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Teil II – A der Vorlesung im Rahmen des Lehrgangs Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Prof. Dr. Veronika Brandstätter-Morawietz Universität Zürich [email protected]

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Teil II – A der Vorlesung im Rahmen des Lehrgangs Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis

Prof. Dr. Veronika Brandstätter-MorawietzUniversität Zürich

[email protected]

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Lernziele der Vorlesung • Alltagserfahrungen reflektieren

• Einblick erhalten in die wichtigsten klassischen Theorien der Emotionspsychologie und darauf aufbauende moderne Forschungsansätze

• Empirische Untersuchungen kennen lernen

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Literatur

1. Lehrbücher• Cornelius, R. R. (1996). The science of emotion. Upper

Saddle River, NJ: Prentice Hall.• Meyer, W.-U., Schützwohl & Reisenzein, R. (2001).

Einführung in die Emotionspsychologie. Band I: Die Emotionstheorien von Watson, James und Schachter. Bern: Huber.

• Meyer, W.-U., Schützwohl & Reisenzein, R. (2003). Einführung in die Emotionspsychologie. Band II: Evolutionspsychologische Emotionstheorien. Bern: Huber.

• Reisenzein, R., Meyer, W.-U. & Schützwohl, A. (2003). Einführung in die Emotionspsychologie. Band III: Kognitive Emotionstheorien. Bern: Huber.

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Literatur

1. Lehrbücher (Fortsetzung)• Ulich, D. & Mayring, Ph. (2003). Psychologie der

Emotionen (2. Auflage). Stuttgart: Kohlhammer.• Schmidt-Atzert, L. (1996). Lehrbuch der

Emotionspsychologie. Stuttgart: Kohlhammer.

2. Sammelbände• Brandstätter, V. & Otto, J. H. (in Druck). Handbuch der

Allgemeinen Psychologie: Motivation und Emotion. Göttingen: Hogrefe.

• Otto, J. H., Euler, H. A. & Mandl, H. (2000). Emotionspsychologie: Ein Handbuch. Weinheim: Beltz, Psychologie Verlags Union.

• Scherer, K. R. (1990). Psychologie der Emotionen. Enzyklopädie der Psychologie, Motivation und Emotion. Göttingen: Hogrefe.

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Wichtige Periodika in der Emotionspsychologie

• Motivation and Emotion

• Cognition and Emotion

• Journal of Personality and Social Psychology

• Personality and Social Psychology Bulletin

• Nebraska Symposium on Motivation

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Die “Familien” der Emotionstheorien

• Evolutionspsychologische Emotionstheorien (z.B. Darwin, Ekman)

• Klassische behavioristische Emotionstheorie (z.B. Watson, Öhman & Mineka)

• Kognitiv-physiologische Emotionstheorien (z.B. James, Schachter)

• Kognitive Emotionstheorien (z.B. Lazarus, Weiner, Scherer)

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Was sind Emotionen?

Tauschen Sie sich mit Ihrem Sitznachbarn bzw. Ihrer

Sitznachbarin aus und entwickeln Sie gemeinsam eine

Definition des Begriffs “Emotion”. Notieren Sie bitte diese

Definition in Stichworten.

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Emotionen im Alltag

• Belletristik

• Kino, Theater

• Kunst

• Werbung

• Lebenshilfe-Ratgeber

• …

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Pablo Picasso

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Emotionen in der eigenen Erfahrung

• Wann haben Sie zum letzten Mal eine intensive Emotion erlebt? Was war der Auslöser?

• Können Sie das Gefühl, das sie erlebten, ohne weiteres benennen?

• Welche Gedanken gingen Ihnen dabei durch den Kopf?

• Wann haben Sie das letzte Mal mit einem anderen Menschen über eine emotionale Erfahrung gesprochen? Wer war es und wo fand das Gespräch statt?

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Emotionen als allgegenwärtiges Phänomen

• Oatley und Duncan (1994): Erwachsene berichten in Tagebuchstudie pro Tag mindestens ein emotionales Erlebnis, das von körperlichen Symptomen begleitet war. 33 % der berichteten emotionalen Erlebnisse länger als 30 Minuten.

• “Experience without emotion is like a day without weather. Emotions are the very stuff of what it means to experience the world.” (Cornelius, 1996, S. 3)

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Emotionen in der psychologischen bzw. pädagogischen Praxis

• Psychotherapie

• Erziehungsberatung

• Kindergarten und Schule

• Personalführung

• …

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Die Bedeutung von Emotionen

Emotionen sind zentrale Phänomene unseres Lebens, weil

• sie häufig vorkommende Phänomene sind

• sie mit Ereignissen verbunden sind, die persönlich bedeutsam sind; Intensität von Emotionen hängt systematisch mit Ausmass persönlicher Bedeutsamkeit zusammen

• sie mit unserem Handeln in enger Beziehung stehen

Meyer et al. (2001, S. 11)

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Kurzer geschichtlicher Überblick über die psychologische Emotionsforschung

• Zwischen 1870 und 1920 intensive Beschäftigung mit Emotionen (James, McDougall, Watson)

• Zwischen 1920 und 1970 sehr geringes Interesse an emotionspsychologischen Fragestellungen (Dominanz Behaviorismus)

• Seit Mitte der 1980er Jahre zunehmende Forschungs-aktivität zu Emotionen („Kognitive Wende“)

