tŌru takemitsu jŌ kondŌ toshio hosokawa japan -...

17
SO 8. JULI, 20 UHR STUTTGART-GAISBURG EV. KIRCHE TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ MICHIO MAMIYA TOSHIO HOSOKAWA DIRIGENT: MARCUS CREED JAPAN

Upload: others

Post on 02-Sep-2019

8 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

SO 8. JULI, 20 UHRSTUTTGART-GAISBURG

EV. KIRCHE

TŌRU TAKEMITSUJŌ KONDŌMICHIO MAMIYATOSHIO HOSOKAWA

DIRIGENT: MARCUS CREED

JAPAN

Page 2: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

TŌRU TAKEMITSU

1930 – 1996

うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL)「小さな空」 Kleiner Himmel – aus Songs I 「さくら」 Kirschblüten (trad.) – aus Songs II

JO KŌNDŌ * 1947

薔薇の下のモテット MOTET UNDER THE ROSE für zwölfstimmigen Chor a cappella (2011)

MICHIO MAMIYA* 1929

COMPOSITION FOR CHORUS NO. 1 für gemischten Chor a cappella (1958)

I Chorlied auf Anfeuerungsrufe (Hayashikotoba) alter Arbeitsgesänge (Kiyari) aus Edo und Niigata

II Chorlied auf Trommelsolmisationen (Kuchi-shōga) und Rhythmen der Volksmusik aus Aomori (Nordjapan)

III Chorlied als Vokalise über traditionelle Wiegen- und Kinderlied- melodien aus Nordostjapan

IV Chorlied auf Solmisationssilben (Kuchi-shōga) der Instrumente der traditionellen shintoistischen Kagura-Musik Japans

SOLI: Hubert Mayer Tenor, Philip Niederberger Bass

JAPAN

Page 3: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

KONZERTEINFÜHRUNG 19 Uhr mit Dorothea Bossert SENDUNG Fr 28. September 2018 ab 20.03 Uhr im SWR2 Abendkonzert LIVE-VIDEOSTREAM am Do 19. Juli 2018 ab 20.05 Uhr auf SWRClassic.de (Werke von Brahms und Hosokawa beim Festival Rheinvokal)

TOSHIO HOSOKAWA * 1955 DIE LOTOSBLUME für gemischten Chor und Percussion (2006)

SOLI: Dorothea Winkel, Wakako Nakaso SopranStefanie Gläser-Blumenschein AltAlexander Yudenkov TenorBernhard Hartmann BassFranz Bach Percussion

TŌRU TAKEMITSU1930 – 1996

風の馬 WIND HORSE (1961 – 1966)

I Vocalise 1 für Frauenchor II 「指の呪文」 Fingerzauber (Text: K. Akiyama) für Frauenchor III Vocalise 2 für Männerchor IV Vocalise 3 für gemischten Chor V 「食卓の伝説」 Legende vom Esstisch für Männerchor Coda für gemischten Chor

Dorothea Winkel Sopran, Wiebke Wighardt Alt

KURZINFO ZUM HEUTIGEN KONZERTCHORMUSIK DES 20. JAHRHUNDERTS AUS JAPAN

Über 2000 Jahre lang kannte die japanische Kultur keine Musik im europäischen Sinne. Musik war Teil einer überlieferten Tradition von Bräuchen, Zeremonien und religiösen Ritualen. Melodie, Rhythmus, Metrum oder gar Harmonik spielten dort keine Rolle. Der einzelne Ton, sein »Atem« und seine Beziehung zu den Klängen der Natur waren das zentrale ästhetische Merkmal japanischer Musik und wurden in unendlich feinen Schattierungen variiert und entwickelt. Heutige Japaner wissen kaum noch etwas über diese Kunst. Denn als Japan Mitte des 19. Jahrhunderts seine Politik der Abschottung aufgab, wurde innerhalb kürzester Zeit die europäische Musik zur Leitkultur in Japan. Beethoven und Brahms, Wagner und Debussy, Skrijabin und Sibelius bestimmten die Ästhetik – auch der japanischen Kompo-nisten.

Erst Mitte des 20. Jahrhunderts begannen Komponisten wie Michio Mamiya oder Tōru Takemitsu sich von den Vorbildern ihrer europä-ischen und amerikanischen Lehrer zu lösen und sich auf die gewach-sene Musiktradition ihres Landes zu besinnen. Ein subtiler und extrem spannungsvoller Dialog der Kulturen begann, der auch in den Kompo-sitionen der nächsten Generation, von Toshio Hosokawa und Jō Kondō nach immer neuen Wegen sucht, die Qualitäten beider Musikverständ-nisse zu vereinen.

Page 4: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

「小さな空」

1

青空みたら綿のような雲が悲しみをのせて飛んでいった (リフレイン) いたずらが過ぎて 叱られて泣いた こどもの頃を憶いだした

2

夕空みたら教会の窓のステンドグラスが眞赫に燃えてた

3

夜空をみたら小さな星が涙のように光っていた

「さくら」

さくら さくらやよいの空は 見渡すかぎり霞か雲か 匂いぞいずるいざや いざや 見に行かむ

「底の底」

底の底、夢のふかみをあざれたる泥の香孕みわが思ふとこそ浮べ。

浮漚のおもひは夢の大淀のおもてにむすび、ゆららかにゑがく渦の輪。

滞る銹の緑に          濃き夢はとろろぎわたり、呼息づまるあたりのけはひ。

涯もなく、限も知らぬしづけさや、──聲さへ朽ちぬ、あなや、この物うきおそれ。

浮漚はめぐりめぐりぬ、大淀のおもてに鈍びてたゆまるる渦の輪のかげ。

物うげの夢の深みに魂の失せゆくひまを、浮漚のおもひは破れぬ。

朽ちにたる聲張りあげてわがおもひ叫ぶとすれど、空し、ただあざれしにほひ。

涯もなきこの静けさや、めくるめくおそはれごこち、涯もなき夢のとろろぎ。

I Kleiner Himmel (aus Songs I)

1

Ich schaute auf zum blauen Himmel:Wolken wie Wollknäuel,mit Kummer beladen,flogen vorbei. (Refrain) Wenn zu viel Unsinn ich anstellte, wurde ich gescholten und weinte – Erinnerungen an die Kindheit wurden wach.

