Über beziehungen zwischen proteolytischer aktivität und blutcoagulierender sowie...

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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 229, S. 113--122 (1956) Aus dem Pharmakologischen Institut der Universitiit Frankfurt a. M. (Direktor: Prof. Dr. P. HOLTZ) t~ber Beziehungen zwischen proteolytischer Aktivit~it und blutcoagulierender sowie bradykinin-freisetzender Wirkung yon Schlangengiften ~ Yon P. HOLTZ und H. W. RAUDONAT Mit 6 Textabbildungen (Eingegangen am 3. April 1956) Gegen die Annahme, der Mechanismus der zur Blutgerinnung fiihrenden Thrombinwirkung sei mit einer proteolytischen Wirkung ver- kniipft, sind zwar Einw~nde erhoben worden; sie findet aber darin eine Stfitze, dab Proteasen, z. B. Trypsin und Papain Citratblut oder -plasma eoagulieren, und da~ es bei der Einwirkung yon Thrombin auf Fibrinogen zur Abspaltung eines Polypeptides kommt (LoRAND). Der Wirkungstyp der beiden eiweiBspaltenden Fermente ist verschieden: Trypsin akti- viert in Analogie zu dem System Thrombokinase-Calcium Prothrombin zu Thrombin; Papain vermag direkt Fibrinogen in ein fibrin~hnliehes Coagulum umzuwandeln. Die durch Trypsin verursachte Gerinnung li~Bt sich durch Heparin verhindern, die dureh Papain verursaehte nicht (EAGLe). Die blutgerinnungsfSrdernde Wirkung der Schlangengi/te hat man mit ihrem hohen Gehalt an Proteasen in Zusammenhang gebracht. Bei manchen Giften, z.B. von Noteches scutatus und Micrurus seheint sie haupts~chlich nach dem ,,Trypsin-Typ", bei anderen Giften, z. B. denen der Bothrops- und Crotalusarten naeh dem ,,Papain-Typ" zu erfolgen (EAGLe). Zu den proteasenreichsten und die Blutgerinnung besonders stark fSrdernden Giften gehSren diejenigen der verschiedenen Bothrops- arten. Untersuchungen von JA~szK¥ sprechen daffir, dal~ aueh hier die Beziehungen zwischen eoagulierender und proteolytischer Wirksamkeit sehr enge sind: bei partieller Hitzeinaktivierung und anschliel3ender Acetonfi~llung des Vollgiftes nahmen beide Aktivit~ten in gleichem MaBe ab. Der Autor nimmt deshalb an, dal3 proteolytische und coagulierende Wirkung an ein und dieselbe Substanz geknfipft sind. * Durchgefiihrt mR Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

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Page 1: Über Beziehungen zwischen proteolytischer Aktivität und blutcoagulierender sowie bradykinin-freisetzender Wirkung von Schlangengiften

Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 229, S. 113--122 (1956)

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universitiit Frankfurt a. M. (Direktor: Prof. Dr. P. HOLTZ)

t~ber Beziehungen zwischen proteolytischer Aktivit~it und blutcoagulierender sowie bradykinin-freisetzender

Wirkung yon Schlangengiften ~

Yon

P. HOLTZ und H. W. RAUDONAT

Mit 6 Textabbildungen

(Eingegangen am 3. April 1956)

Gegen die Annahme, der Mechanismus der zur Blutgerinnung fiihrenden Thrombinwirkung sei mit einer proteolytischen Wirkung ver- kniipft, sind zwar Einw~nde erhoben worden; sie findet aber darin eine Stfitze, dab Proteasen, z. B. Trypsin und Papain Citratblut oder -plasma eoagulieren, und da~ es bei der Einwirkung yon Thrombin auf Fibrinogen zur Abspaltung eines Polypeptides kommt (LoRAND). Der Wirkungstyp der beiden eiweiBspaltenden Fermente ist verschieden: Trypsin akti- viert in Analogie zu dem System Thrombokinase-Calcium Prothrombin zu Thrombin; Papain vermag direkt Fibrinogen in ein fibrin~hnliehes Coagulum umzuwandeln. Die durch Trypsin verursachte Gerinnung li~Bt sich durch Heparin verhindern, die dureh Papain verursaehte nicht (EAGLe).

