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In der Bildungspolitik geht es derzeit vor allem da- rum, wie lange Kinder und Jugendliche eine be- stimmte Schule besuchen sollen: vier, sechs, acht oder neun Jahre? Über Bildungsinhalte wird hin- gegen nicht diskutiert, schon gar nicht über öko- nomische. Welch ein Missverhältnis! Dabei braucht es, um die Komplexität moderner Gesellschaften zu durchdringen, nicht nur politi- sches, geografisches und historisches Wissen – »Kei- ne Zukunft ohne Herkunft« –, sondern auch öko- nomische Kenntnisse. Wenn Konjunkturpakete geschnürt, Abwrackprämien gewährt und Mehr- wertsteuersätze angetastet werden, entspinnt sich eine breite öffentliche Debatte. An ihr müssen jun- ge Menschen teilnehmen können. Arbeits- und Wissensgesellschaft, Konsum-, Medien- und Risikogesellschaft – mit diesen und anderen Etiketten wurde unsere Gesellschaft in den vergangenen Jahren versehen. Aber so unterschiedlich, teils widersprüchlich, die Beschreibungen der gesell- schaftlichen Strukturen auch ausfallen, so deutlich tritt ein Trend zutage: Immer mehr Lebensbereiche werden von ökonomischen Prinzipien geprägt. Warum gibt es nun die verbreiteten Vorbehalte, mehr Wirtschaftswissen in der Schule zu vermitteln? Weil Konzepte, die unter dem Slogan »Mehr Wirt- schaft in die Schule« bekannt wurden, allein auf Praxiskontakte, BWL-Crashkurse und Planspiele zum Thema »Börse« gesetzt haben. Dabei sind sie mitunter tendenziös und qualitativ unzureichend. Um der ökonomischen Bildung nachhaltig Auftrieb zu verleihen, dürfen nicht allein Arbeitgeber dafür werben. Auch Gewerkschaften müssen sich an das im Jahr 2000 gemeinsam mit der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände veröffentlichte Memorandum erinnern und ihre Vorstellungen ein- bringen. Wann sollte das geschehen, wenn nicht jetzt, mit der frischen Erfahrung einer globalen Fi- nanz- und Wirtschaftskrise? Einen breiten inhaltlichen Zugang voraus- gesetzt, sind es vor allem gesellschaftspolitische Gründe, die für eine Ausweitung der ökonomischen Bildung – zumal in Schulen – sprechen: Erstens ist ökonomische Bildung integraler Bestandteil von Allgemein- bildung. Immer seltener fällen insbeson- dere junge Menschen (Wert-)Urteile auf der Grundlage religiö ser Überzeugun- gen oder vor dem Hintergrund his- torischer oder geografischer Kenntnisse. Stattdessen müssen wir immer häufiger Entscheidungen treffen, die sich im Spannungsfeld von Nike und Nokia, von Altersteilzeit und Alters vorsorge, von Rente und Rendite bewegen. Ökonomische Bildung ist zweitens für die politische Willensbildung un- abdingbar. Ob die Mehrwertsteuer an- gehoben, die Pendlerpauschale gekürzt oder eine kriselnde Bank gerettet wird – um die Konzepte von Regierung und Opposition beurteilen zu können, braucht es öko- nomisches Grundwissen. Man sollte nach dem Abitur wissen, ob Steuergerechtigkeit die Steuer- ehrlichkeit fördert und welche ökonomischen Fak- toren dazu beitragen, dass weltweit alle fünf Sekun- den ein Kind an Hunger oder an dessen unmittel- baren Folgen stirbt. Unwissen macht verführbar. Es kann zur Dämonisierung der dann unverstandenen Kräfte des Marktes wie auch zum irrationalen Glau- ben an dessen »Selbstheilungskräfte« beitragen. Drittens bereitet ökonomische Bildung Schüler auf die Lebenswirk- lichkeit vor. Schon Aristoteles hat darauf hingewiesen, dass ein gutes Leben ohne ökonomischen Erfolg kaum möglich ist. Bis heute heißt es im Volksmund: Geld macht nicht glücklich, aber kein Geld macht un- glücklich. Und wenn heute von jun- gen Menschen verlangt wird, dass sie möglichst frühzeitig für ihr Alter vor- sorgen, dann muss ihnen auch die Gelegenheit gegeben werden, sich ent- sprechende Kenntnisse anzueignen. Neutrales Orientierungswissen vermitteln weder Banken noch Bau- sparkassen. Auch deshalb müssen Schulen eine interessenfreie finanziel- le Allgemeinbildung übernehmen. www.zeit.de/audio Mitreden erwünscht Die ökonomische Allgemeinbildung darf die Schule nicht den Banken überlassen VON TIM ENGARTNER FORUM TIM ENGARTNER arbeitet an der Uni- versität Duisburg- Essen und bei der Stiftung Neue Ver- antwortung. Im UTB-Verlag ist sein Lehrbuch »Didaktik des Ökonomie- und Politikunterrichts« erschienen Foto: Stiftung Neue Verantwortung

