ta d a 2012 - stadtplanung · -stahl sowie beton, die seit dem 19. jahrhundert das bauen...

56
67 »Vom Holz zum Beton« – Eine kleine Augsburger Baufibel Tag des offenen Denkmals 2012

Upload: buiquynh

Post on 04-Aug-2019

215 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

67

»Vom Holz zum Beton« – Eine kleine Augsburger Baufibel

Tag des offenen Denkmals 2012

Page 2: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes
Page 3: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Der „Tag des offenen Denkmals“ ist eine derwenigen Veranstaltungen, die dem Gedankender europäischen Einigung folgend in allen Staa-ten Europas durchgeführt werden. Ziel diesesjährlichen Veranstaltungstages ist, den BürgernEuropas die Schätze ihrer gemeinsamen Kulturzu zeigen und ins Bewusstsein zu rufen.

Zurück geht der Denkmaltag auf den früherenfranzösischen Kulturminister Jacques Lang, der 1984 den „Tag des offenen Denkmals“ insLeben rief; seit 1993 wird er auch in Deutsch-land begangen. Traditionell findet er jeweils am zweiten Sonntag im September statt, heueralso am 9. September 2012. Seit 2001 wird derDenkmaltag von der Deutschen Stiftung Denk-malschutz, die deutschlandweit die Präsenta-tionen koordiniert, unter ein gemeinsames in-haltliches Dach gestellt – in diesem Jahr lautetdas Thema einfach: „Holz“.

Schon in der Steinzeit hatte der Mensch denWert und die Bedeutung des Holzes erkannt.Holz diente als Heiz- und Baumaterial. Es istdamit der erste Werkstoff schlechthin. Holz botsich in unseren Breiten als Baustoff an, da esüberall verfügbar und damit auch preiswertwar. Das galt so nicht für Natursteine oder Ton-ziegel.

Holz wurde aber auch benötigt, um zu Holz-kohle verarbeitet die ersten Verhüttungspro-zesse zu ermöglichen. Eine Bronze- oder Eisen-zeit ist ohne geeignetes Brennmaterial nichtdenkbar. Ganze Wälder wurden so „ver-brannt“. Aber: Holz ist ein nachwachsenderRohstoff.

Zu den besonderen Eigenschaften des Holzesgehören seine Stabilität bei relativ geringemGewicht, seine Flexibilität und die Möglichkeit,es leicht zu bearbeiten. So konnten große undhohe Gebäude mit Holz errichtet und auchkunstvolle Altäre und Skulpturen geschnitztwerden.

Augsburg glänzt zwar nicht mit Fachwerkbau-ten, aber Holz ist hier auch in fast allen histori-schen Gebäuden, vor allem in den Dachstühlenzu finden. Der diesjährige Denkmaltag bietetdie Möglichkeit, verschiedene historischeDachstühle zu besuchen, in Kirchen Altäre undKapellen zu besichtigen und darüber hinausdabei zu sein bei spannenden Rundgängen.

Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Lek-türe dieser Informationsschrift wie auch beimBesuch der Denkmäler, der Teilnahme an Füh-rungen und historischen Entdeckungsreisen!

Dr. Kurt GriblOberbürgermeister

Gerd MerkleStadtbaurat

1Tag des offenen

Denkmals 2012

Page 4: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Jede der historischen mitteleuropäischen Städtehatte ihre eigene Gestalt, die bestimmt war vonder jeweiligen Sozialstruktur, örtlichen Baumate-rialien und -vorschriften. Im Vergleich zeichnetesich Augsburg nicht durch städtebauliche Ein-heitlichkeit, sondern durch die Vielgestaltigkeitder Stile und Bauweisen aus. Niemals wurdediese alte Stadt in einem geschlossenen Zustand„eingefroren“ wie Rothenburg ob der Tauberoder Brügge; sie entwickelte sich den Bedürfnis-sen ihrer Bewohner gemäß kontinuierlich weiterund die Bausubstanz wurde ständig überformt.Ganz unterschiedliche Auftraggeber, wie der Bischof, die Kirchen (beider Konfessionen), dieKlöster, die Kaufleute oder die Handwerker be-stimmten das Augsburger Bauwesen wodurchsich unterschiedliche Gebäudetypen ausprägten.

Durch neue Materialien wie Gusseisen und -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundertdas Bauen revolutionierten, sowie durch denWiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni-tät des Stadtbildes noch verstärkt. Seitdem wirdAugsburg in architektonischer Hinsicht von star-ken, bisweilen unvermittelten Brüchen bestimmt.

In kaum einer anderen Stadt ist die Quellenlageso gut, will man einen Einblick in die Bauvor-schriften bis zurück ins Mittelalter gewinnen. Paul von Stetten schreibt hierzu in seiner Kunst-Gewerb- und Handwerksgeschichte Augsburgs(1779) „Indessen muß man unsern Vorfahren zurEhre einräumen, daß sie sehr frühzeitig auf Ein-führung einer guten Polizey, zu Verschönerungder Stadt angetragen haben.“ Die Verordnungenwurden seit dem 14. Jahrhundert kontinuierlichergänzt und 1731 beziehungsweise 1740 zu ei-ner Feuer- und einer Bauordnung zusammenge-fasst. Über die Einhaltung der Vorschriftenwachten bis zum Ende der Reichsstadt die viergeschworenen Werkmeister, die paritätisch derkatholischen und protestantischen Konfessionangehören mussten. Es handelte sich um denBrunnenmeister, den Maurermeister, den Stein-metz und den Zimmermeister; sie begutachtetenjeden Mittwoch Pläne und hielten so genannte„Augenscheine“ – das heißt Ortsbegehungenab. Dabei achteten sie peinlich genau auf die Be-lange der Nachbarn und der Kommune, die inden Straßenraum ragende Anbauten unterbin-den wollte. Auch die Haustüren mussten nachInnen und nicht zur Straße aufgehen.

Im 19. Jahrhundert, nach dem Ende der FreienReichsstadt, war es dann die kommunale Baupo-lizei, die das Bauwesen überwachte und auf dentechnischen Fortschritt reagierte. So bekommenwir bis heute einen Eindruck, welche Werkstoffein Augsburg vorhanden waren, aus welchenGründen sie bevorzugt wurden und wie das Bau-wesen organisiert war.

Holz – nachwachsender Baustoff

Holz war über Jahrhunderte der wichtigste Werk-stoff, weil es reichlich vorhanden, vergleichswei-se leicht zu bearbeiten und zudem dauerhaft war.Die hohe Zug- und Druckfestigkeit im Vergleichzu Abmessungen und Gewicht machten Holzbal-ken zum idealen Material für gerüstartige Kon-struktionen. So entstanden vor allem im mittlerenund nördlichen Europa zahlreiche Fachwerkbau-ten. Die Holzkonstuktionen und –verbindungenvariierten dabei je nach Region und Entstehungs-zeit. In Augsburg blieben mittelalterliche Fach-werkbauten nur fragmentarisch erhalten, hierragt das ehemalige Mietzinshaus Am Eser 17 ausdem Jahr 1392 heraus. Meistens dürften einfa-che Holzständerhäuser wie das Anwesen Kirch-gasse 8 gebaut worden sein, wobei die Wändeaus Bohlen oder aus Lehm bestehen konnten.

Dass Augsburg heute keine Fachwerkstadt mehrist, liegt an der tief greifenden Erneuerung desBaubestandes im 15., 16. und 17. Jahrhundertund den Bauvorschriften. FeuerbeständigereBacksteine lösten innerhalb der Stadtmauernnun das Holz ab, das allerdings für Dachkon-struktionen weiterhin ohne Alternative war. Da-bei waren die beiden wichtigsten Verbindungsar-ten – die Verblattung und Verzapfung – gleich-zeitig in Gebrauch. Die verbreitetste Konstruktionfür Dachstühle in Augsburg war das Kehlbalken-dach (Nr. 27). Es wurden Schopfwalmdächer, vorallem aber Satteldächer sowie später auch „ge-brochene“ oder „französische“ Dächer, das heißtMansardendächer (Nr. 18) gebaut.

Ein absolutes Unikat entstand über dem Kirchen-schiff der evangelischen Heilig-Kreuz-Kirche(1653). Aufgrund des Grundrisses in Form einerunregelmäßigen Raute musste jeder einzelneBalken individuell bearbeitet werden. Es handeltsich zudem um ein frühes Beispiel für die Ver-wendung von Gewindeschrauben. 1404 verbotdie Kommune Stroh und Holzschindeln als Dach-

Vom Holz zum Beton –Eine kleine Augsburger Baufibel

2 Tag des offenen

Denkmals 2012

Page 5: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

deln die Steine lösten. Letztere wurden zwei Ta-ge unter leichtem, drei Tage unter starkem Feuergebrannt und mussten acht Tage im Ofen aus-kühlen. Die Produktionsstätten wurden regelmä-ßig kontrolliert, die Bauordnung musste denHandwerkern jährlich vorgelesen werden.

Ähnliche Regularien existierten auch für die seit1404 als Dachdeckung festgeschriebenen töner-nen Dachplatten, genannt „Blatten“ (=Biber-schwänze), „Haggen und Preiß“ (=Mönche undNonnen) oder „geschweiftes Dachzeug“ (=Pfan-nen). Im 18. Jahrhundert wurden die Gehsteigeebenfalls mit Tonplatten ausgelegt – sehr zumVorteil für das feine Schuhwerk der modewuss-ten Augsburgerinnen und Augsburger. Eine be-sondere Verwendung erfuhr Ton mit zunehmen-der Italien-Mode im 16. Jahrhundert alsTerrakotta, zum Beispiel in den Badstuben (Nr. 5).

Kies – in Hülle und Fülle

Ein wichtiger Werkstoff in Augsburg waren dieKiesel aus den Flussbetten des Lechs und derWertach. Zum einen wurden mit diesen Steinendie Straßen gepflastert, zum anderen dienten sieals Füllmaterial für Hauswände.

Naturstein – rares Importgut

Das Augsburger Umland ist dagegen arm an sonstigem Naturstein, man musste über dieLechflößerei Sandstein aus Lechbruck, Tuff ausdem Weilheimer Gebiet sowie über den Land-weg Solnhofer Platten aus dem Altmühltal im-portieren, was diese Werkstoffe sehr teuermachte. Deshalb kam Naturstein nur ganz gezieltzum Einsatz: Die haltbaren Solnhofer Plattenwurden hauptsächlich in Hallen und Gängen ver-legt, wie zum Beispiel in der Halle des heutigenMaximilianmuseums (Nr. 11). Auch die Epita-phien (Gedenksteine) in der Fuggerkapelle (Nr. 1)sind aus diesem Material. Sandstein – oft sehrfein behauen – verwendete man für Tür- undFenstergewände, für Gewölberippen oder auchfür ganze Erker (Nr. 11), das heißt meist an Stel-len, an denen eine starke Abnutzungsgefahr oderhohe Traglast herrschte.

Bei großen, repräsentativen Gebäuden wie demRathaus (Nr. 16) oder den Kirchen scheute manindes kaum einen Aufwand, um an Natursteinezu gelangen, die dem Rang der Bauaufgabe ent-sprachen. So kam der Adneter Marmor für denRathausbau (Nr. 16) aus Salzburg, für die Fug-gerkapelle (Nr. 1) wurde sogar angeblich antikerPorphyr vom Peloponnes herbeigeschafft.

3

deckung, doch zahlreiche spätere Verordnungenbelegen, dass beide Materialien auch weiterhinzum Einsatz kamen. Auch Decken, Treppen, Böden, Türen, Fensterund Klappläden, Emporen, Kanzeln und Altärewurden in der Regel aus Holz hergestellt – unddies bis ins 20. Jahrhundert hinein. Hier seiennur die Decke der evangelischen Heilig-Kreuz-Kirche (1653), die Holztreppen in den Wasser-türmen (Nr. 24), die Emporen und Kanzeln in derEvangelischen Ulrichskirche und in St. Anna (Nr.21 und Nr. 1) sowie die Schnitzaltäre in St. Ul-rich und Afra (Nr. 22) genannt. Bauschmuck und-plastik waren weiterhin oftmals „hölzern“, mandenke nur an die großen Figuren Georg Petels(1601/02–1634) oder Ehrgott Bernhard Bendls(1660–1738) in St. Moritz. Das Holz wurde inreichsstädtischer Zeit meist aus Tirol über dieLechflößer angeliefert.

Lehm und Ton –die steinerne Stadt

Hauswände entstanden in Augsburg also seitdem 15./16. Jahrhundert meist in Ziegelbauwei-se. Oft versuchte man, die kostbaren Ziegeldurch Verfüllungen mit Kies oder Kalkmörtel zusparen. Das Ziegelformat änderte sich dabei imLaufe der Zeit; zudem wurden, wie aus der Bau-ordnung von 1740 hervorgeht, für Gewölbe klei-nere Größen (29,2cm lang, 14,6 cm breit, 7,5cm dick) gewählt als für die „ordinari Maur-Stei-ne“ (36,4 x 18,2 x 7,5 cm) .Auch sonst war die Herstellung dieser Ziegel,die immer im Frühjahr erfolgte, streng regle-mentiert. Deshalb enthielt die Bauordnung eineeigene „Zieglerordnung“. Der in die Model ge-füllte Lehm wurde nach oben mit einem soge-nannten „Streich-Holz“ oder „-Bogen“ glatt ge-strichen. In eigens zu diesem Zweck gebautenHütten, die Schutz vor Sonne und Regen boten,aber ausreichende Belüftung aufwiesen, erfolg-te das Trocknen so lange, bis sich aus den Mo-

Tag des offenen

Denkmals 2012

Page 6: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Kalk, Gips, Mörtel – ein Stuck vom Himmel

Als Mörtel aber auch als Verputz verwendetendie Augsburger Kalk. Da dieser nicht im Umlandvorkommt, wurden Kalksteine der Ruinen ausder Römerzeit wie auch aus den Kiesbänken desLechs und der Wertach gesammelte Kalkkieselgebrannt. Mörtelkalk war wiederum ein Import-gut aus Tirol.

Später entstanden im nassen (Fresco) und tro-ckenen (Secco) Verputz auch Malereien an Fas-saden (zum Beispiel am Kathan-Haus, Kapuziner-gasse 6, um 1750) und in Innenräumen (zumBeispiel in der Goldschmiedekapelle bei St. An-na, Nr. 1). In der Regel wurde hierfür der beson-ders gut geeignete Dolomitkalk aus Südtirol ver-wendet. Fassadenmalerein waren ideal, umBotschaften an die Passanten und Besucher wei-terzugeben. Im 17. und 18. Jahrhundert entstan-den in Augsburg zudem riesige Deckenfresken,die scheinbar den Himmel in die Innenräumeholten. Die ganze Stadt wurde zum riesigen Dio-rama, doch bald schon spottete Johann JoachimWinckelmann über die „Augsburger Fratzenma-ler“.

Eine zweite örtliche Tradition war die Putzgliede-rung. Elias Holl hatte schon im 17. Jahrhunderterkannt, dass sich mit Putz plastische Fassadenund Innenraumdekore erzeugen ließen, wie sieAugsburg bis dahin noch kaum gesehen hatte.Seine Nachfolger Johann Andreas Schneidmann(1698–1759), Johann Martin Pentenrieder oderLeonhard Christian Mayr († 1810), gliedertenFassaden ebenfalls auf diese Weise. Im Innernerzeugten sie mit Mörtel darüber hinaus den Ein-druck von Marmor (Stuckmarmor). Per Dekretvom 5. Juli 1725 legte die Stadt fest, dass derTätigkeitsbereich der Maurermeister „alle Qua-dratur und glatte Arbeit (...), in summa alles, wasdie glatte und durch die Leer gezogene Architek-tur mit sich bringe und einen rechtschaffenenBaumeister zugehöret“ umfasste, „alle Stuccator-und frei Handarbeit (...) summa alle und jedeZierarbeit“ jedoch von Bildhauern gefertigt wer-den sollte. Letztere hatten reichlich zu tun. Stuckateure wie die Brüder Feichtmayr verwen-deten leicht formbare Mörtel aller Art, unter an-derem auch Gips, für den Schmuck an Fassadenund in Innenräumen. Die Dekorfülle kannte baldkeine Grenzen mehr, Augsburger Kupferstechermachten mit Ornamentvorlagen ein gutes Ge-schäft. Die Wirkung solcher stuckierten Räumekonnte, wie im Falle des Festsaales im Schaez-lerpalais (Nr. 18) durch die Virtuosität der Aus-führung geradezu überwältigend sein.

Glas – gefangenes Licht

Glas war bis in das 20. Jahrhundert hinein ein lu-xuriöser Werkstoff. Im Mittelalter und der frühenNeuzeit konnte man Glasplatten nur in begrenz-ter Größe herstellen. Beim Mondglasverfahren,das erstmals 1330 in Rouen nachgewiesen ist,wurde zunächst mit der Glaspfeife eine Kugel er-zeugt. Die Pfeife wurde sodann abgeschlagen,auf der anderen Seite der Kugel ein Metallstabmit einem Glastropfen befestigt. Die Kugel wur-de erneut erhitzt und schließlich so lange ge-schleudert, bis sich eine Tellerform von bis zu1,20 Meter Durchmesser ergab. Daraus wurdenkleine Platten geschnitten. Das Mittelstück be-hielt die Ansatzstelle des später abgeschlagenenMetallstabs, die Butze. Es kam für die danachbenannten Butzenscheiben zum Einsatz.

Große Kirchenfenster bestanden aus unregelmä-ßigen, bereits farbigen Einzelteilen, die wie einMosaik zusammengesetzt wurden (musivischeGlasmalerei). Zunächst waren überhaupt nur dieKirchen in der Lage, solch große Glasfenster inAuftrag zu geben. Augsburg besitzt hier mit denProphetenfenstern im Dom künstlerisch und zeit-lich exponierte Kunstwerke (um 1132). Ab dem17. Jahrhundert konnte durch ein WalzverfahrenGlas mit relativ gleichmäßiger Dicke hergestelltwerden. Im 19. Jahrhundert kam Glas durch dieimmer ausgefeiltere Herstellung – ab 1905 konn-ten große Gläser gezogen werden – schließlichauch sehr großflächig zum Einsatz. In Augsburgwar vor allem Jean Keller ein Spezialist für glä-serne Architektur. Dies war möglich durch dietechnische Weiterentwicklung anderer Werkstof-fe, die als Gerüst für die Glasplatten dienten: Ei-sen und Stahl.

Metalle: Kupfer und Bronze, Eisen und Stahl

Bis dahin war es allerdings ein weiter Weg. Zwarsind Metalle sehr alte Werkstoffe, doch auch hierwaren die technischen Möglichkeiten zunächstbegrenzt. So stellen die vielen Bauteile und Bild-werke aus Bronze, einer Legierung (Mischung)von Kupfer und Blei, sicherlich eine AugsburgerBesonderheit dar. War die Bronzetür (Nr. 4) amhiesigen Dom wahrscheinlich ein luxuriöses Im-port-Gut aus Verona, so zählte Augsburg um1600 zu den wichtigsten Zentren des technischhöchst aufwändigen Bronzegusses. WolfgangNeidhart (1575–1632) betrieb hier eine erfolgrei-che Werkstatt, aus der nicht nur die Bronzefigu-ren von Hubert Gerhard, Adriaen de Vries oderHans Reichle in Augsburg hervor gingen, son-dern – um nur ein Beispiel zu nennen – auch dieFigur des Neptunbrunnens (1612–15) in Danzigvon Abraham van den Blocke.

4 Tag des offenen

Denkmals 2012

Page 7: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Kupferdächer bestimmen heute noch die Augs-burger Zwiebelkuppeln. Anton Fugger, der euro-paweit zahlreiche Kupfer- und Silberminen be-trieb, hatte schon im 16. Jahrhundert seineAugsburger Zeitgenossen verblüfft, indem er seinen Palast am Weinmarkt (Nr. 5) ganz mitKupfer hatte decken lassen.

Beispiele für eiserne Bauteile in Augsburg sindzahlreich, hingewiesen sei nur auf zwei, auf dasGitter um die Grablege von Jakob Fugger III. inSt. Ulrich und Afra (Nr. 22) sowie auf das Ab-schlussgitter in Katholisch Heilig-Kreuz (Nr. 7). Eisen wurde bereits im ersten Jahrtausend vorChristus zu Stahl veredelt. Zur Revolutionierungbeider Werkstoffe kam es aber erst im 18. Jahr-hundert: 1735 begann der Brite Abraham DarbyEisen mit dem Kohleprodukt Koks zu schmelzen,1740 entwickelte Benjamin Huntsman Guss-stahl. Nun waren feuersichere und überaus stabi-le Gerüstkonstruktion im Industriebau möglich.Dies blieb natürlich auch in Augsburg nicht un-bemerkt. Vor allem die Textilfirmen des 19. Jahr-hunderts, die Kammgarspinnerei und die Mecha-nische Baumwollspinnerei und -weberei nutztenEisen und Stahl, später auch in Verbindung mitBeton. Durch die neuen, industriell hergestelltenWerkstoffe wurde das Bauwesen ubiquitär, dasheißt die Bindung an regionale Materialienschwand, überall in Europa konnten ähnlich kon-struierte und gestaltete Bauten entstehen, dieStädte verloren partiell ihr regional gebundenesAussehen.

Zement und Beton – auf dem Weg zum

skulpturalen Bauen

Obwohl bereits die Römer „opus cementitium“(gemahlene Bruchsteine mit Kalk) für Kuppelwöl-bungen wie die des Pantheons in Rom (118–125)zum Einsatz brachten, setzte der Siegeszug die-ses Werkstoffes als Bindemittel für Beton (Ze-ment, Gestein und Wasser) erst im 18. und 19.Jahrhundert ein. Das Wort Beton erscheint imDeutschen erstmals in der Übersetzung von Ber-nard de Bélidors Schlüsselwerk „Architecturehydraulique“ (Band 2, Paris 1753) mit dem Titel„Architectura hydraulica“ (Band 2, Augsburg1769). Im Verbund mit Eisen und Stahl konntenriesige Räume ohne Stützen überspannt werden,die Außenwände verloren ihre tragende Funktion,die auf ein Inneres Gerüst überging. Dadurchwar es möglich, ganze Glaswände (Curtain Wall)vor zu blenden. Zudem wurde Beton nach demZweiten Weltkrieg skulptural gegossen, blieb of-fen und unverputzt (béton brut) – wie an derAugsburger Kongresshalle (Nr. 9) zu sehen. DerBeton wurde hier nicht nur mit Glas, sondern mitHolz kombiniert, was den Kreis dieses Über-blicks über die Baustoffe schließt.