Die blutgerinnungsfSrdernde Wirkung der Schlangengi/te hat man mit ihrem hohen Gehalt an Proteasen in Zusammenhang gebracht. Bei manchen Giften, z .B . von Noteches scutatus und Micrurus seheint sie haupts~chlich nach dem , ,Trypsin-Typ", bei anderen Giften, z. B. denen der Bothrops- und Crotalusarten naeh dem , ,Papain-Typ" zu erfolgen (EAGLe). Zu den proteasenreichsten und die Blutgerinnung besonders stark fSrdernden Giften gehSren diejenigen der verschiedenen Bothrops- arten. Untersuchungen von JA~szK¥ sprechen daffir, dal~ aueh hier die Beziehungen zwischen eoagulierender und proteolytischer Wirksamkeit sehr enge sind: bei partieller Hitzeinaktivierung und anschliel3ender Acetonfi~llung des Vollgiftes nahmen beide Aktivit~ten in gleichem MaBe ab. Der Autor n immt deshalb an, dal3 proteolytische und coagulierende Wirkung an ein und dieselbe Substanz geknfipft sind.

* Durchgefiihrt mR Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

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114 P. HOLTZ und H. W. RAVDOUAT:

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°2o

Die Berechtigung dieser Armahme erschien uns zweifelhaft, da wir bei den durch fraktionierte Fallung des Giftes mit Neutralsalzen er- haltenen Proteinfraktiouen den Quotienten ,,coagulierende: proteo- lytische Aktivit/~t" verschieden fanden. Wir haben versucht, die beiden Aktivit~ten des Giftes zu trennen und nachzuweisen, da$ die blut- gerinnungsfSrdernde Wirkung nicht an die ,,proteolytische" schlechthin gekniipft sein muB.

Noch eine andere Wirkung der Schlangengifte hat man auf ihre proteolytische Wirksamkeit zuriickgeffihrt: die F~higkeit, aus der

Globulinfraktion der Plasmaproteine "~ das blutdrucksenkende und darm-

erregende ,,Bradykinin" freizusetzen ~ (I%oc~rA e SILVA). Wir haben unter-

. . . . ~ sucht, ob die bradykinin-freisetzende I~ ~ -~= ~ ~ ~ Wirkung des Bothropsgiftes der

~ : i ' ! - : ! ! ~ ~ t e ° l y t i s c h e n ' ' A k t i v i t ~ t p a r a l l e l g e h t , . ~ Y ~ ~ Versuche

"q Nachdem Vorversuche mit stufen- I ' ~ ~ weiser Ammonsulfatfallung (5 ~o j ige \ N V /

Jo ~o so 8o zo ~ so Konzentrationssteigerung) un te rE in- % (NH¢}z'$04-'~gtt~¢ satz von 2 g Trockengift der Bothrops

Abb. 1. Mengenm/iBige Verteilung der Pro- ]araraca ergeben hatten, dal3 die teine aus 2 g Bothropsgift bei stufenweiser

F~llung mitAmmonsulfat mengenm/~l~ige Verteilung der Pro- teine 3 Maxima aufweist (Abb. 1),

wurde in einem mit 8 g Vollgift durchgefiihrten Hauptversuch bei 31, 427 60 und 95 ~ Ammonsulfats~t$igung gef/illt. Die Niederschl/ige wurden sulfatfrei dialysiert, durch Zentrifugieren in ,, Globulin"- und, ,Albumin"- anteil getrennt und diese gesondert lyophilisiert. Die einzelnen Protein- fraktionen wurden dann auf coagulierende und proteolytische Wirkung untersucht.

Methodik a) Fraktionierte Fdillung des Vollgi]tes mit Ammonsul/at. 8 g Bothrops-Trocken-

gift* wurden in 250 ml NaCI-LOsung (2,4°/oig) gelSst und mit Aqua dest. auf 750 ml gebracht. Der durch Zusatz yon 176,6 g (NH4) 2 • S04 (31% Sattigung, PH 5) ent- stehende Niederschlag wurde durch Zentrffugieren abgetrennt, mit 5 ml 31% iger AmmonsulfatlSsung gewaschen und in 100 ml Aqua dest. gelSst. Die LSsung wurde aus Zellophanschlauch (Kalle) 48 Std gegen destilliertes Wasser im Kiihlschrank sulfatfrei dialysiert, und Bodenk5rper (N1) sowie i~berstehende LSsung (F1) lyophili- siert. - - Die Mutterlauge der 1. F~llung wurde mit 62,7 g (NH4) 2 • SO 4 versetzt (42% S~ttigung), und der nach 16 Std abzentrifugierte Niederschlag mit 20 ml 42%iger AmmonsulfatlSsung gewaschen und dialysiert. Niederschlag (N2) und iiberstehende Fliissigkeit (F2} wurden wiederum getrennt lyophilisiert .- Die

• Das Gift wurde uns in dankenswerter Weise yon Herrn Prof. SLOTTA, S~o Paulo, zur Verfiigung gestellt.

