherheit angenommen werden, da ausgedehnte Knochenprozesse am Sch~del und Exophthalmus vSrlagen

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Abb, 2.

und auf Hirndruck verditchtige Symptome beobachtet wurden. Die MSghchkeit, dab die Liquorver~nderungen auf einer StSrung der Liquor- zirkulation durch xanthomatSse Geschwulstbildung der Dura beruhen, muB daher in Betrach~ gezogen werdcn. Einige Momente sprechen jedoch dagegen, dab die Liquorver~nderungen auf rein mechanische Momente zurfickzufiihren sind. Zun~chst war die Farbe des Liquors auffallend grellgelb, kanariengelb, yon einem Farbton, der dem Blockadeliquor nach unseren Erfahrungen nicht eigen ist. Ferner trat keinerlei Gerinnsel- bildung bzw. Koagulation auf, was bei einer so hochgradigen Xantho- chromie infolge yon Liquorblockade zu erwarten gewesen w~re. Weiterhin erscheint die ErhShung des Eiwcil~gehaltes mit 100 mg-% im Vergleich zum Grade der Xanthochromie zu gering, wenn man die Beziehungen dieser beiden Liquorph~nomene beim Blockadeliquor zugrunde ]egen ~]1. Nach unseren Erfahrungen betrs der Eiwei~gehalt bei stark xanthochromem Blockadeliquor 500--2000 rag-%, im Durchschnitt rund 1000 rag-%. Danach w~re also in unserem Falle anstatt mit 100 mg-% mi~ einem weir hSheren Eiwei[~gehalt zu rechnen, wollte man die Xantho- chromie als Blockadephs ansprechen. Auch liegt kein Anlal~ vor, eine hiimatogene Xanthochromie anzunehmen. Denn der gelbe Farbton entsprach nicht den Farbnuancen, die man nach Blutungen in den

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bei Lipoidosen, insbesondere bei Schiiller-Christianscher Krankheit. 427

Liquorraum beobachtet, und iiberdies gehSren subdurale und cerebrale BIutungen nicht in das Symptombild der Schi~ller-Christianschen Krank- heir. Es daft sonach wohl als das Wahrscheinlichste angesehen werden, dab die Gelbf~rbung des Liquors in unserem Falle durch Lipochrome bedingt war, die den xanthomatSsen Einlagerungen der Wandungen des Liquorraumes entstammten. Hierffir spricht, daB die xanthomatSsen Wucherungen bei der Schi~ller-Christianschen Krankheit sich durch einen intensiv gelben Farbton auszcichnen. L~Bt man aber die Xanthochromie als Blockadesymptom in diesem Falle nicht gelten, so erscheint es zweifel- haft, ob die anderen Liquorveriinderungen, die EiweiBvermehrung und die Kolloidausflockung, als Blockadesymptome aufgefaBt werden dfirfen. Eine ErhShung des Liquordruckes hat bei der Kranken zweifellos vor- gelegen, vielleicht sind auch die klinischen Erscheinungen, fiber die die Krankengeschichte berichtet, Kopfschmerz, Erbrechen, Benommenheit, als Hirndruckph~nomene zu deuten. Aber der Liquor kann bekanntlich bei raumbeengenden Prozessen unter erheblichem Druck stehen, ohne dab chemische Ver~nderungen seiner Zusammensetzung eintreten mfissen, die sich in EiweiBvermehrung oder Beeinflussung kolloidaler LSsungen manifestieren. Besonderes Interesse diirfte weiterhin der recht erheblichen ErhShung des Gesamtcholesterins im Liquor dieses FaNes zukommen, die nicht von einer gleichzeitigen Vermehrung der Phosphatide begleRet war. Das Verhalten der Liquorlipoide befindet sich also in f0berein- stimmung mit dem Lipoidgehalt des xanthomatSsen Gewebes, das durch eine reine Choles~erinspeicherung ausgezeichnet ist. Die Wahrschein- lichkeit spricht daffir, dab die Cholesterinspeicherung im Liquor in einer engen Beziehung zu dem hohen Cholesteringehalt der Duraxanthome steht. Mit vSlliger Sicherheit kann eine solche chemische Beziehung nicht behauptet werden, da man Cholesterinvermehrung im Liquor auch bei Hirn- und Riickenmarkstumoren anderer Atiologie bisweilen antreffen kann. Wie unsere Oberlegungen erkennen lassen, ist es nicht leicht, zu entscheiden, ob neben spezifischen Wirkungen der Dura- erkrankung auch mechanisehe Momente zur Entstehung der Liquor- veranderungen beigetragen haben. Wi~gt man das Ffir und Wider ab, so wird man geneigt sein, nur eine ~uBerliche Ahnlichkeit mit den Liquor- ver~nderungen anzunehmen, die sich im Gefolge yon StSrungen der Liquorpassage ausbilden.

