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TOP-THEMA /BRANCHENWERKSTATT 24 möbel kultur 12/2015 Thomas Staba, Bereichsleiter Category Haus- und Heimtextilien der Otto Group, zeigte auf, dass der Konzern sowohl megagroß als Universalist auftritt als auch klein & fein mit Spezialshops wie Cnouch oder zuletzt Teppflor unterwegs ist.

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24 möbel kultur 12/2015

Thomas Staba, Bereichsleiter Category Haus- und Heimtextiliender Otto Group, zeigte auf, dassder Konzern sowohl megagroß alsUniversalist auftritt als auch klein& fein mit Spezialshops wieCnouch oder zuletzt Teppflor unterwegs ist.

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Fit für denMarathondurch dieKomplexität

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Macht allein Größe ein Unternehmen in der Möbelbranche erfolgreich? Wohl kaum. Denn häufig bedeutet Größe hohe Fixkosten, mehr Komplexität, zunehmende Abhängigkeit vonGroßkunden und daraus resultierend ertragsschwache Um -sätze. Doch klein sein allein, mit aller Flexibilität attraktive Nischen zu besetzen, ist genauso wenig die Lösung. Worin liegtalso der Königsweg? Darüber diskutierte auch in diesem Jahrdas „Who’s Who“ der Möbelindustrie während der 4. Branchen-werkstatt von Dr. Wieselhuber & Partner (W&P), die in Koope-ration mit der „möbel kultur“ sowie den Verbänden der Holz-und Möbelindustrie NRW – unter der Schirmherrschaft desWirtschaftsministeriums NRW – veranstaltet wurde.

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Dr. Lucas Heumann, Hauptge-schäftsführer der Verbände derHolz- und Möbelindustrie NRW.Auch Renz bestätigte: „Komplexitätper se ist nichts Schlechtes – abersie zu managen ist das A und O!Das kann aufgrund der vielen be-teiligten Funktionen nur im Teampassieren und gehört deshalb ganzoben auf die Management-Agenda.“ Ein Machtpromotor, derauch mal unangenehme Entschei-dungen durchboxt, müsse an derSpitze stehen.

In der Praxis bedeutet dies zumBeispiel für Dieter Baumanns, Geschäftsführer Surteco Decor: „Wiroptimieren ständig unsere Rüstzei-ten, um unsere Komplexität besserzu beherrschen.“ Gerade der Digi-taldruck führe zu noch mehr Varian-tenvielfalt und zu aufwendigerenProdukten und Prozessen. ZumAspekt der Größe sagte Baumanns,dass alle Einzelfirmen der Familien-aktiengesellschaft ihre beste Zeithinter sich hätten, als Gesamtunter-nehmen aber habe Surteco die besteZeit gerade vor sich. Denn: „UnserGeschäft ist die Komplexität.“

Dr. Martin Prasch, Leiter GlobalOperations der Amer Sports Europe,

der im laufenden Geschäftsjahr mitMarken wie Salomon, Atomic oderArc’teryx einen Umsatz von insge-samt 2,5 Mrd. Euro plant, gewährteden Zuhörern einen spannendenBlick über den Tellerrand in dietemporeiche Welt der Sportartikelund des Outdoor-Segments: „Manmuss auch den Mut haben, nichterfolgreiche Varianten wieder ster-ben zu lassen.“ Zu seinen wichtigs -ten Erkenntnissen gehört, dass Kun-den frühzeitig in die Entwicklungs-prozesse miteinbezogen werdensollten. Und: „Komplexitäts kostenlassen sich nicht immer messen.“

Philipp Burgtorf, Bereichsvor-stand Bedding der Recticel Group,zeigte ebenso auf, dass die Sorti-mentsstraffung neue Chancen fürechte Innovationen öffnet, wie bei-spielsweise das wachstumsträchtigeThema Geltex. Bei Schlaraffia wirddeshalb in Absprache mit dem Han-del das Produktportfolio von 400auf 80 verringert. ErstaunlichesZwischenergebnis: „Ende 2014 waren wir bei einer Reduktion von55 Prozent angekommen und haben dabei über 15 Prozent mehrUmsatz gemacht“, so Burgtorf.Mehr dazu auf S. 140.

Zu der hochkarätigen Ver-anstaltung kamen ca. 90Teilnehmer aus der Mö-bel- und Küchenindustriesowie aus dem Zuliefer-

bereich. Fazit des Dialogs, der er-neut im Hettich Forum stattfand:Ganz unabhängig von der Unter-nehmensgröße muss DeutschlandsMöbelindustrie jetzt vor allem eines– nämlich ihre Komplexität in denGriff bekommen.