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„Status“ der Emotionsforschung

• Es gibt nicht die Emotionstheorie

• Jede Theorie greift eine bestimmte Facette heraus, vernachlässigt dabei andere

• Abhängig von den persönlichen Lebenserfahrungen, grundlegenden theoretischen Überzeugungen, methodischen Vorkenntnissen der Forscherin/des Forschers

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Emotionsdefinition von Cornelius

• Subjektives Erleben und Empfindungen

• Mimisches Ausdrucksverhalten

• Physiologische Reaktionen

• Verhalten

• Gedanken

• Funktion für Handlungssteuerung

Cornelius (1996)

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Arbeitsdefinition von Meyer et al. (I)

„Emotionen sind zeitlich datierte, konkrete einzelne Vorkommnisse von zum Beispiel Freude, Traurigkeit, Ärger, Angst, Eifersucht, Stolz, Überraschung, Mitleid, Scham, Schuld, Neid, Enttäuschung, Erleichterung sowie weiterer Arten von psychischen Zuständen, die den genannten genügend ähnlich sind“

(Meyer et al., 2001, S. 24).

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Arbeitsdefinition von Meyer et al. (II)

„Diese Phänomene haben folgende Merkmale gemeinsam:

(a)sie sind aktuelle psychische Zustände von Personen (b)sie haben eine bestimmte Qualität, Intensität und

Dauer (c) sie sind in der Regel objektgerichtet (d)Personen, die sich in einem dieser Zustände

befinden, haben normalerweise ein charakteristisches Erleben (Erlebensaspekt von Emotionen), und häufig treten auch bestimmte physiologische Veränderungen (physiologischer Aspekt von Emotionen) und Verhaltensweisen (Verhaltens-aspekt von Emotionen) auf“ (Meyer, et al., 2001, S. 24).

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Erläuterung der Arbeitsdefinition von Meyer et al.

• Mensch steht im Mittelpunkt

• Aktuelle Emotionsepisode vs. emotionale Disposition

• Qualität = typisches Erleben

• Intensität stark vs. schwach

• Dauer mehr oder weniger kurz vs. länger andauernd

• Verlauf langsam vs. schnell ansteigend; langsam vs. schnell sich verflüchtigend

• Objektgerichtet man freut, ärgert sich über etwas …

• 3 Komponenten einer Emotion:- subjektives Erleben, spezifischer Bewusstseinszustand - physiologische Veränderungen (Herzschlag, Atmung …)- Verhalten (Körperhaltung, Mimik, Handeln)

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Abgrenzung Emotion, Affekt, Stimmung

• Begriffe werden z. T. synonym verwendet (v. a. im Englischen)

• Affekt = ein intensiver emotionaler Zustand

• Stimmung = geringere Intensität, längere Dauer, Fehlen von Objektgerichtetheit

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Auswahl an emotionspsychologischen Fragestellungen

• Wie viele Emotionen gibt es?

• Verstehen Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen gleichermassen die „Sprache der Emotionen“ in der Mimik einer anderen Person?

• Haben Emotionen eine biologische Funktion?

• Wie entsteht eine Emotion in einer konkreten Situation?

• Lässt sich Furcht auf jeden beliebigen Reiz konditionieren?

• Sind wir traurig, weil wir weinen oder weinen wir, weil wir traurig sind?

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Methoden der Emotionsforschung

• Subjektive Erfahrung von Emotionen Fragebogen

• Physiologische Prozesse Technische Messgeräte

• Verhaltensindikatoren Beobachtung

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Emotionstheorien

• Evolutionspsychologische Emotionstheorien (z.B. Darwin, Ekman)

• Klassische behavioristische Emotionstheorie (z.B. Watson, Öhman & Mineka)

• Kognitiv-physiologische Emotionstheorien (z.B. James, Schachter)

• Kognitive Emotionstheorien (z.B. Lazarus, Weiner, Scherer)

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Fragestellungen evolutionspsychologischer Emotionstheorien

• Frage nach der stammesgeschichtlichen Entwicklung von Emotionen

• Frage nach der Universalität von Emotionen

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Charles Darwin (1809-1882)

• 1859 erscheint „On the origin of species by means of natural selection, or the preservation of favoured races in the struggle for life“

• 1872 erscheint „The expression of the emotions in man and animals“

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Das Emotionskonzept bei Darwin

• Emotionen = psychische Zustände, die durch Bewertungen von Objekten, Ereignissen, Situationen entstehen

• Emotionen sind mit einem bestimmten Emotions-ausdruck verbunden (Mimik, Gestik, Körperhaltung …)

• In Darwins Forschung steht Emotionsausdruck (und hier Mimik) im Mittelpunkt

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Die Emotionstheorie von Charles Darwin

• Analyse des mimischen Ausdrucks von Emotionen bei Mensch und Tier sollte These untermauern, dass der Mensch vom Tier abstamme.