Fall 2. K., Paul (Universit~ts-Kinderklinik l, Miiachen). 12 Jahre alter Knabe. Beginn der Erkrankung mit 3 Jahren. Damaliger Befund: Diabetes insipidus. l~6ntgenologisch: aufgehellte Zone im Sch~deldach rechts. Seit dem 3. Jahre ist der Knabe nicht mehr gewachsen. Entwicklung einer schweren Gangst6rung. Status praesens: Zwergwuchs, Diabetes insipidus. Exophthalmus links. Augenhinter- grund: normal. Ausgepr~gte Ataxie. Normale geistige Entwicklung. R6ntgen-

i Die klinischen Notizen iiber diesen Fall und die naehfolgend aufgefiihrten FMle verdanken wir der Universit~tskinderklinik dutch freundliche Vermittlung yon Herrn Dr. Mai.

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aufnahme des ganzen Skelets: kein pathologischer Befund; die vor 9 Jahren fest- gestellte Aufhellung im Sch~deldaeh ist nicht mehr nachweisbar.

Blutbe/unde (Serum). Wa.R. negativ, desgleichen t~Ieinicke und Sachs-Georgi. Gesamtcholesterin 271,3 rag- %, freies Cholesterin 64,5 mg- %,

freies Cholesterin 1 Lecithin 1 gebundenes Cholesterin = 3,i' Cholesterin -- 2,5' ,,Lecithin" = 108,0 rag- %, Gesamtfett = 750,0 mg- %.

Liquorbe/unde. Dmck 30 mg Hg. Zellen: 3/3 in 1 cmm. GesamteiweiB : 33 rag- % ; Nonne : Spur; Pandy: 0; Goldsol: 0000000; Wa.R. negativ, ausgewertet bis 1,0. Citochol- und i~Iiiller-BaUungs-Reaktion I I : negativ. Gesamtcholesterin- und Lecithingehalt nicht erhfht.

Ergebnis der Serumuntersuchung. ErhShung des Gesamtcholesterins. Verhiiltnis des freien zum gebundenen Cholesterin verschoben zugunsten des gebundenen Cholesterins. Lecithingehalt herabgesetzt. Relat ion des Lecithins zum Cholesterin verschoben zugunsten des Cholesterins. Ge- samtfet t normal.

Ergebnis der Liquoruntersuchung. I n jeder Beziehung normale Befunde, einschliel31ich des Cholesterin- und Phosphatidgehaltes.

Fall 3. W., C~cilie (Universit~ts-Kinderklinik, Miinchen). ll/2 Jahre altes M~d- chert. Vor 4 Monaten erkrankt mit Schwellung hinter dem linken Ohr. Am linken Schl/ifenbein kinderhandgroBer Knochendefekt. RSntgenbefund des iibrigen Skelets ohne Verfi~nderungen. Diabetes insipidus. Kein Exophthalmus. Hochgradige Kaehexie. Fieber. Cystitis. Urin: Zueker 0.

Blutuntersuchung auf Lipoide konnte nicht vorgenommen werden. Liquorbe/unde. Druck: 30 mg Hg. Aussehen: klar, farblos. Zellen 9/3 in 1 cram.

Vereinzelte Erythrocyten im Pr/~parat. GesamteiweiB: 20 mg-%; ~onne: negativ; Pandy: negativ. Goldsol und Normomastix: normale Kurven. Wa.R. ausgewertet his 1,0: negativ, desgleichen Flockungsreaktionen (Citoehol, Miiller-Ballung II). Zucker: 102 mg- %. ])er Gehalt des Liquors an Gesamtcholesterin betrug 0,7 rag- %, was einer ErhShung um 4as 2--3fache der Norm entspricht. Die Bestimmung der Phosphatide im Liquor ergab 1 rag-%, somit den ~ormalwert.

Ergebnis der Liquoruntersuchung. Bei Prfifung des Liquors mit den iiblichen Methoden ergaben sich mit Ausnahme einer ErhShung des Zuckergehaltes keine pathologischen Verhiiltnisse. Die Untersuchung des Liquors auf Lipoide lieB eine Vermehrung des Gesamtcholesterins, jedoch keine Vermehrung der Phosphat ide erkennen.

Wir ffigen Untersuchungen an, die wir bei einem Fall yon infantiler amaurotischer Idiotie durchfiihren konnten.