Die vorindustrielle Architektur nicht nur Augs-burgs fügt sich in die Landschaft, weil sie mitWerkstoffen aus dieser Landschaft gebaut wur-de. Industriell hergestellte Materialien dagegenkönnen weltweit überall eingesetzt werden undhaben diesen Ortsbezug nicht. Es ist bezeich-nend, dass am Ende des 19. Jahrhunderts, alssich die Industrialisierung bereits unübersehbarund unumkehrbar auszuwirken begann, Material,Bearbeitung und Alterung von Denkmälern alsWert an sich entdeckt wurden. Wir erhalten überdie genannten Kennzeichen ebenso gut wie überschriftliche Quellen Einblick in die Gepflogenhei-ten des Bauwesens zu unterschiedlichen Zeiten.Man muss hier nur an die Dendrochronologie,das heißt die Analyse der Jahresringe im Holzzur Datierung denken. Die Konservierung des Erhaltenen, wie von Georg Dehio gefordert, be-stimmt bis heute unsere Vorstellung einer wis-senschaftlich fundierten Denkmalpflege. Daneben ist jedes Denkmal auch emotional be-setzt; Alois Riegl etwa propagierte die „Aura“des materiell gealterten Bauwerks. Zu diesem„Alterswert“ zählt auch der nie zu vermeidende„Stoffwechsel“, durch den sich das Schicksal eines Bauwerks in sein Antlitz einschreibt. Re-konstruktionen können die künstlerische Idee eines verlorenen Bauwerks transportieren undstädtebaulich sinnvoll sein. Aber sie sind zu-nächst eben, was ihre Materialien und deren Bearbeitung betrifft, keine Zeugnisse der Vergan-genheit, sondern ihrer Entstehungszeit. Sie wer-den Altersspuren bekommen, aber nie die glei-chen, wie ihre zerstörten Vorgänger, weil sie eineandere Geschichte haben werden.

Die gealterten Denkmäler stehen auch heutevielfach kommerziellen Interessen im Weg. Dasgilt – Stichwort Gignoux-Haus – gerade auch fürAugsburg. So ist John Ruskins Appell in die„Sieben Leuchter der Baukunst“ (1904) immernoch aktuell: „Kümmert Euch um Eure Denkmä-ler und Ihr werdet nicht nötig haben, sie wieder-herzustellen (...) Bewacht ein altes Bauwerk mitängstlicher Sorgfalt; (...) zählt seine Steine wie dieEdelsteine einer Krone; stellt Wachen ringsherumauf, wie an den Toren einer belagerten Stadt; (...)Tut dies alles zärtlich und ehrfurchtsvoll und un-ermüdlich, und noch manches Geschlecht wirdunter seinem Schatten erstehen, leben und wie-der vergehen. Sein letzter Tag muss einmal kom-men, aber laßt ihn offen und unzweifelhaft sein,und laßt keine Entwürdigung und falsche Herstel-lung ihm noch der letzten Totenehren berauben,die Erinnerung ihm erweist.“

5Tag des offenen

Denkmals 2012

Page 8: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

6 Tag des offenen

Denkmals 2012

Geschichte

Im Jahr 1321 ließen die Karmeliter Kirche undKloster errichten. Die Gebäude wurden 1460durch einen Brand stark beschädigt, der Chor,die Sakristei und die 1420–25 angebaute Gold-schmiedekapelle blieben erhalten. Der Wieder-aufbau des Klosters zog sich bis 1464 hin, be-reits 1487–97 wurde die Anlage abermalsumgebaut und erweitert. Um 1506–08 bauteman die Heilig-Grab-Kapelle mithilfe einer Stif-tung von Jörg Regel und Barbara Lauginger,1509–12 folgte die 1518 geweihte Grabkapellevon Georg, Ulrich und Jakob Fugger. Der zierli-che Turm St. Annas ist ein Werk des Elias Holl(1573–1646) aus dem Jahr 1602, wobei die Ent-würfe von Joseph Heintz dem Älteren (1564–1609) stammen könnten. Das gotische Lang-haus wurde schließlich zwischen 1747 und 1749durch Johann Andreas Schneidmann (1698–1759) dem Geschmack des Rokoko angepasst.1944/45 wurden Teile der Kirche schwer beschä-digt, das Zerstörte wurde im Anschluss rekon-struierend ergänzt. Die jüngste Restaurierungvon Langhaus und Fuggerkapelle war 2011 ab-geschlossen.

Architektur

Der vielfach umgestaltete Baukomplex bildetvom Martin-Luther-Platz aus eine unregelmäßi-ge, malerische Baugruppe. Nach den anderenSeiten ist die dreischiffige, basilikal aufgebauteKirche umbaut.

Der Besucher betritt die Anlage durch den süd-lich angefügten Kreuzgang von 1446. Seine vierFlügel sind von Kreuzrippengewölben über-spannt, zahlreiche Epitaphien (Gedenksteine)und Grabdenkmäler Augsburger Familien – unteranderem der von Rad, Zobel oder Welser – auseinem Zeitraum vom 15. bis ins 18. Jahrhundertbestimmen den Raumeindruck, der bei einer Re-novierung 1961 allerdings stark verändert wur-de. Paul von Stetten hob 1788 unter den Bild-werken insbesondere die Darstellung desheiligen Martins „von vortrefflichem Pinsel einesUnbekannten“ hervor. Dieses Kupferbild imNordflügel neben der Tür in den Chor gilt heuteals Arbeit von Joseph Heintz dem Älteren. Vom Ostflügel aus gelangt man zur 1983 als Ge-denkstätte erschlossenen Lutherstiege mit Räu-men aus dem 15. Jahrhundert.

Auch im Innern ist die lange Geschichte des Got-teshauses anhand baulicher Unregelmäßigkeitenund stilistischer Vielfalt sofort ersichtlich. Wäh-rend das Langhaus ganz von der Barockisierunggeprägt ist, erscheint der davon durch einen Lett-nerbogen (1682, ursprünglich gotisch) getrennteChor mit seinem Kreuzrippengewölbe noch go-tisch. Schließlich zeigt sich die Fuggerkapelle,obwohl nur als Fragment erhalten, als das „frü-heste und vollkommenste Denkmal der Renais-sance auf deutschem Boden“ (Bruno Bushart).

Ausstattung des Laghauses:

Pilaster aus Stuckmarmor und Gebälkzone glie-dern im Langhaus die Wände, die zudem voneiner graziösen Stuckierung Johann Michaelsdes Jüngeren (1709–72) und Franz Xavers des Älteren Feichtmayr (1705–64) überzogen sind.Das Gewölbe ist durch den Wechsel zwischenRocaille-Dekor und Fresken von Johann GeorgBergmüller (1688–1762) in den Deckenspiegelnrhythmisiert. Ikonografisch kreisen die Freskenum Christus als Prophet (Bergpredigt), als Pries-ter (Kreuzigung) und König (Jüngstes Gericht).Das Langhaus ist ganz auf das Zentrum der pro-testantischen Liturgie, die Eichenholz-Kanzel(1682/83) von Heinrich Eichler (1637–1719), aus-gerichtet. Sie ist streng architektonisch geglie-dert, auf dem Schalldeckel mit seinen schwerenVoluten steht ein Posaunenengel. Gegenüberliegt die große Holzempore mit zwölf Brüstungs-bildern von Johann Spillenberger (1628–79) undIsaak Fisches dem Älteren (1638–1706). Thema-tisch kreisen sie um die Passion Christi. Danebenweist das Langhaus einen großen Bestand an Ta-felbildern vor allem in Augsburg tätiger Malerdes 16. und 17. Jahrhunderts auf, darunter ander Ostwand des nördlichen Seitenschiffes eine Himmelfahrt des Elias (1607) von JosephHeintz dem Älteren.

Ausstattung des Chores:

Im Chor steht ein geschnitzter neugotischer Altaraufbau aus der Werkstatt des LeonhardVogt. Er ist dem segnenden Christus im Zentrumsowie der Taufe und der Trauung gewidmet. Eingefügt in die Predella ist ein Tafelbild (um1531/40) von Lucas Cranach dem Älteren (1475–1553), das Christus als Kinderfreund zeigt. Eben-falls von Cranach oder aus seiner Werkstattstammen die hinter dem Altar hängenden Por-

St. AnnaIm Annahof 2

1

Page 9: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

träts Martin Luthers (1529) und Kurfürst JohannFriedrichs von Sachsen, sowie eine Tafel mit Ma-ria, dem Christuskind und dem Johannesknaben.An der Südwand sind die von Christoph Amber-ger (1505–61) in einer theatralischen Lichtstim-mung fest gehaltenen klugen und törichtenJungfrauen (1560) sowie eine durch die harteModulierung von Körpern und Wolken bizarreDarstellung Christi in der Vorhölle (um 1525) vonJörg Breu dem Älteren (1475/80–1537) zu sehen.

Goldschmiedekapelle:

1429 wurde die von Konrad und Afra Hirn gestif-tete, einschiffige Kapelle den Goldschmieden alsZunftkapelle überlassen. 1485 baute man zweiJoche in Richtung Westen und den Chor samtGlockenturm nach Osten an. Der architektonischeinfache Raum wird von einem Kreuzrippenge-wölbe überfangen. Außergewöhnlich ist die inunterschiedlich alten (1420–25, um 1485 undum 1620) Schichten überlieferte, 1890 und1957/60 freigelegte Farbfassung die fast die gesamten Wände überzieht. Neben Architektur-motiven in parallelperspektivischer Darstellungumfasst das Bildprogramm geschickt in dieSpitzbogen eingepasste Szenen aus der PassionChristi, den Zug der Heiligen Drei Könige, sowieReste eines Drachenkampfes des HeiligenGeorgs und eines Jüngsten Gerichts. Die Male-reien sind a secco ausgeführt.

Heilig-Grab-Kapelle:

Der rechteckige Raum ist bestimmt von einerNachbildung des Grabes Christi in Jerusalemvom Beginn des 16. Jahrhunderts, die 1598 vonElias Holl erneuert worden sein soll.

Fuggerkapelle:

Bekanntester Teil des Baukomplexes ist dieGrabkapelle der Familie Fugger. Der quadrati-sche Raum mit prachtvollem Marmor-Fußbodenöffnet sich durch drei große Bögen zum Lang-haus sowie zu zwei Abseiten und ist von einemKleeblattgewölbe überspannt. Dreiteilige Rund-bogenfenster sowie ein Rundfenster durchbre-chen die oberen Wandzonen. Der untere Bereichist mit feinen Profilierungen versehen und mitMarmor verkleidet. In die leicht geknickte Rück-wand eingelassen sind vier rundbogige, fein ge-arbeitete Gedenktafeln für Georg, Ulrich und Jakob Fugger, Vergänglichkeitsallegorien, denKampf Simsons gegen die Philister und die Auf-erstehung Christi zeigend. Die beiden letztenDarstellungen gehen auf Arbeiten Albrecht Dürers (1471–1528) zurück. Die Epitaphienwandschließt mit einer schmalen Orgeltribüne ab. Darüber baut sich das, nach Kriegszerstörung

1944 rekonstruierte, ursprünglich 1512 von Johann von Dobrau gestaltete Orgelgehäuse auf.Jörg Breu der Ältere bemalte die großen Orgel-flügel mit den Himmelfahrten Christi und Marias,die kleinen mit einer Geschichte der Musik.

Zum Hauptschiff schließt die Fuggerkapelle miteiner Balustrade ab, auf der sich vier Putten teil-weise völlig ungeniert an Kugeln lehnen. Aufdem Altar stehen vier Figuren – Maria, Johannessowie eine Engel, der den Leichnam Christi prä-sentiert. Ein sanft geschwungenes Tuch verbin-det sie zu einer Einheit. Die Predella ist von Dar-stellungen der Kreuztragung und –abnahme,sowie Christi in der Vorhölle besetzt.

Bis heute ist unklar, wer der Architekt der Fug-gerkapelle war. Der Entwurf der Gesamtanlagewird mit Albrecht Dürer in Verbindung gebracht,als ausführende Baumeister werden BurkhardEngelberg (1447–1512) oder Hans Hieber (um1470–1522) gehandelt, während für die Realisie-rung der Bildhauerarbeiten Adolf (um 1460–um1524) und Hans Daucher (1486–1538) in Fragekommen. Vielleicht waren auch Hans Burgkmairder Ältere und Jörg Breu der Ältere an Konzepti-on und Ausführung der äußerst anspruchsvollen Architektur beteiligt. Ein bei Peter Vischer demÄlteren (1455–1529) aus Nürnberg in Auftrag gegebenes Abschlussgitter (1512) wurde nie inder Kapelle aufgestellt, das hölzerne ChorgestühlAdolf Dauchers 1817 und 1832 bis auf Fragmen-te zerstört. Der heutige Zustand der Kapelle gibtdaher nur noch teilweise Aufschluss über das„Gesamtkunstwerk“.

7Tag des offenen

Denkmals 2012

St. Anna, Fuggerkapelle, Zeichnung 2012

Rippe

Balustrade

Epitaph

Page 10: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Die Geschichte der Kapelle und des angrenzen-den Pfründegebäudes beginnt mit einem Gelüb-de des Augsburger Bürgermeisters Lorenz Egen(von Argon), der 1410 auf dem Weg zur Morgen-messe am Butzenbergle den Leichnam eineswegen Krankheit von seinem Dienstherren ent-lassenen Fuhrknechts vorfand. Noch währendder Messe beschloss Egen, eine Pfründe für Ar-me ins Leben zu rufen. Dort fanden schließlichbis zu zwölf gebrechliche Handwerker Zuflucht.Nach der Säkularisierung gelangten die Stif-tungsgebäude an die Stadt, die darin ein Alten-heim betrieb. Seit 1965 wird das Pfründehausvon Künstlern genutzt. Die Kapelle dient der ru-mänisch orthodoxen Gemeinde.

Architektur:

Nur der kleine Turm auf dem Giebel und dasKleeblattfenster verraten, dass es sich bei demunscheinbaren Bauwerk an der Einmündung destunnelartig-düsteren Butzenbergles um eine Ka-pelle über unregelmäßig rechteckigem Grundrisshandelt. Sie ist Antonius Eremita (oder Abbas),dem Patron der Armen, geweiht.

Innenausstattung:

Das Innere überrascht durch seine Helligkeit.Zum 300-jährigen Jubiläum der Stiftung finan-zierte der Stadtpfleger Johannes Holzapfel eineneue Innenausstattung. Seitdem überziehen gra-ziöse Stuck-Rocaillen und Putten (1746) vonFranz Xaver Feichtmayr dem Älteren (1705–64)die leicht unregelmäßigen Wände mit ihren Pilastern, Kartuschenkapitellen und Pseudo-Stichkappen. Die Stuckierung überspielt harteKanten und leitet zu den sehr zart-farbigen De-ckenfresken (1746) von Matthäus Günther(1705–88) über. Oberhalb der kleinen Orgelem-pore ist der Besuch des Antonius Eremita beiPaulus Eremita geschildert. Ein von Gott gesand-ter Rabe, der auch im Fresko sichtbar ist, brach-te den beiden einen Laib Brot. Das Hauptfreskozeigt die Apotheose des Antonius. Der Heiligewendet seinen Blick der hell erleuchteten Drei-faltigkeit entgegen. Von seinem Herz aus trifftein Strahl auf die im Fresko wiedergegebenekleine Antoniuskapelle. Der Eremit ist umgeben von Glaube (mit Kreuz),Liebe (mit entflammtem Herz) und Hoffnung

(mit Anker), Tugenden, durch die er die sündhaf-ten Versuchungen des Satans, der seitlich vonMichael in die Hölle gestürzt wird, überwindenkonnte. Für den Chorbereich wählte Günther dieVerehrung des Apokalyptischen Lammes durchdie Kirche und die trauernde Synagoge. Um dashell strahlende Lamm scharen sich die vier We-sen (Engel, Stier, Adler, Löwe) (Apk 1, 12-16, 4und 5), die stellvertretend für die Evangelistenstehen. Die Malerei geht mit schwebenden En-geln direkt in das Auge Gottes und das ent-flammte Herz des Altarretabels mit seinen vierSäulen über. Seitlich führen Türen in die Sakristeiund die Spitalräume. Auch das Altarblatt (1746)ist eine Arbeit Matthäus Günthers. Nochmals istAntonius ins Bild gesetzt, bedrängt von den Ver-suchungen der „Frau Welt“ mit Weltkugel undMaske, des Amorknaben und eines Drachens.Zum Zeichen, dass Antonius diese Laster über-winden konnte, wendet er seinen Blick einemKreuz zu, Bibel, Schädel, Geisel und Glocke beisich.

Eine der Konsolfiguren an der linken Wand zeigtden Heiligen in einer volkstümlichen Darstel-lungsweise mit Schwein und Glocke: DasSchwein deutet auf das Privileg des für Armeund Kranke engagierten Antoniterordens zurSchweinezucht, das Glöckchen warnt die Gesun-den vor der Pest. Die vierzehn Kreuzwegstationen malte 1783 Vitus Felix Rigl (1717–79). Im Boden ist ein Wap-pengrabstein des Bürgermeisters und Stifters Lorenz von Argon aus dem 15. Jh. eingelassen.

8 Tag des offenen

Denkmals 2012

St. AntoniusDominikanergasse 5

2

St. Antonius, Blick zum Hochaltar

Page 11: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Das Architekturmuseum Schwaben wurde 1995im ehemaligen Wohnhaus des Architekten Sebastian Buchegger (1870–1929) von 1907 ein-gerichtet.

Architektur:

Das mehrfach unter anderem 1918, 1946 und1948-51 umgebaute beziehungsweise reno-vierte, zweistöckige Wohngebäude mit Walm-dach liegt in Hanglage, sodass sich das Kel-lergeschoss zum großen, ehemaligen Nutzgar-ten öffnet.

Ein repräsentativer Eingangsbereich führt in dasholzvertäfelte Geschäftszimmer. Dort empfingBuchegger Mieter und Käufer von Häusern undWohnungen in seiner ab 1907 errichteten Gar-

tenvorstadt (heute Thelottviertel). Die Privat-räume waren mit dem Geschäftszimmer verbun-den, zudem aber über einen weiteren seitlichenEingang erreichbar.

Im Erdgeschoss befinden sich eine Küche mitSpeisekammer und mehrere Wohnräume. Einzentrales Treppenhaus mit zwei angegliedertenToiletten führt ins Obergeschoss mit weiterenWohnräumen und Badezimmer sowie in denSpeicher. Die Architektur des Buchegger-Hauseserhält durch asymmetrische Anbauten, Fenstermit Klappläden, Rauputz und Rankgitter einen„ländlichen“ Anstrich – ganz im Sinne einer aufdas gesunde Leben in Licht Luft und Sonne aus-gerichteten Wohnrefom.

Museum:

Das Architekturmuseum Schwaben ist eineZweigstelle des Architekturmuseums der TU-München und wird von der Arno-Buchegger-Stiftung finanziert. Zum einen wird über Sonder-ausstellungen schwäbische und überregionaleArchitektur vermittelt, zum anderen Nachlässeprägender Augsburger Architekten (zum BeispielThomas Wechs, Wilhelm Wichtendahl, WaltherSchmidt, Raimund von Doblhoff, Karl AlbertGollwitzer) und am Bau tätiger Künstler (zumBeispiel Hans Härtel, Hanns Weidner) archiviertund wissenschaftlich aufgearbeitet. Neben denPlansätzen verfügt das Museum über eine Fach-bibliothek, basierend auf den Beständen der ehe-maligen Bauamtsbibliothek, sowie über eineSammlung Augsburger Druckgrafik (16.–18.Jahrhundert) und Fotografie. Seit 1999 wird der ehemalige Nutzgarten mitBildwerken zeitgenössischer Künstler ausstaffiert(unter anderem Arbeiten von Willi Weiner, Ter-ence Carr, Ingeborg Prein, Christoph Bechteler,Sándor Kecskeméti, Norbert Zagel, Katja vonLübtow, Erika Berckhemer und Tobias Freude).

9Tag des offenen

Denkmals 2012

Architekturmuseum SchwabenThelottstraße 11

3

Architekturmuseum,Ansicht vom Garten

Page 12: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Bereits unter dem Augsburger Bischof Pankra-tius von Dinkel wurde im ehemaligen Sitzungs-saal des Domkapitels, der sich im ersten Stockder Kreuzgangumbauung befand, ein Museumeingerichtet. Von 1910 bis 1990 befanden sichdie Exponate dann im städtischen Maximilian-museum. Sie wurden sukzessive an die Diözesezurückgegeben, als Planungen für ein Diözesan-museum konkret wurden. Im Jahr 2000 fandnach langwieriger Baugeschichte, die Einwei-hung statt.

10 Tag des offenen

Denkmals 2012

Diözesanmuseum St. AfraKornhausgasse 3–5

4

Bronzetüre des Doms, Zustand vor der Überführung ins Museum

Der gute Schächer, Georg Petel zugeschrieben,2012

Architektur:

In das Museum sind zwei bedeutende Räumeeinbezogen, die im Umfeld des dreiflügeligenDomkreuzganges (1470–1510 durch Hans vonHildesheim und Burkhart Engelberg) liegen, derKapitelsaal (12. Jahrhundert) sowie die Ulrichs-kapelle (1484). Zudem wurde ein ehemaliger Bibliotheksraum aus den 1950er Jahren umge-nutzt. An diese ältere Architektur fügte das Ar-chitekturbüro Schrammel einen Kubus mit gro-ßer Glasfront zum Hohen Weg.

Sammlung:

Die Museumskonzeption nimmt auf die Architek-tur Bezug. Ein archäologisches Fenster in der Ulrichskapelle gibt den Blick frei auf die darunterliegenden Fragmente des karolingischen Domsund der Domklosteranlage, im Kapitalsaal sindReliquiare zu sehen. Es gibt zahlreiche Exponate, die aus Kirchen derDiözese stammen: Genannt seien hier die Bron-zetür des Augsburger Doms (erste Hälfte oderMitte des 11. Jahrhunderts), die aus Eichenholzgeschnitzten Chorgestühlwangen aus dem Augs-burger Dom (1430/40), die Skulptur der heiligenFelizitas (um 1490), der Siebenschläferaltar (1564)und das Weiß-Fackler-Diptychon (um 1520) vonLeonhard Beck (um 1480–1542). Die Holzskulp-tur des guten Schächters Dismas, vielleicht vonGeorg Petel (1601/02–1634), war ursprünglich inSt. Michael auf dem Hermannfriedhof aufge-stellt.

