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neu denken 13.4.2016 neu

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Die B AY E RN T O U RI SMU S Marketing G mbH veranstalte-te gemeinsam mit Ideengeber Kulturgipfel G mbH am 1 3 . April 2 0 1 6 im L iteraturhaus München eine Tagung mit dem Schwerpunkt „Kulturtourismus neu denken“.

Wie reisen kulturinteressierte Gäste in Zukunft? Werden sich die globalen U rlauberströme im Jahr 2030 in einen Massen-Sightseeing-Tourismus oder eher einen entschleunigten Authentizitäts-Tourismus aufteilen? Diesen und weiteren kul-turtouristischen Kernfragen stellte sich die Veranstaltung „Kul-turtourismus neu denken“, die von der Kulturgipfel GmbH in enger Zusammenarbeit mit der Bayern Tourismus Marketing GmbH am 13. April 2016 im Literaturhaus München veranstal-tet wurde.

Der Tourismus braucht Kultur und umgekehrt brauchen Kul-turakteure und -betriebe den Tourismus, um ein reisefreudiges Kulturpublikum anzusprechen, das fern von Alltag und ge-

für neue Impulse und inspirierende Blickwinkel ist. Dies war die Bilanz, die von uns gezogen werden konnte. Die Tagung „Kulturtourismus neu denken“ war ein weiterer Schritt hin zur Entwicklung Bayerns zu einer Kulturdestination von europäi-schem Rang und richtete sich an alle Entscheidungsträger und Akteure aus den Bereichen Kultur und Tourismus.

Ein besonderer Dank an dieser Stelle gilt den zehn Gastrefe-renten C hristian Henner- Fehr, Dr. B ernhard Maaz, G uido Wiegand, P rof. Dr. O liver Schey tt, Dr. T homas G irst, Dr. T ho-mas Schmidt- O tt, Wolfram P utz, P rof. Dr. B irgit Mandel, Dr. Y vonne P rö bstle und Dr. Silke Zimmermann.

Sie alle haben in ihren Vor- und Beiträgen spannende Ausblicke

Herzliche Grüße

IhrDr. Martin Spantig & Jochen Gnauert

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Dokumentation zur Tagung „kulturtourismus neu denken“ am 1 3 . 4 . 2 0 1 6

Dr. Martin SpantigGeschäftsführer BAYERN TOU RISMU S Marketing GmbH

J ochen G nauert Geschäftsführer Kulturgipfel GmbH

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Wie reisen wir in Zukunft?............................................3Dr. Martin SpantigGeschäftsführer BAYERN TOU RISMU S Marketing GmbH

Digitale E rlebnisräume..................................................7C hristian Henner- Fehr Kulturberater, Wien

C ultural and Regional G overnance...........................11P rof. Dr. j ur. O liver Schey ttGeschäftsführer Kulturexperten GmbH

Rückkehr des Realen....................................................15Dr. T homas G irst Leiter Kulturengagement BMW Group

Das Museum der Zukunft............................................19Dr. B ernhard Maaz Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen

o er e are re rofitiere ........................23G uido WiegandU nternehmensleitung Studiosus Reisen München GmbH

a hi i t a iel ..................................................28Dr. T homas Schmidt- O ttDirector Arts & Entertainment, TU I Cruises GmbH, Berlin

( Massen- ) T ourismus als C hance für Audience Development und Kulturelle B ildung?.....................32P rof. Dr. B irgit MandelLeitung Bereich Kulturmanagement und Kulturvermittlung,U niversität Hildesheim

Kulturtouristen. E in Zukunftsportrait.....................35Dr. Y vonne P rö bstleAgentur Kulturgold, Stuttgart Wie plant eine ländliche P remium Hotel- und Kulturdestination?................................................37Dr. Silke ZimmermannArtistic Director, Schloss-Elmau GmbH & Co. KG

G enius L oci. Der G eist des O rtes wird zum Reiseziel.........................................................39Wolfram P utzGründungspartner GRAFT Gesellschaft von Architekten mbH

I mpressionen...................................................................43

I mpressum | B ildnachweis..........................................44

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I nhaltsverzeichnis

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Wie reisen wir in Zukunft?

Auf der heutigen Tagung geht es neben der Fragestellung, wie wir in Zukunft reisen, vornehmlich auch um die Frage-stellung, wie reisen wir in Zukunft zur Kultur? Schauen wir uns im Jahr 2030 die Exponate überhaupt noch selbst an oder digitalisieren wir nur noch, setzen dann Posts ab und unsere Freunde auf Face-book sehen damit mehr von den Kunst-werken als wir? Betreten wir die Museen, Opernhäuser, Kirchen und Klöster noch

-ten? Rund um diesen großen Fragen-komplex möchte ich neun Thesen auf-stellen, neun Prognosen, wohin die Reise aus meiner Sicht gehen könnte.

Als erstes möchte ich auf die Fragestel-lung eine Antwort suchen, inwieweit wir einen verstärkten Massen-Sightseeing-Tourismus haben werden. Dann, inwie-weit sich das Feld der Kulturtouristen noch weiter fragmentieren wird in einen detailverliebten Authentizitätssuche-Tourismus und in einen emotional kul-turaneignenden Tourismus. Werden wir in Zukunft noch Gäste haben, die sich auch emotional der Kultur nähern? Be-obachten wir vielleicht das gute alte Phänomen des First-Mover-Kulturent-deckers wieder, für den „Lonely Planet“ etwas entdeckt hatte, wohin dann alle gepilgert sind? Eine große Fragestellung ist auch, ob der Markt des Kulturtouris-mus sich in Zukunft noch von den Ange-

lassen wird. Ich stelle mir auch die Frage, inwieweit in Zukunft noch mehr Kultur-angebote speziell für den Tourismus ent-wickelt werden. Dann muss auch die gro-ße Fragestellung behandelt werden für eine Destination wie Bayern: Wird auch der ländliche Raum, also nicht nur die ur-banen Ballungsräume, vom weiteren An-steigen der kulturtouristischen Zahlen

-gehend, werden die Bereisten als tragen-de Säule später überhaupt noch vorhan-

den sein, wenn sich Modelle wie Airbnb und die dahinterliegende Nachfrage weiter verselbstständigen? Last but not least, ebenfalls eine wichtige Frage für den bayerischen Tourismus, aber auch global gesehen für den gesamten Touris-mus und speziell für die Hotellerie, wer-den Hotels wieder ästhetische Orte, also wieder Zentren von kulturellem Leben?

Zwei Hauptstränge der kulturtouristischen Nachfrage

Zur ersten These: Aus meiner Sicht wird es 2030 in der kulturtouristischen Nach-frage zwei Hauptstränge geben. Sie existieren auch heute bereits, aber bis dato nehmen wir diese Stränge als eine einzige große Masse an Kulturtouristen wahr. In den nächsten 15 Jahren werden diese Stränge deutlich auseinanderge-hen und sich letztendlich komplett von-einander unterscheiden: In eine große und immer größer werdende Gruppe der „Sightseeing-Punktesammler im

dem gegenüberliegend eine ganz anders gerichtete kulturtouristische Nachfrage, die man vielleicht als „Destinationskul-tureintaucher im Mitschwimmmodus“ umschreiben könnte. Das ist etwas, was

bin sicher, dass gerade auch die zweite Richtung deutlich größer wird.

Highlight fotografiert und gepostet

Zunächst aber zum Sightseeing-Punk-tesammler. Es ist ein alltägliches Bild:

Exponaten auch den Rücken zu und fo-

tritt dabei eigentlich in den Hintergrund. Dasselbe geschieht auch auf Konzerten. Man schaut nicht mehr auf die Bühne geschweige denn hört wirklich zu – man

-nahme auch wirklich gelingt. Dieser

Typus wird uns in Zukunft öfter begeg-nen, zu den Gründen komme ich gleich. Aber auch wenn diese Gruppe wächst, kommen diese Menschen nicht auto-matisch zu uns nach Europa, Deutsch-land oder Bayern. Denn – auch das ist heute bereits absehbar – es wird einen starken Konkurrenzkampf um die Grup-pe der Sightseeing-Punktesammler ge-

These „neue globale Konkurrenten aus dem Nichts“. Als Beispiel sei hier nur Abu Dhabi genannt. Wo es vor fünf Jahren nur Sand gab, wird eine komplette Kul-turinsel geplant. Nun entstehen dort das neue Guggenheim Abu Dhabi, ein Abu Dhabi Louvre und eine Oper, allesamt gebaut von renommierten Architekten, die bereits den Pritzker-Price gewonnen haben. Nach der Vollendung dieser Ge-bäude ist Abu Dhabi mit dem Versenden einer einzigen Pressemeldung dann auf der kulturtouristischen Landkarte der Selfie-Punktesammler angekommen, die in Scharen wegen der spektakulären Architektur anreisen.

-

geht es um Highlights. Die Kuppel des Reichstags, in Zukunft auch die Elbphil-harmonie oder große Ausstellungen wie die Botticelli-Ausstellung diesen Winter in Berlin, all das hat Chancen bei dieser Touristengruppe. Auch für Bayern be-stehen da ein paar Chancen, wenngleich begrenzte. Die Pinakotheken, das welt-berühmte Schloss Neuschwanstein oder Bauwerke von Pritzker-Architekten wie die Allianz Arena gehören zu den Zielen, zu denen die Sightseeing-Punktesamm-ler weiterhin pilgern werden. Gut zu fo-

-bekannten Markennamen einhergeht,

neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neudenken neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neu kultur neu denken denken neu denken neu denken neuneu tourismus 2030

Wie reisen wir in Zukunft?

aneignenden Tourismus, einen detailverliebten First-Mover-Kulturentdecker-Tourismus und einen entschleunigten Authentizitätssuchetourismus?

Dr. Martin Spantig

GeschäftsführerBAYERN

Marketing GmbH

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wie etwa die BMW-Welt, hat eine Chance auf den größer werdenden internationa-len Quellmärkten. Die Gruppe der Punk-tesammler wird auch deswegen wach-sen, weil es immer leichter wird, eine Punktesammlung anzulegen. Vor meh-reren Jahrzehnten war das gar nicht so einfach, denn man musste sich selbst ein Bild davon machen, was kulturell wichtig

Welterbestätten gibt, kann man sich an diesem System orientieren – gleich ob Reiseveranstalter, Menschen mit Lust

Massenquellmärkte wie Südamerika, Indien oder China. Der Tourismus nutzt also bei dieser Zielgruppe die kulturellen

auch für 2030 wird das weiter so sein.

Feel like a local

Ganz anders bei den Destinationskultur-eintauchern. Deren Anspruch ist „feel like a local“, ein Wunsch, den viele Platt-formen wie Airbnb und Co bedienen. Bei einem Städtetrip nach Paris wollen diese Touristen nicht morgens ans Hotel-Früh-

oder Croissant selber in der nächstbes-

-tion werden. Die Süddeutsche Zeitung hat es einmal so zusammengefasst: „der

gleichzeitig dem alltäglichen Leben sehr nahe sein“. Meine dritte These ist, dass das Volumen der Destinationskulturein-taucher im Mitschwimmmodus weiter wachsen wird.

Hotels als kulturelle Zentren

Wie wird die Hotellerie auf diese Ent-wicklung reagieren? Es bleiben nicht viele Möglichkeiten. Ich denke, Hotels werden, was sie früher schon mal wa-ren. Meine vierte These lautet, dass Ho-tels wieder Orte des kulturellen Lebens,

sogar Zentrum eines kulturellen Öko-systems werden. Eines ist sicher: sie werden sich der eigenen Bürgerschaft

einfache Maßnahmen sein, indem aus dem abgezirkelten Frühstücksraum eine Frühstücksbar für alle wird, oder die Lobby, die sich in eine gefragte Espres-sobar im Ort verwandelt. Es geht darum, Punkte der Begegnung für Touristen und

-nen die Hotels der größer wachsenden Nachfrage, die sich über Airbnb abbil-det, begegnen. Optimaler Weise wird das Hotel selbst zum Sightseeing-Punkt. Ein Best-Practice-Beispiel ist das Haus

-lich ein Hotel einer großen, standardi-sierten Kette aber ein markantes Zei-chen in der Stadtsilhouette. Damit aber

nicht genug: durch die Nutzung einer der oberen Etagen als Bar, anstatt dort Luxussuiten unterzubringen, ist dort ein

-sche gleichermaßen entstanden. Bei ei-

Torre Agbar, wird sich zeigen ob Hyatt ein ähnliches Konzept verfolgt, oder ob die Architektur exklusiv den Hotelgästen vorbehalten bleibt. Es sind also einfache Maßnahmen, die helfen, die Bevölke-rung in den Kulturtourismus einzubezie-hen. Das hilft zum einen der Moderation gegenüber der Bevölkerung bezüglich der Belastung von Orten durch das tou-

allem aber befriedigt es diese Nachfra-ge, die aktuell über Airbnb abgearbeitet wird. Dabei muss man es nicht zwingend in der Form machen, wie es ein Airbnb-Angebot in Chicago als Zimmer hat

ausbauen lassen. In einem Museum in Chicago hängt eine Version des „Schlaf-zimmer in Arles“ von Vincent van Gogh. Dem wurde ein Zimmer, das von Airbnb angeboten wird, baulich nachempfun-den. Ich persönlich halte davon relativ wenig, aber auch das ist eben eine Mög-

-gut mit reinzubekommen ins Übernach-tungsangebot für den Kulturtouristen, weil eben dieses Kunstwerk im Chicago Art Institute hängt.

Viel sinnvoller erachte ich da Wege, die Kultur in die Kreisläufe des Tourismus, in die Hotellerie mit einzuarbeiten. Am Beispiel von Schloss Elmau zeigt sich, dass man Kultur betriebswirtschaftlich sinnvoll – und durchaus ertragreich – in die Hotellerie integrieren kann. Es gibt

zudem Chancen für Wirtshäuser auf dem Land, die auch mit dieser Nachfrage ein-hergehen. Kleinkunstbühnen, Kino im

-bende Brassbands, Dichterlesungen, Poetry Slam, dies sind alles Dinge, die ei-ner neuen Nachfrage zugeführt werden können. Die Enge des Saals ist eigentlich genau das, was die Destinationskultur-eintaucher im Mitschwimmmodus ha-ben wollen. Aber diese Angebote müs-sen halt auch von uns, auch gerade in Bayern, entwickelt werden.

Kultur im ländlichen Raum

Dies führt mich zur fünften These: Kultur-

nur ausschließlich im urbanen Raum statt. Einem Megatrend folgend, werden im Jahr 2030 etwa 59 Prozent der Weltbevöl-

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„Die Enge des Saals ist eigentlich genau das, was die Destinationskultureintaucher

im Mitschwimmmodus haben wollen“

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-rigen Geschichte des Reisens hat sich die Nachfrage eigentlich immer gegensätz-lich zu dem gestaltet, was der Reisende in

fast 60 Prozent der Weltbevölkerung in

Städten lebt, wird die touristische Nach-frage nach ländlichen Räumen meiner Meinung nach automatisch größer, inso-fern man sich entsprechend aufstellt. Die

ist durchaus als langfristiges Vorbild taug-lich. Auch dort gab es mal eine komplette Florenz-Fixierung der Reiseströme. Heute ist es in der Toskana so, dass die wohlha-benden Touristen aus Großbritannien und den Vereinigten Staaten im ländlichen

zu anderen Dörfern, Kirchen oder Klös-

unternehmen. Der ländliche Raum muss dabei natürlich auch als Bühne für den Gast funktionieren, sicherlich können in dem Punkt nicht alle Destinationen mit der Toskana mithalten. Es gibt also neue Perspektiven, ein gesamtes Gebiet für Kulturtouristen interessant zu machen und das sicherlich auch für den ländli-chen Raum in Bayern – damit bin ich bei meiner sechsten These angelangt. Es gilt,

aufzugreifen. Im ländlichen Raum das zu kopieren, was es in den Städten weltweit ohnehin schon gibt, macht keinen Sinn.

-tischen Mix für den potentiellen Gast aus Brauchtum und Hochkultur, aus Religion und auch lokaler Kulinarik. Für den Kul-turtourismus in Bayern ist das eine echte

-

standen noch nicht wissen, wie wir die Menge an Einzelbausteinen am besten

Bayern, darunter 900 Stadt- und Dorfen-sembles, 7.000 Kirchen und Klöster. Rund

98 Prozent davon sind noch gar nicht in den bayerischen Tourismus integriert. Mit 1.350 Ausstellungshäusern und Museen ist unser Angebot dem der Toskana zahlen-mäßig wahrscheinlich sogar überlegen,

über Zusammenschlüsse in der Kultur-

arbeit gemeinsam auch international zu -

haus in Blaibach in Ostbayern sind neue, attraktive Player für den bayerischen Kul-

-zukommen. Wir werden durch die größer werdenden internationalen Quellmärkte größere Chancen haben, woraus sich in der zweiten Stufe mehr Individualreisen-de, auch aus Asien, ergeben. Sowohl die Kulturanbieter als auch die Touristiker müssen die Distanz zum kulturellen Ob-

dabei in Bayern nicht bei null an. München verbindet schon seit längerem Kultur und kulinarische Kultur miteinander und auch im fränkischen Weinland werden Kultur-landschaft, Kultur, Architektur mit Wein und Kulinarik bei der Gästegewinnung zu-sammengebracht. Es wird in Zukunft für den ländlichen Raum auch über die digi-tale Welt neue Impulse geben, Vertriebs-wege wie GetYourGuide, eine Plattform, die hauptsächlich urbane Kulturanbieter vermarktet, dort Tickets für Louvre und

Co. verkauft, geht ebenfalls zunehmend in den ländlichen Raum. Auch für die Rei-severanstalter bringt dies ganz neue He-rausforderungen mit sich.

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„Sowohl die Kulturanbieter alsauch die Touristiker müssen die Distanz

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Rückzugsprobleme

Wenn allerdings diese ganzen Sightsee-

wenn noch mehr Menschen mitschwim--

welt, dann ergeben sich automatisch auch Probleme. Wir wollen Authentizität vermarkten, aber die Träger dieser au-thentischen Kultur müssen den Rückzug antreten – und sie treten den Rückzug sehr widerwillig an. In Barcelona beispiels-weise gibt es zu diesem Thema eine hitzi-ge Diskussion, die vielerorts durch Trans-

parente mit „No Tourists, No Hotels“ -

re Agbar ist aktuell auf Eis gelegt, weil die Politik bei der Erweiterung des Tourismus in der Stadt nicht mehr mitmacht und viel mehr Rücksicht auf die Wünsche der Bür-ger nimmt. Das Zusammenleben der Kul-turtouristen und der Authentizitätsträger muss also moderiert werden, soweit mei-ne siebte These. Schon heute sehen sich Städte wie Barcelona, New York, Berlin, aber auch Bamberg und Rothenburg mit Rückzugsproblemen konfrontiert. Für Ve-nedig kann man eigentlich schon den Voll-zug des Rückzugs vermelden. Die Stadt ist eigentlich nur noch eine perfekt vermark-tete Architekturkulisse – im Mitschwimm-Modus geht da bereits nichts mehr. Wir sprechen hier über einen Trend, den wir

-elle ökonomische Entscheidungen sind,

oder eben nicht. Sicher ist: bis 2030 wird mehr Übernachtungskapazität in kulturell interessanten Destinationen entstehen. Der daraus resultierende Gegentrend ist, dass für die dort lebenden Menschen in der Destination bald kein Platz mehr ist. Das gilt auch für die Kulturanbieter. Wenn

diese Orte, die Opern, Bühnen, Theater, Museen von Touristen überrannt werden und die Bürger der Region nicht mehr an Tickets kommen, dann gibt es vor Ort Probleme und diese müssen von uns früh-zeitig antizipiert und moderiert werden.

Kultur vs. Hochkultur

Die achte These ist weniger eine tou-ristische als eine kulturhistorische The-se. Viele halten diesen Ansatz ohnehin bereits für überholt, aber es gibt noch immer genügend Kulturanbieter, die

-lärkultur und sogenannter Hochkultur beharren. Bis 2030 wird sich meiner

bei Bürgern und Touristen endgültig auf-gelöst haben. Als Beispiel mag hier das Museum of Modern Arts in New York dienen – im Jahr 2011, 21 Jahre nach Pro-duktionsauslauf, entschied das Museum, einen stahlblauen Jaguar E-Type in die Sammlung aufzunehmen. Der vielleicht vornehmste Platz für ein automobiles Kunstwerk und gleichzeitig Beweis da-für, dass die Alltagskultur schon längst in musealen Räumen angekommen ist.