B. Franziska (Universit/~ts-Kinderklinik, Miinchen). Infantile Form tier amau- rotisehen Idiotie (Tay-Sachs). Geboren 15. 1.29, gestorben 4. 4. 33. Klinisch typisches Krankheitsbild. Beginn der Erkrankung im 1. Lebensjahr. Todesursache: Bronchopneumonie. Blut mid Liquor wurden wenige Tage vor dem Tode ent- nommen. Die histologische Untersuehung des Gehirns (Prof. Fahrig, Pathologisches Institut, l~Ifinehen) ergab den fiir amaurotische I4iotie eharakteristischen Befund. Andere Organe wurden mikroskopisch nieht untersucht. Klinisch hatte sich kein Anhaltspunkt ffir 4as Vorliegen einer Kombination mit Niemann-Pickscher Krank- heir ergeben, wie sie won Hamburger, Ku/s u. a. beschrieben wurde.

Blutbe/uude (Serum). Wa.R., Sachs-Georgi und Kahn: negativ. Gesamt- eholestorin 129,0 rag-%, freies Cholesterin 27,0 rag-%,

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Ireies Cholesterin 1 Lecithin 1 gebundenes Cholesterin : 3,8' Cholesterin -- 2,9' ,,Lecithin" = 45,4 mg- %, Gesamtfett = 402,2 mg- %.

Liquorbe/unde. Aussehen: klar, f~rblos. Zellen: 2/3 in 1 cram, Lymphocyten. Keine Erythrocyten. GesamteiweiB: 16rag-%; Nonne: 0; Pandy: 0. Goldsol und Normomastix: normale Kurven. Wu.R. : negativ, ausgewertet bis 1,0. Flockungs- reaktionen (Citochol und Miiller-Ballung II): negativ. Zuckergehalt: 61,2 rag-%. Gesamtcholesterin: 0,15rag-%. Phosphatidgehalt wegen Materialmangel nicht bestimmt.

Ergebnis der Blutuntersuchung. Gesamtcholesterin etwas unterhalb der Norm. Verh~ltnis des freien zum veresterten Cholesterin zugunsten der Cholesterinester verschoben. Lecithingehalt sehr erheblich herab- gesetzt gegenfiber der Norm, ebenso der Gehalt an Gesamtfett. Ver- h~ltnis des Lecithins zum Gesamtcholesterin zugunsten des Gesamt- cholesterins verschoben.

Ergebnis der Liquoruntersuchung. In jeder Hinsicht - - einschlieBlich des Cholesteringehalts - - normale Befunde.

ErSrterung der Liquorbefunde. Von den drei F~llen von Schi~ller-Christianscher Krankheit, fiber die

yon uns berichtet wurde, zeigte nur einer (Fall 2) ein in jeder Hinsicht normales Verhalten des Liquors. Fall 1 und Fall 3 boten Abweichungen. Bei beiden Fiillen lieB sich im Liquor eine ErhShung des Gehaltes an Gesamtcholesterin feststellen. Wiihrend Fall 3 im fibrigen, abgesehen yon einer ErhShung des Zuckergehaltes, normale Liquorverh~ltnisse darbot, zeigte der Liquor yon Fall 1 auBer der Cholesterinvermehrung erhebliche sonstige Ver~nderungen. Diese bestanden in Xanthochromie, EiweiBvermehrung und Kolloidausflockung mit Rechtsverschiebung des Flockungsmaxismus. Wit haben die Frage erSrtert, ob die Liquor- ver~tnderungen bei diesem Fall aus StSrungen der Liquorzirkulation infolge yon xanthomatSsen Wucherungen der Dura erkl~rt werden kSnnen, oder ob sie auf Stoffe zurfickzuffihren sind, die aus den Xanthomen der Dura in den Liquor gelangten. Wit kamen zu dem Ergebnis, dab es wohl nicht berechtigt ist, die Liquorvers allein durch mechanische Momente zu erkliiren, d .h . sie als Blockadephi~nomene zu deuten. Es mfissen allerdings ungewShnliche Umst~nde vorliegen, damit es bei der Schi~ller-Christianschen Krankheit zu Liquorver~nderungen solcher Art kommt, was daraus hervorgeht, dab unsere beiden anderen F~lle sie nicht darboten und auch aus den spiiter zu erw~hnenden Liquorbefunden, die wir in der Literatur ausfindig gemacht haben, nichts dergleichen zu entnehmen ist. Das Besondere dieses Falles ]iegt in seinem hohen Alter yon 60 Jahren. In der Literatur findet sich kein ann~hernd so alter Fall beschrieben. Die Mehrzahl der F~lle gehSrt den jugendlichen Alters- gruppen an, wie es sich ja auch bei unseren beiden anderen F~llen um Kinder handelte. Es w ~ e also denkbar, dab die Liquorver~nderungen

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in Beziehungen zu dem fiir diese Krankheit ungew6hnlichen Lebensalter zu bringen ist. Eine Beteiligung der Dura ist bei den F~llen 2 und 3 ebenso wie bei Fall 1 anzunehmen, da bei ihnen Knoehendefekte und Diabetes insipidus vorlagen.

