uber eine fundamentale klasse morphogenetischer regulationen

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Uber eine fundamentale Klasse morphogenetischer Regulationen. Von Hans Driesch. Mit 2 Figuren im Text. Eingegangen am 13. Mai 1908. Wenn ein Keim, der ein Viertel, die Hi~lfte oder drei Viertel des Ganzen darstellt und dureh Zerteilung dieses Ganzen in Richtung der polaren Symmetrieachse gewonnen ist, sich verkleinert ganz entwickelt, so sind nach meiner Auffassung bei diesem Geschehen vornehmlich nur ,prim~ire Regulationen,~ beteiligt: die ontogenctischen Differen- zierungsfaktoren selbst sind derart, dab sie verkleinerte Ganzent- wicklung zulassen. :Nur muB vorher die Intimstruktur des Keim- bruehteiles ganz geworden sein: das ailein ist eine >)sekundiire oder eehte Regulation,. Sekund~tre Regulationen dieser Art beziehen sich also auf Umgestaltungen intimster organischer, besser morphogene- fischer, Struktur. Sie bilden eine besondere Klasse eehter organischer Regulationen. Eine ganz andre, aber auch in sich einheitliche, Klasse yon echten Regulationen wird dargestellt dutch solche restitutiven Phii- nomene, welche yon unharmonisch znsammengesetzten Aus- g~,ngen ihren Ursprung nehmen. Jeder verstUmmelte erwachsene Organismus ist ein solcher unharmonisch zusammengesetzter Ausgang: seine Teile sind nicht in richtigem, ,normalem,, Verh~iltnis zueinan- der vorhanden; die Restitution, wenn sie eintritt, sehafft wieder Harmonie der Zusammensetzung. Doch kann re'in auch yon andcrn unharmonisch zusammengesetzten Ausg~tngen reden, n~tm]ich von un- harmoniseh zusammengesetzten Keimteilen; ich habe diesen Begriff vor 3 Jahren gelegentlich einer mit solchen Keimteilchen sieh befassenden Untersuehung 1) geschafl'en. ~) Dieses Arch. 19. 1905. S. 658.

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Page 1: Uber eine fundamentale Klasse morphogenetischer Regulationen

Uber eine fundamentale Klasse morphogenetischer Regulationen.

Von

Hans Driesch.

Mit 2 Figuren im Text.

Eingegangen am 13. Mai 1908.

Wenn ein Keim, der ein Viertel, die Hi~lfte oder drei Viertel des Ganzen darstellt und dureh Zerteilung dieses Ganzen in Richtung der polaren Symmetrieachse gewonnen ist, sich verkleinert ganz entwickelt, so sind nach meiner Auffassung bei diesem Geschehen vornehmlich nur ,prim~ire Regulationen,~ beteiligt: die ontogenctischen Differen- zierungsfaktoren selbst sind derart, dab sie verkleinerte Ganzent- wicklung zulassen. :Nur muB vorher die Intimstruktur des Keim- bruehteiles ganz geworden sein: das ailein ist eine >)sekundiire oder eehte Regulation,. Sekund~tre Regulationen dieser Art beziehen sich also auf Umgestaltungen intimster organischer, besser morphogene- fischer, Struktur. Sie bilden eine besondere Klasse eehter organischer Regulationen.

Eine ganz andre, aber auch in sich einheitliche, Klasse yon echten Regulationen wird dargestellt dutch solche restitutiven Phii- nomene, welche yon u n h a r m o n i s c h z n s a m m e n g e s e t z t e n Aus- g~,ngen ihren Ursprung nehmen. Jeder verstUmmelte erwachsene Organismus ist ein solcher unharmonisch zusammengesetzter Ausgang: seine Teile sind nicht in richtigem, ,normalem,, Verh~iltnis zueinan- der vorhanden; die Restitution, wenn sie eintritt, sehafft wieder Harmonie der Zusammensetzung. Doch kann re'in auch yon andcrn unharmonisch zusammengesetzten Ausg~tngen reden, n~tm]ich von un- h a r m o n i s e h z u s a m m e n g e s e t z t e n Ke imte i l en ; ich habe diesen Begriff vor 3 Jahren gelegentlich einer mit solchen Keimteilchen sieh befassenden Untersuehung 1) geschafl'en.

~) Dieses Arch. 19. 1905. S. 658.

