statistics about saxony
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my final bookdesign in my majorclass typography.TRANSCRIPT
SachSen Schrumpftdemografischer Wandel in Ostdeutschland
SachSenInhaLthOYerSWerDarIeSa
BautZenWeISSWaSSerfreIBerGpLauen
jOhannGeOrGenStaDt
005-013
015-026
027-041
042-055
056-067
068-081
082-095
096-107
jOhannGeOrGenStaDt
Die Zukunft, ist gemeinhin die Zeit, in der man bereut, nicht das getan zu haben, was man hätte tun können.
SACHSEN
005Die Zahlen sprechen ei-ne deutliche Sprache.
Zu Beginn des Wendejahres 1989 lebten in Sachsen noch etwas mehr als 5 Millionen Menschen, heute sind es knapp 14% Prozent weniger. Bis 2020 werden weitere 15% weniger prognostiziert.
Ein Rückgang von fast einem Drittel seit 1989 - das ist, als ob die Städte Dresden, Leipzig, Chemnitz und Zwickau vollständig entvölkert würden.
Wobei in Sachsen die Bevölke-rungsverluste etwas höher waren als im Durchschnitt der anderen ostdeutschen Länder. Ursache da-für, dass Sachsen etwas „schlech-ter“ abschneidet, ist ausschließlich die Sonderentwicklung in Branden-burg, da dieses Land als einziges der neuen Länder einen leichten Bevölkerungsgewinn von 0,5% verzeichnen konnte.
Nach der Bevölkerungsprog-nose des Freistaates Sachsen wird die Bevölkerung im Zeitraum zwischen 2002 und 2020 um ca. 15,2% sinken.
1989
2008
2020
SachSen
4.25 mIO5 mIO
3.6 mIO
18-2
5 jahre
30-5
0 jahre
65+ j
ahre
Die meisten Sachsen zieht es nach
Bayern und Baden-Würtemberg,
dicht gefolgt von Nordrhein-West-
falen. Rheinland-Pfalz, Berlin und
Hessen, belegen Platz zwei in der
Beliebtheit.Etwas abgeschlagen,
sind Bremen, Hamburg, Schlesweig
Holstein, Mecklenburg-Vorpommern
und das Saarland.
SchLeSWIG-hOLSteIn
hamBurG
meckLenBurG-vOrpOmmern
Bremen
BerLIn
nrW
heSSen
rheInLanD-pfaLZ
SaarLanD
BaDen-WürtemBerG
BaYern
Über ein Drittel aller Wanderungs-
verluste betrifft die Altersgruppe der
18-25-jährigen. Die anderen zwei
Drittel setzen sich aus den Alters-
gruppen 25-30 Jahre und 65 und
älter zusammen.
bis 1997 normalisierten sich die Fortzüge, was bei gleichzeitig gestiegenen Zuwanderungen - insbesondere aus dem Ausland - zu Wanderungsgewinnen führte. Die dritte Phase begann 1998 mit erneuten Wanderungsverlus-ten für Sachsen auf Grund von starker Zunahme der Fortzüge in die alten Bundesländer.
Über ein Drittel aller Wande-rungsverluste der vergagenen12 Jahre betrifft die Altersgruppe der 18- bis unter 25-Jährigen. Die Alterstruktur der sächsischen Bevölkerung hat stets mindernd auf die Zahl der Fortzüge gewirkt, doch seit 1998 ist die Fortzugs-bereitschaft dominant und nimmt immer weiter zu. Sie waren zu rund 53 Prozent jünger als 30 Jahre. Sie verringern durch die hohe Fortzugsintensität der jun-gen Frauen zwischen 18 und
30 Jahren das Potential im ge-bärfähigen Alter und schränken damit die Möglichkeit steigender Geburtenzahlen in Sachsen wei-ter ein. 60 Prozent der Fortgezo-genen waren allein stehend, 33 Prozent lebten als Ehepaare oder Lebensgemeinschaften - drei Fünftel ohne Kinder und zwei Fünftel mit Kindern. Der Anteil der Alleinstehenden sank nach dem Umzug um 25 Prozent. Von den
53 %30 jahre
DIe fOrtGeZOGenen
Sachsens Bevölkerung schrum-pfte seit 1990 bis heute jährlich um durchschnittlich 0,9 Prozent. Etwa drei Fünftel des Bevöl-kerungsrückganges in diesem Zeitraum sind natürliche Verluste. Es gab nur etwa halb so viele Geburten wie Menschen gestor-ben sind. Dadurch ging Sach-sens Einwohnerzahl um 333 000 Personen zurück. Dazu verlor Sachsen etwa 212 200 Einwoh-ner, weil 1,04 Mill. Menschen das Land verließen und nur 831 000 ihren Wohnsitz hierher verlegten.
Von 1998 bis 2001 stieg die Abwanderung in das Bundes-gebiet pro Jahr im Durchschnitt um 9,6 Prozent. Insbesondere erreichte sie 2001 mit 62 300 Fortzügen in Richtung der alten Bundesländer den höchsten Wert seit 1992.
Das Wanderungsgeschehen hat höhere Dynamik als die natürli-che Bevölkerungsbewegung und gliedert sich seit 1990 in drei Phasen: Die erste umfasst die Wiedervereinigungsphase bis 1992 mit hohen Wanderungsver-lusten in das frühere Bundesge-biet. In der zweiten Phase 1993
DIe auSGanGSSItuatIOn
weggezogenen Frauen gingen 40 Prozent eine Lebensgemein-schaft oder Ehe ein, bei den Männern waren es 31 Prozent. Mit 97 Prozent aller Fortgezoge-nen verfügten fast alle über einen Schulabschluss. Es haben über-wiegend Personen mit höherem Schulabschluss den Freistaat Sachsen verlassen. Fast 37 Pro-zent der Fortgezogenen hatten Fachhochschul- bzw. Hochschul-reife, 47 Prozent die Realschule erfolgreich abgeschlossen und 12 Prozent die Schule nach dem Volks- oder Hauptschulabschluss verlassen. Von den fortgezoge-nen Personen im Alter von 21 bis 35 Jahren verfügten fast 44 Prozent über die Fachhochschul- oder Hochschulreife. Während knapp 18 Prozent der sächsi-schen erwachsenen Bevölkerung die Fachhochschul- oder Hoch-schulreife haben, liegt dieser An-teil bei den Fortgezogenen um 19 Prozentpunkte höher. Dagegen lag der Anteil der Fortgezogen mit Volks- und Hauptschulabschluss mit 12 Prozentpunkten unter dem sächsischen Durchschnitt (2001: 33 Prozent).
Von den Fortgezogenen ver-fügten reichlich 85 Prozent über einen beruflichen Ausbildungsab-schluss. 53 Prozent hatten eine Lehrausbildung oder Berufsfach-schule absolviert, 20 Prozent eine Fachhochschule, Hochschule oder Promotion und immerhin 8 Prozent eine Meister-, Techniker- bzw. Fachschulausbildung. Rund 13 Prozent der Fortgezogenen hatten ihre berufliche Ausbildung noch nicht abgeschlossen. Zum Zeitpunkt des Umzuges stand rund die Hälfte der Fortgezoge-nen in einem Arbeitsverhältnis. Sie waren zu 25 Prozent als Angestellte und zu 21 Prozent als Arbeiter tätig. 16 Prozent waren arbeitslos und über 30 Prozent galten als Nichterwerbspersonen.
333.0001.04 Mio9.6 %62.300
SACHSEN
007
DIe mOtIve
Der Hauptgrund des Fortzugs mit reichlich 40 Prozent war eindeutig Arbeitsaufnahme oder Fortset-zung einer Tätigkeit am Zielort. An zweiter Stelle rangierte mit 15 Prozent der Nachzug zum Ehe-partner, gefolgt vom Wegzug von 12 Prozent der Befragten wegen besserer Verdienstmöglichkeiten. Somit waren bei 52 Prozent aller Fortgezogenen Arbeitsmarktgrün-de ausschlaggebend.
Der Beginn einer Ausbildung oder die Aufnahme eines Stu-diums war für rund 9 Prozent ein Wegzugsgrund. Von den jungen Sachsen bis 21 Jahre war sogar für über 37 Prozent die Ausbildung oder das Stu-dium die Hauptursache für den Weggang aus Sachsen. Die jungen Arbeitslosen bis 25 Jahre, die Sachsen verlassen haben, kamen aus Ausbildungsberufen, die am stärksten besetzt sind. Bei den älteren Fortgezogenen ab 50 Jahre rangierten erwar-tungsgemäß mit fast 51 Prozent die familiären und persönlichen Gründe an erster Stelle. Eine neue Erwerbstätigkeit nannten in dieser Altersgruppe nur noch 14 Prozent der Fortgezogenen als wichtigstes Motiv.
Rund 62 Prozent der Fortgezoge-nen könnten sich vorstellen nach Sachsen zurückzukehren. Das gilt gleichermaßen für Männer und Frauen. Mit zunehmendem Alter sinkt das Interesse an einer Rückkehr deutlich. Während bei den 18- bis unter 30-Jährigen noch knapp 75 Prozent wieder nach Sachsen zurückkehren würden, sind es bei den 30 bis unter 50 Jahre alten Personen nur noch knapp 60 Prozent. Von den über 50-Jährigen können sich schließlich sogar nur noch 26 Prozent eine Rückkehr nach Sachsen vorstellen. Außerdem haben Frauen in der Altersgrup-pe von 25 bis unter 45 Jahre geringere Rückkehrabsichten als Männer in diesem Alter.
Mit steigendem Bildungs- und Ausbildungsabschluss sinkt die Rückkehrbereitschaft. Über 40 Prozent der fortgezogenen Personen, die einen Realschul-abschluss haben würden nach Sachsen zurückkehren, aber nur knapp über 20 Prozent der Fachhochschul-, Hochschulab-solventen sowie der Promovier-ten. Für nur fast 12 Prozent der
jungen Leute der Altersgruppe von 18 bis unter 35 Jahre, die Hoch- oder Fachhochschulreife erlangten, kommt eine Rückkehr in Frage. Wichtigste Vorausset-zung für eine Rückkehr nach Sachsen ist für jeden zweiten ein Arbeitsplatz, gefolgt von den
entsprechend höheren Verdienst-möglichkeiten. Für über ein Drittel der Fortgezogenen kommt eine Rückkehr nach Sachsen nicht in Frage. Diese Entscheidung haben Frauen um 5 Prozent häu-figer getroffen als Männer.
Der höhere Verdienst nach dem Wegzug ist für fast die Hälfte der Nichtrückkehrwilligen der Hauptgrund. Bei den Männern nimmt er mit 48 Prozent einen noch höheren Stellenwert als bei den Frauen mit 38 Prozent ein. Unterschiede in den Altersgrup-pen gibt es kaum. Die besseren Lebens- und Zu-kunftsbedingun-gen außerhalbvon Sachsen spielen immerhin noch für 22 Prozent eine Rolle. Dieser Umstand wird von den Frauen höher bewertet als von den Männern. Familiäre Gebun-denheit ist für 14 Prozent der Grund nicht in die alte Heimat zurückzukehren. Dies gilt haupt-sächlich für Menschen ab 45 Jahren.
arbeitpartnerstudiuM
DaS rueckkehrerpOtentIaLzurueckinteresse75 %
DIe nIchtrueck kehrWILLIGen
Sachsen und die anderen ost-deutschen Länder stehen in den nächsten 15 Jahren vor drei zen-tralen Herausforderungen, die nicht isoliert voneinander gese-hen werden können.
an die Rückführung der Osttransfers,an die demographischen Veränderungen, sowie der Pro-Kopf-Ausgaben in der laufenden Rechnung an das Niveau der finanzschwachen Westflächenländer. Nach Durchführung der notwendigen Anpassungen wird es dem Land und seinen Bürgern nicht schlechter gehen,
die in den nächsten Jahren noch fließenden Osttrans-fers optimal zur Stärkung der Wirtschaftskraft eingesetzt werden, die Anpassung der Budgetstrukturen an den de-mographischen Wandel nicht durch Partikularinteressen behindert, sondern zügig mit Innovationskraft bewältigt werden, allen Betroffenen in der Politik, der Bevölkerung, den Medien usw. die Notwendigkeit der Maßnahmen erläutert werden und die Prozesse hinreichend transpa-rent sind und ferner die Politik dokumentiert, dass sie diesen Problemen nicht konzeptionslos, sondern bestens gerüstet entgegentritt.
die anpassung
wenn:rueckkehrverdienstgebunden
SACHSEN
009
bis unter 6 Jahre6 bis unter 16 Jahre16 bis unter 21 Jahre21 bis unter 28 Jahre28 bis unter 45 Jahre45 bis unter 67 Jahreälter als 67 Jahre
insgesamt
bestand 2002
184.836366.743287.748371.344
1.051.8601.340388
746.049
4.348.968
prognose2012
194.786286.102150.181351.122859.221
1.302.116918.998
4.052.331
prognose2020
153.165287.150147.937210.299774.251
1.212.292951.778
3.736.870
veränderung2002-2020
-17,1-21,7-48,6-43,4-26,4
-9,627,6
-14,1
aLterSentWIckLunG In SachSen
bevoelkerungsbestand in deutschland in %
rueckkehrwillige
-0.9
-13.2
-12.0
-11.5
-10.8
-2.8
-2.6
-1.2
62.3%
37.7%
Sachsen-Anhalt
Mecklenburg
Thüringen
Sachsen
Saarland
Bremen
Brandenburg
Berlin
NRW
Hessen
Hamburg
Rheinland-Pfalz
Schleswig-Hol.
