tunnelleiten mehrverkehr auffernpass 1,8... · 2020. 4. 28. · montag, 10. oktober 2016 | nummer...

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Tirol 5 1,8 Milliarden Euro gefordert: Land lässt Agrarier abblitzen Innsbruck – Noch auf zwei Ebenen wird derzeit das Ag- rargemeinschafts-Thema ju- ristisch geführt: Die Oppo- sitionsparteien im Landtag, SPÖ, Liste Fritz, FPÖ und Impuls, haben das 2014 be- schlossene Agrargesetz beim Verfassungsgerichtshof an- gefochten. Aus ihrer Sicht werden den 140 betroffenen Gemeinden wegen der Stich- tagsregelung nach wie vor Er- träge/Auszahlungen der 256 Gemeindeguts-Agrargemein- schaften aus der Vergangen- heit vorenthalten. 2800 der 14.000 Tiroler Agrarmitglie- der sehen sich wiederum entschädigungslos enteignet, weil sie nur noch ihre altein- gesessenen Nutzungsrechte an Wald- und Weide besitzen, Erlöse bzw. Einnahmen da- raus (Substanz) gehören je- doch den Gemeinden. Während nach der öffentli- chen Verhandlung Ende Sep- tember mit einer Entschei- dung der Höchstrichter zum Parteienantrag in den nächs- ten Wochen gerechnet wird, liegt diese in erster Instanz für den neuerlichen Versuch der Agrarfunktionäre, das Gesetz zu kippen, bereits vor. Die Abteilung Agrargemeinschaf- ten hat die Anträge nämlich vor wenigen Tagen abgelehnt. Inhaltlicher Beschluss ist kei- ner gefallen, das Land hat die Ansuchen aus formalen Gründen zurückgewiesen. Insgesamt hatten die 2800 Agrargemeinschafts-Mitglie- der von den Gemeinden nicht weniger als 1,8 Milliarden Eu- ro als Abgeltung verlangt. Bisher haben die Agrarier aber beinahe alle Verfahren von den Verwaltungs- und Höchstgerichten in Österreich verloren. Beraten werden viele Agrargemeinschaften seit Jahren von Agraranwalt Bernd Oberhofer, allein die Agrargemeinschaft Pflach hat zwischen 2009 und 2012 rund 48.000 Euro an Rechts- anwaltskosten bezahlt. Diesmal haben sie mit den Verfahren eine so genannte Prozessfinanzierungsagentur aus der Schweiz engagiert. Diese trägt das gesamte Ver- fahrensrisiko, im Erfolgsfall wird der Prozessfinanzierer allerdings mit 40 Prozent an der erstritteten Entschädi- gung beteiligt. Nach dem erfolglosen Ver- such im Land dürfte der nächste Schritt der Gang zum Landesverwaltungsgericht sein. Die Agrarfunktionäre wollen bis zum Menschen- rechtsgerichtshof in Straß- burg gehen, bis jetzt waren alle Versuche dort jedoch er- folglos. (pn) Der Antrag von 95 Gemeindeguts-Agrargemeinschaften bzw. 2800 Mitgliedern auf Enteignungsentschädigung wurde abgelehnt. Alle Erlöse aus Holzverkäufen gehören den Gemeinden, die Agrarier fühlen sich entschädigungslos enteignet. Foto: Böhm

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  • Montag, 10. Oktober 2016 | Nummer 281 Tirol 5

    Kurzmeldungen

    TumultartigerStreit in Wohnung

    Dieb stahl Geld inUmkleidekabine

    Mit Mofa anKreuzung gestürzt

    Stipendien fürTirolerInnen

    Widmungen auf KnopfdruckInnsbruck – Nicht einmaldie Einrichtung ist Sams-tagnachmittag in einerWohnung im InnsbruckerStadtteil Wilten unbescha-det davongekommen, alssich zwei Marokkaner (52und 26 Jahre alt) in dieHaare gerieten. Dabei hatder ältere den jüngerenMann auch leicht mit ei-nem Messer verletzt. (TT)