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(~'ber eine flmdamentale Klasse morphogenetischer l~egulationen. 147

Ein unharmonisch zusammengesetzter Kcimteil liegt vor, wenn die verschiedenen, beim morphogenetischen Ablanf in Betracht kommcn- den Bestandteile des Keimes zwar alle vorhanden, aber in zueinander nieht passenden Quanten vorhanden sind. Echte 1/4-, 1/2- und 3/4- Keime sind also k e i n e unharmoniseh zusammengesctzten Keimteile.

Meine Untersuchung yore Jahre 1905 befal~te sich mit dem Studium des Mesenebyms an solchen Eehinidenkeimen, welche verschieden groi~e Bruehteile des animalen und des vegetativen Eiabschnittes be- saBen; sie waren mit Hilfe des kalkfreien Seewassers yon HERBS'r hergestellt worden. Das wesentliche Resnltat meiner Untersuchung war dieses: ))Unharmonisch zusammengesetzte Keime, zu denen auch die mit nur animalen oder nut vegetativen Elementen zu rechnen sind, bilden in der tiberwiegenden Mehrzahl der Falle eine Zahl yon Mesenchymzellen, welehe night der ftir sie giltigen Normzahl, d.h. night dem Bruchteil der normalerweise mesenchymbildenden Keim- region entspricht, welchen sie besitzen; sie liefern vielmehr je nach ihrer Zusammensetzung bald ))zu rich,, bald )~zu wenigr Mesenchym- zellen, und zwar derart, dab die wirklich gelieferte Zahl dieser Ele- mente zum Keimwert der Objekte - - d. h. zu der absoluten Griiite des Bruchteils vom Keimganzen, welchen sic d a r s t e l l e n - ann~thernd in Proportion steht. Am extremsten zeigen dieses regulatorische Ver- halteu rein animale und rein vegetative Keime. Neben dem Streben zur Erreiehung der Proportion zum Keimwert geht eine bisweilen zum Durehbrueh gelangende Tendenz zur Lieferung der Totalzahl des Mesenehyms einher~ 1).

Des weiteren wurde festgestellt~ dal] die geschilderte l~egulation in der Zahl der Mesenehymzellen gar nieht oder doeh in nur h(ichst beschritnktem MaBe auf einer gesteigerten H~iufigkeit der Teilung jener Zellen, also auf einer Reduction ihrer Gr5Be berubt~ dal~ sie vielmehr die M e s e n e h y m m a s s e als Gauzes betrifft: jeweils ifi Pro- portion zum Keimwert wird ein bestimmter Massenbruchteil tier vor- handenen Keimsubstanz zur mesenehymbildenden Region, mag diese Region mit Rticksicht auf das, was der vorhandene Keimbruchteil im Normalen an Mesenchym geliefert hittte, zu klein ofler zu grofi sein.

Da[~ auch die allgemeine Form der beginnenden Gastrula bci den morphogenetischen Ergebnissen unharmoniscb zusammengesetzter embryonaler Ausg~inge durehaus die verkleinert-normale war, wurde beil~tufig festgestellt. Weiter ging jedoeh die Untersuehung nieht.

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Ich teile nun zuniichst die Ergebnisse neuer Untersuchungen mit, in denen unharmonisch zusammengesetzte Keime bis zum P l u t e u s gezUchtet und dann auf ihre Proportionaliti~t untersucht wurden.

Ich arbeitete diesmal mit dem S e c h z e h n z e l l e n s t a d i u m mem- branlos gemachter Eier yon Echinus. Mit Beginn der Seehzehnteilung kamen die Objekte in das kalkfreie Wasser, wurden etwas darin mit Hilfe der Pipette herumgeworfen, und dann wurden solche Sttieke ausgelesen, die e ine n i ch t z u e i n a n d e r p a s s e n d e Anzahl yon Micro- , Macro- und M e s o m e r e n a u f w i e s e n . ~,Zueinander pas- send,, d. h . harmoniseh zusammensetzend, wiirden natUrlieh sein: 1 Mi -}- 1 Ma -4- 2 Me ( = l/4-Keim), oder 2 Mi + 2 Ma -4- 4 Me ( ~ 1/2-Kcim), oder 3 Mi + 3 Ma + 6 Me (~--- 3/'4-Kcim); solche Bruchteile wurden also nicht verwendet. Man kann bei jedem Versuche nur auf sehr wenige geeignete Objekte rechnen. Ieh trenne die Objekte in zwei Gruppen :

I. Der an ima le (Mesomeren-) Ante i l des Ke imes is t im Nach te i l .

[Formel n . Mi + n. Ma -4- (2 n - - x) Me.]