• Schwerpunkt auf der Erklärung der stammes-geschichtlichen Entwicklung des mimischen Emotions-ausdrucks

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Die sechs Forschungsmethoden Darwins

1. Intrakulturelle Beurteilungen des Emotionsausdrucks

2. Interkultureller Vergleich des Emotionsausdrucks

3. Beobachtung des Emotionsausdrucks von Kindern

4. Vergleich des Emotionsausdrucks bei Mensch und Tier

5. Beobachtung des Emotionsausdrucks von Blindgeborenen

6. Beobachtung des Emotionsausdrucks von Geisteskranken

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Hauptkritik an Darwins Forschungsmethode

1. Zu kleine Stichproben

2. Er befragte die Angehörigen anderer Kulturen nicht direkt

3. Suggestivfragen (Wird Überraschung ausgedrückt durch offenen Mund …? Anstatt: Wie wird Überraschung ausgedrückt?)

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Darwin zu den Hauptformen emotionalen Erlebens„Erlernen oder Nachahmen [der emotionalen Ausdrucksbewegung] hat mit vielen von ihnen derart wenig zu tun, dass sie von den frühesten Tagen der Kindheit an durch das ganze Leben hindurch vollständig ausserhalb unserer Kontrolle liegen … Bereits Zwei- oder Dreijährige, selbst Blindgeborene kann man vor Scham erröten sehen … Kinder schreien vor Schmerz unmittelbar nach der Geburt, wobei ihre Gesichtszüge dieselbe Form annehmen wie in späteren Jahren. Schon diese Tatsachen allein genügen für den Nachweis, dass viele unserer wichtigsten Ausdrucksformen nicht erlernt worden sind … Die Erblichkeit der meisten unserer Ausdrucksformen erklärt [aber auch] die Tatsache, dass Blindgeborene … sie ebenso gut zeigen wie Sehende. Wir können so auch die Tatsache verstehen, dass die jungen und alten Individuen ganz unterschiedlicher Rassen sowohl beim Menschen als auch bei den Tieren denselben psychischen Zustand durch dieselben Bewegungen ausdrücken.“ (Darwin, 1872/1965, S. 351; zit. nach Meyer et al., 2003, S. 50).

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Fragen zum Emotionsausdruck

• Warum sind bestimmte Emotionen mit einem ganz spezifischen Emotionsausdruck verbunden?

• Wie haben sich die Ausdrucksformen entwickelt?

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Darwins Antworten darauf …

Prinzip der zweckmässig assoziierten Gewohnheiten • Der mit Emotion verbundene Emotionsausdruck wurde

ursprünglich zu einem bestimmten Zweck ausgeführt.Z.B. Überraschung Augen weit öffnen sich informieren

• Ausdrucksbewegungen haben sich automatisiert.

• Mit den Ausdrucksbewegungen sind spezifische neuro-physiologischen Erregungsmuster verbunden.

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Biologische Funktion des Emotionsausdrucks

• Organismische Funktion (z.B. weit geöffnete Augen bei Überraschung verbessert Informationsaufnahme)

• Kommunikative Funktion (z.B. Information über Gefühlszustand und Handlungsimplikationen)

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Paul Ekmans neuro-kulturelle Emotionstheorie

• http://www.paulekman.com • 6 Basisemotionen: Ärger, Ekel, Furcht,

Freude, Traurigkeit und Überraschung • Neuerdings wird Verachtung als

siebte Basisemotion genannt. • Basisemotionen und die ihnen

zugrundeliegenden Mechanismen haben sich in der Evolution durch natürliche Selektion herausgebildet

(geb. 1934)

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Ekmans neuro-kulturelle Emotionstheorie

• Jede Basisemotion gekennzeichnet durch spezifi-sches Gefühl, spezifische physiologische Verände-rungen und einen spezifischen mimischen Ausdruck

• Wird Basisemotion ausgelöst, wird das zugehörige angeborene mimische Programm aktiviert

• Die angeborenen Tendenzen zum mimischen Ausdruck können kulturell überformt sein (display rules)

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Studien zur interkulturellen Universalität

des Gesichtsausdrucks /1• Die Standardmethode: Angehörige verschiedener

Kulturen mit Schriftsprache sahen Fotos von Gesichtsausdrücken der Basisemotionen

• Fotos angefertigt nach spezifischen Kriterien für jede Emotion

• „Welche Emotion wird hier dargestellt?“

• Antwortformat: Liste mit 6 bis 10 Emotionswörtern (z.B. Ekman et al., 1969; Ekman et al., 1987)

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Ergebnisse zur interkulturellen Universalität

des Gesichtsausdrucks /1Ekman et al., (1969, 1987):In allen untersuchten Kulturen wählte die Mehrheit der Probanden (> 67%) die richtigen Emotionen zur Beschreibung der Fotos aus.

Methodische Einwände:> Probanden waren Studierende> Gestellte Emotionen> Nur sehr typische Emotionsausdrücke dargestellt> Antwortformat

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Studien zur interkulturellen Universalität

des Gesichtsausdrucks /2

• Bildvorlagen: Je drei Fotos mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken

• Methode für „visuell isolierte“ Kulturen ohne Schriftsprache: Kurze emotionsauslösende Episoden werden erzählt.

• Episoden stammen von den Stammesangehörigen• „Welches Foto passt zu der Geschichte?“

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Ergebnisse zur interkulturellen Universalität

des Gesichtsausdrucks /2Ekman & Friesen (1971):

Für fast alle Emotionsgeschichten lag die Zuordnungs-rate zwischen 64% und 100%.