Im Rezipieren von unseren kulturellen Produkten und Erzeugnissen wird es

-zen geben – auch im Tourismus. Diese

-rellen Angeboten unterscheidet sich nach dem Quellmarkt, nach der Vor-bildung bezüglich europäischer Kul-tur, nach dem Herkunftsmilieu und letztlich hängt sie auch vom Rezipient selber und seiner Tagesform ab. Diese

-

on werden weiterbestehen, auch im Tourismus. Das unterscheidet aber nicht Hochkultur von „anderer“ Kultur.

Digital Detox sucht nach Ruhezonen

Neunte und letzte These: Eine Gegen-reaktion auf den Trend zur allgegenwär-tigen Digitalisierung des Alltags wird sein, dass immer mehr Menschen nach digitaler Abstinenz in „Oasen der Kultur“

Gartiser und Steenken – suchen. Vielesuchen nach dem Original als Antwortauf das tagtägliche Agieren in virtuellenLebenszusammenhängen. Das wird sichin Richtung 2030 aus meiner Perspektivemit Sicherheit noch weiter entwickeln und vor allem steigern. Darin liegt eine großeChance für Kulturanbieter. Denn viele, die diese Oasen aufsuchen, werden zunächstals Touristen bei diesen Kulturanbieternankommen. Diese Kulturanbieter könnenin Zukunft noch stärker Teil der sogenann-ten „Sinnmärkte“ sein, und mit Kultur

Ich komme zum Schluss wieder zurück auf ein Beispiel aus Bayern, dem Schloss El-mau, das als Hotel ein umfangreiches Kul-turprogramm hat und nicht nur als Oase des Kulturtourismus funktioniert, son-dern auch sonst eine gewisse Oasenfunk-tion hat. Dort ist man stolz darauf, seit 100 Jahren Anbieter für „Food for Thought“ zu sein. An diesem Ort hat man schon länger erkannt, dass sich in den Sinnmärkten sowohl für den Tourismus als auch für die Kultur, die sich mit Tourismus verbindet, ein möglicher Wachstumsmarkt zeigt.

Soweit meine neun Thesen zu verschiede-nen korrelierenden Aspekten, die aus un-serer Sicht für die Zeitschiene bis ins Jahr

-nosen wagt, bin auch ich gespannt, wie die Wirklichkeit des globalen Kulturtouris-mus in 14 Jahren aussehen wird.

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„Das Zusammenleben der Kulturtouristen und der Authentizitätsträgermuss moderiert werden“

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Social Media: die Mö glichkeit, live aus dem U rlaub zu berichten

Die Frage nach der Zukunft des Kul-turtourismus kann nur beantworten, wer sich Gedanken darüber macht, in welche Richtung sich der Tourismus entwickelt und wie wir unseren U rlaub zukünftig verbringen werden. Es ist j a nicht gesagt, dass wir weiterhin ferne Länder besuchen. Vielleicht bereisen wir sie nur noch virtuell aus unserem bequemen Sessel heraus? Ob wir uns dann weiter vorab informieren werden, wohin die Reise gehen soll?

Heute ist das noch so und dabei sind wir vor allem auf die Medienkanäle, die die Tourismusanbieter anbieten, angewie-sen. Das sind hauptsächlich deren eigene Kanäle ( „Owned Media“) und die Kanäle, für deren Nutzung die Tourismusbranche bezahlen muss ( „Paid Media“ wie zum Beispiel Inserate und TV-Spots) . Eine direkte Kommunikation mit dem Gast fand früher telefonisch, per Post oder direkt vor Ort statt. Dank Social Media ist das heute anders. Über die Netzwer-ke ist Kommunikation j ederzeit möglich, Kunden und Interessenten können den Anbieter ihrer Wahl direkt ansprechen

erhalten. Gleichzeitig berichten sie aber auch in ihren Netzwerken über ihre Rei-se- oder U rlaubserlebnisse. Damit wird nicht mehr nur das Vorher und Nachher einer U rlaubsreise kommunikativ abge-deckt, sondern auch die U rlaubs- und Reisezeit selbst. Geteilt werden diese Informationen und Inhalte laut einer ak-tuellen Statistik überraschenderweise gar nicht hauptsächlich über Facebook. Der Trend geht eher weg von den sozia-len Netzwerken hin zu Messenger-Syste-men. Facebook scheint aus verschiede-nen Gründen an Bedeutung zu verlieren. In Punkto Datenauswertung eine für uns ungünstige Entwicklung, weil uns Face-book doch etliche Daten zur Verfügung stellt. Bei Messenger-Systemen wie

WhatsApp oder Snapchat tappen wir da – zumindest derzeit – noch ziemlich imDunkeln. Aber welche Inhalte teilen sol-che U ser, wenn sie diese Netzwerke undMessenger-Systeme nutzen? Werbungist es auf alle Fälle nicht. Gefragt sindvielmehr gute – oft visuelle – Inhalte.

O utbound- und I nbound-Marketing: es kommt auf die richtige Mischung an

Damit kommen wir zu einer Entwick-lung, die das Marketing entscheidend

Inbounds-Marketings. Während es beim Outbound-Marketing das Ziel ist, Inhalte möglichst weit zu streuen, als Beispiele seien hier Fernsehwerbung oder Insera-te genannt, geht es beim Inbound-Mar-

und zwar über gute Inhalte, seien sie nun unterhaltend, hilfreich oder informativ. Eine große Herausforderung, wenn wir

bedenken, dass sich diese Handlungs-weise komplett von unserem bisherigen Tun unterscheidet. Aber was nützen gute Inhalte, wenn ich sie als U ser nicht ent-decke? Die sozialen Medien spielen beim Entdecken eine wichtige Rolle, aber wenn wir unser eigenes Suchverhalten beob-achten, merken wir, dass wir nach wie vor hauptsächlich Suchmaschinen – und dabei vor allem Google – nutzen, um fün-dig zu werden. Damit gelangen wir zu ei-nem Punkt, der eine entscheidende Rolle

Es reicht nicht, nur auf Facebook, Twitter oder Instagram vertreten zu sein oder Snapchat bedienen zu können – es geht nach wie vor um die gute, alte Website und die Frage, über welche Suchbegrif-fe unser Angebot gefunden werden soll.

Auch in Zeiten von Social Media ist die Webseite immer noch die zentrale An-laufstelle und sollte dementsprechend optimiert werden. Eine gute Position im Ranking erreichen wir entweder durch gute Inhalte oder den Einsatz von Geld ( Google AdWords) . Davor sollte aber klar sein, was wir mit der Webseite eigentlich zu erreichen beabsichtigen und welche Informationen wir dort bereitstellen. U nter U mständen informieren wir nicht nur über unsere Angebote, sondern ver-folgen darüber hinaus das Ziel, die Besu-cher der Website für unseren Newsletter zu interessieren. Als ich damals meinen Blog begann, bin ich dem Irrtum aufge-sessen zu glauben, mein Newsletter sei

denn nach wie vor ist der Newsletter das Tool, über das wir am besten verkaufen. Ein Ziel unserer Website könnte also sein, den Kunden dazu zu bringen, unse-ren Newsletter zu abonnieren. Newslet-

sie landen direkt im Postfach des Inter-net-Nutzers und da mir bis heute kein Internet-Nutzer bekannt ist, der nicht über eine eigene E-Mail-Adresse verfügt und darüber kommuniziert, erreichen wir auf diesem Weg mehr Menschen als auf Facebook. Auch wenn das Inbound-Marketing immer wichtiger wird, auf das Outbound-Marketing sollte niemand verzichten. Nur wenn wir die richtige Mischung von Inbound- und Outbound-

-täten zum Erfolg führen.

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Digitale Erlebnisräume als Modell für die Zukunft

verlangt. Dies zwingt Tourismusbetriebe und Kultureinrichtungen, sich mit dem Thema Customer Experience zu beschäftigen. Wie sieht dieser Weg hin zu den Kunden aus und welche Technologien und Methodiken stehen uns dafür zur Verfügung?

C hristian Henner- Fehr

KulturberaterWien

„Auch in Zeiten von Social Media ist die Webseite immer noch

die zentrale Anlaufstelle“

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Keine Märchen, sondern G eschichten:

tor telli g al r er

Wer gefunden werden möchte, muss gute Inhalte auf seinen Kanälen – zum Beispiel der Website – anbieten, sonst verschwinden die U ser sehr schnell wie-der und kommen nicht mehr wieder. Storytelling ist ein an dieser Stelle oft genanntes Schlagwort. Gemeint ist da-mit nicht die Märchenstunde oder der

-men zu lassen. Storytelling, das bedeu-tet, Geschichten gezielt einzusetzen, um wichtige Inhalte besser verständlich zu machen. Mit Hilfe des narrativen Den-

begeistern unsere Zuhörer für Ziele und Visionen. Die Herausforderung besteht darin, mit geeigneten Inhalten den Zu-

Regel handelt es sich dabei nicht ein-fach um reine Information, auch Enter-tainment und Sinnstiftung spielen eine große Rolle. Wenn wir wissen, welche Inhalte wichtig sind und funktionieren, können wir uns mit der Frage beschäf-tigen, welche Social-Media-Kanäle dazu passen beziehungsweise welche Rich-tung in der Kommunikation eingeschla-gen werden soll. Damit kommen wir zu den U sern. Welche Bedürfnisse haben sie und hält das Bild, das wir von ihnen ha-ben, der Realität stand? Wenn ich Kultur-einrichtungen nach ihrer Zielgruppe fra-

Oft ist dann von „allen Kulturinteres-sierten zwischen 20 und 60“ die Rede. Dafür einen gemeinsamen Nenner zu

-volle und für alle spannende Kampagne zu entwickeln, ist fast unmöglich. Für eine so heterogene Zielgruppe muss mit unterschiedlichen Ansätzen und Ge-schichten gearbeitet werden, welche die unterschiedlichen Bedürfnisse der j ewei-ligen Teilzielgruppen berücksichtigen. Am liebsten arbeite ich dabei mit dem Persona-Modell. Das heißt, ich entwick-

konkreten Bedürfnisse. Wie reisen die Personen an? Welche digitalen Geräte verwenden sie? Zu welchen Gelegenhei-ten benützen sie ihre Smartphones oder den Computer? Ausgehend davon kom-me ich dann wieder zurück zu der Frage, welche unserer Inhalte diese Bedürfnisse befriedigen können.

Worin liegt der Nutzen der Webseite?

Für die Bereiche Kultur und Tourismus hat sich der Ansatz von Mirko Lange, einem Berater für die Themen Content Strategie, Content Marketing und Social Media als hilfreich erwiesen. Ausgehend von den Bedürfnissen der U ser teilt er die Websiteinhalte in vier Quadranten. Dabei unterscheidet er zwischen funk-tionaler und emotionaler Ebene sowie momentbezogenem und nachhaltigem Angebot.

Ich möchte dies kurz an einem Bei-

Informationen, die einen funktiona--

nungszeiten und Ticketpreise – und vor allem für die gedacht sind, die in der nächsten Zeit die Ausstellung besuchen

möchten. U nentschlossene reagieren vielleicht eher auf ein Video, das zum Museumsbesuch einlädt und sie eher emotional anspricht. Der Ausstellungs-katalog hingegen gibt den Besuchern die Möglichkeit, ihr Wissen zu erweitern. Wir bewegen uns also wieder auf der funktionalen Ebene, allerdings geht es um einen nachhaltigen und damit lang-

Innerhalb dieser vier Quadranten muss sich eine Kultureinrichtung oder Touris-musdestination positionieren. Meines Erachtens müssen alle vier Quadranten berücksichtigt werden. U m die einzel-nen Bereiche abzudecken, stehen ver-schiedene Kanäle zur Verfügung. Ein Blog bietet sich zum Beispiel an, um in die Tiefe zu gehen – also für Wissensver-

-mentbezogene Informationen können Kurznachrichten über Twitter, aber auch kurze Presseaussendungen das richtige Tool sein.

o ile fir t

Bei der Frage nach dem richtigen Ka-nal gilt es zu berücksichtigen, dass wir

unsere Online-Aktivitäten nutzen. Welt-weit gesehen haben sie seit etwa 2013

Internet überholt. Auch im deutschspra-

in der U -Bahn oder im Zug, wenn wir uns unterwegs informieren oder auf U n-terhaltung aus sind, stehen die mobilen

Geräte im Vordergrund. Wir nutzen sie -

fen. Je kürzer der Prozess dauert, desto

neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neudenken neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neu kultur neu denken denken neu denken neu denken neuneu tourismus 2030

mobile E ndgeräte für unsereOnline-Aktivitäten“

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besser. Amazon zeigt mit ClickAndBuy, wie wichtig Einfachheit und Nutzer-freundlichkeit sind. Ein Klick und das gewünschte Produkt gehört Ihnen. Tau-chen Hindernisse auf, wie etwa das Aus-füllen endloser Formulare, sinkt diese Bereitschaft eklatant oder verschwindet sogar ganz. Gut, nun bucht vermutlich niemand seine Reise mit einem Klick, aber schnell und bequem sollte der Be-stellprozess schon sein.

Was beim Thema mobiles Internet ganz -

le die Seiten auch danach, ob sie mobil zugänglich sind oder nicht. Ist dies nicht der Fall, werden j ene Seiten bei der Google-Suche über ein mobiles Endge-rät erst gar nicht angezeigt. Eine mobile Variante ist also unerlässlich, um bei den Suchergebnissen überhaupt berück-sichtigt zu werden. Dazu kann man ent-weder eine mobile Seite erstellen oder eine App nutzen. Das Nutzerverhalten

besteht ein Verhältnis von neun zu eins zugunsten von Apps. Das Ganze hat al-lerdings einen Haken. Wir nutzen zwar lieber Apps und wir nutzen sie auch sehr

Anzahl bei den meisten U sern auf zehn

in einem Dilemma. Auf der einen Seite spricht viel dafür, eine App zu nutzen, auf der anderen Seite ist es eine riesengro-ße Herausforderung, zu diesen wenigen ausgewählten Apps zu gehören.

Den technologischen Fortschritt für Apps nutzen

mit Hilfe neuer Technologien den U sern einen Mehrwert zu bieten. NFC-Tags etwa sind für den Museumsbereich in-teressant. Mit ihrer Hilfe lassen sich sehr einfach Informationen an bestimmten Orten deponieren, zum Beispiel neben

Ausstellungsobj ekten. Das ist auch mit Beacons möglich, kleinen Sendern mit einem Sendebereich von bis zu einem Meter. Ob NFC-Tags oder Beacons, bei-de Technologien erlauben es, auf große Wandtexte zu verzichten und stattdes-sen beliebig viele digitale Inhalte zur Ver-fügung zu stellen. Ausstellungsobj ekte lassen sich aber auch mit Augmented Reality, der digitalen Erweiterung rea-ler Obj ekte, anreichern. Ein archäologi-sches Museum etwa stellt Bruchstücke eines alten römischen Tempels aus. Mit Hilfe von Augmented Reality sieht der Besucher in seinem Smartphone das frü-here Bauwerk in seiner ganzen Pracht. Reale Räume virtuell abzubilden, ist das nicht etwas, wovon viele träumen? Die Staatlichen Kunstsammlungen in Dres-den haben vor knapp zehn Jahren die

Gemäldegalerie Alte Meister eins zu eins in Second Life nachgebaut. Das Angebot wurde leider 2011 wieder eingestellt. Der Fehler war in meinen Augen, dass es nur darum ging, die Ausstellungsräume ab-zubilden. Bei einem derartigen Angebot

geht es für mich darum, die Besucher zu involvieren, „Partizipation“ zu ermög-lichen. Ein Ansatz könnte hier sein, die Besucher im virtuellen Raum die Aus-stellung nach ihren eigenen Wünschen hängen zu lassen, was vermutlich moti-vierender wirkt, als lediglich die Wirklich-keit abzubilden.

Die C ustomer J ourney abbilden

Zusammenfassend lässt sich sagen, hier wird auf verschiedenen Ebenen eigent-lich eine sogenannte Customer Journey in ihren verschiedenen Zeitphasen ab-

nach dem Besuch. Die digitalen Kanä-le und speziell die Sozialen Netzwerke sind deswegen so wichtig, weil wir uns hier in allen Phasen mit den Besuchern

vernetzen können. So bleiben wir mit ihnen in Kontakt und kommen viel leich-ter wieder an sie heran, als es früher der Fall war. Vor ein paar Jahren ging es bei Social Media nur um Interaktion. Wenn wir heute Marketing im digitalen Raum

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machen, dann geht es ganz beinhart auch um Daten. Marketing Automati-on heißt in diesem Zusammenhang das Schlagwort. Dabei handelt es sich um Softwaretools, die Daten sammeln und dann auf Basis dieser Daten entspre-chende Informationen automatisiert an die j eweiligen Interessenten, Besucher oder Kunden verschicken.

Alle diese Ansätze, Technologien und Entwicklungen zusammenzuführen, das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. Für mich ist klar, dass Apps da-bei eine tragende Rolle spielen werden. Nicht so klar ist allerdings, wie die App der Zukunft aussieht.

V irtuelles Ö kosy stem mit An-dockstationen

Aber gehen wir noch einmal zur App un-serer Tage zurück. Zwei Kollegen, Frank Tentler und Martin Adam, haben vor einiger Zeit ein mobiles Ökosystem ent-wickelt, die sogenannte Smartsphere. Kern dieses Ökosystems ist eine App. An ihr lassen sich verschiedene Modu-le anhängen. Es entwickelt also nicht

j eder länger allein seine eigene App, sondern es gibt vielmehr eine überge-ordneten Ebene, wie Stadt, Region oder auch eine Marketing-Gesellschaft, die eine Art Basis-App zur Verfügung stellt. Die Zusammenstellung der Module ist

Museen oder Kultureinrichtungen einer Stadt oder Region in dieser App unter ei-nen Hut zu bringen. Möglich ist es aber natürlich auch, sich zum Beispiel an der

Customer Journey eines auswärtigen Museumsbesuchers zu orientieren. Ne-ben Informationen über das Museum selbst wird angezeigt, wie ich dort über-

Verkehrsmittel ich nutzen muss. Ide-alerweise ist diese App auch gleich an den Verkehrsverbund angeschlossen, um das entsprechende Ticket in der App erwerben zu können. Ein Ansatz, den vermutlich viele Besucher zu schätzen

wir mehrere Anbieter an Bord, lassen sich die Kosten für die App teilen, was für alle beteiligten Kultureinrichtun-gen und U nternehmen sinkende Kos-ten bedeutet.

Über ein zentrales Content-Manage-mentsystem besteht in diesem mobilen Ökosystem die Möglichkeit, verschiedene Points of Interest zu gestalten. Interes-senten von tiefergehenden Informatio-nen können damit genauso abgeholt wer-den, wie diej enigen, die sich nur auf die Schnelle informieren wollen. Dieses mo-

j ede Region oder Stadt gelegt werden und es gibt endlose Möglichkeiten, diese digitalen Erlebnisräume zu gestalten.

Was mit all diesen Technologien mög-lich ist, erahnen wir zum j etzigen Zeit-punkt noch gar nicht. Mark Zuckerberg möchte beispielsweise sogenannte Chatbots in seinen Messenger integ-rieren. Wie der Name Bot schon verrät, steckt hinter solch einem Chat dann kei-ne andere Person, sondern eine künstli-che Intelligenz, ein Algorithmus, der au-tomatisch mit dem U ser kommuniziert. Google arbeitet daran, dass wir nicht

länger Apps herunterladen und wieder löschen müssen, sondern automatisch ein entsprechendes App-Modul instal-liert wird, das nach Gebrauch wieder verschwindet. All das lässt sich auch im Kultur- und Tourismusbereich einset-zen, der Fantasie sind da, denke ich, keine Grenzen gesetzt.

Im Sinne des Cluetrain-Manifests, ers-

Gespräche“ geht es aber nach wie vor in

Kommunikation, gleich welchen Kanal Sie verwenden – eine App, Facebook, eine Webseite oder einen Newsletter. Wer das nicht vergisst, hat schon mal gute Karten.

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„Es geht nach wie vor in erster Linie um

um Kommunikation,gleich welchen Kanal man verwendet“

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C ultural and Regional G overnance

„Cultural and Regional Governance“ –

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Die Handlungslogik der Akteure im Netzwerk

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einem gemeinsamen Ziel: Reisende soll

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V on C ompetition über C oopetition zu C o- C reation

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Cultural and Regional G overnance-

P rof. Dr. j ur. O liver Schey tt

GmbH

Netzwerken

Handlungslogik

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im Kulturtourismus bedeutsam. Hierbei

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G overnance –wie funktioniert das Sy stem?