Page 13: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Nachdem Jakob Fugger der Reiche 1511 dasWohnhaus seiner Schwiegermutter erworbenhatte, ließ er es 1512–15 gemeinsam mit demNachbargebäude umbauen. Der Architekt dieses„Ursprungsbaus“ ist nicht gesichert, Hans Hie-ber (um 1470–1522) oder Jakob Zwitzel kämenin Frage. Im Jahr 1523 folgte die Eingliederungdes südlichen Nachbarhauses in den Baukom-plex; 1531/32 kaufte Anton Fugger schließlicheinige Anwesen am Zeugplatz hinzu, die jedocherst auf Betreiben seiner Söhne Marx und HansFugger 1560/63 vereinheitlicht und nochmals1568 durch Hans Fugger ausgebaut wurden.Nach den schweren Beschädigungen im ZweitenWeltkrieg wurde der Palast durch Raimund vonDoblhoff (1914–1993) 1945–55 als Wohn-/Ge-schäftshaus wiederaufgebaut, wobei die histori-schen Restbestände in ein Betonskelett einbezo-gen wurden. Von den wertvoll ausgestatteten„italienischen Wohnräumen“, die Antonio deBeatis, Sekretär des Kardinals Luigi von Aragon,1517 bewunderte, wie auch von den Kunst-sammlungen der Fugger, die der Humanist Bea-tus Rhenanus 1530 rühmte, blieb indes kaum et-was erhalten.

Architektur:

Bereits die 68 m lange Front zur Maximilian-straße verrät einiges über die komplizierte Bau-geschichte, denn die zusammengefassten Bür-gerhäuser sind noch anhand wechselnder Stock-werkshöhen in der Fassade sichtbar. Symmetrie,Regulierung und Architekturgliederung wurdenin Augsburg erst mit Elias Holl üblich. Dennochzeigte sich der Fuggerpalast zum Weinmarktdurchaus respektgebietend: Die Wände warenim 16. Jahrhundert mit einer freskierten Schein-architektur von Jörg Breu dem Älteren (1475/80–1537) geschmückt. Ziertürmchen saßen als Ak-zente auf der Traufe. Unter Anton Fugger wurdedas steile Dach mit Kupfer gedeckt, sicherlichzur Verblüffung seiner Augsburger Zeitgenossen.Im 19. Jahrhundert versuchten die Fugger eineWiederbelebung der Freskentradition: Von 1860–63 fasste Ferdinand Wagner (1819–81)die inzwischen veränderte Front mit Szenen ausder Geschichte Augsburgs und der Fugger. Wag-ners Bildzyklus ging im Zweiten Weltkrieg unter,in den 1950er Jahren erhielt der ehemaligeStadtpalast seine gefelderte Putzgliederung.

Hinter dem Trakt an der Maximilianstraße ver-birgt sich eine komplizierte Gebäudestruktur ausHöfen und Verbindungsflügeln. Im südlichen Teil(Maximilianstraße 38) ist auch heute noch dieFürst-Fugger-Privatbank mit kreuzgratgewölbterEingangshalle beheimatet. Dahinter liegt dernicht zugängliche „Große Hof“ mit Erdgeschoss-arkaden auf toskanischen Säulen und Fresken-resten, die von Jörg Breu dem Älteren oder sei-nem Sohn gefertigt wurden. Dagegen ist durch das nördliche (rechte) Portalder Mittelhof erreichbar, ein schlichter Wirt-schaftshof mit Arkaden und Konsolen in Formvon Widderköpfen. Die umliegenden Wohnräu-me Jakob Fuggers wurden 1518 zum histori-schen Schicksalsort, als Kardinal Cajetan MartinLuther zum Widerruf seiner 95 Thesen bewegensollte.

11Tag des offenen

Denkmals 2012

FuggerhäuserMaximilianstraße 36/38, Zeugplatz 7

5

Fuggerhäuser, Ansicht des Musensaals, 1886

Page 14: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Damenhof:

Höhepunkt der gesamten Anlage ist sicherlichder 1515 entstandene Damenhof, ein gebauter„hortus conclusus“ (geschlossener Garten), inden man über eine Seitentür des Mittelhofes ge-langt. Das anmutige Höfchen ist von offenen Ar-kaden eingefasst, die flankierenden Wohntrakteöffnen sich mit Altanen. Noch heute bestechendie feinen Details wie die Tonrippen der Bögenaus Terrakotta, die Rundscheiben oder die Ba-luster. Zu Lebzeiten Jakob Fuggers waren dieAußenwände vollständig mit Fresken, besetzt,von der als trompe l`oeil (Augentäuschung) aus-geführten Scheinarchitektur blieben nur Restbe-stände in den Bogenlaibungen. Im Norden desDamenhofes liegt der sogenannte „Schreibstu-benbau“, nicht zu verwechseln mit der berühm-ten „Goldenen Schreibstube“ die sich im Fug-gerhaus am Rindermarkt (Philippine-Welser-Straße) befand.

Über den Mittelhof ist auch der große Serena-denhof erreichbar. Nur mit einem kleinen Erkergibt sich das „kaiserliche Palatium“ im Ostendes Hofes zu erkennen. Es wurde von AntonFugger für den Kaiser üppigst ausgestattet. Tat-sächlich wohnte Karl V. während der Reichstage1547/48 und 1550/51 in „seinem“ Palast undließ sich selbst und seinen Sohn Philipp von Tizi-an (1487–1576) porträtieren. Die Gemälde befin-den sich heute in der Münchner Pinakothek undim Museo del Prado in Madrid.

Badstuben:

Als südliche Begrenzung des Serenadenhofesfungiert das Marstallgebäude, zum Zeugplatzschließlich liegt das ehemalige Wohnhaus HansFuggers mit zwei erhaltenen Kabinetträumen,den so genanten „Badstuben“. Sammlungenvon Malerei, Kunsthandwerk, Antiken oder Natu-ralia waren in Augsburg bereits seit dem 16.Jahrhundert en vogue, ließ sich hierdurch dochtrefflichst mit den Fürsten wetteifern – solcheKabinetträume waren zum Beispiel 1535–43 inder Landshuter Stadtresidenz entstanden.

Auch Hans Fugger leistete sich 1569–73 in sei-nem Gebäudeflügel am Zeugplatz zwei Samm-lungskabinette, die aufs Kunstvollste von Fried-rich Sustris (1540–99), Antonio Ponzano († 1602),Alessandro Scalzi († 1596) und Carlo Pallagio(1538–98) ausgestaltet wurden. Um mehr Raum-höhe zu gewinnen, wurden die repräsentativenRäume unter das Bodenniveau der offenen Halleam Serenadenhof gelegt, was vermutlich zur irri-gen Bezeichnung „Badstuben“ führte.

Die Gewölbezwickel des nach Beschädigung1944/45 nur fragmentarisch erhaltenen größerenSaales waren a secco mit den neun Musen be-malt. Wie im Palazzo del Té in Mantua ist Fug-gers Musensaal mit einem Zodiakussal (Zodiakus= Tierkreis) verknüpft. Dieser kleinere Raum istnicht nur kompletter erhalten, sondern für sichgenommen ein virtuoses Kabinettstück: Um dasDeckenbild der kühn untersichtig gezeigten„Abundantia“ (= Überfluss) kreisen Frühling (mitBlumen), Sommer (mit Ähren), Herbst (mit Wein-laub) und Winter (sich am Feuer wärmend) sowieDarstellungen der Tierkreiszeichen in den Kartu-schen der Stichkappen. Die Wände öffnen sichscheinbar zu Landschaftsausblicken. Faune, Put-ten, Blumen, Girlanden und (Fugger-) Lilien ausTerrakotta sowie eine delikat ausgeführte, warmleuchtende Groteskenmalerei komplettieren die-se Zurschaustellung von Luxus. Die hier sichtba-re Groteskenmode setzte ein, nachdem 1506 inRom die Prunkräume des Neropalastes entdecktworden waren. Da sie unterirdisch lagen, wurdensie für Grotten gehalten, ihre Malerei deshalb alsgrotesk bezeichnet. Just zur Entstehungszeit der„Badstuben“ wurde im Jahr 1571 auch in Augs-burg bei St. Stephan ein Mosaik mit Groteskengefunden, ein Vorfall, der sicherlich die Antiken-Begeisterung einer gebildeten Schicht befeuerte. Weil es sich bei den Badstuben um im Nordenrelativ frühe, erhaltene Beispiele von Kabinettenhandelt, zudem mit einer für Deutschland zu die-ser Zeit immer noch ungewöhnlichen Ausstat-tung mit Grotesken und untersichtigen Fresken –wurde die kunsthistorische Bedeutung immerwieder betont. Dasselbe Künstlerteam staffierteauch das Antiquarium (vollendet um 1600) in derMünchner Residenz aus, was den stilbildenden-den Charakter der Badstuben noch unterstreicht.

12 Tag des offenen

Denkmals 2012

Fuggerhäuser, Ansicht des Zodiakus-Saales, um 1890

Page 15: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

13Tag des offenen

Denkmals 2012

Geschichte:

Als letzter Bau Elias Holls (1573–1646) wurdedas Heilig-Geist-Spital 1625–1631 errichtet (ab-geschlossen durch Jörg Höbel), wobei die Pla-nungen bis 1623 zurückreichen. Holl überbauteaus hygienischen Gründen den Brunnenbach.1808 wurde das Gebäude säkularisiert, aber vonder paritätischen Hospital-Stiftung weiterhin alsSpital genutzt. Seit 1948 beherbergt die Anlagezudem die „Augsburger Puppenkiste“. 1998–2001 erfolgte eine umfangreiche Sanierungdurch das Architekturbüro Schrammel. Im Ge-bäude liegen neben dem Puppenthater auch dasPuppenmuseum „Die Kiste“, Seniorenwohnun-gen, Ateliers sowie eine Tagespflege.

Architektur:

Es handelt sich um eine unregelmäßige Vierflü-gelanlage mit Innenhof. Die Außenfassaden wei-sen kaum Architekturgliederung auf. Besondersmonumental ist die 80 Meter lange Fassade desHauptbaus zur Spitalgasse mit ihren strengenFensterachsen und dem von Pilastern, Quadernund Gebälk gerahmten, rundbogigen Hauptpor-tal. Darüber liegt die von Voluten flankierte Tafelmit der Bauinschrift in Antiqua. Die strenge Sym-metrie dieser Front wird nur durch den südlichenAufzuggiebel durchbrochen. Durch das nordseitige Portal, das von einem aufKonsolen lagerndem Gesims betont ist, gelangtman in den unregelmäßigen Innenhof, in den derTreppenhaustrakt des Hauptbaus hineinragt. DieHoffassaden sind kräftig gegliedert mit Blendbö-gen und Pilastern. Auf der West- und Ostseiteliegen im Erdgeschoss offene Pfeilerarkaden.

Durchgänge führen zum Stadtwall beziehungs-weise zum Werkhof des Brunnenmeisters.

Im Erdgeschoss des Westflügels blieb die große,dreischiffige Halle mit einem Kreuzgratgewölbeauf mächtigen Pfeilen mit Stufenkapitellen erhal-ten. Hier waren die kranken Frauen unterge-bracht, während die Obergeschosse den pflege-bedürftigen Männern als Unterkunft dienten. DieHalle ist heute in Marionettenbühne und Foyerunterteilt.

Spitalkapelle:

Die südlichen zwei, durch eine Mauer abge-trennten Joche der Halle wurden bereits zur Er-bauungszeit als Kapelle (ab 1648 protestantisch)eingerichtet – einzige äußerliche Indizien dafürsind der zierliche Dachreiter sowie ein kleiner Sakristeianbau („Prediger-Stüblein“) im Süden.Der Innenraum ist geprägt von der mit gedrehtenSäulen einfach gegliederten Empore (um 1700),dem dunklen Gestühl, dem Altar mit Inschrift-platte sowie der Kanzel (Anfang 18. Jahrhundert)mit Heilig-Geist-Taube und Evangelistensymbo-len (der Stier steht für Lukas, der Adler für Johannes, der Löwe für Markus und der Engelfür Matthäus). Von der Decke ist zudem einschwebender Engel abgehängt. Einige Tafelbil-der, die Verkündigung, die Anbetung der Hirten,die Auferstehung und Pfingsten zeigend, erin-nern durch ihre dunkle Farbigkeit und Malweisean Werke Johann Heinrich Schönfelds (1609–84).Ähnliches gilt auch für die „Büßende Magdale-na“. Eine „Predigt Johannes des Täufers“ kannhingegen Franz Sigrist dem Älteren (1727–1803)zugeschrieben werden.

Heilig-Geist-SpitalSpitalgasse 11-17

6

Heilig-Geist-Spital, Fassade zur Spitalgasse, Zeichnung 2012

Page 16: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Im Jahr 1194 übertrug Bischof Udalskalk das Armen- und Pilgerhospiz zum Heiligen Kreuzden Augustiner-Chorherren, es entstand eineerste Kirche. Fünf Jahre später beichtete eineFrau dem Stiftspropst Berthold von Heilig-Kreuzeinen Frevel: Sie hatte 1194 eine Hostie mit nachHause genommen, in Wachs verschlossen undseitdem zu ihr gebetet. Als der Propst das Wachsetwas öffnete, erschien das Innere blutrot undvon Adern durchzogen. Man brachte die wun-dersame Hostie in den Dom, wo sie währenddes Gottesdienstes anschwoll. Noch 1199 betä-tigte Bischof Udalskalk das Wunder und erhobHeilig-Kreuz zur Pfarrkirche.

Der größte Teil des heutigen Baus geht auf dasJahr 1492 zurück. Propst Vitus Fackler ließ, viel-leicht durch Burkhard Engelberg (1447–1512)oder Hans Hieber (um 1470–1522) ehrgeizigePläne ausarbeiten und realisieren. Es entstandbis 1508 eine damals hochaktuelle Architektur,eine Hallenkirche mit schlanken Stützen, die vor-bildhaft zum Beispiel für die Innsbrucker Hofkir-che (1553–63) wirkte. Der Turm wurde 1514 undnochmals 1676–77, nun durch Michael Thumb († 1690), erhöht. Letzterer baute kurz daraufauch das Stift um. In den Jahren 1716–19 erfolg-te eine barocke „Renovatio“ unter Johann JakobHerkommer (1648–1717). Säulen und Fensterwurden verändert, über dem Chor mit dem„Wunderbarlichen Gut" – der Bluthostie – ent-stand eine Kuppel. Johann Georg Bergmüller(1688–1762) verhalf diesem herausragendenspätbarocken Innenraum 1732 zu einem um-fangreichen, um das heilige Kreuz kreisendenFreskenzyklus. Die wertvolle Ausstattung warAusdruck des vor allem unter Propst Ludwig Zöschinger regen kulturellen, insbesondere mu-sikalischen Lebens – Wolfgang Amadeus Mozartwar hier zu Gast. Dies fand mit der Säkularisati-on von 1803 ein Ende, 1808 wurde das Stift zurKaserne, der Sakralbau zur Garnisonkirche. DieBarockfassung fiel den Bombenangriffen imZweiten Weltkrieg sowie dem Wiederaufbau fastvollständig zum Opfer. Zerstört wurden auch dieehemaligen Stiftsgebäude. Michael Kurz (1876–1957) und Robert Pfaud (1905–92) „regotisier-ten“ 1948–49 das Gottehaus und zogen einSchalengewölbe aus Gussbeton ein. In den1970er Jahren wurde insbesondere der Altar-

bereich durch Hans Ladner (1930–2001) und Hubert Distler (1919–2004) verändert.

Noch in den 1950er Jahren entstand das angren-zende, um zwei Höfe gruppierte Dominikaner-kloster. Auch hierfür zeichnen Robert Pfaud undMichael Kurz verantwortlich. Die Fassade desehemaligen Prälatenbaus integrierte WaltherSchmidt (1899–1993) in das Kulissenlager (1956)des Stadttheaters.

Architektur:

Das Raumbild der nach Außen schlichten, im Innern lichtdurfluteten Halle mit ihren extremschlanken Rundpfeilern blieb bis heute bewahrt.Die Stützen tragen nun das Schalengewölbe derNachkriegszeit. Unter der Orgelempore ist nochdas spätgotische Netzrippengewölbe zu sehen.Beinahe ebenso lang wie das Laienschiff ist derChor, dessen barocke Kuppel nun nach Außendurch ein achteckiges Zeltdach ersetzt ist. Diekubischen Untergeschosse des seitlich stehen-

14 Tag des offenen

Denkmals 2012

Katholische Heilig-Kreuz-KircheHeilig-Kreuz-Straße 5

7

Heilig-Kreuz-Kirche, Decke vor 1944/45

Page 17: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

den Turms sind romanisch, die barocke Erhö-hung ist achteckig, kräftig gegliedert und gipfeltin einer 1989 wiederhergestellten, für Augsburgtypischen prallen Zwiebelhaube. Gemeinsam mitder protestantischen Heilig-Kreuz-Kirche bildetdas katholische Gotteshaus eine charakteristi-sche Baugruppe, ein Symbol für die Prarität,ähnlich wie die beiden Ulrichskirchen.

Ausstattung:

Deutlich älter als der Bau sind der kleine Tympa-non von zirka 1200 im südlichen Seitenschiff so-wie die Löwengriffe (um 1200) des Hauptportals.Von der hervorragenden Barockausstattung blie-ben nur Fragmente. Da ist zunächst das prunk-volle Abschlussgitter mit Ranken-, Blüten- undFrüchtedekor von Johann Michael Hoch und Johann Georg Rummel (1713–96) aus dem Jahr1744. Mehrere qualitätsvolle Tafelbilder schmü-cken den schlichten Raum. An der Südwand

hängt ein „Tempelgang Mariä“ (1616) von Johann Matthias Kager (1575–1634), über demrechten Seitenaltar ein „Kreuzeswunder der heili-gen Helena“, dem Piemonteser Giuseppe Vermi-glio (tätig in der ersten Hälfte des 17. Jahrhun-derts) zugeschrieben. Mit einer theatralischbewegten Darstellung der Himmelfahrt Mariä(1627) aus der Werkstatt des Peter Paul Rubens(1577–1640) besitzt Heilig-Kreuz ein hervorra-gendes Beispiel der internationalen Barockmale-rei. Gleichzeitig schuf Georg Petel (1601/02–34)das große, in seiner präzisen Wiedergabe vonAnatomie und Mimik ausdrucksstarke Holzkruzi-fix. Hans Ladners Altar (1970) mit den symboli-schen Leidenswerkzeugen birgt drei Figuren(1782) von Ignatz Wilhelm Verhelst (1726–92),die heilige Helena, die das Kreuz Christi entdeck-te, Kaiser Heraklius, der das heilige Kreuz wiedernach Jerusalem brachte, sowie einen Pagen. DieFenster von Hubert Distler nehmen die abstrakteKomposition des Altars auf.

Sakristei:

Besser als die Kirche blieb dienördlich an den Chor angebauteSakristei erhalten. Das Raumbilddes dreijochigen Hauptraumes istvon einem reichen Netzgewölbebestimmt. Ein Wappenschlusssteinist auf 1504 datiert. In den großenSakristeischränken der Zeit um1600 werden liturgisches Gerätund Paramente bewahrt. Ein östli-cher Vorraum weist ebenfalls zumTeil ein Netzgewölbe auf. Die imObergeschoss liegenden Räumemit der ehemaligen Prälatenkapellewurden völlig verändert.

15Tag des offenen

Denkmals 2012

Heilig-Kreuz-Kirche, Abschlussgitter vor 1944/45

Page 18: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Der aus ärmlichsten Verhältnissen stammendeFriedrich Hessing (1838–1918) machte eine fürdas 19. Jahrhundert beispielhafte Karriere. Nacheiner Ausbildung zum Schreiner wurde für ihndie Begegnung mit dem Orgelbaumeister GeorgFriedrich Steinmeyer (1819–1901) zum Wende-punkt. Steinmeyer ermöglichte dem jungenFriedrich eine Ausbildung zum Harmoniumbauerin Stuttgart. Hessing kam schließlich 1862 zurPianoforte-Fabrik Schramm nach Augsburg.Dort machte er sich selbständig und entwickeltebald Interesse für orthopädische Hilfsapparate.1868 gründete er eine orthopädische Heilanstaltam Jakobertor, die schon ein Jahr später in dasehemalige Landgerichtsgebäude von Göggingenübersiedelte. Hessing trat mit zahlreichen Erfin-dungen hervor, dazu zählen das Hessingkorsett,der verbesserte Schienen-Hülsen-Apparat zurFührung gelähmter oder geschwächter Gliedma-ßen, ein spezieller Leimverband, eine Tragbahremit Rad für den Ersten Weltkrieg sowie einKriegsrucksack mit Hüftgurt. Obwohl seitens derÄrzteschaft kritisch beäugt, war der Erfolg derGögginger Hessing-Klinik nicht mehr aufzuhal-

ten. Bis 1903 kamen 60.000 meist wohlhabendeKurgäste, die bis aus Amerika, Ägypten und Peru anreisten. Zu Hessings Patienten zähltenzum Beispiel die Gemahlin Kaiser Wilhelms II.,Auguste Victoria oder der Schriftsteller MaxBrod.

Gleichzeitig behandelte der 1904 zum bayerischenHofrat und 1913 zum Ritter ernannte „Wunder-doktor“ Hessing auch mittellose Patienten kos-tenfrei. Zum „Hausarchitekt“ avancierte Jean Kel-ler, der der Orthopädischen Klinik zwischen 1880und 1893 zu einem eleganten baulichen Rahmenmit Gästehaus, Wandelhalle, Kapelle, Ökonomie-gebäuden, Milchkuralpe und eigenem Kurhaus-theater verhalf. Nach dem Tod Hessings 1918ging die Orthopädische Klinik in eine Stiftungüber, bedingt durch die Auswirkungen des Ers-ten Weltkrieges blieben indes die wohlhabendenPatienten aus. In den Jahren 1954/55, 1959-1962sowie 1980-1995 wurden die Kliniken erneuert,dabei fiel leider ein Großteil der Bausubstanzdem Abbruch zum Opfer. Auf dem Areal entstan-den in jüngster Zeit zahlreiche Neubauten.

16 Tag des offenen

Denkmals 2012

Hessing KlinikenHessingstraße 2, 6a, 17, Buzstraße 25, Wellenburger Straße 12

8

Hessing-Park mit Wandelhalle, um 1900

Page 19: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Bauten:

Der „Urbau“ der Gögginger Hessingkliniken, die„Alte Klinik“, war 1790 als Priesteraltersheim un-ter dem Augsburger Fürstbischof Clemens Wen-ceslaus errichtet worden und diente seit 1805als Landgericht. Der kubische Walmdachbauweist an der Schauseite einen Mittelrisalit mitDreiecksgiebel auf. Der Fassadenschmuck im„Zopf-Stil“, eine Frühform des Klassizismus, wurdein Augsburg von den Architekten Johann MartinPentenrieder und Johann Stephan Gelb gepflegt.Das Gebäude blieb nach der Umnutzung durchHessing 1869 äußerlich unangetastet.