Bei Furcht keine überzufällig korrekten Zuordnungen (eine Erklärung: Überraschung und Furcht oft gepaart)

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Weitere Evidenz für Universalität von Basisemotionen

• Unterschiedliche Gehirnaktivität (EEG Masse) bei Ekel, echtem Lächeln (B: Duchenne-Lächeln) und unechtem Lächeln (A: Non-Duchenne-Lächeln; Ekman & Davidson, 1993)

• Unterschiedliche Erregungsmuster des autonomen Nerven-systems bei unterschiedlichen Emotionsausdrücken (z. B. Levenson et al., 1992)

• Korrelationen zwischen Gesichtsausdruck und emotionalem Erleben (z.B. Ruch, 1995; zitiert nach Ekman, 1999)

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Ekmans display rules (Ausdruckskontrolle)

• Durch Sozialisationsprozesse erworben

• Kulturabhängige soziale Norm (z.B. Traurigkeit bei Party; Ärger gegenüber Vorgesetzen; Lachen bei Beerdigung)

• Strategischer Einsatz von Gefühlsausdruck: intensivieren, abschwächen, neutralisieren oder maskieren

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Studie zur Ausdruckskontrolle (Ekman, 1972)

• US-Amerikaner und Japaner sahen belastende Filme (chirurgische Eingriffe, Unfälle)

• UV: Film alleine vs. Film mit Versuchsleiter ansehen• AV: Gesichtsausdruck beim Betrachten des Films

• Ergebnis: alleine: Amerikaner und Japaner zeigen gleichen Gesichtsausdruck (Furcht, Ekel, Trauer)

mit VL: Japaner zeigen viel häufiger als Amerikaner ein Lächeln.

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Facial Action Coding System (FACS)(Ekman & Friesen, 1975; Ekman et al.,

2002)

http://face-and-emotion.com/dataface/facs/description.jsp (25.09.07)

„Facial Action Coding System (FACS) is the most widely used and versatile method for measuring and describing facial behaviors. Paul Ekman and W.V. Friesen developed the original FACS in the 1970s by determining how the contraction of each facial muscle (singly and in combination with other muscles) changes the appearance of the face.“

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Facial Action Coding System (FACS)

• „Landkarte“ der Gesichtsmuskulatur

http://face-and-emotion.com/dataface/facs/manual/

• Emotionsausdruck wird durch die jeweiligen Kontraktionen verschiedenster Gesichts-muskel beschreibbar (44 Action Units, AU)

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FACS: Action Unit 1 – Inner Brow Raiser• One large muscle in the scalp and forehead raises the

eyebrows. It runs vertically from the top of the head to the eyebrows and covers virtually the entire forehead. The medial (or central) portion of this muscle (AU 1) can act separately from the lateral portion of this muscle (AU 2).

• Pulls the inner portion of the eyebrows upwards. • For many people, produces an oblique or shape to the

eyebrows. • Causes the skin in the center of the forehead to wrinkle

horizontally. These wrinkles usually do not run across the entire forehead, but are limited to the center. The wrinkles may be curved, raised more in the center than at the ends, rather than horizontal.

http://face-and-emotion.com/dataface/facs/manual/AU1.html#913776

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Pablo Picasso

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Zur Lektüre empfohlene Arbeiten

Ekman, P. (1999). Facial expressions. In T. Dalgleish & M. Power (Eds.), Handbook of cognition and emotion, (pp. 301-320). New York: Wiley.

Ekman, P. & Friesen, W. V. (1971). Constants across cultures in the face and emotion. Journal of Personality and Social Psychology, 17, 124-129.

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 48

Die sechs (sieben) Basisemotionen nach Ekman

• Begrenzte Anzahl von Basisemotionen: Ärger, Ekel, (Verachtung), Furcht, Freude, Trauer, Überraschung

• Diese Emotionen haben sich in Evolution durch natürliche Selektion herausgebildet

• Jede Basisemotion ist insbesondere durch spezifisches Gefühl, spezifische physiologische Veränderungen, spezifischen mimischen Ausdruck gekennzeichnet

• Wird Basisemotion ausgelöst, so wird gleichzeitig mit Gefühl das entsprechende Mimikprogramm ausgelöst.

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Die acht Basisemotionen nach Plutchik (1980): Auslöser, Komponenten und Funktionen

Auslöser Kognition Gefühl Handlungs-impuls

Funktion

Bedrohung Gefahr Furcht Flucht Schutz

Hindernis Aggressor Ärger Angriff Zerstörung

Partner/in Besitzen Freude Paarung Fortpflanzung

Verlust eines Individuums

Verlassen sein

Traurigkeit Weinen Reintegration

Binnengruppe Freund Vertrauen Umsorgen Einverleiben

Schädliches Gift Ekel Ausspeien Zurückweisen

Neue Umgebung

Was ist da? Erwartung Untersuchen Erkunden

Unerwartetes Was ist das?

Überraschung Innehalten Orientierung

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Die acht Basisemotionen nach Plutchik (1980): Auslöser, Komponenten und Funktionen

Auslöser Kognition Gefühl Handlungs-impuls

Funktion

Bedrohung Gefahr Furcht Flucht Schutz

Hindernis Aggressor Ärger Angriff Zerstörung

Partner/in Besitzen Freude Paarung Fortpflanzung

Verlust eines Individuums

Verlassen sein

Traurigkeit Weinen Reintegration

Binnengruppe Freund Vertrauen Umsorgen Einverleiben

Schädliches Gift Ekel Ausspeien Zurückweisen

Neue Umgebung

Was ist da? Erwartung Untersuchen Erkunden

Unerwartetes Was ist das?