Der steigende Druck der Ein-kaufsverbände nach mehr Exklusiv-modellen, der Kundenwunsch nachIndividualisierung sowie die unter-schiedlichen Ansprüche in interna-tionalen Märkten bringen eine Varianten- und Teilevielfalt hervor,die die Gewinne der Möbler häufigauffressen. Branchenexperte undW&P-Managing-Partner Dr. TimoRenz hat einen Namen für dieseHerausforderung, der viele Unter-nehmen – völlig größenunabhängig– gegenüberstehen: Komplexitäts-falle. Trotzdem: „Komplexität kanndurchaus ein Erfolgsmodell sein,denn es bedeutet eine hohe Bera-tungs- und Serviceintensität. Geradedies ist die Stärke vieler Mittelständ-ler im In- und Ausland“, betonte

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Diskussionsrunde zum Thema Storytelling mit Dieter Baumanns, Wolfgang Kettnaker, Jörn Holzmann,Thomas Staba und Philipp Burgtorf (v. l.).

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Wir praktizieren KVP als Geisteshaltung auf jeder Ebene. Unser Geschäft ist die Komplexität.

Im Hinblick auf Effizienz istGröße weder gut nochschlecht. Komplexität dagegenkann existenzbedrohend sein.

Komplexität per se ist nichts Schlechtes – aber sie zu managen ist das A und O!

Wir sind die einzige Big-Book-Company, die den Sprung in die digitaleWelt geschafft hat.

Komplexität kann auch einErfolgsrezept sein. Sie hält uns z.B. ausländischeWettbewerber vom Hals.

Fit für denMarathondurch dieKomplexität

Dieter Baumanns Philipp Burgtorf

Dr. Timo RenzThomas Staba Dr. Lucas Heumann

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Ein Geschäftsmodell muss heute stark sein, um am Markt bestehen zu können.

Tradition zu pflegen ist nicht das Bewahren von Asche, sondern die Weitergabe von Feuer.

Ohne Zweifel sind die deutschen Küchenmöbler in ihrer Gesamtheit die leis tungs-fähigsten in Europa.

Man muss auch den Mut haben, nicht erfolgreiche Varianten wieder sterben zulassen.

Ein leidenschaftliches Plädoyerdafür, dass jeder seinen individuel-len Weg finden muss, hielt Wolf-gang Kettnaker, Geschäftsführer derKettnaker GmbH & Co. KG. Das Fa-milienunternehmen in 5. Genera-tion erwirtschaftet in diesem Jahrvoraussichtlich 13 Mio. Euro Um-satz. Traditionelle Werte zu pflegenbedeute nicht das Bewahren vonAsche, sondern die Weitergabe vonFeuer. Dieses drohte 2008 nach sehrerfolgreichen Jahren, in denen dieManufaktur innerhalb von siebenbis acht Jahren den Umsatz verdop-pelt hatte, zu erlöschen. „Wir warenzwar immer noch gut, aber es fehltedie Story, die uns einzigartigmachte“, um die Preisunterschiedezu den Produkten zu rechtfertigen,die täglich in den Prospekten dergroßen Möbelhäuser abgebildetsind. „Uns gingen schlicht die Ar-gumente aus.“ Und dann kam Kett-naker zur „imm cologne 2009“ mitdem Programm „Soma“ und derIdee, ein Möbel wie ein Gebäudezu begreifen, das aus einem Kernbesteht und einer Fassade, die jederselbst gestalten und verändern kann.„Der Erfolg war die Aura um diesesneue Produkt, etwas Begehrliches,

Thomas Staba, Bereichsleiter Ca-tegory Haus- und Heimtextilien,stellte anschaulich dar, dass Otto so-wohl als Big Map Site megagroß auf-tritt, via Spezialshops, über die derKonzern Zusatzumsätze generierenwill, aber genauso gut klein & feinagiert. Specials wie Cnouch (Polster-möbel), Ekinova (E-Geräte), Natur-loft (Landhausmöbel), Privileg (einFachgeschäft für die Marke Privileg)oder Teppflor (Teppiche), der geradeerst vor vier Wochen an den Startgegangen ist, sollen ein individuellesShopping-Erlebnis vermitteln. DerKonzern vermarktet hier die glei-chen Produkte. „Wir wollen hier ausder Kraft der Größe Zusatzgeschäfteim Kleinen generieren.“

Staba hob hervor, dass Otto alsVollsortimenter im Onlinehandeldie höchste Stufe der Komplexitätfahre, die man haben kann. 2,1 Mio.unterschiedliche Artikel kann derKunde auf der Plattform jeden Tag24 Stunden kaufen. „Wir sendenzudem immer noch etwa 120 Spe-zialkataloge, darunter sehr erfolg-reiche Einrichtungskataloge, an un-sere Kunden. Und wir führen 5.200Marken – Fremdmarken genausowie Eigenmarken.“

Dieter Baumanns (Surte-co), Philipp Burgtorf(Recticel), Dr. AndreasHettich (Hettich Hol-ding), Dr. Dr. GünterScheipermeier (Nobilia)und Wolfgang Kettnaker(Kettnaker Manufakturfür Möbel) (o. v. l.).Thomas Staba (OttoGroup), Dr. Timo Renz(Dr. Wieselhuber & Part-ner), Dr. Lucas Heumann(Verbände der Holz- undMöbelindustrie NRW)und Dr. Martin Prasch(Amer Sports) (u. v. l.).

