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Eva Langmandel Vom Archetypus zur Synopse Edition früher und heute UVRR Universitätsverlag Rhein-Ruhr

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  • Karl Lachmann ArchetypRecensio Stemma Collatio OriginalExaminatio EmendatioAthetese Konjektur CruxUrtext Rekonstruktionsphilologie ch v. d. Hagen Variante tackmann tackmann AutororientierungTervooren H. Moser Leithandschrift übererNew Philology EDV PCSynopse Hybridedition

    Eva Langmandel

    Vom Archetypus zur SynopseEdition früher und heute

    Vom Archetypus zur Synopse bietet einen Überblick über das für die

    Textedition erforderliche Basiswissen um die Geschichte der Editionswis-

    senschaft und das Für und Wider unterschiedlicher Editionsverfahren.

    Die Publikation unternimmt einen Streifzug durch die Geschichte

    der Editorik, zeichnet – ausgehend von ihrer Entstehung um 1800 – ihre

    Entwicklung nach und beleuchtet zentrale Trend- und Paradigmen-

    wechsel.

    Einem bündigen Blick auf die Etablierungsphase der Editorik folgt

    die intensive Problematisierung der ersten und für die Editionswissen-

    schaft grundlegenden Editionstechnik nach Karl Lachmann. Das Fort-

    wirken der rekonstruktionsphilologischen Lachmannschen Methode

    ist ebenso Thema wie die allmähliche Hinwendung zu textorientierten

    Verfahren seit Karl Stackmann Mitte des 20. Jahrhunderts. Neben der

    Moser/Tervoorenschen Edition nach Leithandschrift und der überliefe-

    rungsgeschichtlichen Textedition finden auch die Forderungen der New

    Philology sowie die zunehmende Nutzung technischer Hilfsmittel durch

    die Editionswissenschaft Berücksichtigung in der Darstellung.

    Eva Langmandel, geb. 1983, studierte Germanistik und Geschich-

    te an der Universität Duisburg-Essen und war im Fach Germanistik als

    studentische Hilfskraft tätig. Momentan ist sie als Wissenschaftliche

    Hilskraft an der Universität Duisburg-Essen beschäftigt und arbeitet an

    ihrer Dissertation.

    9 783942 158473

    ISBN 978-3-942158-47-3

    UVRRUniversitätsverlag Rhein-Ruhr

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  • Universitätsverlag Rhein-Ruhr, Duisburg

    Eva Langmandel

    Vom Archetypus zur Synopse

    Edition früher und heute

  • Umschlaggestaltung UVRR / Mike Luthardt

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

    http://www.ddb.de abrufbar.

    Copyright © 2013 by Universitätsverlag Rhein-Ruhr OHG Paschacker 77 47228 Duisburg www.uvrr.de

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    e-ISBN 978-3-942158-48-0

    Satz UVRR

    Druck und Bindung format publishing, Jena

    Printed in Germany

  • Inhalt

    1 Einleitung ........................................................................................ 5

    2 Nationalismus, Romantik und Mittelalter-Fieber. Die Germanistik etabliert sich ..................................................... 11

    3 Philologisierung, Verwissenschaftlichung und Abgrenzung. Die Germanistik isoliert sich ........................................................ 21

    4 Archetyp oder Variante? Zwei Editoren streiten sich ...........................................................27

    5 Die Lachmannsche Methode. Kurzer Abriss ................................................................................ 31

    6 Die Lachmannsche Methode. Defizite ............................................................................................37

    6.1 Forschungsziel: der (eine) Urtext .....................................................38

    6.2 Schritt I: Heuristik ...........................................................................48

    6.3 Schritt II: Recensio ..........................................................................576.3.1 Schritt IIa: Collatio und Stemmatisierung ............................586.3.2 Schritt IIb: Archetyperrechnung ...........................................68

    6.4 Schritt III: Examinatio ....................................................................76

    6.5 Schritt IV: Emendatio, Konjektur und Athetese .............................77

    7 Die Lachmannsche Methode. Fortwirken......................................................................................87

    8 Abschied von der Lachmannschen Methode. Edition heute .................................................................................. 91

    9 Schluss .......................................................................................... 101

    10 Literaturverzeichnis .................................................................... 107

    11 Abbildungsverzeichnis .................................................................115

  • 1 Einleitung

    Die Edition ist Grundlage aller wissenschaft-lichen Beschäftigung mit Sprache und Literatur

    einer vergangenen Epoche.1

    Karl Stackmann (1998)

    Wie kommen Walther von der Vogelweides Minnelieder aus dem Codex Manes-se in die Textausgabe, die wir heute in Händen halten? Wessen Aufgabe ist es, sie dorthin zu bringen und wie geht er dabei vor?