    Rietz – Neun Geldtaschenhat ein bislang unbekann-ter Täter am Samstag ineiner Umkleidekabine amSportplatz in Rietz geleert.Der Dieb war während ei-nes Fußballspiels zwischen16.30 und 17.15 Uhr in dieKabine der Spieler gegan-gen und konnte dort einenhöheren dreistelligen Eu-ro-Betrag erbeuten. (TT)

    Innsbruck – In der Kliniklandete am Samstag gegen22 Uhr ein 18-jähriger Af-ghane, der mit seinem Mo-fa an der Kreuzung in derSonnenstraße im Innsbru-cker Stadtteil Hötting zuSturz gekommen war. Derjunge Mann war auf der re-gennassen Fahrbahn aus-gerutscht und hatte sichdabei schwer verletzt. (TT)

    Innsbruck – Schüler undStudierende aus Nord-, Ost-und Südtirol, die bei ihrerGeburt dort gemeldet wa-ren, können sich bis 15. Maium ein Stipendium der Mi-chael-von-Zoller-Stiftungbeim Amt der niederöster-reichischen Landesregie-rung bewerben. Voraus-setzung ist der Schul- bzw.Studienerfolg. (TT)

    Innsbruck – Seit drei Jahrenbewährt sich der elektroni-sche Flächenwidmungsplan,mit dem Gemeinden Wid-mungen digital abwickeln.Bereits 139 Gemeinden ha-ben darauf umgestellt, bisJahresende werden weitere 14umgestellt, im Februar 2017folgen erneut sieben. „Die di-gitale Abwicklung ist transpa-rent, spart Zeit und Kosten“,sagt LR Johannes Tratter. (TT)

    LR Tratter: Bereits 139 Gemeindenhaben einen digitalen Flächenwid-mungsplan. Foto: Rottensteiner

    An Spitzentagen quälen sich bis zu 29.000 Pkw über den Fernpass. RichtungDeutschland bringen die geplanten Tunnel keine Entlastung. Foto: Böhm

    Tunnel leitenmehr Verkehrauf Fernpass

    Innsbruck – Welche Strategiehat die Politik für die Fern-passroute, auf der sich anWerktagen 12.000 und in Rei-semonaten bis zu 29.000 Fahr-zeuge in stundenlangen Stausquälen? Eineinhalb Jahre vorder Landtagswahl versprichtLH Günther Platter (VP) demAußerfern den Bau des Fern-pass-Scheiteltunnels. Auch amTschirganttunnel, der das Inn-mit dem Gurgltal verbindensoll, hält der Landeshaupt-mann fest. Und er war garnicht „entzückt“ darüber, dassVerkehrsminister Jörg Leicht-fried (SPÖ) dem 200-Millio-nen-Euro-Projekt als „nichtsinnvoll“ eine Absage erteilthat. Jetzt wird zwischen Lan-deshauptmann und Ministereinmal weitergeredet.

    Davor bringt Impuls dasThema auf das Tapet der Aktu-ellen Stunde, Parteichefin undEx-Lermooser Bürgermeiste-rin Maria Zwölfer fordert fürdie Fernpassroute endlich denImpuls einer nachhaltigen ver-kehrs- und umweltpolitischenGesamtplanung. Platter dürf-te einmal mehr seine Variantemit den Tunneln verteidigen,doch klar ist mittlerweile: EineStudie für das Land (Verkehrs-untersuchung zumTschirgant-und Fernpass-Scheiteltunnel)stuft die „verkehrlichen Wir-kungen“ als bescheiden ein.Vor allem an den Spitzentagenzu den Reiseverkehrszeiten.