Niedersachsen
Bayern
B. Württemberg
SACHSEN
011
voraussetzungen fuer eine rueckehr
3.9
5.4
6.2
7.7
7.9
8.1
9.1
9.3
50.630.83.511.5
ArbeitsplatzVerdienstPerspek-tiven
Sonstige
19 % arBeItSLOSenquOteeIn unD vIerZIGtauSenD eInhunDert vIer
GeBurtenDefIZIt
9.00071.00041.10432.000
ist eine Große Kreisstadt im sächsi-
schen Landkreis Bautzen. Die größte
Stadt der nördlichen Oberlausitz liegt
etwa 35 km südlich von Cottbus und
55 km nordöstlich von Dresden im
sorbischen Siedlungsgebiet.
Die Einwohnerzahl von Hoyers-
werda stieg im Mittelalter und der
frühen Neuzeit nur langsam. Durch
die zahlreichen Kriege, Seuchen und
Hungersnöte ging sie immer wieder
zurück. Bis Mitte des 20. Jahrhun-
derts lebten in der Stadt nur wenige
tausend Menschen. Nach dem Bau
eines Braunkohleveredelungswer-
kes im Jahre 1955 beschleunigte
sich das Bevölkerungswachstum
rasant. Die Einwohnerzahl stieg von
rund 9.000 auf ihren historischen
Höchststand von über 71.000 im
Jahre 1981. Inzwischen ist die Be-
völkerungszahl jedoch wieder stark
gesunken. Am 31. Mai 2007 betrug
die amtliche Einwohnerzahl von Hoy-
erswerda 41.104.
Seit der Wende in der DDR hat die
Stadt vor allem wegen der Abwan-
derung aufgrund der hohen Ar-
beitslosigkeit und in zunehmendem
Maße wegen des Geburtendefizits
40 Prozent ihrer Bevölkerung (rund
27.000 Personen) verloren. In Bezug
auf die damaligen Stadtgrenzen hat
Hoyerswerda seit Ende 1988 sogar
über 46 Prozent seiner Bewohner
(rund 32.000 Personen) eingebüßt.
Seit 1990 durchlebt die Region um
Hoyerswerda einen gewaltigen Struk-
turwandel. Mit dem Zusammenbruch
der bestimmenden Monoindustrie –
Bergbau- und Energiewirtschaft – er-
gaben sich in der Lausitz einschnei-
dende Veränderungen. In der Region
sind 100.000 bis 150.000 Arbeits-
plätze in allen Bereichen verschwun-
den und wurden nur leicht kompen-
siert. Es herrscht eine Arbeitslosen-
quote von etwa 19 %. Die Industrie
aus dem sekundären Sektor ist fast
komplett verschwunden. Die Stadt
belegt laut einer Statistik des Kin-
derschutzbundes über Kinderarmut
Platz 3 in Deutschland.
Die Stadt Hoyerswerda hat zu
ihrer weiteren wirtschaftlichen Ent-
wicklung ein Integriertes Stadtent-
wicklungskon-
zept in den Bereichen Wirtschaft
und Stadtumbau erstellen lassen. Im
Stadtumbaukonzept ist die Umge-
staltung, ein – sozial verträglicher
– Gesundschrumpfungsprozess der
Stadt, der Rückbau des Leerstandes
an Wohnsubstanz, eine Weiterent-
wicklung zur modernen Wohn- und
Dienstleisterstadt konzipiert. Das
Wirtschaftskonzept sieht das im
Strukturwandel befindliche Umland
als Chance für Hoyerswerda.
19 % arBeItSLOSenquOteeIn unD vIerZIGtauSenD eInhunDert vIer
GeBurtenDefIZIt
juengste stadt Mit pensionaeren
1956 als „zweite so-zialistische Wohnstadt
der DDR“ für die Kohle- und Energie-arbeiter des „größten Braunkohle- und Steinkohle-veredlungskombinats Europas“, Schwarze Pumpe, errichtet, durchläuft seit der Wieder-vereinigung einen dramatischen De-Industria-lisierungsprozess.
Tausende Arbeitsplätze sind verloren gegan-gen. Gleichzeitig nimmt die Bewohnerschaft der Stadt stetig ab und die verbleibende wird immer älter. In etwa zehn Jahren, so die
hOYerSWerDa, gering. Hier droht ein Wiederanstieg der Altersarmut. Hinzu kommt, dass die gesamte technische und soziale Infrastruktur der Stadt angesichts der sinkenden Einwohnerzahlen überdimensioniert ist. Wie kön-nen Stadtmütter und -väter unter diesen Bedingungen ihre Stadt entwickeln? „Was fängt man mit einem Gemeinwesen an“, so der ostdeutsche Architekturkritiker Wolf-gang Kil zu Recht dramatisierend, „das sich weder durch Zuzüge noch durch eigenen Nachwuchs reproduziert, also de facto zum Aussterben verurteilt ist?“ Und weiter:
„Was fangen die Bürger dieser Stadt mit sich an, wenn sie mehrheitlich alt und immer älter werden, zunehmend beschwert von körperlicher Mühsal und ohne finanzielle Res-sourcen? Wird Hoyerswerda in zehn Jahren ein Rentnerparadies aus zweigeschossigen Hauszeilen, oder doch lieber mit alters- und pflegegerecht aufgerüsteten Hochhäusern, eingebettet in Parkanlagen mit vielen Bänken und Elektromobil-Ausleihservice, Haustierpfle-gestationen, die berühmte Bergarbeiter-Klinik umgerüstet zum geriatrischen Fachkranken-haus, in der Lausitzhalle allwöchentlich Musi-kantenstadl und schließlich die Friedhofsgärt-nerei als letzter Arbeitgeber mit garantierter Expansionsaussicht?“
Unabhängig von Lage, Größe, wirtschaftli-cher Basis, Geschichte und admin-istrativem Status zeigen sich die wirtschaft-lichen und sozialen Folgen der Wende
Prognosen, wird die einst „jüngste Stadt“ der DDR annähernd zur Hälfte von PensionärIn-nen bewohnt sein. Heute handelt es sich bei diesen zwar noch um die relativ gut versorg-ten KnappschaftsrentnerInnen.Aber künftig werden jene Personengruppen überwiegen, deren Bezüge als Folge von Vorruhestand und jahrelanger Arbeitslosigkeit eine eher trostlose Perspektive bieten: Einkommen/Ver-mögen und künftige Rentenansprüche sind
HOYERSWERDA
019
EiNWOHNER
besonders in den tief greifenden Schrumpfungsprozessen von Städten und Regionen Ost-deutschlands. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik verän-derten sich die Rahmenbedin-gungen der Stadtentwicklung in
Ostdeutschland grundlegend. Die Wiedereinführung von Privatei-gentum an Grund und Boden, die Privatisierung volkseigener und genossenschaftlicher Mietwoh-nungen bei gleichzeitiger Resti-tutionspolitik nach dem Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ sowie die Altschuldenregelung für DDR-Wohnungsunternehmen und die Retablierung der kommunalen Selbstverwaltung bei gleichzeiti-gem Austausch der lokalen Eliten sind hier die wichtigsten Stich-worte. Alle Veränderungen in den Rahmenbedingungen stehen jedoch im Bann der „De-Industri-
De-InDuStrIaLISIerunG
alisierung“. Der Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie hatte die folgenreichsten und schwer-wiegendsten Auswirkungen auf die wirtschaftliche Basis der ost-deutschen Städte.
„Auf die Industrie entfielen im Saldo 70 % des Arbeitsplatzab-baus im Gefolge der deutschen Einheit.“
Die eruptive Marktöffnung, ein Umtauschkurs, der weit über der Kaufkraftparität lag, und eine erste Annäherung von Löhnen und Gehältern an das westdeut-sche Niveau verursachten einen „Abschmelzungsprozess“ bei
1000
2000
4000
5000
uNtER 25 25-55 55 uND ältER
1999 2004 2007
gESAmt 8282 6868 4876
19% 19% 19%19%
arbeitslosenquoteden Arbeitsplätzen. Die Landwirtschaft war für viele Städte im ländlichen Raum nach der Industrie die wichtigste wirtschaftliche Basis. Immerhin betrug der Arbeitskräftebesatz hier am 30. September 1985 850 000 Erwerbs-tätige, das heißt, er war etwa doppelt so hoch wie in dem bevölkerungs- und flä-chenmäßig viel größeren Gebiet der früheren Bundesrepublik. Wie in den anderen Wirt-schaftsbereichen war der Anpassungsdruck für die ostdeutsche Landwirtschaft enorm, nur betrug hier der Beschäftigungsrückgang zwischen 1989 und 1993 fast 80 Prozent; es handelte sich um den größten Arbeitsplatz-verlust im Vergleich aller Wirtschaftsbereiche. Die Umstrukturierung der Landwirtschaftli-chen Produktionsgenossenschaften (LPG) zu privatwirtschaftlichen Unternehmen ist zwar wesentlich erfolgreicher gelungen als etwa die Transformation im Industriebereich. Aber der Aufstieg erfolgreicher - die EU-Subven-tionssysteme ausschöpfender - Agrarunter-nehmen erfolgte bei gleichzeitigem sozialen Abstieg von ländlichen Regionen wie der Alt-mark in Sachsen-Anhalt oder des Landkrei-ses Uckermünde-Randow in Mecklenburg-Vorpommern. Die Landwirtschaft trägt heute nur noch unwesentlich zur Wirtschaftskraft einer Stadt bei.
Insgesamt ist die Entwicklung der Städte in Ostdeutschland von Funktionsverlusten und
HOYERSWERDA
021
Hamburg
Bremen
B. Württemberg
Saarland
Hessen
NRW
Rheinland-Pfalz
Niedersachsen
Bayern
Berlin
Schleswig-Hol.
Brandenburg
Sachsen-Anhalt
Mecklenburg
Sachsen
Thüringen
Deutschland
wirtschaftlichem Strukturabbau gekennzeichnet. Zentrales Pro-blem ist nicht die Transformation der wirtschaftlichen Basis, son-dern vielmehr ihre weitestgehen-de Erosion. Infolgedessen kam es zu einer hohen Arbeitslosigkeit und einer stagnierenden bzw. re-zessiven Wirtschaftsentwicklung, die bis zum jetzigen Zeitpunkt anhält. Seit 1991 hat die Arbeits-losigkeit im Osten ständig zuge-nommen und verharrt seit etwa 1997 relativ konstant bei 18 bis 19 % der Erwerbsbevölkerung.Das sozioökonomische Profil der ostdeutschen Städte ist durch hohe Sozialleistungen bei gerin-gem Steueraufkommen und einer starken Abhängigkeit von staat-lichen Transferleistungen cha-rakterisiert. Da der ökonomische Wandel nicht nur - wie dargestellt - durch De-Industrialisierung verursacht ist, sondern einen all-gemeinen wirtschaftlichen Struk-turabbau umfasst, wird hier vor-geschlagen, treffender von der „De-Ökonomisierung“ zu spre-chen. Die wirtschaftliche Basis der ostdeutschen Städte ist weit-gehend frei von „Marktwirtschaft“. Schaut man sich die defizitären Haushalte der ostdeutschen
Städte an, wird offensichtlich, dass diese überwiegend von Transferzahlungen getragen sind. Selbst erwirt-schaftete Einnahmen von der Gewerbe- bis zur Hunde-steuer haben einen verschwindend geringen Anteil. Die Wanderungsbewegungen der Bevölkerung verlaufen schwerpunktmäßig von Ost nach West, und das sied-lungsstrukturelle Gefälle in Ostdeutschland wird verstärkt. Schließlich bewirkt der ausbildungs- und erwerbsbeding-te Abgang der jungen Bevölkerung in Ostdeutschland bei gleichzeitiger Zunahme der Lebenserwartung der Bürger in den fünf Ländern eine Alterung der Bevölkerung...