T y p u s 2 Mi + 2 Ma + 2 Me - - 30b jek te ; 2 davon geben typisehe Prismen mit dreigliedrigem Darm und Skelet, 1 gibt einen typisehen Jungpluteus.

T y p u s 2 Mi + 2 Ma + 3 Me - - 2 0 b j e k t e ; 1 typisehes Prisma, 1 typischer

T y p u s 3 M i + 3 T y p u s 3 M i + 3 T y p u s 4 M i + 4 T y p u s 4 M i + 4 T y p u s 4 Mi + T y p u s 4 M i + 4

Vollpluteus. Ma + 4 Me - - 10b jek t ; Vollpluteus. Ma + 5 Me - - 10b jek t ; Vollpluteus. Ma + 3 Me - - 10b jek t ; u Ma + 4 Me - - 3 0bjekte; alle typische Vollplutei. Ma + 5 Me - - 1 Objekt; Vollpluteus. Ma + 6 Me - - 1 0 b j e k t ; Vollpluteus, s. Fig. 1.

II. Der v e g e t a t i v e (Micro-, M a c r o m e r e n - ) A n t e i l des Keimes is t im ~ a c h t e i l .

[Formel (n -- x) (Mi + Ma) -[- n Me.]

T y p u s 1 Mi + 1 Ma + 5 Me - - 10b jek t ; typisches Prisma mit drei- gliedrigem Darm und Skelet; 30 Mesenchymzellen (relativ zu viel ftir ! Mi + 1 Ma!).

T y p u s 1 Mi + 1 Ma + 6 Me -- 20b jek te ; 1 typisches Prisma mit 28 Mesenchymzellen (wieder relativ zu viel!); 1 typischer Jung- pluteus~ s. Fig. 2.

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Typus 1 Mi -~ 2 Ma q- 4 Me - - 1 0 b j e k t ; typischer Jungpluteus. T y p u s 2 Mi q- 2 Ma -[- 5 Me - - 10b jek t ; typischer Jungpluteus. Typus 2 Mi -~- 2 Ma q- 6 Me ~ 10b jek t ; typischer Jungpluteus. T y p u s 2 Mi ~- 2 Ma ~- 8 Me ~ 10b jek t ; typischer Jungpluteus.

Alle Larven waren durch- Fig. ]. aus normal-proportional ausge-

staltet, t ro tz der fehlenden Harmonie in der Zusammen- setzung ihres Ausganges.

In bezug auf die Geschwin- digkeit der Entwicklung, anders gesagt in bezug auf die Errei- chung des Zieles in gegebener

Fig. 2.

]~'chinus. Pluteus aus Keimausgang '~om Typus EcM~us. Jungpluteus aus Keimausgang 4 Mi "b 4 hla -t- 6 Me. vom Typus 1 Mi -b 1 ~Ia -b 6 Me.

Zeit, sind die Objekte mit relativ zu viel vcgetativem Keimmaterial (Gruppe I)etwas besser dran als die Gegengruppe. Aber das hat mit der ha rmon i schen Ausbildung tier Larven nichts zu tun. Hi~tte ich die Objekte der Gruppe II noch etwas l~inger gezUchtet, so hiittcn auch sie Plutei mit ganz langen Armen gegeben.

U n h a r m o n i s c h z u s a m m e n g e s e t z t e B r u c h t e i l e des sechs - z e h n z e l l i g c n S t a d i u m s yon Echinus l i e f e rn a l so normal ge- bau te Larven.

Schon frtiher babe ich auf eine wichtige Entdeckung E. B. Wm- soss hingewiesenl), welche uns Ahnliches wie meine eignen Versuche

1) Journ. exp. Zool. 1. 1904. p. 1.

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lehrt: Wird dem unreifen Ei yon Dentalium ein beliebiger Teil seines animalen Absehnittes genommen, so gestaltet sich sein unh ar mo nis ch z u s a m m e n g e s e t z t e r Rest so aus, dab er einen zum K e i m w e r t an GrSBe p a s s e n d e n ,,Dottersack< ~, erh:,tlt und alles geht normal-ver- kleinert welter; wird die Operation nach der Reifung gemacht, so wird abet der Dottersack ,normal~,-groB, d. h. ftir den Keimwert ,zu groB~.