    Andererseits wird der Ver-kehr durch die zwei Tunnel vorallem an den Werktagen aufdie Fernpassroute verlagert.„An Werktagen führen Tschir-gant- und Scheiteltunnel zueinem Verkehrszuwachs aufder Fernpassroute durch ver-

    lagerten Verkehr von 24 Pro-zent. Die komfortablere undschnellere Route zieht Ver-kehr vom Arlberg, von Schar-nitz und der Aschenseerou-te ab“, heißt es in der Studie.Die Fahrzeit von Reutte nachInnsbruck wird um 11 bis 13Minuten verringert, jene nachLandeck um vier bis sechs Mi-nuten.

    In den Reisezeiten bringendie Tunnel auf der Streckenach Deutschland gar nichts,vielmehr sind auch Blockab-fertigungen am Tschirgant-und Scheiteltunnel zu er-warten. „Mit zunehmendemVerkehr wird diese nachteiligeWirkung der Tunnel noch ver-stärkt“, kommt das Köll-Gut-achten zu einem eindeutigenSchluss. Demgegenüber spartman sich von Reutte kom-mend im besten Fall bis zuneun Minuten Fahrzeit.

    Insgesamt hängt alles jedochvom Fortbestand des Lkw-Fahrverbots am Fernpass ab.Professor Thomas Müller vomInstitut für Öffentliches Rechtder Uni Salzburg geht davonaus, dass es auch mit den Tun-nelstrecken zulässig ist. Undwenn nicht? „Eine Aufhebungdes Lkw-Fahrverbots am Fern-pass würde zu einer massivenVerlagerung des Schwerver-kehrs über die schnellere, bil-ligere und schwächer belasteteA7 (Füssen Anm. d. Red.) unddie Fernpassroute in der Grö-ßenordnung von 2400 Lkw proWerktag führen“, lautet derBefund der Verkehrsexperten.Ohne Fahrverbot würden sichdie Tunnel demnach unter derWoche massiv negativ auf dasVerkehrsaufkommen auswir-ken. (pn)

    1,8 Milliarden Euro gefordert:Land lässt Agrarier abblitzen

    Innsbruck – Noch auf zweiEbenen wird derzeit das Ag-rargemeinschafts-Thema ju-ristisch geführt: Die Oppo-sitionsparteien im Landtag,SPÖ, Liste Fritz, FPÖ undImpuls, haben das 2014 be-schlossene Agrargesetz beimVerfassungsgerichtshof an-gefochten. Aus ihrer Sichtwerden den 140 betroffenenGemeinden wegen der Stich-tagsregelung nach wie vor Er-träge/Auszahlungen der 256Gemeindeguts-Agrargemein-schaften aus der Vergangen-heit vorenthalten. 2800 der14.000 Tiroler Agrarmitglie-der sehen sich wiederumentschädigungslos enteignet,weil sie nur noch ihre altein-gesessenen Nutzungsrechtean Wald- und Weide besitzen,Erlöse bzw. Einnahmen da-raus (Substanz) gehören je-doch den Gemeinden.

    Während nach der öffentli-chen Verhandlung Ende Sep-tember mit einer Entschei-dung der Höchstrichter zumParteienantrag in den nächs-ten Wochen gerechnet wird,liegt diese in erster Instanz fürden neuerlichen Versuch derAgrarfunktionäre, das Gesetzzu kippen, bereits vor. DieAbteilung Agrargemeinschaf-ten hat die Anträge nämlichvor wenigen Tagen abgelehnt.Inhaltlicher Beschluss ist kei-ner gefallen, das Land hatdie Ansuchen aus formalenGründen zurückgewiesen.Insgesamt hatten die 2800

    Agrargemeinschafts-Mitglie-der von den Gemeinden nichtweniger als 1,8 Milliarden Eu-ro als Abgeltung verlangt.