In den Jahren 1887–1889 ließ Hessing durchJean Keller die „Neue Klinik“ errichten. Von denehemals drei zweigeschossigen Flügeln desKrankenhauses mit Eingangs- und Liegehalle,Speisesaal und angebautem Wintergarten blie-ben nach Abbrüchen 1954–1961 nur zwei 1986sanierte Seitentrakte übrig. Ihre kräftig geglie-derten Neorenaissance-Fassaden mit Schweif-giebeln erinnern entfernt an das AugsburgerZeughaus. Ebenfalls bis heute hat sich die 1890–1893 an die Klinik angebaute, 1906 geweihteAnstaltskirche St. Johannes erhalten. Eine Spen-de des russischen Zaren ermöglichte ihren Bau.Die Saalkirche weist einen mehreckigen Chor im Osten und einen auf dem Dach sitzenden offe-nen Turm mit geschwungener Haube im Westenauf. Nach Außen ist die Architektur in eine So-ckelzone mit Segmentbogenfenstern und genu-tetem Verputz und einen Lisenen-gegliedertenBereich mit hohen Rundbogenfenstern darüberunterteilt. Drei Eingänge – einer von der Klinik,ein weiterer von der Wellenburger-Straße undein letzter von der im Westen liegenden Parkan-lage führen ins Innere. Zur Straße und zur Grün-anlage sind deshalb Vorhallen angebaut.

Während die Außenansicht eine barocke Archi-tektursprache rezitiert, zog Jean Keller im Innernalle Register der Neugotik. Ein dreijochigesKreuzrippengewölbe spannt sich auf Dienstbün-deln über den Saal. Der Chor ist leicht erhabenund hat eine gemalte Maßwerkdecke. SämtlicheWände sind mit geschnitzten Paneelen, einemgemalten Quadermuster sowie von Ornamentenüberzogen. Der Boden ist mit dekorierten Fliesenaus Steinzeug ausgelegt. Am Chorbogen siehtman kleine Felder, die die Evangelisten mit ihrenAttributen (Kennzeichen) zeigen – Johannes mitdem Adler, Lukas mit dem Stier, Markus mit demLöwen und Matthäus mit dem Engel. Darübersteht die Inschrift „Ich bin das Brot des Lebens /Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern undwer an mich glaubt, der wird nimmermehr dürs-ten. Joh. 6.35“. An der Seitenwand ist ein weite-rer Spruch zu lesen: „Wirk, so lang es Tag ist. So

wie die Tür sich willig öffnet, wehrt dir den Ein-gang nicht, schließ auf dein Herz und lasse Jesus Christus ein! Mach auf dein Herz!“. Sämt-liche Fenster weisen Glasmalereien des Göggin-ger Glasermeisters Leo Eichleitner (1854–1917)auf, im Chor sind Barbara sowie eine Heilige oh-ne Attribut zu sehen. Den Sakralraum dominie-ren eine Orgelempore und eine Loge über demKlinikzugang, beide mit virtuos geschnitztem,geradezu zerklüftetem Maßwerk. Am Chorbogensitzt links die Kanzel mit Schalldeckel auf demEngel die Symbole der christlichen TugendenGlaube, Liebe und Hoffnung präsentieren. Dage-gen ist im Chor ein überbordender Altarschreinmit zentraler Kreuzigungsgruppe, Petrus, Paulusund Gottvater aufgestellt. Eine Besonderheit istdas Barbara-Relief an der Nordwand, weil es sichum ein fränkisches Stück von zirka 1520 handelt.Die Kirche ist perfekt auf ihre Funktion hin aus-gerichtet und simultan für den katholischen undden protestantischen Ritus nutzbar. In den Raumkönnen Betten und Rollstühle geschoben wer-den, die Bänke sind mobil, ihre Sitzflächen ein-zeln aufklappbar.

17Tag des offenen

Denkmals 2012

Hessing-Kirche, um 1900

Page 20: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

An die Hessingkirche schloss sich bis zum Ab-bruch 1961 eine schmiedeeiserne Kolonnade mitzwei Pavillons an, die den kleinen Park umgab.

Zur Klinik gehört eine weitere, größere Grünanla-ge, die auf das Gästehaus, die sogenannte„Burg“ ausgerichtet ist. Die phantastische kleine„Ritterburg“, die um 1880 von Karl Albert Goll-witzer im „Rothenburger Stil“ errichtet wurde,erhebt sich über L-förmigen Grundriss. Währenddie asymmetrische Rückfront einfach gegliedertist, sind den Parkfassaden drei übereinander ge-staffelte, mit Zinnenbalustraden versehene Ter-rassen und drei turmartige Anbauten vorgestellt.Unterschiedlichste Fensterformen bestimmendie malerische Kulissenarchitektur mit zentralerWassergrotte. Im Erdgeschoss liegt ein Garten-saal mit bunt verglasten Fenstern in geschwun-genen Jugendstilformen. Die ehemaligen Gäste-zimmer werden von einem Haupttreppenhausim Südtrakt erschlossen und dienen heute alsWohnungen.

Auf die unterste Terrasse der „Burg“ führte frü-her eine um den Park herumlaufende, zum Teilzweistöckige Wandelhalle. Nur ihr Ostteil (1896–1899) zur Hessingstraße blieb erhalten. Die Ko-lonnade ist durch vier Pavillons akzentuiert, wo-bei die beiden Äußeren geschwungene Hauben,

die mittleren Zeltdächer aufweisen. An den Decken ist unter der abbröselnden Farbschichtzum Teil wieder die alte Fassung mit Schablo-nenmalerei zu sehen. Die Wandelhalle verbandim Norden auch die „Alte Klinik“ mit dem drei-stöckigen Ärztehaus. Der kubische Bau mit Walm-dach, Risaliten und Eckturm mit geschuppterZinkblechhaube wurde zirka 1890/1900 errichtet.

Im Westen der Parkanlage schlossen sich entlangder Singold die orthopädischen Werkstätten undÖkonomiegebäude an. Die umfangreichen Anla-gen wurden nach und nach abgebrochen, dieWerkstattgebäude von 1892 mussten 1993 derGeriatrischen Rehabilitationsklinik weichen. Nurdas zugehörige kleine Wasserwerk über der Sin-gold blieb erhalten.

18 Tag des offenen

Denkmals 2012

Hessing-Klinik,Speisesaal, um1900

Page 21: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Die Kongresshalle entstand anstelle des 1965 ge-sprengten Ludwigsbaus (1914) von Otto Holzer(1874–1933). Unter den 207 eingereichten Plä-nen eines 1964 ausgeschriebenen Wettbewerbswählten die Preisrichter den Entwurf des Stutt-garter Architekten Max Speidel. Die Planungmusste mehrfach abgeändert werden, es gabBaustopps, wodurch sich die Kosten mehr alsverdoppelten. Erst 1972 konnte die Halle schließ-lich eingeweiht werden. 2009 wurde die Kon-gresshalle in die Denkmalliste aufgenommen,2010–12 erfolgte die grundlegende Sanierungdes Bauwerks.

Architektur:

Der große Baukörper ist im Grundriss und in derHöhe gestaffelt. Neben dem großzügigen Foyer,dem Mozartsaal mit 350 Sitzplätzen, dem Fug-gerzimmer mit 80 Sitzplätzen und dem Welser-zimmer beherbergt die Kongresshalle insbeson-dere den großen, über alle anderen Bauteilehinausragenden Kongressaal mit 1401 Sitzplät-zen. Die Möglichkeit, durch Beton große, skulp-turale und auch überhängende Bauteile einset-zen zu können ist gestalterisch ausgekostet, wie

beispielsweise am mächtigen Eingangsdach oderan den Rängen des Kongresssaales. Im starkenGegensatz dazu stehen die große Fensterflächenund –bänder, auf denen einige massive Bauteilezu schweben scheinen.

Die blauen Eingangstüren mit ihren kreisförmi-gen Ausschnitten, die orangenen Schalensitzeim Kongresssaal oder im Foyer der Teppichbo-den, die Sitzschlange und das mit 3.500 Glühbir-nen versehene Leuchtobjekt sind typische Ge-staltungselemente der 1970er Jahre. Danebenkam auch Holz (amerikanischer Rüster) großflä-chig als Wand- und Deckenverkleidung zum Ein-satz. Speidel lehnte sich mit seiner minimalisti-schen, Material-betonenden Architektur formalan die Konzerthalle in Tokyo (1961) von KunioMaekawa an, die zum Beispiel ganz ähnlich vor-gewölbte Verdachungen aufweist.

19Tag des offenen

Denkmals 2012

Kongress am ParkGögginger Straße 10

9

Kongress am Park, 2012

Page 22: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

20 Tag des offenen

Denkmals 2012

Geschichte:

Die Freimaurer-Bewegung entstand im 18. Jahr-hundert und war maßgeblich an der Verbreitungder Aufklärung beteiligt. Grundlegend war dieVorstellung, dass durch stetige Selbstreflexioneines jeden die ideale Gesellschaft in Freiheit,Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humani-tät realisiert werden könne. Bis 1850 war dasFreimaurertum in Bayern verboten, danach kames in Augsburg zunächst zu informellen Zusam-menkünften. Erst im Jahr 1872 wurde auf Betrei-ben des Fabrikanten Wilhelm Ammon die Loge„Augusta“ gegründet, der zu Beginn insgesamt23 Brüder angehörten. Nachdem zunächst Räu-me der Textilfabrik Nagler angemietet werdenmussten, beauftragte die Loge das Büro Jack &Wanner mit dem Bau eines repräsentativen1896–1897 verwirklichten Bauwerks im vorneh-men Viertel an der Schießgrabenstraße. Nach einer Zäsur in der NS-Zeit gründete die Loge sich1946 erneut und bezog drei Jahre später wiederihr angestammtes Bauwerk, das in den Jahren1974 und 1977 saniert wurde.

Logenhaus AugustaSchießgrabenstraße 30

10

Logenhaus Augusta, Fassade, Zeichnung 2012

Logenhaus Augusta, Gitterzaun, Detail, 2012

Architektur:

Die zweigeschossige Architektur mit ihrer Schau-fassade zur Schießgrabenstraße täuscht im Erd-geschoss große Steinquader (Rustika) vor, wäh-rend der erste Stock von Pilastern gegliedert ist,die ein Gebälk tragen. Über dem abschließen-den Gesims liegt eine Attika (Brüstung) mit derzentralen Inschrift „AUGUSTA“. Große Rundbo-genfenster belichten die dahinter liegenden, re-präsentativen Räume der Loge; hierzu gehörenein Festsaal sowie der große Tempelraum mitRundnische, Pilastergliederung und umlaufen-den Mäanderfries. Hier treffen sich die Brüdereinmal im Monat an einem Sonntag zur Tempel-arbeit; auch die zeremonielle Aufnahme neuerMitglieder wird in diesem Raum vollzogen.

Page 23: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

21Tag des offenen

Denkmals 2012

Geschichte:

Das Stammhaus der Kunstsammlungen und Museen Augsburg ist in zwei ehemaligen Bür-gerhäusern untergebracht, dem Welserhaus(1486–89) zur Annastraße und dem Hainhofer-haus (1543–46), das ursprünglich für den kaiser-lich Rat Lienhard Böck von Böckenstein errich-tet worden war und 1579 an in den Besitz derHainhofer gelangte. Berühmtester Spross dieserFamilie ist Philipp Hainhofer (1578–1647), derals Kunstagent Karriere machte. 1706 und 1710wurden die Wohnbauten vom evangelischen Ar-menkinderhaus erworben, 1853 kaufte sie derMagistrat der Stadt Augsburg und richtete dortzwei Jahre später ein historisches und naturwis-senschaftliches Museum ein. Gabriel von Seidl(1848–1913) baute die Anlage 1907/09 um, fügteein neues Haupttreppenhaus ein und vereinheit-lichte den Innenhof. 1998–2006 wurde das Museum einer grundlegenden Sanierung undNeukonzeption unterzogen. Dabei wurde der Innenhof durch ein Glasdach geschlossen, umdie Originale der Augsburger Brunnenbronzenzu sichern.

Architekur:

Die beiden ehemaligen Bürgerhäuser umschlie-ßen einen gemeinsamen rechteckigen Innenhof.Das Welserhaus ist ein zweigeschossiger Sattel-dachbau mit zwei Flacherkern zur Annastraßeund zwei Abseiten. Im Inneren blieben die Erd-geschosshalle, sowie in den ObergeschossenHolzdecken, Reste von Malereien (um 1500) undTeile einer Ständerbohlenwand (frühes 16. Jahr-hundert) erhalten.

Auch das Hainhoferhaus trägt ein steiles Sattel-dach und besitzt zwei Abseiten, die mit denendes Welserhauses verbunden sind. Die auffal-lend asymmetrische Hauptfront zur Philippinie-Welser-Straße ist mit einer 1979 rekonstruiertenArchitekturgliederung in Renaissance-Formenbemalt. Aus Naturstein sind nur die Rahmungendes korbbogigen Portals, einer weiteren Tür undder Fenster im Erdgeschoss, sowie die beidenunterschiedlich breiten Erker. Letztere weisenneben Pilastern und Profilbildnissen in Rundfel-dern sehr fein gearbeitete Ornamente auf. Aufdem scheinbar von Putten gehaltenen Feld desbreiteren Erkers steht der lateinische Vers ausPsalm 127: „Wem das Haus nicht baut der Herr –

die Bauleute mühen sich vergeblich“. Amschmalen Erker ist der Reichsadler mit der DeviseKarls V., „plus ultra“ (darüber hinaus) zu sehen,ein Hinweis auf den Bauherren, der kaiserlicherRat war. Die Ovalfenster im zweiten Stock wei-sen diese Etage als die repräsentative (Piano nobile) aus. Seitlich sitzt auf dem Dach ein Auf-zugsgiebel. Auch das Hainhoferhaus besitzt noch Teile derfesten Innenausstattung. Neben der Durchfahrtliegt die Eingangshalle mit Kreuzgratgewölben

MaximilianmuseumFuggerplatz 1

11

Maximilianmuseum, Erker, Zeichnung 2012

Akanthus

Tondo

Ionisches

Kapitell

Erote

Kartusche

Konsole

Pilaster

Page 24: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

22 Tag des offenen

Denkmals 2012

auf ionisierenden Sandsteinsäulen. Mehrere Räu-me sind mit Deckenfresken von Melchior Steidl(1657–1727) ausgestattet, die der Kupferstecherund Verleger Elias Christoph Heiß um 1700 inAuftrag gab. Im ersten Obergeschoss liegt diesogenannte „Aeneasgalerie“, ihr Deckenspiegelzeigt Venus, die ihrem Sohn Aeneas erscheintsowie Juno, die den Windgott Aeolus gegen Aeneas aufstachelt. Im ehemaligen Schlafzim-mer erblickt man eine Allegorie der Nacht mitder Mondgöttin Luna sowie den Personifikatio-nen der Morgen- und Abenddämmerung. AlsHöhepunkt des Bildprogramms stellte Steidl imgroßen Festsaal des zweiten Stockwerks Jupiter(mit Adler und Blitzen) und Juno im Kreise derolympischen Götter und der Allegorien der Erd-teile dar. Die Figuren sind auf eine perspektivischverkürzt dargestellte Scheinarchitektur gesetzt,womit der Künstler seine Kenntnis der italieni-schen „Quadraturmalerei“ unter Beweis stellte.

Sammlung:

Einen exzeptionellen Einblick in das AugsburgerBauwesen geben die Exponate aus der alten Modellkammer im Rathaus. Hier werden zumBeispiel die Phasen der Rathaus-Planung ersicht-lich. Des Weiteren sind zahlreiche Entwürfe und

Nachbauten technischer Anlagen vornehmlichdes 18. Jahrhunderts zu sehen. Einige Modelledokumentieren verschwundene Bauten wie die1906 abgebrochene Kornschranne bei St. Moritzoder den 1498 durch Blitzschlag zerstörten Turmam Luginsland. Zudem birgt das Maximilianmuseum zahlreicheSkulpturen, meist aus Kirchenausstattungen. Da sind zum Beispiel Georg Petels (1601/2–34)Assistenzfiguren Maria und Johannes aus Lin-denholz (1631), die sich ursprünglich gemein-sam mit einem heute in der Barfüßerkirche auf-gehängten Kruzifix im Heilig-Geist-Spital befan-den. Aus St. Ulrich und Afra kam bereits 1854,als Gründungsgabe König Maximilians II. vonBayern, das Sandsteinepitaph des Abtes KonradMörlin (um 1500) ins Maxmuseum. Figurenstilund Stifterporträt ähneln Arbeiten von Hans Hol-bein dem Älteren (um 1465–1524). Sebastian Loscher († 1548) schuf für die 1825 abgerisseneRehlingerkapelle der Barfüßerkirche 1513 einenheiligen Alexius. Neben diesen Figuren sind ins-besondere die Brunnenbronzen von Adriaen deVries (1556–1626) und Hubert Gerhard (1540/ 50–1620), sowie der Siegelhausadler (1605) vonHans Reichle (1565/70–1642) im Maximilianmu-seum untergebracht. Außerdem sind Bozzetti(Entwürfe) für ganze Altäre zu sehen.

Maximilianmuseum, Blick in die Modellsamm-lung mit doppelläufige Wendeltreppe von Caspar Walter

Maximilianmuseum, Johannes von Georg Petel

Page 25: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

23Tag des offenen

Denkmals 2012

NaturmuseumIm Thäle 3, Zugang durch die Augusta-Arcaden, Ludwigstraße 2

12

Geschichte:

Das Sammeln und Erforschen von Naturalien hatin Augsburg eine bis in reichsstädtische Zeit zu-rückreichende Tradition. „Zahlreicher und kost-barer als die vorgebrachten Kunstsammlungen,sind zwey Naturalien-Sammlungen (des BankiersJosef Paul Cobres und des Philipp Jakob Steiner,Anmerkung des Verfassers)“ schrieb Paul vonStetten 1788. In der Stadt lebten zahlreiche Na-turforscher – genannt sei Jacob Hübner (1761–1826). Im Jahr 1846 wurde der Naturwissen-schaftliche Verein für Schwaben gegründet, der1854 seine Sammlung gemeinsam mit der desHistorischen Vereins für Schwaben im Maximili-anmuseum ausstellte. Ab 1906 diente das1944/45 zerstörte Stettenhaus am Obstmarktdem Naturmuseum als Heimstatt, 1964 zog esins Fuggerhaus (Maximilianstraße 36) um. Amheutigen Ort ist die Sammlung seit 1991 ge-meinsam mit dem Planetarium untergebracht.

Holzschädlinge:

Bekanntester tierischer Holzschädling ist dieLarve des Nagekäfers (im Volksmund „Holz-wurm“ genannt). Der Käfer legt seine Eier inSpalten oder Rissen ab; sind die Larven ge-schlüpft, fressen sie sich durch das „Frühholz“,das während der Wachstumsphasen des Bau-mes entsteht und im Querschnitt meist die hel-len Jahresringe bildet. Das dunklere, währendder Ruhephasen gewachsene Spätholz verscho-nen sie, sodass Lamellen stehen bleiben. Befalle-ne Stellen können beispielsweise mit Heißluftunter genauer Kontrolle von Temperatur undFeuchtigkeit behandelt werden.

Bekanntester pilzlicher Holzschädling ist der(echte) Hausschwamm. Er gedeiht in feuchtem,nicht zu kühlem Klima und ist einer der gefähr-lichsten Gebäudezerstörer. Der Pilz bildet nebenden Fruchtkörpern Mycelfäden aus, die das Holzaber auch das Mauerwerk durchdringen können.Dadurch beginnt das Holz zu reißen (Braunfäu-le). Bei starkem Wachstum scheidet der Haus-schwamm eine tränenartige Flüssigkeit aus. DieSanierung ist besonders aufwändig, weil die be-fallenen Stellen systematisch ausgebaut, tro-ckengelegt oder gegebenenfalls chemisch be-handelt werden müssen.

Nagekäfer, Zeichnung 2012

Page 26: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Die Unternehmervilla gehörte zum Gelände desHolzverarbeitungsbetriebs C. Mayer und Sohn,das außerdem ein Sägewerk, eine Zimmerei so-wie eine Bau- und Möbelschreinerei umfasste.Das ehemalige Wohngebäude wird vom Uni-Kin-dergarten genutzt.

Architektur:

Die kleine Villa wurde 1928 durch Alfonso Scholl(1878–1960) errichtet. Der in Mailand geboreneArchitekt erhielt seine Ausbildung an der Bauge-werksschule in Stuttgart und wirkte unter ande-rem in Lugano. Sein vermutlich bekanntestesBauwerk ist der 1925 erbaute, blutrot gestriche-ne Firmensitz des Olivenöl-Herstellers „Olio Sas-so“ in Oneglia (Ligurien) in schweren klassizisti-schen Formen mit Art-decó-Elementen. Die Villa Mayer besteht aus zwei einstöckigenFlügeln mit Putzfassaden und steilen Satteldä-chern, die im rechten Winkel aneinander stoßen,sodass sie einen kleinen Garten im Süden einfas-sen. Nach Westen liegt der Haupteingang, der

24 Tag des offenen

Denkmals 2012

Ehemalige Villa des Holzverarbeitungs-betriebes C. Mayer und SohnProvinostraße 29

13

Ehemalige Villa Mayer, Ansicht vom Garten,2012

EhemaligeVilla Mayer,Detail, 2012

von Blankziegeln gerahmt und von einem Ge-sims überfangen ist.

Zum Garten öffnet sich die Architektur mit gro-ßen Rechtecksfenstern und verglasten spitzbo-gigen Türen. Eine dieser Türen weist ein ge-schmiedetes Gitter mit der Datierung 1928 auf.Der Eckbereich zwischen den aneinandersto-ßenden Trakten ist abgeschrägt und durch eineumlaufende Gaube mit erhöhtem Mittelteil umein Stockwerk nach oben gezogen. Dadurch istschon von Außen das Herzstück des Raumpro-gramms zu erahnen – das achteckige Speise-zimmer mit Spiegelgewölbe, das durch Flügel-türen mit den anderen Räumen verbunden ist.Die hölzerne Wandverkleidung mit Einbau-schränken, einem Kachelofen mit der Datierung1928 am Ofengitter sowie einem Sternparkett –wohl die Visitenkarte des Holzverarbeitungsunter-nehmens – blieben erhalten. Auch die anderenRäume, wie das Herrenzimmer, zeigen noch zahlreiche Details, zum Beispiel Türgriffeaus der Erbauungszeit. Im Westtrakt gelangtman über eine Diele mit Kachelofen und einTreppenhaus in weitere ehemalige Wohnräumeim zweiten Stock.

Die offene, heitere Architektur stellt ein originel-les und in der Ausstattung sehr qualitätsvollesBeispiel für Art-decó in Augsburg dar.