Die Arbeitslosenquote in Hoyerswerda beträgt 19 Prozent und liegt damit über dem bundesweiten Durch-schnitt von 9,6%. Derzeit sind 27,6 Prozent aller erwerbs-fähigen Frauen in Hoyerswerda arbeitslos. Die Frauen-arbeitslosigkeit ist also über der bundesweiten Quote von 11,1%. Das durchschnittliche Arbeitnehmerentgeld in Hoyerswerda liegt bei 2.327,00 Euro pro Monat und
2.934
2.881
2.849
2.833
2.687
2.685
2.667
2.666
2.630
2.608
2.583
2.094
2.065
2.043
2.010
1.975
2.630
2.251
2.052
2.083
2.085
2.045
1.971
1.962
2.054
1.986
2.110
1.940
1.736
1.643
1.537
1.533
1.582
1,952
m W
bruttoMonatsverdienst des produzierenden gewerbes
HOYERSWERDA
023
ungenutzte Schulgbedäude
werden abgerissen
Zukunft. Das Schicksal der 732-jährigen Sorben-Siedlung wird von zwei negativen, sich gegenseitig verstärkenden Trends dominiert: Abwanderung und Überalterung.
Hoyerswerda ist eine ausster-bende Stadt, bis 2015 schrumpft sie trotz einer vorgenommenen Eingemeindung auf 40 300 Ein-wohner, bestenfalls sind es 700 mehr. Im Jahr 2020 wird die Marke von 40 000 endgültig und nach-haltig unterschritten. Und damit ist die Abwärtsspirale längst nicht beendet...
De-InDuStrIaLISIerunG
Bremen
Niedersachsen
Hamburg
Bayern
B. Württemberg
Hessen
Berlin
Schleswig-Hol.
NRW
Rheinland-Pfalz
Saarland
Brandenburg
Mecklenburg
Sachsen
Thüringen
Sachsen-Anhalt
Deutschland
wochenarbeitsstunden/stundenlohn
36.2
36.3
37.6
37.6
37.6
37.6
37.6
37.7
37.9
38.1
38.2
39.4
39.9
39.9
40.0
40.2
37.9
17.94
16.47
17,70
15,52
16.67
15.98
15.47
15.24
15.89
15.70
16.60
11.96
11.39
11.11
10.84
11.52
15.45
h €
somit 398 Euro unter den 2725 Euro des bundesweiten Durchschnitts. Für Statistiker erschließt sich die Welt aus Zahlenreihen. Die in ihnen verborgene Wahrheit kann so brutal sein, dass sie sich manchmal nur mit drastischen Vokabeln erklären lässt. "Das Szenario", stöhnt Annett Kirschke auf, "ist einfach absolut horrorhaft." Seit gut vier Jahren arbeitet die Dresdnerin im Statistischen Landes-amt von Sachsen als Expertin für Demographie. In dieser Funktion hat sie jüngst daran mitgewirkt, die langfristige Entwicklung der Bevölkerung im Königreich von Kurt Bie-denkopf zu prognostizieren. Die Bewohner zwischen Zwi-ckau und Zittau vergreisen zunehmend, obwohl sie schon 1997 mit durchschnittlich 41,2 Jahren die ältesten Deut-schen waren. Doch das alles ist noch nichts. Gemessen zumindest an jener Kommune, die für die Statistikerin Kirschke "unsere grausigste im gesamten Freistaat" ist: das ostsächsische Hoyerswerda. In vier verschiedenen Varianten hat das Landesamt die Zukunft von Hoyerswer-da ausgeleuchtet. Das bittere Fazit: Die Stadt, einst für mehr als 72 000 Menschen gebaut, hat so gut wie keine
15,3 % arBeItSLOSenquOtevIertauSenD achthunDert SechS unD vIerZIG
rechtSraDIkaLISmuS
47.32640.49137.56634.004
ist eine Mittelstadt im sächsischen
Landkreis Meißen mit gegenwärtig
35.508 Einwohnern. Sie umfasst
eine Fläche von 58,84 km² und liegt
linksseitig der Elbe. Bekannt wurde
die Stadt vor allem durch die hier
vorhandene Stahl-Industrie und als
Sportstadt.Seit 1994 hat Riesa den
Status Große Kreisstadt im Freistaat
Sachsen.
Mit der industriellen Revolution
konnte Riesa vor allem seit Beginn
des 20. Jahrhunderts zur Stadt
heranwachsen. 1952 wurde Riesa
Kreisstadt. Nach der Wende 1989/90
sank die Einwohnerzahl Riesas – wie
in den meisten anderen mittelgroßen
Städten Ostdeutschlands – rapide.
Vor allem die Schließung des Stahl-
werks und der damit verbundene
Anstieg der Arbeitslosigkeit führte
dazu, dass die Einwohnerzahl von
fast 52.000 Einwohnern (1981) auf
gegenwärtig nur noch knapp 36.000
Einwohner gefallen ist.
Die Große Kreisstadt Riesa war zu
DDR-Zeiten eine klassische Indust-
riestadt. Sie war für Stahl, Sport und
Streichhölzer bekannt. Insbesonde-
re das Stahlwerk, mit über 13.000
Beschäftigten das größte metallur-
gische Kombinat der DDR, prägte
das Gesicht der Stadt. Die Wende
1989/90 führte zum Zusammenbruch
der alten Industrien und einer starken
Einwohnerabwanderung aus Riesa.
Die Streichholzfabrik VEB („Vorsicht,
Eines Brennt!“) wurde mit Ende der
DDR ebenso geschlossen wie das
große Stahlwerk hier. Eine Katastro-
phe für die ganze Region.
An die DDR erinnert hier noch eini-
ges. Die Plattenbauten, Gedenktafeln
mit Danksagungen an das sowjeti-
sche Volk, oder Straßennamen wie
die Rosa-Luxemburg-Allee. Von den
drei „S“ in Riesa blieb lediglich der
Sport bestehen. Deswegen nennt
sich Riesa heute „Sportstadt“.
15,3 % arBeItSLOSenquOtevIertauSenD achthunDert SechS unD vIerZIG
rechtSraDIkaLISmuS
Durch den seit Jahren anhaltenden Bevölke-
rungsrückgang haben die Kom-munen in den neuen Bundeslän-dern mit teilweise drastischem Wohnungsleerstand zu kämpfen. Oftmals bleibt der Rückbau bzw. Abriss der einzige Ausweg aus der Misere, denn leere Wohnun-gen kosten Geld. Im vergange-nen Jahr wurden deshalb allein im Freistaat Sachsen über 13000 Wohnungen weniger registriert. Dem gegenüber wurden nur 8400 Wohnungen neu gemeldet. Die meisten Häuser verschwin-den in den Plattenbausiedlun-gen, die seit der Wende stark an Attraktivität verloren haben. Waren sie in der DDR wegen des relativ hohen Komforts begehrt, leben heute meist Seniorinnen und Senioren in den Häusern und Menschen, die preiswerten Wohnraum suchen. Die Folge ist, dass in manchen Blöcken ein Leerstand von 50% herrscht. Mit dem von der Bundesregierung aufgelegten Programm „Stadtum-bau Ost“ werden in den nächs-ten Jahren weitere Wohnungen verschwinden. Das Programm hat aber nicht nur den Rückbau von Häusern zum Inhalt, sondern
rIeSa StaDtumBau OSt1.7 Miokostet der abrissauch die Aufwertung von Vier-teln mit älterer Bausubstanz. Zu der Situation in Riesa sprachen wir mit Riesas Bürgermeister für Allgemeine Verwaltung und Bauwesen Werner Nüse. Jana Abicht, Netzwerkstelle „Quo va-dis“: Seit wann beteiligt sich die Stadt Riesa an dem Programm „Stadtumbau Ost“? Werner Nüse: Seit 2002 nutzen wir dieses Pro-gramm, um auf den zwei mögli-chen Förderschienen die Stadt attraktiver zu gestalten. Einer-seits ist dies der Rückbau, also der Abriss, von leer stehenden Wohnungen. Andererseits fließen auch Mittel, um Gebiete
mit älterer Bausubstanz zu verschönern. Jana Abicht: Wo wird derzeit die Stadt diesbezüg-lich verändert? Werner Nüse:
„Nach dem Abriss von mehreren Wohnblö-cken in Stadtteil Weida stehen nun die Kräne im Stadtzentrum auf der Berliner Straße. Seit 2002 haben wir 1,7 Millionen Euro in den geförderten Abriss von Wohnungen ge-steckt, was rund 800 Wohnungen entspricht. Geplant sind diese Rückbau-Maßnahmen noch bis Ende 2008, bis dahin werden noch
situationsbeschreibung
RiESA
031
einmal rund 100 Wohnungen betroffen sein.“ Die durchschnittliche Entfernung zu den
sächsischen Ballungsräumen Dresden, Leipzig und Chemnitz beträgt 50 bis 80 km. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf das Frei-zeit- und Konsumverhalten der Menschen, sondern auch auf die Wahl der Arbeits- bzw. Lehrstellen von Jugendlichen. Die regionale Wirtschaft ist hauptsächlich durch Hand-werksbetriebe und kleinere mittelständische Betriebe geprägt. Größter Arbeitgeber der Region im produzierenden Bereich ist das traditionelle Chemiewerk in Nünchritz und der neu entstandene Betrieb Kronospan in Lampertswalde an der A13. Dennoch beträgt die Arbeitslosenquote im Landkreis seit Jahren unverändert rund 20%. Der westli-
Bevölkerungsentwicklung der Stadt
Riesa von 1989 bis 2007, getrennt
nah männlich und weiblich
Zuzüge und Wegzüge aus dem/
in das Ausland 2008
1989
1995
2000
2005
2008
47.32642.62939.36736.56135.139
männer frauenGeSamt
22.61820.39619.03317.72617.066
jahr
24.70822.23320.33418.83518.073
RiESA
033
che Teil des Landkreises, die Region Riesa, wurde bis zur Wende durch das Stahlwerk mit seinen 13000 Beschäftigten geprägt. Der Aufschwung zur Industriestadt begann im 19. Jahrhundert durch den Bau der ersten sächsischen Eisenbahnlinie Dresden - Leip-zig, den Ausbau des Elb-Hafens und durch das 1843 gegründete Stahlwerk. Im Gesell-schaftssystem der DDR gehörte die Schwer-industrie zu den stark geförderten Zweigen. Somit wurde die Stadt zunehmend von der Monoindustrie der Stahlerzeugung geprägt, und das Stahlwerk gab ihr eine gewisse Identität. Die sehr beschäftigungsintensi-ve Produktionsweise der Siemens-Martin-Hüttentechnik und die politisch motivierten Subventionen der DDR in diese Industriezwei-ge schufen besonders für junge Familien aus anderen Landesteilen eine Perspektive, da die Grundbedürfnisse Arbeit, Wohnung, rela-tiv guter Verdienst und ein Netz von sozialen Betreuungsreinrichtungen für Kinder ausrei-chend gegeben waren. Durch Zuzug erfuhr die Stadt ein weiteres Wachstum, so dass sie in den 80iger Jahren ca. 50.000 Einwohner zählte. Es entstanden Plattenbausiedlungen, u.a. der neue Stadtteil Riesa-Weida. Nach der Auflösung der DDR-Gesellschaft und der
Herstellung der Deutschen Einheit durch Anschluss an das bundesrepublikanische Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell wurde recht schnell das technisch überalterte Stahl-werk geschlossen, und die von dieser Mono-industrie geprägte Stadt verlor ihre Prägung und auch ihre Identität. Für viele zugezogene Arbeiter war das Werk ihr Lebensinhalt und nicht die Verwurzelung in geschichtsträchtige
Traditionen. Etwa 10.000 Arbeiter verloren ihre Arbeit, nachdem das Werk geschlossen und demontiert wurde. Demzufolge liegt die Arbeitslosenquote seit Jahren über 15% - trotz vieler Ansiedlungsanstrengungen und der erfolgreichen Umgestaltung des Stahl-werkes zum Industriepark für produzierendes Gewerbe. Die daraus entstandene soziale Verunsicherung und Neuorientierung, auch mit Phasen der Orientierungslosigkeit führte in den 90iger Jahren zu einer pluraleren interes-
verunSIcherunG unD OrIentIerunGSLOSIGke
RiESA
035
koMMunalwahlen
Wahl 2009 Wahl 2004
cDu
Grüne
fDp
pDS
BürGerBeWeGunG rIeSa
SpD
npD
36.8%41.0%
3.7%
8.7%4.8%
20.3%21.8%
8.2%10.7%
14.1%15.5%
5.8%8.8%
sengeleiteten Jugendszene in der Stadt. Unter anderem entwickelte sich auch eine rechtsradikale Szene. Diese Szene wurde beobachtet und deeskalierend mit Metho-den der akzeptierenden cliquenorientierten Jugendarbeit begleitet. Zunehmend konnte man besonders bei Familienfeiern wahrneh-men, dass ebenfalls unter der Elterngenerati-on fremdenfeindliches Gedankengut Wurzeln schlug. Verstärkt wurde diese Stimmung da-durch, dass im schon erwähnten Wohngebiet Riesa-Weida zunehmend Aussiedlerfamilien untergebracht wurden. Damit wuchs unter der dort lebenden Bevölkerung auch die Be-drohungsangst in ihrer schon beschriebenen sozialen Unsicherheit. Besonders in Gesprä-chen mit Lehrern aus Berufs- und Mittelschu-
len wurde in der 2. Hälfte der 90iger Jahre deutlich, dass rechtsradikale und fremden-feindliches Gedankengut unter Jugendlichen häufiger anzutreffen ist. In dieser Zeit kam es auch in der Stadt zu einigen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den soge-nannten „Rechten“ und links- alternativ orien-tierten Cliquen. Auch die Springerstiefelkultur wurde im Stadtbild deutlicher. Diese Situation wurde 1999 von den führenden Kräften der Bundes-NPD geschickt ausgenutzt, um den bisher in Sinningen (Bayern) ansässigen Verlag der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ in Riesa anzusiedeln. Inzwischen hat sich dieser Verlag zu einem bundesweiten Logis-tikzentrum der NPD entwickelt, und auch der Bundesvorstand der Jungen Nationalen hat
teILnehmer an auSGeWähLten maSSnahmen aktIver arBeItSmarktpOLItIk
beschäftigungsbegleitende Maßnahmen 1.755
679205
1.372Arbeitsgelegenheiten
Qualifizierung
ABM
RiESA
037
aLterSGruppenverteILunG In rIeSa (%)
80+65-7945-64 25-4419-2416-1810-156-90-5
110
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
2006 2025
seinen Sitz in Riesa. Diese er-folgreiche Verwurzelung der NPD in Riesa hat natürlich den Auftritt der Neonazis konkret vor Ort verändert: Man braucht keinen Straßenkampf mehr, dieser würde nur das Nest beschmutzen. Unter der wirkungsvollen Losung „Schöner Wohnen“ wird versucht, über ein soziales, nachbarschaft-lich freundliches Auftreten bei den Bürgern zu punkten. Anknüp-fend an deren soziale Ängste wird über diese Nachbarschafts-strukturen weiterhin die auslän-derfeindliche, antidemokratische Sündenbockideologie verbreitet.