Überraschung Innehalten Orientierung

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Basisemotionen bei Ekman, Izard und Plutchik

Ekman Izard Plutchik

Ärger Ärger Ärger

Ekel Ekel Ekel

Furcht Furcht Furcht

Freude Freude Freude

Traurigkeit Traurigkeit Traurigkeit

Überraschung Überraschung Überraschung

Verachtung Verachtung

Interesse

Scham

Schuldgefühl

Vertrauen

Erwartung

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 52

Basisemotionen bei Ekman, Izard und Plutchik

Ekman Izard Plutchik

Ärger Ärger Ärger

Ekel Ekel Ekel

Furcht Furcht Furcht

Freude Freude Freude

Traurigkeit Traurigkeit Traurigkeit

Überraschung Überraschung Überraschung

Verachtung Verachtung

Interesse

Scham

Schuldgefühl

Vertrauen

Erwartung

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Konzept der Basisemotionen

• Teilmenge der Emotionen des Menschen

• Beruhen auf psychophysischen Mechanismen, die in Evolution zur Lösung spezifischer Anpassungsprobleme entstanden sind (angeboren).

• Im Laufe der Entwicklung differenzieren sich immer spezifischere Emotionen aus, d.h. alle übrigen Emotionen leiten sich von diesen Basisemotionen ab (Lernprozesse) vgl. Plutchiks Konzept der sekundären Emotion („Mischemotionen“, z. B. Scham = Furcht + Ekel; Stolz = Ärger + Freude)

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 54

Kritik am Konzept der Basisemotionen

• Unterschiedliche Listen von Basisemotionen verschiedener Autoren, z.B. Ekman, Izard, Plutchik.

• Unterschiedliche Kriterien zur Bestimmung der Basisemotionen (Ekman und Izard: emotionsspezifischer Gesichtsausdruck; Plutchik: emotionsspezifischer Handlungsimpuls)

• Z. T. nur schwache empirische Belege für spezifische Komponenten der Basisemotionen ( peripher-physiologische Veränderungen, Handlungsimpulse, Gefühlserleben)

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Empirische Belege für spezifische Komponenten der Basisemotionen

Komponente Befundlage Bemerkungen

Mimischer Ausdruck gut Jedoch auch Dissoziation Emotion und Ausdruck; manche Basisemotionen ohne spezifischen Ausdruck

Physiologie schwach Einige Hinweise auf spezifi-sche Erregungsmuster

Handlungsimpuls schwach Für bestimmte Emotionen keine spez. Handlungsimpulse

Erleben fehlt Bislang noch ungeklärt, wie Erleben entsteht

Kognition gut Spezifische Einschätzungen gibt es für alle Emotionen

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Fazit zum Konzept der Basisemotionen

• Konzept der Basisemotionen umstritten

• Keine Übereinstimmung „about how many emotions are basic, which emotions are basic, and why they are basic“ (Ortony & Turner, 1990, S. 315; zitiert nach Ulich & Mayring, 2003)

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 57

Inhalte der Vorlesung • Evolutionspsychologische Emotionstheorien

(z.B. Darwin, Ekman, Plutchik)

• Behavioristische Emotionstheorien (z.B. Watson, Öhman & Mineka)

• Kognitiv-physiologische Emotionstheorien (z.B. James, Schachter)

• Kognitive Emotionstheorien (z.B. Lazarus, Weiner, Dörner, Scherer)

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 58

Die behavioristische Emotionstheorie

von John B. Watson

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 59

Grundfragen der behavioristischen Emotionstheorie

• Welche Reize lösen bestimmte emotionale Reaktions-muster aus?

• Durch welche Lernerfahrungen erwerben ursprünglich neutrale Objekte die Fähigkeit emotionale Raktionsmuster auszulösen?

• Analyse vor allem der Furchtreaktion

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 60

Grundpositionen des Behaviorismus

• Kritik an der Introspektion als wichtige Forschungs-methode der Bewusstseinspsychologie

• Einzig legitimer Forschungsgegenstand: Intersubjektiv beobachtbares Verhalten von Organismen und deren beobachtbare Umwelt

Reiz Reaktion

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 61

„Der Behaviorist wischte alle mittelalterlichen Konzeptionen beiseite. Er entfernte aus seinem wissenschaftlichen Vokabular alle subjektiven Begriffe wie Empfindung, Wahrnehmung, Vorstellung, Wunsch, Absicht und sogar Denken und Emotion, so wie sie ursprünglich definiert waren. … Wir wollen uns auf Dinge beschränken, die man beobachten kann …“

(Watson, 1929, S. 12ff; zitiert nach Meyer et al., 2001)John B. Watson (1878-1958)

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 62

Emotionen aus der Sicht Watsons

• Subjektives Erleben und Empfindungen

• Mimisches Ausdrucksverhalten

• Physiologische Reaktionen

• Verhalten

• Gedanken

• Funktion für Handlungssteuerung

Cornelius (1996)

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Emotionsdefinition nach Watson

• Ein intersubjektiv beobachtbares (erbliches) Reaktionsmuster, das durch bestimmte Umweltgegebenheiten (Reize) verlässlich ausgelöst wird.