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Proteolyt., blutcoagulier, u. bradykinin-freisetz. Wirkung yon Sehlangengiften 115

Mutterlauge der 2. Fi~llung wurde mit 102,6 g (NH~)~. SO 4 auf 60% S~ttigung ge- bracht und entsprechend weiterbehandelt (N3, F3). - - Zur Mutterlauge der 3. FMlung wurden weitere 190 g (NH4) 2 • S04 zugefiigt (95% S~ttigung), der Niedersehlag nach 17 Std abzentrifugiert usw. (N 4, Fa). - - Gesamtausbeute: 75 Gewichtsprozent (6 g).

b) Bestimmung der coagulierenden Wirkung (,,Papaintyp"). Hierzu wurde eine mit 12 runden Vertiefungen (20 × 6 mm) versehene und mit einer diinnen Schicht Silicone DC 44 (Braun, Melsungen) iiberzogene Plexiglasplatte verwendet, die sieh in einem Wasserbad yon 37 ° C befand. In die kreisrunden Vertiefungen wurden 0,2 ml 0,6%ige FibrinogenlSsung (Fibrinogen, Behring) in physiologischer NaC1-LSsung sowie 0,2 ml der zu untersuchenden Proteinfraktion in einer LSsung aus gleichen Teilen 0,9% NaC1 ~- m/15 Natrinmphosphatpuffer (p~ 6,8) pipettiert. - - Die Zeit

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Abb. 2. Verteilung der eoagulierenden und der proteolytisehen WirksamkeJt aufdie einzelnen Ammon- sulfatfraktionen. T Volltoxin. ~z Niedersehlag. F (lberstehende L~sung (siehe Methodik). ~ pro-

teolytJsche Akt ivi t~t in mMo] Tyrosin. m Koagulinwert (KoagulineJnheiten (K. E.)/mg)

bis zum Auftreten eines Fibringerinnsels (Riihren mit einem Glashakchen) wurde mit der Stoppuhr gemessen. Die zu testende L6sung war so verdiinnt, dab die Koagula- tionszeit ungef~hr 60 sec betrug.

Als ,,Koagulineinheit" (K.E.) wird diejenige Menge Protein bezeichnet, die bei dieser Versuchsanordnung in 60 sec die Koagulation herbeffiihrt; als ,,Koagulin- weft" die Zahl der Einheiten pro Milligramm Protein.

c) Bestimmung der proteolytischen Wirkung. Diese effolgte nach der Methode yon ANSON u. MmSKY, deren Prinzip in der colorimetrischen Bestimmung des aus denaturiertem Hdmoglobin abgespaltenen Tyrosins besteht. Die proteolytische Akti- vi ta t wird in mMol Tyrosin ausgedriickt.

,,H~imoglobin". 20ml 10%ige H~tmoglobinlSsung (H~moglobin, BEHRING) werden mit einem Gemisch aus 5 ml n/1 NaOH + 40 ml Aqua dest. -t- 30 g Harnstoff versetzt. Nach 30 min werden 6,5 ml n/1 K H 2 • POa zugeftigt und mit Aqua dest. auf 100 ml aufgefiillt (PH 7,6).

Aus/i~hrung der Bestimmung. 1 ml ,,H~moglobin" wird mit 0,2 ml der aufpro- teolytische Wirksamkeit zu untersuchenden LSsung (1 mg Protein) 10 min bei 37 ° C inkubiert. Dann wird die Reaktion durch Zusatz von 2 ml Triehloressigs~ure (0,3 n) gestoppt und der Niedersehlag abfiltriert. 1,5 ml des Ffltrats werden mit 3 ml n/2

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116 P. HOLTZ und H. W. R~VDO~T:

NaOH und 0,7 ml ,,Phenol-Reagens" nach FOLIN-CIOCALTEU versetzt. Die Intensi- t~t der auftretenden Blauf~ixbung wird naeh 10 rain dureh Messung der Extinktion im Elko-Photometer (Zeiss) mit Filter S 72 bestimmt.