2

Ich schaute auf zum Abendhimmel:In den Fenstern einer Kirchedie Glasmalereien,sie glühten tiefrot.

3

Ich schaute auf zum Nachthimmel:Ein winziger Stern,wie eine Träne,schimmerte.

II Kirschblüten (aus Songs II)

Kirschblüten, Kirschblüten!Frühlingshimmel, soweit das Auge reicht.Ist es Dunst, sind es Wolken, alles duftet.Auf, auf! Lasst uns hingehen und schauen!

Aus dem tiefsten Grund

Aus dem tiefsten Grund des Traums,erfüllt mit dem Geruch von fauligem Schlamm,kommen plötzlich die Erinnerungen hervor.

Bläschen der Erinnerung bilden sich im Traumauf der Oberfläche eines Wasserstaus, zitternd zeichnen sie wirbelnde Kreise.

Still über dem rostigen Grün verharrend,breiten sich sanft die dunklen Träume aus,in einer Atmosphäre atemraubender Spannung.

Endlose, grenzenloseStille – sogar die Stimme verstummt.Ach, diese schmerzliche Wehmut!

Die Bläschen treiben umher, und wie sieauf der Oberfläche des Wasserstaus verkümmern,verblassen die Schatten der Kreise.

Wie meine Seele sich verloren hatin den Tiefen wehmütiger Träume,brechen die Bläschen der Erinnerungen hervor.

Die verstummte Stimme will ich erhebenund meine Gedanken herausschreien, dochvergebens – bloß fauliger Geruch entweicht.

Wie endlos ist diese Stille!Geblendet von erschreckenden Visionen,endlos im Traume dahindämmernd.

TŌRU TAKEMITSU2 SONGS 《うた》(AUS SONGS I UND II, 1954 – 1994)Texte: Tōru Takemitsu, traditionell

JŌ KONDŌ MOTET UNDER THE ROSE《薔薇の下のモテット》FOR 12 VOICES (2011)Text: Ariake Kambara蒲原有明(1876 – 1952) (Übs.: H.-D. Reese, 2018)

Page 5: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

Die Lotosblume ängstigtSich vor der Sonne Pracht,Und mit gesenktem HaupteErwartet sie träumend die Nacht. Der Mond, der ist ihr Buhle,Er weckt sie mit seinem Licht,Und ihm entschleiert sie freundlichIhr frommes Blumengesicht. Sie blüht und glüht und leuchtet,Und starret stumm in die Höh‘;Sie duftet und weinet und zittertVor Liebe und Liebesweh.

TOSHIO HOSOKAWADIE LOTOSBLUME FÜR GEMISCHTEN CHOR UND PERCUSSION (2006)Text: Heinrich Heine (1797 – 1856)

II 「指の呪文」

わたしに 何かがはじまった日

わたしのからだが 何かを知った日

親指 変える親指 ざわめく海親指 乳房の

人差指 さがす人差指 わたしのなかの人差指 しずかな湖の

中指 きいている中指 苦しみを中指 走りだす風の痛みの血の

薬指 わたしのからだに   バラの刺   を におわせる

II Fingerzauber

Finger

Es war der Tag, an dem in mir etwas begann.

Finger

Es war der Tag, an dem mein Körper etwas gewahr wurde.

Daumen – er verändert das aufgewühlte Meerin meiner Brust.

Zeigefinger – er durchforscht in mirden ruhigen See.

Mittelfinger – er lauscht den Qualen des aufkommenden Windes, des Schmerzes, des Bluts.

Ringfinger –er erspürt in meinem Körperden Duft dorniger Rosen.

TŌRU TAKEMITSU WIND HORSE/WINDPFERD 《風の馬》(1961 – 1966)Texte: Kuniharu Akiyama (1929 – 1996)

Page 6: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

Über zweihundert Jahre lang, von 1633 bis 1853, hatte sich Japan von der Außenwelt abgeschottet. Ausländer durften nicht einreisen und Ja-paner, die länger als fünf Jahre im Ausland gelebt hatten, nicht zurück-kehren. So blieb das Land unberührt von den tiefgreifenden und rasanten Entwicklungen in Kultur und Politik, die in dieser Zeit in Europa statt-fanden. Als Japan sich dann in den 1860er-Jahren unter dem Druck der amerikanischen und europäischen Mächte öffnete, setzte man alles da-ran, den vermeintlichen Rückstand gegenüber der Zivilisation des Wes-tens durch eine komplette Neuordnung und Modernisierung des Landes aufzuholen. Dabei kam es auch auf musikalischem Gebiet zu einem radikalen Paradigmenwechsel: Man begann, das abendländische Musik-system planmäßig und in vollem Umfang in die japanische Kultur zu integrieren. Die traditionelle japanische Musik erschien zu sehr mit der alten feudalistischen Ordnung und ihren sozialen Klassen verknüpft und daher ungeeignet, in einem modernen Staat als »nationale«, von allen Bevölkerungsschichten akzeptierte und praktizierte Kunst zu dienen. Sie wurde in der Folgezeit weitgehend aus der Öffentlichkeit verdrängt

Dass sich das westliche Musikidiom in der Folgezeit so rasch und fest im japanischen Bewusstsein verankern konnte und zur Leitkultur wurde, ist der Einrichtung eines modernen, nach europäischen und amerika-nischen Mustern organisierten Schulsystems zu danken, das auch der Musikerziehung – ausschließlich auf der Basis des westlichen Musik-systems – einen festen Platz einräumte. Von nun an wurde in Japan jedes Kind während seiner schulischen Ausbildung mit westlicher Musik vertraut gemacht. Die professionelle Ausbildung von Interpreten und Komponisten erfolgte an eigens gegründeten Hochschulen, von denen die Musikakademie Tokio (die heutige Tokyo University of the Arts) die erste und bis heute bedeutendste ist.