• Reaktionsmuster = Reaktion tritt immer dann mit Konstanz, Regelmässigkeit, derselben Abfolge auf, wenn der auslösende Reiz dargeboten wird.

• Emotionen umfassen tief greifende Veränderungen des körperlichen Mechanismus …, insbesondere der viszeralen und Drüsensysteme.

• Emotionen versetzen den Organismus in einen chaotischen Zustand.

• Emotionen haben (im Vergleich zu Instinkten) keinen Anpassungswert

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Zwei Arten von emotionalen Reaktionsmustern nach Watson

• Ungelernte (angeborene) Reaktionsmuster

• Gelernte emotionale Reaktionsmuster

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 65

Welche emotionalen Reaktionsmuster sind angeboren?

• Untersuchung von Säuglingen und Kleinkindern

• Konfrontation mit verschiedenen positiven und negativen Reizen

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 67

Welche emotionalen Reaktionsmuster sind angeboren?

• Aufgrund der Reaktion der Kinder auf diese Reize schlussfolgerte Watson, dass es drei angeborene, d. h. nicht durch Lernen entstandene Dispositionen für emotionale Reaktionsmuster gibt

Furcht, Wut, Liebe

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 69

Wie lässt sich Vielfalt an emotionalen Reaktionsmustern erklären?

• Basisemotionen existieren in der reinen Form nur bei kleinen Kindern

• Wie lässt sich erklären, dass Furcht, Wut und Liebe bei Erwachsenen durch verschiedenste Reize ausgelöst werden können (Reizseite)?

• Wie lässt sich erklären, dass bei Erwachsenen vielfältige emotionale Reaktionsmuster existieren (Reaktionsseite)?

Lernprozesse (klassisches Konditionieren)

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Wie lässt sich Vielfalt an emotionalen Reaktionsmustern erklären?

• Basisemotionen existieren in der reinen Form nur bei kleinen Kindern

• Wie lässt sich erklären, dass Furcht, Wut und Liebe bei Erwachsenen durch verschiedenste Reize ausgelöst werden können (Reizseite)?

• Wie lässt sich erklären, dass bei Erwachsenen vielfältige emotionale Reaktionsmuster existieren (Reaktionsseite)?

Lernprozesse (klassisches Konditionieren)

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 71

Wie lässt sich erklären, dass Furcht, Wut und Liebe durch verschiedenste Reize ausgelöst

werden können?

Neutrale Reize erhalten durch die Kopplung mit einem angeborenen Auslösereiz (klassische Konditionierung) die Fähigkeit, die emotionale Reaktion auszulösen.

Unkonditionierter Stimulus Unkonditionierten Reaktion (UCS) (UCR)

Neutraler Stimulus (NS) Konditionierte Reaktion (CR)

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Konditionierung von Furchtreaktionen

4 Forschungsfragen

(1) Können angeborene Furchtreaktionen auf neutralen Reiz konditioniert werden?

(2) Überträgt sich konditionierte Reaktion auf andere, dem konditionierten Reiz ähnliche Reize (Reizgeneralisierung)?

(3) Bleibt konditionierte Reaktion für gewisse Zeit erhalten?

(4) Mit welcher Methode kann man die konditionierte Reaktion wieder zum Verschwinden bringen?

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Die klassische Studie von Watson & Rayner (1920): Der Fall des kleinen Albert

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Die klassische Studie von Watson & Rayner (1920): Der Fall des kleinen Albert

Phase 1: Bestimmung von NS und UCS

• Auswahl von neutralen Reizen (weisse Ratte, Kaninchen, Nikolausmaske, Baumwolle), die keinerlei Furcht auslösen: NS

• Konfrontation mit lautem Geräusch (an Eisenstange schlagen) führt zu Furchtreaktion: UCS UCR

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 76

Die klassische Studie von Watson & Rayner (1920): Der Fall des kleinen Albert

Phase 2: Konditionierung

• Gleichzeitige Darbietung von Ratte (NS) und Lärm (UCS)

Phase 3: Überprüfung der Furchtkonditionierung

• Darbietung der Ratte führt zu Furchtreaktion: CS CR

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 77

Die klassische Studie von Watson & Rayner (1920): Der Fall des kleinen Albert

„In dem Moment als die Ratte gezeigt wurde, fing das Baby an zu weinen. Fast augenblicklich wendete es sich scharf nach links, fiel auf die linke Seite, erhob sich auf alle Viere und fing an, so schnell fortzukrabbeln, dass es nur mit Mühe aufgehalten werden konnte, bevor es die Tischkante erreichte.“

(Watson & Rayner, 1920, S. 5; zitiert nach Meyer et al., 2001)

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 78

Die klassische Studie von Watson & Rayner (1920): Der Fall des kleinen Albert

Phase 4: Überprüfung der Furchtgeneralisierung

• Darbietung von Reizen, die dem CS ähnlich sind (Kaninchen, Hund, Nikolausmaske), führen zu Furchtreaktion

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 79

Die klassische Studie von Watson & Rayner (1920)

Ergebnis:

• Auf einen ursprünglich neutralen Reiz konnte eine Furchtreaktion konditioniert werden

• Bei ähnlichen Objekten zeigte Albert ebenfalls Furcht-reaktion (Reizgeneralisierung)

• Sogar nach einem Monat konnte Furchtreaktion noch von CS ausgelöst werden

• Frage der Löschung von Furchtreaktionen konnte nicht mehr untersucht werden, weil Albert als Versuchsperson nicht mehr zur Verfügung stand

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Die Beseitigung von Furchtreaktionen

Forschungsfrage:

Kann man auf demselben Weg, auf dem Furcht gelernt wurde, sie auch wieder verlernen?