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einander verbunden sind. Governance

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-cational Governance“ oder „Regional

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Rechts vor links – Regelstrukturen im Netzwerk

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-E xzellenzen

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Wissen x E rfahrung x U rteilskraft

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B est P ractice: die RuhrKunstMuseen

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Euro Eigenanteil erbringen mussten.

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„Zentrale P unkte

Aufmerksamkeit“

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unter G esichtspunkten

Newsletter alleine

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Zukunft braucht Herkunft

Bereits 1912 wurde über München als eine „Hauptattraktion des Kontinents“, „magische Metropole“, „Athen an der Isar“ und „Hauptstadt des Jahrmarkts“ geschrieben. Vor über 100 Jahren hatte sich München also bereits touristisch und kulturell weltweit mit großem Er-folg positioniert, nicht zuletzt durch die Schaltung internationaler Anzei-gen. Die Idee, die Stadt aus der Kul-tur heraus für den Tourismus attraktiv zu machen, ist also keine neue. Die Vorzeichen haben sich allerdings ver-ändert. In Zeiten von Globalisierung und Wachstum ist die „Rückkehr des Realen“ ins Blickfeld gerückt, um im Wettlauf um die Aufmerksamkeit und letztlich den Besuch von Touristen be-stehen zu können. Dieses Reale hat dabei etwas mit Herkunft zu tun. Wo-für eine Stadt steht, kann kaum künst-lich erzeugt werden – um authentisch zu wirken, muss etwas historisch ge-wachsen sein. Das Zitat des deutschen Philosophen Odo Marquardt „Zukunft braucht Herkunft“ kommt dem entge-gen, genauso wie die Aussage des briti-schen Städteforschers und Publizisten Charles Landry, wenn er von „Heritage and Creativity“ spricht. Kreativität ist eine erneuerbare Energiequelle; das Erbe, die Überlieferung, die Tradition, also das, was wir mit „Heritage“ be-zeichnen, dessen Basis.

U SP s im Aufmerksamkeitswettbewerb

In der Ökonomie der Aufmerksamkeit bedarf München bestimmter Touris-tenattraktionen oder U nique Selling Points, die die Stadt authentisch und für den Tourismus attraktiv machen. Eine befreundete Galeristin aus Bei-j ing sagte, als sie zum ersten Mal nach München kam: „Munich is a village“. Aber genau das macht München aus,

es ist ein Asset, das man entsprechend für den Tourismus und gerade auch für die Kultur im Aufmerksamkeitswettbe-werb nutzbar machen kann.

München boomt. Ende 2015 gab es in München 1.520.000 Einwohner. Bis 2030 rechnet man mit einem Wachstum von ungefähr 15 Prozent. Im Tourismus geht es – wie übrigens auch in anderen deutschen Städten – mit Wachstums-raten von fast j ährlich fünf Prozent suk-zessive weiter nach oben. In München allein wurden 2015 insgesamt etwas mehr als 14 Millionen Übernachtungen gezählt, europaweit geht eine Erhe-bung der „World Tourism Organisation“von 609 Millionen Touristen aus. Das ist ein Business von rund 1.200 Milliarden Dollar j ährlich. Trotz Terror wird in Euro-pa weiterhin ein fünfprozentiges Wachs-

-tiert auch München.

Wenn es darum geht, München global zu positionieren, spielen außerdem die Reisenden aus den Megacitys eine große Rolle, Städte mit über 10 Mil-lionen Einwohnern. 1950 gab es zwei Megacitys auf der Welt, heute sind es 35. Bis 2030 wird rund zwei Drittel derWeltbevölkerung in Städten leben,j etzt ist es erst die Hälfte. In den chi-nesischen Ballungsgebieten Chengdu,Chongqing, Wuhan und Tianj in lebenmehr Menschen als in der Bundesrepu-blik Deutschland. U nd dieses immenseWachstum setzt sich fort. U m beim Bei-spiel China zu bleiben: 2025 wird es dort221 Städte mit mehr als einer MillionEinwohner geben, in ganz Europa gibt

man hier das Begehren, München zubereisen?

Zentrifugale Kraft er e trifi ier g

Eine Herausforderung ist die zentrifu--

dratmeter im Zentrum Londons kostet --

spricht in etwa einem 50 bis 60-stöckigen Hochhaus mit Wohnungen von 200 bis

Dollar. Die Zahl der U ltra High Net Worth Individuals, definiert als Individuen mit über 30 Millionen Dollar an Vermö-gen, wird in weniger als zehn Jahren in Städten wie London und New York um 30 Prozent steigen. Welche Auswirkun-

gen haben derart hohe Preise und neue Bürger auf j ene Menschen, die im Kultur-bereich arbeiten, also auf die sogenann-te Creative Class in den Städten? Diese Berufsgruppe bezieht Gehälter, die es ihr fast unmöglich macht, selbst in den Städ-ten zu leben. Wie kann man also diese Menschen, die so wichtig sind für die Kul-tur der Städte und deren Authentizität bei diesen enormen Preisen überhaupt noch dort halten? Auch München muss seinen Teil dazu beitragen, mit Proj ekten wie dem Kreativquartier gegenzusteu-ern. U nd das nicht mit dem Bau von Hips-ter Favelas. Seitens der Wirtschaft muss ebenfalls glaubhaft investiert werden, um diesem internationalen Aufmerk-samkeits- und Wirtschaftswettbewerb etwas entgegenhalten beziehungsweise darin bestehen zu können.

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Rückkehr des Realen-

mittelbarer sinnlicher Erfahrung und Erkenntnisgewinn, die der Kulturtourismus anbieten muss, um im Aufmerksamkeitswettbewerb 2030 erfolgreich bestehen zu können.

„München ist eine magische Metropole, ein Athen oder ein Florenz an der I sar.“

Dr. T homas G irst Leiter

Kulturengagement BMW Group

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Die C reative C lass als Wirtschaftsfaktor

Die „Creative Class“ als Wirtschaftsfak-tor wurde von dem U S-amerikanischen Ökonomen Richard Florida in den 1970er Jahren geprägt. Sie ist für die postin-dustrielle Gesellschaft ein essenzieller Wirtschaftsfaktor. In Deutschland ist die Kultur- und Kreativwirtschaft mit 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Branchenvergleich zwischen Chemiein-dustrie und Automobilindustrie ange-siedelt. Die Zahlen, was Theater- und Museumsbesucher bundesweit anbe-langt, liegen bei 120 bis 140 Millionen Personen im Jahr. Das ist eine enorme

Hand weiß das auf Länder-, Kommu-nen- und auf bundesrepublikanischer Ebene mit neun Milliarden Euro auch entsprechend zu fördern. Das sind sehr gute und gesunde föderalistische Zu-stände, die erhalten werden müssen. U m die Authentizität als U nique Selling Point und – nochmal Charles Landry

zitierend – die Distinctiveness, die Be-sonderheit, das Erkennungsmerkmal, das Alleinstellungsmerkmal einer Stadt zu bewahren, muss der Creative-City-

-ten muss man zur Bewahrung der Crea-tive Class entgegenwirken, indem man

U nterstützung ermöglicht, sprich den

es überhaupt zu einer Ansiedlung von Start-ups etc. kommen kann. Diese Au-thentizität kann Herkunft liefern. U nd hier sind wir bei dem, was ich als Rück-kehr des Realen bezeichnen möchte.

Die Rückkehr des Realen

wurde von dem Kunsthistoriker Hal Fos-ter schon Ende des letzten Jahrhunderts geprägt. Heute verbringen wir viel Zeit in den sozialen Medien. Das einstige „Second Life“ ist mittlerweile unser First Life geworden. U mso mehr gewinnt es

an Bedeutung, dass wir uns real mit Din-gen auseinandersetzen, etwas wirklich live erleben. Es ist eine Sehnsucht nach unmittelbarer sinnlicher Erfahrung ge-wachsen, die gerade Museen in beson-derem Maße erfüllen können. „Anmut ist eine Bewegung“, bemerkte Edmund Burke in seinem Aufsatz über das Sub-lime Mitte des 18. Jahrhunderts, Live-Performances stehen heute wieder hoch im Kurs. Was gibt es Schöneres als ei-nen sich durch den Raum bewegenden, choreographierten Körper? Wim Pij bes, der Direktor des Rij ksmuseums in Ams-

2013 vom Museum als „letztem Refu-gium der Authentizität“. Authentizität ist ein entscheidender Faktor, wenn es eben darum geht, auch das Begehren zu

-ter man beispielsweise das Gemälde der Mona Lisa online betrachtet, umso grö-ßer wird nachweislich der Wunsch, das Original sehen zu wollen. Walter Benj a-min schreibt in seinem Aufsatz von 1936 „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner tech-nischen Reproduzierbarkeit“ über die Vervielfältigungsmöglichkeiten und dar-über, sie in den Dienst der Revolution zu stellen. Die Aura eines Kunstwerks lässt sich j edoch nicht vervielfältigen, dafür muss man ins Museum gehen. Das Digi-tale kann das Original nicht ersetzen.

Demokratisierung des Zugangs

Die Demokratisierung des Zugangs von Museen ist dabei ein wichtiger Faktor.

-ren davon, wenn Kunstinteressierte von Buenos Aires bis Beij ing die Möglichkeit haben, sich selbst ihre Ausstellung di-gital zusammenstellen und kuratieren zu können. Wenn ihnen die Möglichkeit gegeben wird, nicht nur das, was im Mu-seum an der Wand hängt, sondern auch das, was in den Kellern, in den Magazi-nen ruht, zu sehen – und das sind meist 95 Prozent des Gesamtbestands! Laut Martin Roth, dem Direktor des Victoria

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and Albert Museums, steckt ein großes Potenzial der Museen vor allem darin, sichtbar zu machen, was nicht in den Ausstellungsräumen hängt.

Das Digitale treibt das Analoge

Das Google Arts Proj ect, das vom Google Art Institute in Paris aus geleitet wird und mit dem bereits über 1.000 Muse-en weltweit kooperieren, ist zwar kein Heilsbringer, aber es ist auch nicht der große Konkurrent, wie das beispiels-weise im Buchmarkt der Fall ist. Google macht es möglich, die Sammlung digital

-gänglich zu machen. So kann man stun-denlang j eden einzelnen Pinselstrich der „Geburt der Venus“ von Botticelli in den

-um wäre es gar nicht möglich, so nah an

-net sich also hierdurch eine ganz andere Welt des Zugangs. Digital und analog verhalten sich komplementär zueinan-der – im Museumsbetrieb ganz anders als in der Buchbranche, und sei es durch die endlosen Möglichkeiten von Virtual Reality, beim Erschließen von verborge-nen Sammlungen wie beim Erkenntnis-gewinn. Je mehr das Angebot eines Mu-seums digital zugänglich ist, desto mehr Besucher kommen letztendlich auch real in das Museum – das Digitale treibt so-mit das Analoge.

Spectator as C ontributor

Was in der Wirtschaft der „Customer as Creator“ ist, dem entspricht im Muse-um der „Spectator as Contributor“, der Betrachter als Beteiligter. Partizipation und Interaktion. Das bedeutet nicht, dass Museen ihre Autorität oder den Expertenstatus aufgeben, wann welche Kunstwerke in Ausstellungen gezeigt werden. Aber die Möglichkeiten für den Besucher, sich in bester DIY-Manier ent-sprechend einbringen zu können, analog

wie digital, via Virtual Reality wie vor Ort, haben sich dadurch sehr erweitert. So können die Besucher zum Beispiel im digitalen Raum Gemälde nebeneinander hängen, die ihnen am besten gefallen.

Das Metropolitan Museum in New York hat j ährlich sechs Millionen Besucher, bei den digitalen Besuchern zählen wir knapp 50 Millionen weltweit. Je mehr Münchner Institutionen damit anfangen, ihre Inhalte intelligent und passend für die Digital Natives und für die Millennials ins Netz zu stellen und so deren Interesse zu wecken, umso mehr wird es gelingen, diese Menschen als reale Besucher zu gewinnen.

T ransnational Mobility

Die Zukunft gehört aber auch der Kon-templation und Museen von morgen müssen stille Orte der Betrachtung blei-ben. Orhan Pamuk, Nobelpreisträger für Literatur, schreibt in seinem Manifest für Museen, dass Museen nicht länger Nationen repräsentieren sollen, son-dern Individuen. Holland Cotter schrieb

kürzlich in der New York Times über das Museum der Zukunft, dass es vom Selbstverständnis her nur facetten-reich, selbstkritisch und heterodox Be-stand haben kann. Dass die Zukunft des

Museums sozusagen in der eigenen Kü--

hang mit dem Kulturtourismus 2030 bedeutet das, dass die Touristen mit dem Heimischen unmittelbar in Verbin-dung treten können. Ein Austausch den

Emphase mit Empathie in Einklang brin-gen. Transnational Mobility, wie das Lily Kong von der National U niversity of Sin-gapore 2014 in einem Aufsatz formuliert – Mobilität von Ideen, von Menschen,von Technologie, von Finanzen und vonBildern – ist dafür essenziell. Interkultu-reller Austausch ist nicht etwas Erstre-benswertes in Kultur und Tourismus, esist vielmehr die Grundlage eines erfolg-reichen weltweit greifenden Geschäfts-modells. Auch für die Megastädte, die ineinem immer engeren Zusammenhangzueinander stehen, oftmals näher zuei-nander als zu ihrer unmittelbaren geo-

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graphischen U mgebung. Kulturinstituti-onen, die visuell arbeiten, kommt dabei in Bezug auf das Key-Image etwas ganz Wichtiges zugute. Wir leben in einer Welt des „Iconic Turns“, einer Welt, die vom Text ins Bild übergeht. Menschen lassen sich lieber auf YouTube Dinge erklären, als dass sie es auf Wikipedia nachlesen. Das Key-Image ist essenziell bei j eder Markenkampagne eines U nternehmens, wenn es darum geht, Begehren zu schaf-fen und bei der – auch touristischen – Vermarktung dessen, wofür eine Stadt steht. Eben diese Bilder können Museen, können kulturelle Institutionen über die Architektur, über ihren Fundus entspre-chend liefern. Dazu ist noch das Key Mo-ving Image gekommen. Schlüsselbilder, sogenannte Key Visuals, die in der inter-nationalen Aufmerksamkeitsökonomie in die großen internationalen Zeitschrif-ten und Medien, digital wie online beste-hen. Seitens BMW gibt es keine Kultur-initiative mehr, in der nicht auch ein Key

Berichterstattung im medialen und oder sozialen Raum eingebunden wird. Auch für Museen ist diese Übung essenziell.

Die Smart C ity als Art C ity

Damit kommen wir abschließend zum -

len noch Angst, weil er mit Überwachung assoziiert wird. Bei einer Diskussionsrun-de in der BMW-Welt Mitte April über Smart Citys mit über 500 Jungunterneh-mern wurde die „Smart City“ als digital,

zunächst nichts mehr als eine soziale, eine gesellschaftliche Plattform. U nd diesen sozialen Aspekt der Smart City kann natürlich eben auch die Art City entsprechend liefern. Für den Tourismus

Sammlung wichtig. Aber gerade in der Architektur spielen die Themen „U rba-

immer größere Rolle. U nd was ist Ar-chitektur anderes, als ein Mittel, um den

aufregenden Austausch unter Menschen zu ermöglichen, wie das Lewis Mumford bereits 1937hat? 2014 stellte in München die Initiati-ve des Künstlerduos Elmgreen & Dragset

„A Space Called Public“ die Frage: „Was

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Stadt?“ Der englische Garten beispiels-weise ist so eine „grüne Oase“ des Wohl-

Zufallsprinzip zum Tragen. Chaos brütet Innovation, wie Richard Sennett wusste. Wie beim Flaneur von Baudelaire oder

Guy Debords Prinzip des „dé rive“ kann der Raum voller Abenteuer sein, wenn man es zulässt und den Weg von A nach

die auf unserem Kaufverhalten beruhen. Genau hier muss die Städteplanung an-

setzen, wenn es darum geht, eine Stadt entsprechend zu positionieren. Schlie-ßen möchte ich mit dem Satz von Car-lo Ratti vom Massachusetts Institute of Technology „The best way to create your

urban future is to invent it.” München ist sehr gut aufgestellt für 2030, wenn es sich mehr als Global Player im Tou-rismus versteht, weg vom manchmal so typisch selbstreferentiellen Solipsismus dieser Stadt. Mit dem Blick von einer Metaebene, mit dem Blick auf globa-le Zusammenhänge sollte es München für die nächsten 13 Jahre bis 2030 ge-lingen, sich optimaler zu positionieren.

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„The best way to createyour urban future is to invent it.“

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T ourismus und Digitalisierung führen zum O riginalkunstwerk – Münchens P inakotheken und ihre Filialen

U nser heutiges Thema ist das Museum der Zukunft, doch beginnen möchte ich zunächst mit dem Museum der Gegen-wart und namentlich den Münchener Pi-nakotheken. Sie sind das Zentrum eines Netzwerks von Staatsgalerien, das zwei Dutzend Häuser unter einer Dachmar-ke, der der Bayerischen Staatsgemäl-desammlungen, vereint. Diese genießt nicht nur Weltruhm. In dieser zwei Jahr-hunderte hindurch gewachsenen Traditi-on liegt auch ein demokratischer Aspekt und Impuls, der auf königliche Zeiten zurückgeht – und in die Zukunft hinein- und weiterwirkt. U nser 2015 neu heraus-gegebener kleiner, doch ansprechender Band mit dem Titel „Die Pinakotheken in Bayern“ führt erstmals zu allen Gale-rien der Staatsgemäldesammlungen in ganz Bayern hin. Nur die wenigsten Mu-seumsinteressierten wissen bisher, dass sich der außerordentlich hochkarätige Bestand dieser einzigartigen Sammlun-gen weit über die Stadt München hin-aus erstreckt. Das darin manifestierte Wechselspiel von Zentrum und Periphe-rie, von Stadt und Land, Hauptstadt und Flächenstaat ist j edoch grundlegend. Ich betone deshalb immer wieder sehr ger-ne, dass wir vom gesamten Flächenstaat Bayern getragen sind und nicht nur von der Münchner Staatsregierung oder gar nur von der Stadt. Deshalb ist es auch eine gute Tradition, dass wir dem Land etwas „zurückgeben“!

Amtlich heißen die Pinakotheken in Bay-ern „Bayerische Staatsgemäldesamm-lungen“. Die touristische und Marketing-Schlagkraft liegt allerdings auf den Be-

möglicherweise ein wenig vom Fußball, bei dem der „Pinakotheken“ von einem Alleinstellungsmerkmal. Dies möchte ich

Die Keimzelle des G efüges – die Alte P inakothek

Die „Alte Pinakothek“ ist die Keimzelle der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die mit rund 25.000 Gemälden eine der bedeutendsten und größten derartigen Sammlungen der Welt darstellen. Natür-lich sind die Kunstwerke die eigentlichen, die wahren Attraktionen, aber neben der Begegnung mit dem Original und mit des-sen Aura existieren und wirken auch die Museumsräume und -bauten als indivi-duelle, die Eindrücke steigernde Erlebnis-räume. Das von dem Architekten Leo von Klenze errichtete und in der Nachkriegs-zeit von Hans Döllgast souverän und in-dividuell wiederaufgebaute Gebäude der Alten Pinakothek verkörpert seinerseits Kunst-, Architektur- und Weltgeschichte. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus allerdings auf interessan-te Weise sinnvoll umstrukturiert: Die be-sonnten Räume auf der Südseite wurden

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neu konzipiert. Museen sind zwar primär Bestimmungsorte der Kontemplation, aber auch des Diskurses und des Gesprä-ches. So ist es nur erstrebenswert, wenn der Tourismus für große Besucherströme sorgt und wenn wir die Bauten darauf ausrichten. Diesbezüglich war Döllgasts

Diese Berücksichtigung größerer Besu-cherströme bringt freilich eine weitere Aufgabe mit sich: München braucht ei-nen Busparkplatz im Innenstadtbereich, der stark genug ist, um die Destination München abzubilden und zu bedienen. Als Vorbild kann hier das Rij ksmuseum in Amsterdam dienen. Der dortige Bus-parkplatz ist als Tiefgarage realisiert, und so stehen genügend Parkplätze zur Ver-fügung, sind aber doch fast unsichtbar und stören das Bild nicht. Meine Vision für München als touristische Destinati-on wäre eine solche unterirdische Bus-station südlich der Alten Pinakothek.