Page 27: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

25Tag des offenen

Denkmals 2012

Geschichte:

Der alte katholische Friedhof existiert seit 1600.Im Zuge der Gegenreformation drängten vor al-lem Klostergemeinschaften wie die Jesuiten aufeinen eigenen Begräbnisplatz für Katholiken. Ur-sprünglich war der Friedhof – vergleichbar demSalzburger Sebastianfriedhof und dem HallenserStadtgottesacker – ganz von einer Arkadenmauerumgeben. Die heutige Einfriedung wurde erstbei einer groß angelegten Erweiterung 1872 er-stellt. Fast ebenso alt wie der Gottesacker ist dieKapelle, die 1603–1605 vielleicht unter dem Ein-druck des Mausoleums für den Salzburger Erzbi-schof Wolf Dietrich von Raitenau, der Gabrielka-pelle (1597–1603) errichtet wurde. Als ausführender Baumeister gilt Esaias Holl,wobei die Vermutung nahe liegt, dass dieser aufPläne seines Bruders Elias zurückgriff. Lukas Kilians Stadtplan von 1626 zeigt eine turmlose,längsovale Kapelle, die – äußerst ungewöhnlich –von zwei miteinander verbundenen Zwiebelhau-ben überspannt wurde. Dieser Urbau wurde imDreißigjährigen Krieg (1618-48) und sodann imSpanischen Erbfolgekrieg (1701–14) beschädigt,jedoch immer wieder repariert. Der heutige Bauist stark von dem mit Fuggerschen Mitteln er-möglichten Aufbau von 1708–12 geprägt, beidem Turm und Vorhalle entstanden. Eine ent-scheidende Veränderung des Innenraumesbrachte das große Fresko, das der spätere katho-lische Direktor der Augsburger Kunstakademie,Johann Joseph Anton Huber (1737–1815) 1772in die Flachkuppel malte. Dieses Fresko wurdeim Zweiten Weltkrieg so stark in Mitleidenschaftgezogen, dass man es 1951 abnehmen musste.Die Augsburger Kunstsammlungen verwahrenhiervon Fragmente. Im Zuge der 1997 begonne-nen Sanierung wurde das Deckenbild 2001durch Hermenegild Peiker rekonstruiert.

Architektur:

Die Michaelskapelle ist bautypologisch höchstbedeutsam, ist sie doch ein sehr frühes Beispielfür den im Barock populären längsovalen Grund-riss (siehe Kollegienkirche in Salzburg (1696–1707) oder Karlskirche in Wien (1716–39), beidevon Johann Bernhard Fischer von Erlach(1656–1723)). An den elliptischen Bau schließen sichVorhalle, Turm und Sakristei an.

St. Michael auf dem HermanfriedhofHermanstraße 12

14

Die Architektur ist sowohl nach Außen als auchim Innern mit Ovalfenstern, die teilweise blindsind und Gesimsen knapp gegliedert und ledig-lich am Turm gesteigert. In die Außenwändesind Epitaphien, unter anderem für den Augs-burger Domorganisten Karl Kempter (1819–71)eingelassen. Das Innere ist durch die sechs gro-ßen Bogenfenster lichtdurchflutet. Nur an derkleinen Orgelempore mit prächtigem, Putten-be-völkertem Prospekt und über den Fenstern sitzenzierliche Rocaillen. Sie rahmen auch die Wand-leuchter. Ansonsten bestimmt das Deckenfreskomit dem theatralisch erzählten Jüngsten Gerichtden Raumeindruck.

St. Michael,perspektivischer Schnitt,2012

Page 28: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Ausstattung:

Die Ausstattung der Kapelle ist überaus kostbar:Drei 1710 entstandene Retabel, am Hauptaltarmit dem Wappen der Fugger, fassen Hauptstü-cke der Augsburger Malerei aus der Zeit EliasHolls. Hier ist zunächst das Hochaltarblatt (um1605) zu nennen, das den Kampf Michaels gegenLuzifer zeigt – hier im Kreise einer wild gestiku-lierenden Engelsschaar. Paul von Stetten nenntin seiner Beschreibung Augsburgs von 1788noch Christoph Schwarz (1545–92) als Urheberdieses später vergrößerten Gemäldes, heutewird es Matthias Kager (1575–1634) zugeschrie-ben. Auch für das Sebastiansbild (um 1600) überdem rechten Seitenaltar wird Kager als Autor ge-handelt. Sicher ist dagegen, dass Jospeh Heintzder Ältere (1564–1609), der spätere HofmalerKaiser Rudolfs II. in Prag, die großartige, in fah-len Tönen gehaltene Pietá (1608) im rechten Al-targehäuse malte. Der eigenartig verdrehte Kör-per Christi weist das Werk als Zeugnis desinternationalen Manierismus aus. Die weitereAusstattung umfasst zwei Gemälde von Johann

Georg Bergmüller (1688–1762), den Tod als Herraller Stände sowie die Auferstehung Christi zei-gend, daneben Darstellungen der vier Lebensal-ter aus der Hand des Franz Joseph Maucher(1729–88) sowie einen Kreuzweg (1772) JohannJoseph Anton Hubers.

26 Tag des offenen

Denkmals 2012

Blick vom Königsplatz zum Hermanfriedhof, um 1870

Page 29: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

27Tag des offenen

Denkmals 2012

Geschichte:

1958 wurde die Pädagogische HochschuleAugsburg der Universität München eingerichtet.Der 1958–63 erbaute kleine Campus diente1972, nach der Eingliederung in die neu gegrün-dete Universität Augsburg den Lehrstühlen fürSport-, Musik- und Kunstpädagogik und der Fa-kultät für Wirtschaft der Fachhochschule Augs-burg. Letztere zog 2011 aus. Konzertsaal undWerkstätten werden noch von den Musik- undKunstpädagogen genutzt. Seit 2010 wird die An-lage brandschutztechnisch aufgerüstet.

Architektur:

Wilhelm Hauenstein und Anton Recknagel(1906–80) entwarfen eine räumlich differenzierteBaugruppe, bestehend aus einem Atriumgebäu-de, einer Turnhalle, einem Seminargebäude, so-

wie einem Hörsaalgebäude. Die Baukörper sindmit Blankziegeln und Naturstein verblendet unddurch unterschiedlich große Fenster und Asym-metrien rhythmisiert. Komplett aufgeglaste oderoffene Gänge verbinden die Trakte. Im Inneren befanden und befinden sich zum Teilnoch eine Mensa, eine Bibliothek, ein Konzert-saal mit Foyer, eine Turnhalle, Musikübungsräu-me sowie unterschiedlichste Werkstätten. Dieklar angeordneten Eingangshallen, Treppenhäu-ser und Gänge gehen fließend ineinander über.Aufwändig gestaltet ist das Haupttreppenhausim Seminargebäude, denn die Wände sind mitRollziegeln von Reinhold Grübel (1928–2009) ver-kleidet. Erzählt wird nichts weniger als eine Welt-geschichte. Sie reicht unter anderem vom Altenund Neuen Testament über die antike Mytholo-gie (Odyssee), die Entdeckung ferner Erdteile,Handwerk (Augsburger Weber) und Handel (Fug-ger), bis hin zur Entwicklung der republikani-schen Staatsform (Französische Revolution) undzur industriellen Revolution. 1959–61 entstand ein zugehöriges Wohnheim,bestehend aus zwei Hochhäusern und einer kubi-schen Kapelle. Schon nach Außen ist das umlau-fende, 1960 von Hilda Sandtner (1919–2006) mitBuntgläsern gestaltete Fensterband sichtbar.Auch hier wurde, in stark abstrahierter Form, ei-ne umfängliche Ikonografie mit dem Meßopferals Grundgedanken verwirklicht. Im Westen siehtman das himmlische Jerusalem, Jakobs Traumvon der Himmelsleiter und die drei Jünglinge imFeuerofen sowie die Christus-Symbole Pelikanund Lamm. Die nördlichen Fenster zeigen Szene-rien mit David, Abraham, dem Baum des Lebensund der Arche Noah. Auf der Ostseite, hinterdem Altar, ist das Kreuz zu sehen. Die Fenster imSüden kreisen um das Thema Opfer – mit Abel,Isaak, Melchisedech und Abraham. Es folgenBrot, Kelch und Mannah, sowie das Lammopfer.

Die Gesamtanlage der P.H. ist aufgrund ihrerüberlegten, am Dessauer Bauhausgebäude(1926) von Walther Gropius (1883–1969) orien-tierten Disposition, der an skandinavische Bautender 1930er und 40er Jahre gemahnenden, hoch-wertigen Materialien sowie der besonders quali-tätsvollen und umfangreichen „Kunst am Bau“ein ebenso herausragendes wie bezeichnendesZeugnis der Nachkriegsarchitektur in Augsburg.

Ehemalige Pädagogische Hochschule (P.H.)Schillstraße 100

15

Ehemalige PH, Rückfassade des Seminar-gebäudes, Zeichnung 2007

Page 30: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Das Augsburger Rathaus wurde 1615-20 vomdamaligen Stadtwerkmeister Elias Holl nachdem Abbruch des alten, gotischen Baus neu er-richtet. Die Innenausgestaltung des gewaltigenKommunalpalastes zog sich bis 1624 hin. DasRathaus diente nicht nur dem Rat und der Ver-waltung als architektonischer Rahmen, es beher-bergte auch die Gerichtslaube sowie die von Hollbegründete Modellkammer, in der sich die Kom-mune über Modelle der wichtigsten Bauprojekterepräsentierte. Nach schweren Kriegsschäden1944/45 wurde das Rathaus seit 1947 in Etappenwieder aufgebaut.

Architektur:

Nach Holls Entwürfenentstand mit dem Rat-haus ein wuchtiger Ku-bus am Abhang derAugsburger Hochter-rasse. Die Grundstrukturbesteht aus einemRechteck, das von einem griechischen(gleicharmigen) Kreuzdurchdrungen ist. Letz-teres ist an allen Fassa-den anhand flacher Mit-telrisalite sichtbar, diesich in einem mächti-gem Giebelhaus sowiezwei seitlichen Türmenfortsetzen und so einemarkante in Holls Wor-ten „heroische“ Silhou-ette bilden.

Ansonsten ist die äuße-re Gestaltung beinahenüchtern: Sie ist insbe-sondere von unteschied-lich großen Fenstern mitihren rhythmisch einge-setzten Giebeln be-stimmt und steigert sichzur Mitte und nach obenhin deutlich. Drei Portaleführen vom Rathaus-platz ins Innere. Hinterden kleineren seitlichen

28 Tag des offenen

Denkmals 2012

RathausRathausplatz 2

16

Rathaus, Schnittzeichnung nach Theodor Fischer, 2012

Zugängen befanden sich früher Verwaltungsräu-me. Der Spruch im Gebälk des großem Mittel-portals verrät die Bestimmung des Bauwerks:„PUBLICO CONSILIO/PUBLICAE SALUTI (= demöffentlichen Rat/dem öffentlichen Wohl). Daneben setzte Holl gezielt althergebrachte Wür-deformeln wie die Ädikula (= Häuschen) mit demReichsadler im Volutengiebel oder die seitlichauf den Balustraden sitzenden Obelisken ein. ImOberlichtgitter des Hauptportals präsentierenzwei Greifen das Stadtwappen, den Pinienzap-fen, das auch den Giebel bekrönt.Die klaren Fassaden lassen die innere Raumver-teilung durchscheinen: Das mittlere Giebelhausbeherbergt übereinander liegende Säle – beson-

Page 31: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

29Tag des offenen

Denkmals 2012

ders den „Goldenen Saal“ – die die ganze Tiefedes Bauwerks einnehmen und über große Fens-ter optimal belichtet werden. Unter den Türmenführen zwei Treppenhäuser, mit Öffnungen aufHöhe der Zwischenpodeste zu den Etagen. DieAmtsstuben versah Holl dagegen mit deutlichkleineren Fenstern.

Im 17. Jahrhundert unterschied sich die städte-bauliche Wirkung des Rathauses nachdrücklichvon der heutigen. Die charakteristische Silhouettedes Gebäudes mit seinen beiden Zwiebeltürmenwar nur aus der Ferne zu sehen, denn die Plätzeim Westen und Osten des riesigen Baus existier-ten nicht. Der Elias-Holl-Platz wurde Ende des19. Jahrhunderts durch Abbruch des Reichs-städtischen Gefängnisses freigelegt. Erst Kriegs-zerstörungen 1944 ermöglichten die Anlage desweitläufigen Rathausplatzes. Von dem kleinenDreiecksplatz, der bis dahin vor dem Perlach-turm lag, war die symmetrische Rathausfassadenur aus einer Schrägansicht zu erblicken, wo-durch der südliche Turm verdeckt wurde. Dieanderen Fassaden konnten ebenfalls nur durchUmschreiten erschlossen werden, selbst dannaber nur in perspektivischer Verkürzung. Es exis-tierte ein bizarre Spannung zwischen den in denFassaden transparenten wuchtigen Raumver-hältnissen des Rathauses und der beengtenstädtebaulichen Situation, die mit dem „Neuen

Bau“ und dem Augustusbrunnen gleichwohl aufHolls Prachtbau abgestimmt war.

Mit ähnlich theatralischen „Überraschungseffek-ten“ wartete die Innenausstattung auf. Währenddie beiden unteren Säle, der Untere und der Mitt-lere Fletz, wie auch die Treppenhäuser zurückhal-tend gestaltet waren, überwältigte der „GoldeneSaal“ durch prächtiges Dekor. Wohl um dieLichtverhältnisse zu optimieren, legte Holl dengroßen Saal in den zweiten Stock – ein Wider-spruch zur vorbildhaften italienischen Architek-turlehre der Zeit, die das erste Geschoss als das„schöne“ (piano nobile) festsetzte. An der Spitze zahlreicher Künstler und Handwer-ker hatte der Stadtmaler Matthias Kager (1575–1634) ein Bildprogramm des Jesuitenpaters Matthäus Rader (1575–1634) gestalterisch umzu-setzen.

Bei der Ausführung mag Kager an die seit1574/77 neu ausgestatteten Räume des Dogen-palastes in Venedig gehabt haben, wie die „ita-lienischen“ Formen der Nussholzdecke und derWandfresken bezeugen. An die Stelle szenischerDioramen wie im Dogenpalast trat indes eine un-endlich reiche Scheinarchitektur ähnlich wie beider zeitgleichen Augsburger Fassadenmalerei.Geziert in der Ausführung sind die Wandfreskenin Groteskenzone und höherrangige Architektur-

Rathaus, Goldener Saal, Decke, 2012

Page 32: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

zone getrennt. Darüber setzt das hölzerne Gebälkder komplex strukturierten Decke an. Ihre Bildfel-der fertigte Kager nach Vorlagen Peter Candids(1548–1628); sie sind untypisch in Frontal- undnicht in Untersicht gegeben, was die allansichti-ge Lesbarkeit erschwerte.

Was heute zu sehen ist, wurde durch eine Re-konstruktion unter der Leitung von Alois Machat-schek in den 1980er und 1990er Jahren wieder-gewonnen. Denn 1944/45 wurde dem GoldenenSaal die grandiose statische Konstruktion Hollszum Verhängnis: Um auf mittlere Stützen ver-zichten zu können, war die Decke des prachtvol-len Raumes mit Ketten vom Dachstuhl abge-hängt worden und stürzte durch die Einwirkungdes Luftangriffs vom Februar 1944 herab.

Durch die Rekonstruktion ist Matthäus RadersBildprogramm wieder nachvollziehbar: Es kreistum das zentrale Deckenbild mit dem Triumph-zug der Sapientia (Weisheit) und der Beschrif-tung „PER ME REGES REGNANT (= Durch michregieren die Herrschenden). Die Trabantenbilderzeigen die „Architektur“ umgeben von „Frucht-barkeit“, „Wissenschaft“, „Religion“ und „Tat-kraft“ sowie die „Wehrbereitschaft“ umgebenvon „Heilkunst“, „Redlichkeit“, „Gerechtigkeit“und „Handel“. In den seitlichen Deckenkartu-schen sind 24 Devisen des Hauses Österreich(nach Francesco Terzio) zu lesen, beispielsweisedas berühmte Motto Karls V., „PLUS ULTRA“ (= Darüber hinaus). Während die Eroten in denSprenggiebeln der Scheinarchitektur nur müh-sam schwere Festons tragen können und so derErheiterung der Betrachter ausgesetzt sind, ha-ben die Herren in den Nischen auch inhaltlichesGewicht: Acht heidnische Kaiser sind ihrenchristlichen Kollegen gegenübergestellt. In den

Kartuschen darüber stehen ihre Wahlsprüche.Wenn Caesar mit dem berühmten „VENI; VIDI;VICI“ (= Ich kam, sah und siegte) auftritt, Karl V.hingegen mit dem Spruch „VENI, VIDI, DEUS VI-CIT“ (= Ich kam, sah, Gott siegte), soll dies diemoralische Überlegenheit der Christen aufzei-gen. Sie zahlt sich aus, denn während dem Hei-den Alexander dem Großen nichts genügt (NIHILSVFFICIT PAGANO), fehlt es dem Christen Karldem Großen an nichts (NIHIL DEEST CHRISTIANO).Ergänzt wird die Ikonografie durch antike undalttestamentliche Heldinnen wie Lukrezia oderJudith in den Bildfeldern zwischen den Kaisern.In den beiden Sprenggiebeln der Mittelportalesitzen große Tafeln: Ein Gemälde von JohannesRottenhammer (1564–1625) stellt die StadtgöttinAugusta mit ihren vier Flüssen vor, die für Über-fluss (= Abundantia) sorgen, während dieSchrifttafel den zur Entstehungszeit herrschen-den Kaiser (Ferdinand II.) und Augsburger Stadt-pfleger benennt. Die auf den Giebeln sitzendenFiguren sind Minerva und Cybele (die Inschriftta-fel flankierend) sowie zwei Nymphen.

Die Fürstenzimmer sind mit Holzpaneelen und-decken sowie Kachelöfen aus Ton ausgestaltet.Dort und im mittleren Fletz befanden sich zahl-reiche weitere Gemälde von Johann Matthias Ka-ger, Thomas Maurer (1563–1626), Johann König(1586–1642) und Hans Freyberger (1571–1632).Sie wurden zwar nicht zerstört, hängen jedochnur noch teilweise an ihren angestammten Plät-zen. Durch ihr weites thematisches Panoramavom Jüngsten Gericht über vorbildliche Persön-lichkeiten von Moses bis Christus und Tugendenbis hin zu den unterschiedlichen Staatsformenund historischen Ereignissen wie dem Reichstagvon 1548 (im nordwestlichen Fürstenzimmer, ge-malt von Matthäus Gundelach (1566-1653)) ver-anschaulichten die Gemälde ein komplexes mo-ralisches Gedankengefüge mit der Idee desweisen Herrschers im Zentrum.

Dies gibt Aufschluss über den mutmaßlichenZweck eines solch überreich ausgestatteten,weit über den Raumbedarf eines Rathauses hi-nausgehenden Kommunalpalastes: Vermutlichwollte der Stadtrat hier den Ort des immerwäh-renden Reichstags etablieren. Zudem brachtedas gewaltige Investitionsprogramm in der vonKrisen geschüttelten Phase zu Beginn des 17.Jahrhunderts Bauleute, Handwerker und Künst-ler in Lohn und Brot und machte Augsburg zur„Krone der süddeutschen Reichsstädte“ (GeorgDehio). Das Rathaus ist somit nicht nur ein Meis-terwerk der Kunstgeschichte, sondern Schau-stück der Augsburger Gesellschaft und ihreskommunalen Repräsentationsbedürfnisses amVorabend des 30-jährigen Krieges.

30 Tag des offenen

Denkmals 2012

Rathaus, Mittlerer Fletz, vor 1944/45

Page 33: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

31Tag des offenen

Denkmals 2012

Geschichte:

Von dem 1944 beschädigten Dominikanerklos-ter, das seit 1312 an dieser Stelle eingerichtetund mehrfach umgebaut worden war, blieb dieMagdalena- oder Predigerkirche erhalten. Siewurde 1513–15 unter Prior Johannes Faber er-richtet, der mit Papst Leo X., Kaiser Maximilian I.und reichen Augsburger Familien, wie den Reh-lingern, einflussreiche Unterstützer für seinenKirchenneubau hatte. Strittig ist der Architekt,der im Umfeld von Burkhard Engelberg (1447–1512) vermutet wird – vielleicht war es HansHieber (um 1470–1522). Der Baumeister griff fürseinen rechteckigen Hallenbau mit Seitenkapel-len auf Motive der italienischen Renaissance zu,mischte sie aber mit heimischen, „spätgoti-schen“ Elementen. Damit ist die Magdalenakir-che stilistisch mit der etwa gleichzeitig entstan-denen Fuggerkapelle vergleichbar. In den Jahren1716–24 wurde das Gotteshaus barockisiert.Das Jahr 1807 brachte das Ende des Dominika-

nerklosters, die Kirche wurde zum Salpeterlager,Baumagazin und Militärdepot umfunktioniert.Dabei wurde leider die vorzügliche Ausstattungversprengt. Zu ihr zählten Gregor Erharts (1470–1540) Magdalenaskulptur (um 1510, heute Paris,Louvre), der fragmentarisch erhaltene Fugger´-sche Bronzealtar (1581-84, heute Victoria and Al-bert Museum, London) von Hubert Gerhard(1540/50–1620) und Carlo Palagio (1538–98),Tintorettos (1518–1594) Altarblatt „Christus beiMaria und Martha“ (heute Alte Pinakothek Mün-chen) und eine große „Himmelfahrt Marias“(1631/32, heute Pfarrkirche Christkönig, Mün-chen-Nymphenburg) von Giovanni Lanfranco(1580–1647). Einige Ausstattungsstücke sindnoch in Augsburg zu sehen, wie der „Rehlinger-altar“ (1517, heute in der Staatsgalerie Altdeut-sche Malerei) der Malerfamilie Apt und die Ecce-homo-Statue (1630/31, heute im Dom) vonGeorg Petel (1601/02–1634). Erst 1913/16 rangsich die Stadt zu einer würdigeren Nutzung derKirche als Gemäldegalerie durch. Seit 1966 isthier das 1822 als „Antiquarium Romanum“ ge-gründete Römische Museum untergebracht.