~500

~000

50

1. Verteilung der proteolytischen und coagulierenden AIctivitdt au/ die Protein/raktionen N~--N~ und F~--F~

Die Abb. 2 stellt die Verteilung der beiden Akt ivi t~ten auf die ein- zelnen durch AmmonsulfatfAllung erhaltenen Eiwefl~fraktionen dar. Die hSchste ,,Koagulin"-Wirksamkeit mit einem Koagul inwert yon 130 K . E .

~2 6O { NH 4 )z'SO~M#/#u~

Abb. 3. l~engenm~i~ige Verteilung der Proteine aus 8 g Bothropstoxin. N I~iederschlag. F fiberstehende LSsung

(siehe Methodik)

pro Milligramm finder sich in dem bei 60 ~ AmmonsulfatsAtt igung ausgefallenen Niederschlag N3. Diese Frak t ion ist aber, wie die in Abb. 3 dargestellte gewichts- mAl3ige Verteilung der Proteine zeigt, der Menge nach zu gering, als dab eine weitere Aufarbei tung lohnend erschienen ware. Hierzu wurde deshalb die zwar etwas schwAcher wirksame, abet mengenmAl~ig grSl~ere Frak t ion F a genommen.

,,Koagulin". 500 mg der Fraktion F a wurden in 10 ml eisgekiihlter NaC1-LSsung (0,9~o) gelSst und mit 7 ml ges~ttigter AmmonsulfatlSsung versetzt (= 41°/0 S~ttigung), nachdem vorher 0,5 g Kieselgur (Merck) zugefiigt worden waren, um das Abnutschen des Niederschlages zu er- leichtern. Nach 3 stiindigem Stehen in der Ki~lte wurde die F~llung abgenutscht, mit etwas AmmonsuffatlSsung (41~/o S~ttigung) naehge- waschen und dann das mit der Waschfliissigkeit

vereinigte Filtra~ mit festem (NH4) ~ • S0~ auf 56~o S~ttigung gebracht. Nach Ab- zentrffugieren des entstandenen Niederschlages lieferte das Ffltrat nach weiterem Zusatz yon (NH4) 2 • SO 4 bis zu 650/0 S~ttigung die tIauptmenge an Niederschlag. Dieser wurde noch 2mal dem gleiehen Fi~llungsverfahren unterworfen. Die ver- einigten, bei 650/0 Ammonsulfats~ttigung ausgefallenen Niederschlage wurden salzfrei dialysiert und gefriergetrocknet: ,,Koagulin".

Die Frak t ion F a ha t te eine , ,Koagul in"-Wirksamkei t von 75 K . E . / m g Protein (Abb. 2). Durch die oben beschriebene mehrmalige UmfAllung mit Ammonsul fa t kam es zu einer weiteren, fast 4 fachen Anreicherung der

Tabelle 1. Proteolytische und coagulierende Wirk- samkeit yon VoUgi/t, ,,Koagulin" und ,,Protesae"

Proteolyt. Ak~ivit~it Koagulinwert t Protein in mMol Tyrosin K.E./mg

1. Vollgift 2. ,,K oagulin " 3. ,,Protease"

1 Vgl. Abb. 4.

1,1 0,09 1,65

38 280

26

Wirksamkeit . Diese betrug jetzt 280 K. E . /mg (Abb. 4). ])as p m O p t i m u m der Wir- kung lag zwischen 6,5 und 7 , 5 . - Die proteolytische AktivitAt des , ,Koagulins" betrug weniger Ms 1/10 derj e- nigen des Vollgiftes (Tab. 1).

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Prot~olyt., blutcoagulier, u. bradykinin-freisetz. Wirkung yon Schlangengif~n 117

,,Protease". Die Frakt ion F~ (Abb. 2) unterscheide~ sich vom Vollgift dadurch, dab sie bei praktisch gleicher Koagulinaktivit~t eine um un- gef~hr 50 ~o st~rkere proteolytische Aktivit~t besitzt. Durch nochmalige Umf~llung mit Ammonsulfat (42~ S~ttigung) war es m6glich, den Koagulinwert dieser Frakt ion bei unvermindert proteolytischer Wirk- samkeit yon 40 auf 26 K .E . /mg zu senken (Tab. 1).