Die durchgängigen Wahlerfolge der NPD in allen Wahlbezirken Riesas und besonders in den Randstadtteilen mit über 15 % zeigen ganz deutlich, dass wir es hier mit einer neuen Qualität der Verbreitung rechtsradikaler Ideo-logie zu tun haben. Besonders unter jungen Menschen ist der Prozentsatz, der radikal gewählt hat, sehr hoch. Dies zeigt, dass zur Zeit wenig Vertrauen in die momentan praktizierte Demokra-tie vorhanden ist. Darum ist es nötig praktische Erfahrungsräume für erlebbares demokratisches Handeln und beteiligungsorien-tierte lokale Politik zu schaffen. Es gibt vor Ort keine zwar sichtbare rechtsradikale Bedrohung, aber der Kampf um die Hirne ist im vollen Gang und zielt auf jun-ge Menschen, die enttäuscht bzw. überfordert sind von dem momentanen gesellschaftlichen Wandel und Alternativen zur derzeitigen Politik suchen. Zudem haben diese Jugendlichen in ihren Eltern auch nicht den da-zu kritischen Auseinandersetzungs-partner, weil sie durch den ge-sellschaftlichen Wandel selbst verunsichert sind. Unter diesen Bedingungen verschärft sich die Situation der Jugendlichen und
der Jugendarbeit dramatisch. Nach wie vor muss die Region den Wegzug von jungen Men-schen verkraften: Im Landkreis sinkt die absolute Zahl der unter 27-Jährigen um ca. 3%, bezogen auf das jeweilige Vorjahr.
In Riesa betrug deren Anteil an der Gesamtbevölkerung 1999 26%, vier Jahre später nur noch 24%. Die Ursachen für den sta-tistischen Schwund liegen in der geringen Geburtenrate sowie im Wegzug von jungen Menschen, die meist über einen guten Schul-abschluss verfügen. Ca. 10% der Gesamtarbeitslosen im Landkreis sind junge Volljährige im Alter von 18 bis 27 Jahren, die überwie-gend gering qualifiziert sind. Diese Situation provoziert die hier gebliebenen Jugendlichen zu der Frage, wozu sie überhaupt gebraucht werden oder welche Perspektiven bietet ihnen die Gesellschaft und besonders die Region, in die sie hinein geboren werden. Jugendliche mit den nötigen Schlüsselqualifikationen entscheiden sich in ihrem indivi-duellen Entwicklungsweg für eine andere Region. Für einige andere
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
2.000
1.500
1.000
500
0
Zu- unD WeGZüGe In Der StaDt rIeSa vOn 2000-2008
RiESA
0392000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
FortzügeHinzüge
Zu- unD WeGZüGe In Der StaDt rIeSa vOn 2000-2008
änDerunG Der aLterStrukturen vOn 2006 auf 2025 (In %)
0-2 3-5 6-9 10-15 16-18 19-24 25-44 45-64 65-79 80+
125
100
75
50
25
0
-25
-50
sind diese Situation und ihre bisherigen Le-benserfahrungen der Einstieg in subkulturelle, extremistische Alternativen oder auch in den Missbrauch von Suchtmitteln. Ein gewisser Prozentsatz resigniert aber auch angesichts der Schwierigkeiten. Insgesamt wissen wir, dass diese jungen Menschen in 15 bis 20 Jahren die Gesellschaft prägen und steuern werden! Die labilen materiellen Existenzbe-dingungen und die Angst, in solche abzurut-schen, die Auflösungen von sozialen Milieus und die weit verbreitete Orientierungslosigkeit sind die Hauptmerkmale dafür, dass subkul-turelle und extremistische Aktivitäten in Ab-grenzung und Gegnerschaft zur bestehenden Gesellschaft entstehen.
Gespräche an Mittelschulen und in Berufs-vorbereitungsklassen der Berufsschulen bestätigen diese Situation. Diese Jugendli-chen fühlen sich von der Politik benachteiligt, glauben nicht an demokratische Veränderun-gen und fühlen sich aus dem Netz sozialer Aufstiegs- und Beteiligungsmöglichkeiten ausgegrenzt. Bereits im Bericht der Sächsi-
schen Staatsregierung zur Lage der jungen Menschen im Freistaat wird auf die daraus resultierenden, notwendigen Veränderungen hingewiesen: „Träger der Jugendhilfe müssen lernen, stärker als bisher auf die Lebensver-hältnisse der jungen Menschen einzugehen, die Mitwirkung der Kinder und Jugendlichen am gesellschaftlichen Leben herauszufor-dern, um damit auch künftiges Verständnis für die örtlichen Gegebenheiten zu entwi-ckeln.“ Ein Blick in die neun sozialräumlichen Planungsregionen jedoch zeigt, dass Ju-gendarbeit dies nicht alles allein leisten kann. Der finanzielle Druck auf die Kommunen wird immer größer, somit existieren nur begrenz-te fachliche Ressourcen für die vielfältigen geforderten Ziele. In allen Planungsregionen gibt es Angebote für Kinder und Jugendliche, die über die Gemeinde, frei Träger, Initiativen oder Ehrenamt organisiert sind. Über den Kreisjugendring, die Kreissportjugend sowie Arbeitsgemeinschaften des Landratsamtes gibt es Austauschprozesse und Ansätze von Zusammenarbeit. Die Schwierigkeiten dabei sind die knapper werdenden Finanzen bei den Trägern, der steigende Problemdruck der Zielgruppe und, dass die Vernetzung oft nicht mit Partnern aus Wirtschaft und Politik bzw. dem Gemeinwesen erfolgt.
RiESA
041
benachteiligung ausgegrenzt
15,0 % arBeItSLOSenquOteZehntauSenD fünf unD ZWanZIG
WOhnunGSrückBau
10.0256.3065.5565.091
ist eine Bergstadt im sächsischen
Erzgebirgskreis. Sie liegt direkt an
der tschechischen Grenze, ist ein
staatlich anerkannter Erholungsort
und nennt sich „Stadt des Schwib-
bogens“.
Die ab 1990 einsetzende Schlie-
ßung zahlreicher Betriebe der Hand-
schuh-, Textil- und Möbelindustrie
sowie des Maschinenbaues sorgte
für einen enormen Rückgang der
Bevölkerungszahl weit unter das Vor-
kriegsniveau. Dies wiederum hatte
den Abriss zahlreicher leerstehender
Fabrik- und Wohngebäude (vor allem
in Neuoberhaus, Pachthaus und der
Mittelstadt, teils frühere Baracken
der Wismut-Kumpel) zur Folge. Von
den Abbruchmaßnahmen war 2005
auch eines der wenigen Kultur-
denkmale der Stadt betroffen: Das
zwischen 1806 und 1812 errichtete
und vom großen Stadtbrand 1867
verschont gebliebene Gebäude des
Bergmagazins wurde mit Genehmi-
gung des Stadtrats abgerissen.
Die Region um Johanngeorgenstadt
in Sachsen zählt zu den deutschen
Extremschrumpfungsgebieten. Woh-
nungsleerstand, die Schließung von
Schulen und leere Kassen belasten
die Kommunen. Ist unter diesen
Bedingungen alle Mühe vergebens,
oder gibt es auch die Möglichkeit,
sich gesundzuschrumpfen?
Johanngeorgenstadt schrumpft.
1990 hatte die Kleinstadt im Erzge-
birge an der tschechischen Grenze
9.000 Einwohner. Ende 2004 waren
es nur noch 5.600. Johanngeorgen-
stadt schrumpft also sehr schnell:
Während der Freistaat Sachsen
im selben Zeitraum nur 10 Prozent
seiner Einwohner verloren hat, waren
es in der ehemaligen Bergbaustadt
39 Prozent! Eine selbst erstellte
Prognose geht von einer weiteren
Abnahme auf 3.800 Einwohner bis
zum Jahr 2016 aus. Damit gehört
die Region Johanngeorgenstadt zu
den Extremschrumpfungsgebieten in
Ostdeutschland.
15,0 % arBeItSLOSenquOteZehntauSenD fünf unD ZWanZIG
WOhnunGSrückBau
umBau vOn SIeDLunGSStrukturen
Während Wissen-schaft und Politik die Folgen des „demo-graphischen Wan-
dels“ erst seit Ende der neunziger Jahre offen diskutiert haben, war in Johanngeorgenstadt und den umgebenden Gemeinden bereits Mitte der neunziger Jahre klar, dass es abwärts gehen würde, und zwar nicht nur mit der Ein-wohnerzahl.
In anderen Regionen wurde zu dieser Zeit noch eine politische Diskussion darüber geführt, ob es legitim sei, leerstehende Ge-bäude abzureißen; in der Johann-georgenstädter Region war der Abriss bereits in vollem Gange. Ein stagnierender Fremdenver-kehr, der Zusammenbruch der größten Industriebetriebe und das Ausbleiben von Investoren run-den das Bild von der schrump-fenden Region ab.
Die sächsische Landesplanung reagierte seinerzeit rasch auf das heranreifende Problem. Zunächst erstellte man mit staatlicher Förderung ein städtebauliches Entwicklungskonzept für Johann-georgenstadt. Als klar wurde, dass dessen Umsetzung durch
jOhannGeOrGenStaDt
eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Bedingung war seinerzeit, dass sich die Städte und Gemeinden um Johanngeorgen-stadt zu einem Kooperationsverbund zusam-menschlössen. Dieser hat bis heute Bestand und firmiert unter dem Namen Zentrales Erz-gebirge um Johanngeorgenstadt. Als dieses erste gemeinsame Vorhaben zu Tage brach-te, dass die Region mit der Lösung der Pro-bleme überfordert wäre, wurde ein weiteres Modellprojekt mit dem Namen „Umbau von Siedlungsstrukturen unter Schrumpfungsbe-dingungen“ initiiert, das 2005 abgeschlossen wurde.Mit den Forschungsarbeiten waren erste Umsetzungsschritte verbunden. Obwohl das Problem auch dadurch nicht gelöst wer-
die im Zuge des Bergbaus entstandenen Um-weltschäden nicht möglich sein würde, setzte sich die sächsische Landesplanung erfolg-reich dafür ein, das Bundesmodellvorhaben „Sanierungs- und Entwicklungsgebiete“ in der Region um Johanngeorgenstadt durchzufüh-ren mit dem Ziel, die Entwicklungshindernisse zu überwinden und damit die Grundlage für
bevoelkerungsrueckgang1946-2008
19461953
1965
1990
20085.091
10.025
6.55945.693
10.849
den konnte, gibt es nun relativ klare Zielvorstellungen für das gemeinsame Handeln der Kommunen, die in einer so genannten Integrierten Regionalen Anpassungsstrategie dargelegt sind.