Diese – bereits heute kommenden, hin-sichtlich des Service aber suboptimal versorgten – Busreisenden wie auch die Einzeltouristen künftig durch passende Führungsangebote an die Museen zu binden und in die Museen zu lenken, da-für gibt es viele Ansätze. Allein bei den Staatsgemäldesammlungen existieren rund 30 verschiedene Führungsformate von den alten Meistern bis zur Gegen-wartskunst und für unterschiedlichste Zielgruppen. Verdeutlichen wir uns das an einem Gemälde wie der „Alexander-schlacht“ von Albrecht Altdorfer ( 1529) . Ausgehend von diesem Meisterwerk kann man sich beispielsweise der Ge-schichte des königlichen Sammelns und der bürgerlichen Weiterentwicklung nä-hern, dessen roter Faden sich bis zu den Mäzenen von heute spannt, die München wie keiner anderen deutschen Stadt ihre Sammlungen zur Verfügung stellen. Über dasselbe Gemälde kann auch die Rezeption antiker Themen, die Militär-geschichte, die Renaissance oder die Selbstdarstellung von Königen erschlos-sen werden, die solche Kunstwerke j a für ihre Schau- und Prunkräume anfertigen ließen. Eine Aufgabe der Museen ist es, den Multiplikatoren – also j enen, die un-sere Gäste als Vermittler begleiten – die-se Methodik und deren vielfältige Mög-lichkeiten bewusst zu machen.

Hilfreich sind in diesem touristischen Zusammenhang natürlich „Ikonen“ als Werbeträger. Dürers Selbstbildnis im Pelzrock ist eine solche Ikone. In einem der bedeutendsten Selbstbildnisse der Renaissance zeigt sich Albrecht Dürer in der Geste des göttlichen Weltenrich-ters, also anspruchsvoll. Er trägt einen Marderpelz, und damit verletzt er die damalige Etikette, denn dieser Pelz war

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Das Museum der ZukunftMuseen und Dauerausstellungen sind scheinbar unveränderlich, unverrückbar. Ist das wirklich so? Was bieten die Originale? Brauchen wir die digitalen Bilder gar nicht für das Museum? Das Museum der Zukunft wird die modernen Medien der Gegenwart mit den Künstlern der Vergan-genheit verschränken. Der Tourismus spielt dabei eine wesentliche Rolle – und sie wird wachsen.

Dr. B ernhard Maaz

Generaldirektor der BayerischenStaatsgemälde-

sammlungen

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dem Bürger eigentlich verwehrt. Ein au-ßerordentlich spannender, mit heutigen „Fashion“-Interessen zu verknüpfender Vermittlungsansatz auf der Grundlage

dieses Bildes kann also beispielsweise die Kleiderordnung der Renaissance sein: Die Themen sind uferlos und vielfältig.

B eleuchtung im Museum: zurück zur Natur!

Eine weitere solche Ikone ist Peter Paul Rubens‘ „Großes Jüngstes Gericht“. Seit März 2016 sind die Räume in der Alten Pinakothek wieder für die Besucher zu-gänglich, in denen unter anderem dieses größte und faszinierende Gemälde des Hauses hängt, nunmehr aufs erfreulichs-te, nämlich unter weitgehender Ausnut-zung des Tageslichts. Während sich ei-nerseits die digitalen Medien entwickeln und die massenhafte Wahrnehmung der Bilder verändern, hat sich andererseits auch die Beleuchtungstechnik in den Museen und damit die Wahrnehmung der Originale grundlegend entwickelt. Das Tageslicht kann heute maximal ge-nutzt werden und bedarf dann nur dort der Verstärkung, wo es nicht ausreicht. Das wird den Museumsbesuch und die Wahrnehmung der Obj ekte verändern!

Die j etzige U mgestaltung ist j edoch weitaus mehr als nur ein technischer U mbau: Sie wird zum Werbefaktor, zum touristischen Kapital. Üblicherwei-se werden Museen in einem einzigen Schritt saniert, was bei der Alten Pina-kothek lediglich aus abwicklungstechni-schen Gründen anders praktiziert wird. Ein entscheidender Zugewinn ist j etzt eingetreten, dass nämlich die Besucher die Möglichkeit bekommen, während des U mbauprozesses einen direkten Vergleich zwischen der Wirkung des Tageslichts in den Räumen, die bereits umgestaltet wurden, und den bisherigen Lichtverhältnissen in j enen Räumen, die erst im nächsten Bauabschnitt überar-beitet werden, anzustellen: welch eine Chance! Sie können die Rubenssäle nun im wahrsten Wortsinn in einem anderen Licht erleben. Dieser temporäre U m- oder Zustand ermöglicht den Besuchern also, unmittelbar am Veränderungspro-zess der Lichtverhältnisse teilzuhaben und damit das Museum als einen leben-digen Ort zu erleben.

Das B indeglied zwischen den I nstituti-onen – die Neue P inakothek

Auch die Sanierung der Neuen Pinakothek wird ab 2018 vorangetrieben, unter ande-rem, um den heutigen Anforderungen und Vorschriften hinsichtlich Sicherheit, Tech-

gerecht zu werden. Die Beleuchtung wird dabei nicht nur als Komfort- und Verschö-nerungsfaktor für die Bilder und Besucher verstanden und berücksichtigt, sondern es geht vor allem um Energiebilanzen und Kostenfaktoren. Denn was an Licht ( und somit an Wärme) in diese hausinterne Bi-lanz eingetragen wird, muss durch Küh-lung wieder ausgeglichen werden. U nd auch durch steigende Besucherzahlen stieg über Jahrzehnte der Wärmeeintrag – ein weiterer Grund für die energetischeSanierung. Solche Sanierungen kostennatürlich Geld, aber sie sind eine Investi-tion in ein attraktives und auf Jahrzehnte

hinaus künftig verlässliches Museum. Im Ablaufen der Betriebserlaubnis der Neu-en Pinakothek zum 31. Dezember 2017 ( wegen der Brandschutzvorschriften) liegt also eine Chance. Das Haus ist dann vier Jahrzehnte alt, und Museen bedür-fen normalerweise nach drei Jahrzehnten einer Revision – und zwar nicht nur des ausgestellten Bestandes, sondern auch der Architektur und insbesondere der Klimatechnik. Insofern ist die Sanierung der Neuen Pinakothek unaufschiebbar. Der Ort für die Präsentation der Haupt-werke der Neuen Pinakothek, die wäh-rend der Sanierungszeit weiter gezeigt

Nachdenken über Museen bedeutet nicht nur Nachdenken über die Kern-gruppen der Besucher, sondern zuneh-mend auch über Randgruppen, wobei sich ein quantitativer Anstieg feststellen lässt. Natürlich müssen wir dem stetig wachsenden Anteil an älteren Men-schen in unserer Bevölkerung begegnen ( sie gehören zu den verlässlich an der Kunst in der Neuen Pinakothek Interes-sierten! ) , dürfen aber auch die anderen Gruppen nicht vernachlässigen. So ha-ben wir etwa mit der sogenannten „Kän-guruführung“ ein Angebot für Mütter mit Babys im Tragetuch konzipiert.

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Nun noch ein Wort zur Werbung: Vincent van Goghs „Sonnenblumen“ in der Neu-en Pinakothek sind ein mächtiger Wer-beträger. Drei späte Gemälde van Goghs, das einzige von Leonardo da Vinci sowie das einzige Ensemble von drei Bildern

-leinstellungsmerkmale für München, die man in und nach der Sanierungsphase als Werbeträger aktivieren muss.

E in übergreifendes Konzept: die P ina-kothek der Moderne

Die Pinakothek der Moderne ist in der baulichen Materialität – Beton, Stahl, Glas – nicht nur ein modernes Gebäude der 1990er Jahre; sie birgt auch ein mo-dernes Gefüge mit vier Sammlungen un-ter einem Dach. 2017 wollen wir ein ge-meinsames Buch über diese vorlegen und darin die Schätze und Stärken mit ihrer wechselseitigen Erhellung verdeutlichen.

So, wie wir im Band „Die Pinakotheken in Bayern“ verdeutlichen, was man von „A“

„B“ wie Bamberg, Bayreuth oder Burg-hausen bis „Z“ wie Wür-Z-burg sehen kann. Dieses vorliegende Buch soll als Einladung zu den verstreuten Museen funktionieren, und mit dem geplanten Band über die Pinakothek der Moderne soll das Publikum verführt werden, die-ses so außergewöhnlich facettenreiche Museum zu besuchen. Die Rotunde als Zentrum des Museums wurde lange als integrativer Werbeträger genutzt, und das war sicher legitim. Ich glaube aller-dings, dass der Architekturtourismus bezüglich der Museumsbauten ( heu-te ist das Gebäude keine Novität mehr

nicht länger) weniger nachhaltig ist als der zu den Sammlungen. Denn moderne Architektur ist naturgemäß schon über-morgen von vorgestern.

Dreh- und Angelpunkt sind und bleiben die Sammlungen. So können wir hier

mit der größten Beckmann-Kollektion außerhalb Amerikas aufwarten. Wir ar-beiten aber natürlich nicht nur mit den kanonischen Bildern, sondern auch mit dem, was in den Depots neu bewertet werden kann und muss. Nach der gro-ßen Ausstellung „50 Jahre PIN. A Perfect Match“ sind wir im Moment dabei, die Sammlung moderner Kunst in der Pina-kothek der Moderne neu zu hängen. Mit den kanonischen Bildern auch sind die der „Brücke“ und des „Blauen Reiters“ gemeint, die das Publikum erwartet.

Wir müssen uns hier noch mit dem mei-ne Absichten maßgeblich leitenden Be-

-nandersetzen. Was wäre, wenn die Gäste des Louvre in Paris die „Mona Lisa“ nicht vorfänden? Was macht es mit unseren Gästen, wenn Beckmann fehlt? Verläss-lich präsent müssen nicht zwingend Ein-zelbilder sein, es geht vielmehr darum, dass eine geistige Größe und die Grund-struktur präsent bleiben. Bei der j etzigen Neuhängung geht es auch um die Frage, wie die Kunst des 20. Jahrhunderts ( neu) zu lesen und darzustellen sei? Wo haben wir ( als die dritte Generation nach dem Krieg) außerdem die Chance, das Recht

aufzuwerfen und zu diskutieren? Als

Beispiel dazu möchte ich den Raum 13 heranziehen. Dort hängt die Kunst der 1930er Jahre, unter anderem mit Werken von Adolf Ziegler, der erst führer-treu war und dann im Konzentrationslager saß, und dort hängt auch das Gemäl-de des heute fast unbekannten Malers Günther Graßmann, eine harmlose Win-terlandschaft, die 1937 als „entartet“ be-schlagnahmt und 1940 zurückgegeben ( ! ) wurde. Bilder haben ihre Geschichten, die man erschließen kann und muss. Da hängt also ein Werk vom „Maler des Füh-rers“, wie er bezeichnet wurde, neben

-ten und dann sogar zurückgegebenen Bild: Das muss Fragen aufwerfen, und darin sehe ich einen Ansatz, um in Dialog zu treten und museumspädagogische Arbeit daran zu knüpfen. In dieser Neu-bewertung von Kunst, die dadurch nicht automatisch „gute Kunst“ ist, liegt eine Aufgabe des Museums. Wir schreiben die Kunstgeschichte herkömmlicherwei-se anhand von Meisterwerken, müssen aber auch zur Seite blicken, um das Meis-terwerk als solches zu kontextualisieren und um zu plausibilisieren, vor welchem Hintergrund etwa Max Beckmann arbei-tete, als er ins Exil ging.

Spiegel des 1 9 . J ahrhunderts: die Sammlung Schack

Seit dem 27. April 2016 zeigt sich mit der -

geschoss die Sammlung Schack nach mehr als einem Jahrzehnt nun endlich wieder vollständig. Wir sprechen heute und hier über Tourismus in Museen, und er bedarf der Multiplikatoren. Ich bin dankbar, dass unser Minister, Dr. Spa-

Sammlung Schack kommt, weil er damit verdeutlicht, dass nicht nur die großen Häuser beachtet werden müssen, son-

-ten Angebots. Wir werden in der dritten Etage Landschaften des Südens von Griechenland bis Spanien zeigen; das

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ist ein europäischer Blick. Wir können zukünftig dort kleinformatige, intime Ausstellungen machen, was gerade vor dem Hintergrund, dass die Alte Pinako-thek im Bau ist und die Neue es bald sein wird, besonders willkommen ist. U nd ich möchte gerne die Sammlung Schack, die als Privatsammlung einen faszinierenden

das allgemeine Bewusstsein zurückrü-cken. Denn letztendlich ist das, was der Graf Schack im 19. Jahrhundert geleistet hat, dem nicht unähnlich, was Annette und U do Brandhorst vor wenigen Jahren taten, nämlich einen individuellen Ge-schmack in eine persönliche Sammlung zu gießen und diese mehr oder weniger dauerhaft dem Staat anzuvertrauen.

Aktuelle Aussichten

Heute sind Seine Maj estät König Willem-Alexander und Ihre Maj estät Königin Má -xima zu einem Arbeitsbesuch in Bayern, um die Beziehungen zwischen Bayern und den Niederlanden zu stärken. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben in ihrem Beisein mit dem Centraal Museum U trecht ein Kooperationspa-pier über eine gemeinsame Caravaggis-ten-Ausstellung in den Jahren 2018/ 19 unterzeichnet. Caravaggio und seine Wirkung in U trecht, das ist sicherlich ein Thema, von dem man bald hören wird.

Noch nicht erwähnt wurde das Museum Brandhorst; unser j üngstes Gebäude. Mir geht es auch hierbei um die Vernetzung – in der Stadt wie im Gefüge des Freistaa-tes Bayern. Es geht darum, nicht aus denAugen zu verlieren, dass wir im interna-tionalen Bereich eine wirkliche Destinati-on sind. Wir empfangen in den Münchner Häusern der Bayerischen Staatsgemäl-desammlungen derzeit gegen 900.000Besucher j ährlich. Das lässt sich steigern, wofür wir allerdings eben die Touristi-ker an unserer Seite haben müssen, dieals Multiplikatoren folgende Kernbot-schaften kommunizieren: Es gibt kost-

bare Museumsbauten und zahlreiche Meisterwerke, deren Präsenz verläss-lich sein soll, und sie werden in moder-nen Museumspräsentationen gezeigt.

So greifen also viele Faktoren ineinan-dergreifen bei der Beantwortung der Fra-ge: „Warum ins Museum, warum nicht zu Google?“ Die Antwort kann etwa so lauten: Google bietet den Aperitif, aber geschaut, im tieferen Wortsinne gesehen und erkannt, kontempliert wird im Mu-seum, vor dem Original. Dieses ist nicht

manipulierbar, es hat seine Aura. Muse-umsräume ermöglichen überdies, dass die Bilder aufeinander antworten, dass sich vielleicht sogar das ( natürliche) Licht auf dem Bild ändert, dass sich das Auge aktiv auf das Licht, auf die Materialität des Gemäldes und auf seine Dimension, seinen Rahmen, seine U mgebung ein-stellt. Das kann es digital nicht leisten. Gerade deswegen ist das Tageslicht so

wichtig, das über und auf den Bildern spielt. Eine Wolke, die auftaucht und wie-der verschwindet, das Licht verändert und die Betrachterinnen und Betrachter spüren lässt, unter welchen U mständen die Bilder gemalt waren und gesehen werden sollten. Nicht mit Spots, nicht mit Scheinwerfern. Zweifellos ist Digita-

-lich bald mit unseren Beständen online. Das Museum bleibt der Ort für die Origi-nalbegegnung.

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„Das Museum bleibt der Ort für dieO riginalbegegnung“

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o er e are re rofitiere

Ich möchte sieben Gedanken in die heu-tige Diskussion einbringen, die ich aus Sicht des Verkäufers, des Vermarkters, formuliert habe. Mein Herz schlägt für

-hen spielt es für mich j edoch keine Rolle, ob unsere Kunden nach Bayern, Frank-reich, oder in sonst ein schönes Land auf dieser Welt reisen. Denn Studiosus bietet Reisen in fast alle Länder an. Die Bewertungsmaßstäbe für meine Über-legungen waren das von unseren Gast-gebern formulierte Ziel, mit dem Reise-land Bayern in der Champions League der Kulturdestinationen mitzuspielen. Mit meinen Überlegungen möchte ich losgelöst von Machbarkeit oder po-litischen Rahmenbedingen Bench-marks aufzeigen, an was sich der Tou-rismus in Bayern messen lassen muss.

Als Methode für meine Überlegungen dient die Vorgehensweise, die Studiosus Reisen vor zehn Jahren zum 50. Firmen-j ubiläum genutzt hat, als wir für unser U nternehmen eine Langfristperspektive entwickelt haben. Die zentrale Frage-stellung lautete damals: „wie wird sich unsere Art des Reisens in den kommen-den 25 Jahren entwickeln?“ U m ein Ge-fühl für den Zeitraum von 25 Jahren zu bekommen, haben wir uns auf Empfeh-lung unseres Moderators in die Zeit von vor 25 Jahren zurückversetzt. So konn-ten wir feststellen, dass fast alle wesent-lichen Entwicklungen – zumindest in An-sätzen – bereits vor 25 Jahren erkennbar waren. Insofern empfehle ich auch bei Prognosen für den Tourismus nach Bay-ern bereits sichtbare Entwicklungen der Gegenwart zu analysieren.

Zum allgemeinen Verständnis einige kurze Hinweise zu den Studiosus-Ange-boten. Studiosus ist quantitativer und qualitativer Marktführer im Studienrei-sesegment in Europa. U nter der Marke kultimer bietet das U nternehmen zudem

spannende Reisen zu herausragenden Kultur-Events in aller Welt an. Sechs Mal im Jahr werden rund 250.000 bis 350.000 kulturinteressierte Haushalte ange-schrieben, um ihnen interessante Kul-turreiseangebote zu unterbreiten. Für Reisende, die nicht so tief in eine Kultur eintauchen wollen wie ein Studienrei-sender, bietet die Marke Marco Polo ein passendes Rundreiseprogramm. Im Be-reich Incoming bietet Studiosus zu guter Letzt für Reisende aus Asien Rund- und Incentivereisen in Europa an. U m eine Kulturdestination von europäischem Rang sein zu wollen, ist es aus meiner Sicht unabdingbar, auch den internatio-nalen Tourismus zu bedienen. Denn für größere Wachstumsraten für den Touris-mus in Bayern sind langfristig eher aus-ländische Quellmärkte aussichtsreich. Doch nun zu den sieben Themen, die ich einbringen möchte.

lt r hei t i ht Ho h lt r

Zunächst möchte ich mich mit dem Be--

ständnis beschäftigen. Über die Jahr-zehnte unserer Geschäftstätigkeit haben wir die Inhalte unserer Reisen den sich wandelnden Interessen unseres Klien-tels angepasst. Ein wichtiger Bestandteil j eder Studiosus-Reise sind bis heute die kulturellen „Drei-Sterne-Highlights“ ei-nes Landes, meistens aus den Themen-bereichen Architektur, Kunstgeschich-te, Archäologie oder Natur. In diesen

Themenfeldern liegen die Wurzeln der klassischen Studienreise. Vor Jahrzehn-ten dazugekommen und inzwischen ge-nauso wichtig für unsere Gäste ist das aktuelle Leben in den bereisten Ländern, wie zum Beispiel die Stellung der Frau, Schul- und Ausbildungssysteme, poli-tische Hintergründe und vieles andere

mehr. Zunehmend traten dann als drit-ter Bestandteil Aspekte wie Erholung, Entspannung, Erlebnisse hinzu. Die Stu-dienreise ist für unsere Kunden eine Er-holungsreise und keine Volkshochschule auf Reisen. Zu guter Letzt, als vierten Bestandteil, ergänzten wir Nachhaltig-keitsthemen in j ede Studiosus-Reise. U mwelt- und Sozialverträglichkeit der Reisen ist ein unverzichtbarer Bestand aller unserer Angebote. Kultur und Kul-turtourismus ist in diesem Sinne ein sehr

die Bayerische Staatsoper, sondern eben auch die BMW-Welt, die Allianz-Arena, Neuschwanstein und der Münchner Vik-tualienmarkt gehören.