EUROPÄISCHE MUSIK FÜR EIN MODERNES JAPANそして 小指、孤独な小指わたしに何にをもってくる?

小指 はうごく―― もってこい、突刺してやろう親指 はためらう―― Koi Urlaik ? Koi Urlaik ?羊を盗もうか?

V 「食卓の伝説」

ぼくが激しく空腹をおぼえる時 Duana Geler Isekden (ドゥアナは扉から入る)おまえは何処にいるそれを誰も語ってくれない Balyaket Ciger Tesikten (悪魔は隙間から出る)港のない海血まみれの太陽睡りの唇ぼくは おまえを愛する

犬にやることは 悪いことだ草の汁をたいせつにしろ

主人よ! Ak, ak, ak !

Und Kleiner Finger, einsamer Kleiner Finger – was wirst dumir bringen?

Der kleine Finger bewegt sich.Komm bring es, und ich werde es erdolchen!Der Daumen zögert.Koi Urlaik ? Koi Urlaik? Soll ich ein Schaf stehlen?

V Die Legende vom Esstisch

Wenn ich heftigan meinen Hunger erinnert werde Duana Geler Isekden (Duana kommt zur Tür herein.)Wo bist du?Niemand sagt es mir. Balyaket Ciger Tesikten (Der böse Geist entweicht durch einen Spalt.)Das Meer ohne einen Hafen,die Sonne in Blut gebadet,schlaftrunkene Lippen, Ich liebe dich.

Sie dem Hund zu geben ist schlecht.Doch die Suppe aus Kräutern schätze man hoch.

Oh, Meister! Ak, ak, ak!

Page 7: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

VOLKSBILDUNG MIT GESANG

Da westliche Musikinstrumente in Japan anfangs rar waren und ihre Beherrschung lange Jahre der Ausbildung erforderte, setzte man bei der Musikerziehung vor allem auf Gesang. Europäische Volks- und Kinderlieder wie auch einfache Kunstlieder wurden als »Schullieder« (Shōka) benutzt. Mit japanischen Texten konnten sie von jedermann erlernt und gesungen werden. Man intonierte sie meist chorisch unisono oder im Oktavabstand der Stimmen, was bis heute eine gängige Praxis japanischer Chöre geblie-ben ist. Erst allmählich kamen auch mehrstimmige Chorsätze hinzu.

CHOR ALS SOZIALES NETZWERK

In dieser einfachen Form hatte der Chorgesang in Japan vor allem soziale Funktionen. Neben der schulischen Musikerziehung wurde er in Gesangsvereinen an den Universitäten (Glee clubs) zu einer identitäts-stiftenden Beschäftigung der kulturellen Eliten. Aber auch außerhalb dieser Bereiche entwickelte sich Chorgesang zu einer allgemein belieb-ten, weit verbreiteten musikalischen Betätigung. Bis heute wird die Chorszene in Japan weitgehend von Laiengruppen dominiert, deren Mitgliedern das soziale Leben in einer besonderen, durch gemeinsames Singen bestimmten Gemeinschaft wichtiger ist als vokale Meisterschaft. Dennoch: die konsequente Arbeit ausgebildeter Chorleiter und ein System landesweiter Chorwettbewerbe haben auch bei den Amateur-chören die musikalischen Aktivitäten beträchtlich professionalisiert.

Professionelle Chöre entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich in Japan das Musikleben noch enger an die Konventionen und Standards des Westens anpasste. Sie wurden als Erweiterung philharmonischer Orchester oder an den staatlichen Rundfunkanstalten gegründet, um chorsinfonisches Repertoire oder Musik der Moderne aufzuführen. Auch wenn sich ihre Zahl heute wieder sehr reduziert hat und Chöre meist nur noch temporär und projektgebunden aufgestellt werden, haben diese durch regelmäßige Vergabe von Kompositionsaufträgen maßgeblich zur

Erweiterung des Repertoires auch künstlerisch anspruchsvoller japani-scher Chorliteratur beigetragen. Die im heutigen Konzert vorgestellten Kompositionen stammen alle aus diesem Bereich.

TŌRU TAKEMITSU: SONGS UND WIND HORSE

Tōru Takemitsu wird bis heute, auch 22 Jahre nach seinem Tod, als einer der bedeutendsten japanischen Komponisten der Neuzeit hoch ge-schätzt. 1930 in Tokio geboren, beschloss er bereits als Schüler, Komponist zu werden. In der Nachkriegszeit wuchs er durch den Rundfunk der ame-rikanischen Besatzer mit westlicher Musik auf: Jazz, Debussy und Cop-land, aber auch Schönberg hörte er im Radio. Komposition erlernte Take-mitsu weitgehend autodidaktisch, wenngleich er immer wieder die Nähe zu herausragenden Lehrern suchte: Toshi Ichiyanagi (geb. 1933) führte ihn in die europäische Avantgarde eines Messiaen, Nono und Stockhau-sen ein. Fumio Hayasaka (1914 – 1955) machte ihn mit der Welt der Film-musik vertraut. Auch moderne Malerei, Theater und Literatur interessier-ten ihn. Und so gründete er 1951 zusammen mit Vertretern aus unter - schiedlichen Kunstbereichen die Gruppe »Jikken Kōbō« (Experimentelle Werkstatt), eine »Mixed-Media-Gruppe«, die bald mit ihren avantgardis-tisch multimedialen Aktivitäten Aufsehen erregte.