Dr. Andreas Hettich

Dr. Martin Prasch

Dr. Dr. Günter Scheipermeier Wolfgang Kettnaker

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1 Christoph Wollersen, LeitungProduktmanagement & Marketingbei Hesse (l.), und Tino Eggert, Objektleiter „möbelfertigung“. 2 Helmut Kriege, Oeseder Möbel-Industrie, und Michael Stiehl, Geschäftsführender Gesellschaf-ter der Rauch Möbelwerke (r.). 3 Küchen im Fokus: Markus San-der, Geschäftsführer Häcker, undDr. Dieter Wirths, Hettich Holding (v. l.).4 Zwei Hochwert-Vermarkter untersich: Wolfgang Kettnaker und Dr. Richard Lenz, Interlübke.

Die Pausen der Branchenwerk-statt nutzten die Teilnehmer zumNetworking. Viele wissen den regelmäßig stattfindenden Treff-punkt im Herbst inzwischen sehr zu schätzen.

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das es in dieser Form noch nichtgab“, schwärmt Kettnaker. „Wir haben unsere Geschichte gefunden,und ich sage euch, die ist nicht fertig. Man darf nie fertig sein, seineGeschichte weiterzuschreiben, sonstwird sie ganz schnell zu Asche. Jedervon euch muss seine eigene Ge-schichte finden, eine Kopie davonwäre ein müder Abklatsch, undwäre auch nur Asche. Das machtuns unverwechselbar, das Produktund die einmalige Story darum.“

Auch in der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von„möbel kultur“-Verleger Jörn Holz-mann, ging es um die Erfolgskom-ponente für Hersteller und Händler,für kleine wie große Unternehmen:

um die Bedeutung des Storytellings.„Produkt und Qualität sind wichtig,doch am Ende entscheidet die emo-tionale Komponente“, so WolfgangKettnaker aus eigener Erfahrung. Dasgilt laut Philipp Burgtorf auch gerade im Markengeschäft: „Wirmüssen Begehrlichkeiten mit derpassenden Geschichte wecken“, be-stätigt er. Funktionieren muss diesam Markt, aber auch innerhalb desUnternehmens: „Erst wenn alle Mit-arbeiter ‚Feuer und Flamme‘ sind,hat man auch beim Kunden Erfolgmit seinem Produkt“, so ThomasStaba. Abschließend warf Dr. Dr.Günter Scheipermeier, Vorsitzenderdes Beirates der Nobilia-Werke, erst-mals seinen ganz persönlichen Blick

5 Dr. Dr. Günter Scheipermeier, Vorsitzen-der des Beirats der Nobilia-Werke, undReiner Schulz, Vorsitzender des VorstandsSchattdecor (r.). 6 Sonja Schumacher, Jaka-BKL, und LeoBrecklinghaus, Geschäftsführer Jaka-BKL. 7 Andreas Kuipers, Dirk-Walter Fromm-holz, Geschäftsführer Frommholz Polster-möbel, und Markus Sander, Geschäfts -führer Häcker (v. l.). 8 Holger Jahnke, Vorstand Sedus Stoll(M.), im Gespräch mit Dr. Richard Lenz,Geschäftsführer Interlübke (r.), und Helmut Kriege, Oeseder.9 Wilfried Niemann, Geschäftsführer KarlW. Niemann, und Dr. Stephan Schunck,Technischer Direktor Surteco SE.

1 Dr. Martin Prasch, Amer Sports,und Carsten Clauder, Geschäfts-führer Grotefeld (r.).2 Stefan Kükenhöhner, Geschäfts-führer Hettich Holding, HeidrunBrinkmeyer, GeschäftsführendeGesellschafterin Ballerina Küchen,und Rita Breer, Redaktion „möbelkultur“ (v. l.). 3 Christian Pfeiffer, Leitung Lignabei der Deutschen Messe AG, undHorst Koitka, GeschäftsführerAbaco Informationssysteme.4 Arne Petersen, Geschäftsbe-reichsleiter Messemanagementder Koelnmesse und Arnd Ziemer,Chefredakteur „möbel kultur“.

auf die Küchenmöbelbranche von1999 bis heute. Er resümierte inseiner Keynote: „Komplexität undVariantenreichtum werden getrie-ben von den Bedürfnissen des End-verbrauchers. Diese werden abermassiv durch den Handel dynami-siert, der damit Kompetenz und Leistungsfähigkeit demonstrierenwill.“ Die bemerkenswerten Aus-führungen Scheipermeiers lesen Sieauf S. 60.

Fazit der Veranstaltung? Der Wegaus der Komplexitätsfalle ist auf jeden Fall machbar, erfordert abereinen langen Atem. Komplexitäts-management ist kein Sprint – sondern vielmehr ein Marathon.

RITA BREER

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