Bereits heute ist für uns erkennbar, dass wir mit althergebrachten Folklo-reveranstaltungen gerade noch unsere älteren Gäste begeistern können. Für unsere j ungen Kunden ist Authentizität gefragt, Folklore wird hingegen abge-lehnt. Gelebte Tradition wird sicher ihre Zukunft haben. Denn gelebte Traditio-

und entwickeln sich somit weiter. U n-veränderliches Festhalten an der Ver-gangenheit liefert hingegen wehmütige Retrospektive aber eben keine Perspek-

tive. Vor diesem Hintergrund muss sich auch die Hotellerie und Gastronomie in Bayern weiterentwickeln. Als Reisever-anstalter brauchen wir eine touristische Infrastruktur, die modernen Ansprüchen genügt. Für den internationalen Touris-mus sollte daher die schöne bayerische Landschaft mit einer gehobenen Gas-

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Von erkennbaren T rendsSchon heute ist erkennbar, wie sich der Reisemarkt in den nächsten 15 Jahren verändern wird. Denn bedeutende Trends entstehen viele Jahre zuvor, ehe sie zu einem Massenphänomen werden. Auf einen steigenden Anteil von Incoming Tourismus oder eine alternde Bevölkerung kann

i o iega

U nternehmens-leitung

Studiosus Reisen München GmbH

„Gelebte Tradition wird sicher ihre Zukunft haben“

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tronomie und Hotellerie im Vier- und Fünf-Sterne-Bereich abgerundet sein. Gerade im ländlichen Raum Bayerns sind wir in diesem Bereich vom Champions-League-Anspruch allerdings noch weit entfernt. Neben der Suche nach Authen-tizität hat sich bei Studiosus auch die Kulturvermittlung weiterentwickelt. Der zehntägige Monolog eines Reiseleiters hat ausgedient. Kultur – auch Hochkultur – soll, nein muss, Spaß machen. Kultursoll mit allen Sinnen erlebt werden. Derunmittelbare Kontakt zu interessantenEinheimischen wird auf j eder Studio-sus-Reise organisiert. Studienreisendemöchten Land und Leute kennenlernen,in all seinen Facetten. Auch für diesessinnliche Erleben ist eine gute Infrastruk-tur förderlich.

Ha t a he e t

Die „Eventisierung“ kennt man sicher aus vielen verschiedenen Bereichen des Lebens – alles „muss“ ein Event sein. Das mag man gut heißen oder nicht, für eine erfolgreiche Vermarktung ist ein

Eventcharakter in j edem Fall mehr als hilfreich. Dazu ein paar Beispiele zur Ver-deutlichung.

Als hervorragendes Beispiel sei Salzburg genannt. Hier wird Kultur als Event, als Happening vermarktet. Es verbinden sich Hochkultur mit dem Sich-Wohlfüh-len. Kulturangebot auf hohem Niveau, mit guten gastronomischen Angebo-ten, Shoppingmöglichkeiten, festlicher Stimmung rund um das Opernhaus und der Gelegenheit, Smoking und Abend-kleid zum Einsatz zu bringen. Open-Air-Übertragungen zum Restaurantessen auf den Terrassen rund um das Opern-

haus vermitteln eine lässige Eleganz für j edermann. Wer nach Salzburg zu den Festspielen fährt, besucht nicht nur eine

ganze Drumherum“. Nachdem die ur-sprünglichen Opernfestspiele zeitlich deutlich ausgedehnt wurden, wurden In-vestitionen in touristische Infrastruktu-ren lohnenswert. Rund 275.000 Besucher pro Jahr sind Lohn der Arbeit. Als touris-tisches Ä quivalent sei Italien genannt: herausragende Renaissance-Kunst ge-paart mit Dolce Vita. Deshalb macht Kul-tur zum Beispiel in Florenz so viel Spaß.

Eine andere Destination hat in dieser Hinsicht leider den Anschluss verpasst: Griechenland. Die Wiege der Demokra-tie, herausragende antike Kunst hat sich nicht weiterentwickelt. Die Vermarktung ist bei umgefallenen, staubigen Säu-len stehen geblieben. Im Kulturtouris-mus hat Griechenland seit vielen Jahren massiv an Marktanteilen verloren. Zu Griechenland nun wieder ein Ä quivalent innerhalb Bayerns: Bayreuth. Die Fest-spiele gibt es seit rund 70 Jahren – im Be-

reich der „Kulturvermarktung“ hat Bay-reuth bis dato einige Chancen vertan. Mit vier Wochen Festspieldauer lohnt sich keine Investition in touristische Infrastruktur. U m seine Festspielgäste in einem angemessenen Hotel unter-zubringen, muss Studiosus anderthalb Stunden Busanreise nach Bayreuth or-ganisieren. Es gibt keine nennenswer-ten Shopping-Möglichkeiten und keine Teilhabe an örtlicher Kultur – eine Ver-

nicht statt. Wer zu den Festspielen nach Bayreuth fährt, möchte Wagner sehen und hören, ein „Drumherum“ wie in Salz-burg wird man vergebens suchen. Trotz

großem Potenzial bringt es Bayreuth ge-rade mal auf 58.000 Besucher, ein gutes Fünftel im Vergleich zu Salzburg.

Ein weiteres Beispiel in Bayern ist Gar-misch-Partenkirchen. Garmisch arbeitet daran, das Strauss-Festival bekannter zu machen. Doch auch hier reicht Kultur alleine nicht. Kultur in einer Mehrzweck-halle hat leider nicht den durchschlagen-den Erfolg, schon gar nicht bei einer in-ternationalen Vermarktung. Dabei hätte Garmisch-Partenkirchen durchaus die Möglichkeiten, mehr aus dem Kulturtou-rismus zu machen, was irgendwann mal bitter notwendig werden könnte. Denn wie lange der Wintertourismus noch funktioniert, wird der Klimawandel ent-scheiden und nicht die Garmischer.

Wie es anders und besser geht, zeigt das Beispiel Bilbao. In dieser Industriestadt wollte man früher nicht mal zum Tanken stehen bleiben. Doch durch den spekta-kulären Bau des Guggenheim-Museums von Frank O. Gehry werden j ährlich über eine Million Besucher angezogen. Ohne die herausragende, sicher auch polarisie-rende Architektur, wäre der kommerziel-le Erfolg nicht in diesem Maße möglich gewesen. Die Investitionen muten gera-dezu lächerlich an: 140 Millionen Euro. Die j ährlichen Steuereinnahmen aus dem neu entstandenen Kulturtourismus summieren sich auf netto 23 Millionen Euro pro Jahr für die Stadt Bilbao. Man sieht, das investierte Kapital ist schnell wieder verdient. Studiosus nutzt heute Bilbao als Ausgangspunkt für Kulturrei-sen ins grüne Spanien, etwa mit Wein-proben und vielem anderen mehr. Dar-aus entstehen Kristallisationspunkte, die als Ausgangspunkt für andere Aktivitä-ten dienen können.

Zugegeben für große Investitionen in Kultur mag manchmal etwas Mut und U nternehmergeist gehören. Ob das die Garmisch-Partenkirchener und Bay-

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„Für eine erfolgreiche er ar t g istein Eventcharakter in j edem Fall mehr

als hilfreich“

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reier ga g ehe r ig eite ei la f o ell

Ein weiterer Gedanke, den ich mitbrin-gen möchte, ist: Wie steht es um den freien Zugang zu Sehenswürdigkeiten? Wenn man den Zukunftsprognosen Glauben schenken mag, wird mit einer

-mens in Europa bis 2030 gerechnet. U nterstellend, dass die Marktanteile in etwa gleichbleiben, bedeutet das 70 Mil-lionen Ankünfte in Bayern. Diese Zunah-me hätte auch negative Auswirkungen, da Massentourismus mehr als nur eine unangenehme Seite hat. Die Einwohner Barcelonas können davon ein Lied sin-gen, bei 10 Millionen Besuchern fühlen sie sich inzwischen als Fremde in der ei-genen Stadt. Als negatives Beispiel seien

Stunden Wartezeit für eine Besichtigung als Individualtourist sind das Minimum – wenn man überhaupt hineinkommt.Als Gruppenreisender bekommt man eine bestimmte Zeit zugewiesen, in der die Gruppe die Ausstellung besichtigen kann. Kann der Termin nicht eingehal-ten werden, muss die Gruppe an einem anderen Tag wiederkommen. Ein an-deres Beispiel ist in Ä gypten das Tal der Könige: auch hier lange Wartezeiten und anschließend 10 Minuten Zeit für die Besichtigung eines Grabes. Norma-lerweise, in friedlicheren Zeiten, ist der Andrang von Touristen so groß, dass die Gräber durch die Feuchtigkeit der Körperausdünstungen zerstört werden. Die Gräber müssen deshalb über Mittag geschlossen werden, damit die trockene Wüstenluft das Schlimmste verhindert. Dies verschärft natürlich das Problem der Wartezeit zusätzlich. Es ist geplant, dass für die drei wichtigsten Gräber ori-ginalgetreue Kopien erstellt werden, da-

-keit geschlossen werden können.

In Bayern ist ein solches Negativbeispiel Neuschwanstein. Nach einer langen

Wartezeit ist die Schlossführung mit 30 Minuten nicht nur kurz, sondern auch meist überfüllt. Mobiliar und Teppiche leiden schon heute unter den Belastun-gen – und das bei gerade mal 6.000 Besu-chern pro Tag. Sollte sich die Zahl der Be-sucher bis 2030 tatsächlich verdoppeln,

wird der Zugang zu Neuschwanstein völ-lig neu zu regeln sein. Der freie Zugang wird der Vergangenheit angehören.

o ile o i atio ir a ei e-erhalte or rt er er

Traditionell hatten unsere Reiseleiter gegenüber ihren Gästen einen Informa-tionsvorsprung. Ob Detailinformationen zu den Besichtigungen oder „Geheim-tipps“, der Mehrwert des Reiseleiters lag im Know-how. Dank mobilem Internet

ist das Wissen heute j ederzeit und j edem zugänglich, Mehrwerte mussten wir neu

-lentes Wissen Voraussetzung für eine Beschäftigung als Studiosus-Reiseleiter, was an Anforderungen hinzugetreten ist, ist die Fähigkeiten eines Entertai-

ners und Dienstleisters. Der Anspruch der Onlinetouristen an eine Destination

Sehenswürdigkeiten mit gut gemach-ten Animationen, bequeme Buchbarkeit sämtlicher touristischer Leistungen per Smartphone, Tipps und Anregungen passend abgestimmt auf meinen Bedarf auf das Handy ausgespielt und vieles mehr wird erwartet werden. So wie das stationäre Internet das Informations- und Buchungsverhalten vor der Reise

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„Der Anspruch der li eto ri te

an eine Destination wird steigen“

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und das Internet der Dinge das U rlaubs-verhalten vor Ort verändern. Günstigere Roaminggebühren werden diesen Pro-zess beschleunigen, bis j etzt stehen wir erst am Anfang der Entwicklung. In der Champions League wird Bayern total on-line sein müssen.

ter atio aler o ri e ie t Hot ot

Vereinfacht ausgedrückt: Internationa-le Touristen aus Asien oder Südameri-ka wollen in aller Regel nicht Bayern en detail kennenlernen, sondern bereisen Europa in 14 Tagen. Fernreisetourismus ist in aller Regel nicht kleinteilig, sondern soll den Überblick über ein ganzes Land bieten. Vom Incoming Bereich werden auch im Jahr 2030 nur international be-

-chen Konzepten könnte Bayern auch in

-gen: Meiner Ansicht nach fehlen uns hier die entsprechenden „Leuchtturmpro-j ekte“, die sich erfolgreich international vermarkten lassen. Ein internationales Best-Practice-Beispiel ist Glyndebourne.

-ren alten Bauernhäusern wie die Kulis-se eines Miss Marple-Films an. In dieser ansonsten menschenleeren Gegend gibt es allerdings ein über 100 Jahre al-tes Opernfestival, welches heute etwa 85.000 Besucher pro Jahr anzieht. Wo vormals eine Scheune auf einem Land-gut des Lord of Glyndebourne stand, kann man heute Opern in Topqualität an-schauen. Eine Kombination von Picknick

Rasen des Landgutes, Opern in Topqua-lität und hervorragendem Drei-Gänge-Dinner in der Pause bilden das Rezept eines wunderbaren Opernevents. Very British! Aber nicht nur alte Tradition wird

Millionen Euro in ein modernes Opern-haus investiert. Das ist ein guter Ansatz, wie man Kultur und Land zusammen-bringen kann. In Bayern sind es beispiels-

weise Bad Endorf und Gut Immling, die auch ein stimmungsvolles Opernfestival haben. Hier wird eine umfunktionierte Reithallte während der Festspielsaison als Opernhaus genutzt. Die Atmosphä-re ist einzigartig und hier sind sicherlich noch nicht alle Möglichkeiten ausge-reizt. Für eine internationale Vermark-tung reicht die Reithalle allerdings nicht – als Veranstalter brauchen wir Investi-tionen in ein Opernhaus, in eine touris-tische Infrastruktur und die Bereitschaftzur entsprechenden Vermarktung.

Bayern hört aus internationaler Sicht nicht an der Landesgrenze auf. Aus in-ternationaler Sicht ist z.B. auch Salzburg noch „Bayern“. Für den Tourismus müs-sen wir lernen, über Landesgrenzen hin-weg in Kulturräumen zu denken. Nimmt man beispielsweise den Kulturraum Al-pen zusammen, wird man im Ausland

viel eher wahrgenommen, als mit Lan-desgrenzen, die niemand kennt. Eben-falls für den Kulturtourismus hilfreich sind die sogenannten Technical Stops, auf gut Deutsch Einkaufsmöglichkeiten. Kultur und Shopping passen für viele nicht zusammen. Wenn man aber be-denkt, dass eine Gemeinde wie Wattens mit 6.700 Einwohnern durch die Kristall-welten von Swarowski 850.000 Besucher im Jahr anzieht, ist diese Kombination eine gute Möglichkeit, Tourismus in die Fläche zu bekommen.

e t he i a er

Eine weitere Herausforderung für Kul-turtourismus in der Fläche sind die in-terkulturellen U nterschiede. Nimmt man beispielsweise eine chinesische

Reisegruppe, die durch Deutschland oder Europa fährt, dann werden im Bus die Vorhänge zugezogen und Videos angeschaut. Bei einem Stopp von 30 Minuten wird eine Sehenswürdigkeit geknipst, wieder in den Bus gestiegen und wieder die Vorhänge zugezogen und Video geschaut. Vielleicht etwas übertrieben dargestellt, aber im Prinzip

erwähnten Interessen deutscher Touris-ten, Land und Leute kennen zu lernen, decken sich nicht im Geringsten mit denen der Chinesen. Die große Heraus-forderung für Incoming-Tourismus aus China ist momentan, ein chinesisches Restaurant in j edem Ort Europas zu

-nebraten, sie wollen chinesisch essen, egal wo. Wenn wir den Tourismus der Zukunft betrachten, rechnen wir mit ei-nem größeren Anteil an ausländischen

Gästen. Das bringt das Problem mit sich, dass alle Nationalitäten unterschiedli-che Wünsche und Bedürfnisse haben, die möglicherweise nicht miteinander zu vereinbaren sind. Insofern ist es für ein Hotel gar nicht so einfach, sich für alle Gäste gleichermaßen zu entwickeln und zu positionieren: Bekommt ein Deutscher zum Frühstück abgepackte Marmelade, beschwert er sich über den vielen Abfall. Stellt man einem Ame-

hin, beschwert er sich über mangelnde Hygiene. Ein und die gleichen Hotels und Gastronomiebetriebe mit Touris-ten aus aller Welt zu füllen wird nicht funktionieren. Das hat der internatio-nale Tourismus bereits lernen müssen. Leider verhalten sich Touristen in dieser Hinsicht anders als Geschäftsreisende.

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„Wenn wir den Tourismus der Zukunftbetrachten, rechnen wir mit einem größeren

Anteil an ausländischen G te “

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a hhaltig eit i t ehr al ei o e ort

Nachhaltigkeit ist weit mehr als nur eine neue Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Es gibt heute deutliche Negativ-Ausschläge bei den Buchungen von Ziel-

mit U mweltthemen haben. Ich glaube, dass die Wichtigkeit von Naturschutz für

hinlänglich bekannt sein sollte. Heute möchte ich deshalb das Augenmerk auf einen anderen Aspekt der Nachhaltigkeit lenken: auf die soziale Verträglichkeit und Akzeptanz von Tourismus. Wie wer-de ich in zehn Jahren reagieren, wenn ich meinem kleinen Sohn seine Heimat zeigen möchte und nicht spontan die Königsschlösser besuchen kann? Wegen Überfüllung geschlossen! Wie werden chinesische Restaurants in Füssen und Frauen in Burkas, die das Straßenbild in der Münchner Theatinerstraße prägen, wirken, wenn ich ihm unsere bayerische Tradition und Werte vermitteln möchte? Völlig übertrieben? Aus heutiger Sicht vielleicht. Ich nannte bereits Barcelona als ein aktuelles Beispiel dafür, dass Ein-heimische sich in ihrer Stadt als Fremde fühlen. Oder fragen Sie die Einheimi-schen in Mallorca zu den Auswirkungen des Tourismus. Was sollen streng gläubi-ge Muslime in Dubai oder am roten Meer in Ä gypten vom lockeren Lebenswandel westlicher Touristinnen halten? Wir müs-sen uns mit der Frage beschäftigen, was ein stark wachsender Incoming-Touris-mus für die Einheimischen bedeutet und wie wir ihn organisieren können.

Bereits heute gibt es auch in Bayern wachsende Widerstände gegen Groß-proj ekte. Denken Sie an die Bewerbung für die olympischen Winterspiele von München oder das Beispiel der dritten Startbahn des Münchner Flughafens. Ich habe den Eindruck, dass wir auch in dieser Hinsicht erst am Anfang einer Ent-wicklung stehen.

Es sollte uns klar sein, dass unser Wohl-stand von heute auf der Veränderungs-bereitschaft unserer Vorgängergenera-tionen basiert. Ich habe den Eindruck, dass es uns in München und weiten Tei-len Bayerns so gut geht, dass wir davon träumen, dass alles so bleiben soll wie es ist. Dabei scheinen wir eine alte Weis-heit aus den Augen zu verlieren: Wer will, dass alles so bleibt wie es ist, muss sich verändern. Eine schwindende Akzeptanz von großen Tourismusentwicklungs- und Kulturproj ekten werden unseren Weg in die Champions League erheblich er-schweren, wenn nicht unmöglich ma-chen. Auf dem Weg in die Champions League müssen möglichst alle überzeugt und mitgenommen werden. Viele – vor al-lem auch Einheimische – müssen partizi-pieren. Ohne dieses demokratische Prin-zip wird es nicht klappen. Gott sei Dank.

neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neudenken neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neu kultur neu denken denken neu denken neu denken neuneu to ri 2030

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a hi i t a iel

Mein Werdegang ist ein Weg von der Hochkultur in den Kommerz. Früher managte ich Symphonieorchester, wie das DSO oder die Klangkörper des Bay-erischen Rundfunks, war für Kulturmar-ken wie die Musica Viva oder den ARD Musikwettbewerb mitverantwortlich; heute produziere ich mit einem großen Team aus Künstlern das Kultur- und U n-terhaltungsprogramm auf Kreuzfahrten für TU I-Cruises. Von Wolfgang Rihm zu Helene Fischer ... ich bin im Kommerz

sehr reizvoll.