Takemitsus Kompositionen standen anfangs unter dem Einfluss der Zwei-ten Wiener Schule und des französischen Impressionismus. In den frühen 1960er-Jahren kam Neues hinzu: zum einen die traditionelle japanische Musik, die Takemitsu in einigen Werken konkret zu einer kontrastierenden Gegenüberstellung von östlicher und westlicher Klangwelt verwendete, zum anderen die Musikalisierung von Naturphänomenen. Insbesondere Wasser, sei es als Regen, Fluss oder Meer, wurde zur Inspirationsquelle für zahlreiche Kompositionen. In Takemitsus letzten Lebensjahren spielte zudem die japanische Gartenkunst mit ihren spirituellen Dimensionen eine wichtige Rolle. Als er 1996 in Tokio starb, hatte er ein eindrucksvoll großes und vielseitiges musikalisches Œuvre geschaffen.

Page 8: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

Die Sammlung Uta/Songs umfasst zwölf kurze Gesänge auf Texte japani-scher Dichter. Aus den beiden Heften dieser Sammlung sind im heutigen Konzert zwei Gesänge zu hören. Dem ersten, Chiisana sora/Kleiner Himmel, liegt ein schlichter, nachdenklich-melancholischer Text über Kindheitserin-nerungen zugrunde, den Takemitsu selbst verfasst hat. Sakura/Kirschblüten dagegen ist das Arrangement eines populären japanischen Frühlingslieds aus dem 19. Jahrhundert, das mit seiner einfachen, dabei charakteristisch halbtönig-pentatonischen Melodik weltweit Bekanntheit erlangt hat.

Die Verwendung von Sprache als Klang- und Lautmaterial prägt die Chor-gesänge Kaze no uma/Wind Horse, die Tōru Takemitsu in den Jahren 1962 bis 1966 als Auftragswerk des Tokyo Philharmonic Chorus schrieb. Der Titel bezieht sich auf ein Ritual tibetischer Nomaden, mit dem ent-schieden wird, wohin die Gemeinschaft als nächstes weiterzieht. Auf einem freien Platz des flachen Hochlandes wird ein Seil gespannt, an das allerlei Kleidungsstücke in unterschiedlichsten Farben gehängt werden. Nun wartet man auf einen kräftigen Windstoß, der mit mancherlei Ge-räuschen durch die Kleider bläst. Die Himmelsrichtung, in die der Wind die Kleidungsstücke weht, gibt das Ziel vor, zu dem die Nomaden dann aufbrechen. Das Seil bei diesem Ritual wird in der Übersetzung »Wind Horse/Windpferd« genannt.

In Vocalise 1 für Frauenchor, mit der die etwa 20-minütige Komposition beginnt, meint man tatsächlich Windstöße zu hören, die sich zuckend hin und her bewegen. Vocalise 2 für Männerchor ist ein Halte- und Ruhepunkt in klanglich verdichteter Textur, und Vocalise 3 vereinigt Frauen- und Män-nerstimmen in einem Wohlklang, der erst am Schluss energisch auf-trumpft. Die beiden letzten Gesänge sind schamanische Rituale und Dä-monenbeschwörungen nach Texten des japanischen Musikwissenschaft-lers, Komponisten und Klangkünstlers Kuniharu Akiyama (1929 – 1996).

JŌ KONDŌ: MOTET UNDER THE ROSE

Anders als Tōru Takemitsu und Toshio Hosokawa versteht Jō Kondō sein Komponieren vornehmlich als ein abstraktes, hochartifizielles Spiel mit

TŌRU TAKEMITSU

JŌ KONDŌ

© S

chot

t Ver

lag

Page 9: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

Tönen und deren Beziehungen. Ihn interessieren die Mehrdeutigkeit der Klänge in unterschiedlichen musikalischen Kontexten und die Möglich-keit, damit überraschend neue Wirkungen zu erzielen. Dagegen bleiben herkömmliche Qualitäten von Musik wie Expressivität, die Vermittlung konkreter Inhalte sowie ein erzählender Duktus der Tonsprache weitge-hend ausgeblendet.

Kondō, 1947 in Tokio geboren, absolvierte ein Studium der Komposition an der Staatlichen Musikhochschule in Tokio, das er 1972 abschloss. Im-mer wieder verbrachte er längere Zeit zunächst als Student, dann auch als Gastdozent und Composer in Residence in den USA, Kanada und Eng-land. Er arbeitete mit John Cage und Morton Feldman, zwei einflussrei-chen Vertretern der westlichen Avantgarde, und ließ sich von Steve Reich und Terry Riley inspirieren. Doch letztlich hielt er sich bewusst von allen Strömungen und Moden der Neuen Musik fern. Kondō entwickelte sei-nen ganz eigenen Stil, indem er sich mit einer geradezu dekonstruktivis-tisch anmutenden Methode die Musik von ihren Grundlagen her neu erschloss. Anfangs bestimmte eine extreme Reduktion der musikali-schen Mittel sein Schaffen. In seiner »Musik der Linie« (Sen no ongaku) konzentrierte er sich auf Einzeltöne und einfachste lineare Tonfolgen. Erst nach und nach fanden weitere Gestaltungselemente Berücksichti-gung – heterophone Verzweigungen der zentralen Melodielinie, freie mehrstimmige Formen und harmonische Schichtungen der Klänge. Jō Kondō hat bis heute mehr als 130, überwiegend instrumentale Kompo-sitionen veröffentlicht. Erst in den letzten Jahren entstanden auch ein-zelne Vokalwerke, sowohl Sololieder wie Chorsätze.

Bara no shita no Motetto/Motet Under the Rose für zwölfstimmig ge-mischten Chor wurde 2011 als Auftragswerk für das japanische Vokal-ensemble Vox humana geschrieben und von diesem im selben Jahr unter der Leitung von Ryūta Nishikawa in Tokio auch uraufgeführt. Den Bedin-gungen des professionellen Ensembles entsprechend schrieb Kondō ei-nen Chorsatz für zwölf Solosängerinnen und -sänger. Dabei erzeugen die tonlich und rhythmisch heterophon geführten Stimmen ein viel-

schichtiges, sich ständig wandelndes Klanggewebe, das an Motetten-kompositionen der europäischen Musik des 15. Jahrhunderts erinnert. Tatsächlich hatte Kondō, wie schon der Titel »Motet« andeutet, diese Musik auch im Blick. Vor allem das Werk eines Renaissance-Komponisten inspirierte ihn, das von Johannes Ockeghem (1420/25 – 1497).