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Page 1: Stiftung Neue Verantwortung (SNV) - A DIE ZEIT 5 Wochen testen! Jetzt 5x DIE ZEIT für ... · 2016. 7. 7. · kaum möglich ist. Bis heute heißt es im Volksmund: Geld macht nicht

SCHWARZ cyan magenta yellowNr. 30 DIE ZEIT S. 27

Nr. 30 S.27 SCHWARZ cyan magenta yellowDIE ZEIT

22. Juli 2010 DIE ZEIT No 30 27

In der Bildungspolitik geht es derzeit vor allem da-rum, wie lange Kinder und Jugendliche eine be-stimmte Schule besuchen sollen: vier, sechs, acht oder neun Jahre? Über Bildungsinhalte wird hin-gegen nicht diskutiert, schon gar nicht über öko-nomische. Welch ein Missverhältnis!

Dabei braucht es, um die Komplexität moderner Gesellschaften zu durchdringen, nicht nur politi-sches, geografisches und historisches Wissen – »Kei-ne Zukunft ohne Herkunft« –, sondern auch öko-nomische Kenntnisse. Wenn Konjunkturpakete geschnürt, Abwrackprämien gewährt und Mehr-wertsteuersätze angetastet werden, entspinnt sich eine breite öffentliche Debatte. An ihr müssen jun-ge Menschen teilnehmen können.

Arbeits- und Wissensgesellschaft, Konsum-, Medien- und Risikogesellschaft – mit diesen und anderen Etiketten wurde unsere Gesellschaft in den vergangenen Jahren versehen. Aber so unterschiedlich, teils widersprüchlich, die Beschreibungen der gesell-schaftlichen Strukturen auch ausfallen, so deutlich tritt ein Trend zutage: Immer mehr Lebensbereiche werden von ökonomischen Prinzipien geprägt.

Warum gibt es nun die verbreiteten Vorbehalte, mehr Wirtschaftswissen in der Schule zu vermitteln? Weil Konzepte, die unter dem Slogan »Mehr Wirt-schaft in die Schule« bekannt wurden, allein auf Praxiskontakte, BWL-Crashkurse und Planspiele zum Thema »Börse« gesetzt haben. Dabei sind sie mitunter tendenziös und qualitativ unzureichend. Um der ökonomischen Bildung nachhaltig Auftrieb

zu verleihen, dürfen nicht allein Arbeitgeber dafür werben. Auch Gewerkschaften müssen sich an das im Jahr 2000 gemeinsam mit der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände veröffentlichte Memorandum erinnern und ihre Vorstellungen ein-bringen. Wann sollte das geschehen, wenn nicht jetzt, mit der frischen Erfahrung einer globalen Fi-nanz- und Wirtschaftskrise?