Cholesterinvermehrung im Liquor land sich auBer bei der 60j~hrigen Kranken (Fall 1) bei unserem Fall 3, einem Kind yon 11/2 Jahren. Daraus ist zu sehlieBen, dab das Ph~nomen der Cholesterinvermehrung im Liquor unabhs vom Lebensalter bei der Schiiller-Christianschen K_rankheit aufzutreten vermag. Die beiden F~tlle mit Cholesterinver- mehrung befanden sich im hochakuten Stadium der Krankheit und der ProzeB nahm einen schnell progredienten Verlauf, w~hrend Fall 2, dessen Liquor normalen Cholesteringehalt aufwies, eine exquisit chronische Verlaufsform mit Neigung zur Restitution darstellte. Es k6nnte sein, dab die Erh6hung des Cholesteringehaltes im Liquor an die frischen akuten Stadien der Erkrankung gebunden ist. Der Phosphatidgehalt hielt sich bei s~mthchen Liquores innerhalb der Norm. Es hat sich sonach bei 2 yon 3 F~l!en eine einseitig auf das Cholesterin beschr~nkte Lipoidvermehrung im Liquor gefunden, ein Verhalten, das auch die ehemische Gewebsanalyse bei der Schiiller-Christianschen Krankheit ergeben hat und das auch in der ]~egel im Serum zu finden ist.

Sieht man die Literatur auf Liquoruntersuehungen bei Schi~ller- Christianscher Krankheit durch, so ist das Ergebnis ein sehr dfirftiges. Die Monographien fiber die Schi~ller-Christiansehe Krankheit yon Moreau, yon Chiari und von Henschen enthalten keine Angaben fiber Liquor- befunde. Bei der Durchsicht der fibrigen Literatur stieBen wir auf vier Liquorbefunde.

Ein Liquorbefund w~rde yon Frimann.Dahl und Forsberg mitgeteilt. Es handelte sich um ein 14 Jahre altes M~tdchen. Beginn der Erkran~ung im 7. Lebensjahr: starke Sch~deldefekte -- Landkartenseh~del, Knochendefekt an der linken Orbita. Exophthalmus links. Diabetes insipidus. WachstumsverzSgerung. In letzter Zeit Anzeichen yon Hirndruek. Kopfschmerzen. Erbrechen. Die A~gaben tiber den Liquor lauten: Liquor normal bezfiglich Zellen, Globulin und Gesamteiwei~, Wa.R. negativ.

Einen weiteren Liquorbefun4 fanden wir in einer Publikation yon Wheeler: 5 Jahre alter Knabe. Beginn der Erkrankung mit 2 Jahren. Krankheitser- scheinungen: Defekte des Sch~deldaches, am st~rkstea im Bereich des os temporale und der Orbita rechts. Xanthomknoten in der rechten Orbita. Exophthalmus. Diabetes insipidus. (~ber den Liquor heiBt es: ,,Spinalfluid was found normal". SchlieI~lich hat Rowland bei den zwei von ihm publizierten Fii, llen fiber das Ver- halten des Liquors berichtet:

a) 5 Jahre alter Knabe. Beginn der Erkrankung mit 2 Jahren. Status praesens: Ausgedehnte Defekte des Schi~deldaehes. Exophthalmus, reehts aus- gepragter als links. Keine Polyurie. Im Waehstum zurfiekgeblieben. Keine Hirn- druckerscheinungen. Neurologisch und psychisch ohne pathologische Befunde. Die Obduktion ergab auBer den Sch~deldefekten auch solche in den Beckenknochen u~4 an den Wirbela. XanthomatSser ProzeB tier Lunge (Todesursaehe). Xantho- matSse Infiltrate in der Dur~. VergrSBerung der Epiphyse ohne Infiltration mit

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bei Lipoidosen, insbesondere bei Schtiller-Christianscher Krankheit. 431

lipoidhaltigen Zellen. Liquor: Wa.R. negativ. Globulin nieht vermehrt. Goldsol- kurve normal.

b) 3 Jahre 11 Monate alter Knabe. Im Alter yon 2 Jahren Beginu eines Prozesses am Sch~del und Auftreten yon Polydipsie un4 Polyurie. Spgter Ex- ophthalmus, links mehr als reehts. RSntgenbild: Landkartensehgdel, Aufhellung am Beckenknochen und an einer Rippe. Neurologiseh und psychisch ohne patho- logisehen Befund. GutartigerVerlauf. Regeneration derKnoehenprozesse. Liquor: Druck nicht erhSht. Aussehen klar. 8 Zellen. Globulin nicht vermehrt. Goldsol- kurve normal, Wa.R. negativ.