    Man muss sich klar machen, dass mittelhochdeutsche Texte in der Regel nicht als geschlossene Werke vorliegen, die für den Druck ganz simpel in eine Satzdatei übertragen werden können.2 Häufig sind sie mehrfach tradiert, begeg-nen in unterschiedlichen Versionen, Varianten, Fassungen, sind teilweise nur fragmentarisch und in ungünstigen Fällen über zahlreiche Bibliotheken ver-streut. Erschwerend kommt hinzu, dass das handschriftlich Vorliegende nicht immer gut lesbar und darüber hinaus aus konservatorischen Gründen oft schwer zugänglich ist. Sich hier einen Überblick zu verschaffen, kann Jahre dauern. Es sind also Experten gefragt, die den vorwiegend an Inhalten interessierten Li-teraturwissenschaftlern solch strapaziöse Vorarbeiten abnehmen, sich an ihrer Statt durch das unüberschaubare Chaos kämpfen und ihnen das Material an die Hand geben, das sie für ihre Arbeit benötigen: Eine kritische Ausgabe, die auf einen Blick über die relevanten Varianten informiert, einen Text, „der [...] als ,gut‘, als ,authentisch‘, als ,zuverlässig‘ ausgewiesen wird“3.

    Ein solcher Experte ist der Editor. Er überführt ältere Texte in moderne Aus-gaben, macht sie damit rezipierbar und verleiht „ihnen den Status von deutba-ren ,Entitäten‘“4. Er nimmt die Rolle eines Mediators ein, „vermittelt Textgut, das nicht (mehr) unmittelbar und jedermann zugänglich ist“5. Seine „Editionen

    1 Stackmann, Karl: „Autor – Überlieferung – Editor“, in: Lutz, Eckart Conrad (Hg.): „Das Mittelalter und die Germanisten. Zur neueren Methodengeschichte der Germani-schen Philologie. Freiburger Colloquium 1997“, Freiburg 1998, S. 11–32, S. 11.

    2 Die sich hierzu anschließenden Erklärungen vgl. Bein, Thomas: „Textkritik. Eine Ein-führung in Grundlagen germanistisch-mediävistischer Editionswissenschaft“, Frank-furt am Main 2008, S. 73/74.

    3 Bein 2008, S. 73.4 Bein, Thomas: „Einführung“, in: Ders. (Hg.): „Altgermanistische Editionswissen-

    schaft“, Frankfurt am Main 1995, S. 11–34, S. 13.5 Bein 2008, S. 19.

  • 6 Kapitel 1

    sind die Basis jeder literaturhistorischen oder -theoretischen Untersuchung, und ohne sie wäre ein Reden über Texte so gut wie nicht möglich“6.

    Es sind also zwei Berufsgruppen auszumachen: die der Texteditoren bzw. -kritiker und die der Textinterpreten. Zwischen ihnen besteht eine reziproke Abhängigkeit.7 Der Editor liefert dem Interpreten die Arbeitsgrundlage, der Interpret dem Editor wiederum die literaturwissenschaftlichen Kenntnisse, die er für seine Arbeit benötigt, denn auch das Edieren kommt ohne Interpretation nicht aus.8 Neben Kenntnissen über „Handschriften, Schrifttypen, Materialien, Varianten, Abhängigkeiten, Abschreibfehlern und manchem mehr“9 erfordert die Edition weitreichende Kompetenzen sowohl auf literaturwissenschaftli-chem als auch auf historischem Gebiet.

    Doch nicht nur fundierte Kenntnisse der Literaturgeschichte sind für profes-sionelles Edieren obligatorisch. Auch über die Geschichte der Editionswissen-schaft selbst sollte der Editor hinreichend informiert sein:

    „Wer heute einen Text edieren will, kommt nicht darum herum, sich mit der Geschichte der Editorik zu befassen. Man muss Positionen der Vergangenheit kennen, um darauf aufbauend alternative Konzepte zu entwickeln, die dem jeweiligen Fall möglichst adäquat sind.“10

    Dieser nötige Überblick über die Geschichte der mediävistischen Editionswis-senschaft wird im Folgenden gegeben. Nachstehende Fragen sollen geklärt wer-den:

    • Wann und unter welchen Umständen entstand die mediävistische Editorik? • Welche methodischen Prämissen wurden ihr damals von wem zugrunde ge-

    legt und warum? • Erwiesen sich die festgelegten Prämissen als zweckmäßig? • Ist die editorische Vorgehensweise die gleiche wie zu Zeiten ihrer Entstehung

    oder sind Paradigmenwechsel feststellbar? • Sofern es Kursänderungen gab: Wer veranlasste sie aus welchen Motiven

    oder infolge welcher Erkenntnisse? • Wie sieht editorische Praxis heute aus?