Als Text für seine Komposition Motet wählte Kondō ein Gedicht von Ari-ake Kambara (1875 – 1952), das dieser 1908, zu Beginn der vom Westen beeinflussten literarischen Moderne in Japan verfasste. Unter dem Titel Soko no soko/Aus dem tiefsten Grund schildert Kambara hier in einer symbolistischen, von altjapanischen Wörtern durchsetzten Sprache, die auch für Japaner nur schwer verständlich ist, einen rätselhaften Traum, in dem Erinnerungen an eine verborgene Leidenschaft wie Wasser aus den Tiefen einer Quelle hervorsprudeln.

Kondō begründet die Wahl dieses Textes mit der im japanischen Original »ausgesprochen eleganten und konsistenten sprachlichen Struktur«, die die Mehrdeutigkeit des Gedichts hervorhebt. In der musikalische Gestal-tung seiner Komposition unterstreicht Kondō dies dadurch, dass er die jeweils drei Verse der acht Strophen von Kambaras Gedicht in immer neuen Abwandlungen, gleichzeitig oder mit minimalen rhythmischen Verschiebungen, intonieren lässt. Durch diese Überlagerung wird das Textverständnis erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Das Verfahren ähnelt dem der mehrtextigen Motette des Mittelalters, in der jede Stimme einen eigenen Text, häufig sogar in unterschiedlichen Spra-chen sang, um den semantischen Sinn der mitunter scharfzüngigen Texte zu verbergen. Darauf nimmt Kondō im Untertitel seiner Komposition kon-kret Bezug: Bara no shita/Under the rose. In dem lateinischen »sub rosa« stand die Rose in der abendländischen Kulturgeschichte häufig als Meta-pher für »Geheimnis, Verschwiegenheit«. Für Jo Kondōs Komposition heißt dies: Kambaras mehrdeutiges Gedicht bleibt hinter der bewussten Ver-schleierung des Chorgesangs als »geheimer« Inhalt der Musik bedeu-tungsvoll.

Page 10: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

MICHIO MAMIYA: COMPOSITION FOR CHORUS NO. 1

Michio Mamiya, 1929 auf der Insel Hokkaidō geboren, verbrachte seine Jugend in Nordjapan. Von 1948 bis 1952 studierte er an der Staatlichen Musikhochschule in Tokio (der heutigen Tokyo University of the Arts). Sein Kompositionslehrer war Tomojirō Ikenouchi (1906 – 1991), ein füh-render Repräsentant der sogenannten »französischen Komponis-ten-Schule« in Japan. 1953 gründete Mamiya mit Musikerkollegen die Gruppe »Yagi no kai« (Gruppe der Ziegen), deren erklärtes Ziel es war, aus dem allgemein verbreiteten westlichen Musikidiom eine nationale, japanische Musik abzuleiten.

Eine Forschergruppe des staatlichen japanischen Rundfunks NHK hatte zu jener Zeit damit begonnen, die unterschiedlichen Überlieferungen des japanischen Volkslieds zu dokumentieren – Material, das Mamiya in der Bibliothek des NHK studieren konnte. Zusammen mit der Volksliedsän-gerin und Musikforscherin Ruriko Uchida (1920 – 1992) begann Mamiya dann selbst mit der Erforschung des japanischen Volkslieds. Er machte Aufnahmen vor Ort und transkribierte die nur mündlich überlieferten Melodien. Seine Vorbilder waren Béla Bartók und Zoltán Kodály, die beide große Verdienste um die Erforschung der ungarischen, wie überhaupt der Volksmusik der Balkan-Völker haben. Und so wie diese eine Erneue-rung ihres eigenen Kompositionsstils und eine Profilierung des National-charakters der ungarischen Musik anstrebten, so hoffte Mamiya, Glei-ches für eine japanisch geprägte Musik leisten zu können.

In den Jahren 1955 bis 1965 entstand seine Sammlung japanischer Volks-lieder (Nihon minyô-shû, 6 Bde.), in der Mamiya selbst transkribierte Melo-dien und Rhythmen aus dem Volksliedschatz der japanischen Inseln in einer künstlerisch anspruchsvollen Bearbeitung präsentierte. 1958 erschien das erste Heft einer vergleichbaren Sammlung von Vokalmusik für gemischten Chor, die er mit dem englischen Titel Composition überschrieb.

Hier ging es Mamiya nicht um ein zeitgemäßes Arrangement konkreter Melodien und Rhythmen, sondern um die kreative Verarbeitung einzel-

MICHIO MAMIYA

TOSHIO HOSOKAWA

© S

chot

t Ver

lag

Page 11: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

ner, typischer Elemente dieser Volksmusik. Insbesondere faszinierten ihn die Anfeuerungsrufe (Hayashikotoba) in alten Arbeitsgesängen (z.B. der Holzfäller und Fischer), aber auch das differenzierte System der Solmi-sationssilben (Kuchi-shōga), mit dem die Volksmusiker das Spiel der Trommeln und anderen Instrumente lautmalerisch abbilden und memo-rieren. Über diese Praxis hat Mamiya selbst im Jahre 1957 eine musik-wissenschaftliche Studie veröffentlicht.