Bevor ich aber ins Detail gehe, möch-te zu einem Thema kommen, zu dem heute noch gar nichts gesagt wurde, nämlich zum Thema „Insekten“. Wenn man eine Biene in einer Flasche fängt und den Flaschenboden mit Blick zu einer grünen Wiese ans Fenster hält,

lange gegen den Flaschenboden, bis sie benommen ist und irgendwann veren-det. Fängt man hingegen eine Fliege in

den Flaschenboden bis sie merkt, dass es auf dieser Seite keinen Ausweg gibt. Sie versucht, einen anderen Weg hinaus

--

ze dauert 4 Minuten. Die Fliege testet also andere Optionen, sie lernt aus Feh-lern und vor allen Dingen auch aus Er-folgen. Denn fängt man dieselbe Fliege

den Ausweg sogar bereits nach 40 Se-

--

Erfolgen gelernt und sich innerhalb von 130 Jahren bis zur Kreuzfahrt entwickelt.

im Jahr 1891 auf der „Augusta Victoria“ statt und war mit der Art zu Reisen wie

wir sie heute kennen, kaum vergleichbar. Sie führte von Cuxhaven aus in den Oma-

kaum Damen an Bord, da es damals für eine Frau von Welt als unschicklich galt,

sich mittlerweile verändert und aus der „Augusta Victoria“ wurde eine Industrie

---

liarden Euro werden in dieser Branche umgesetzt.

o a f i ahre

haben, zählte unser Team gerade ein-mal 6 Mitarbeiter. Inzwischen sind es – mit den Angestellten an Bord ( hier istdie crewing agency Seachefs unser Ver-tragspartner) – nächsten Jahren kommen weitere tau-

sende dazu. Wir kommen in diesem Jahr

6

Wir haben es hier also mit einer Indus-trie zu tun, die sich entwickelt wie kaum eine andere. In diesem Markt ist Aida Cruises der Marktführer, TU I Cruises ist innerhalb der letzten 6 Jahre die Num-mer zwei im deutschen Markt geworden. Wir sind als TU I Cruises eine Tochter von Royal Caribbean, der Nummer zwei im internationalen Markt, die ungefähr 36

Berliner Standort, den ich leite, wird das

Kreuzfahrten verstehen Kultur im Kon-text Kulturtourismus als einen eher weit

-tur an Bord ist eine C omp reh en s iv e T otali-ty aller Aspekte des touristischen Bord-lebens. Cruises sind hundertprozentig völlig unauthentische U rlaubserlebnisse, da ist nichts echt. Alles ist inszeniert, ge-

6Tagen im Jahr Dieter Hallervorden einen

wird, U te Lemper wird dort live singen und Klassik-Star Jan Vogler wird dort j e-den Abend ein Cellokonzert geben. Live auf der Bühne und dennoch komplett un-echt, denn es wird ein Hologramm-The-ater sein, was uns die Stars an Bord holt. Das zeigt eigentlich sehr deutlich, was Cruises sind. Cruises sind inszenierte, un-

echte Welten. U nd trotz d em sind sie so erfolgreich, ob w oh l wir etwas anbieten, was eigentlich gar nicht unbedingt als U nternehmensstrategie oder Zukunfts-strategie im Tourismus gesehen wird.

ohlf hle al otalit t er e e li h eit

-fühl zu geben, dass wir genau das anbie-ten, was er sich wünscht. Das spiegelt

-

muss alles bequem und easy erreichen können, es darf kein Aufwand mehr

neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neudenken neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neu ltur neu denken denken neu denken neu denken neuneu to ri

Das Schiff ist das iel?Können Museen, Baudenkmäler, Kreativquartiere etc. heute noch buchungsauslösende Faktoren im Tourismus sein? Verreist der Normtrotter

geht auch die Boombranche des Tourismus nach: die Kreuzfahrtindustrie.

r ho a h i t tt

Director Arts & Entertainment

Berlin

ef hl zu geben, dass wir genau dasanbieten, was er sich wünscht“

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vorhanden sein. Kein Bildungsaufwand, kein physischer Aufwand und vor allen Dingen kein Stress. Dies realisieren wir unter anderem durch unser rationales

-klusive“. Wer bei uns an Bord kommt, hat seinen Reisepreis bereits im Idealfall mehrere Monate vor der Reise selbst be-

an Bord, die ganze Reise genießen zu können, ohne das es ihn in dem Moment

sind inklusive, das ist eine völlig andere Strategie als beispielsweise bei Aida. Bei

--

se Wünsche tracken wir pausenlos und überall. Das heißt j etzt nicht, dass un-

Strand begleitet, aber wir realisieren ein

einer j eden Reise, und zwar für j eden

er gl er e a t

Wir analysieren ständig, den Markt und im Allgemeinen. Laut einer kürzlich er-schienenen Analyse der Stiftung für Zu-

Massenpublikums an Bord, liegen diese nicht in der aufwendigen und höher-schwelligen Kulturrezeption, sondern an erster Stelle steht eine entspannte Atmosphäre. Das ist auch unsere höchs-

entspannte Atmosphäre an Bord, keine Extrakosten, das rationale Markenver-sprechen, Rückzugsmöglichkeiten und keine langen Warteschlangen. Dabei gilt es natürlich, kulturelle U nterschie-

murren beispielsweise nicht, wenn sie in einer Schlange stehen müssen – außer über die Tatsache, dass sie in der Sonne

-decks amerikanischer Cruiseline für den chinesischen Markt kleiner gebaut, weil

sich auch nicht um Liegestühle balgen

wie die deutschen Touristen. Wenn man

sehr schnell zu vier Säulen, die den Er-

ausmachen: Atmosphäre, Ausstattung, Service, Angebot und Destination. In

alles wieder: das emotionale Markenver-sprechen, das atmosphärische Marken-versprechen und letztlich das komplette Leitbild von TU I Cruises inklusive Desti-nationen. Die Destination ist nicht mehr

Destination.

Amerikanische Kreuzfahrtriesen wie etwa die „Oasis of the Seas“ oder die „Al-lure of the Seas“ mit einer Kapazität für rund 10.000 Menschen an Bord, unter-nehmen einwöchige Reisen von Miami in die Karibik. Während dieser Woche gehen

Mal von Bord. Diese sind dadurch natür-lich interessant für die „Kollegen des Re-venues“, um es betriebswirtschaftlich zu formulieren. Nach j eder Reise bekommen

6Kabinen zurück, rund die Hälfte unserer

-gefüllt. Dadurch wissen wir sehr genau,

-togalerie, Spa und Sport, Entertainment,

Kabine und so weiter bewertet wird und sehen sofort, wenn sich etwas im gelben Bereich bewegt. Auf Basis all dieser Infor-

-gen über die diversen Features, die wir in

bestehenden Flotte während der Werft-zeiten verändern. Wir sind eine ständig

-chen wir allerdings auch den gesunden

-zufriedenheitsforschung und falschem

Konsens. Falscher Konsens ist ein sozial-

den U mstand, dass Menschen dazu ten-dieren zu glauben, dass der Markt ihre subj ektiven Einschätzungen teilt, also der Rückschluss von der persönlichen Über-zeugung auf die komplette Kundengene-ration nach dem Motto „ich weiß j a, was

-forschung ist eher abwartend, nachfra-gend, weniger selber setzend. Sie prüft,

Abwechslung, besonders auf Nordland-routen, wo der Altersdurchschnitt deut-lich höher ist als bei den Reisen Mittel-meer. Besonders dort erleben wir das heraufziehende Ende des Jugendwahns;

Trends vorgeben, sondern die ältere. Man darf allerdings nicht den Fehler machen,

6 6-

ältere Zielgruppen ist ein wichtiges neu-es und von uns sehr intensiv verfolgtes Marketing-Tool.

ie igitale e ol tio rei er e rfolg

-rakteren. Wir haben zum Beispiel Ange-la und Achim. Angela und Achim wissen sehr genau, was sie wollen, nämlich

-or- und Suiten-Bucher um die 60 und

U mgekehrt wissen wir, was sie mögen,

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„Wir sind eine ständig lernende rga i ation“

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an Land oder an Bord und mit welchen Marken sie unterwegs sind. Dann gibt es Thomas und Theresa, die Traditiona-

genau, buchen und informieren sich

für alles gesorgt ist. Altersmäßig auch wieder im älteren Bereich. Wir sprechen

wir Demoskopen zufolge in Deutsch-land die älteste Bevölkerung der Welt haben. Das heißt also, nicht mehr Island oder Japan sind die Trendsetter in die-sem Kontext, sondern Deutschland. Das heißt, wir werden 8 Millionen sogenann-te Höchstaltrige haben. Dieser Trend ist unumkehrbar. Daher investieren wir bei

Amerikanern – bei den Neubauten nicht in übergroße Familien-Entertainment-Welten, sondern tatsächlich in eine al-tersgerechte Situation.

Wir operieren mit Zielgruppen: Es gibt die neue Mitte, die Luxese leben, eine Kombination aus Luxus und Askese. Im Discounter einkaufen, sich aber hin und wieder Luxus gönnen. Dies alles wissen

Revolution und deshalb ist die digitale Revolution einer der Treiber unseres Er-folges. Was genau bedeutet „digital“? Es ist ein Code, quasi ein Nachbau unse-res biologischen Codes, der DNA. Beide Codes haben viel miteinander gemein-sam: Beide wollen sich vermehren, kom-munizieren, sich austauschen und vor allem dominieren – in der Biologie ge-nauso wie im digitalen Leben. Der digita-le Code will die Welt sozusagen komplett durchdringen, und so ist auch unsere digitale Strategie. Wir wollen sozusagen auf allen Devices unterwegs sein, un-

-nizieren. Ich möchte dies am Beispiel

-

er kommunizierte nicht mit TU I Crui-

Smartphone ist kein Ticket mehr, er ist ein Code. Der will dominieren, sich ver-mehren, kommunizieren. Das heißt, wir können mit dem Smartphone aus einem

-tegie entwickeln. Der teilt mir mit, wer reist. Der teilt mir mit, wohin und wann

sie an Bord bucht. Dies ermöglicht eine

Wir machen das eine Restaurant voll, das andere lassen wir leerer. Wir setzen

vorne oder schieben sie nach hinten und so weiter. Wir organisieren, wann an ei-nem See- oder Landtag welche Location wie ausgelastet ist. Verbinden wir dies zusätzlich mit den Destinationen, wird

aus einer Kreuzfahrt sogenanntes Smart Cruising. Smart Cruising ermöglicht es

-bine zu verfolgen. Mit Werbung wird es

dann natürlich leicht, unsere Botschaf-ten in Smart Advertising zu verwandeln.

die Reise gebucht hat, in unserem App-System und hat die Möglichkeit, vor der Reise schon sozusagen Vorfreude zu entwickeln, die natürlich auch revenue-

-

WLAN eingeloggt sind. Dort haben sie

buchen oder ein Restaurant auszuwäh-len. Die komplette Wertschöpfungskette kann von der IT sozusagen verfolgt und gesteuert werden. Die Technik wird ein Teil von ihnen und sie haben die Daten-transmitter ständig dabei. Sie könnten das Smartphone auch weglegen, aber das wollen sie gar nicht, haben sie doch

--

folgen, Fotos zu machen, Erlebnisse zu

nicht unglücklich darüber, dass wir keine -

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rem macht es mittlerweile Royal Carib-bean, die für die Quantum-Klasse einen eigenen Satelliten in den Orbit geschickt

-

Möglichkeit gibt, auch auf hoher See schneller zu surfen als in j edem Inter-

wird so viel Breitband angeboten wie für die komplette Cruise-Industrie weltweit zusammen.

otio e otio e

Digitalisierung ... die Kehrseite der Me-daille ist natürlich, dass wir Wissen out-sourcen. Wir verlieren durch diese im-mense Technologisierung unsere Bil-dung: Das Langzeitwissen nimmt in der gesamten Bevölkerung rapide ab, denn

nachlesen können, um ein kulturtouris-tisches Ziel oder eine destinationsspe-

zu verstehen. Zudem nimmt auch das Können ab. U nd zwar, wissenschaftlich formuliert, durch den Verlust der Ope-rationsvariabilität. Früher musste man ein Telefonbuch durchforsten, um einen

Alphabet einsetzen. Heutzutage spricht man ins Handy und man hat sofort die Verbindung. Vieles hat sich so verein-facht. Wir haben nur noch ein Interface für alles – das Smartphone. Das Smart-

-tiges Tool innerhalb des Verkaufs von

Handys aktiviert als Zahnbürsten welt-weit verkauft, und Apple hat im letzten

-boren wurden. Dieser Trend wird sich bis

klar, dass wir als TU I Cruises mit „Meine Reise“ und diesem Marketing-Tool und

Die Herausforderung dabei ist, nicht am falschen Ort oder im falschen Moment

im falschen Moment zu wenden oder das

falsche Angebot zu machen. Wir müssen

sondern letztlich ab dem Moment der Buchung. Diese Masse an Kundendaten, an Clusterung, die wir haben, ermöglicht

-

das gelingt, dann wird diese Werbung bindend durch Emotionen. Emotionen

das, was wir nach außen transportieren, das stärkste Moment. Emotionen regie-

-zeitwissen immer bequemer wird und

TU I Cruises fragen uns daher bei allem, was wir nach draußen tragen an Strategi-

könnte. Wir gehen nicht zuerst mit den Kulturschätzen der Maya nach draußen, sondern wir fragen vor allen Dingen, wo

gibt, ist beim Neubau ein starkes Thema für unsere Architekten, Räume zu schaf-

-zug und eine Beziehung zur Marke, wir nennen das „Brand Momentum“. Damit sind wird dann erfolgreich, wenn es uns

zu überraschen. Wir wollen versuchen, in den Beziehungen zu unseren Kunden

sind wir stark im Markt. Dann vereinen

-ker und Full-Metal-Cruise. Aber in dem Markt sind j a noch ganz andere Ange-bote im U mlauf. Das kann die Rainbow-Cruise, mit der wir j etzt rausgekommen sind, das ist eine Innovation für die Ziel-

gruppe Schwule, Lesben, Transgender und was da alles sich tummelt. Oder Karneval ist unterwegs mit „Shoes only Cruises“, das sind alles kulturelle, subkul-turelle Ausprägungen, die Aufmerksam-keit herleiten. U nd wie sagte schon Bill

„The memorable never emerged from a formula.” Das heißt, für uns gibt es kein Muster, für uns gibt es keine Schablone, aus der wir schöpfen, sondern wir sind in allem, was wir machen, gewissermaßen Trendsetter und Regelbrecher.

ei ter

Damit komme ich zum Ende meines Vor-trages und stelle die Frage: Wer bricht die Regel? Die Regel brechen die, die Täter sind. U nternehmer sind Täter. Den Täter unterscheidet vom Opfer nur eines markant: Der Täter hat ein Ziel, der Täter

-esten Technologien. Er wartet nicht ab,

-fer, das passiv bleibt. Das Opfer überlegt und geht immer den gleichen Weg und

die gleiche Art und Weise mit den glei-chen Schwerpunkten. Das Opfer ist wie

die immer wieder gegen den Flaschen-

meinen Kollegen und meinem Team im-

-hige Neuentwicklungen, das sind Täter. Deshalb an mein Team immer die Emp-fehlung: Werdet und seid Täter, in allen euren Bereichen. Alles, was ihr program-miert, entwickelt und inszeniert muss Täter-Charakter haben. Seid frech und kulturell respektlos und investiert alles in

-fen kann man immer noch irgendwann.

neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neudenken neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neu ltur neu denken denken neu denken neu denken neuneu to ri

„The e ora le never emerged from a formula”

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Fünf T hesen zur Zukunft des Kulturtourismus

Sämtliche Erkenntnisse der Kulturnut-zerforschung, sämtliche empirischen Ergebnisse, bin ich in Hinblick darauf durchgegangen, was eigentlich der Kon-text des Massentourismus für die Zu-kunft der Kultur bedeutet. Ich sehe da eigentlich sehr positive Chancen für den Tourismus, gerade auch, was die Präfe-renzen der Bevölkerung für bestimmte Kunst- und Kulturformen anbelangt. Ich spreche natürlich tendenziell aus der Perspektive von Kulturinstitutionen und der Kulturpolitik sowie aus der Perspek-tive des einzelnen Touristen, den ich al-lerdings weniger in seiner Funktion als Kunde oder Käufer betrachte, sondern mehr in seiner Funktion als Rezipient. Vor diesem Hintergrund habe ich fünf ( optimistische) Thesen zur Zukunft des Kulturtourismus in 2030 als zentraler Motor für kulturelle Bildung und Kultur-Entwicklungsplanung von Institutionen und Regionen entwickelt.

T ourismus als wichtiges I nstrument kultureller B ildung

Meine erste These lautet: Der Tourismus wird in seiner wichtigen Funktion als In-strument des Audience Development und der kulturellen Bildung in Kulturin-stitutionen und Kulturpolitik erkannt. Die amerikanische Tourismuswissenschaft-lerin Reisinger macht weltweit folgend globale Trends für die touristische Nach-frage aus, die darauf hindeuten, dass der Faktor Kultur und die damit verbunde-ne Werteorientierung weiter zunimmt: Culture ( Kultur) – Verstärkte Nachfrage nach Kunst, Kultur, kultureller Diversität; Community ( Gemeinschaft) – Nachfra-ge nach Produkten/ Dienstleistungen, die Menschen zusammen bringen, Ge-meinschaft stiften; Education ( Bildung) – Nachfrage nach Vermittlung im Touris-mus und Bildungsangeboten; Spirituality ( Spiritualität) – Nachfrage nach Angebo-

ten, die spirituelle Erfahrungen und Be-schäftigung mit sich selbst ermöglichen ( Wellness; Retreats, Yoga; heilige Orte) ; Ecology ( Ökologie) – Nachfrage nach Ressourcen und U mwelt schonenden Angeboten ( Ökotourismus) ; Humanita-risms – Nachfrage nach fair gehandelten

-rismus) . Kulturorientierte Reiseformate wie Städte- und Event-Tourismus sind schon j etzt zentrale Wachstumsmotoren des Tourismus. U mgekehrt leben schon j etzt viele Kultureinrichtungen, allen vo-ran die Museen in touristisch attraktiven Städten und Regionen, vor allem von den touristischen Besuchern, die in Städ-ten wie Berlin 80 Prozent des Gesamtbe-

Obwohl nur etwa 5 Prozent aller Tou--

essierten gehören, besuchen rund 80 Prozent aller U rlaubsreisenden gele-gentlich kulturelle Sehenswürdigkeiten und Kulturveranstaltungen. In der Rolle des Touristen werden viele Menschen zu Kulturbesuchern, die in ihrem Alltag keine kulturellen Angebote wahrneh-men. Auch wenn diese kulturelle Se-henswürdigkeiten und Veranstaltungen zunächst nur wahrnehmen, weil diese in ihrem Reiseführer als „Must-see“ ge-kennzeichnet sind, weil man durch Zufall daran vorbei gekommen ist, oder weil es regnet, kann daraus nachhaltiges In-teresse für kulturelle Inhalte erwachsen.

Aus im U rlaub gemachten ästhetischen -

lem, wenn diese bewusst als persönliche Horizonterweiterung wahrgenommen werden, Anregungen und Bildungspro-

zesse ausgehen. Professionelle Kultur-vermittlung, die den Freizeitkontext tou-ristischer Rezeption berücksichtigt und vielfältige Anknüpfungspunkte für eine diverse, nicht schon vorgebildete Nut-zerschaft herstellt, kann wesentlich zu solchen kulturellen Selbstbildungspro-zessen beitragen. Damit kann das nach-lassende Interesse in einer sich vor allem durch Migration stark verändernden Bevölkerung an klassischen Kulturange-boten kompensiert werden. Insgesamt ist in der Bevölkerung eine starke Erwei-terung des Kulturverständnisses festzu-stellen von der Engführung auf die klassi-schen Künste der Hochkultur auf Formen der Alltagskultur, Kultur der Länder und der Völker. Im Kulturtourismus wird per

-gegangen, der immer auch Alltagskul-tur, Gastronomie, Lebensart, Mode und Shopping sowie kulturelle Traditionen als wichtige Bestandteile einbezieht.

Kulturtourismus als Motor des Wandels

Zu meiner zweiten These: Über den Kul-turtourismus als Motor ist es gelungen, auch klassische Kulturinstitutionen zu

reformieren in ihren Themen, Forma-ten, ihrer Kommunikation und insge-samt ihrer Fähigkeit, sich gegenüber unterschiedlichen Milieus und Zielgrup-

neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neudenken neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neu kultur neu denken denken neu denken neu denken neuneu tourismus 2030

( Massen-) Tourismus als Chance für Audience Development und kulturelle B ildung?Dem Tourismus wird ein stetiger Zuwachs prognostiziert, selbst in wirtschaftlichen Krisenzeiten. Reiseformate wie Städte- und Event-Tourismus gelten als wichtigste Wachstumsmotoren. Über die U rlaubsreise lassen sich viele Menschen für Kunst und Kultur interessieren, die in ihrem Alltag

eigenes Interesse für Kunst und Kultur geweckt werden und welche Potentiale bieten U rlaubsreisen für kulturelle und interkulturelle Bildung?