Einen breiten inhaltlichen Zugang voraus-gesetzt, sind es vor allem gesellschaftspolitische Gründe, die für eine Ausweitung der ökonomischen Bildung – zumal in Schulen – sprechen:

Erstens ist ökonomische Bildung integraler Bestandteil von Allgemein-bildung. Immer seltener fällen insbeson-dere junge Menschen (Wert-)Urteile auf der Grundlage religiö ser Überzeugun-gen oder vor dem Hintergrund his-torischer oder geografischer Kenntnisse. Stattdessen müssen wir immer häufiger Entscheidungen treffen, die sich im Spannungsfeld von Nike und Nokia, von Altersteilzeit und Alters vorsorge, von Rente und Rendite bewegen.

Ökonomische Bildung ist zweitens für die politische Willensbildung un-abdingbar. Ob die Mehrwertsteuer an-gehoben, die Pendlerpauschale gekürzt oder eine kriselnde Bank gerettet wird – um die Konzepte von Regierung und

Opposition beurteilen zu können, braucht es öko-nomisches Grundwissen. Man sollte nach dem Abitur wissen, ob Steuergerechtigkeit die Steuer-ehrlichkeit fördert und welche ökonomischen Fak-toren dazu beitragen, dass weltweit alle fünf Sekun-den ein Kind an Hunger oder an dessen unmittel-baren Folgen stirbt. Unwissen macht verführbar. Es kann zur Dämonisierung der dann unverstandenen Kräfte des Marktes wie auch zum irrationalen Glau-ben an dessen »Selbstheilungskräfte« beitragen.

Drittens bereitet ökonomische Bildung Schüler auf die Lebenswirk-lichkeit vor. Schon Aristoteles hat darauf hingewiesen, dass ein gutes Leben ohne ökonomischen Erfolg kaum möglich ist. Bis heute heißt es im Volksmund: Geld macht nicht glücklich, aber kein Geld macht un-glücklich. Und wenn heute von jun-gen Menschen verlangt wird, dass sie möglichst frühzeitig für ihr Alter vor-sorgen, dann muss ihnen auch die Gelegenheit gegeben werden, sich ent-sprechende Kenntnisse anzueignen.

Neutrales Orientierungswissen vermitteln weder Banken noch Bau-sparkassen. Auch deshalb müssen Schulen eine interessenfreie finanziel-le Allgemeinbildung übernehmen.

www.zeit.de/audio

Mitreden erwünschtDie ökonomische Allgemeinbildung darf die Schule nicht den Banken überlassen VON TIM ENGARTNER

FORUM

T I ME N G A R T N E R

arbeitet an der Uni-versität Duisburg-Essen und bei der Stiftung Neue Ver-antwortung. Im UTB-Verlag ist sein Lehrbuch »Didaktik des Ökonomie- und Politikunterrichts« erschienen

ANALYSE UND MEINUNGWIRTSCHAFT

Sie kommt immer dann hoch, wenn etwas richtig schief gelaufen ist, die Sehn-sucht nach der großen Re-form, der endgültigen Lö-sung des Problems. Und sie wird fast immer enttäuscht, weil die Politik in einer De-mokratie den gordischen Knoten nie durchschlägt, sondern allenfalls einzelne Fäden aufknüpft.

Genauso verhält es sich auch mit der Reform der in-ternationalen Finanzmärkte – und die neuen Bankengesetze in den USA sind dafür das beste Beispiel. Sie strafen jene Lügen, die es der Politik nicht zugetraut haben, gegen die Exzesse in der Finanzindustrie vorzugehen. Es ist eben keineswegs so, dass die einen weiterma-chen, als sei nichts geschehen, während die anderen dabei zusehen. In vielen Ländern, in der EU und in den globalen Regulierungsgremien wie dem Baseler Ausschuss wird an neuen Vorschriften gearbeitet.