Bei den 4 F~llen aus der Literatur handelte es sich, ~benso wie in unserem Falle 2 und 3, um Kinder. Eine Beteiligung der Dura hat zweifellos auch bei diesen F~llen vorgelegen. Bei drei der F~lle lgSt schon anein das Vorliegen yon Hypophysensymptomen in Gestalt yon Diabetes insipidus auf Duraprozesse schlieSen. Bei dem Falle ohne Diabetes insipidus (Rowland, Fall b) wurden Durainfiltrate post mortem festgestellt. Bei dem Fall von Frimann-Dahl und Forsberg haben sogar Hirndrucksymptome bestanden. Die Liquorverhgltnisse wurden bei allen 4 Fgllen als normal bezeichnet. Die Bezeichnung ,,normal" be- zieht sieh allerdings nur auf das Ergebnis, das die iibliehen Liquor- priifungsmethoden gebracht haben. Die Bestimmung des Lipoidgehaltes des Liquors ist bei diesen Fs nicht gemacht worden. Nachdem zwei von den von uns untersuehten 3 Fgllen eine Cholesterinvermehrung im Liquor erkennen lieBen, sollte kiinftig der Lipoidbestimmung des Liquors bei der Schi~ller-Christianschen Krankheit mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Bei dem von uns mitgeteilten Fall von infantiler Form der amauroti- schen Idiotic bot der Liquor keine Abweichungen v o n d e r Norm. Dem Verhalten des Liquors bei dem infantilen Typ dieser Erkrankung scheint man bisher wenig naehgeforscht zu haben. Bei der Durehsicht eines ansehnlichen Teils der Literatur ist uns kein Liquorbefund begegnet.

Etwas mehr Effahrungen hat man bei dem Liquor tier ]uvenilen Form der amaurotisehen Idiotie gesammelt. Vor allem hat Torsten Sj6grcn in seiner Mono- graphie fiber ,,Die juvenile amaurotische Idiotie" fiber Liquoruntersuehungen bei 17 der yon ihm besehriebenen Fglle in Schweden berichtet. Die Untersuchung erstreekte sich auf Liquordruck, Aussehen, Zellen, Nonne, Pandy und Wa.R. Die Befunde waren durchweg normal. Hervorgehoben sei, dab die gefundene HSchst- zahl an Liquorzellen 2 betrug un4 dab alle Liquores negative Nonnesche Reaktion gaben. Bestimmung des Gesamteiweil~es wurde nicht vorgenommen. Aueh Kolloid- reaktionen wurden nieht angestellt, fdber einzelne weitere Befunde ist noah yon H~ifller und Scholz, Albrecht sowie Ritter berichtet worden, die ebenfalls als normal bezeichnet wurden.

So hat es den Ansehein, da~ der HirnprozeS, der der amaurotischen Idiotie zugrunde liegt, keinen Einflul~ auf die Besehaffenheit des Liquors ausiibt - - zum mindesten was die juvenile Form der Erkrankung angeht. l~ber den Liquor bei der infantilen Form wgre es wtinsehenswert, die Liquorverh~ltnisse an einem gr58eren Material noeh zu prfifen. Wichtig ws es, den Liquor bei beiden Formen der amaurotischen Idiotie und

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auch bei ,,sp~ten" und ,,sp~testen" Formen auf seinen Lipoidgehalt zu untersuehen. Da die Einlagerungen in die Ganglienzellen aus Phos- phatiden bestehen, w~re die MSglichkeit einer Anreieherung yon Phos- phatiden im Liquor ins Auge zu fassen. Bei dem von uns untersuchten Fall mul~ten wir uns leider auf die Cholesterinbestimmung beschr~nken, die normale Verh~ltnisse ergab.

Was die der amaurotische Idiotie im Wesen nahe verwandte Niemann. Picksche Krankheit betrifft, so seheint bisher nur in dem Falle von R. Hamburger die Liquoruntersuchung vorgenommen worden zu sein; der Befund war bis auf schwach positiven Pandy und Nonne normal. l~ber die Liquorbeschaffenheit bei der Gaucherschen Kranlcheit haben wir in der Literatur keine Angaben gefunden. Der ~berbliek zeigt, dab die Liquorforsehung bei den Lipoidosen der verschiedenen Gruppen bisher auffallend wenig in Anwendung gebraeht worden ist.