2. Prothrombin-aktivierende Wirkung

Darstellung yon Prothrombin. 9 Tefle frisches Rinderblut werden mR 1 Tefl n/10 Natriumoxalat versetzt und zentrffugiert. Das abgeheberte Plasma wird zur Adsorp- tion des Prothrombins mit 5 Gewichtsprozent BaSO 4 im Multimix bei niedriger Tourenzahl homogenisiert. Der abgenutschte Niederschlag wird mehrmals abwechselnd mit Aqua dest. und 0,9%iger NaC1-L6sung ge- waschen und dann auf je 5 g Ba SO 4 mit 20 cm 8 5%igem Na-citrat zur LSsung des Prothrombins behandelt. Diese L6sung wurde als ,,ProthrombinlSsung" verwandt (AT.~.XA~D~, GOLDSTEIN U. LA~DwEm~).

Bestimmung der prothrombin.alctivierenden Wirbung (,,Trypsintyp"). Hierzu wurden 2 ml der zu testenden Proteinfraktionen ver- schiedener Konzentration in 0,9%iger NaC1- LSsung mit 0,2 ml ProthrombinlSsung bei 37°C vorinkubiert. 0,1 ml des Inkubats wurden dann zu 0,2 ml Fibrinogenl6sung ge- geben und die Gerinnungszeit gemessen (vgl. 1~Iethodik b).

Inkubier t man Vollgift und die beiden aus ihm gewonnenen Fraktionen ,,Koagulin" bzw. , ,Protease" mit Pro- thrombin, bevor man sie auf Fibrinogen einwirken l~Bt, so werden mit zu- nehmender Inkubat ionsdauer die Ge- rinnungszeiten fiir Vollgift und ,,Pro- tease" immer kleiner, w~hrend sie ffir , ,Koagulin" unver~ndert bleiben

1000

250

$. \ N -x - - IN

i J I I ~0 dO 30 ~0 50 60 80 100 150

Oemhnunqsze/t [sec]

Abb. 4. Vergleich der coagulierenden AktivR~t yon Vollgift, ,,Protease" und ,,Koagulin". Ordinate: Giftmenge (Pro-

tein) in r /ml (siehe ~¢Iethodik)

(Tab. 2). Die prothrombin-aktivierende Wirkung haftet somit der , ,Protease" an. Die dutch sie ausgelSste Gerinnung l~Bt sich im Gegen- satz zur , ,Koagulin"-Wirkung mit Heparin verhindern.

In Versuchen an Kaninchen wurde die Gerinnungszeit des aus der Ohrvene entnommenen Blutes durch vorherige subcutane Injekt ion des Vollgiftes selbst und der aus ihm gewonnenen ,,Protease", nicht durch das ,,Koagulin" verkiirzt. Heparin hob die Wirkung auf (Tab. 3). Die gerinnungsf6rdernde Wirkung des Schlangengiftes in vivo beruht dem- nach auf der prothrombin-aktivierenden Wirkung der , ,Protease".

Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 229 9

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118 P. I~OLTZ u n d H . W. ~:~AUDONAT :

3. Bradykinlnbildung

Methodik. Die in 0,9°/oiger NaC1-L6sung gel6sten Proteinfrakt ionen (0,2 ml) werden mit 0,8 ml Globulinl6sung (0,3 %ig in NaC10,9%) - - aus Rinderserum durch l/2-S~ttigung mi t Ammonsulfa t gewonnen - - bei Zimmertempera tur inkubiert , und die Inkuba te am isolierten Meerschweinchenileum auf darmerregende Wirkung untersuchb. - - Das Darmsti ick war in 20 cm a Tyrodel6sung, die 10 -v Atropin ent- hielt, bei 37 ° C suspendiert und wurde vor Beginn der Testung durch wiederholte

Tabelle 2. Prothrombin-aktivierende Wirkung 1. Vorinkubation yon 2 ml Vollgift (10 y), , ,Prote~se" (10 y) und , ,Koagulin"

(2,0 y) bei 37 ° C mit je 0,2 ml Prothrombinl6sung ( , , Inkubat") . 2. Gerinnungsansatz 0,2 ml Fibrinogenl6sung (0,6°/oig) ~- 0,1 ml , , Inkuba t "

Inkubationsdauer Gerinnungszeit in ~Iinuten in ~Iinuten

Vollgift ,Protease" ,,Koag~llin"