Ich selbst ~rersuchte noch ein andres Experiment zur Frage nach der Entwicklung unharmonischer Ausg'~tnge auszuftihreu. COM~LI~ meint bekanntlich ~- wenigstcns ft|r den Ascidienkeim - - dab ~om Keimbl~tsehen aus, bei desscn AuflSsung zur Zeit der Reifung, gewisse der yon ihm angenommenen formbildenden Stoffe geliefert wUrden. Mag die Berechtigung der Annahme dahingestellt sein; auf alle F~tlle ware es yon Interesse, an irgendwclchen Keimen das normale Ver- h~tltnis zwischen Keimblaschen und Plasmamenge zu stSren und zu prUfen, was daraus folgt. In diesem Sinne trenntc ich einer groBen An- zahl unreifer Eier yon Astcrins einen Teil des Plasmas ab. Ein Resultat erzielte ich nicht, da das Material der vorgerUckten Jahreszeit wegen finbrauehbar war und fast ausnahmslos mehrfach befl'uchtet wurde. Ich habe meinen Versuch hier mitgeteilt in der Hoffnung, dab sich viel- leicht ein andrer an die LSsung" dcr hier vorliegenden Aufgabe macht.

Wenn wir aueh in Keimen, die abnorme Verh~tltnisse zwischen Chromatinsubstanz und Plasma aufweiscn, embryonale Ausg~ingc yon ~unharmoniseher Zusammensetzun$r sehen wollen, so kSnnen wir tie- kanntlich sa~en, dab solche Gebilde, n~imlich parthenogenetische Keime einer-: EibruehstUcke mit vollsti~ndigem Kern anderseits, sich typisch entwickeln. Erstere bringen racist, aber nicht immer, erst dureh Monasterbildung ihren Kern ,auf das richtige MaB ~). Doch wissen wit nicht, ob hier wirklich unharmonische Zusammensetzung' in bezug auf ftir die eiffentliche Differenzierung als solchc wichtige Bestandteile des Keimes vorliegt.

Sehon anl:,tBlich meiner ersten Arbeit tiber den Gegenstand babe ieh gesagt, dab die Tatsache der normalen Entwieklung unharmoniseh zusammengesetzter Ausg~tnge ohne weiteres den Sehlul3 erlaubt, daI~ die in ihren Quanten nicht zueinander passenden Bestandteile des Ausganges jedenfalls n ieh t im eig 'ent l ich ehemischen S inne an tier morphog'enetisehen Leistung beteiligt sind. Denn dann kSnnte es proportional-normale Morphogenese nur bei Wahrung der normalen Relation zwisehen jenen Quanten geben. Es kommt aber nur darauf

') Dieses Arch. 19. 1905. 8.648.

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an, dab jeder Bestandteil U b e r h a u p t anwesend ist. Eine nahe- liegende Annahme zur Erkliirung der beobachteten Phanomene ist wohl diese~ dab jene Bestandteile Protofermente oder Zymogene dar- stellen, welcbe j e n a ch B e d a r f aktiviert werden: das wUrde erkliiren~ dab jene Bestandteile Uberhaupt da sein mUssen, ohne dab doch ihr absolutes oder relatives Quantum eine Rolle spielt. Zwar t in ch e - mis che s Faktum w~tre solche Aktivierung vorgebildeter inaktivieiter Bestandteile vom Ganzen aus durchaus nicht, und so seheint es denn, als siihen wir in der Entwicklung unsrer unharmonisch zusammen- gesetzten Keime das vitale Problem zugleich in gr58ter Einfachheit und in grSBter Klarheit vor uns.

Ich habe andernorts 1) sehr eingehend die GrUnde dargelegt, welche eine r e i n c h e m i s c h e Theorie der Morphogenese u n a n n e h m b a r er- scheinen lassen. Die Tatsache, dab yon unharmonisch zusammen- gesetzten Ausg~tngen aus Harmonisches entstehen kann, ist mit unter diesen Griinden, obschon nicht als deren wesentliehster2). Er ist letzteres nicht, da wir eben doch nicht ganz sicher w i s s e n , ob die )~Bestandteile% dig wir in ihrer unharmouischen Zusammensetzung im Keimausgang s e h e n , nun auch Uberhaupt morphogenetisch so bedeutsam sind, wie wit meinen. Haben doch neuere Beobachtungen GAnnowsK~s 3) den BovnaIscheu Pigmentriug des Strongylocentrotus, haben doch die Centrifugierungsversuche 4) yon LYoN und MORGAN viele ~organbildende Stoffe~ andrer Keime als alles andre denn ,or- ganbildend~ erscheinen lassen. Beim Echinidenkeim wissen wir dutch meiue ~tlteren Arbeiten 5) immerhin so viel, dab animale und vegetative Keimhi~lften, je ftir sich genommen, sich wirklich recht verschieden- artig, obwohl gelegentlich ganz, entwickeln, und deshalb gewinnt gerade far diese Formen der h~achweis harmonischer Entwicklung unharmonischer Ausgii.nge mehr als blofi problematische Bedeutung.