Erfrterung der Serumbefunde.

An chemischen Blutuntersuchungen liegt bei der Schiiller-Christian- schen Krankheit eine ganze Reihe vor. Sie sind allerdings sehr unvoll- st~ndig, da fast nur das Gesamtcholesterin bestimmt wurde. Dieses ist in den meisten F~llen stark erhSht, in einigen F~llen aber aueh normal, oder sogar herabgesetzt befunden worden (vgl. die Zusammenfassungen yon Moreau, Chiari, Henschen). Man mug indessen darauf hinweisen, da$ bei mehreren Untersuehern die Menge des Cholesterins im Serum beim gleiehen Patienten groBen Schwankungen unterlag, je nach dem Zustand und dem Zeitpunkt der Abnahme. JedenfaUs ist das Bfld in dieser Beziehung uneinheitlich. Auf die Relation /reies Cholesterin zu gebundenem Cholesterin ist anscheinend nur in einem Falle geachtet worden, obwohl doch gerade in den Organen dieser Quotient stark zugunsten der Ester versehoben ist.

Herzau und Pinkus waren es, die neben dem Gesamtcholesterin auch die ge- nan~te Relation im Serum bestimmten und den Wert 1 : 0,5 fanden. Hier iiberwiegt also 4as freie Cholesterin bei weitem das veresterte, ganz im Gegensatz zu den Organen, bei denen z.B. Epstein un4 Lorenz das Verh~ltnis yon freiem zu ge- bundenem Cholesteria in den Durawucherungen zu 1:4,75 und Kleinmann zu 1 : 5,08 bestimmten. W~hrend die Milz und Leber bei Epstein und Lorenz beziiglich des Cholesterins ,,normal" waren, berichtet Kleinmann auch bei der Milz yon einem Quotienten 1 : 3,5 und bei der Leber yon einem yon 1 : 3,0. Denmach werden auch die anderen Organe yon dieser Verschiebung des genarmten Verh~ltnisses mehr oder minder betroffen. Die Normalzahlen sehwanken ffir die Milz yon 1 : 1,1 (Beumer) bis 1:0,5 (Epstein) oder sogar bis 1:0,08 (Mai). Jedenfalls ist die Menge der Ester im Normalfalle nur wenig mehr als diejenige des freien Cholesterins, bei Morbus Schiiller-Christian ist indessen das Verh~ltnis sehr zugunsten der Ester verschoben. ~hnliches gilt fiir die Leber, fiir die nach Beumer der Normalwert 1 : 1,3 ist.

Unsere eigenen Untersuchungen haben fiir das Serum eine gleichartige Relation yon freiem zu gebundenem Cholesterin wie in den Organen

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bei Lipoidosen, insbesondere bei Schiiller-Christianscher Krankheit. 433

ergeben (1:3,1 und l : 3,2). Da Herzau und Pinkus eine Verschiebung nach der entgegengesetzten Richtung (einen ,,Estersturz") festgestellt haben, scheinen die Verhiiltnisse im Blur zu variieren. Die bis jetzt bekannt gewordenen Relationen yon freiem zu verestertem Cholesterin zeigen also nur das eine Charakteristikum, dab sie yon der Norm (1: 1,8) abweichen, die Riehtung seheint jedoch uneinheitlieh zu sein. Erw~hnt sei in diesem Zusammenhang, dab der genannte Quotient aueh unter anderen pathologischen Verh~ltnissen ver~ndert sein kann (Thannhauser, vgl. die zusammenfassenden Darstellungen yon Morawitz und yon Magistris), so dab die oben genannten Abweiehungen durchaus nieht fiir die Lipoidosen eharakteristisch sind.

Die Relation Lecithin zu Cholesterin, die in den Organen m14 in den Geschwiilsten tier Dura mater bei der Sehi~ller-Christianschen K_rankheit zugunsten des Cholesterins verschoben ist, wurde im Plasma yon Frimann-Dahl un4 Forsberg, im Serum yon Gigon bestimmt. Normalerweise ist sic in 4er Milz 1 : 0,5--0,7 (Epstein lind JLoreuz; Sobotka, Epstein und Liehtenstein), bei Sehi~ller-Christianscher Krankheit jedoeh 1:11 (Epstein und Lorenz) bzw. 1:2,7 (Kleinmann). Ftir Leber gibt Kleinmann 1 : 3,7 an. In den Einlagerungen der Dura mater finden sich fiir Lecithin: Cholesterin Werte yon 1:11,3 (Chlari) ~md yon 1:5,85 (Kleinmann). ~Naeh der Bestimmlmg yon Frimann-Dahl uad Forsberg erreehnet sich dieser Quotient im Plasma zu 1: 0,5, entsprieht also einer relativen Vermehrung des Leeithins (normal 1: 1). Gigon land ganz auI]erordentlieh hohe Werte fiir Lecithin und Cholesterin. Das VerhMtnis Lecithin : Cholesterin sehwankte bei dxei versehiedenen Blutentnahmen im Abstand yon wenigen Tagen zwischen 1:0,76 un4 l: 1,9 ~n4 1: 1,1.