17 17 14 13 10 10 5 5

Tabelle 3. Beein/[ussung der Gerinnungszeit in vivo

6 15 45 75

17 18 17 19

Kaninchen yon etwa 3 kg K6rpergewicht. - - Best immung der Gerinnungszeit nach B i i R x ~ : 0,1 ml Ohrvenenblut -~ 0,1 ml Aqua dest., 37 ° C. - - Gerinnungs-

zeit in Sekunden

or der 60 rain nach subcutaner 30 rain nach anschlie~ender Kaninchen Injektion Injektion von 3 ~/kg Injektion von Heparin

(100 IE/kg Vetren) See See see

1. 83 - - 319 2. 116 - - 333

3. 80 Vollgfft 41 328 4. 110 ,, 67 - -

5. 8~ Protease 38 315 6. I10 ,, 64 180 7. _ 97 ,, 53 162

8. 76 9. 66

10. I 77

Koagulin 75 ,, 75 ,, 79

200 208 338

Zugabe yon Bothrops-Vollgift (0,1--1 mg) ,,desensibflisiert", bis erneute Toxingabe keine Darmkont rak t ion mehr hervorrief. Un te r , ,Bradykininbi ldung" wird ledig- lich die unter diesen Versuchsbedingungen erfolgende Bfldung eines Stoffes ver- s tanden, der eine atropinresistente Darmerregung hervorruft .

Versuchsan85tze. 0,8 ml GlobulinlSsung + 0,2 ml Vollgfft (50 ~) bzw. ,,Pro- tease" (100 ~) bzw. , ,Koagulin" (10 und 50 y). - - In jekt ion yon je 0,2 m l e n t . sprechend 10 ? Vollgfft, 20 ~ , ,Protease", 2 bzw. 10 ~ ,,Koagulin".

D i e A b b . 5 ze ig t , dal3 d ie b r a d y k i n i n b i l d e n d e W i r k u n g u n t e r d i e s e n

B e d i n g u n g e n ( u n g e p u f f e r t e G l o b u l i n l 6 s u n g , laH 6, 8) n i c h t d e r , , P r o $ e a s e " - ,

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Proteolyt., blutcoagulier, u. bradykinin-freisetz. Wirkung yon Sohlangengfften 119

sondern der proteolytisch nur wenig wirksamen ,,Koagulin"-Fraktion des Giftes zukommt: um eine gleichstarke Darmkontraktion hervor- zurufen, ist yon der ,,Protease" eine 10fach hShere Dosis (20?) er- forderlich als yore ,,Koagulin" (2 ?). Die im Vergleich mit der ,,Koagulin- fraktion" 10real schwi~chere bradykininfreisetzende Wirknng der ,,Protease" entspricht ihrem 10mal niedrigeren Koagulinwert (vgl. Tab. 1). Es ist deshalb wahrscheinlich, dal~ in diesem Versuch (PH 6,8) die bradykininbildende Wirksamkeit der ,,Protease" auf dem ihr noch anhaftenden ,,Koagulin" beruht.

Aber auch die ,,Protease" selbst scheint, unabh~ngig yon dem ihr in kleinen Mengen noch anhaftendem ,,Koagulin", einen darmerregenden

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Abb. 5. Bradykininbildung durch Vollgift, ,,Koagulin" und ,,Protease". Isolierter Meerschweinchen- darm. 20 ml Tyrode. 37°C. Versuchsansittze in 0,9% NaC1 (PK 6,8): 0,8 ml GlobulinlSsung (3%ig), 0,2 ml Vollgift (50 r) bzw..,Koagulin" (10 r oder 50 ~,) bzw. ,,Protease" (100 r). A: 3 min Inkubation, B: 20 rain Inkubation bei 20°C. Injektion yon je 0,2 ml = 10 ~, T (Vollgift), 2--10 7' K (,,Koagulin"),

20 ~, P (,,Protease"). Ergebnis: ,,Koagulhl" ist 10real wirksamer als ,Protease"

Stoff aus Globulinen entstehen zu lassen. Daffir spricht die pH-Ab- h~ngigkeit der Wirkung (Abb. 6). Inkubiert man gleiche ~Iengen Koa- gulin und Protease mit Globulinen, so erfolgt die Bradykininbildung durch Koagulin am besten bei p~ 6,5 und nimmt mit der Inkubations- dauer zu; die Bradykininbildung durch ,,Protease" am besten bei pH 8, wobei es mit zunehmender Inkubationsdauer offenbar zu einer mit der Bildung Schritt haltenden und diese dann fibertreffenden Inaktivierung des darmerregenden Stoffes kommt. Hierbei bleibt often, ob die brady- kininzerstSrende Wirkung einem besonderen, vielleicht chymotrypsin- /~hnlichen Ferment zukommt, das erst einer Aktivierung durch die trypsin/~hnliche Protease bedarf.