    Zur Beantwortung der Fragen wird im Folgenden die Entwicklung von den An-fängen mediävistischer Editionswissenschaft bis zur Gegenwart nachgezeich-net, beginnend um 1800.

    6 Bein 2008, S. 151.7 Vgl. Bein 2008, S. 151.8 Vgl. Bein 2008, S. 75.9 Bein 2008, S. 74.10 Bein 2008, S. 76.

  • Einleitung 7

    Die Geburtsstunde der mediävistischen Editionswissenschaft fällt mit der der Germanistik selbst zusammen: Um 1800 wurden beide aus der Taufe ge-hoben. Kapitel 2 hat die gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Strö-mungen zum Thema, die jene Begeisterung für deutsche Sprache und Literatur (speziell die mittelalterliche) weckten, die schließlich die Germanistik an die Universitäten brachte. Überwiegend wird hierbei auf Jost Hermands Geschich-te der Germanistik11 sowie Johannes Janotas Eine Wissenschaft etabliert sich 1810–187012 zurückgegriffen.

    War die Institutionalisierungsphase der Germanistik noch geprägt gewe-sen von klaren kulturpolitischen Ambitionen, so war in den Folgejahren eine deutliche Abkehr von den anfänglichen idealistischen Zielen zu verzeichnen. Zur Sicherung des an den Universitäten errungenen Platzes und des Status als ernstzunehmende akademische Disziplin wurde eine Philologisierung und Verwissenschaftlichung in Gang gesetzt, die einstigen gesellschaftspolitischen Ansprüchen wie Laienorientierung und Volksnähe ein Ende bereitete. Jene Abgrenzung sowie die Opposition einiger Fachkollegen hiergegen werden in Kapitel 3 behandelt. Neben Janotas Untersuchung findet hier speziell auch Rai-ner Rosenbergs Die deutschen Germanisten. Ein Versuch über den Habitus13 Verwendung.

    Hinsichtlich des Akademisierungsprozesses des Fachs sind besonders zwei Personen von Bedeutung: Friedrich Heinrich von der Hagen als Verfechter der Laienorientierung und Karl Lachmann als strenger Wissenschaftler vom For-mat eines esoterischen Philologen. Die Gegensätzlichkeit der beiden Germanis-ten erschöpfte sich nicht in einer divergenten gedanklichen Ausrichtung. Dass von der Hagen und Lachmann sich auch in Bezug auf Arbeitspraxis und Me-thode uneins waren, wird in Kapitel 4 gezeigt. Vorgestellt werden ihre grund-verschiedenen editorischen Konzepte, der Streit zwischen dem von der Hagen-schen Prinzip, der Edition eine einzige Handschrift zugrunde zu legen, und der lachmannschen Idee vom aus mehreren Textzeugen zu konstruierenden origi-nalnahen Archetyp.14

    Da Lachmanns textkritisches Konzept sich in der Folge durchsetzte und die mediävistische Editionspraxis unter dem Namen Lachmannsche Methode bis

    11 Hermand, Jost: „Geschichte der Germanistik“, Hamburg 1994.12 Janota Johannes (Hg.): „Eine Wissenschaft etabliert sich 1810–1870“, Tübingen 1980.13 Rosenberg, Rainer: „Die deutschen Germanisten. Ein Versuch über den Habitus“, Bie-

    lefeld 2009.14 Verwendete Sekundärtexte sind hier vorwiegend die Biografien Lachmanns und von

    der Hagens: Grunewald, Eckhard: „Friedrich Heinrich von der Hagen 1780–1856. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Germanistik“, Berlin 1988; Weigel, Harald: „,Nur was du nie gesehn wird ewig dauern‘. Carl Lachmann und die Entstehung der wissenschaft-lichen Edition“, Freiburg 1989.

  • 8 Kapitel 1

    zur Mitte des 20. Jahrhunderts maßgeblich prägte, wird es in den drei sich an-schließenden Kapiteln en détail beleuchtet.