Zwischen 1946 und 1958 baute die Sowjetisch-Deut-sche Aktiengesellschaft Wismut in Johanngeorgenstadt und Umgebung Uranerz ab. Die Einwohnerzahl der Stadt wuchs von 6.600 (1946) auf ca. 40.000 (1953); sie sank jedoch bis 1960 wieder auf 10.600. In reichlich einem Jahrzehnt war die Lagerstätte weitgehend erschöpft; die Region ist in dieser Zeit jedoch völlig neu strukturiert worden: Die Altstadt musste wegen Bergschäden zum großen Teil abgerissen werden. Um die ehemalige Stadt herum waren Wohnsiedlungen, Erzaufbereitungsanlagen und Verladestellen, ein Großkrankenhaus, Kulturhäuser und Versorgungseinrichtungen entstanden. Nach dem Ende des Bergbaus wurde zentralstaatlich gesteuert saniert, umgebaut und umgenutzt. Als Ersatz für den Bergbau entstanden mehrere große „Volkseigene Betrie-be“, Wohnquartiere der Bergarbeiter wandelten sich zu Kinderferienlagern und Ferienheimen von Betrieben und Institutionen aus der ganzen DDR. So konnte auch die „großformatige“ Infrastruktur weitgehend erhalten werden. Mit der politischen Wende 1989/90 brach jedoch fast alles zusammen.
Zu Beginn der staatlichen Intervention in der Mitte der neunziger Jahre war zunächst davon ausgegangen wor-den, bei Johanngeorgenstadt handele es sich um einen Sonderfall. Der frühe Uranbergbau habe Probleme singu-lären Charakters erzeugt, die über den Weg „besondere staatlicher Fürsorge“ gelöst werden könnten: durch die nachholende Sanierung radiologischer Altlasten, den Ab-riss alter Industrieanlagen und Wismut-Wohnsiedlungen, den Rückbau überdimensionierter Infrastruktur. Heute - mit zehn Jahren Abstand - ist klar, dass es sich um die Spitze eines Eisberges handelte, dessen Ausmaße inzwischen sichtbar geworden sind. Johanngeorgenstadt erscheint nun eher als das Sinnbild so genannter DDR-Entwicklungsstädte, die im Sozialismus strategische Aufgaben - etwa in der Grundstoff- und Schwerindustrie - übernehmen mussten und entsprechend als Produktions- und Wohnstandorte ausgebaut wurden. Nach dem Ende der DDR und deren wirtschaftlichen Autarkiebestrebun-
sonderfall oder spitze des eisberges?
DIe fOLGen Der SchrumpfunGgen ging der Entwicklungsimpuls verloren. Als weitere Beispiele für diesen Stadttyp lassen sich Weißwasser (37%), Hoyerswerda (36%), Eisenhüttenstadt (29%) und Schwedt (29%) anführen (in Klammern der relative Bevölke-rungsrückgang 1990 - 2004).
Mehrere der aufgezählten Städte scheinen sogar wieder auf ihre ursprüngliche Größe zurückzufal-len, Johanngeorgenstadt liegt be-reits darunter. In den Medien wird für dieses Phänomen gelegentlich der Begriff „Gesundschrumpfen“ verwendet. Doch wie gesund ist dieser Prozess für die betroffenen Kommunen?
Die unmittelbare Folge des Be-völkerungsrückganges ist Woh-nungsleerstand - dieser beträgt im Zentralen Erzgebirge zurzeit fast 18 Prozent. Obwohl seit 1990 bereits 1.400 Wohnungen
abgerissen wurden und weitere Rückbau-maßnahmen geplant sind, wird es zu keiner Entlastung des Wohnungsmarktes kommen. Denn die Anzahl der Haushalte wird in den nächsten Jahren noch schneller abnehmen als die der Wohnungen. Nach den berech-neten Prognosen wird die Schere zwischen Angebot und Nachfrage bis 2016 deshalb noch weiter auseinanderklaffen als jetzt. Der Leerstand wird auf ca. 22 Prozent steigen.
Eine weitere Folge des demographischen Wandels ist neben dem Wohnungsleerstand die Unterauslastung der sozialen Infrastruktur. Das gravierendste Problem der Gemeinden des Zentralen Erzgebirges waren in den vergangenen Jahren die Schließungen von Schulen, zu denen es aufgrund des Rück-gangs der Schülerzahlen kam. Wegen der grenzwertigen Auslastung und der Prognosen stehen weitere Schließungen unmittelbar bevor. In der Region wird es künftig statt ehe-mals drei nur noch eine Mittelschule geben. Durch die Zentralisierung der Schullandschaft kommt es nicht nur zu einer Verschlechterung
JOHANNgEORgENStADt
049
der wohnortnahen Bildungsangebote, auch die (vereins-)sportlichen und kulturellen Angebote einzelner Gemein-den sind davon betroffen.
Ein immer teurer werdender Bestandteil der Wohnkosten ist die so genannte „zweite Miete“ - die Mietnebenkosten. Verschiedene Szenarien für Johanngeorgenstadt zeigen, dass es aufgrund des prognostizierten Bevölkerungsrück-gangs bis 2016 zu einem deutlichen - unterschiedlich hoch ausfallenden - Anstieg der stadttechnischen Kosten kommen wird. Je nach Ausmaß und räumlicher Verteilung des Rückbaus ergeben sich bis 2016 stadttechnisch bedingte Gebührenanstiege von 14 bis 31 Prozent (in-flationsbereinigt). Würde kein weiterer Rückbau erfolgen, stiegen die Kosten bis 2016 sogar um 38 Prozent. Insge-samt wird damit deutlich, dass unterschiedliche konzep-tionelle Ansätze zu sehr unterschiedlichen Konsequenzen beim Rückbau der Stadttechnik und damit auch für den gesamten Siedlungsrückbau führen.
Bei anhaltendem Bevölkerungsrückgang mit der Intensität wie in Johanngeorgenstadt ist eine kompakte Stadt-struktur - soweit sie nach dem Bergbau überhaupt noch vorhanden war - nicht mehr haltbar. Ein im Rahmen des Projektes entwickeltes städtebaulich-landschaftsplane-risches Konzept sieht deshalb vor, Johanngeorgenstadt als dezentralisierte Stadt mit neun Siedlungskernen zu entwickeln. Stabile Siedlungsteile sollen ergänzt, instabile Siedlungsteile wie Bergarbeitersiedlungen der vierziger und fünfziger Jahre und später entstandene Plattenbau-siedlungen schrittweise zurückgebaut werden.
Der demographische Wandel hat nicht nur Auswirkun-gen auf die physischen Strukturen, sondern auch auf die Wahrnehmung der Region durch Einwohner und Besucher. Das Außenimage von Johanngeorgenstadt ist durchaus positiv. Es wird durch eine schöne Landschaft und gute Wintersportmöglichkeiten geprägt - zwei As-pekte, die in der Wahrnehmung von Gästen dominieren. Eine völlig andere Ausprägung hat das Binnenimage. Die Einwohner Johanngeorgenstadts bewerten die wirtschaft-lichen und städtebaulichen Probleme sehr hoch und
die eigenen Perspektiven eher schlecht. Diese Art der Wahrnehmung wird als „Peripherisierung in den Köpfen“ interpretiert. Wie auch andere Untersuchungen zeigen, kann eine negative Selbstwahrnehmung die eigene Akti-
vität bremsen und dazu beitragen, dass sich lokale Akteure in ihr Schicksal fügen.
Wie die aufgezählten Problemfelder zeigen, geht extremer Bevölkerungsrückgang, wie er in Johanngeorgenstadt vorzufinden ist, mit einer Fülle von Spätfolgen einher. Diese treten unvermittelt auf und überlagern sich. Weder die Kommunen noch der Staat waren bzw. sind darauf vorbereitet. Insofern verwun-dert es nicht, dass die Kommunalverwaltun-gen und die Kommunalpolitik der Lösung der Probleme hinterherlaufen.
Wenn sich niedrige Geburtenraten und Wan-derungsverluste zu einem extremen Bevölke-rungsrückgang addieren, wenn zudem junge und aktive Bevölkerungsgruppen bevorzugt abwandern, wenn städtebauliche Strukturen rasch zerfallen, Infrastrukturen nicht mehr finanzierbar sind, Funktionen verloren gehen und negative individuelle Wahrnehmungen zur Passivität der Menschen führen, dann ver-dichten sich die Probleme in der Tat zu einer Gefahr des „Ausblutens“.
Welche Handlungsspielräume verbleiben den Schlüsselakteuren in den betroffenen Regio-nen, um diesem Trend gegenzusteuern? Als Ergebnis der Prozessbegleitung im Zentralen Erzgebirge um Johanngeorgenstadt sind diesbezüglich einige Ideen entwickelt worden.Zum einen geht es um die Abmilderung der Folgen des Bevölkerungsrückgangs durch interkommunale Kooperation; zum anderen wird gezeigt, wie Integrierte Regionale Anpas-sungsstrategien zur Orientierung in Schrump-fungsgebieten beitragen können.
JOHANNgEORgENStADt
051
peripherisierung in den koepfen
änDerunG Der aLterStrukturen vOn 2006 auf 2025 (In %)
0-2 3-5 6-9 10-15 16-18 19-24 25-44 45-64 65-79 80+
60
50
40
30
20
10
0
-10
-20
-30
-40
-50
-60
-70
JOHANNgEORgENStADt
053Ein Großteil der Altstadt
musste aufgrund von
Bergschäden von 1953
bis 1960 weitgehend
abgebrochen werden und
es wurden mehrere neue
Wohnsiedlungen errichtet
in die die Einwohner um-
ziehen mussten.
0
-5
-10
-15
-20
-25
-30
-35
-40
-45
einfluss von wanderungen auf die bevoelkerungsentwicklung bis 2025 (in %)
natürliche Bevölkerungs-
entwicklung mit Wanderungen
natürliche Bevölkerungsent-
wicklung ohne Wanderungen
Nicht nur Johanngeorgenstadt schrumpft. Auch Halle an der Saa-le hat seit der politischen Wende 90.000 Einwohner verloren. "Die graue Diva legt sich ein grünes Kleid an", lautet eine der jüngsten Schlagzeilen in den Medien. Dem massiven Leerstand begegnen die Stadtplaner von Halle mit einem Mix aus rigorosem Rückbau und Wohnumfeldgestaltung. In der Tat ist unter Stadt- und Raumplanern eine Diskussion im Gange, in der neben den Risiken des Bevöl-kerungsrückgangs auch offensichtliche Chancen hervorgehoben werden. Diese könnten etwa darin bestehen, in dicht besiedelten Stadtteilen neue Freiräume zu schaffen, den Siedlungsdruck auf empfindliche Naturräume zu mindern oder allgemein den Flächenver-brauch für bauliche Zwecke zu senken. Für Extremschrumpfungsge-biete vom Typ Johanngeorgenstadt trifft dies aber nicht zu. In solchen geht es schlichtweg um das weitere Funktionieren kommunaler Gemeinwesen. Wie die Befunde zeigen, geht ein derart schneller Bevölkerungsrückgang mit Funktionsverlusten und einer Verschlech-terung der Lebensbedingungen der verbleibenden Einwohner einher.