Mary Cover Jones (1896-1987)

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 81

Die Beseitigung von FurchtreaktionenDie klassische Studie von Mary C. Jones (1924):

2 Elemente dieser „Furchttherapie“

• Furchtauslösender Reiz wird mit einem positiven Reiz gepaart, der eine positive Reaktion auslöst (Furcht-reaktion und positive Reaktion sind inkompatibel) Gegenkonditionierung

• Schrittweise Annäherung des furchtauslösenden Reizes (sukzessive Approximation)

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 82

Die Beseitigung von FurchtreaktionenDie klassische Studie von Mary C. Jones (1924):

Der Fall des kleinen Peter

Ablauf

• 3 jähriger Junge, der Angst vor Kaninchen, Ratten etc. hatte

• 2 Monate 1 bis 2 Therapiesitzungen pro Tag

• Positiver Reiz = Essen

• Schrittweise Annäherung des Furcht auslösenden Reizes

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 83

Die Beseitigung von FurchtreaktionenDie klassische Studie von Mary C. Jones (1924):

Der Fall des kleinen Peter

Ergebnis

• Nach 2 Monaten ist die Furcht bei Peter vor dem Kaninchen und anderen Kleintieren verschwunden

• Die von M. Cover Jones begründete Gegenkondi-tionierung entspricht der in der Verhaltenstherapie am häufigsten eingesetzten Methode zur Behandlung von Phobien systematische Desensibilisierung

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 84

Die Methode der systematischen Desensibilisierung

• In-vivo-Desensibilisierung = Konfrontation mit realen furchtauslösenden Situationen

• In-sensu-Desensibilisierung = gedankliche Konfrontation mit furchtauslösenden Situationen

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 85

Die Methode der systematischen Desensibilisierung

• Erstellen einer Angsthierarchie

• Erlernen einer Entspannungsmethode (Entspannung als inkompatible Reaktion zu Furcht; z. B. PMR)

• Konfrontation mit der am wenigsten Angst auslösenden Situation + Entspannung

• Dann Konfrontation mit zunehmend stärker Angst auslösenden Situationen + Entspannung

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 86

Die interaktionale Theorie des Entstehens von Phobien von Arne Öhman und Susan Mineka

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 87

Sind Furchtreaktionen beliebig konditionierbar? /1

• Watson: Jeder beliebige neutrale Reiz kann durch klassisches Konditionieren zu einem Furchtreiz werden

• Klinische Praxis zeigt: Phobien beziehen sich auf bestimmte Auswahl an Situationen und Objekten (offene Plätze, Dunkelheit, Blitz, Höhe, bestimmte Tiere)

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 88

Sind Furchtreaktionen beliebig konditionierbar? /2

• “More than 10 million adults in the United States suffer from some sort of phobia, according to the National Institute of Mental Health. These exaggerated fears--whether of spiders, needles, snakes, heights, social situations or even public spaces--can become so all-consuming that they interfere with daily life …” (APA online, Vol. 36, No. 7, 2005)

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 89

Sind Furchtreaktionen beliebig konditionierbar? /3

• Vermutung: in der Stammesgeschichte hat sich eine Bereitschaft entwickelt, gegenüber bestimmten Objekten besonders leicht Furchtreaktionen zu lernen Hypothese der angeborenen Lernbereitschaft

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 90

Postulat eines Furchtmoduls von Öhman

• In der Evolution herausgebildet

• Umfasst Prozesse, die speziell auf Wahrnehmung von und Reaktion auf bedrohliche Ereignisse gerichtet sind

• Bedrohung = Ereignisse, die die Weitergabe der eigenen Gene an nächste Generation gefährden könnten

• „Gefahrenquellen“: natürliche Feinde, Naturkatastrophen, Rangkämpfe mit Artgenossen

• Entsprechung in der Kategorisierung von Phobien im DSM-IV: Tierphobien, Naturphobien, soziale Phobien

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 91

Merkmale des Furchtmoduls nach Öhman

• Selektivität

• Automatisierung

• Spezifische subkortikale neuronale Prozesse

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 92

These von Öhman & Mineka zurSelektivität Furcht auslösender Reize

• „… central thesis … that this evolutionary history is obvious in the fear and phobias exhibited and learned by humans. We are more likely to fear events and situations that provided threats to the survival of our ancestors, such as potentially deadly predators, heights, and wide open spaces, than to fear the most frequently encountered potentially deadly objects in our contemporary environment, such as weapons or motorcycles” (Öhman & Mineka, 2001, p. 483).

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 93

Die automatische Aktivierung von Furchtreaktionen

Furchtreaktionen können automatisch ausgelöst werden.