Römisches Museum – EhemaligeDominikanerklosterkirche St. Magdalena Dominikanergasse 15

17

St. Magdalena, Blick zur Orgelempore

Magdalena-skulptur von Gregor Erhart„La belle Allemande“, Paris, Louvre

Page 34: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Architektur:

Der mächtige Baukörper mit steilem Dach liegthart am Abhang der Augsburger Hochterrasseund ragt hoch über dem Vorderen Lech auf. Hin-ter der wuchtigen Fassade zur Dominikanergas-se mit ihren Biforen und eingestellten Rundfens-tern sowie den beiden kielbogigen Portalenverbirgt sich eines der eigentümlichsten Raum-bilder Augsburgs. Irritierend ist die Zweischiffig-keit der hohen, überaus lichten Halle mit spitz-bogigem Kreuzgratgewölbe. Der Grundriss mitden demonstrativ gesetzten sieben Mittelsäulenverweist vielleicht auf die Jakobinerkirche inToulouse (zwischen 1246 und 1385), den Ur-sprungsbau der Dominikaner. Möglich wäreauch eine Anlehnung an den ebenfalls zweischif-figen Vorgängerbau von St. Ulrich und Afra.Kaum erkennbar ist die Vierung der Kirche imsechsten Joch. Sie schied das Laienschiff vomehemals abgeschlossenen Mönchschor. Zur Er-bauungszeit waren die Säulen noch schlanker,sie spannten schlichte Kreuzrippen auf. Die Sie-benzahl der Stützen ist sicher zeichenhaft undkönnte für die Gaben des heiligen Geistes ste-hen – schließlich verstanden sich die Dominika-ner als „Wahrheitskünder“.

32 Tag des offenen

Denkmals 2012

Heute überzieht feiner, hell gefasster Stuck vonFranz Xaver dem Älteren (1698–1763) und Johann Michael dem Jüngeren (1709–72)Feichtmayr Wände und Gewölbe, die Säulensind ummantelt und mit korinthischen Kapitellenversehen. Die Deckenbilder führte Alois Macknach Entwürfen Johann Georg Bergmüllers(1688–1762) aus. Sie zeigen die fünfzehn Ge-heimnisse des Rosenkranzes.

Ausstattung:

Auf eine Stiftung Kaiser Maximilians I. gehendie sogenannten „Vier Gulden Stain“ (1519/20)an den Längswänden zurück. Es sind marmo-rierte und bemalte Sandsteinepitaphe für KaiserMaximilian I., seinen Sohn König Philipp vonSpanien, Erzherzog Ferdinand sowie Kaiser KarlV., die durch ihre von Greifen getragenen Wap-pen repräsentiert sind. Die Autorschaft HansBurgkmairs für die fein dekorierten Gedenkstei-ne ist bisher nicht endgültig geklärt. Bei der Ba-rockisierung wurden sie mit Wappenaufsätzender Dominikanerpäpste versehen. In den Jochenzwischen den Gedenksteinen befinden sich seit-dem Oratorien.

Auch die vergitterten seitlichen Kapellen wur-den großteils barock verkleidet, die sogenannteRosenkranzkapelle (auch alte Sakristei, Stetten-oder Remboldsche Kapelle) zeigt mit freskierterScheinarchitektur noch eine ältere Fassung(16./17. Jahrhundert). Hier befindet sich darüberhinaus der Grabstein des Augsburger Humanis-ten und Stadtschreibers Konrad Peutinger († 1547). Das Museum birgt vor allem in Augs-burg gefundene römische Stücke wie den Pfer-dekopf (2. Jahrhundert nach Christus) eines Reiterstandbildes und zahlreiche Grabmäler.

St. Magdalena, Gedenkstein für KaiserMaximilian I.

St. Magdalena, Deckenfresko, Verkündigung an Maria

Page 35: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

33Tag des offenen

Denkmals 2012

Geschichte:

Das Schaezlerpalais ist der prunkvollste Wohn-hausbau des 18. Jahrhunderts in Augsburg unddient nunmehr den Kunstsammlungen und Mu-seen Augsburg als Domizil. 2004-2006 wurdedas Palais restauriert. Seinen heutigen Namenerhielt es von der Bankiersfamilie Schaezler, diedas Gebäude 1958 der Stadt Augsburg ver-machte, mit der Auflage, es kulturell zu nutzen.Die Schaezler kamen durch die Hochzeit von Johann Lorenz von Schaezler und der Tochterdes Bauherren Benedikt Adam Liebert von Liebenhofen in den Besitz des Rokoko-Palais.

Liebert hatte im Jahr 1764 das so genannte Sul-zersche Anwesen erworben, das am Weinmarkt,dem repräsentativsten Platz im Herzen Augs-burgs lag. Ein Jahr vorher war er in den Reichs-adelsstand erhoben worden und durfte sich „vonLiebenhofen“ nennen – entsprechend „größen-wahnsinnig“ geriet sein 1765–1770 errichtetesDomizil, das die Dimension einer veritablenStadtresidenz erreichte. Kein geringerer als einMünchner Hofarchitekt – Karl Albrecht (auch Albert) von Lespilliez (1723–96), ein Schüler desberühmten François de Cuvilliés (1695–1768)kam für Lieberts hochtrabende architektonischeAmbitionen in Frage.

Schaezler-PalaisMaximilianstraße 46

18

Architektur:

So entstand ein gewaltiger Bau mit Hauptfassa-de zum Weinmarkt, einem über 100m langemTrakt zur Katharinengasse, Wirtschaftshof undrückwärtigem Garten. Die auf den Herkulesbrun-nen gerichtete Schauseite ist durch einen Mittel-risalit mit flachem Dreiecksgiebel, zentralemHauptportal und Balkon im ersten Stock hierar-chisch gegliedert. Architekturdetails und Dekornehmen auf die Grundstruktur Bezug: Das„schöne Geschoß“ (bel étage) ist durch Seg-mentgiebel über den Fenstern hervorgehoben.

Kein anderes Augsburger Wohnhaus entsprichtin der Innendisposition so stark einem Adelspa-lais wie das Liebertsche. Im Erdgeschoß befan-den sich vor allem Wirtschafts- und Lagerräume,im ersten Stock die repräsentativen Gesell-schaftszimmer, im zweiten Obergeschoss dage-gen die Wohnräume. Als Grundprinzip diente dieAnordnung zu Enfiladen (Raumfluchten). In der

Schaezlerpalais, Festsaal, Zustand nach der Restaurierung

»bel étage« reihen sich die Suiten (Zimmergrup-pen) entlang eines begleitenden Gesindegangs,ehe das Raumprogramm in einem beinahe über-bordend geschmückten Spiegelsaal auf Höhedes Gartens kulminiert.

Lieberts Geltungsdrang fand insbesondere in derkünstlerischen Ausgestaltung seines Wohnhau-ses ein Ventil: Die Türen der Enfilade schmückenSupraporten von Joseph Christ (1731–88) mitden Metamorphosen des Ovid und Szenen ausder Geschichte Augsburgs. Ins elegante Stiegen-haus freskierte der zuvor in Wien tätige GregorioGuglielmi (1714–73) „Die sieben freien Künste“,der gleiche Künstler zeichnet auch für das gran-diose Deckenstück im Spiegelsaal verantwort-lich, auf dem das Geld (Merkur) die Welt (die vierdamals bekannten Kontinente) regiert. Liebertnennt Guglielmi zudem als geistigen Urheberdes „ganzen Dessin von dem Saal“ wobei seineAutorschaft nicht gesichert ist – Lespilliez kämehierfür ebenso in Frage. Jedenfalls ist die Prachtder Schnitzereien von Placidus Verhelst (1727–78), der Stuckaturen von den Brüdern Feicht-

Page 36: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

34 Tag des offenen

Denkmals 2012

Schaezlerpalais, Bildprogramm des Festsaales

mayr sowie der Supraporten von Sophonias deDerichs (1712–1773) oder Francesco Londonio(1723–1783) überwältigend. Das Dekor mit Mu-schel- und Rankenwerk, den Symbolen der Jah-reszeiten, Gestirne und Elemente dient zudemals durch Künstlerhände gestaltetes Abbild desUniversums.

Im Glanz der Spiegel weihte Marie Antoinetteauf ihrer Brautreise von Wien nach Paris denFestsaal ein, ließ die Kinder Lieberts sogar zum

Handkuss zu und zeigte sich angetan von denvorgeführten Augsburger Trachten. Beinahenoch erstaunlicher als der gebaute Größen-wahn Lieberts, der mit Guglielmi und Lespilliezganz gezielt auf Hofkünstler der Habsburgerund Wittelsbacher setzte, ist die Tatsache, dassder Festsaal die Wirren der Augsburger Stadt-geschichte, ja sogar die Bombardements desZweiten Weltkriegs unversehrt überstanden hat –kein Festsaal des Rokoko in Bayern ist so um-fassend konserviert.

A Frühling

B Sommer

C Herbst

D Winter

I Afrika

II Amerika

III Asien

IV Europa

1 Merkur

(Handel)

2 Fama

(Ruhm)

3 Chronos

(Zeit)

4 Afrika

5 Asien

6 Amerika

7 Europa

8 Liebert-

Wappen

a Widder

b Stier

Venus

Freitag

Kupfer

c Zwillinge

Sonne

Sonntag

Gold

d Krebs

Merkur

Mittwoch

Quecksilber

e Löwe

Jupiter

Donnerstag

Zinn

f Jungfrau

g Waage

Saturn

Samstag

Blei

h Skorpion

Mars

Dienstag

Eisen

i Schütze

Mond

Montag

Silber

j Steinbock

k Wassermann

l Fische

AI II

IV

a

l

b

c

d e

f

g

h

i

jk

BIII D

6

73

2

45

8

1

C

Page 37: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

35Tag des offenen

Denkmals 2012

Geschichte:

In der Ära des Stadtbaurates Otto Holzer (1874–1933) wurden zahlreiche Schulneubauten reali-siert, unter anderem das 1918 errichtete Schul-haus im 1910 eingemeindeten Stadtteil Mehrin-gerau. Dort waren, im Umfeld der Spinnerei undWeberei Haunstetten und weiterer Industriebe-triebe Koloniehäuser entstanden, so dass aucheine Schule nötig wurde. Im 19. Jahrhundert er-kannte man die Alphabetisierung breiter Bevöl-kerungsschichten als Schlüssel, die gesellschaft-liche und wirtschaftliche Entwicklung voran zutreiben. Nach 1900 wurden neben dem Lesen,Schreiben und Rechnen als Auswirkung auf dieReformüberlegungen des zeitweilig in Augsburgtätigen Georg Kerschensteiner (1854–1932) auchTurnen und freies Zeichnen gefördert. Ziel warnun eine „ganzheitliche“, „kindgerechte“ Ent-wicklung. Solche Gedankenspiele schlugen sichauch im Schulbau nieder, der zunehmend „hei-matliche“ Bauformen annahm und zum Beispiel

mit Märchenmotiven geschmückt wurde. Ähnli-ches lässt sich am Siebenbrunner Schulhaus be-obachten. Nachdem 1978 ein Teil Siebenbrunns,die sogenannte „untere Mehringerau“ aus Trink-wasserschutzgründen abgebrochen wurde, wur-de die Volksschule überflüssig. 1989 richteteFranz Sauter hier ein Waldmuseum ein, 1996diente das Gebäude zudem einer Schule zur indi-viduellen Lernförderung. Nachdem beide Einrich-tungen ausgezogen waren, wurde das Gebäudein jüngster Zeit vorbildhaft saniert.

Architektur:

Otto Holzer errichtete einen zweistöckigen Baumit drei Flügeln und einem Mansardendach, aufdem ein Uhrtürmchen mit heimischer Zwiebel-haube sitzt. Erker, Gesimse, Putzgliederung undunterschiedliche Fensterformen verleihen der Ar-chitektur einen gemütvollen Anstrich. Zwei Trep-penarme führen zu dem vorspringenden Ein-gangsbereich mit zentral gesetzter Inschrifttafelhinauf. Im Innern liegen übereinander zwei groß-zügige, rechteckige Vestibüle mit abgeschrägtenEcken und einfachen Decken-Stuckleisten. In diemehreckigen Fensternischen der oberen Hallesind Holzbänke eingebaut. Rückwärtig schließtsich das zentrale, von Lang- und Ovalfenstern be-lichtete Treppenhaus an. Gedrechselte Holzba-luster und schmiedeeiserne Gitter sorgen für einerepräsentative Note. Die Klassenzimmer, eineTurnhalle und sanitäre Anlagen befinden sich inden Seitentrakten. Im Erdgeschoss des nördli-chen Flügels richtete Holzer zudem eine Lehrer-wohnung ein.

Schulhaus SiebenbrunnSiebenbrunner Straße 2

19

Schulhaus Siebenbrunn,Treppenhaus, 2011

Page 38: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Die Geschichte der Straßenbahn in Augsburgreicht bis 1880 zurück, als eine „AugsburgerTrambahn AG“ gegründet wurde. Bereits einJahr später nahm eine Pferdebahnlinie vom Per-lachturm über den Königsplatz zum Hauptbahn-hof den Betrieb auf; weitere sollten folgen. 1898wurde die Elektrifizierung des Straßenbahnbe-triebs durch die Firma „Schuckert & Co“ voran-getrieben, die zwei Jahre später die „AugsburgerElektrische Straßenbahn AG“ gründete. Deshalbwar der Bau einer Straßenbahnzentrale (Betreib-shof I) am Senkelbach notwendig. 1908 ging derStraßenbahnbetrieb mit der Gründung der städti-schen Verkehrsbetriebe in kommunale Regieüber, seit 1916 wurde er durch die „Lech-Elektri-zitätswerke“ mit Strom versorgt. 1921 entstand

hierfür sogar ein eigenes Wasserwerk am Wert-achkanal (Schießstättenstraße 9). Als 1920 eingroßer Betriebshof an der Baumgartnerstraße 9gebaut wurde, wurde der alte Betriebshof I bis indie 1960er Jahre als Depot weitergenutzt. Da-nach wechselten die Nutzungen, unter anderemwurde hier eine Restaurierungswerkstatt für dieAugsburger Brunnenbronzen eingerichtet.

Architektur:

Die ehemalige Straßenbahnzentrale besteht ausmehreren Bauten, die sich entlang des Senkel-bachs erstrecken. Direkt an der Wertachstraßeliegt das Verwaltungsgebäude mit seinen auf-wändig gestalteten Fassaden aus roten und gel-ben Sichtziegeln. Der rechteckige Bau erscheintdurch Risalite (Vorsprünge) mit geschwungenenGiebeln, einen Eckerker mit steilem Helm undDachgauben mit spitzen Aufsätzen äußerst ma-lerisch. Die Fenster sind von Rund- und Seg-mentbogen mit Schlusssteinen überfangen. ImJahr 1936 wurde zur Straße ein niedriger Anbauerrichtet, der die vordere Schmalseite entstellt.Nördlich sind an das Verwaltungsgebäude einTrakt für Werkstätten sowie ein Kesselhaus mitKamin angefügt. Im Werkhof liegt eine basilikaleWagenhalle, die nach Beschädigungen 1944vereinfacht wiederaufgebaut wurde. Weiter nachNorden zur Emilienstraße schließt sich ein Ma-schinenhaus an, in dem sich Dampfmaschinen,später auch Dieselmotoren zur Stromerzeugungfür den elektrischen Straßenbahnbetrieb befan-den. Das hallenartige Gebäude ist mit Blankzie-geln verblendet und durch große Rundbogen-fenster gekennzeichnet.

Ehemalige Straßenbahnzentrale am SenkelbachWertachstraße 29, 29a

20

36 Tag des offenen

Denkmals 2012

Ehemalige Straßenbahnzentrale,Gebäude am Senkelbach, 2012

Page 39: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

37Tag des offenen

Denkmals 2012

Geschichte:

Die Kirche entstand vermutlich aus einer Vorhal-le der dahinter liegenden Klosterkirche St. Ulrichund Afra. Diese Halle wurde 1457 für den Ge-meindegottesdienst umgebaut und später vonden Protestanten genutzt. Im 16. und 17. Jahr-hundert versuchte man den Saalbau durch klei-nere Eingriffe der protestantischen Liturgie anzu-passen. Nach Beschädigungen 1710 erfolgteunter Max Loeser (1657–1722) ein kompletterUmbau. Als Vorbild diente Evangelisch Heilig-Kreuz. Die letzte Restaurierung der Kirche konnte2007 abgeschlossen werden; dabei wurde dieweiß-graue Fassung der Außenfronten wieder-hergestellt.

Architektur:

Der mächtigen katholischen Kirche St. Ulrichund Afra im rechten Winkel vorgelagert, zeigtdas protestantische Gotteshaus mit der Fassadezur Maximilianstraße. Die Schaufront weist einPilaster-gerahmtes Hauptportal mit gesprengtemSegmentgiebel, zwei Seitenportale sowie Recht-ecksfenster mit geohrten Rahmen auf. Darüberliegen fünf große Segmentbogenfenster, die di-rekt an das Hauptgesims stoßen. Im Volutengie-bel sitzen eine Uhr mit kräftigem Rahmen undzwei Ovalfenster. Palmzweigartige Abdachungenleiten zu dem sechseckigen Giebeltürmchen mitPilastergliederung und krönender Zwiebelhaubeüber. Der rechteckige Raum mit der von einemStuck-Vorhang gerahmten Nische für Altar undOrgel war ursprünglich von einer flachen Holzde-cke überfangen, die aber um 1710 durch die bisheute erhaltene flache Tonnendecke ersetzt wurde.

Evangelisch St. UlrichUlrichsplatz 21

21

Evangelisch St. Ulrich, Innenraum, um 1960

Page 40: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Evangelisch St. Ulrich, Detail der Stuckdecke,2012

Ausstattung:

Matthias Lotter (1660–1743) hatte die heikleAufgabe, den feinen Régence-Stuck nach Ent-würfen des Goldschmieds Abraham Drentwett(† 1727) über die gesamte Fläche zu verteilen –ohne dass eine Orientierung an Architekturglie-dern oder einem Fresko möglich gewesen wäre.Er löste das Problem, indem er symbolische Dar-stellungen in gerahmte Felder und Kartuschensetzte und dadurch von den umgebenden Ran-ken, Blumen, Wolken und Engelköpfen absetzte.Die Ikonografie umfasst das Auge Gottes (=AltesTestament), den Namen Jehova (= Das Opfer desNeuen Testaments), einen musizierenden Engel,

das Lamm Gottes sowie die Taube des HeiligenGeistes in den großen Feldern, in den kleinendagegen Rauchfässer (= Gebet), Psalmen (= Lobgesang), Palmzweige (= Guter Kampf) so-wie Kreuz und Krone (= Ewige Belohnung). MitÖllampe (= Glaube), Taubenpaar (= Liebe), Herz(= Geduld) und Anker (= Hoffnung) sind dieKartuschen gefüllt. In der Voute (= Wölbung)sieht man Bildnisse Christi, Mariä und derzwölf Apostel. Neben der Decke ist der Raum von hölzernenEinbauten in schweren Architekturformen be-stimmt: Die im Norden, Osten und Süden um-laufende Empore ist mit 26 Leinwandbildernaus dem Alten Testament (um 1680) von Franz Friedrich Franck (1627–1687) und Ernst PhilippThomann von Hagelstein (1657–1726) verse-hen. Der Altaraufbau (1693) mit korinthischenSäulen und gesprengtem Segmentgiebel bildetmit dem dahinter auf einer weiteren Emporeliegenden, Akanthus geschmückten Orgelge-häuse eine Einheit. Vermutlich zeichnet DanielScheppach (1660–1729) für die Schnitzarbeitenverantwortlich; das qualitätsvolle, Altarblatt(1693) mit dem Abendmahl lieferte JohannHeiss (1640–1704). Besonders prächtig – ihrerBedeutung im protestantischen Gottesdienstentsprechend – ist die Kanzel (um 1710) vonDaniel Scheppach. Der Korb ist mit den Evan-gelisten und ihren Symbolen (Matthäus mit Engel, Markus mit Löwe, Lukas mit Stier, undJohannes mit Adler) in Muschelnischen be-setzt. Seitlich auf dem Schalldeckel sitzen Put-ten, die Gesetzestafeln, Evangelien, die Augs-burger Konfession und die WittenbergerKonkordie tragen, darüber stehen Johannes derTäufer und das Lamm Gottes. Die Qualität die-ser Skulpturen legt eine Zuschreibung an Ehr-gott Bernhard Bendl (um 1660–1738) nahe.

St. Ulrich besitzt, wie die anderen protestanti-schen Kirchen Augsburgs auch, einen überausreichen und hochwertigen Bestand an Tafelbil-dern von Meistern wie den bereits genanntenFranz Friedrich Franck, Ernst Philipp Thomanvon Hagelstein und Johann Heiss sowie darü-ber hinaus unter anderem von Johann HeinrichSchönfeld (1609–84) und Isaak Fisches dem Älteren (1638–1706).

38 Tag des offenen

Denkmals 2012

Page 41: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Das Grab der 304 bestatteten heiligen Afra zähltzu den ältesten christlichen Wallfahrtsstättennördlich der Alpen, bereits um 565 berichtetVentianus Fortunatus davon. Eine erste Architek-tur entstand wohl schon im 4. Jahrhundert überdem Grab der Afra. Es folgten stetig Umbautenund Erneuerungen. Bedeutende Persönlichkei-ten, allen voran der heilige Simpert († 809) undder heilige Ulrich († 973) ließen sich in der Nähedes Afragrabes bestatten. Schon Ende des 8. Jahr-hunderts war ein Kanonikerstift gegründet wor-den, das zu Beginn des 11. Jahrhunderts demBenediktiner-Orden eingegliedert wurde. 1187entstand eine Doppelkirche mit Ostturm – diesganz bewusst, denn der Sakralbau diente nunganz augenscheinlich als Gehäuse für die Gräbervon Afra und Ulrich. Das romanische Gotteshausschien den Benediktinern im späten 15. Jahr-hundert wohl nicht mehr zeitgemäß. 1467 wurdeein gewaltiger Neubau unter der Leitung von Valentin Kindlin (tätig in der 2. Hälfte des 15. Jahr-hunderts) begonnen, dem vielleicht Entwürfevon Hans von Hildesheim zugrunde lagen. Nachdem teilweisen Einsturz des Langhauses 1475führte Burkhard Engelberg (1447–1512) die Arbeiten bis zu seinem Tod 1512 fort. Er erlebtedie Weihe des Langhauses und die Grundsteinle-gung des Chores im Beisein Kaiser Maximilians I.und konnte ab 1506 die beiden geplanten Türmein Angriff nehmen. Aufgrund der Bedeutung vonSt. Ulrich und Afra für die Habsburger – glaubtensie sich doch als Vetter der Augsburger Stadthei-ligen – wurde die Kirche „Reichsgotteshaus“ ge-nannt. Ein bereits begonnenes ReiterstandbildKaiser Maximilians I. in oder vor der Kirche wur-de nie vollendet.