Interkommunale Kooperation - dies hat der Bericht gezeigt - ist ein probates Mittel, reicht aber allein nicht aus, um die Folgen der Schrumpfung zu bewältigen. Es bedarf weiterführender Lösungen: Neue Organisationsformen müssen erprobt werden, beispielsweise bei den Wohnungsgesellschaften. Betreibermodelle sind zu modi-fizieren, zum Beispiel in der stadttechnischen Versorgung. Es gilt, Alternativen zu prüfen, etwa bei der Energieversorgung. Rückbau ist unvermeidlich, aber er bedarf der Steuerung. Die Ressorts der Stadtverwaltungen müssen ihre Planungen untereinander abstimmen. Es geht darum, öffentliche und private Dienstleistungsangebote zu koordinieren. Die Ziele der Kommunen sind mit den Richtlinien der staatlichen Behörden abzugleichen. Die Bevölkerung muss stärker in die Debatte um den demographischen Wandel einbezogen werden. Wo Kooperation scheitert, sind Gemeindezusammenschlüsse mög-licherweise der Rettungsanker. Der Staat hat bei der Konsolidierung schrumpfender Regionen eine wichtige Funktion. Über den Finanz-ausgleich kann er Nachteile in Teilräumen ausgleichen.
Der entscheidende Punkt ist also, dass sich die Schlüsselakteure ak-tiv dem Problem der Schrumpfung stellen und Strategien entwickeln, um dem Ausbluten der Region entgegenzuwirken.
JOHANNgEORgENStADt
055
faZIt unD perSpektIven
12,9 % arBeItSLOSenquOteSIeBentauSenD vIerhunDert neun unD vIerZIG
keIne mehrGeneratIOnSfamILIen
52.39444.76342.68841.766
obersorbisch Budyšin, ist eine Große
Kreisstadt in Ostsachsen. Die Stadt
liegt an der Spree und ist Kreissitz
des nach ihr benannten Landkreises
Bautzen. Mit rund 41.000 Einwoh-
nern ist Bautzen zugleich die größte
Stadt des Kreises.
Obwohl in der Stadt selbst nur
eine sorbische Minderheit von 5 bis
10 % der Bevölkerung wohnt, gilt die
historische Hauptstadt der Oberlau-
sitz neben Cottbus als politisches
und kulturelles Zentrum der Sorben.
Bautzen zählte im Frühmittelalter
zu den größten Städten in Mittel-
deutschland. Etwa seit dem 15. Jahr-
hundert stagnierte die Entwicklung.
Die relativ spät einsetzende Indus-
trialisierung brachte neue Impulse.
Auch in DDR-Zeiten konnte Bautzen
Bevölkerungsgewinne verzeichnen.
Seit der politischen Wende 1990
nahm die Einwohnerzahl aufgrund
von Abwanderung und niedriger
Geburtenrate von 52.000 (1989) auf
42.000 ab. Seit etwa 2000 hat sich
dieser Trend merklich verlangsamt.
Am 1. Januar 2007 waren 98,1 %
der Bautzener deutsche Staatsan-
gehörige. In einer jährlich von der
Sächsischen Staatskanzlei veröffent-
lichten Studie zur Wirtschaftsstärke
der sächsischen Städte besetzt
Bautzen seit mehreren Jahren
regelmäßig den Spitzenplatz. Dabei
werden verschiedene Wirtschafts-
merkmale, zum Beispiel Steuerauf-
kommen und Anzahl sozialabga-
benpflichtiger Arbeitsplätze, mit der
Einwohnerzahl ins Verhältnis gesetzt.
12,9 % arBeItSLOSenquOteSIeBentauSenD vIerhunDert neun unD vIerZIG
keIne mehrGeneratIOnSfamILIen
sensibilisieren und die verantwortlichen Akteure „wachrütteln“ sollen, denn der de-mografische Wandel wird sich besonders im ländlichen Raum bemerkbar machen. Projektkoordinatorin Juliane Habel vom SLK erläuterte das Ziel und die Aufgaben des Projektes mit ei-ner Laufzeit von ei-nem Jahr. Im Mittel-punkt steht dabei die Erarbeitung einer Konzeption für den Aufbau eines zukunftsfähigen Netzwerkes sowie für
aufBau effektIver arBeItSStrukturen
Die Zahlen belegen es: Bis zum Jah-
re 2020 wird es im Landkreis Bautzen voraussichtlich einen weiteren Rückgang bei der Be-völkerung um 13 % geben, das Durchschnittsalter wird um über 5 Jahre auf 49,6 Jahre steigen.
In besonderer Weise wirkt der demografische Wandel in den ländlichen Gebieten. Noch spür-barer als in den Städten sind hier Bevölkerungsrückgang und wachsendes Durchschnittsalter.Das Sächsische Landeskurato-rium Ländlicher Raum e.V. (SLK) möchte mit Hilfe des Projektes „Gemeinsam den demografi-schen Wandel gestalten – Kon-zeption für den Aufbau effektiver Arbeitsstrukturen im Landkreis Bautzen“, welches von der Säch-sischen Staatskanzlei gefördert wird, mithelfen speziell für den ländlichen Raum Strategien zu entwickeln, um die durch den de-mografischen Wandel hervorge-rufenen Veränderungen zu be-gleiten. Am Montag, dem 06.10.2008 fand im Roten Saal des Klosters St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau im Rahmen des Projektes eine erste Veran-staltung statt. Neben Herrn Land-
BautZen
rat Harig und Landrätin a. D. Frau Kockert waren der Einladung zu dieser Veranstaltung über 40 Gäste, darunter Bürgermeister, Ver-treter von Kirchen, Vereinen und Verbänden aus dem Landkreis Bautzen gefolgt.
In seinem Einführungsvortrag stellte Land-rat Harig unter anderem an Beispielen aussozialen, kulturellen und sportlichen Be-reichen sehr anschaulich dar, vor welchen Herausforderungen wir im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel im Land-kreis Bautzen stehen. Er machte aber auch deutlich, dass manche Herausforderung auch als Chance verstanden werden sollte. Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher, Präsidentin des Statistischen Landesamtes, bekräftigte dieAusführungen des Landrates in ihrem Vortrag und ging insbesondere auf die Entwicklungen in den Sektoren Altersstrukturen, Bildungswe-ge, Einkommen und medizinische Betreuung ein. Sie stellte klar, dass diese Prognosen
genommen werden. Übereinstim-mender Tenor in der Diskussion war, dass ein solches Netzwerk gebraucht wird und das man als Verantwortungsträger aktiv vor Ort mitwirken würde. Wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Projektarbeit sind die persönli-chen Gespräche und Kontakte mit engagierten Personen vor Ort. Bürgermeister, Kirchenvertreter, Vereinsmitglieder, professionelle und ehrenamtliche Akteure die über Erfahrungen im Umgang mit demografischen Veränderun-gen verfügen. Die Konzeptionen oder Initiativen kennen, die sich in Planung befindenoder bereits umgesetzt werden konnten. Die-se Akteure und ihre empfehlens-werten praktischen Beispiele zur
die Einrichtung einer Kontakt- und Koordinati-onsstelle Demografie. Sie wird deshalb in den kommenden Monaten weitere Gespräche mit Verantwortungsträgern u. a. aus Politik, Kirchen, Kultur, Handwerk und Sport führen, damit sie deren Ideen und Gedanken bei der Erarbeitung der Konzeption mit berück-sichtigen kann. Zudem wird ab 01.11. 2008 eine Homepage und ein alle zwei Monate erscheinender Newsletter neben den Veröf-fentlichungen in den Medien über das Projekt informieren. Geplant sind für das I. Quartal 2009 Veranstaltungen in den Regionen, um weitere Akteure für eine zukünftige Mitarbeit im Netzwerk „Demografie“ zu gewinnen und die Öffentlichkeit für dieses Thema weiter zu sensibilisieren.
In der sich anschließenden regen Diskussi-on wurde deutlich, dass in vielfältigster Weise - und regional sehr unterschiedlich - die demografischen Prozesse wirken und wahr-
BAutZEN
061
Erhaltung bzw. zur Verbesserung der Lebens-bedingungen, besonders im ländlichen Raum des Landkreises Bautzen, werden wir in un-serem Projekt erfassen und demnächst auf unserer Internetseite veröffentlichen.
In der Gemeinde Großharthau, einer länd-lich geprägten Region in der touristisch wun-derschön gelegenen Oberlausitz, lebten am 31.12.2007 ca. 3.179 Einwohner auf einer Fläche von 3730 ha. Zur Gemeinde Groß-harthau gehören die Ortsteile Bühlau, Schmiedefeld und Seeligstadt, das Thema Abwanderung ist hier für viele Familien un-geliebte Realität. Die Kirchgemeinde Bühlau –Lauterbach ist ein Teil dieser Gebietsge-meinschaft. Mit einem Konzept hat der Pfarrer dieser Gemeinde den Bürgermeister auf
BAutZEN
063
die demografische Situation in seinem Verantwortungs-bereich aufmerksam gemacht und um Unterstützung gebeten. Durch den Wegzug vieler junger und aktiver Menschen an den Ausbildungs- bzw. Arbeitsort gibt es in den Dörfern kaum noch die traditionellen Mehrgenerati-onsfamilien wie sie in der dörflichen Gemeinschaft üblich waren. In einem „4 Punkte Modell“ zur aktiven Senioren-betreuung möchte der Pfarrer speziell den älteren Men-schen vor Ort deutlich machen, das sie nicht vergessen sind, dass man ihr Lebenswerk achtet und ihnen die Möglichkeit gib auch im Alter in ihrer gewohnten Um-gebung bleiben zu können. Ein offener Seniorentages-treff, Besucherdienste, betreutes Wohnen in ländlicher Umgebung mit Kleintierhaltung und leichter Gartenarbeit sowie einer Hospizbetreuung gehören in seine Planung.Der Landkreis Bautzen belegt mit 41,9 Punkten Platz 361 von insgesamt 409 Kreisen und kreisfreien Städten im
Freiberg
BautzenRiesa
Plauen
Hoyerswerda
Weisswasser
Johanngeor-genstadt
20
0
-20
-40
-60
-80
-100
-120
-140
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38
Bild
ungs
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der
ung
in %
Arbeitslosenanteil in Jahren
vergleich aller staedte nach arbeitslosenanteil und bildungswanderung
Bautzen
Hoyers-werda
Freiberg
Plauen
Johann-georgen-stadt
Weiss-wasser
Riesa
2003 2004 2005 2006 2007
geburten pro frau iM vergleich zuM bundesdurchschnitt(%)Negativwert Positivwert
BAutZEN
065
zweiten wissenschaftlichen Regionalranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Innerhalb des Landes Sachsen be-legt der Landkreis Bautzen Platz neun unter 13 Kreisen und kreisfreien Städten.
10,6 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Kreis Bautzen haben einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss. Bundesweit liegt der Anteil Hochqualifizierter bei 7,8 Prozent. Deutschlandweit ergibt sich so Rang 68 sowie Platz sieben unter 13 un-tersuchten Städten und Kreisen in Sachsen.Die Schulden der Gemeinden und Gemein-deverbände belaufen sich im Kreis Bautzen auf 984 Euro je Einwohner. Bundesweit sind es im Schnitt 1.456 Euro. Das sorgt für Rang 95 im INSM-Ranking und Platz fünf unter 13 Städten und Kreisen in Sachsen.7,5 Prozent der über 18-Jährigen im Kreis Bautzen sind nach Definition der Organisation creditreform privat verschuldet. Deutschland-weit sind es 9,6 Prozent. Platz 98 im Bun-desvergleich, Rang zwei von 13 im eigenen Bundesland.
Statistisch stehen 100 Nachfrager im KreisBautzen einem Angebot von 93,3 Ausbil-dungsplätzen gegenüber. Mit dieser Ausbil-dungsplatzdichte wird Rang 392 im bundes-weiten INSM-Vergleich belegt. Deutschland-weit stehen im Schnitt 98,9 Lehrstellen für 100 Bewerber zur Verfügung. In Sachsen bedeutet das Platz elf unter 13 kreisfreien Städten und Landkreisen.
Der Saldo der Gewerbean- und -abmel-dungen vermittelt einen Eindruck von der re-gionalen Gründungsdynamik. Im Kreis Baut-zen lag dieser Saldo 2007 bei 0,1 je 1.000 Einwohner. Bundesdurchschnitt ist ein Wert von 1,4. Das bringt Rang 382 im Gesam-tranking und Platz zwölf unter 13 kreisfreien Städten und Landkreisen in Sachsen.
Die Einkommensteuerkraft vermittelt einen Eindruck von der regionalen Einkommenssi-tuation: Im Kreis Bautzen beläuft sie sich auf 113 Euro je Einwohner. Rang 377 bei einem bundesweiten Mittelwert von 282 Euro. In Sachsen erreicht der Kreis Bautzen Rang neun von 13.