Hat er aber diese grSBere Bedeutung ~ nun dann seheint mir auch, dab wir hier wirklieh der vitalen Elementarleistung unmittelbar

1) Biol. Centr. 27. 1907. S. 60, und Gifford Lectures: The Science and Philosophy of the Organism. I. p. 134.

'-') Der wesentlichste Grund fiir die Ablehnung jeder chemischen Theorie der Formbildung ist vielmehr die Tatsache, dai3 so viele chemisch gleich zusam- mengesetzte Bestandteile im 0rganismus in verschiedenen typischen Lagen sich befinden, und dab diese Bestandteile dazu noch jeweils, wie z. B. die Skelet- teile, eine 5.uSerst typisch individualisierte Form haben. Das verm(ichte nur die Annahme einer ,Maschine~( zu erkl~iren, aber . . . .

3) Bull. Acad. Cracovie. 1905. p. 599. 4) Dieses Arch. 23. 1907. S. 151, und 24. 1907. S. 147. ~j Dieses Arch. 10. 1900. S. 362, und 17. 1903. S. 41.

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geg.enUberstehen: Das g.egebene Stoffliehe, mit dem die Morphogenese sieh abfinden soll, paBt gar nieht in seinen Bestandtsilen zueinander; gut, abet der vitale Faktor ist imstande, diese Bestandteile in solehen und nur in solehen Quanten zu v e r w s r t e n , w i s sie zueinander passen. Sie mUssen nur Uberhaupt da sein.

Dieses ganze R~sonnement ist yon der Theorie des harmoniseh- ~quipotentiellen Systems als soleher unabh~ng.ig.. Es entsteht daher die Frage, ob es fur s ieh g.enommen sin Beweis der Autonomie des Lebens ist. Das seheint mir nun freilieh nieht der Fall zu sein, vielmehr l~Bt sieh ein wahrer Beweis des Vitalismus aus der Tat- saehe der typisehen Entwieklung unharmoniseh zusammengesetzter Keime nur dann g.ewinnen, wenn man aueh der Tatsache der harmo- nisehen-Xquipotentialit~t Reehnung tr~gt. Ein geg.ebener unharmo- nissh zusammengesetzter Keim k~ n n t e j a immerhin eine Masehinerie besitzen, welehe der riehtigen Aktivierung der hypothetischen Proto- ferments diente: erst die Tatsaehe, dab eben dieser unharmoniseh zusammengesetzte Keim ohne Anderung" des Resultats g'anz ebenso gut in a n d r e r Weiss unharmoniseh zusammengesetzt sein k~nnte , maeht sine Masehinerie g'edanklieh unm~g.lich. Das abet ist die Ar- gumentation der Theorie des harmoniseh-~quipotentiellen Systems.

Die M~g'liehkeit, den Vitalismus zu beweisen, und die Tat@ch- liehkeit vitalistisehen Wirkens sind nun freilieh zwei versehiedene Dinge. Erstere h~ng.t an der Eig.enart unsres Denkens, letztere am Gegebenen. In diesem Sinne k~nnen wit denn sagen, dal~ die Tat- saehe der harmonischen Entwieklung unharmoniseh zusammeng'esetzter Ausgangspunkte, obsehon sis an und far sieh den Vitalismus nieht zu beweisen gestattet, sondern nut zeigt, dab diese Entwieklung nieht einfaeh ehemiseh yon gegebenen Stoffquanten abh~ngt, dab diese Tat- saehe doeh das vitals autonome Geschehen uns in besonders elemen- tater Form vor Augen ftthrt.

Deshalb bildet die harmonisehe EntwieklunF, unharmoniseh zusam- mengesetzter e m b r y o n a l e r Teile eine so wiehtige und fundamentale Klasse aller Regulationen.

Wie nun eig.entlieh dis Enteleehie regulatoriseh in das materielle Gesehehen eing'reift, wie im Besonderen sie in unserm Fall das riehtige Quantum vorhandener Protofermente aktiviert, alas auseinanderzu- setzen ist bier nieht der Oft. Im zweiten Bande meiner ,Gifford Leetures,~ babe ieh versueht, eine ausgebaute Theorie der Beziehungen zwischen Organischem und Unorgauischem zu liefern.

Heidelberg. , 9. Mai 1908.