Bis Jahresende soll der Großteil davon beschlos-sen sein – über die Eigenkapitalregeln von Basel II wurde fast zehn Jahre verhandelt. Basel III, wie die neuen Eigenkapitalregeln heißen, wird wie immer, wenn die Politik eine Branche reguliert, von einer Menge Übergangsfristen und Ausnahmegenehmi-gungen durchlöchert sein – aber dennoch wird das Geschäft der Banken, der drastische Gewinnein-bruch bei Goldman Sachs im zweiten Quartal unter-streicht es, schwieriger und mit etwas Glück auch

sicherer. Das gilt auch für die Regeln, mit denen die Ame-rikaner jetzt vorgeprescht sind. Allein dass das Gesetz – die umfassendste Reform seit den dreißiger Jahren – ver-abschiedet wurde, ist ange-sichts der Lobbyarbeit der Wall Street ein Erfolg.

Und es setzt an den richti-gen Stellschrauben an. So schränkt die Regierung das Geschäft der Institute auf ei-gene Rechnung sowie mit Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften ein –

auch wenn sich der frühere Notenbankchef Paul Volcker mit seinem radikalen Vorschlag einer Auf-spaltung der Universalbanken in Kredit- und Spe-kulationsgeschäft nicht durchsetzen konnte.

Richtig ist zudem, dass die Aufsichtsbehörden in die Lage versetzt werden sollen, Banken notfalls ab-zuwickeln, ohne damit eine Massenpanik an den Finanzmärkten auszulösen. Auch soll ein großer Teil des bisher unregulierten Handels mit den umstrit-tenen Derivaten künftig über Transaktionsplatt-formen laufen. Darauf kommt es an, weil sich damit die Ansteckungsgefahr bei einer Pleite verringert, sind doch praktisch alle großen Häuser über deriva-tive Geschäfte miteinander verbunden, ohne dass die Aufseher die genauen Engagements kennen.

Wenn sich der Staat die Problembanken früh-zeitig greift, wird der Steuerzahler geschont – und die Investoren werden damit aufhören, den Ban-

ken im Vertrauen auf die Rettung des Staates zu billig Geld zu leihen.

Absehbar ist aber auch, dass die Banken über kurz oder lang Wege finden werden, um die Vor-schriften zu umgehen. So war es immer, und so wird es immer sein in der Auseinandersetzung zwischen Regulierern und Regulierten. Deshalb gilt für die amerikanischen Regeln, was für alle anderen gilt: Sie sind work in progress und müssen ständig angepasst werden.

Die zentrale Kritik an dem neuen Gesetz ist, dass es den Aufsichtsbehörden zu viel Spielraum einräumt. Schließlich haben auch sie mitgemacht bei der großen Party – sie haben nicht genau ge-nug hingesehen, als die Banken ihre Risiken au-ßerhalb ihrer Bilanzen versteckten, sie haben den Boom genossen, statt ihn zu bekämpfen.

Allerdings ist die Fehl- und Verführbarkeit der Menschen das Grundproblem jeder Form von Regulierung. Eine moderne Volkswirtschaft lässt sich nicht per Autopilot steuern – das zeigen schon die Erfahrungen mit dem europäischen Stabilitätspakt. Die Verschärfung der Vorschriften ist wichtig, es wird aber immer darauf ankom-men, dass die zuständigen Behörden den Bankern Paroli bieten, dass sie die schärferen Gesetze auch anwenden und sich nicht von dem für Kredit-exzesse so typischen kollektiven Enthusiasmus anstecken lassen.

Unabhängige Aufsichtsämter, gut bezahlte Ban-kenprüfer und kluge Regeln sind eine Voraussetzung dafür, aber noch keine Garantie. Ob es gelungen ist, die Finanzmärkte zu zähmen, wird sich im nächsten Boom zeigen.

Wider den PrangerWenn globale Konzerne Fehler machen, werden sie von Regierungen unter massiven Druck gesetzt, anstatt Gerichte entscheiden zu lassen. Das ist ein Zeichen von Machtmissbrauch – und Hilflosigkeit VON GÖTZ HAMANN

Es ist an der Zeit, globale Konzerne vor west-lichen Regierungen in Schutz zu nehmen. Das ist, zugegeben, ein seltsamer Gedanke in einer Zeit, in der Banker vor Gericht stehen, weil sie Milliardenschäden angerichtet haben und gan-ze Volkswirtschaften taumeln ließen. Genauso wenig vergessen sind die Abfindungsexzesse in Industrie und Finanzwirtschaft.