Nach der Wende 1989 verlor die Stadt sehr viele Einwohner durch Abwanderung. Bis zum Jahr 2005 sank die Bevölkerung um
984 eurO SchuLDen prO eInWOhneretwa 10.000 Einwohner auf reichlich 42.000. Aufgrund der hohen Zuwanderung zu Ende der DDR-Zeit gehörte die Bevölkerung der Stadt zu den jüngsten in Sachsen. Dies hatte zwei Folgen. Zum einen wurden in Bautzen im ostdeutschen Maßstab auch weiterhin relativ viele Kinder geboren. Während drei Fünftel des Bevölkerungsrückganges in Sachsen zwischen 1990 und 2005 auf den Sterbeüberschuss zurückgehen und nur ein Drittel auf die Abwanderung (Sachsen hat eine überalterte Bevölkerung und es werden weniger Kinder geboren als alte Menschen sterben), lag in Bautzen die Bedeutung der Abwanderung (sowohl in die alten Bundes-länder als auch infolge der Suburbanisierung in nahe ländliche Gemeinden) bei über 75%. Des Weiteren wanderten aber aufgrund der besonderen Mobilität junger Leute auch über-durchschnittlich viele Menschen ab. Der Al-tersdurchschnitt Bautzens liegt heute (2005) nur noch leicht unter dem Sachsens. Seit dem Jahr 2000 zeigt Bautzen Tendenzen einer (vorübergehenden) Stabilisierung des Bevölkerungsrückganges. Hauptursache ist
DurchSchnIttSaLter 49,6 In BautZenDie Geburtenrate geht in Bautzen stark zurück, was zur Folge hat, dass die Stadt altert. Junge Menschen ziehen weg,, die Älteren bleiben.
BAutZEN
067die vergleichsweise gute wirtschaftliche Ent-wicklung. Obwohl Bautzen nicht die größte Stadt Ostsachsens ist, hat es absolut die meisten Arbeitsplätze. Bei einem sächsischen Städtevergleich für das Jahr 2004, der Daten wie Steuereinnahmekraft und Beschäftigte am Arbeitsort je 1000 Einwohner zusam-menfasste, belegte Bautzen den ersten Platz noch vor Dresden. 2004 ist die Bevölkerung erstmals seit 1989 nicht mehr gesunken, was die Lokalpresse als das „Wunder von Baut-zen“ bezeichnete. 2005 ist die Bevölkerungs-zahl erneut konstant geblieben, 2006 wieder relativ stark zurückgegangen.
Prognosen rechnen nach einer zwischen-zeitlichen Stabilisierung spätestens ab 2020 (wie fast überall in Ostdeutschland) mit einem erneut verstärkten Bevölkerungsrückgang, da dann die geburtenschwachen Nach-wendejahrgänge ins Familiengründungsalter kommen. Allerdings sind diese Prognosen oft nach einheitlichen Verfahren erstellt und berücksichtigen die Unterschiede zwischen den einzelnen Städten teilweise nur unge-
nügend. So gestaltete sich die Bevölke-rungsentwicklung von Bautzen in den letzten fünf Jahren deutlich günstiger als in den Prognosen, während z. B. Hoyerswerda sich deutlich schlechter entwickelte. Mit Sicherheit kann man aber sagen, dass in Bautzen auch weiterhin die Geburtenrate geringer sein wird als die Sterberate. Sollten sich allerdings die Wanderungsgewinne der letzten Jahre auch weiterhin bestätigen, ist es durchaus möglich, dass die Bevölkerung Bautzens kurzfristig konstant bleibt und mittelfristig nur moderat schrumpft.
prognosen
WunDer vOn BautZen
23 % arBeItSLOSenquOtevIertauSenD eInhunDert neun unD vIerZIG
auSBLutenDe faBrIken
38.28828.60522.75819.906
obersorbisch B�ła Woda, ist eine
Große Kreisstadt in Sachsen und
die drittgrößte Stadt im Landkreis
Görlitz. Die Stadt liegt in einer
braunkohlereichen Heidelandschaft
zwischen dem Lausitzer Seenland
und der deutsch-polnischen Grenze.
Nach seinem Aufstieg vom bäuerlich
geprägten Heidedorf zur Industrie-
stadt erlebt Weißwasser gegenwärtig
einen sozialen Wandel, durch den in-
nerhalb eines Zeitraums von weniger
als 40 Jahren die Bevölkerung von
19.000 Einwohnern auf über 38.000
anwuchs und wieder auf 20.000
zurückfiel.
In den Anfangsjahren der DDR erfuhr
die Stadt neben den Glasbetrieben
auch durch das neu erbaute Kraft-
werk Boxberg und kleinere Industrie-
betriebe einen Aufschwung, der zu
einem stetigen Bevölkerungswachs-
tum führte, so dass die Stadt Ende
der 1980er Jahre einen Höchststand
von knapp 39.000 Einwohnern
erreichte und damit dreimal so groß
wie 30 Jahre zuvor war. Ab den
1960er Jahren entstand daher süd-
westlich der ursprünglichen Stadtla-
ge das Wohnviertel Weißwasser-Süd,
das vorwiegend aus Plattenbauten
besteht. Nach der politischen Wende
in der DDR mussten die meisten
Glas- und Industriebetriebe schlie-
ßen, weitere Betriebe mussten
Arbeitsplätze abbauen, um im geän-
derten politischen System wirtschaft-
lich überleben zu können. Die hohe
Arbeitslosenquote von über 20 %
und die Stadtflucht entwickelten sich
zu größeren Problemen – innerhalb
der folgenden zwei Jahrzehnte hat
sich die Einwohnerzahl fast halbiert,
großflächiger Wohnungsrückbau ist
die Folge. Anders als viele andere
Kreisstädte konnte Weißwasser zur
teilweisen Kompensation des Bevöl-
kerungsrückgangs keine Orte des
Umlands eingemeinden.
Der Bevölkerungsrückgang zeigte
seine Auswirkungen vor allem in
Weißwasser-Süd. Während Anfang
der 1990er Jahre mit der Südpas-
sage ein Einkaufszentrum inmitten
eines Wohngebietes der Südstadt
entstand, steht dieses rund 15 Jahre
später nahezu am Rand der bebau-
ten Stadtfläche.
23 % arBeItSLOSenquOtevIertauSenD eInhunDert neun unD vIerZIG
auSBLutenDe faBrIken
ueBernehmen, prOfItIeren unD SchLIeSSen
Das Glasmuseum in Weisswasser ist in einer hergerichteten alten Fabrikantenvilla
untergebracht. Herr Hahn, ein ehemaliger Glasbläser, betreut es. Bis zur Wende hat er in einer Glasfabrik gearbeitet und kennt sich bestens aus. Er war so freundlich, extra für uns das Mu-seum zu öffnen, obwohl Ruhetag war. Von Herrn Hahn erfahren wir, dass Weisswasser und Bad Muskau bis zur Wende vierzehn Glashütten hatten. Hier war der grösste und bedeutendste Produktionsort für Trinkgläser und Spezialgläser für die pharmazeuti-sche und chemische Industrie. Im Museum ist die ganze Bandbreite der hier produzierten Gläser aus-gestellt. Das faszinierende Glas-handwerk wird sowohl in zahlrei-chen Modellen als auch mittels der Originalwerkzeuge vorgestellt. Ein sehr lehrreicher Film verdeut-licht die Arbeitsatmosphäre in einer Glashütte, zeigt die faszi-nierende handwerkliche Kunst der Glasbläser, der Glasschleifer und Glasmaler. Es wurde in vier Schichten im Akkord produ-ziert, und die Produkte konnten nur in vorbildlich eingespielter
WeISSWaSSer
in die ehemalige Sowjetunion als auch nach Kanada und Neuseeland zu übernehmen. Innerhalb kürzester Zeit bluteten sie die Glas-werke hier aus, nahmen die Maschinen und Anlagen in andere Produktionsstätten mit und schlossen die meisten Werke in Weisswasser und Bad Muskau.
Heerscharen von bestausgebildeten Glasblä-sern und anderen Facharbeitern stehen seit Mitte der Neunziger Jahre auf der Strasse. Eine verbliebene Glashütte mit 200 Beschäf-tigten, der nahe Braunkohletagebau mit dem
Zusammenarbeit gelingen. In Weisswasser waren bis zur Wende etwa 4000 Hand-werker beschäftigt. Die Treuhand habe die Betriebe übernommen und an Konkurrenten aus Westdeutschland verkauft. Diese waren offensichtlich weniger an der Produktion in der Region als daran interessiert, sowohl die Handelsbeziehungen der hiesigen Glashütten
WEiSSWASSER
073
änDerunG Der aLterStrukturen vOn 2006 auf 2025 (In %)
0-2 3-5 6-9 10-15 16-18 19-24 25-44 45-64 65-79 80+
125
100
75
50
25
0
-25
-50
-75
modernisierten Braunkohle-kraftwerk von Vattenfall sind die einzigen grösseren Arbeitgeber der Region, die können aber den Tausenden von Arbeitslosen auch keine neue richtige Berufspers-pektive bieten.
Hier gibt es mehr Alte als Jun-ge, sie sind alle weg. Und wenn man Kinder in die Welt setzt, weiß man, die müssen dann auch weggehen, weil es hier keine Zukunft gibt. Von ehemals etwa 40 000 Einwohnern sind nur noch an die 20 000 hier. Alle Betriebe haben zugemacht oder die Belegschaft drastisch verringert. Nur eine kleine Glas-hütte produziert noch, aber kaum nennenswert. Vattenfall beschäf-tigt noch 600 von ehemals 4000 Mitarbeitern. Dazu kommt noch, dass viele Menschen im nahen
Polen einkaufen, vor allem auch Medikamente, oder sie lassen sich dort die Zähne machen. Dort ist es halt billiger, wenn man eh wenig hat! So schliesst sich der Teufelskreis. Aber jetzt werden die alten Gruben mit Wasser gefüllt. Das gebe ein schönes Erholungsgebiet, mit grossen Seen zum Schwimmen und Boot fahren. Eine gewisse Hoffnung bestehe, dass jetzt Tourismus kommt. Landschaftlich ist es ja sehr schön hier. Mit dem herrli-chen weitläufigen Fürst-Pückler-Park an der Neisse gelegen.
Doch die Existenznot, die Aufbauarbeit, die drückenden Schulden, bleiben in den Köp-fen. Und jetzt müssen sie sich von Westdeutschen anhören, sie hätten doch viel Geld bekom-men, Solidarbeiträge, wieso sie
WEiSSWASSER
075nichts daraus gemacht hätten. Niemand, der hier nicht gelebt hat, könne sich vorstellen, wie das gewesen ist zu DDR-Zeiten, die Armut und die Entbehrun-gen. Eine Apfelsine habe es zu Weihnachten gegeben, und dafür hat man noch Schlange stehen müssen. Wieder einmal bleibt uns nicht viel mehr übrig als die berechtigte Verbitterung über das arrogante Gehabe von uns „Bes-serwessis“ entgegenzunehmen.
So geht es den meisten hier. Die einen sind knapp dran, weil sie zu den 25 Prozent gehören, die keine Arbeit haben. Die anderen sind knapp dran, weil die Arbeit oft schlecht bezahlt wird. Drei bis vier Euro Stundenlohn für eine Verkäuferin sind ortsüblich. Beim Arbeitslosenverband ging kürzlich ein Ge-such für eine Buchhaltungskraft ein, „Vollzeit, perfekt in Word und Excel“, für 650 Euro im Monat. Ein Aushilfslehrer Deutsch, Mathe, Englisch wurde für 9,20 Euro pro Stunde gesucht. Ergebnis: Auch die meisten Selbst-ständigen haben es schwer, weil hier keiner mehr was kaufen kann.
Nirgendwo in Deutschland ist die allgemeine Unzufriedenheit so groß wie in der sächsi-schen Region Oberlausitz-Niederschlesien. Nur 21 Prozent meinen, in der Gegend östlich von Dresden ließe sich „alles in allem sehr gut leben“. Hoyerswerda, Bautzen, Gör-litz, Zittau - in allen Städten liegt die Arbeitslo-senquote über 20 Prozent. Die Altstädte sind wieder fein herausgeputzt, die Schlaglöcher aus den Straßen verschwunden, aber die Arbeitsplätze auch.
Weißwasser war einst der Stolz der DDR. Zuoberst auf dem Boden lag der Sand - Rohstoff für Glas -, darunter die Braunkohle für die nötige Schmelzenergie. 16 Prozent der Braunkohle, 20 Prozent des Stroms und 60 Prozent des DDR-Glases wurden in der Region um das ursprünglich nur 13.000 Einwohner zählende Städtchen produziert. Tausende von Plattenbauten stampfte man aus der Erde. 1989, im Jahr der Wende, hat-te Weißwasser 38.000 Einwohner. Seitdem wird geschrumpft.