P rof. Dr. B irgit Mandel

Leitung Bereich Kulturmanagement

und Kulturvermittlung

U niversität Hildesheim

„Professionelle Kulturvermittlungkann wesentlich zu kulturellen

Selbstbildungsprozessenbeitragen“

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verändern. Der Ansturm touristischer Besucher, die in ihrer Sozialstruktur ein deutlich diverseres Spektrum der Bevöl-kerung widerspiegeln als die üblichen, in der Regel hochgebildeten, sozial pri-vilegierten Kernkulturnutzer, führt im besten Fall dazu, dass Kultureinrichtun-gen die Präsentation, Kommunikation und Vermittlung ihrer Programme ver-ändern. Damit verlieren diese nicht ihre Qualität, j edoch ihren elitären Charakter und werden zugängliche, kommunikati-ve Orte, in denen Menschen über Kunst und Kultur neue Erfahrungen und Be-gegnungen machen können, die ihr Le-ben bereichern. Kulturanbieter nehmen die Erwartungen von Freizeit-Besuchern an kulturelle Angebote ernst und entwi-ckeln mit Hilfe professioneller Kulturver-mittler auf der Basis ihrer künstlerisch-kulturellen Mission unter Wahrung ihrer Qualitätsansprüche solche Angebote, die sinnliche, ästhetische und emotio-nale kulturelle Bildungserlebnisse und Erfahrungen im Kontext mit Kunst und Kultur ermöglichen und nicht nur Fakten und Expertenwissen. Denn es ist zu ver-

muten, dass nicht das Interesse an klas-sischen Kunst- und Kulturformen per se nachlässt, sondern viel mehr neue Prä-sentationsformate gewünscht werden. Im touristischen Kontext werden neue Formate entwickelt, die den Bedürfnis-sen nach schönem Ambiente, sozialer In-teraktion, in Kombination mit Essen und Trinken deutlich stärker gerecht werden: Open Air in Kombination mit Natur-Kul-tur, Kombination mit sinnfälliger Gastro-nomie, Gesamterlebnis, Inszenierungen oder Storytelling. Auch in der Entwick-lung digitaler Service-Anwendungen sind touristische Anbieter oft Vorreiter.

V eränderte B edürfnisse der Reisenden

Der Tourismus wird – so meine dritte These – als zentrale Zeit für kulturelle Selbstbildungsprozesse bei Erwachse-

-zen für neue kulturelle und ästhetische Erfahrungen. Das Bedürfnis, auch die U r-laubszeit für bereichernde Bildungspro-zesse zu nutzen, ist gestiegen. Ging es bis in die 1980er Jahre vor allem um „Er-

holung“ bei „Sonne, Strand und Meer“, so wollen die meisten U rlauber heute Inhalte – nicht nur Strand und Sonne. Reisen ermöglicht in Distanz zum Alltag Raum, Zeit, Aufmerksamkeit für neue Wahrnehmungen und Erfahrungen. Auf Reisen können künstlerisch-kreative Kompetenzen herausgebildet werden ebenso wie interkulturelle Sensibilität.

Kulturtourismus im Zeichen von gesellschaftlicher V erantwortung

Die vierte These geht davon aus, dass Reiseveranstalter ihre Verantwortung für kulturelle Bildung erkannt haben und sich um die innovativsten Vermittlungs-konzepte und Formate in ihren Clubs,

-mühen. Schon j etzt lässt sich an den viel-seitigen Angeboten der Cluburlaub- und vor allem der Kreuzfahrt-Veranstalter ablesen, dass diese zunehmend zu Volks-hochschulen ebenso wie zu professionel-len Kulturveranstaltern werden, wo sich Menschen ohne Leistungsstress kultu-rell anregen und bilden können. Ging es den Veranstaltern zunächst vor allem darum, vermeintliche Bedürfnisse nach anspruchsloser U nterhaltung zu befrie-digen, so wird zunehmend deutlich, dass

-plexere kulturelle Angebote und mehr noch die Qualität der kulturellen Ange-bote und ihrer Vermittlung entscheidend dazu beitragen kann, dass Kundener-wartungen nicht nur befriedigt, sondern

Propaganda ergibt, die zu erhöhter Nachfrage führt. Neben dem direkten ökonomischen Vorteil eines hochwerti-gen und zugleich niedrigschwelligen Kul-turangebots stellen touristische Anbieter damit zugleich ihre „Corporate Cultural Responsibiltiy“ für kulturelle Bildung un-ter Beweis. Große U nternehmen wie TU I setzen schon j etzt auf U mweltverträg-lichkeit und ökologische Nachhaltigkeit, ebenso wie auf Beachtung humanitärer Standards, weil sie wissen, dass dies von

neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neudenken neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neu kultur neu denken denken neu denken neu denken neuneu tourismus 2030

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den Nachfragern kritisch analysiert und ein zunehmendes Entscheidungskriteri-um sein wird. Kulturelle Bildung, schon j etzt ein zentrales Thema in Kultur- und Bildungspolitik, wird zukünftig vermut-lich auch von Tourismusunternehmen als Chance erkannt, die gesellschaftliche Verantwortung ihrer U nternehmen un-ter Beweis zu stellen.

Wertsteigerung touristischer Destinationen durch kulturelle Angebote

Meine fünfte und letzte These: Über kulturelle Angebote als beweglichem Element ist es gelungen, sehr viel mehr Destinationen touristisch in Wert zu set-zen und damit für touristische Besucher ebenso wie für die einheimische Bevöl-kerung attraktiv zu machen. Kulturelle Angebote lassen sich, anders als land-schaftliche oder städtebauliche Gege-

oder etwa die Kunstaktionen Christos) . Das was als kulturell „sehenswürdig“ gilt, lässt sich über gezielte Positionierung, Brandingprozesse und massenmediale Kommunikation steuern. Damit kann sich der zunehmende Massen-Kultur-tourismus auf viel mehr Destinationen verteilen und zentrale kulturelle Sehens-würdigkeiten, die mit wachsendem Tou-rismus weltweit von immer mehr Men-schen wahrgenommen würden, können

neue Wirtschafts- und Einkommenspo-tentiale für strukturschwache Regionen und Kultur kann zum Identität stiften-den Faktor auch für die einheimische Bevölkerung werden. Über touristische Nachfrage können Kulturangebote auch für die einheimische Bevölkerung vor-gehalten werden in solchen Kommunen und Regionen, denen ansonsten Mittel dazu fehlen würden. Kulturelle Attrak-tivität bei touristischen Besuchern trägt einerseits zur Wertschätzung der vor-handenen kulturellen Angebote auch

in der einheimischen Bevölkerung bei. Andererseits führt die Präsenz und Nut-zung einheimischer Besucher dazu, dass Touristen die Kultur der bereisten Region als besonders authentisch wahrnehmen. Das elementare, scheinbar widersprüch-liche touristische Bedürfnis nach „staged authenticity“, sprich inszenierter Authen-tizität oder authentischen kulturellen An-geboten und Erlebnissen einerseits und zugleich Bedürfnissen nach deren Auf-

bereitung und Inszenierung gemäß tou-ristischer Wunschbilder, wird sicherlich auch weiterhin touristische Motivation ausmachen: Das Gefühl von Authentizi-

kulturellen Orten wie etwa dem Europa-park realisiert werden, wenn die Angebo-

te von hoher sinnlicher und ästhetischer Qualität sind und eine schlüssige, über-zeugende Gesamtdramaturgie bieten. Aber: Zukünftig wird der Anspruch an hochwertige, glaubwürdige, „sozial faire und nachhaltige“ Formen von Authenti-zität vermutlich noch höher, ebenso wie das Bedürfnis über und mit Einheimi-schen gemeinsam Kultur zu erleben, das sich schon j etzt etwa im Phänomen des

-

turelle Angebote wie Festivals, Straßen-theater, Museums-Feste werden „dritte Orte“ der Begegnung zwischen touris-tischen und einheimischen Besuchern

und Kultur für das gesellschaftliche Zu-sammenleben erfahrbar machen.

neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neudenken neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neu kultur neu denken denken neu denken neu denken neuneu tourismus 2030

„Über kulturelle Angebote werden„dritte Orte“ der Begegnung zwischen touristischen und einheimischen Besuchern

gescha en“

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Der aufgeschlossene E ntdecker

Sowohl für die Kulturanbieter, die ihre Produkte entsprechend vermarkten wollen, als auch für die Touristiker, die eben diese kulturellen Angebote anbieten und potenzielle Besucher erreichen möchten, ist es unerlässlich zu fragen: Wer sind die Kulturtouris-ten? Was treibt sie an? Was wollen sie erleben? Ich möchte gerne, ange-sichts der bisherigen Diskussion, ein Plädoyer sprechen für ein Reisemotiv, das sich zwischen den beiden Extre-men Wow-Erlebnis einerseits und Bil-dungsstreben andererseits bewegt. Der aufgeschlossene Entdecker, ein Kulturtourist der uns in der Realität begegnet, lässt in seinem Reisever-halten etwas erkennen, das sich, so meine These, in den nächsten Jahren mehren wird. Für diesen Typus ist kennzeichnend, dass er sich selbst überhaupt nicht als Tourist bezeich-net. In Gesprächen betont er genau das mit einer Vehemenz, die kein an-derer Kulturtourist an den Tag legt. Außerdem unterstreicht er, dass er gerne abseits der üblichen Touristen-wege wandelt. Das heißt, die heute mehrfach erwähnte herausragende Rolle von künstlerischen „Ikonen“, von sogenannten „Leuchttürmen“ und künstlerischen Highlights zum Beispiel in Form von Events spielen für diesen Typus kaum eine Rolle. Er „klappert“ nicht Weltkulturerbestät-ten ab und wird nicht nach Abu Dha-bi reisen, weil dort eine Dependance des Louvre eröffnet, sondern er sucht gezielt gerade Orte aus, die abseits dieser üblichen Wege liegen und das vermeintlich U nentdeckte und Au-thentische versprechen. Das hat Kon-sequenzen nicht nur für die Art der Angebote, die er wahrnimmt, sondern auch, und das ist heute noch gar nicht so deutlich thematisiert worden, für die Art und Weise, wie er schlussend-lich auch rezipiert.

Selbsterfahrung im Rezeptions-moment

Er möchte nämlich anders als der klassi-sche Studienreisende nicht belehrt wer-den. Es geht ihm nicht um Bildung, nicht um Wissenserwerb oder ein Wow-Erleb-nis, sondern um Selbsterfahrung. Fragt man diesen Typus beispielsweise nach einem kulturellen Reiseerlebnis, das ihm in Erinnerung geblieben ist, nennt er eben nicht den Besuch einer der Top-Sehenswürdigkeiten, die im Reiseführer entsprechend als „Must-sees“ ausgewie-sen werden. Er verinnerlicht dagegen Rezeptionsmomente, die in ihm persön-lich etwas ausgelöst haben, ein Gefühl oder eine Erinnerung an einen persön-lichen Lebensumstand. Oftmals kann sich dieser Typus rückblickend gar nicht mehr an den Werktitel oder den Namen des Künstlers erinnern. Aber genau das ist eben auch nicht entscheidend für den aufgeschlossenen Entdecker. Er strebt nach Selbsterfahrung und bevorzugt dabei Kulturaktivitäten, die das „Echte“, das „Authentische“ versprechen.

Neue O rte im Kulturtourismus

Damit gelange ich zum Kern meiner The-se. Ich glaube, dass sich der Typus des aufgeschlossenen Entdeckers weiter-entwickeln wird, insofern er auch neue Orte des Kulturtourismus begründen wird; Orte, die in Teilen auch außerhalb der klassischen Kulturinstitutionen lie-

ihren Konzert- und Theatersälen längst schwimmende Kulturinstitutionen sind, mögen bereits ein Beispiel dafür sein, aber wir spüren das auch ganz stark bei-spielsweise im Zuwachs an Kreativquar-tieren, die überall wie Pilze aus dem Bo-den schießen. Auch Künstlerwerkstätten sind solche Orte, die immer mehr Anzie-

hungskraft für diesen Typus entwickeln. Die U rbanauts in Wien machen sich ge-nau diesen Gedanken zu Nutze: Ehema-lige Geschäfte, Lokale und Werkstätten werden zu Hotelzimmern umfunktio-niert, Frühstück und Austausch bei und mit den „echten“ Wienern inklusive, um Städtereisenden ein besonders authen-tisches Wien-Erlebnis zu garantieren. Das Versprechen an den Gast lautet: Hier kannst du das echte Wien erleben, Wien, wie es wirklich ist. Aber nicht nur in den Städten, sondern auch in ländlichen De-stinationen ist der aufgeschlossene Ent-

an die Arbeiten von Constanza Macras, die zeitgenössischen Tanz in der Natur, also im Wald oder in Weinbergen insze-niert. Auch das ist Kultur außerhalb von klassischen Kulturinstitutionen, die der aufgeschlossene Entdecker mitprägt,

auch im Hinblick auf zukünftige Kultur-destinationen. Herr Spanting stellte in seinem Vortrag die Frage: Welche Rolle wird der Kulturtourismus im ländlichen Raum spielen? U nd wird es wieder so et-was wie ein Loneley-Planet-Phänomen geben? Ich glaube: Ja, das wird so sein, und der Typ des aufgeschlossenen Ent-deckers wird dieses Loneley-Planet-Phä-nomen entscheidend prägen und zwar mitunter im ländlichen Raum. Wenn man die kulturpolitische oder auch die künstlerische Diskussion im Moment verfolgt, wo spannende Kunstproj ekte

ländliche Raum. Das ist natürlich auch einer gewissen Not geschuldet. Wir alle wissen, dass die Städte kulturpolitisch

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Kulturtouristen. Ein Zukunftsportrait Kultur- und Tourismusakteure beobachten aufmerksam ein reisefreudiges Kulturpublikum, das losgelöst vom Alltag und außerhalb der ge-wohnten U mgebung Kulturangebote in Anspruch nimmt. Erfolgreiche Strategien und Maßnahmen erfordern j edoch Kenntnisse über die po-tenzielle Zielgruppe. Wer also sind die Kulturtouristen?1

Dr. Y vonne P rö bstle

Agentur KulturgoldStuttgart

„Dem aufgeschlossenen Entdecker geht es um Selbsterfahrung“

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in einer anderen Lage sind als beispiels-weise der ländliche Raum. Da Not be-

eben solche ländlichen Destinationen, in denen unglaublich spannende Proj ekte entstehen. Denken Sie etwa an „Match-box“, ein Proj ekt in der Metropolregion Rhein-Neckar, das deutschlandweit von Kulturakteuren aufmerksam verfolgt wurde. Es handelt sich dabei um ein wanderndes Kunst- und Kulturproj ekt, das Schritt für Schritt die Landkarte der Region Rhein-Neckar erschließt, indem Künstler ungewöhnliche, eigensinnige

-proj ekte entwickeln.

Dass der ländliche Raum längst kein

können wir auch zahlenmäßig unterfüt-tern: Die j üngst durchgeführte Kultur-tourismusstudie2 führte zu der erstaun-lichen Erkenntnis, dass j ede zweite der befragten Kultureinrichtungen nach ei-gener Aussage in den letzten fünf Jahren einen Anstieg der touristischen Besucher

tinationen als beispielsweise auf Groß-städte.

Der aufgeschlossene E ntdecker als souveräner Rezipient

Ein letzter Punkt, um dieses Zukunfts-portrait abzuschließen: Wir sehen den Kulturtouristen in erster Linie als Rezi-pienten, der sich eher passiv verhält. Ich glaube aber, dass genau dieser aufge-schlossene Entdecker noch mehr sein kann und auch mehr sein möchte. Er will ein souveräner Rezipient sein, der sich nicht belehren lassen möchte. Dazu passend gibt es bereits Angebote, denkt man etwa an die letzte documenta, wo nicht mehr das klassische Vermittlungs-angebot angeboten wurde, sondern man sich mit sogenannten „Wordly Com-panions“ gemeinsam das documenta-Gelände erschließen konnte. Auch die

Opernhäuser in Stuttgart oder Frankfurt haben derartige Formate entwickelt, wie etwa den sogenannten Preview-Club, wo vor allem eben auch j unge Menschen bei der Generalprobe dabei sein können. Dieses Angebot wird sehr gut angenom-men, weil nach der Probe zum Beispiel die Möglichkeit besteht, mit den Künst-lern in Kontakt zu kommen und sich mit diesen auszutauschen. Dieser Austausch auf Augenhöhe ist für den aufgeschlos-senen Entdecker sehr wichtig. Inwiefern sich dieser souveräne Rezipient mögli-cherweise auch zum künstlerischen Pro-duzenten mit dem Wille zur aktiven Mit-gestaltung entwickeln wird oder längst entwickelt hat, wird noch zu klären sein.

U nerkannte Zielgruppe: Nicht- B esucher als Kulturtouristen

Ein großes Potenzial liegt – für viele Kul-tur- und Tourismusinstitutionen noch unerkannt – auch in Nicht-Besuchern, die im Alltag Kunst und Kultur fernblei-ben, denn empirische U ntersuchungen

ein Rollenwechsel vom Nicht-Besucher im Alltag zum Besucher auf Reisen. Dies hat freilich nicht nur mit der Situation des Reisens, dem Mehr an Zeit oder dem Lösgelöstsein vom Alltag zu tun, son-

Der französischer Philosoph Alain de Botton hat in diesem Zusammenhang

Wenn ich auf Reisen bin, dann muss ich dies und j enes gesehen haben. Gelingt es uns aber, den Nicht-Besucher hier abzu-holen, zum Beispiel durch adäquate Ver-mittlungsformate, würden wir durch den Kulturtourismus nicht nur mehr, sondern vor allem neue Besucher gewinnen.

1 Die im Folgenden vorgestellten Typen von Kul-turtouristen basieren auf einer empirischen U n-tersuchung, vgl. dazu ausführlich Pröbstle, Yvonne ( 2014) : Kulturtouristen. Eine Typologie, Wiesbaden.

2 Vgl. dazu ausführlich www.kulturtourismusstudie.de

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Schloss E lmau – ländliche Destination mit O asenfunktion

Das Stichwort „Ländliche Regionen“ ist heute im Zusammenhang mit Kultur-tourismus bereits einige Male gefallen. Schloss Elmau ist solch eine kulturtouris-tische Destination im ländlichen Raum. Nach der Dekonstruktion, wie die Ana-lyse der Bedürfnisse von Vorlieben der

-tioniert, möchte ich dies bewusst auch noch einmal für die Elmau tun. Wir wis-sen, dass wir der „gläserne Gast“ sind, dass es um Marketing geht und natürlich auch um Geld. Bei der Ankunft in Elmau bekommt der Gast eine 57 Seiten starke Broschüre über das Haus, die Ausstat-tung und die Veranstaltungen. Wir haben

es dort mit Menschen zu tun, die eigent-lich Post-Touristen sind, die schon überall waren und alles, was das Luxus-Szenario bietet, bereits erlebt haben – inklusive dem zum Schwan gefalteten Handtuch, einem Rosenbad und natürlich dem, was die Sterneküche an Schäumchen, Crem-chen und Süppchen zu bieten hat. Die Gäste sind zum Teil CEOs internationaler Konzerne, die sich vor ihrem Aufenthalt ausdrücklich rückversichern, dass weder einer ihrer Kollegen noch ein Bespre-chungsraum mit Flipchart auf sie wartet. Schaut man sich dann U mfrageergeb-nisse an, was das Beeindruckendste am Aufenthalt in Elmau mit seinen sieben Restaurants und acht Salzwasserpools

man zum Beispiel Aussagen wie die ei-nes 13-j ährigen Mädchens, das ganz begeistert ist, weil es zum ersten Mal ein Violoncello gehört hat. Es sind also

-mente persönlichen Erlebens, die alles

andere in den Schatten stellen. Für das Hotel heißt das auch: Es reicht nicht, nur Entspannung anzubieten, weshalb unser Konzept des „food for thought“ so um-fangreich ausgebaut wurde.

Wir haben ein mehrfach international ausgezeichnetes Kinderprogramm im Hause. Doch auch hierbei zeigt sich ein ähnliches Bild. U nter allen Aktivitäten, die angeboten werden, machen die Kin-der aber am liebsten eines: Sie bauen aus Blättern und Strohhalmen ein Floß und gehen mit der Gruppe und dem be-gleitenden Erzieher zum nahegelegenen Fluss, um ihre Boote auf das Wasser zu setzen und schwimmen zu lassen. Das Größte für die Kinder ist, wenn das Boot dann den Ferchenbach herunterkommt

und es einen Wettbewerb gibt, welches am weitesten kommt. Ein kleines Boot, aus Stroh gebaut, begeistert mehr als „höher, besser, weiter“. Genauso bei den Erwachsenen: Sie wissen, ob ge-rade Gin mit Gurke oder mit Henry’ s in ist, aber in Wirklichkeit sind sie auf der Suche nach echten Emotionen. Sie wol-len keine Emotionen, die schon fünfmal durch Facebook durchgequirlt wurden und sie wollen auch keine Werbung erhalten, nur, weil sie irgendein Algo-rithmus als Zielgruppe auserkoren hat.