In den vier Abschnitten von Composition werden Anfeuerungsrufe und Solmisationssilben zu selbständigen, von ihren ursprünglichen Funktio-nen losgelösten Klangelementen, die den sinntragenden Gesangstext weitgehend ersetzen. Mamiya nutzt sie, um den Chorsatz musikalisch frei zu gestalten. Im ersten Abschnitt, der auf Arbeitsgesänge der Holz-fäller in Edo (alter Name für Tokio) und in der nordwestlichen Provinz Niigata Bezug nimmt, kommt entsprechend ein Männerchor mit Tenor- und Bariton-Solisten zum Einsatz. Die weiteren Abschnitte sind dagegen für einen gemischten Chor konzipiert. Die Solmisationssilben und Rhyth-men des zweiten Abschnitts haben ihren Ursprung im Trommelspiel der Volksmusik der nordjapanischen Provinz Aomori. Der dritte Abschnitt basiert auf Wiegen- und Kinderliedern und verwendet auch hier weit-gehend bedeutungsleere Silben. Nur gelegentlich sind auch einzelne Wörter der japanischen Sprache erkennbar. Im abschließenden vierten Abschnitt bestimmen wiederum Solmisationssilben den Gesang, die Mamiya bei den Instrumentalensembles des Kagura, der weit verbreite-ten Ritualmusik der japanischen Shintō-Schreine, gehört und aufge-zeichnet hat.

TOSHIO HOSOKAWA: DIE LOTOSBLUME

Wie Tōru Takemitsu begann auch sein jüngerer Landsmann Toshio Ho-sokawa als »westlicher« Avantgarde-Komponist. 1955 in Hiroshima ge-boren, kam Hosokawa nach ersten Musikstudien in Tokio 1976 nach Berlin, um bei Isang Yun (1917 – 1995) Unterricht in Komposition zu nehmen. Von 1983 bis 1986 setzte er seine Studien in Freiburg bei Klaus

Huber (1924 – 2017) fort. Seit 1980 nahm er regelmäßig an den Inter-nationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt teil (seit 1990 auch als Dozent). Sein mittlerweile umfangreiches Werkverzeichnis um-fasst u.a. mehrere Opern, Orchesterkompositionen, Solokonzerte und Kammermusik für unterschiedlichste Besetzungen. Seinem Vorbild Ta-kemitsu vergleichbar, entdeckte auch Hosokawa in den 1980er-Jahren die traditionelle Musik seines Heimatlandes und war fasziniert.

Er schrieb neue Werke für einzelne Instrumente und Ensembles, wobei er bewusst auf eine Imitation der äußeren Seite der Klangformen ver-zichtete. Wichtiger wurden ihm die von Zen-buddhistischen Vorstellun-gen geprägten geistigen und ästhetischen Grundprinzipien des Musizie-rens, und er leitet aus diesen bis heute Inspirationen auch für das eigene musikalische Schaffen ab. Seine Musiksprache ist an der Natur orientiert und entfaltet sich organisch. Sie vermeidet vorgefertigte Strukturen und abstrakte Formen, versteht sich vielmehr als eine Verklanglichung von Energien, die uns in Natur und Kosmos umgeben. Seine Kompositionen blühen häufig aus der Stille auf und enden wieder in der Stille. Bei der Zeitgestaltung spielt für ihn der Atem, das kontrollierte, langsame Ein- und Ausatmen eine wichtige Rolle.

Ein solcher Musikstil prägt auch Hosokawas Vokalkomposition Die Lo-tosblume, die 2006 als Auftragswerk des Westdeutschen Rundfunks Köln entstanden ist. Hosokawa schrieb das Werk für gemischten Chor und Schlagzeug, ließ letzteres allerdings mit Marimba, Tamtam, japani-schen Klangschalen und Windglöckchen nur sehr dezent zum Einsatz kommen. Dem vielstimmig aufgefächerten Chorgesang liegt der deut-sche Text von Heinrich Heines Gedicht zugrunde, das in den Vertonun-gen von Robert Schumann populär geworden ist. Hosokawa bekennt eine besondere Liebe zur Musik Robert Schumanns. Er bewundert dessen Kunst, Harmonik und Melodik in organischer Weise aufeinander abzu-stimmen und zu entfalten. Insbesondere das Klavierlied Die Lotosblume hat es ihm angetan. Aber auch Heines Text fasziniert ihn. Er vermittelt ursprünglich wohl, metaphorisch verschleiert, eine unglückliche Liebes-

Page 12: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

geschichte aus der Jugendzeit des Dichters. In Schumanns Vertonung wird der geheimnisvolle Dialog zwischen der Lotosblume und dem Mond zu einem geradezu mystischen Naturbild. Und das wiederum erinnert an einen Topos der ostasiatischen Kultur, den Hosokawa selbst so erklärt: »Im Buddhismus sitzt Buddha auf einer Lotosblüte, die das Transzenden-tale symbolisiert. Sie gräbt ihre Wurzeln in den schlammigen Grund, wächst durch das Wasser und öffnet sich zum Himmel. Im Mondlicht erinnert die geschlossene Knospe an die Hände eines ins Gebet versun-kenen Menschen«.

Im Jahre 2006 bekam Hosokawa die Gelegenheit, mit einer eigenen Ver-tonung den Heine-Text Die Lotosblume in einen »japanischen« Klang- und Bedeutungskontext zu stellen. Seine Komposition für gemischten Chor, die er als eine »Hommage à Robert Schumann« verstanden wissen möchte, beginnt mit gesummten Lauten und Atemgeräuschen in den Bass-Stimmen, die »wie Wind« klingen und eine nächtliche Atmos phäre schaffen sollen. Der vierstimmige Chorsatz wird durchgängig auf acht Stimmen erweitert. Diese intonieren Heines Text rhythmisch versetzt. Dadurch löst sich die sprachliche Semantik in Klang auf. Expressivität entsteht aus der fortgesetzten subtilen Verwandlung der Klänge zwi-schen Verdichtung und Transparenz, unterschiedlicher Stimmfarbe und Dynamik. Das äußerst langsame Tempo des Vortrags macht aus den Er-innerungen an eine Jugendliebe ein geradezu meditatives Ritual.