Unsere eigenen Untersuchungen haben eine Verschiebung zugunsten des Cholesterins wie in den Organen ergeben (1 : 1,3 bis 1 : 2,5), die tefls auf eine Vermehrung des Cholesterins, teils auf eine Herabsetzung der Phosphatide zurfickzuffihren ist. Das Gesamtbfld der Untersuchungen yon Frimann-Dahl und Forsberg, yon Gigon und yon uns ist also durchaus uneinheitlich, indem Abweichungen yon der Form sowohl in der einen als aueh in der anderen Riehtung vorkommen. Das Gesamt/ett, d. i. die Summe yon Cholesterin, Cholesterinestern, 1)hosphatiden und Fetten wurde nur in wenigen FAllen bestimmt. Es seheint ebenfalls stark zu schwanken, ist aber anscheinend immer erhSht bis normal. Jedenfalls haben wir keine Angaben fiber herabgesetzte Werte gefunden. Aueh unsere eigenen Werte sind normal (657 und 749 mg-%).

ErhShte Werte geben an: Gigon (2549 rag- % ), H6/er (1153 rag- % ) sowie t~rimann. Dahl und Forsberg (934 mg-%). Lesnd und l~itarbeiter seheinen in einem Falle normales Gesamtfett gefunden zu haben (die bei einem zweiten Fall angegebenen Zahlen sind nieht verwendbar, weft wohl ein Druekfehler oder sonstiger Irrtum unterlaufen ist).

Von amaurotischer Idiotie ]iegen sehr viel weniger Blutuntersuehungen vor. Gerade hier aber schien es uns im Hinblick auf die yon Epstein bei Morbus Niemann-Pick festgestellte, allerdings sonst nicht gefundene relative Lecithinspeicherung in der Milz wichtig, das Verhgltnis Lecithin zu Cholesterin zu bestimmen.

z. f. d. g. Neur. u. Psych. 148. 28

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Dieses ist bei 4er Niemann-Pickschen Krankheit yon Epstein und Lorenz zu 1: 0,11, yon Sobotka, Epstein und Lichte~ztein, die eine ausfiihrliche Y3bersicht fiber die anderen bekannt gewordenen Fiille geben, dagegen zu 1 : 0,6 1 gefunden worden (Normal 1: 0,5--0,7).

Aul~er unseren eigenen Untersuchungen sind bis jetzt im Serum anscheinend keine diesbeziiglichen Versuche angestellt worden. Wie schon oben erw~hnt, ergab sich in dem einen yon uns untersuchten Fall eine starke Verminderung der Phosphatide bei nur schwach ver- ringertem Cholesteringehalt (Lecithin: Cholesterin ---- 1 : 2,9). Also gerade entgegengesetzt wie in den Organen, wo das Lecithin mindestens dem Normalwert gleichkommt, eher aber noch stark vermchrt ist gegenfiber dem Cholesterin.

Was im Serum bei amaurotischer Idiotie bisher bestimmt wurde, ist in zwei Fiillen yon Landegger d~s Gesamtcholesterin (114 bzw. 146 rag-%), im Falle yon Sobott:a, Epstein mid Li~htenstein das Gesamtcholesterin zu 290 rag-% mad das Gesamtfett zu 1430 rag-%, trod in einem anderen !~alle yon Hdfller lind Scholz das gesamte mid das freie Cholesterin (200 bzw. l l0mg-%) aus dem sich der Quotient freies zu gebundenes Cholesterin gleich 1:0,9 berechnet.