Wenn wir über diese echten Emotio-nen sprechen, dann geht es vor allem um Authentizität. Ich glaube, dass in diesem Bereich eine große Sehnsucht vorhanden ist. Elmau begegnet diesem Anspruch mit seinen 200 Kulturveran-staltungen pro Jahr. Hotels sind j a ei-gentlich immer Orte, wo gelogen wird und Versprechen nicht eingehalten wer-den. Reise und Reklamation sind Worte,

die oft in einem Atemzug genannt wer-den. Bei Schloss Elmau bewegt man sich in einem Bereich, in dem man nicht mo-geln kann. 126,5 Kilometer von München entfernt auf nicht schneesicheren 1.000 Metern Höhe haben wir es hier mit einer Klientel zu tun, die schon alles kennt und alles gesehen hat. U nd auch die Konzer-te sind Ereignisse, bei denen man nicht

U nmittelbarkeit, die man nicht künstlich herstellen kann.

E rstklassigkeit als B asis für Authentizität

Wenn dann ein Jan Vogler auf der Kon-zertbühne sitzt, macht man manchmal die erstaunliche Entdeckung, was diese Menschen in dem Konzertsaal – oder uns alle – eint. Es ist die Sehnsucht, aus der Obj ekthaftigkeit auszusteigen. Die Sehnsucht, einem Daniil Trifonov bei seiner Interpretation der Brahms-Vari-ationen über ein Thema von Paganini einfach zuzuhören und dann in sich hin-einzuhören – was löst das in mir aus? Das ist eine ganz andere Art der Entschleuni-

heute in der Welt umgibt. Diese Art der Entschleunigung entsteht dadurch, dass man zurückreisen darf zu sich selbst, verbunden mit einer sehr hochklassigen und absolut authentischen Erfahrung. Solch eine Herangehensweise funktio-niert natürlich nur mit einer absoluten Weltspitze an Künstlern, die sowohl in allen Bereichen von Klassik über Jazz und allen Zwischenformen bis hin zu Pop und Worldmusic auftreten. Wenn man sich normalerweise in einem Hotel ans Klavier setzt, ist es meist verstimmt. Anders in Schloss Elmau. U nser Bestre-ben ist es, ein durch und durch glaub-

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Wie plant eine ländliche P remium Hotel- und Kulturdestination?Das „Luxury Spa & Cultural Hideaway Schloss Elmau” am Fuße des Wettersteingebirges bietet ein kulturgeschichtlich bedeutsames und welt-

-führungen im Konzertsaal statt, die zum Teil eigens für Schloss Elmau konzipiert werden. Eine Destination, die weitab vom urbanen Ballungs-zentrum München eine mittlerweile legendäre Kammermusikwoche, aber auch regelmäßige, künstlerische Residenzen der angesagtesten Jazz- und Pop-Musiker bietet. Das Schloss Elmau der Zukunft wird das Prinzip des „food for thought“ neben seinem preisgekrönten gastrono-mischen Angebot und seinen vielfältigen Spa-Konzepten weiter ausbauen.

Dr. Silke Zimmermann

Artistic DirectorSchloss-Elmau

GmbH & Co. KG

„eine U nmittelbarkeit,

die man nicht künstlich herstellen kann“

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hafter 5-Sterne-Hotelbetrieb zu sein. Wenn man diesen Anspruch hat, dann muss der sich aber ausnahmslos auf den ganzen Hotelbetrieb erstrecken, dann kann kein lausiger Barpianist auf einem verstimmten Klavier klimpern. Genauso wenig, wie man ein schlechtes Frühstück anbieten kann. In diese 10 Prozent Ab-stand, die das gehobene Mittelmaß von der wirklichen Spitze trennen, investiert man allerdings gerne mal 90 Prozent sei-ner Arbeitszeit.

Sehnsucht nach echten E motionen

Der Aspekt der Teilhabe, der bei vie-len Kulturveranstaltungen eine zent-rale Rolle spielt, ist auf Elmau nicht so sehr ein Thema. Da sind sich die Gäs-te unseres Hotels und die Gäste des

möchten, dass der Service immer hun-dertprozentig stimmt und dass alles möglichst einfach erreichbar ist, Ge-danken um Planung oder Stress wollen sie komplett abgeben. Schloss Elmau ist also unter diesem Gesichtspunkt

Hotel – als einziges auf der Welt, soweit wir recherchieren konnten – hat einen Konzertsaal, der weltweit einmalig ist. Es gibt sechs große Steinways in den

beiden Häusern von Schloss Elmau, die alle höchsten künstlerischen Ansprü-che genügen und zum Teil von inter-nationalen Top-Pianisten ausgesucht wurden.

Teilhabe an den kulturellen Veranstal-tungen entsteht bereits durch die über-

schaubare Größe des Konzertsaals – dieser fasst 300 Leute und erzeugt das Gefühl großer Nähe zum Künstler, den Eindruck, Teil des Ganzen zu sein. So viel Nähe zu Weltklasse-Interpreten ist bei anderen Konzerten selten möglich. In Schloss Elmau schon, da Künstler und Gäste sich oft mischen, ein Familien-Aufenthalt im 5-Sterne-Haus Schloss

Elmau ist die Gage für die Künstler. Es gibt so Gelegenheit zu vielfältigem Austausch zwischen Gästen und Künst-lern. Dies als ein Beispiel für die „Echt-heit“, die für sich spricht und das ist es, worum es meiner Meinung nach geht. Das „Chichi“, die Vordergründigkeit, die vorgegaukelten Emotionen sind in

unserer Welt so gigantisch geworden, dass es eine Sehnsucht gibt nach dem Echten – was immer das Echte dann für einen selber ist.

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„Die vorgegaukelten E motionen sindin unserer Welt so gigantisch geworden,

dass es eine Sehnsuchtgibt nach dem Echten“

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G enius L oci. Der G eist des O rtes wird zum Reiseziel

Die Deutschen sind Weltmeister im Rei-sen. Dabei bleibt das Heimatland laut der Reiseanalyse 2015 Reiseziel Nummer eins. Über 30 Prozent der deutschspra-chigen Bevölkerung bevorzugen Reisen innerhalb Deutschlands. Aber in zuneh-

Touristen ihren Weg in unsere Regionen. Dagegen stagniert die U rlaubsreisein-

-gen Zunahme bis in die Mitte der 1990er Jahre auf hohem Niveau ( vgl. FU R 2014) . Dies bedeutet, dass sich eine immer größere Anzahl von Anbietern einen

Deutschland und Spanien unangefoch-tene Spitzenreiter in Europa sind, was

-gen in Beherbungsbetrieben angeht,

-britannien, Frankreich, Finnland und Österreich Verluste ( Eurostat 2015) . U m künftig Wachstum für die eigene Touris-

werden intelligente und innovative Er-weiterungskonzepte zum existierenden „Destination Building“ benötigt. U m

-ten Tourismusbranche zu generieren,

Architektur bietet über unterschiedliche

-

und alte Reiseziele neu zu kreieren.

Destantion B uildung

-her unbekannt sind. Sie sind eventuell schwer erreichbar beziehungsweise erschließbar oder haben einfach noch

-weckt und müssen im wahrsten Sinne

den letzten Jahren gab es einige Bei-spiele in ungewöhnlichen Lagen, die zu neuen Reisezielen aufgebaut wurden:

und in Quebec-City Kanada, aber auch die neuen U nterwasser-Hotels in Dubai und auf den Malediven. Solche extre-men Voraussetzungen des Destination Building mögen in unseren Regionen nicht vorhanden sein, allerdings kann man auch andere, eher subtile Orte mit neuen Alleinstellungsmerkmalen auf-bauen. Hier entwickelt sich der Markt des „U ltra-Local“: Das Zelebrieren der

Originalen, die in unserer beschleunig-ten Zeit des Übersehens und des Ver-gessenen zusehends aufgelöst wurde. Der von seiner urbanen Zivilisation ge-

neuen Reisen zu einer verlorengegan-genen Verwurzelung im Lokalen. Vom

entwickeln sich auch die Narrative des Tourismus weg von einem „internati-

des U nverwechselbaren und U rsprüng-lichen. Dies fordert eine umfangreiche

-ation beziehungsweise Neuinterpretati-on eines Mythos. Denn Orte ziehen uns

--

Neben den klassischen Attributen von Lage, Aussicht, Architektur und Service zeichnet sich am Markt eine Verdichtung auf narrativ-emotionale Konzepte ab,

und Wirt immer tiefer in die Regionalis-men des besuchten Ortes hineinholen. Durch die analog-digitale Schnittstelle der sozialen Netzwerke wird diese Be-

Dachverband „Design Hotels“ hat mit seiner „Made by Originals“-Kampagne auf den Trend U ltra-Local bereits vor ei-nigen Jahren gesetzt und seinen Mitglie-dern als Entwicklungspotential für neue Reiseströme aufgezeigt.

-

werden. Der neue Reisende sehnt sich nach dieser glaubwürdigen Verortung,

den man nicht kaufen kann, sondern von dem man vor allem wissen muss. Der Besuch wird zu einer anthropologischen

-genwart einer peripheren Region. Diese Kultur und ihre Praktiken kann man ohne

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ReisezielReisende werden auf der Suche nach einmaligen und außergewöhnlichen Erlebnissen zukünftig immer mehr auf die authentische oder insze-

-

Wolfram P utz

onArchitekten mbH

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eine Zeit miterleben. Das kuratierte Rei-seerlebnis ist ein einzigartiges Kleinod, der den Besucher bis ins allerletzte Detail

-

des Reiseziels wird radikal fortgesetzt, um den U nterscheidungsmehrwert zu maximieren. Einzigartigkeit, Wahrhaf-tigkeit und U ltralocalism sind die Meta-

Viele Orte haben keinen einmaligen Erkennungswert, können nicht auto-

vermarktet werden oder haben sich in

fehlen derzeit das Besondere und das U l-

Fall besteht die Möglichkeit oder gar die Notwendigkeit, die Destination gezielt neu zu kreieren oder zu re-allegorisieren,

-chern zu können. Für dieses Vorgehen gibt es bereits zahlreiche erfolgreiche Beispiele aus der Historie, aber in letzter Zeit hat sich ein neuer Trend dazugesellt: der Einsatz sensationeller Architektur-bausteine in einer Region als Anreiz für den Tourismus.

-nen konnten sich auf kulturelle Einrich-

tungen fokussieren. Für viel Aufsehen sorgte zum Beispiel das 1997 fertigge-

Es wurde gezielt in einer Stadt errichtet, die im Tourismusland Spanien vorher vergessen und schlecht beleumundet

auch aufgrund ihrer einmaligen Archi-tektur erfolgreich darin, Besucher in die Stadt zu ziehen. Mittlerweile hat sich

-ketingstrategie weiterentwickelt, mit

Helsinki, Las Vegas und Abu Dhabi.

Potentiale liegen im Moment in der eher kleinen „chirurgischen“ Applikation be-sonderer Architekturattraktoren. Ein-malige neue Orte, auch innerhalb tradi-

immer mehr von den Kontrasten zwi-schen einheimischem Lokalkolorit und internationales Aufsehen erregender

außergewöhnlich, herausstechend, mo-dern sein – schlicht unverwechselbar. Außergewöhnliche, zeitgenössische Architektur entwickelt sich zunehmend zum Tourismusmagneten und zu einem globalen Marketingwerkzeug. Speziell in

---

sierte anlocken und die Besucherzahlen vergrößern. Der Architekt wird dabei

zum Teil der Marketing-Strategie für den Proj ektentwickler oder Betreiber.

Der Reisende ist immer mehr interessiert an dem einmaligen, exklusiven, gera-

Entstehungsgeschichte meist für Res-taurants, Clubs und Einzelhandel ange-wendet, hat sich mittlerweile im breiten

--

knappung der Nutzung, erlaubt es dem Kunden sich besonders zu fühlen, quasi als eingeweihtes Mitglied einer Veran-staltung auf Zeit, statt nur als Besucher eines Ortes. Nur der Pionier, nicht der Nachahmer überschreitet diese Schwel-

-

Dieser Trend beginnt sich j etzt auch in Form von Pop-up Hotels in der Touris-musbranche durchzusetzen.

Die Entdeckung des scheinbar Verges-senen, das Besuchen des normalerweise Verbotenen und die „U rbarmachung“ des im Alltag U nmöglichen bilden den Kern der Anziehungskraft. Eines ha-

und gleichzeitig durchaus luxuriös; und -

tionen. Dem Pop-U p verzeiht man das improvisierte, es wird vielmehr Teil des ungewöhnlichen Erlebnisses. Denn hier sind klassische Erwartungshaltungen an Standard und Service aufgeweicht,

zugunsten der Einzigartigkeit des aben-teuerlichen Erlebnisses. Der klassische Pop-up ist umso spezieller, j e weniger er im Alltag genutzt wird. Der Ort wird erst

-ping“, dem glamourösen Camping in noblen Zelten an unmöglichen Orten, an denen nicht gebaut werden darf, bis zur

--

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From Hospital to Hospitality

nicht nur die Architektur von Kranken-

auch Orte der Heilung und klassische U rlaubsangebote verschmelzen. Patien-

-lungen kann die Tourismus von dieser Symbiose auch in den kommenden Jah-

Laut des „Heidelberger Leben Trend Mo-nitor“ von 2011 ist für über 90 Prozent der j ungen Menschen zwischen 16 und 35 Jahren gesund zu sein und sich kör-perlich wohlzufühlen besonders wichtig und erstrebenswert. Dieses Verlangen, kombiniert mit einem steigenden Durch-schnittsalter resultiert in dem exponen-

-

der mittlerweile größte Wirtschafssek-tor, sondern auch bereits der größte

führend, selbst die Kommunikations-

sich gelassen. Hand in Hand geht damit ein Anstieg der Ausgaben und selbstver-

-her. Das Statistische Bundesamt be-richtet, dass im Jahr 2010 278 Milliarden Euro – das entspricht 11,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – allein für die

kommen die Fehlzeiten am Arbeitsplatz, -

lern. Private Ausgaben für die persön-

-gaben aus.

Heilung, U rlaubserlebnis und Ort ver-schmelzen – die Synergie erschließt

anhaltende Trend zum Wellness-U rlaub und die Medical Spa zeugen bereits seit einigen Jahren vom weiterhin wachsen-

verbrachten rund 3,63 Millionen Deut-sche wenigstens einen Wellness-U rlaub.

-

1999 bis 2001 nur 6 Prozent der Deut-schen für einen Wellness-U rlaub interes-sierten, so waren es zwischen 2010 und 2012 bereits 19 Prozent. Damit gelten derzeit immerhin 12,3 Millionen Deut-sche als potentielle Kunden für dieses Tourismussegment.

Hotels schon Produkte aus dem Bereich Wellness an. Dieser Trend wird sich in

Zu unterscheiden ist j edoch zwischen

Krankenversicherung bezahlten Reha--

heitsurlaub. Nicht nur die Anzahl der

nimmt zu, sondern auch ihr Alter. Mehr und mehr gesunde Menschen wollen die Zeit des U rlaubs dafür nutzen, noch gesünder zu werden. Dies bezieht sich nicht nur auf den Luxusbereich. Die klassischen Kurorte, ursprünglich im 19.

-tuchte konzipiert, wurden in der Nach-

-net und dementsprechend umgebaut.

-tete Neuausrichtung der existierenden Kurorte. Sie werden ein weiteres Mal

-te Aufenthalte attraktiver zu werden. Durch die neuen, erweiterten Ange-

und erhöhte Belegungszahlen erreicht -

nessbereich, wie Mountainbiking oder Tennis werden hier eine Rolle spielen.

-to mehr werden Kundenpatienten die

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anderen Konsumbranchen auch. So sind medizinische Konsultationen als

-gewöhnliches mehr. Medizintourismus

– gehört ebenso zur Zukunft des medizi-nischen Alltags wie die Suche nach Son-derangeboten und das Zurückgreifen

ließen sich laut Angaben der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg 90.007 ( 2011: 82.854)Patienten aus dem Ausland in deutschen

6Prozent mehr als im Vorj ahr.

New Relevance

-de. Neue Konzepte und die damit ver-bundenen Schlagwörter tauchen in stetigen Zyklen auf. Sie starten als klar

wie Luxus und Nachhaltigkeit über die Jahre abgenutzt. Sie haben von ihrer Relevanz und Bedeutung eingebüßt und

Nichtsdestotrotz verlangt der Kunde aber zunehmend nach einmaligen, au-thentischen Erlebnissen. Diese müssen lokal, direkt und in der physischen oder

diese neue Relevanz erreicht werden? Was charakterisiert den neuen Luxus und die neue Nachhaltigkeit? Der Weg vom Luxus in Richtung Nachhaltigkeit

-zogenen Selbstverwirklichung in allen

-tigkeit vor, hin zu einem real erlebten neuen Etappenziel: einem solidarischen Lebensstil ohne Verzicht, der als höhere

Markt für Luxusgüter weltweit fast ver-dreifacht und ist gleichzeitig in der Breite

gewachsen. Produkte, die ehemals ex-klusiv schienen, sind mittlerweile für den Durchschnittskonsumenten erreichbar. Dies führt zu zwei parallelen Entwick-lungen in diesem Bereich: Für die Elite

werden Konzepte des Luxusmarktes zu-nehmend in den allgemeinen Markt inte-griert. Letzteres ist zwar kein Luxus im eigentlichen Wortsinne, denn Luxus ist a priori exklusiv, fühlt sich aber danach

Marktpotentiale in sich, da es nicht um

-malige, nicht wiederholbare Erlebnis von

-lich sofort über Social Media mit allen

Freunden geteilt. Beim Erlebnis kann es sich um bestimmte Akteure, insbeson-dere aus dem kulturellen Bereich, han-

-

erkaufte Luxus als kommerziell entlarvt wird und die Frage nach der Relevanz ei-nes angestrebten Kauferlebnisses in den Vordergrund rückt.

Nicht zuletzt hat auch die Frage nach der Nachhaltigkeit des Handelns dazu geführt, dass wir der Einmaligkeit von

-

der Natur, einen neuen Wert beimes-sen. Schließlich rückten der Mensch und

der Nachhaltigkeit haben sich also viele

Denken und Handeln zur Selbstver-

-gen, die Bewegung der Nachhaltigkeit ist erwachsen geworden und hat sich gleichzeitig in verschiedene Richtungen weiterentwickelt. Einerseits soll Nach-haltigkeit wieder mehr Spaß machen,

mehr erwünscht. Andererseits entstehen die ersten „Demanding Brands“, die von

den Kunden mehr als das Übliche ver-

diese Entwicklungen gemeinsam haben,

Nachhaltigkeit. Man will die Resultate sehen und erleben können. Das soge-

-

gemeinsame und spaßbetonte Erleben von Nachhaltigkeit rückt für Konsumen-ten immer mehr in den Mittelpunkt. Dies

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Die Zukunftgehört denen, die

die Mö glichkeiten erkennen, bevor

O s car W ild e

G roß er Dank gebührt allenHelfern vor und hinter den Kulissen, die zum Erfolg der Ta-gung beigetragen haben, allen voran den Teams der B AY E RN T O U RI SMU S Marketing G mbH und der Kulturgipfel G mbH sowie dem L iteraturhaus München für die Gastfreundschaft.

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I mpressionen

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Herausgeber: Kulturgipfel G mbH in Zusammenarbeit mit der B AY E RN T O U RI SMU S Marketing G mbH

Kulturgipfel GmbHLandsberger Straße 7280339 München089 559686-0info@ kulturgipfel.dewww.kulturgipfel.dewww.kulturtourismus-neu-denken.de

J ochen G nauert ( V.i.S.d.P.)

Redaktion: E lke U ta Frenzelrafi e ig a o t aria hal a o

München, 8 . August 2 0 1 6Ä nderungen und Irrtümer vorbehalten.

neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neudenken neu denken neu denken neu denken neu denken neu denken neu kultur neu denken denken neu denken neu denken neuneu tourismus 2030

I mpressum

Albrecht Dürer:Selbstbildnis im Pelzrock, 1500Alte Pinakothek© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, München [ S.20]

V incent van G ogh:Sonnenblumen, 1888Neue Pinakothek© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek, München [ S.20]

Rotunde mit G lasdachPinakothek der Moderne© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Pinakothek der Moderne, München [ S.21]

Hotel ofer© GRAFT [ S.39]

ge her erge he it terior© GRAFT [ S.40]

O ld Mill Hotel B elgrade© Tobias Hein [ S.42]

© Roland Altmann [ S.5, 9, 13, 14, 16, 17, 18, 22, 25, 27, 30, 33, 34, 36, 38, 41, 43]

B ildnachweis

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mit U nterstützung von