    Kapitel 5 gibt einleitend einen knappen Überblick zur Vorgehensweise und stellt die Arbeitsschritte der Lachmannschen Methode in aller Kürze vor. Ohne zu viel vorweg zu nehmen, sei Lachmanns editorisches Ziel noch einmal kon-kretisiert: Da er die tatsächlich überlieferten Handschriften als verderbte Texte beurteilte, die das originäre Dichterwort in nur entstellter Form präsentierten, mussten sie bearbeitet werden. Es galt, sie zu einem ihnen allen zugrunde lie-genden, dem originalen Dichterwort möglichst ähnlichen Archetyp zu syntheti-sieren. Da hier vorwiegend Fachbegriffe erläutert werden, besteht die zugrunde gelegte Literatur zu großen Teilen aus Lexikonartikeln15. Neben anderen Titeln finden aber auch Magdalene Lutz-Hensels16 und Sebastiano Timpanaros17 eben-so bedeutende wie grundlegende Standard-Publikationen zur Lachmannschen Methode bereits Verwendung.

    In Kapitel 6 kommen die Defizite des Konzepts zur Sprache. Schon der quantitative Umfang des Kapitels lässt vermuten, dass es nicht wenige sind. Die Mängel resultieren vorwiegend aus dem Missverhältnis von Methode und Untersuchungsgegenstand. Dass Lachmanns Editionsprämissen nicht adäquat zugeschnitten sind auf die Spezifika mittelalterlicher Literaturproduktion und -tradierung, wird kleinschrittig erläutert. Die einzelnen Unterkapitel widmen sich jeweils einem Arbeitsschritt der Lachmannschen Methode und zeigen klar die jeweils spezifischen Probleme sowie Unstimmigkeiten zur mittelalterlichen Überlieferungsrealität auf. Grundlage der Darstellung sind folgende Verfasser bzw. Titel: An erster Stelle ist Karl Lachmann selbst zu nennen. Aus den in seinen Kleineren Schriften18 zusammengestellten Veröffentlichungen wird wie-derholt zitiert – ebenso aus seinen Briefen19 an die Brüder Grimm. Als zentraler Sekundärtext ist Karl Stackmanns epochemachender Aufsatz Mittelalterliche

    15 Schweikle, Günther/Schweikle, Irmgard (Hg.): „Metzler Literatur Lexikon. Begriffe und Definitionen“, Stuttgart 19902.

    16 Lutz-Hensel, Magdalene: „Prinzipien der ersten textkritischen Editionen mittelhoch-deutscher Dichtung. Brüder Grimm – Benecke – Lachmann. Eine methodenkritische Analyse“, Berlin 1975.

    17 Timpanaro, Sebastiano: „Die Entstehung der Lachmannschen Methode“, Hamburg 19712.

    18 Lachmann, Karl: „Kleinere Schriften. Erster Band“, Berlin 1969 (Hg.: Müllenhoff, Karl); Lachmann, Karl: „Kleinere Schriften. Zweiter Band“, Berlin 1974 (Hg.: Vahlen, Johannes) (im Folgenden Zitiert als Lachmann, Kleinere Schriften I bzw. II).

    19 Leitzmann, Albert (Hg.): „Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Karl Lachmann I“, Jena 1927; Leitzmann, Albert (Hg.): „Briefwechsel der Brüder Ja-cob und Wilhelm Grimm mit Karl Lachmann II“, Jena 1927.

  • Einleitung 9

    Texte als Aufgabe20 hervorzuheben. Stackmann legte 1964 als erster den Fin-ger nachdrücklich auf die Schwächen der Lachmannschen Methode, indem er sie schlüssig als zur Edition (der Mehrzahl) mittelalterlicher Texte ungeeignet erklärte. Zentral sind darüber hinaus Günther Schweikles21 zahlreiche Publi-kationen zur Minnelyrik. Überaus kritisch betrachtet Schweikle die klassische Editorik und gibt anhand vieler konkreter Textbeispiele Aufschluss über mit-telalterliche Literaturproduktion und Tradierungspraxis. Auch Joachim Bum-kes Studien zur Nibelungenklage22, in denen er die Spezifika mittelalterlicher Textüberlieferung beleuchtet, sind hier relevant. Zurückgegriffen wird ferner auf Lutz-Hensels und Timpanaros Standardwerke zur Methode sowie Thomas Beins Einführung Textkritik23, die einen Überblick über die editorische Praxis generell bietet.

    Auch für Kapitel 7 sind Beins und Schweikles Publikationen hilfreich. The-matisiert wird an dieser Stelle das lange Fortwirken der Lachmannschen Metho-de und die hieraus resultierenden Probleme für die Mediävistik. Gezeigt wird, dass letztlich alle Hilfsmittel des Fachs im 19. Jahrhundert nach lachmannschen Prämissen erstellt wurden, daher überwiegend auf falschen Annahmen basieren und einer umfangreiche Revision bedürften.