Trotzdem ist es nötig, an ein paar Prinzipien zu erinnern.

Welcher Autokonzern hat derzeit den lädier-testen Ruf? Nein, nicht Opel. Sondern Toyota: Millionen Autos des Herstellers mussten zurück in die Werkstatt, weil es bei den Modellen zu einer unwillkürlichen Beschleuni-gung kommen könnte. Klem-mende Gaspedale oder eine Fehlkonstruktion der Elek-tronik hätten sogar 93 Todes-fälle verursacht, behaupten die Anwälte betroffener Familien in den USA: Die teuflischen Toyota hätten weiter beschleu-nigt, obwohl die Fahrer auf die Bremse getreten hätten. Schnell griff da die US-Re-gierung die Sache auf, beor-derte den Vorstandschef nach Washington, danach musste sich Akio Toyoda zusätzlich einem öffentlichen Tribunal im Kongress stellen, das von ihm erwartete, er werde un-eingeschränkt seine Schuld eingestehen und hohe Entschädigungen zusagen. Zugleich verhängte die US-Verkehrsbehörde eine Strafe.

Man muss hier scharf trennen. Wenn Abge-ordnete ein Phänomen wie die Bankenkrise unter-suchen, die immens viel Steuergeld kostet, und dafür mehrere Manager vorladen, ist das absolut in Ordnung. Aber wenn Unternehmen und ihre Chefs öffentlich vorgeführt werden, um sie gefü-gig zu machen, statt ein Gerichtsurteil zu suchen oder abzuwarten, gerät etwas aus den Fugen. Aus-gerechnet in westlichen Demokratien bauen Re-gierungen den Pranger wieder auf.

Populär ist so eine öffentliche Zurschaustellung jedes Mal. Sicher. Und Toyota hatte Qualitäts-probleme. Aber sollten nicht auch Unternehmen nach rechtsstaatlichen Kriterien behandelt wer-den? Die Schuldfrage und -verteilung klärt doch ein Richter in einem ordentlichen Prozess, nicht ein Politiker. Ein Gericht und nicht die Regierung. So etwas nennt man Gewaltenteilung.

Zumal die sich so unparteiisch gebenden Re-gierungen in der Regel noch andere Interessen haben. Sie sind Partei, nicht neutral.

Wenige Monate bevor Toyoda in Washington vorsingen musste, hatte die US-Regierung den größten heimischen Konkurrenten von Toyota, General Motors (GM), aus der Pleite gerettet und verstaatlicht. Je schlechter der Ruf von Toyota danach wurde, umso mehr Autos anderer Marken wurden verkauft. GM macht heute wieder Ge-winn, während Toyota erst mal einen massiven Umsatzrückgang verkraften musste.

Ja, in den USA liegt vieles im Argen, wird mancher nun denken. Aber halt.

Auch die Schweiz hat sich vor Kurzem nicht rühmlich verhalten. Als die dortige Großbank UBS die Namen und Daten ihrer US-Kunden an den amerikanischen Fiskus übermittelte, gab es dafür keine rechtliche Grundlage. Keine Ver-pflichtung. Das stellte später das Schweizer Bun-desverwaltungsgericht fest. Doch da hatte die

Bank schon unter dem Druck der eigenen Ban-kenaufsicht und damit mittelbar der eigenen Re-gierung ihr Bankgeheimnis gebrochen.