Der Rundfunkchor des SWR gehört zu den internationalen Spitzen-ensembles unter den Profichören. Seit siebzig Jahren widmet sich das Ensemble mit Leidenschaft und höchster sängerischer Kompetenz der exemplarischen Aufführung und Weiterentwicklung der Vokalmusik. Die instrumentale Klangkultur und die enorme stimmliche und stilis-tische Flexibilität der Sängerinnen und Sänger sind einzigartig und faszinieren nicht nur das Publikum in den internationalen Konzert-sälen, sondern auch die Komponisten. Seit 1946 hat der SWR jährlich mehrere Kompositionsaufträge für seinen Chor vergeben. Über 250 neue Chorwerke hat das Ensemble uraufgeführt und dabei häufig das Unmögliche möglich und das Undenkbare denkbar gemacht. Neben der zeitgenössischen Musik widmet sich das SWR Vokalensemble vor allem den anspruchsvollen Chorwerken der Romantik und der klassi-schen Moderne.

Künstlerischer Leiter ist seit 2003 Marcus Creed. Unter seiner Leitung wurde das SWR Vokalensemble für seine kammermusikalische Inter-pretationskultur und seine stilsicheren Interpretationen vielfach aus-gezeichnet, unter anderem mit dem Jahrespreis der deutschen Schall-plattenkritik und gleich viermal mit dem Echo Klassik.

Seine Leidenschaft für die Neue Vokalmusik gibt das SWR Vokalensem-ble in seiner Akademie, seinen Patenchor-und Schulprojekten sowie eigens konzipierten Kinder-und Jugendkonzerten weiter. Für die Qua-lität seiner Musikvermittlungsarbeit wurde es mehrfach ausgezeich-net, u.a. mit dem Junge-Ohren-Preis, dem Echo Klassik für Kinder und dem Medienpreis Leopold.

SWR VOKALENSEMBLE

Heinz-Dieter Reese (M.A.) ist Musikwissenschaftler (Ethnomusikologe) und Japano-loge. Er arbeitet in der universitären Forschung sowie am Japanischen Kulturinsti-tut Köln (The Japan Foundation), wo er zahlreiche Musikprojekte als Einzelkonzerte und Tourneen entwickelt und betreut hat. Als Rundfunkautor hat er Sendungen und Musikfeatures für den BR, WDR, hr und rbb produziert. Derzeit arbeitet er an einem Nō-Theatergastspiel, das im September 2019 u.a. in der Kölner Philharmonie stattfinden wird.

Page 13: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

BESETZUNG VOM 8. JULI 2018SWR VOKALENSEMBLE

SOPRANJulika BirkeBarbara van den BoomKirsten DropeDorothea JakobMalwina HasslerAndrea LehmentWakako NakasoEva-Maria SchappéAya TsujimotoDorothea Winkel

ALTSabine CzinczelStefanie Gläser-BlumenscheinJudith HilgerUlrike KochLivia KretschmannSandra StahlheberWiebke WighardtUte Wille

TENORFrank BossertJohannes KaleschkeRüdiger LinnHubert MayerJulius PfeiferWilfried RombachHitoshi TamadaAlexander Yudenkov

BASSAnsgar EimannJens HamannBernhard HartmannAchim JäckelPhilip NiederbergerMikhail NikiforovChristoph SchweizerMikhail Shashkov

SWR VOKALENSEMBLE

MARCUS CREED

© Jü

rgen

Alt

man

n

© K

laus

Mel

lent

hin

Page 14: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

MARCUS CREED

Der Dirigent ist an der Südküste Englands geboren und aufgewachsen. Er begann sein Studium am King‘s College in Cambridge, wo er Gelegenheit hatte, im berühmten King‘s College Choir zu singen. Weitere Studien führten ihn an die Christ Church in Oxford und die Guildhall School in London.

Ab 1977 lebte Marcus Creed in Berlin. Stationen seiner Arbeit waren die Deutsche Oper Berlin, die Hochschule der Künste sowie die Gruppe Neue Musik und das Scharoun Ensemble. Von 1987 bis 2001 war Marcus Creed Künstlerischer Leiter des RIAS Kammerchores und von 1998 bis 2016 folgte er einem Ruf auf eine Dirigierprofessur an der Musikhochschule Köln.

Seit 2003 ist Marcus Creed Künstlerischer Leiter des SWR Vokal-ensembles. Das besondere Anliegen von Marcus Creed gilt mit diesem Ensemble der Wiederaufführung herausragender Kom positionen der jüngsten Vergangenheit, darunter Werke von Luigi Nono, György Kurtág, Wolfgang Rihm oder Heinz Holliger. Marcus Creed ist regel-mäßiger Gast bei internationalen Festivals und Spe zialensembles der Alten und Neuen Musik. Außerdem leitet er seit 2015 den Kammerchor des Dänischen Rundfunks.

Seine CD-Veröffentlichungen wurden für ihre stilsicheren und klangsensiblen Interpretationen mit internationalen Auszeich nungen prämiert, darunter der Preis der deutschen Schallplattenkritik, der Edison Award, der Diapason d’Or, der Cannes Classical Award und der Echo Klassik.