• Furchtreiz muss nicht bewusst wahrgenommen werden

• Furchtreaktion kann nicht willentlich unterbunden werden

• Furchtreaktion kaum kognitiv steuerbar

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 94

Neuronale Grundlagen des Furchtmoduls

• Furchtmodul = sehr frühe evolutionäre Entwicklung

• Kontrolliert von subkortikalen neuronalen Prozessen

• Struktur im limbischen System: Amygdala

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 95

Die interaktionale Theorie der Entstehung von Phobien

Phobien sind das Resultat einer Interaktion von genetischen Dispositionen und Lernen.

„Phobien [haben] ihren Ursprung in biologischen Prädisposi-tionen, Furcht mit ganz bestimmten … Situationen zu verknüpfen. Wenn prädisponierte Individuen zufällig aversiven Erfahrungen in solchen biologisch vorbereiteten Situationen ausgesetzt sind, … wahrscheinlich, dass sich intensive Furcht vor diesen Situationen entwickelt“ (Öhman, 1987, S. 143; zitiert nach Meyer et al., 2001).

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Studie von Öhman et al. (1978) zur interaktionalen Theorie der Entstehung von Phobien

• Darbietung von phobischen (Spinne, Schlange) und nicht-phobischen (Blume, Pilz) Reizen auf Dias

• Differentielle Kopplung mit einem unangenehmen elektrischen Schlag am Finger

• Abhängige Variable: Hautleitfähigkeit als Indikator der Furchtreaktion

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 97

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 98

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Emotion HS 07 Foliensatz 1 99

Fazit aus der Studie von Öhman et al.

• Furchtreaktionen beim Menschen können auf ursprünglich neutrale Reize konditioniert werden.

• Furchtreaktionen beim Menschen können jedoch auf bestimmte, potenziell phobische Reize leichter konditioniert werden als auf andere.

• Diese Furchtreaktionen sind löschungsresistenter als solche, die auf nicht-phobische Reize konditioniert wurden.

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Fazit zur Selektivität Furcht auslösender Reize

„… human studies using classical conditioning … converge on the conclusion that selective associations between fear-relevant stimuli and aversive outcomes are restricted to stimulus classes for which an evolutionary background of their fear-evocative power appears likely” (Öhman & Mineka, 2001, pp. 483-522).

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Einwand gegen die Interpretation der Befunde von Öhman et al.

• Die verwendeten potentiell phobischen Reize können aufgrund von Lernerfahrungen eine negative Bedeutung haben ontogenetische statt phylogenetischer Erklärung der Befunde.

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Tierexperimentelle Studien zur interaktionalen Theorie der Entstehung von Phobien

• Vorteil von Tierstudien: Das Ausmass an Vorerfahrung mit den verwendeten Reizen (potentiell phobisch vs. neutral) kann kontrolliert werden.

• Susan Mineka führte Experimente mit Rhesusaffen durch, die im Labor aufgewachsen sind.

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Versuchsaufbau einer tierexperimentelle Studie zur interaktionalen Theorie der Entstehung von Phobien

• Versuchstiere sahen speziell präparierte Videofilme anderer Rhesusaffen, die gegenüber potentiell phobischen Reizen (z.B. Schlange) oder nicht-phobischen Reizen (Blumen) starke vs. keine Furcht zeigten (Modelllernen).

• Furcht: Mimik, Vokalisationen, Vermeidungshandlungen

Cook & Mineka (1990)

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Versuchsablauf einer tierexperimentelle Studie zur interaktionalen Theorie der Entstehung von Phobien

• Erste Phase (Vortest): Reaktion der Versuchstiere auf potentiell phobische und nicht-phobische Reize registriert

• Zweite Phase: Affen sehen je nach Bedingung Modell(1) S-/B+ (vor Schlange keine Furcht, vor Blumen Furcht)(2) S+/B- (vor Schlange Furcht, vor Blumen keine Furcht)

• Dritte Phase (Nachtest): Affen erneut mit den phobischen und nicht-phobischen Reizen konfrontiert und Reaktion registriert

Nach Cook & Mineka (1990)

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Ergebnisse der Studie von Cook & Mineka (1990)

• Im Vortest keinerlei Unterschiede in der Reaktion der Versuchstiere auf Schlange vs. Blumen

• Im Nachtest deutliche Unterschiede in der Furcht-reaktion auf Schlange vs. Blumen (1) Bedingung S-/B+: keine Furchtreaktion auf Blumen(2) Bedingung S+/B-: Furchtreaktion auf Schlange

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Studien zur automatischen Aktivierung von Furchtreaktionen

• These: Furchtsystem kann ausgelöst werden noch bevor kognitive Einschätzung des Stimulus vorgenommen werden konnte.

• Z. B. Studie von Öhman & Soares (1994) bediente sich der Methode der Rückwärtsmaskierung bewusstes Erkennen der furchtauslösenden Reize verhindert

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Studie von Öhman & Soares (1994)

• UV: Schlangen-, Spinnenphobiker und unauffällige Kontrollgruppe

• Maskierte und nicht-maskierte Darbietung von Dias mit potentiell phobischen Reizen (Schlangen, Spinnen) und nicht-phobischen Reizen (Blume, Pilze)

• Maskiert: 30 ms Darbietung + MaskeNicht-maskiert: 130 ms Darbietung ohne Maske

• AV: Hautleitfähigkeit als Index der Furcht

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Ergebnisse von Öhman & Soares (1994)