    Bisher haben die Agrarieraber beinahe alle Verfahrenvon den Verwaltungs- undHöchstgerichteninÖsterreichverloren. Beraten werdenviele Agrargemeinschaftenseit Jahren von AgraranwaltBernd Oberhofer, allein die

    Agrargemeinschaft Pflachhat zwischen 2009 und 2012rund 48.000 Euro an Rechts-anwaltskosten bezahlt.

    Diesmal haben sie mit denVerfahren eine so genannteProzessfinanzierungsagenturaus der Schweiz engagiert.Diese trägt das gesamte Ver-fahrensrisiko, im Erfolgsfallwird der Prozessfinanziererallerdings mit 40 Prozent an

    der erstritteten Entschädi-gung beteiligt.

    Nach dem erfolglosen Ver-such im Land dürfte dernächste Schritt der Gang zumLandesverwaltungsgerichtsein. Die Agrarfunktionärewollen bis zum Menschen-rechtsgerichtshof in Straß-burg gehen, bis jetzt warenalle Versuche dort jedoch er-folglos. (pn)

    Der Antrag von 95 Gemeindeguts-Agrargemeinschaften bzw.2800 Mitgliedern auf Enteignungsentschädigung wurde abgelehnt.

    Alle Erlöse aus Holzverkäufen gehören den Gemeinden, die Agrarier fühlen sich entschädigungslos enteignet. Foto: Böhm

    Innsbruck – Diesmal sinddie vom Land finanzier-ten 72 Dienstposten in derLandwirtschaftskammernoch kein Thema, weil derEndbericht des Landes-rechnungshofs noch nichtvorliegt. 5,8 Millionen Eurowerden dafür aufgewendet.Der Landesrechnungshoffordert jetzt eine Reformund eine an Leistungen undAufgaben orientierte Abgel-tung. Die Liste Fritz nimmtdie Forderung aber bereitsdiese Woche im Landtagzum Anlass, um überhauptein Ende der Personalauf-wendungen durch das Landzu verlangen. Die Landesre-gierung wird aufgefordert,die Verflechtung zwischenLand und Landwirtschafts-

    kammer zu beenden und dieLandwirtschaftsförderungdirekt über eine Fachabtei-lung des Amtes der TirolerLandesregierung abzuwi-ckeln. „Die hierfür bishergeleisteten jährlichen Pau-schalzahlungen in der Höhevon 5,8 Millionen Euro andie LandwirtschaftskammerTirol sind einzustellen“, be-tont Klubchefin Andrea Ha-selwanter-Schneider.

    Dringlichkeit wird es kei-ne gegeben, weshalb dieListe Fritz mit einer schrift-lichen Anfrage an Agrarre-ferent LHStv. Josef Geisler(VP) nachlegt. 20 Fragenwerden Geisler gestellt. Voneiner exakten Kostenauf-stellung der bisherigen Pra-xis bis hin zum Gehalt von

    Kammeramtsdirektor Fer-dinand Grüner reicht dasAuskunftsbegehren. Hasel-wanter-Schneider drängtauf eine saubere Trennung,die Aufgaben von Land undInteressenvertretung soll-ten nicht vermischt werden.

    „Die gelebte Praxis, alljähr-lich aus dem Landesbudgetpauschal 5,8 Millionen Eurofür 72 Dienstposten in derLandwirtschaftskammer zurFörderabwicklung bereitzu-stellen, haben wir seit Lan-gem als intransparent undfalsch kritisiert. Wir haltenes auch jetzt für zu wenigweitreichend, wenn ÖVP-Landesrat Geisler statt pau-schal abzurechnen eben jenach Förderauftrag abrech-nen will.“

    Geisler hatte zuletzt ange-kündigt, dass der Vertrag an-gepasst werde. Die Zahlun-gen hält er für gerechtfertigt,die Bauernkammer leistegute Arbeit. (pn)

    Liste Fritz gegen Kammermillionen

    Haselwanter-Schneider wirft kriti-schen Blick auf die Abgeltung von72 Dienstposten. Foto: Böhm