1998 hat Inken Baumann ein Klassentreffen organisiert. „Die meisten Schulfreunde habe ich im Westen aufgespürt“, sagt sie. Mensch Inken, hier lacht ja keiner mehr, haben die meisten gesagt. Und: Gib mir Arbeit, und ich komme zurück. Aber Arbeit gibt es nicht. Das Kraftwerk Boxberg beschäftigte einst rund
4000 Menschen. Heute sind es noch 600. Die Glasindustrie schrumpfte von rund 4000 auf 200. Jedes Jahr kehren rund 2000 Einwohner Weißwasser den Rücken. Ein Ende der Abwärts-spirale ist nicht abzusehen. „Der Letzte macht das Licht aus, ist hier ein Standardspruch“, sagt Karin Zurawski vom Arbeitslosen-verband.
Wenn eine Region in den Sog des Vergessens gezogen wird, dann die Gegend um die Glas-macherstadt. „Sollte der große Aufschwung Ost tatsächlich ein-mal in Weißwasser anklopfen, ist wahrscheinlich keiner mehr da, der die Tür aufmacht“, schrieb die Frankfurter Rundschau im Mai nach einem Besuch im vergesse-nen Winkel der Republik. Seit der Wende hat Weißwasser ein Drittel seiner Bevölkerung verloren. Wer an die Zukunft glaubt, packt die Sachen. 26 000 sind geblieben. Viele Wohnungen stehen leer. Ganze Blöcke werden abgeris-sen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 25 Prozent, überdurch-schnittlich viele deutschstämmige Spätaussiedler aus Russland wurden ansässig.
unzufrieden
der stolz
vergessen
DIe StaDt WeISSWaSSer Spart unD BeLeuchtet nachtS nur nOch jeDe ZWeIte StraSSenLater-ne. DaS kInO hat GeSchLOSSen, nur ZWeI aLtenheIme WerDen DerZeIt neu GeBaut.
WEiSSWASSER
077
Das Projekt „Re-Urbanisierung der Weißwasseraner In-nenstadt - Chancen im demografischen Wandel“ sucht nach neuen und innovativen Wegen für die Re-Urbani-sierung und Stärkung der Innenstadt im demografischen Wandel. Diese neuen Wege zur Funktions- und Attraktivi-tätssteigerung der Kernstadt orientieren sich am Leitbild der Europäischen Stadt, mobilisieren eine neue Engage-mentkultur und tragen insbesondere zur Identitäts- und Imagebildung in der Stadt Weißwasser bei.
Im Mittelpunkt des Vorhabens stehen folgende Hand-lungsfelder zur Innenstadtbelebung: innovative Konzepte für den Wohnungsmarkt (neue Wohnformen, Eigentums-bildung, neue Finanzierungsformen, Energieoptimierung), Verbesserung der Attraktivität und Funktionsfähigkeit durch vielfältige Nutzungen (Wohnen, Arbeiten, Einkau-fen, Dienstleistung, Kultur, Freizeit, soziale Infrastruktur),
Leerstands- und Brachflächen-management, verändertes Mobili-tätsverhalten, neue Allianzen und Organisationsformen zwischen unterschiedlichsten Interessen-gruppen, die stärkere Ausrich-tung auf Nachfragetrends und Zielgruppen.
Im Mittelpunkt des umsetzungs-orientierten modellhaften Vor-habens steht die Entwicklung konkreter Projekte für prioritäre Aufgaben der Re-Urbanisierung der Innenstadt. Dabei erfolgt eine Orientierung an den Chan-cen durch eine trendgestützte Strategieentwicklung.Ein beson-derer Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung von Stadtidentität und Stadtimage durch ein aktives „Identitäts- und Imagemanage-ment“. In einem anschließenden besonderem Coaching-Prozess sollen die Innenstadt-Macher für ihre Zukunftsaufgaben „fit gemacht“ werden.
haben die Stadt Weisswasser
bis heute verlassen
Anteil der Frauen an den ab 80
-Jährigen in %
Anteil der 15-45-Jährigen Frauen
an der Gesamtbevölkerung in %
2006 2025
18.388
WEiSSWASSER
079
650 €Im mOnat
Den Abwärtstrend kann
man nur mit guten Ideen
und Konzepten aufhalten.
Nebenstehen, sind solche
aufgeführt. Sie wurden
in der Praxis schon
angewemdet und waren
erfolgreich. Der Schrump-
fungsprozess kann wohl
kaum aufgehalten werden,
aber verlangsamt!
WEiSSWASSER
081
Mindestens 10 zentrale Handlungsfelder auf
kommunaler Ebene
entWIckLunG kOmmuaL-SpeZIfIScher StrateGIen
Vorbereitungs-und Sensibilisierunsphase
Transparenz über die demografische Ent-wicklung herstellen
Ziele vereinbaren und Schwerpunkteidentifizieren
Handlungskonzepte entwi-ckeln und implementieren
Wirkung analysieren
eInBInDunG aLLer akteure unD reSSOrtS
Infrastrukturplanung
Zusammenleben der Generationen
Flächenentwicklung
Inenstadtentwicklung
Integration
Kinder- und Fami-lienfreundlichkeit
Seniorenpolitik
Bildung
Ehrenamtlichen Engagement
Finanzen
10 % arBeItSLOSenquOteSIeBentauSenD vIerhunDert neun unD vIerZIG
fachkraeftemanGeL
51.47644.53343.68342.364
ist eine Universitätsstadt, Große
Kreisstadt und Bergstadt, die etwa in
der Mitte des Bundeslandes Sachsen
zwischen Dresden und Chemnitz
liegt. Freiberg ist Verwaltungssitz des
am 1. August 2008 neu gebildeten
Landkreises Mittelsachsen und Teil
der Metropolregion Sachsendreieck.
Der gesamte historische Stadtkern
steht unter Denkmalschutz.
Durch die Aufnahme von vielen aus-
gebombten Menschen der umliegen-
den Großstädte und von Vertriebe-
nen wuchs die Einwohnerzahl von
Freiberg sprunghaft. Bemühungen
der SDAG Wismut in der Nachkriegs-
zeit, spaltbares Material in Form von
Uranerz im Freiberger Bergbaurevier
zu finden, waren nicht erfolgreich. Ab
1952 wurde in der DDR im Rah-
men einer Verwaltungsreform die
Stadt dem Bezirk Karl-Marx-Stadt
zugeschlagen. Der Bergbau auf Zink
und Blei lief bis 1969 weiter, bevor
er endgültig eingestellt wurde. Durch
den massiven Ausbau der Hüttenin-
dustrie in und um Freiberg zum Zen-
trum der Nicht-Eisen-Metallurgie und
wegen der unbefriedigenden Lösung
des Problems der Abwasser- und
Abgasreinigung entstanden enor-
me Schäden an der Umwelt in der
näheren und weiteren Umgebung. Im
Süden, Südwesten und Westen der
Stadt entstanden zwischen 1964 und
1990 größere Wohngebiete. Um 1970
überstieg die Einwohnerzahl 50.000.
Neben der stürmischen Entwicklung
Freibergs durch den schnellen Auf-
schwung des Bergbaus, prägte auch
der Fernhandel die Struktur der Stadt
und ließ sie zum ökonomischen Zen-
trum der Markgrafschaft Meißen im
Mittelalter werden. Aber auch Stadt-
brände, Kriege und wirtschaftlicher
Niedergang prägten die Entwicklung
unserer Stadt. Die erste Hauptperio-
de des Freiberger Bergbaus, die sich
auf das Gebiet zwischen Mulde und
Münzbach konzentrierte, ging Ende
des 14. Jahrhunderts zu Ende. Die
Krise im Freiberger Revier konnte
erst zu Beginn des 16. Jahrhun-
derts durch die Erschließung großer
Vorkommen im Süden der Stadt
überwunden werden. Den dritten
großen Aufschwung gab es Ende des
18. Jahrhunderts mit dem Aufschluss
reicher Gangfelder südlich von Frei-
berg. Die vierte und letzte Hauptperi-
ode des Freiberger Bergbaus begann
1937, nachdem der Bergbau 1913
bereits eingestellt worden war und
endete 1969.
Im Gefolge des Bergbaus ent-
wickelte sich auch die Industrie zur
Verhüttung der einheimischen Erze
im Freiberger Raum sehr rasant. Da-
rüber hinaus spielte Freiberg als Ver-
waltungszentrum für das sächsische
Berg- und Hüttenwesen eine wichtige
Rolle. Seit 1542 hatte das Oberberg-
amt und seit 1555 das Oberhütten-
amt seinen Sitz in der Stadt.
10 % arBeItSLOSenquOteSIeBentauSenD vIerhunDert neun unD vIerZIG
fachkraeftemanGeL
als soziale und fa-milienfreundliche
Stadt bietet allen Einwohnerinnen und Einwohnern gleiche Lebens-chancen, um Benachteiligung oder Ausgrenzung wegen des Geschlechts, einer Behinderung, wegen ethnischer oder religiö-ser Zugehörigkeit sowie infolge Erwerbslosigkeit, Armut oder des Alters zu verhindern.
Freiberg erhält seine soziale und kulturelle Infrastruktur und entwickelt sie weiter, so dass mit Kindertagesstätten, Schulen aller Stufen mit verschiedenen Profilen, Kultur- und Sportmög-lichkeiten, Jugend-, Frauen-, Familien- und Senioreneinrichtun-gen, Beratungsangeboten etc die Voraussetzungen für ein funk-tionierendes Netzwerk Familie gegeben sind. In den einzelnen Stadtteilen werden Möglichkei-
freIBerG ten des Treffens und Kommunizierens sowie einer aktiven Freizeitgestaltung in öffentlichen Räumen unterstützt.
Der Förderung von Selbsthilfeaktivitäten, generationsübergreifenden Kontakten und von Präventivangeboten sowie der Integration von Ausgegrenzten kommt eine besondere Bedeutung. Die Stadt Freiberg stellt sich den sich aus dem demografischen Strukturwandel ergebenden Veränderungen und nimmt Ein-fluss auf die Schaffung notwendiger Dienste und Einrichtungen für Seniorinnen und Seni-oren. Damit bietet sie der älteren Generation gute Perspektiven für ein sinnerfülltes und zufriedenes Leben. Ambulante und stationäre Dienste, bedarfsgerechter Wohnraum und spezielle Wohnformen für unterschiedliche Altersstufen, Begegnungsstätten und aktivie-rende Freizeit-, Bildungs- und Kulturprogram-me sollen der Bevölkerung in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Mit dem ehren-amtlichen Einsatz durch Freiberger Bürgerin-nen und Bürger werden in vielen Lebensbe-reichen wichtige Angebote geschaffen. Diese werden weiterhin unterstützt und gefördert.
Eine Grundvoraussetzung für die wirtschaftli-che Entwicklung einer Region ist die Verfüg-
stadt fuer alle generationen
fachkraeftequalifikation
087FREiBERg
barkeit von Fachkräften. Mit der TU Bergaka-demie Freiberg verfügt die Region Freiberg über Ressourcen zur Qualifikation und Be-reitstellung der benötigten akademischen Fachkräfte und Forschungsleistungen für die ansässigen Unternehmen. Diese werden je-doch nicht nur für die regionale Wirtschaft ausgebildet.
In Folge der in den nächsten Jahren rückläufi gen Schülerabgangszahlen an den Berufsschulen ist insbesondere im verarbei-tenden Gewerbe ein Fachkräftemangel zu erwarten.
Zurzeit wird die Wirtschafts- und Innovations-fähigkeit der Region Freiberg noch durch eine Vielzahl an älteren Arbeitnehmern gesichert. Bei den Beschäftigten über 50 Jahre liegt Freiberg deutschlandweit über dem Durch-schnitt. Angesichts einer globalen Wissens-gesellschaft sind gut ausgebildete, hoch motivierte und leistungsfähige Mitarbeiter das wichtigste Potenzial für den Wirtschafts-und Innovationsstandort und seine Akteure (Un-ternehmen, Bildungseinrichtungen, Verwal-tung). Folgen für den Ausbildungssektor sind in den kommenden Jahren unausweichlich. Bereits heute ist der Fachkräftbedarf als langfristiges Strukturproblem erkennbar. In der Region Freiberg sind insbesondere die Bereiche der Halbleiter- sowie der Metall- und Elektroindustrie betroffen. Den regionalen Unternehmen stehen immer weniger Auszu-bildende und Studierende der technischen und naturwissenschaftlichen Richtungen zur Verfügung. Langfristiges Ziel ist es, eine ausreichende Zahl an erforderlichen Fach-kräften auszubilden und durch attraktive Arbeitsangebote der Abwanderung aus der Region entgegenzuwirken. