tempus musicum

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Ausgabe D D a a s s M M a a g g a a z z i i n n f f ü ü r r A A l l t t e e M M u u s s i i k k 3 3 Leseprobe W W a a r r u u m m A A l l t t e e M M u u s s i i k k ? ? N N o o v v a a C C o o m m m m e e d d i i a a S S c c h h a a u u s s p p i i e e l l u u n n d d T T a a n n z z a a u u f f f f ü ü h h r r u u n n g g z z w w i i s s c c h h e e n n K K o o n n z z e e r r t t , , B B u u r r g g u u n n d d D D i i e e T T r r i i p p e e l l h h a a r r f f e e Die Renaissance Street Singers M M e e t t a a m m o o r r p p h h o o s s e e n n

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Das Magazin für Alte Musik

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Page 1: Tempus Musicum

AAuussggaabbee

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L e s e p r o b e

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DDiiee TTrriippeellhhaarrffeeDie RenaissanceStreet Singers

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Page 2: Tempus Musicum

Das internationaleMagazin für Alte Musik

Ausgabe 3(Leseprobe)

Page 3: Tempus Musicum

Inhalt

1 EditorialDie neue Alte Musik in Berlin

3 Gesehen und gehörtJordi Savall in BerlinDie Havelschlösschen-KonzerteSatyrosOphira Zakai

14 Die Renaissance Street SingersStraßenmusik mal anders: Renaissance-Polyphonie in New York

19 Festival WatchMontalbâne geht in den Norden

23 Warum Alte MusikWas macht die Faszination der AltenMusik aus?

27 Commedia NovaZwischen Konzert, Schauspiel undTanzaufführung

38 Instrumentenbauer im Fokus:Gesina LiedmeierGamben wie aus dem Märchenland

45 BurgundEuropäisches „Kernland“

54 MetamorphosenNeue Musik auf Alten Instrumentenvon Andreas Arend

60 Die Triple-HarfeAus Italiens Renaissance duch Londonnach Wales

72 Das TeamÜber Tempus Musicum

74 ImpressumKontaktinformation undKleingedrucktes

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Gesehen und Gehört

Ophira Zakai

Jordi Savall inBerlin

DieHavelschlösschen-Konzerte

Satyros

Hisperion XXI spielte unter der Leitung vonJordi Savall im April ’12 in Berlin. In einemGespräch mit Bernhard Morbach, bekanntals Moderator der Sendung „Alte Musik“des Kulturradio rbb, berichtete Jordi Savallüber sein aktuelles Programm und auchüber seine kürzlich verstorbene FrauMontserrat Figueras.Schon seit Beginn des Jahres 2007 gibt es inPotsdam einen kleinen, aber feinen Veran-staltungsort für Musik, das Havel-schlösschen. Regelmäßig an jedem erstenDonnerstag des Monats finden dort Kon-zerte statt, die äußerst vielseitig sind. ImSommer gesellt sich auch Musiktheater imGarten dazu.Satyros nennt sich nach den Satyrn, diesenübermütigen lüsternen Waldgeistern, die inden griechischen Sagen auf ihren kleinenZickenbeinen den Nymphen hinter-herliefen. Normalerweise spielt ein Satyrwohl eher die Panflöte, aber diesmal ist dasInstrument eben etwas größer.

Ophira Zakai verliebte sich mit 12 Jahren indie Laute, aber es dauerte noch ganze fünfJahre, bis sie dann anfing, die Laute zuspielen. Dies geschah über einen Musik-Workshop in Jerusalem. Zuerst bekam sieUnterricht in ihrer Heimaststadt Tel Avivbei Isidoro Roitman und ging dann nachBerlin, um bei Nigel North zu lernen.

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Jordi Savall in Berlin

Ein Dialog der Musik derKulturen im MittelmeerraumIm Rahmen des Zeitfensters der VI. Biennale Alter Musik spielteHisperion XXI unter der Leitung von Jordi Savall im April ’12 inBerlin. Das aktuelle Programm „Mare Nostrum“ ist ein Dialog der

Musik der Kulturen im Mittelmeerraum, in dem mittelalterlichechristliche, sephardische, ottomanische und arabo-andalusischeMusik aus den Ländern um „unser Meer“ ein buntes Bild der ge-genseitigen künstlerischen Inspiration und der damals gelebtenToleranz zeichnen.

Jordi SavallFotos:

Tempus Musicum

Gesehen und Gehört:

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Schon einen Tag vor dem Konzert war Jordi Savall im Berliner Kul-turkaufhaus Dussmann zu Gast, um sein neues CD-Buch mit demselben Thema „Mare nostrum – das Mittelmeer als Mutter der Völ-ker und Kulturen“ vorstellen.In einem Gespräch mit Bernhard Morbach, bekannt als Moderatorder Sendung „Alte Musik“ des Kulturradio rbb und als Autor vonmehreren Büchern über alte Musik, berichtete er über sein aktuel-les Programm und erzählte über die Musik an sich und auch überseine kürzlich verstorbene Frau Montserrat Figueras.Anschließend bekamen Interessenten und Fans noch die Gelegen-heit, sich eine CD signieren zu lassen.Einer der ersten Sätze von Jordi Savall war gleich eine wichtigeFeststellung: „Es gibt keine alte Musik! Musik ist immer neu, frischund aktuell. Es gibt höchstens alte Partituren oder alte Noten.“Viel Philosophisches und Bemerkenswertes erzählte Jordi Savallüber die Musik und die Menschen: Es sind Emotionen, die die

Jordi SavallFoto:

Tempus Musicum

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Page 7: Tempus Musicum

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Den Straßen von New York sind ungewöhnliche Ereignissenicht fremd, unzählige wilde Filme und TV-Serien wurdendort im Laufe der Jahre gefilmt. Die Streets und Avenues von

New York bieten auch eine improvisierte Open-Air-Bühne für eineerstaunliche Vielfalt an Straßenkünstlern und Persönlichkeiten, dietägliche Aufführungen geben, Unterhaltung bieten oder die einfachnur dort sind, um ein wenig herumzuhängen.New York wird normalerweise mit der fortschrittlichen, modernenSeite des Lebens und der Kultur in den USA verbunden und ist keineStadt, die wir normalerweise mit so etwas wie Alter Musikassoziieren würden. Aber dort hat sich in den letzten 40 bis 50Jahren etwas Ungewöhnliches entwickelt.Schrittweise und unerwartet stieg das Interesse an allen Aspektender Alten Musik und Tanz und ist nun so stark, dass es Mainstreamgeworden ist. Die „Fame Academy“ selbst, in der Form der JulliardSchool of Music, besitzt jetzt eine eigene Abteilung für Alte Musik

Renaissance Street Singers

Renaissance StreetSingers NY

Foto: Michael Wolz

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unter der Leitung der englischen Violinistin Monika Hugget,Leiterin des Irish Baroque Orchestras.Einst die Wahlheimat von Andy Warhol, ist New York derzeit dieHeimat einiger der weltbesten Ensembles für Alte Musik und Tanz.Schluss. Diese Vitalität der Aufführungen sowie die Vielfalt und dieBandbreite der Programme sind nicht das, was wir im dichten,urbanen New York zu finden erwarten. Aber sie existieren und siesind Mainstream.Das überraschendste und vielleicht am wenigsten bekanntesteEnsemble für alte Musik in New York sind die Renaissance StreetSingers, obwohl ihre Aufführungsorte die offenen Straßen der Stadtsind.Unter der musikalischen Leitung ihres Gründers John Hetlandführen sie unerschrocken auf den Bürgersteigen und imöffentlichen Raum von New York a-capella-Musik aus dem 15. und16. Jahrhundert auf. Sie trotzen jedem Wetter sowie denungläubigen Blicken der amüsierten und verwunderten Passantenund tragen seit fast 40 Jahren den New Yorkern ihre eigene Versionder Alten Musik vor.

Foto:Norman Trabulus

...auf den Bürgersteigen und im öffentlichenRaum von New York - a-capella-Musik ausdem 15. und 16. Jahrhundert...

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Page 9: Tempus Musicum

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Montalbâne 2012 geht in den Norden. HYPERBOREA ist dasMotto der diesjährigen montalbâne „Tage mittelalterlicherMusik“ vom 15. bis 17. Juni und alles dreht sich dabei um

die nordischen Sagen und Mythen. Das erste Mal in seiner überzwanzigjährigen Geschichte konzentriert sich montalbâne auf einegeografische Region, was aber lange nicht bedeutet, dass dieMusikauswahl aus den nordischen Quellen nicht ausreichend fürein vielseitiges Programm ist. Die Zeit der nordischen Mythen istdas frühe Mittelalter und es sind zahlreiche Spuren und Werke inden Traditionen zu finden, die interessante Momente und Klängeversprechen.Der sagenhafte „König von Thule“ eröffnet gewissermaßen dasFestival, wenn Pons Vivi das Eröffnungskonzert spielen.montalbâne-Besuchern bekannte Musiker wie die Fidlerin undmontalbâne-Gründerin Susanne Ansorg, Flötenvirtuose PaulHöxbro oder der Dudelsackspieler Ian Harrison spielen in der

Montalbâne

Die NeuenburgFoto: Montalbâne

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Kirche St. Marien in Freyburg das Eröffnungskonzert. DasProgramm mit höfischen Klängen aus den mythischen Festhallender Nordkönige mit Rezitation von Jörg Peukert und faszinierenderKontaktjonglage von Kelvin Kalvus entführt die Zuschauer und

Zuhörer mit spannenden Klängen undInstrumenten wie Kuhhorn und Lure in die Höfeder alten nordischen Reiche.Zaubergesänge des finnischen Nationalepos„Kalevala“ mit Zauberkantele und Nordlandhexebringt das britische Harp Consort unter AndrewLawrence-King in der schönen Kirche von St.Marien am Sonntag, den 17. Juni.„Ich komme aus einem rauschenden Meer“ ist dasThema des estnischen Ensemble Triskele, daszusammen mit der den montalbâne-Kennernschon gut bekannten schwedischen Sopranistin

Miriam Andersén auftritt. Volkschoräle und Runengesängeerklingen, begleitet von Flöten und diversen Saiteninstrumentenwie Kantele, Laute, Rebec oder Fidel. Sonntagmorgen sind Triskeledann auch im traditionellen Festgottesdienst zu erleben.

TriskeleFoto: Montalbâne

Kelvin KalvusFoto: Montalbâne

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CommediaNova

...zwischen Konzert,Schauspiel und Tanz-aufführung...

Bild: Rubén Vidal

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Eine klare Frauenstimme hallt durch das Kirchenschiff und ihreMelodien locken eine düstere Gestalt an. Diese schleicht herbei,ringt mit sich und springt um die Sängerin, die sich von all dem

nicht stören lässt, unbeirrt weiter singt und dazu eine Drehleierspielt.Später wechselt die Musikerin von der Drehleier zum Psalter,ständig von ihrem neugierigen Beobachter beäugt und umtanzt. Erverzieht das Gesicht, schimpft und spottet, ihm gefällt die Musiknicht. Kein Wunder, denn er ist der Teufel und diese Lieder derHildegard von Bingen sind wirklich nicht sein Geschmack. Nacheiner Weile merkt er, dass er nichts gegen die himmlischen Klängeausrichten kann und verzieht sich grollend, während die Musikerinweiter singt und spielt.So ein szenisches Konzert von Commedia Nova ist mehr als nurMusik, es sitzt zwischen den uns heute so geläufigen KategorienKonzert, Schauspiel und Tanzaufführung. Es ist ein Gesamterlebnis,

Foto: Tempus Musicum

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das bis vor etwa 100 Jahren noch üblich war und erst verschwand,als die heute übliche Aufteilung entstand.Commedia Nova erzeugt mit minimalen Mitteln Stimmungen underzählt Geschichten, erschafft packende Aufführungen: EinigeKerzen bringen Schatten auf einer Schirmwand zum Tanzen, dieeine Geschichte, zusammen mit der Musik erzählen und geschicktgesetzte Lichteffekte ersetzen große Bühnenbilder.Ein andermal wird eine Marionette zum dritten Darsteller oder eineMaske erlaubt einen sekundenschnellen Rollenwechsel. Dazukommt noch der manchmal fliegende Wechsel zwischen den

Gaby BultmannFoto:

Tempus Musicum

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Gesina LiedmeierInstrumentenbauer im Fokus

Gamben wie aus demMärchenlandFoto: Stefan Doering

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Gesina Liedmeier ist eine außergewöhnliche Instrumenten-bauerin. Ihre Instrumente sind mehr als nurSpitzeninstrumente, Liedmeiers Freude an der Gestaltung lässt

ihre Instrumente zu individuellen Kunstwerken werden. Manchehaben „nur“ einen charaktervollen Kopf und sehen sonst gar nichtso ungewöhnlich aus, andere sind zu den ausdrucksstarken Schnit-zereien noch bemalt oder tragen filigrane Schnitzmuster bzw.Intarsien.Jede Gambe bekommt einen Namen oder ein Thema, von mythi-schen Figuren wie „Ulysses/Odysseus“ bis zum „Himmelsboten“und die Haarpracht der weiblichen Köpfe geht oft über die "norma-len Grenzen" der Gambenfrisuren hinaus.

SimonettaFoto:Gesina Liedmeier

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Page 16: Tempus Musicum

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MMeettaammoorrpphhoosseenn

„„AAllttee IInnssttrruummeennttee ssiinnddaann uunnggeewwööhhnnlliicchheennKKlläännggeenn oofftt rreeiicchheerr aallssddiiee nneeuueenn..““

Foto: Tempus Musicum

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Eigentlich war es eher Zufall, wie Andreas Arend an die „altenInstrumente“ als Grundlage für seine Kompositionen gekom-men ist. Er wollte schon immer Komponist werden, obwohl er

die Barockmusik liebte. Er spielte Gitarre und Manfred Stahnkebrachte ihm in Hamburg die mikrotonale Musik sowie andere Ele-mente der Kompositionslehre näher.Ahrend fand die Laute und es fiel es ihm dann leicht, seine Gitarread acta zu legen. Er wurde Lautenist und komponierte weiterhin für„moderne Instrumente.“ Eigentlich wollte er immer die Laute undseine Kompositionen getrennt halten. Inzwischen in Berlin, wurdeer eines Tages von Adrian Rovatkay gefragt, ob er nicht mit seinemEnsemble Bassonore zusammen spielen wollte. Andreas Arend ant-wortete ihm: „Keine Zeit, ich muss komponieren!“ und bekam dieReaktion: „Na dann schreib doch was für uns!“, was er prompt tatund mit den historischen Instrumenten eröffnete sich ihm eineneue Klangwelt für seine Kompositionen.„Ein altes Instrument bietet mir mehr Möglichkeiten!“ sagt Arend.„Alte Instrumente sind an ungewöhnlichen Klängen oft reicher alsdie Neuen."

Andreas ArendFoto:Tempus Musicum

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Foto: Tempus Musicum Gleichzeitig sind viele Alte Instrumente viel geeigneter für die füruns so modern wirkenden mikrotonalen Kompositionen und Ton-systeme, die es eigentlich schon fast immer gab. Schon im 16.Jahrhundert entwickelte der Italiener Vincentino ein Tonsystemmit 31 Tonschritten in einer Oktave, was bestimmt heute genausoexotisch klingt wie damals.Diese recht feinen Tonunterschiede werden, wenn man nicht dar-auf vorbereitet ist, allgemein als „schief und verstimmt“wahrgenommen. Geschickt angewendet, können aber damit inter-essante Effekte erzielt werden. Bei den Lauteninstrumenten zumBeispiel, wo die Bünde ja auf den Hals gebunden werden und damitverschiebbar sind, kann man diese ungewöhnlichen Tonleiterndurch Verschieben der Bünde erreichen. Andere Instrumente wer-den dafür umgestimmt oder anders präpariert.„Dieses Stimmsystem aus der Spärtrenaissance gab mir ein Instru-ment in die Hand, das einfach anders klingt und nicht inSchubladen gesteckt wird.“ Diese faszinierende mikrotonaleMusikwelt ist im Zentrum von Arends Kompositionen und eines derStücke war auch der Ursprung für die Veranstaltungsreihe „Epos -die Erzählung geht weiter“, die ohne feste Anzahl von Teilenkonzipiert ist. Vor etwa fünf Jahren begann er den ersten Teil zu

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DDiiee TTrriippeellhhaarrffee

Die Allegorie derMusik spielt dieBarberini-Harfe

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Eine Harfe hat für die meisten Menschen eine einzelne Saiten-reihe und diejenigen, die sich mal etwas näher mit demInstrument befasst haben wissen, dass es für „die Halbtöne“

Pedale gibt, doch das war nicht immer so. Bevor dieses fein abge-stimmte Pedalsystem entwickelt und populär war, wurden vieleunterschiedliche Methoden ersonnen, die uns heutzutage teilsskurril und teils genial anmuten, um die Töne „zwischen denSaiten“ zu spielen.Bei den frühen diatonischen Harfen spielte man nur die vorhande-nen Töne oder man griff die Saite für einen Halbton mit deranderen Hand ab. Das war nicht unbedingt immer sauber oderschnell, ausserdem benötigte man beide Hände für einen einzigenTon. Umstimmen konnte man die Saiten nicht immer und schongar nicht mitten beim Spielen.Später änderten sich die Anforderungen und man benötigte immeröfter die Töne „zwischen den Saiten“ für die komplexer werdendeMusik. So wurden die Instrumentenbauer gefordert, ihre Fantasiespielen zu lassen und die benötigte Chromatik irgendwie zu er-möglichen. Das spätere 16. Jahrhundert läutete dann die Zeit derchromatischen Harfen ein, in der die vorher simplen Instrumentezu vielsaitigen Konstruktionen mutierten. Eine davon war dieTripelharfe.In der Spätrenaissance entwickelte man in Italien die Arpa doppiamit zwei parallelen Saitenreihen. Die Saitenreihen sind so ge-stimmt, dass die diatonische Saitenreihe an der Spielhand ist. Etwain der Mitte der Harfe wechselt die Besaitung also in den Reihen,um der anderen Hand die diatonischen Saiten nahe zu bringen.Beide Saitenreihen gingen nicht über die volle Länge, sondern diehöchsten und tiefsten Saiten waren einzeln. Man musste für dieHalbtöne durch die diatonische Saitenreihe greifen, also gewisser-maßen in die dritte Dimension.Eine Arpa doppia ist die wunderschön verzierte „Arpa di Laura“, dieEnde des 16. Jahrhunderts für eine Sängerin und Harfenistin imferraresischen Hof der Este gebaut wurde. Ihre Halbtöne befindensich in der Mittelreihe und die Halbtonreihe ist in der mittlerenOktave gespalten und nach rechts und links aufgeteilt. Die obereHälfte der Halbtonreihe ist auf der Seite der Melodiehand und die

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untere Hälfte befindet sich auf der Seite der Basshand. In der Mitteüberlappen die Halbtonreihen, so dass man dort für drei, vier Saiteneine Tripelbesaitung hat. Für alle, die Haarspaltereien mögen, ist sievielleicht eine eigene Form zwischen den Doppel- und den Tripel-harfen.Dies schien einigen Harfenisten oder Harfenbauern noch nicht aus-zureichen (oder aber sie zu verwirren), denn die in der Arpa diLaura (noch?) nicht durchgehenden Halbtonreihen wurden auchbei ansonsten im Bau ähnlichen Harfen weitergeführt, so dass drei(fast) durchgehende Reihen entstanden.Nach Mersenne's „L’Harmonie Universelle“ (Paris 1636) wurde dieTripelharfe „vor 30 oder 40 Jahren“, also vielleicht noch Ende des16. Jahrhunderts, in Neapel entwickelt und zwar vom neapolitani-schen Adligen Luca Antonio Eustachio, dem Kämmerer von PapstPaul V. Ein anderer Neapolitaner, der Harfenvirtuose Orazio Michi,habe die Arpa a tre registri verbessert.Übringens sah Mersenne zwar Unzulänglichkeiten bei der Harfe, dasich bei inkorrektem Spiel ohne Abdämpfen leicht Dissonanzen er-geben können, aber sie war trotzdem für ihn das liebenswertesteInstrument und verdiene es, „Königin“ der Instrumente genannt zuwerden.Vincenzo Giustiniani schrieb allerdings in seinem „Discorso soprala musica“ (1628) dass ebendieser Eustachio im Jahr 1600 die Arpadoppia erfunden haben soll ... Aber egal, ob Eustachio nur eine odergleich zwei zusätzliche Saitenreihen angebracht hat, er hatte aufjeden Fall die diatonische Harfe weiter entwickelt und wohl auchden Saitenfabrikanten zu besseren Geschäften verholfen.Bartolomeo Jovernardi (auch: Jobernardis, italienischer Harfenistund Theoretiker, 1600-1668) sagte, die „perfekte Tripelharfe“ (arpaperfecta a tre ordini) wurde 1612 in Rom entwickelt. In Rom gebo-ren, emigrierte Jovernardi 1632 nach Spanien und spielte dort inMadrid am königlichen Hof. Nach einigen Quellen soll ebendieserJovernardi die Doppelharfe mit gekreuzten Saiten erfunden haben,nach anderen Quellen erwähnt er sie nur.Da diese Arpa de dos ordines mit gekreuzten Saitenreihen aber nunals spanische Version der Doppelharfe bekannt ist, könnte sie alsoweniger spanisch sein, als man meint... das kommt mir jetzt doch

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Nansi Richards u.Gwyndaf RobertsFoto:Gwyndaf Roberts

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AbonnierenTempus Musicum, das Magazin für Alte Musik, ist auch im Abonnementerhältlich. Für nur 30€ pro Jahr kommt das eMagazin per E-mail allezwei Monate (insgesamt 6 Magazine) gleich am Tag der Erscheinung zuIhnen.Das Magazin ist als bildschirmoptimiertes PDF, .mobi (für den Kindlevon Amazon) sowie als .epub (für Mac, PC, Lesegeräte, Smartphones,Tablet Computer sowie für iPhone und iPad) erhältlich.Sie sparen im Vergleich zu einzeln gekauften Magazinen 5,40€ und alsExtra gibt es zwei Sonderausgaben von Tempus Musicum oben drauf.Außerdem bekommen sie die Extras wie z.B. Notenbeispiele alsausdruckbares PDF dazu, die nur beim Direktkauf bei Tempus Musicumerhältlich sind, da sie nicht bei Amazon mitgliefert werden können.Ein einzelnes Magazin kostet 5,90€ und wird nach Vorkasse perE-mail geliefert.Bitte bestellen Sie per e-mail und bitte geben Sie bei der Bestellung an,welches Format Sie wünschen. Falls vom Absender abweichend, gebenSie bitte noch die E-mail -Adresse an, an die geliefert werden soll. Siekönnen per Überweisung und per PayPal zahlen, wir können leiderkeine Kreditkarten akzeptieren.Wenn nicht ausdrücklich anders bestellt, gilt das Abo für 6 Ausgabenvon der neuesten Ausgabe an. Die erste Ausgabe für das Abo ist AusgabeNr. 3, die ab ca. 04.06. auf den Markt kommt.Details:http://www.tempusmusicum.net/abonnieren/[email protected] freuen uns über jeden, der das völlig aus persönlichen Mitteln ei-genfinanzierte und dadurch unabhängige Tempus Musicumunterstützen möchte und den oben angegebenen Preis um eine belie-bige Summe aufrundet.

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ImpressumUUID für dieser PDF Ausgabe:66a903ea-4f37-4eba-8615-a75bc62c61bbTempus Musicum ist ein digitales Magazin vonFrancis Sim & Monika Sim GbR.Das Tempus Musicum Magazin für Alte Musik erscheint zweimo-natlich auf Deutsch und auf Englisch. Das Magazin wirdgeschrieben, redigiert und produziert von:Francis Simemail: [email protected] Simemail: [email protected] Musicum Webseite: www.tempusmusicum.netTempus Musicum im Facebook: facebook.com/tempusmusicumAlle Fotos sind von der Person, die am Foto genannt wird und un-terliegen dem Copyright des Urhebers. Alle Illustrationen sind vonMonika Sim, sofern nicht anders angegeben. Historische Abbildun-gen sind aus den unterschiedlichsten Quellen.Wir haben uns bemüht sicherzustellen, dass alle Informationen inder Zeitschrift zum Zeitpunkt der Veröffentlichung korrekt sind.Doch weder Tempus Musicum noch die Autoren Francis Sim undMonika Sim können Verantwortung oder Haftung für Fehler oderAuslassungen übernehmen.Internet-Links werden nur zur Information gegeben und der Inhaltder verlinkten Seiten ist nicht unter der Kontrolle von Tempus Mu-sicum sowie Francis Sim und Monika Sim, die auch nichtverantwortlich für alle nach der Veröffentlichung eingetretenenÄnderungen gemacht werden können.