    Obgleich die Methode bis heute prägend nachwirkt und darüber hinaus viele der lachmannschen Editionen noch nicht überarbeitet worden sind, ist seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ein sukzessiver Abschied von den alten editorischen Prämissen zu verzeichnen. Kapitel 8 stellt alternative Konzepte wie etwa die Edition nach Leithandschrift oder die textgeschichtliche Edition vor, die die Lachmannsche Methode seit den 1960-er Jahren abzulösen begannen und heu-te editorischer Standard sind. Auch die Einflüsse der New Philology seit den 1990-er Jahren werden an dieser Stelle berücksichtigt. Was alle neuen Konzepte maßgeblich von der traditionellen Methode unterscheidet, sind die Bemühung um Anpassung an den Untersuchungsgegenstand, die Berücksichtigung der spezifisch mittelalterlichen Überlieferungsgegebenheiten und die größere Wert-schätzung der Handschriften. Die einstige Archetyprekonstruktion ist passé. Heute wird meist eine gute Handschrift aus der Gesamtheit der Überlieferung ausgewählt und als Leithandschrift so getreu wie möglich ediert. Nicht selten

    20 Stackmann, Karl: „Mittelalterliche Texte als Aufgabe“, in: Foerste, William/Borck, Karl Heinz (Hg.): „Festschrift für Jost Trier zum 70. Geburtstag“, Köln 1964, S. 240–267.

    21 Schweikle Günther: „Mittelhochdeutsche Minnelyrik. I Die Frühe Minnelyrik“, Darmstadt 1977; Schweikle, Günther: „Minnesang in neuer Sicht“, Stuttgart 1994.

    22 Bumke, Joachim: „Die vier Fassungen der ,Nibelungenklage‘. Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte und Textkritik der höfischen Epik im 13. Jahrhundert“, Ber-lin 1996.

    23 Bein 2008.

  • 10 Kapitel 1

    werden ferner gleich mehrere der überlieferten Handschriften eines bestimm-ten Textes in Zusammenschau – einer Synopse – dargeboten. So edierte Bum-ke etwa die Nibelungenklage in Vierersynopse. Neben Bumkes Ausführungen sind für Kapitel 8 erneut Beins Einführung und Stackmanns24 Stellungnahmen zu den Forderungen der New Philology von Relevanz.

    Den Abschluss von Kapitel 8 und zugleich der gesamten Untersuchung bil-det ein kurzer Blick auf das Thema Edition und EDV. Wilhelm Otts25, Roland Kamzelaks26 und Kurt Gärtners27 Publikationen zum elektronischen Edieren geben Aufschluss über die potenziell ertragreiche Nutzung moderner Compu-tertechnik für editorische Projekte.

    Bevor mit Kapitel 2 ins Thema eingestiegen wird, sei der formale Hinweis gege-ben, dass Werktitel und mittelhochdeutsche Begriffe bzw. Zitate kursiv, Fach-begriffe sowie lateinische Wörter aber im Folgenden durchgehend in regulärer Type gesetzt werden. Wörtliche Zitate aus Sekundärtexten werden der Einheit-lichkeit halber homogen gestaltet.28

    24 Stackmann, Karl: „Die Edition – Königsweg der Philologie?“, in: Bergmann, Rolf/Gärtner Kurt (Hg.): „Methoden und Probleme der Edition mittelalterlicher deutscher Texte. Bamberger Fachtagung 26.–29. Juni 1991. Plenumsreferate“, Tübingen 1993, S. 1–18; Stackmann, Karl: „Neue Philologie?“, in: Heinzle, Joachim (Hg.): „Moder-nes Mittelalter. Neue Bilder einer populären Epoche“, Frankfurt am Main 1999, S. 398–427.

    25 Ott, Wilhelm: „Elektronisches Edieren“, in: Roloff, Hans-Gert (Hg.): „Geschichte der Editionsverfahren vom Altertum bis zur Gegenwart im Überblick. Ringvorlesung“, Berlin 2003, S. 329–358.

    26 Kamzelak, Roland: „Hypermedia – Brauchen wir eine neue Editionswissenschaft?“ in: Ders. (Hg.): „Computergestützte Text-Edition“, Tübingen 1999, S. 119–126.

    27 Gärtner, Kurt: „Der Computer als Werkzeug und Medium in der Editionswissenschaft. Ein Rückblick“, in: editio 25/2011, S. 32-41.

    28 Einfache Anführungsstriche werden stets wie folgt angegeben: ,###‘. Personenna-men, Fachbegriffe sowie lateinische Fremdwörter sind durchgängig in regulärer Type, Werktitel kursiv gesetzt.