Unsere eigenen Untersuchungen ergaben dafiir den Weft 1: 3,8. Die beiden genalmten Werte fiir freies zu gebundenem Cholesterin haben also nur das eine gemeinsam, dal~ sie yon der Norm 1:1,8 abweichen, so da~ yon einer einheitliehen Tendenz sowohl bezfiglich des Gesamtcholesterins als auch der Esterrelation nicht die Rede sein kann. Die Verh~ltnisse liegen also sowohl bei amaurotischer Idiotie wie auch beiSchi~ller-Christian- scher Krankhei t ffir die Cholesterinrelation gleich wenig eindeutig. Auch fiir das Gesamtfett seheint eine einheitliche Linie zu fehlen ; derm Sobotka, Epstein und Lichtenstein berichten yon einer starken Vermehrung, wir dagegen haben eine ganz deutliche Verminderung festgestellt. Vom Morbus Gaucher ist uns nur die Serumuntersuchung yon Mai bekalmt geworden, die einen Wert yon 1:1,6 fiir Lecithin zu Cholesterin und yon 1:3,94 fiir freies zu gebundenem Cholesterin ergab. Auch bier wiixe es wiinschenswert, weitere F~lle zu untersuchen, um festzustellen, ob die Verschiebungstendenz gleichartig ist.

Betrachtet man die Blutbefunde der drei Lipoidosen so ergibt sich fiir das Verhiiltnis freies zu gebundenes Cholesterin, dal~ es bei allen drei Krankheitsformen zugunsten der Ester verschoben sein kann, aber nicht muB, wie die Werte yon Herzau und Pinlcus sowie yon Hd]31er und Scholz zeigen: im Gegenteil, die Abweichungen kSnnen sich beiderseits der Norm erstrecken. Daraus ersieht man, dal3 eine Unterscheidungs- m6glichkeit in dieser Richtung zwischen den Lipoidosen als unwahr- seheinlich anzusehen ist. Auch beziiglich des Verh~ltnisses Lecithin zu Cholesterin scheint es keine Unterschiede bei den drei Lipoidosen zu

1 Dieser Wert wurde aus dem yon den Verfassern angegebenen ,,Phosphatid"- wert durch Umrechnung erhalten (vgl. Fuflnote S. 424). Als l~aktor wurde daffir der yon den Veffassern selbst angewandte in Rechnung gesetzt.

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bei Lipoidosen, insbesondere bei Sehiiller-Christianscher Krankheit. 485

geben, indem bei Schi~ller-Christianscher Krankhe i t Abweichungen nach beiden Seiten der N o r m vorkommen, bei amaurot i scher Idiot ie und Gaucherscher Krankhe i t zwar Versehiebungen zugunsten des Cholesterins festgestellt , im ganzen aber nur je ein Fall untersucht wurde. Alles in ahem kann m a n aus den Serumuntersuchungen entnehmen, dab bei allen drei Ar ten yon Lipoidosen die Lipoidzusammense tzung zwar ver- schoben ist, dab also Anomalien des Lipoidstoffwechsels ~hnlich wie in den Organen sich auch im Serum manifestieren, dab aber nirgends eine einheitliche Tendenz auft r i t t .

Der l~bersichtlichkeit halber haben wit eine Anzahl yon Blu tbefunden in der nachfolgenden Tabelle zusammengestel l t .

Chemisehe B lu tbe funde bei L ipo idosen 1 (alle Werte in rag-% ~ mg pro 100 cem).

Freies I Chole-

Gesamt- Freies I sterin Loci- Autor thole- C h o l e - 1 ~ ,,Loci- thin [ s ~ t - ]

sterin sterin 4enes thin" ~ 1 fett i Chole- storin ~ _ ~ sterin

I Eigene Unter- [ Fall Gr.

suchungen / Fall K.

Frimann-Dahl I Fall u. Forsberg I A. M. G.

Herzau ] Fall u. Pinkus ] H . W .

Eigene Unter- } suchungen Fall Bi.

H~ufller } Fall u. Scholz H. J. O.

Mai } Fall Ostl.

Normal.

1 160--200 1140--180i 50--70

Morbus SchiiUer-Christian.

148,5 36,0 3~1 115,4 l

1 271,3 64,5 3 ~ 108,0

207 - - - - 412,5

1 168,0 113 ~ - -

Amaurotische ldiotie. 1

129,0 27,0 3.8 45,4

1 200,0 11o o ~ -

Morbus Gaucher. 1

168,0 34 3 ~ 105,0

1 700 Serum

1 y 657,4 Serum

~ 750,0 Serum

0,5 934,5 Plasma

- - - - ,,Blur"

1 402,2 Serum

- - - - Serum ?

1 Serum, dutch - - Auspressen

des Blutes der Milz

post mortem gewonnen

1 Die im Text erw~hnten yon Gigon festgestellten Werte haben wir in der Tabelle nieht aufgenommen. Auf die Wiedergabe yon Untersuchungen, die sich auf Einzelbestimmungen beschr/tnkten, haben wir ebenfalls verzichtet.

28*

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4 3 6 F. P l a u t u n d H. Rudy .

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