DIE NÄCHSTEN KONZERTE MIT DEM SWR VOKALENSEMBLE

RHEINVOKAL – FESTIVAL AM MITTELRHEINDO 19. JULI, 20 UHRKoblenz, St. Kastor Live-Videostream auf swrclassic.de

SO 22. JULI, 17 UHRSt. Peter/Freiburg, Barockkirche DI 24. JULI, 19.30 UHRHeidelberg, Jesuitenkirche

BRAHMS-PHANTASIE

Johannes BrahmsGesänge für Frauenchor, zwei Hörner und Harfe op. 17Toshio HosokawaDie LotosblumeJohannes BrahmsDrei Motetten op. 110Toshio HosokawaAve MariaJohannes BrahmsFest- und Gedenksprüche op. 109

SWR VokalensembleDirigent: Marcus Creed

Karten: Rheinvokal: 02622 9264250 St. Peter und Heidelberg: 01806 700733

SA 22. SEPTEMBER, 19 UHR Frankfurt, Alte Oper

2001: ODYSSEE IM WELTRAUMStanley Kubrick‘s Science-Fiction- Meisterwerk mit der originalen Filmmusik live im Konzertsaal

SWR Vokalensemblehr SinfonieorchesterDirigent: Frank Strobel

Karten: 06913 40400

KONZERTREIHE DES SWR VOKALENSEMBLESDO 4. OKTOBER, 20 UHRStuttgart, St. EberhardEinführung 19 Uhr INTERNATIONALES BACHFEST TÜBINGENFR 5. OKTOBER, 20 UHR Tübingen, Stiftskirche

IMMORTAL BACHBach-Bearbeitungen im 20./21. JahrhundertKnut Nystedt»Immortal Bach«

Page 15: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

Sven-David Sandström  »Komm, Jesu, komm« Heinz HolligerWinter I aus »Die Jahreszeiten« Dieter SchnebelContrapunctus I Isabel Mundry»Mouhanad« für 24-stimmigen Chor a cappellaUraufführung Teil I, Kompo- sitionsauftrag des SWRMauricio KagelChorbuch für Vokalensemble und Tasteninstrumente (Auswahl)

SWR VokalensembleJürgen Kruse, TasteninstrumenteDirigent: Florian Helgath

Sendung am Freitag, 2. November um 20.03 Uhr im SWR2 Abendkonzert

Karten: SWR CLASSIC SERVICE: 07221 300100 Tübingen: 01806 700733

DONAUESCHINGER MUSIKTAGEFR 19. OKTOBER, 20 UHRDonaueschingen, Donauhallen

SAGBARES UND UNSAGBARES

Ivan FedeleAir on air für Bassetthorn und Orchester (UA)Malin Bångsplinters of ebullient rebellion für Orchester (UA)Isabel MundryMouhanad für 24-stimmigen Chor a cappella (UA)Marco StroppaCome Play With Me für Elektronik und Orchester

Michele Marelli, BassetthornSWR Vokalensemble IRCAM, elektronische RealisationSWR SymphonieorchesterDirigent: Pascal Rophé, Florian Helgath (Mundry)

Live-Videostream, anschließend als Video auf SWRClassic.de

Karten: 01806 700733

WIR ENGAGIEREN UNS!VEREIN DER FREUNDE UND FÖRDERER DES SWR VOKALENSEMBLE STUTTGART E.V.

Ohne Leidenschaft und Idealismus geht es in der Kunst nicht. Das gilt vor allem für hochklassige Kunst, wie sie vom SWR Vokalensemble ge-macht wird. Werden Sie deshalb Mitglied im Verein der Freunde und Förderer des SWR Vokalensemble Stuttgart e.V. Sie unterstützen damit ein Ensemble großer Gesangskunst, das zu den besten der Welt gehört.

Wir engagieren uns für die ideelle und materielle Unterstützung des SWR Vokalensembles, für Professionalität in der europäischen Chorland-schaft, die Qualität und musikalische Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Kulturradio und des regionalen und überregionalen Konzertlebens sowie den Publikumsnachwuchs des SWR Vokalensembles. Wir fördern die Kammermusikreihe im Kunstmuseum Stuttgart, die musikpädagogische Arbeit, das Patenchor-Projekt und die Akademie, sowie Kompositions-aufträge und CD-Veröffentlichungen und weitere wichtige Projekte, die aus dem Etat einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt nicht mehr finanziert werden können. Wir bieten unseren Mitgliedern Probenbesu-che, spannende Einblicke, regelmäßige Informationen und den Aus-tausch mit Gleichgesinnten sowie vielfältige Ermäßigungen.

Wir freuen uns auf Sie!

Birgit Kipfer, Vorsitzende

Der Jahresbeitrag beträgt bei einer Einzelmitgliedschaft 35 Euro, bei einer Doppelmitgliedschaft 50 Euro, bei Firmen- bzw. Organisationsmitgliedschaften 500 Euro. Darüber hinausgehende Spenden sind herzlich willkommen. Alle Zuwendungen können steuerlich geltend gemacht werden.

Kontakt: Freunde und Förderer des SWR Vokalensemble Stuttgart e.V. Telefon 0711 929 12036 (AB) • Fax 0711 929 14053 [email protected] • ve-foerderverein.com

Page 16: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

IMPRESSUM

HERAUSGEBER Südwestrundfunk Kommunikation SWR Classic

CHORMANAGEMENTCornelia Bend

REDAKTION Dorothea Bossert

GESTALTUNG SWR Design

Die Texte und Übersetzungen von Heinz-Dieter Reese sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.

Wir danken Takaaki Horiuchi für seine Unterstützung bei der Recherche für dieses Programm.

KONTAKTSWR Vokalensemble

Chormanagement 70150 StuttgartTelefon + 49 711 929 12570 Telefax + 49 711 929 13636

[email protected]

Rechtshinweis: Als Konzertbesucher räumen Sie dem SWR das Recht ein, Aufnahmen Ihrer Person zeitlich und räumlich unbegrenzt zu nutzen.

Die Konzerte werden für Hörfunk, Online und/oder Fernsehen aufgezeichnet. Bild- und Tonaufnahmen sind während der Konzerte nicht gestattet.

Page 17: TŌRU TAKEMITSU JŌ KONDŌ TOSHIO HOSOKAWA JAPAN - swr.de21956648/property=download/nid=17055442/13x48... · TŌRU TAKEMITSU 1930 – 1996 うた SONGS (1954 – 1994, AUSWAHL) 「小さな空」

KLANGVIELFALT ERLEBEN JEDERZEIT ONLINESWR WEB CONCERTS

SWRCLASSIC.DE