synopsis «grid/don juan/till eulenspiegel»
DESCRIPTION
Schostakowitsch/Gluck/StraussTRANSCRIPT
GridDon JuanTill EulenspiegelChoreografien von Heinz Spoerli
Südländischer Draufgänger –Nordischer TaugenichtsLeicht muss man sein, mit leichtem Herz
und leichten Händen halten und nehmen,
halten und lassen…
Hugo von Hofmannsthal legte diese Worte der Marschallin in seinem «Rosenkavalier» in den Mund
und sie bilden gleichsam auch das Motto von Heinz Spoerlis letztem Ballettabend, mit dem er sich
nach 16 Jahren als Ballettdirektor von Zürich verabschiedet. Statt eines grossen Handlungsbal-
lettes oder der abendfüllenden Auseinandersetzung mit dem Werk eines Komponisten wie etwa
Bach, Mozart, Brahms oder Mahler hat er drei Werke ausgewählt, die den Bogen von der Mitte des
20. Jahrhunderts in die Barockzeit und zurück zum Ende des 19. Jahrhunderts schlagen.
Zwischen Schostakowitschs zweitem Klavierkonzert von 1957 und der 1895 uraufgeführten Sin-
fonischen Dichtung «Till Eulenspiegels lustige Streiche» von Richard Strauss, mit denen sich Heinz
Spoerli bereits tänzerisch auseinandergesetzt hat, steht die Uraufführung seiner Choreografie der
Ballettpantomime «Don Juan ou Le Festin de pierre» von Christoph Willibald Gluck. Für seine Sicht
auf den im 18. Jahrhundert eindeutig noch zu bestrafenden Macho wählte Heinz Spoerli aus den
lange als original geltenden 31 Nummern vorwiegend jene aus, die neueren Forschungen zufolge
tatsächlich bei der Uraufführung im Jahre 1761 erklangen, und konzentriert die Handlung auf jene
Situationen, die Karl Graf Zinzendorf in seinem Bericht über die Premiere überlieferte:
«Don Juan bringt seiner Geliebten ein Ständchen und findet Einlass bei ihr. Der Commandeur er-
tappt ihn auf frischer Tat, duelliert sich mit ihm und stürzt tödlich verletzt zu Boden. Don Juan tanzt
mit einigen Damen Ballett, dann setzt man sich zum Souper. Das Standbild des Commandeurs tritt
ein, die Tischgenossen fliehen. Don Juan macht sich darüber lustig, das Gespenst verschwindet
und plötzlich öffnet sich die Unterwelt, Furien tanzen mit brennenden Fackeln und martern Don
Juan. Im Hintergrund sieht man ein prächtiges Feuerwerk, das das Fegefeuer darstellt, Teufel flie-
gen umher. Schliesslich packen die Teufel Don Juan und stürzen sich mit ihm in den Feuer-
schlund.»
opernhaus zürich
Empfanden Glucks Zeitgenossen das Sujet als «extrem triste, schauerlich und grauenhaft», liest
Heinz Spoerli die Partitur eher mit einem Augenzwinkern, choreografiertmit leichter Hand Verfüh-
rungskunst und Verführbarkeit, wobei ähnlich wie in Mozarts «Don Giovanni» der Erfolg der Titel-
figur bei den Frauen daher rührt, dass er jeder Schönen– dort musikalisch, hier tänzerisch – auf
Augenhöhe begegnet.
Dem südländischen Draufgänger stellt Heinz Spoerli dann mit Till Eulenspiegel den nordischen
Taugenichts gegenüber, da beide in seinen Augen durchaus vergleichbar sind, wenn auch von
unterschiedlichem Temperament. Richard Strauss, der zunächst eine Oper über Till Eulenspiegel
plante, notierte im Vorfeld seine Sicht auf den legendären Volkshelden: «Till, der Menschenver-
ächter, der die Natur vergöttert, die sich noch nicht zur Vernunft durchgerungen hat. Ein Tage-
dieb, ein Faulenzer, der durch unnütze Arbeit nicht den lieben Gott um seine Zeit betrügt, der die
Männer zum Narren hält, ihnen Possen spielt, wo er kann, der die Frauen verachtet, da er die Lie-
be einer jeden für erreichbar hält.» Nach Vollendung seiner Tondichtung «Till Eulenspiegels lusti-
ge Streiche » verweigerte er allerdings die Antwort auf die vom Dirigenten der Uraufführung
schriftlich geäusserte Anfrage nach dem programmatischen Inhalt der Tondichtung: «Es ist mir
unmöglich, ein Programm zum Eulenspiegel zu geben: In Worte gekleidet, was ich mir bei den
einzelnen Teilen gedacht habe, würde sich verflucht komisch ausnehmen und vielen Anstoss
erregen. Wollen wir diesmal die Leutchen selber die Nüsse aufknacken lassen, die der Schalk
ihnen verabreicht?»
In Heinz Spoerlis Choreografie von Tills Streichen jedenfalls dominieren Übermut und Lebenslust,
die in dem raffinierten Bühnenraum von Florian Etti mit viel Witz erzählt werden. Und wenn es am
Ende Eulenspiegel genauso wie Don Juan an den Kragen gehen soll, sorgt Heinz Spoerli dafür,
dass der Humor nicht aus der Welt verschwindet.
Von Leichtigkeit bestimmt ist auch das einleitende «Grid», ein ganz aus den formalen und musi-
kalischen Strukturen von Schostakowitschs Konzert gewebtes abstraktes Werk, in dem sich – um
paraphrasierend noch einmal Hofmannsthal zu zitieren – «die Tiefe an der Oberfläche versteckt».
Ronny Dietrich
opernhaus zürich
opernhaus zürich