Selbst in Deutschland gibt es erste Versuche, einen Pranger aufzustellen. Die Bundesverbrau-cherschutzministerin Ilse Aigner hatte keine recht-liche Handhabe gegen das amerikanische Internet-unternehmen Facebook, um es zu mehr Daten-schutz nach deutschem Muster zu zwingen. Also erzeugte sie in diesem Frühjahr eine Welle öffent-licher Empörung und kündigte vor einigen Wo-

chen öffentlichkeitswirksam ihr eigenes Facebook-Konto. In der Sache hat sie recht. Aber sie kann sich nicht durchsetzen, weil es die jet-zige und alle vorangegange-nen Bundesregierungen ver-säumt haben, gesetzliche Regeln zu finden, wie man US-Internetunternehmen, die hierzulande ihre Dienste anbieten, wirkungsvoll re-guliert und beaufsichtigt. Also ab an den Pranger!

Selbst wenn ein solcher Schritt in der Sache meist den Richtigen trifft, hebelt es ein Prinzip freiheitlicher Gesellschaften aus. Um dem Einzelnen, auch dem einzel-nen Unternehmer, möglichst viel Freiheit zu gewähren, hält sich der liberale Rechts-staat so weit zurück, wie er

kann. Unternehmertum bedeutet ja gerade, nach Nischen und Neuland zu suchen. Wer das will und seinen Wohlstand darauf gründet, dass im-mer wieder Neues entsteht, muss diesen Unter-nehmen Rechtssicherheit gewähren. Wenn nun jemand der Meinung ist, dass ein Manager oder Unternehmer gegen Gesetze verstoßen hat, soll er ihn verklagen. Wenn aber eine Regierung un-zureichende Gesetze gemacht hat, kann sie nicht so mir nichts, dir nichts ein öffentliches Tribunal veranstalten. In Wahrheit ist das ein Zeichen von Hilflosigkeit. Früherer Untätigkeit. Schwäche.

Es gibt Organisationen, die dürfen und sollen öffentlichen Druck ausüben: Medien und Ver-braucherschutzorganisationen. Sie sind dafür da, Öffentlichkeit zu schaffen und dadurch Druck auf Verantwortliche auszuüben. Aber nicht die Exekutive. Nicht die Regierung.

Selbst der aktuelle Fall der Investmentbank Goldman Sachs passt in dieses Muster. Immerhin wurde die Bank angeklagt, sie habe ihren Kunden Wettscheine verkauft, deren Grundlage sie ge-meinsam mit demjenigen ausgekungelt habe, der dagegen wetten wollte. Vor einigen Tagen einigte sich Goldman Sachs mit der Börsenaufsicht, der SEC, auf eine Ablasszahlung von 550 Millionen Dollar. Dass die Bank damit relativ billig davon-gekommen ist, legt den Schluss nahe, dass die Staatsanwälte doch nicht so sicher waren, ob die geltenden Gesetze ausgereicht hätten, Goldman Sachs vor Gericht zu bezwingen.

Für alle, denen die Zweifel nicht auszutreiben sind, sei hier noch einmal das Beispiel Toyota empfohlen. Wie sich nun herausgestellt hat, gibt es keinen Beweis für eine fehlerhafte Elektronik, die ein Auto wie von Geisterhand beschleunigt. Wahrscheinlicher ist: Die meisten verunglückten Fahrer haben schlicht das falsche Pedal getreten. So zumindest lautet das Urteil des US-Verkehrs-ministeriums, aber dieses Ergebnis brauchte eben seine Zeit. Da hatte sich die US-Regierung den Autoboss schon ordentlich vorgenommen.

Obamas Coup Was die neuen amerikanischen Finanzregeln taugen, muss der nächste Boom zeigen VON MARK SCHIERITZADIE ANALYSE

Toyota, UBS, Facebook und zuletzt Goldman Sachs: Die Liste der Unternehmen, die in westlichen Demokratien von der Regierung an den Pranger gestellt werden, wird immer länger. Es ist Zeit, sie davor in Schutz zu nehmen – auch wenn diese Einsicht schwerfällt

DER STANDPUNKT:

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ZEIT-Grafik/Quelle: BIZ, US-Regierung

US-Banken in Zahlen

Bankenrettungsprogramm:

700 Milliarden Dollar

Bilanzvolumen der Geschäftsbanken:

11992 Milliarden Dollar

Ausleihungen ans Ausland:

3704 Milliarden Dollar

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