Hans König führte die Arbeiten an St. Ulrich undAfra ab 1514 fort, allerdings wurde die Bautätig-keit 1526 eingestellt und erst 1560 wieder aufge-nommen. Mittlerweile war die Innenausstattungdes Langhauses dem Bildersturm (1537) fastgänzlich zum Opfer gefallen. Durch Stiftungen,insbesondere der Fugger, die hier Grabkapelleneinrichten ließen, konnte die Kirche wieder reichausgestattet werden. 1577 wurde das Klosterdurch Kaiser Rudolf II. gar reichsunmittelbar,1643 bestätigte auch der Augsburger Bischofden Rang als Reichsabtei. Um 1600 kamen dieBauarbeiten wieder ein Schwung: 1594 führtenKonrad und Jakob Stoß sowie David Spatz einen

der Türme zum Abschluss, 1601 folgten Sakristeiund Marienkapelle, zwei Jahre später konnte derChor gewölbt werden, 1607 wurde die Orgelem-pore vollendet. An die Sakristei fügte man 1698noch die Allerheiligenkapelle, 1762 wurde dieUlrichsgruft neu gestaltet. Im Jahr 1802 wurdedas Kloster verstaatlicht und als Kaserne ge-nutzt, die Kirche wurde zur Pfarrkirche. Das 19.Jahrhundert brachte dem Sakralbau den Verlustmehrerer Seitenaltäre. Während die ehemaligenKlostergebäude im Zweiten Weltkrieg schwergetroffen und später fast in Gänze abgebrochenwurden, blieb die Kirche weitgehend unversehrt.Ihre Schäden wurden 1946-52 behoben, 1962wurde eine Unterkirche für die Grufträume derHeiligen Afra und Ulrich eingebaut. Schließlichunterzog man den Kirchenbau 1987–1990 und2007–11 durchgreifenden Restaurierungen. 2004wurde die so genannte Heiltumskammer für denKirchenschatz eingerichtet.

39Tag des offenen

Denkmals 2012

St. Ulrich und AfraUlrichsplatz 23

22

St. Ulrich und Afra, Blick zu den Altären, um 1920

Page 42: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Architektur:

Gemeinsam mit der Evangelischen Ulrichskirchebildet der hart am Abhang der Augsburger Hoch-terrasse gelegene, monumentale Bau von St. Ulrich und Afra eine vielgestaltige Architektur-gruppe von markanter Wirkung. Das steile Got-teshaus ist streng basilikal aufgebaut undkommt ganz ohne Strebebögen aus. Die Back-steinwände sind verputzt und weiß gefasst, nuran wenigen Stellen wie Pfeilern, Portalen oderFenstern kam Natrustein zum Einsatz. Nach Außen ist das Querhaus anhand großer Schweif-giebel erkennbar. Zwischen den Türmen, von denen nur der nördliche mit charakteristischemachteckigem Aufsatz und Zwiebelhaube vollen-det wurde, ragt der lange Chor mit 5/8 Schlussauf. Die Form der Basilika war um 1500 nicht dieaktuellste, weit und breit entstanden lichte Hal-lenkirchen. Vermutlich wählten die Benediktinerdiese „konservative“ Bauform indes ganz be-wusst, um die lange Geschichte des Ortes zuspiegeln. So sachlich die Architektur im Großenwirkt, so überbordend sind einige Bauteile wiezum Beispiel das einem Baldachin gleichendeNordportal (1497, 1881 und 1970 vollständig er-neuert). Auch das Innere wirkt in Grundriss undWandaufbau absolut ebenmäßig. Die Dienstescheinen ein Netz- und Sterngewölbe aufzu-spannen, wobei die Rippen statisch gar nichtmehr nötig gewesen wären, also reiner Schmucksind. Anstelle eines Laufgangs, wie er in franzö-sischen Kathedralen zu sehen ist, setzen sich inSt. Ulrich und Afra die Fenster des Hauptschiffesals Nischen mit vorgeblendetem Maßwerk nachunten fort. Die Vierung ist deutlich breiter als dieacht Joche (Abschnitte) des Langhauses, aberdie Arme des Querhauses ragen nicht über dieSeitenschiffe hinaus. Dendrochronologische Un-tersuchungen am mächtigen Dachstuhl ergabenein Fällungsdatum von 1486 im Lang- und 1518im Querhaus.

Vier kleine Kapellen, Benediktus, Simpertus, An-dreas und Georg geweiht, sind im Süden an denHauptbau angefügt. Architektonisch besondersauffällig ist der 1492/96 entstandene, fast barockhervor schwingende Baldachin über dem Grabdes heiligen Simpert, ein Schaustück für dieSteinmetzkunst Burkhard Engelbergs. Im Nor-den liegen größere Anbauten, die Antonius- undBartholomäuskapelle sowie die Sakristei mit an-gefügter Allerheiligenkapelle. Über der Sakristeiliegt zudem die Marienkapelle (im Volksmund„Schneckenkapelle“, benannt nach der Schne-cken- oder Wendeltreppe, die als Zugang dient).

Ausstattung:

Aus der Spätgotik blieben nach dem Bildersturmnur wenige Stücke erhalten. Hier seien zwei ge-nannt, die monumentale geschnitzte Madonnen-statue (1495–1500) von Gregor Erhart (1470–1540) sowie der stark an gleichzeitige altnieder-ländische Malereien gemahnende Triptychon mitder Ulrichslegende (um 1450–55) eines nach die-sem Bild benannten Meisters. St. Ulrich und Afraweist aber insbesondere eine herausragendeAusstattung auf, die stilistisch zwischen demManierismus und dem Barock changiert. So wur-den die Benediktus-, Andreas-, Georgs- und Bar-tholomäuskapelle von den Fuggern OctavianusSecundus (1549–1600), Markus (1529–97),Georg (1518–69) und Philipp Eduard (1546–1618)seit den 1580er Jahren als Grabkapellen genutztund prachtvoll ausstaffiert. Vor der Andreas- undSimpertuskapelle entstand zudem eine auffälligeArkadenwand mit Terrakottafiguren Christi undder zwölf Apostel von Hubert Gerhard (1540/50–um 1620) und Carlo Pallagio (1538–98). Eine wei-tere Fuggerkapelle, die des Jakob III. ist durchein prachtvolles, erst 2009 wieder aufgestelltesGitter (1588) von Hans Metzger eingefasst. Auchdie anderen ausführenden Künstler, darunterWendel Dietrich (1535–1622), Peter Candid(1548–1628), Friedrich Sustris (1540–99) undHans von Aachen (1552–1615) gehörten zu denberühmtesten ihrer Zeit – sie waren später fürden bayerischen Herzog oder auch für den kai-serlichen Hof in Prag tätig. Bruno Bushart zähltdie Ausstattung der Fuggerkapellen an St. Ulrichund Afra zu den „Inkunabeln der nachreformato-rischen Kunst in Augsburg“.

Etwas später entstanden die riesigen Altäre (be-zeichnet 1604), die vielleicht nach EntwürfenHans Krumppers (um 1570–1634) von Hans Deg-ler (1564–1635) geschnitzt und von Elias Greitherdem Älteren (1565/70–1646) gefasst wurden. Einerseits ähneln sie mit ihren schreinartigenSzenerien und durchbrochenen Rahmen den gro-ßen spätgotischen Wandelaltären, anderseitswirkten sie in ihrer monumentalen, architekto-nisch gedachten Grundkonzeption für viele baro-cke Altäre Süddeutschlands vorbildlich. Denn derGottesdienst war erst seit dem TridentinischenKonzil (1545–63) auf den Hochaltar ausgerichtet,und musste damit auch von der Ferne wirken.Das Bildprogramm der Altäre kreist um die dreihohen katholischen Feste: Weihnachten amHauptaltar, Ostern am rechten, zusätzlich demheiligen Ulrich gewidmeten Seitenaltar undPfingsten am linken Afra-Altar. Zahlreiche weitereHeilige und Engel bevölkern die Nischen und Ge-simse. Wie die Schnitzaltäre entstammt auch dieKanzel den Händen Hans Deglers. Wiederum lie-ferte vielleicht Hans Krumpper die Pläne.

40 Tag des offenen

Denkmals 2012

Page 43: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Vor den Schnitzaltären steht in der Vierung derbronzene Kreuzaltar (1605) von Hans Reichle(um 1570–1632). Die Figuren von Maria, MariaMagdalena und Johannes unter dem hochragen-den Kruzifix sind mit affektgeladenen Gebärdenund geknitterten Gewändern auf Fernwirkungbedacht, während am Körper Christi Schlankheitund Ebenmaß betont sind. Auch das marmorne,von zwei Bronzeputten und einem Baluster ge-tragene Weihwasserbecken (1608) wird HansReichle zugeschrieben.

Nach dem Vorbild der Fuggerkapelle bei St. An-na entwarf Johann Matthias Kager (1575–1634)ein Gehäuse für die große Orgel (1607–08), dasPaulus (III) Maier schnitzte. Die Orgelflügel be-malte Kager mit den Himmelfahrten Christi undMarias. Einer späteren Ausstattungsphase ent-sprang das äußerst effektvolle Abschlussgitter(1712) von Ehrgott Bernhard Bendl (1660–1738)im Westen, dessen Eichenholzrahmen perspekti-vische Eisenstäbe bergen. Die Unterkirche nimmt sowohl den spätantikenSarg der Afra als auch die von Placidus Verhelst(1727–um 1778) in zierlichem Rokoko-Dekor ge-schmückte Grabkapelle (1762–65) Ulrichs auf.

Allerheiligenkapelle:

Architekt dieser Kapelle auf quadratischemGrundriss mit abgerundeten Ecken (1698 vollen-det, geweiht 1705) war wahrscheinlich GeorgPaulus der Ältere. Der kleine Raum öffnet sichzur Sakristei wie ein Theater – mit Stuckvorhangvon Matthias Lotter (1660–1743) – und ist üppigmit Dekor von Ehrgott Bernhard Bendl sowie einer gemalten Scheinkuppel von Johann GeorgKnappich (1637–1704) ausgestattet. Das Raum-bild gehört sicher zu den merkwürdigsten inAugsburg, denn der Säulenaltar von JohannGeorg Schmierer rahmt neben einem Altarblattmit der Kreuzigung verglaste Reliquienschreine –Zeugnis der blühenden Heiligenverehrung in derBarockzeit.

Marien- oder Schneckenkapelle:

Durch die rechteckige Sakristei mit polygonalemSchluss gelangt man über eine Wendeltreppe indie darüber liegende, im Grundriss identischeMarien- oder Schneckenkapelle. Die Ausstattungder beiden Räume ähnelt sich ebenfalls: Die Ton-nengewölbe sind stuckiert beziehungsweise mitOrnamenten aus Terrakotta versehen. Im Chorder Kapelle ragt ein riesiger, 1570/71 durch Pau-lus II. Mair (um 1540–1615/19) gefertigter Wan-delaltar auf. Er entstand im Auftrag des Abtes Jakob Köplin und diente zunächst als Hauptaltarvon St. Ulrich und Afra. Das Retabel (Altarauf-satz) zeigt bewusst die damals völlig veraltete

Formensprache der Zeit vor der Reformation –die Auswirkungen von Protestantismus und Bil-dersturm sollten damit zumindest optisch ausge-blendet werden. Zu sehen sind Maria, umgebenvon Afra und Katharina und knieendem Stifter.Seitlich stehen Ulrich und Konrad. Der Auszugist von der Taufe Christi, Gottvater, Christus Sal-vator und Engeln bestimmt, die Predella dage-gen von Sitzfiguren der Heiligen Simpertus, Ja-kobus maior und Narzissus. Darstellungen derVerkündigung, der Geburt Christi, der Anbetungder Könige und der Darbringung im Tempel be-setzen die Flügelinnenseiten, Außen sieht mandie Johanneslegende.

41Tag des offenen

Denkmals 2012

Gesprenge

Auszug

Masswerk

Flügel

Predella

Mensa

Schrein

Schneckenkapelle, Altarretabel, Zeichnung 2012

Page 44: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Der Stadel wurde im Jahre 1683 für das Bene-diktinerkloster St. Ulrich und Afra errichtet undzählte zu einem auf dem Stadtplan (1626) vonLukas Kilian als „Mairhof von St. Ulrich“ be-zeichneten Areal. Das Erdgeschoss diente alsPferdestall, das Obergeschoss als Lagerraum.Nach der Säkularisierung des Klosters (1802)nutzte die Kavalleriekaserne den Stadel für dasReiterregiment der „Chevaulegers“ als Stall.Nachdem der Stadel bis in die 1970er Jahre hinein noch als Lager gedient hatte, war dieBausubstanz in einem bedenklichen Zustand.Sämtliche Funktionsbauten des ehemaligen„Mairhofes“ mussten schließlich abgebrochenwerden. Dagegen konnte die Architektur desStadels regeneriert werden. 1983–85 erfolgte dieSanierung durch das Architekturbüro Kunz imAuftrag der 1971 gegründeten Freien Evangeli-

schen Gemeinde Augsburg-Mitte. Diese nutztdas Bauwerk seither als Sakralraum und Gemein-dezentrum.

Architektur:

Es handelt sich um einen Rechtecksbau mit Putzfassaden und steilem Satteldach. Das Erd-geschoss birgt heute Gruppenräume und den Gemeindesaal mit Taufbecken. Die Überreste des Pferdestalles wurden mit in die neuen Räu-me einbezogen. Darüber finden im Dachstuhl die Gottesdienste statt, wobei die Kehlbalken-Konstruktion mit versteifenden Andreaskreuzensichtbar ist. Einer der Sparren trägt die einge-schnitzte Datierung 1683.

42 Tag des offenen

Denkmals 2012

UlrichsstadelUlrichsgasse 3

23

Ulrichsstadel, Dachstuhl

Page 45: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Die Zentrale der städtischen Wassserversorgungwar bis 1879 der Werkhof des Brunnenmeistersam Roten Tor. 1412 wurden an dieser Stelle einerstes Pumpenwerk errichtet und mehrere Lei-tungen verlegt, die zu den öffentlichen „Röhr-brunnen“ führten. Der Brunnenmeister Hans Fel-ber verbesserte ab 1416 das Leitungssystemerheblich, ausgehöhlte Föhrenstämme wurdenin den Untergrund gelegt und beim Roten Torein hölzerner Turm mit „ain Kasten darauf, derdas Wasser in sich fasset“ errichtet. Für die Was-serzufuhr war durch den Brunnenbach gesorgt.Der Werkhof am Roten Tor wurde stetig erwei-tert, umgebaut und technisch auf den neuestenStand gebracht. Auch an anderen Stellen in derStadt richtete man neue Brunnenwerke ein. Be-reits 1558 konnte jeder Bürger einen Anschlussan das öffentliche Wasserleitungssystem erwer-ben, daneben gab es weiterhin öffentliche Fließ-wasserbrunnen, deren Nutzung kostenlos war.Als im 19. Jahrhundert die Bevölkerungszahlstark anwuchs, waren die wasserbaulichen Anla-gen aus reichsstätischer Zeit der sprunghaft stei-genden Nachfrage nach Leitungswasser nichtmehr gewachsen. Nach mehreren Cholera-Epi-demien, die durch verunreinigtes Trinkwasserausgelöst worden waren, verabschiedete der

Magistrat 1878 eine „Wassersatzung“, die denAnschluss an neue Leitungen für alle Anwesenvorschrieb. Das Wasser sollte nun direkt ausdem Grund des Siebentischwaldes gewonnenwerden. 1878–1879 wurden deshalb ein moder-nes Rohrnetz und ein neues Wasserwerk amHochablass gebaut, das die Wassertürme amRoten Tor als „Schaltzentrale“ ablöste.

Bauten:

Der Werkhof des Brunnenmeisters besteht auseinem Wohnhaus, dem Werkstattgebäude ander Stadtmauer sowie drei Wassertürmen. Diebis heute gut erhaltene Anlage zählt sicher zuden herausragenden Denkmalen der europäi-schen Technikgeschichte. Die geschmückte Ar-chitektur aller Bauten auf dem Gelände verdeut-licht den Rang, der dem Brunnenmeister als demHerrn über das Wasser beigemessen wurde.Direkt am Brunnenbach, über eine Brücke er-reichbar, steht das Obere Brunnenmeisterhausfür die Dienstwohnung, ein Mansarddachbaumit feiner Putzgliederung. Auf die Profession desBewohners spielt auch die geschnitzte Tür mitzwei kleinen Mischwesen aus Mensch und Fisch(Tritone) an, seitlich sind zwei Wasserspeier inFischform angebracht.

43Tag des offenen

Denkmals 2012

Wassertürme am Roten Tor undWerkhof des BrunnenmeistersAm Roten Tor 1

24

Wassertürme am Roten Tor, um 1910

Page 46: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Direkt vom Wohnhaus aus sind die zwei ange-bauten Wassertürme zu erreichen. Vorläufer desgroßen Wasserturms war das von Hans Felber1416 errichtete Bauwerk aus Holz. Später erfolg-ten mehrere Erneuerungen, 1669 wurde derquadratische Turm um einen achteckigen Bau-körper mit kräftig gerahmten Rechtecksfensternund darüber liegenden Ochsenaugen aufge-stockt. Durch die Erhöhung sollte in erster Liniedie Druckhöhe vergrößert werden. Die hölzerneBalustrade der Dachterrasse (Altane) wurde1746 durch eine steinerne ersetzt. Wasserräderund Pumpen im Erdgeschoss erzeugten den not-wendigen Druck zum Hochpumpen. Das Was-serbecken im obersten Stock speisten vier heutenicht mehr erhaltene Aufstiegsröhren, die durchalle Etagen reichten, weshalb Teile der Deckendurchbrochen sind. Ein dickeres Ablaufrohr führ-te seitlich durch die Geschosse. Über das hölzer-ne Treppenhaus (bezeichnet am Mittelpfeiler1726 oder 46) gelangt man nach oben in dieBrunnenstube, wo bereits der reichsstädtischeBrunnenmeister mehrere Modelle und Schauta-feln präsentierte. Sie sind heute zum Teil wiederzu sehen.

44 Tag des offenen

Denkmals 2012

Großer Wasserturm, Schnitt, 2012

Mit seinem größeren Pendant verbunden ist derKleine Wasserturm, der 1470 über quadrati-schem Grundriss errichtet wurde. Im Jahr 1559setzte Bernhard Zwitzel (1486–1570) zweisechseckige Geschosse darauf. Weil die Bewe-gungen der Pumpen den Unterbau erschütter-ten, war zur statischen Sicherung ein seitlicherStrebepfeiler notwendig. Ein weiteres Oberge-schoss sowie eine kupferne Kugel-Haube wur-den 1672 errichtet. Die Architekturmotivik –Rustika, Triglyphengebälk und Dreiecksgiebel –erinnert wie die des Großen Wasserturms anBauten Elias Holls (1573–1646). Der berühmtes-te aller Augsburger Brunnenmeister, CasparWalter (1701–1769), baute 1744 eine hölzerneWendeltreppe zum obersten Raum mit seinerStuckdecke von Matthias Schmuzer dem Jünge-ren (1634–86) ein. Der sechseckige Wasserbe-hälter mit den Aufstiegs- und Fallrohren ist nichterhalten, sichtbar sind aber noch die Ausspa-rungen in den Decken für das Leitungssystem.

Im Werkhof lehnt sich das Untere Brunnenmeis-terhaus direkt an die Stadtmauer an. Es bestehtaus einem Hauptflügel mit Walmdach und Uh-rengaube und einem schmalen Seitentrakt mitPultdach. Im Innern lag die Werkstatt. Die fres-kierte Fassadengliederung geht auf einen Ent-wurf von Christian Dominikus Erhart (1731–1805) von 1777 zurück.

Etwas abseits steht an der Außenmauer des Heilig-Geist-Spitals der Kasten- oder Neue Spitalturm, ein Wehrturm, der 1599 um einWasserreservoir ergänzt wurde: Man stocktedas zylindrische Bauwerk um zwei sechseckigeGeschosse mit abschließender hölzerner, seit1703 steinerner Balustrade auf. Fassaden undInnendisposition ähneln den beiden anderenWassertürmen. Eine Besonderheit ist jedochCapar Walters eingebaute doppelläufige„Schnecken-Stiege“ (1742 datiert und signiert)bei der laut Aussage des Brunnenmeisters zweiPersonen „à parte diß- und jenseits hinauf ge-hen“ können. In der Brunnenstube ergoss sichdas Wasser aus der Schnecke des Brunnenjüng-lings (1599, heute im Maximilianmuseum) vonAdriaen de Vries (1545/56–1626).

Page 47: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Feldseitig ist an den Unterbau ein niedriges Vor-tor mit korbbogigem Einfahrtsportal und Stich-kappengewölbe gefügt. Auf der stadtseitigenFront, über der spitzbogigen Durchfahrt, liegt ei-ne Figurennische, die von einer Ädikula (=Haus)eingefasst ist. Im 17. Jahrhundert stand hier einevon Hans Reichle (um 1570–1642) gefertigte Ma-donnenstatue; die heutige Muttergottesfigur kre-ierte 1849 Joseph Otto Entres (1804–70), auf ih-rem Sockel ist eine Widmungsinschrift an KönigLudwig I. von Bayern zu lesen. Über das seitlichangebaute Fragment des Wehrgangs sind die In-nenräume erreichbar. Zu sehen ist zum Beispieleine spätmittelalterliche Rauchküche.

45Tag des offenen

Denkmals 2012

WertachbruckertorWertachbrucker-Tor-Straße 14

25

Wertachbrucker Tor, Zeichnung, 2006

Geschichte:

Die mittelalterliche Toranlage wurde um 1370umfangreichen Reparaturen unterzogen. 1519errichtete man eine „Backofenwall“ genannteBastion, die 1551 erweitert wurde. Schließlichbaute Elias Holl den Torturm 1605 tiefgreifendum. Schon 1636 gab es allerdings größere Schä-den, als die Schweden das Wertachbruckertorbeschossen. Im Zuge des Spanischen Erbfolge-krieges wurde der Backofenwall 1704 geschleift,1742 aber wieder aufgebaut. Nachdem die Fes-tungseigenschaft Augsburgs aufgehoben wor-den war, kam 1867 das endgültige Aus für dieBastion. Der Tortum und das ehemalige Wach-haus, ein Walmdachbau mit vorgestellter Kolon-nade von 1742, das als Freibank genutzt wurde,konnten aber dem groß angelegten Abbruch derBefestigungsanlagen trotzen. In den Jahren1988–89 erfolgte eine Instandsetzung des Wert-achbruckertors, bei der die graue Fassung nachBefund wiederhergestellt wurde. Heute nutzt dieSchreiner-Innung das Gebäude.

Architektur:

Über dem blockartigen mittelalterlichen Unter-bau erheben sich ein achteckiges Zwischenge-schoß sowie ein Zylinder mit Eckpilastern toska-nischer Ordnung. Die im Putz angedeutetenQuader verstärken noch den trutzigen Charakter.Nach oben schließt das Gliederungssystem miteinem manieristisch abgewandelten Triglyphen-Fries und einem ausladenden Gesims ab. EinZeltdach mit aufgebauter Laterne krönt den Tor-bau. Die von Holl aufgestockten Geschosse sindneben der kräftigen Gliederung vom Rhythmusaus runden Fenstern sowie segmentbogigen Öff-nungen für die Geschützrohre und Doppelhakenbestimmt.

Page 48: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Geschichte:

Das Zeughaus war das Waffenarsenal der Reichs-stadt Augsburg. Es befand sich ursprünglich ananderer Stelle und wurde 1584/85 in das ehema-lige Kornhaus (1505) an der heutigen Zeuggasseverlegt. Vier Jahre später begann der damaligeStadtwerkmeister Jakob Eschay († 1606) einenUmbau, der im Desaster endete: Eschay konntedie statischen Probleme nicht lösen und Teiledes Gebäudes mussten wieder abgebrochenwerden. Damit war die Stunde des jungen Mau-rermeisters Elias Holl (1573–1646) gekommen,der 1602 als neuer Stadtbaurat inthronisiert wur-de und den Zeughaus-Umbau 1602–07 zum gu-ten Abschluss brachte. Durch Anbau eines neu-en Traktes entstand eine dreigeschossige,L-förmige Anlage mit Treppenturm, gewaltigenSatteldächern und schlichten Putzfassaden, dieeinen Hof begrenzt. Vermutlich zog Elias Holl für den Entwurf derSchaufassade zum Zeugplatz den Maler-Archi-tekten und späterem Prager Hofkünstler JosephHeintz den Älteren (1564–1609) hinzu. Durch ih-re üppige Architektursprache unterscheidet die-se sich deutlich von den anderen Bauteilen. Diewuchtigen Quaderformen des Erdgeschossessetzten sich jedoch in einer Hofmauer fort, die1780 durch das jetzige Gitter ersetzt wurde. Ragte die steile Fassade zwischen der ehemalsniedrigen Bebauung monumental heraus, so istihre Wirkung heute durch den benachbartenKaufhausbau empfindlich gestört. Nur durch diebeherzte Bürgeraktion „Rettet das Zeughaus“(1967/68) konnte eine Eingliederung in das Kauf-haus und eine weitgehende Auskernung verhin-dert werden.

Fassade:

Mit Zwischengeschoss und Volutengiebeltäuscht die Schaufassade ein höheres Gebäudevor. Tatsächlich beginnt das Dach schon hinterdem Mezzanin (Zwischengeschoss), wie derBlick vom Hof offenbart. Geschichtete Wandvor-lagen gliedern die symmetrische Fassade in dreiBereiche: Der mittlere Teil mit dem Portal ist derschmalste und wirkt zusammengedrängt. Dafürzieht er sich bis in den mehrstöckigen Giebelund endet in einem Sprenggiebel mit zentral ein-gestelltem Pinienzapfen. Zwei Voluten leiten zuden seitlichen Bereichen über. Die Geschossesind durch schwere, lastende Gesimse in der

Fassade gekennzeichnet. Während das Erdge-schoss durch seine Quadrierung geschlossenund stabil wirkt, scheint das erste Obergeschossder Schaufront ein hohes „piano nobile“ zu sein,denn über den Rechtecksfenstern liegen zusätzli-che Ovalfenster die in das Gebälk einschneiden.Dahinter verbergen sich jedoch die zwei Oberge-schosse des Zeughauses.

Ganz im Gegensatz zum kubisch wandhaftenRathausbau erzeugten Holl und Heintz an derZeughausfassade durch zugespitzte Proportio-nen, Architekturgliederung und Motivhäufung eine Spannung, die im Theatereffekt der vorge-stellten Bronzegruppe von Hans Reichle (um1570–1642) und Wolfgang Neidhart (1575–1632)über dem Portal aus Rotmarmor kulminiert. Sie zeigt einen Schlüsselmoment des „Engels-sturzes“. Reichle stützte sich ikonografisch aufdie außerbiblische Tradition, wonach Luzifer (=Lichtträger) sich mit Gott gleichsetzen wollte undfür diesen Hochmut von Erzengel Michael in dieHölle gestürzt wurde. Michael gab Luzifer denNamen Satan (= Gegner). Er selbst wurde nachseinem eigenen Schlachtruf Michael (= Wer istwie Gott?) genannt.

Michael tritt als siegreicher römischer Feldherr,im übertragenden Sinne als „deutscher Michel“,das heißt als Schutzpatron der Stadt und desDeutschen Reichs auf. Seine Affektgebärde isttheatralisch, mit aufgelöstem Haar und bedroh-lich erhobenem Flammenschwert. Dagegen win-det sich der entblößte Luzifer unter der Last sei-nes Kontrahenten; sein ehemals schönes Antlitzist zur Fratze entstellt. So schmerzhaft und buch-stäblich entmachtend Michaels Standpunkt fürLuzifer auch sein mag – er ist für den Erzengelebenfalls instabil. Die beiden Hauptakteure schei-nen somit förmlich von ihrem Gesims über demPortal zu stürzen, was auf die zeitgenössischenBetrachter schockierend gewirkt haben muss, soneuartig und packend war die Darstellungsweise.Selbst die seitlichen Putten, die mit Trophäen,der Lanze Michaels und einer Fahne ausgestattetsind, geraten angesichts des dramatischen Ereig-nisses scheinbar in Bewegung. Sie zeigen Gestendes Erschreckens oder deuten hinab in die Hölle,die offenbar unter dem Zeugplatz liegt.

Die Bronzegruppe symbolisiert die Funktion desGebäudes, eines der größten WaffenarsenaleMitteleuropas. Darauf weisen auch die seitlichen

46 Tag des offenen

Denkmals 2012

ZeughausZeugplatz 6

26

Page 49: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Inschriften BELLI INSTRUMENTO (Werkzeug desKrieges) und PACIS FIRMAMENTO (Bewahrungdes Friedens) hin.

Inneres:

Gleich hinter dem Hauptportal mit seinem Ab-wehrdämon liegt im Erdgeschoss eine großeHalle für die Geschütze. Sie erstreckt sich überden gesamten von Holl angebauten Gebäudeflü-gel. Die Kreutzgratgewölbe dieses Raumes wer-den von toskanischen Säulen und Wandkonso-len in Gestalt von Figuren und Fratzen aufge-spannt. Die toskanische Ordnung galt gemäß italienischer Architekturtraktate wie SebastianoSerlios „Regola generali di Architettura“ (Vene-dig 1537) als „bäuerlich“ und „grob“ und des-

47Tag des offenen

Denkmals 2012

halb angemessen für ein Zeughaus. Im Vergleichmit den massiven Pfeilern und Gewölben im ehe-maligen Kornhaus wirkt die toskanische Säulen-halle dennoch ausgesprochen elegant.

Dachstuhl:

Eine handwerkliche und technische Meisterleis-tung stellt der gewaltige, mehrstöckige Dach-stuhl des Zeughauses dar. Mit kompliziertenKonstruktionen wie Dachstühlen wies Elias Hollsich als begabter Ingenieur aus, der gerade beistatischen Problemen häufig zu Rate gezogenwurde. Es handelt sich um eine Kehlbalkenkon-struktion aus handgebeilten, geflößten und ver-blatteten Hölzern.

Sprenggiebel

Okulus

Konsole

Gebälk

Pilaster

Rustika

Volute

Vo

lute

ng

ieb

el

Mezza

nin

Pia

no

No

bile

So

ckelzo

neZeughaus,

Fassade,Zeichnung, 2012

Page 50: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Sie gehören selbstverständlich zum Bild unsererStadt, aber wir nehmen sie nicht mehr wahr: dieHausheiligen an den Fassaden unserer Altstadt-häuser. Augsburg zeigt in den Grenzen der altenStadtmauern mit Domviertel, Ulrichsviertel,Lechviertel und Jakobervorstadt, etliche Heili-genfiguren an den Fassaden der Bürger- undHandwerkerhäuser, zudem der zahlreichen kirch-lichen Liegenschaften.Die Anzahl dieser heiligen Spuren im Stadtbildist beachtlich: Etwa 150 Positionen lassen sichohne Mühe finden, selbst wenn die Figuren vonDom und anderen Kirchen außer Acht gelassenwerden.

Knapp die Hälfte dieser Positionen machen Ma-riendarstellungen aus: ganzfigurige Skulpturenals Himmelskönigin, als Maria Immaculata, alsMaria mit dem Christuskind, Marienmedaillonsals Reliefs oder auch Marienbüsten.Der andere Teil gehört Heiligen wie St. Ulrich,St. Afra, St. Ursula oder weiteren Heiligen derzahlreichen Stifts- und Klosterniederlassungen inAugsburg und leeren beziehungsweise neu be-setzten Nischen.

Dabei schälen sich in der zeitlichen Einordnungdrei Gruppen heraus: die mittelalterlichen Eckni-schen, die jedoch im Bildersturm der Konfessi-onskonflikte alle ihre gotischen Figuren verlorenhaben; barocke Muschel- und Rundnischen mitzum Teil noch hoch qualitätvollen Holzplastikendes Barock und Rokoko; sowie neue Schutzpa-trone des frühen Industriezeitalters, oft auch auseiner industriellen Massenfertigung. Die wissen-schaftliche Aufarbeitung der Hausheiligen wird2013 in eine Publikation und eine Ausstellung imMaximilianmuseum münden.

Für das Projekt der altaugsburggesellschaft„Den Heiligen auf der Spur – Augsburger Haus-madonnen und Hausheilige“ fertigte der Stucka-teur Werner Schwendner bereits einige Hausma-donnen an. Hierzu nahm er einen Silikonabdruckvon der originalen Holzskulptur abgenommen,mit dessen Hilfe eine Gussform gefertigt wird.

Das Abbild der Hausmadonna wird dann inKunststein gegossen, farbig gefasst und als wür-diger Ersatz für die Originalfigur wieder in die Nische gestellt.Werner Schwendners Atelier in der ehemaligenPferdeschmiede (Baumgärtleingässchen 3) imAugsburger Ulrichsviertel gleicht einer Wunder-kammer. Kaum Wandfläche ist zu sehen hinterseinen Regalen, in denen mehr als tausend Spiel-zeug-VW-Käfer geparkt sind; dazwischen japani-sche Vasen, Stuckbüsten, steinerne Buddha-,Menschen- und Tierfigürchen.

Text: Stefanie Müller

48 Tag des offenen

Denkmals 2012

„Den Heiligen auf der Spur – Augsburger Hausmadonnen undHausheilige“ – Atelier von Werner SchwendnerBaumgärtleingässchen 3

27

Madonnenstatue Am Eser 9, Replik von Werner Schwendner

Page 51: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Bis heute ist der Typus des Augsburger Großbür-gerhauses vor allem an der Maximiliansraßedurch zahlreiche Beispiele vertreten. In erster Li-nie mussten diese Bauwerke wohnlich und funk-tional sein, denn man lebte und arbeitete untereinem Dach. Daneben sollte die Architektur aberauch als Visitenkarte ihrer Bewohner dienen.Folgende Grundform ist an großbürgerlichenHäusern in Augsburg zu beobachten: An ein Vor-derhaus schließen sich eine oder zwei Abseitenan, die einen Hof einfassen. Es können ein Rück-gebäude oder ein Garten folgen. Im Innern er-schließen Hallen oder Durchfahrten gemeinsammit Treppenhäusern und Fletzen (Dielen) in deneinzelnen Stockwerken die Häuser.

Die Fassaden weisen oft Hauszeichen, Mono-gramme oder Sprüche auf oder waren einst voll-ständig bemalt. Besonders wichtig waren dieEingangsbereiche. An den Häusern der Kaufleu-te sind meist große zweiflügelige Portale zu se-hen (Maximilianstraße 48, 65, 79, 81, Ulrichs-platz 12) in die Haustüren eingebaut sind. Mankonnte so mit Kutschen und Wagen in die Häu-ser fahren, um zum Beispiel Waren anzuliefern.Häufigste Gestaltform ist das Sternmotiv. Beson-ders aussagekräftig ist die Haustüre an dem klei-nen Stadtpalais (Maximilianstraße 51), das sichJoseph Tonella 1768–70 errichten ließ. Die ge-schnitzten Türflügel mit Winkel, Anker, Merkur-stab und Warenballen links, Fass, Waage, Ge-schäftsbuch, Brief und Kielfedern rechts weisenauf die Profession des Hausherren hin. Dieserstellte sich unter den Schutz der Maria, wie dieverschlungenen Buchstaben im Oberlichtgitterzeigen.

Die Treppenhäuser – entweder aus Holz oder ausStein – wurden durch Gitter, geschnitzte Balusterund vor allem durch Deckenfresken geschmückt,wie in Maximilianstraße 51 (Jakobs Traum vonder Himmelsleiter 1769 von Vitus Felix Rigl(1717–79)), in Maximilianstraße 58 (Die GöttlicheVorsehung von Matthäus Günther(1705–88))oder auch in Ulrichsplatz 13 („Verehrung Mari-ens durch die vier Erdteile“ (1762) von JosephMages (1728–69)) nach späteren Umbauten nunin einem Wohnraum). Nicht nur Fresken, son-dern auch Stuckdecken wurden in Treppenhäus-ren angebracht (Maximilianstraße 83, Philippine-Welser-Straße 15). So genannte Treppenaugenöffneten bei mehrläufigen Anlagen den neugieri-gen Blick nach oben und unten. Besondersprachtvoll ist dieses Motiv in Maximilianstraße65 mit ionischen Säulen in Szene gesetzt. Augs-burgs außergewöhnlichstes Treppenhaus bliebim Anwesen Wintergasse 7 (um 1620) erhalten.Es führt Außen an der Hoffassade entlang undgeht direkt in die offenen Arkaden der Abseiteüber. Die Stützen sind mit schwerer Putzgliede-rung in der Art Elias Holls versehen.

Höfe anzulegen hatte zunächst rein funktionaleGründe: Sie gewährleisteten in der engen, brand-gefährdeten Stadt eine ausreichende Belichtungund Belüftung der Wohnräume und dientenauch als Warenumschlagplätze. Später bekamensie zunehmend repräsentativen Charakter. Be-sonders ebenmäßig ist der Innenhof von Maxi-

49Tag des offenen

Denkmals 2012

Bürgerhäuser an derMaximilianstraße

28

Maximilianstraße 51, Zeichnung, 2006

Page 52: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

milianstraße 48: Schmale Abseiten dienen alsRahmen, der anschließende Garten ist durch eine aufwändigen Brunnenwand von Elias Holl(1573–1646) abgetrennt. Die Hoffläche ist nochmit Lechkieseln gedeckt.

Dagegen ist Maximilianstraße 65 ein klassischesDurchhaus, das heißt man gelangt durch dasAnwesen von einer Straße zur nächsten. Auchhier liegt ein durch einen Balkon auf ionischenSäulen gerahmter Brunnen mit 5/8-Schluss. Aufden gusseisernen Platten des Brunnens ist Nep-tun zu sehen, der auf einem Fisch reitet. PrivateHofbrunnen waren überhaupt der Stolz der Haus-bewohner. Denn in kaum einer Stadt war dasLeitungssystem so ausgefeilt wie in Augsburg.Besonders prächtig ist deshalb auch der Brun-nen in Maximilianstraße 81 gefasst – mit Pilas-tern, verkröpftem Gebälk und Volutengiebel mitzentral eingestellter Poseidon-Figur. Im Architek-turrahmen sitzt zudem ein Kupferbild, das Posei-don in Begleitung der Nymphe Thetis (oder aberGalathea) zeigt, in jedem Fall aber das Wasserthematisiert. Neuerdings wird es Johann Heiss(1640–1704) zugeschrieben. Während der Innen-

50 Tag des offenen

Denkmals 2012

Maximilianstraße 48, Brunnen, Zeichnung, 2007

Maximilianstraße 58, Abseite, Zeichnung, 2007

hof dieses Gebäudes mit Kragbalkonen undHolzbalustern versehen ist, öffnet sich die Absei-te von Maximilianstraße 58 mit einer Arkaden-wand zum Hof. Sie wurde 1550 für MelchiorHainhofer errichtet und ist mit Gesimsen undRundbildern von Bruneleschis (1377–1446) Fin-delhaus (1419) in Florenz inspiriert. Natürlich lie-ßen sich gegen 1600 reiche Bürger auch Höfevon Elias Holl errichten, der wesentlich plasti-schere Architekturglieder zum Einsatz brachte.Auf den Innenhof des Garben-Hauses Maximili-anstraße 79 (1599/1600) mit seinen Diamantqua-dern scheint er besonders stolz gewesen zu seindenn er bezeichnete ihn als „gewaltig schön zuegericht und außgebaut“. Ganz ähnlich gestal-tete Holl auch den Innenhof des Harter-Hauses (Maximilianstraße 36).

Page 53: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

51Tag des offenen

Denkmals 2012

Glossar

Page 54: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Ausstellungskatalog Bayern und Italien, herausgegeben

von Reinhard Riepertinger, Evamaria Brockhoff, Ludwig

Eiber, Michael Nadler, Shahab Sengestan und Ralf Sko-

ruppa, Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2010,Augsburg 2010.

Bruno Bushart, Die Fuggerkapelle bei St. Anna in Augsburg,München 1994.

Bruno Bushart und Georg Paula, Georg Dehio, Handbuchder Deutschen Kunstdenkmäler. Bayern III, Schwaben, Ber-lin, München, 2. Auflage 2008.

Denis A. Chevalley, Der Dom zu Augsburg, München 1995.

Astrid Debold-Kritter, Augsburg Textilviertel. Denkmalpfle-gerisches Gutachten, München 1990.

Dorothea Diemer, Hans Fuggers Sammlungskabinette, in:lautenschlagen lernen und ieben. Die Fugger und die Musik.Anton Fugger zum 500. Geburtstag, 1993, Seiten 13–40.

Eines Hoch-Edel und Hochweisen Raths Wohl-Löblicher

Deß Heil. Röm. Reichs Stadt Augspurg Erneuerte Bau-

Ordnung, Augsburg 1740.

Christoph Emmendörffer, Die Skulpturensammlung desMaximilianmuseums, in: Vernissage 8. Jahrgang 61, 2000.

Meinrad von Engelberg, Renovatio Ecclesiae. Die Barocki-sierung mittelalterlicher Kirchen, Petersberg 2005.

Günther Grünsteudel, Günther Hägele und Rudolf Fran-

kenberger (Herausgeber), Augsburger Stadtlexikon, Augs-burg, 2. Auflage 1998.

Franz Häußler, Augsburgs grüne Insel. Stadtgarten und Wit-telsbacherpark. Vom Ludwigsbau zum „Kongress am Park“,Augsburg 2012.

Markus Johanns, Augsburger Architekturmodelle, in: Ver-nissage 8, Jahrgang 61, 2000.

Bernt von Hagen und Angelika Wegener-Hüssen (He-

rausgeber), Denkmäler in Bayern, Band VII.83, Stadt Augs-burg, München 1994.

Doris Hascher, Fassadenmalerei in Augsburg vom 16. biszum 18. Jahrhundert, Augsburg 1996.

Eugen Hausladen, Die Meister der Augsburger Baukunstund ihre Werke, unveröffentlichtes Typoskript im Archiv derAltaugsburggesellschaft, Augsburg ca. 1930.

Björn R. Kommer, Das Maximilianmuseum. Gebäude –Sammlungsgeschichte, in: Vernissage 8. Jahrgang 61, 2000.

Robert Pfaud, Das Bürgerhaus in Augsburg, Tübingen 1976.

Pädagogische Hochschule Augsburg der Universität

München, Festschrift zur Vollendung des Neubaus, Augs-burg 1963.

Paul von Stetten, Kunst-, Gewerb- und Handwerksgeschich-te der Stadt Augsburg, Augsburg 1779.

Paul von Stetten, Beschreibung der Reichs-Stadt Augsburg,nach ihrer Lage, jetzigen Verfassung , Handlung und den zusolcher gehörenden Künsten und Gewerben auch ihren Merk-würdigkeiten, Augsburg 1788.

Melanie Thierbach, Renate Mäder, Kathrin Rottmann,

Katalog des Diözesanmuseums St. Afra, Lindenberg im All-gäu 2012.

Christoph Trepesch, Das Schaezlerpalais und die DeutscheBarockgalerie, Augsburg 2006.

Sybille Wölfle, Die Kunstpatronage der Fugger 1560 – 1618,Augsburg 2009.

Thieme/Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstlervon der Antike bis zur Gegenwart, herausgegeben von UlrichThieme und Felix Becker, Band 1 – 36, Studienausgabe Leip-zig 1999.

Hans Koepf und Günther Binding, Bildwörterbuch der Architektur, Stuttgart, 4. Auflage, 2005.

Lexikon der Kunst, Architektur, Bildende Kunst, Angewand-te Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie, Band 1 – 7,Studienausgabe Leipzig, 2. Auflage, 2004.

Bildnachweise

Gregor Nagler/Sammlung Gregor Nagler (soweit nicht an-ders angegeben)

altaugsburggesellschaft, Foto: Saskia Wehler, Seite 48

Architekturmuseum Schwaben, Seite 9

Norbert Liesz, Titelbild, Seite 19, hintere Umschlaginnen-seite links unten (Kongresshalle)

Bildarchiv Foto Marburg,

Foto: Helga Schmidt-Glassner, Seite 10 unten Schnell & Steiner, Foto: Roman von Götz Seite 31 untenFoto: Uwe Gaasch, Seite 32 (beide)Foto: Helga Schmidt-Glassner, Seite 31 oben)

Freie Evangelische Gemeinde Augsburg Mitte, Seite 42

Untere Denkmalschutzbehörde Augsburg, Foto: Gerhard Huber: Seite 29

Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Seite 26, 33

52 Tag des offenen

Denkmals 2012

Quellen, Literatur, Bildnachweis

Page 55: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes
Page 56: Ta D a 2012 - Stadtplanung · -stahl sowie Beton, die seit dem 19. Jahrhundert das Bauen revolutionierten, sowie durch den Wiederaufbau nach 1945 wurde die Heterogeni - tät des Stadtbildes

Impressum

Herausgeber

Stadt Augsburg, Referat 6,

Hochbauamt, Bauordnungsamt /

Untere Denkmalschutzbehörde

Programmzusammenstellung,

Recherche, Texte und Zeichnungen

Gregor Nagler (M.A.)

Redaktion

Hochbauamt, Christian Jonathal

Gestaltung

Medien- und Kommunikationsamt

Auflage

2000 Exemplare

Druck

Firma Haas Druck

Die Stadt Augsburg dankt allen, die an der

Entstehung dieser Broschüre mitgewirkt haben.

September 2012