Versuche mit dem Toxin der Vipera Russell sprechen dafiir, daf~ die bei Inkubation yon Globulinen mit der Proteasefraktion des Bothropsgiftes

9*

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120 P. HOLTZ und H. W. I~AUDONAT:

bei pH 8 erfolgende Bradykininbildung und -zerst6rung nicht durch ein und dasselbe Ferment verursacht ist. Mit der bei 40 ~o Ammonsulfat- s/~ttigung fallenden - - der ,,Protease" des Bothropsgiftes entsprechenden - - Proteinffaktion des Russell-Toxins 1/~l~t sieh keine Bradykininbildung nachweisen. Inkubiert man sie aber mit fer~igem Bradykinin, so wird dieses zerstSrt.

Bradykininpriiparat. 500 mg Bothropsgift in 50 ml 0,9%iger NaC1-LSsung werden mit 2,5 Liter GlobulinlSsung (3%ig) 5 min bei 37°C inkubiert. Des Inkubat

wird in die doppelte Menge siedenden J~thanols gegossen. Vom Niedersehlag wird ~b- filtriert, des Filtrat im Va- kuum zur Trockene einge- dampft. Der Troekenriick- stand wird mit ~ther und Acoton zur Entfernung yon Lipoiden extrahiert.

Bemerkungen 1. An der gerinnungs-

fSrdernden Wirkung des Bothropsgiftes sind zwei versehiedene Proteine be- teiligt, die sich durch Irak- tionierte Ammonsulfat- f~llung anreiehern und voneinander trennen las-

Abb. 6. ptr-Abh/~ngigkeit der Bradyk in inb i ldung und -zer- s t0rung. Versuchsanordnung wie in Abb. 5~ Versuchsans~itze: Sel~. Des bei 60 ~ S/~t- 1,6 ml Globulinl6sung (3 % ig) in NaCL 0,2 ml m/1 Nt~-phos- tigung ausgef/~llte, n u r phatpuffer , PH 6,5 bzw. 8,0. 0,2 ml , ,Koagul in" bzw. , ,Prote- a se" (je 40 r ) . I nkuba t ion bei 20°C: 30, 45, 90rain . (Die sehwaeh proteolytisehe e ingek lammer ten Zahlen geben die Inkubat ionsze i t in .~/finuten an.) Ergebnis: Die Bradyk in inb i ldung durch , ,Koagnl in" er- ,,goagulin" wirkt throm- folgt besser bei PH 6,5 als bei PH 8 und n i m m t m i t der In- bin/~hnlich, indem es wie kuba t ionsdauer zu. - - Die Bradykin inb i ldung durch , ,Prote- a se" erfolgt nur bei p g 8. ~Iit zunehmender Inkuba t ionsdaue r dieses Fibrinogen direkt

wird des gebildete Bradykinin zerstSrt coaguliert; die bei 40

S~ttigung a u s g e f ~ l l t e - im A~cso~c-Test stark proteolytisch wirksame - - , ,Protease" wirkt indirekt, indem sie durch Aktivierung von Prothrombin zu Thrombin die Blut- gerinnung herbeifiihrt. Die thrombin/~hnliche Wirkung des ,,Koagulins" ist dureh Heparin nicht hemmbar, die Wirkung der ,,Protease" l~13t sich, da sie eine indirekte Thrombinwirkung ist, durch Heparin aufheben. Wenn somit auch ,,proteolytische" und ,,eoagulierende" Aktivit/~t nieht miteinander parallel gehen, so diirfte der Mechanismus der ,,Koagulin- wirkung", obwohl er im A~soN-Test nieht als solcher in Erscheinung tritt, trotzdem ein proteolytischer sein: derjenige einer Protease, die, wie das physiologisehe Gerinnungsferment Thrombin, aus Fibrinogen als ihrem

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Proteolyt., blutcoagulier, u. bradykinin-freisetz. Wirkung von Schlangengiften 121

spezifischen Substrat ein Polypeptid - - ,,Fibrinopeptid" - - abspaltet und damit die Koagulation einleitet.

Neuere Untersuehungen iiber den Mechanismus der Blutgerinnung haben den enzymatischen Charakter der Thrombinwirkung erwiesen und zu dem Ergebnis ge- fiihrt, dab der Umwandlung yon Fibrinogen in Fibrin ein 2phasischer Ablauf zu- grunde liegt: in einer ersten ,,chemischen" Phase spaltet Thrombin aus Fibrinogen ein ,,Fibrinopeptid" ab, das reich an Glutamins~ure-endgruppen ist (Lo~A~D). Diese Reaktion erfolgt auch bei p~ 5 und in Gegenwart hoher Salzkonzentrationen und ftihrt nicht zu Viseosit~tsiinderungen oder Gelbildung; in einer zweiten ,,physi- kalisch-chemischen" Phase kommt es d a n n - bei neutraler Reaktion- spontan zur Polymerisation bzw. Aggregation der ,,aktivierten" Fibrinogenmolekiile, wobei das Wesen dieser Aktivierung in der enzymatischen Abspaltung elektrisch negativer Ladungen erblickt wird. Vom Gesamt-N des Fibrinogens k5nnen dureh Thrombin bis zu 3% als NichteiweiB-N freigesetzt werden. Nach Freisetzung yon 1/4 dieser Menge beginnt die sichtbare Gelbildung.

2. Auch der Bradylcininbildung aus einer den Plasmaglobulinen an- gehSrenden inaktiven Vorstufe dfirfte eine Proteolyse zugrunde liegen. Wenn deshalb die bei p~ 6,5 untersuchte bradykininbildende Wirkung sich wiederum fiberwiegend in der ,,proteolytisch" nur wenig wirk- samen Koagulinfraktion des Bothropsgiftes finder, so muB es sich um die Wirkung einer Protease von so hoher Substratspezifit~t handeln, dal] nur das spezifische Substrat ,,Bradykininogen", nicht aber die fibrigen Globuline angegriffen werden. Damit wird es unwahrscheinlich, da~ der bei PH 8 durch die ,,Protease" des Giftes gebildete darmerregende Stoff mit demjenigen identisch ist, der bei pH 6,5 unter der Einwirkung von ,,Koagulin" entsteht.

3. Die blutgerinnungsfSrdernde Wirkung des subcutan injizierten Giftes ist durch die prothrombinaktivierende ,,Protease" verursacht und wird durch Heparin verhindert. Wenn deshalb nach einem Vorschlag yon V. KLOBUSITZKY die Standardisierung gerinnungsf6rdernder Pr~- parate aus Schlangengift in vitro durch Ermittlung ihrer Wirksamkeit auf Oxalatblut erfolgt, und die Verkfirzung der Gerinnungszeit als Kriterium der Aktivit~t dient, so dfirfte dabei haupts~chlich die in vivo nicht ins Gewicht fallende Wirkung des ,,Koagulins" erfal~t werden, und die ermittelte ,,Aktivit~tt" der therapeutischen Wirksamkeit nicht ent- sprechen.

Summary 1. Protein fractions with a different relation of proteolytic to coagulating

activity were obtained by ammonium sulphate fractionation of the venom from Bothrops jararaca. The precipitate at 40~o saturation possessed only feeble coagulating, but strong proteolytic activity (,,Protease"), whereas there was feeble proteolytic and strong coagulating activity in the precipitate at 60~ saturation (,,Koagulin").

2. A substance which stimulated the intestine, probably bradykinin, was formed on incubation of ,,Koagulin" or ,Protease" with plasma

Page 10: Über Beziehungen zwischen proteolytischer Aktivität und blutcoagulierender sowie bradykinin-freisetzender Wirkung von Schlangengiften

122 HOLTZ U. I~AUDONAT: Proteolyt., blutcoagulier. Aktivit~t usw.

globulins. Wi th , ,Koagul in" the format ion was opt imal at p~ 6,5 and increased with the dura t ion of incuba t ion ; with , ,Protease" the pH op t imum was 8,0 and the gut s t imula t ing ac t iv i ty decreased with prolonged incubat ion .

3. The effects of the ,,Koagulin"- and the , ,Protease" fract ion of the venom - - the thrombin- l ike act ivi ty, the ac t iva t ion of p ro th rombin and the format ion and dest ruct ion of b radyk in in - - were ascribed to different substrate-specific proteases.

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Prof. Dr. P. HOLTZ, Frankfurt/Main, Pharmakol. Inst. d. Univ., Ludwig Rehu-Str.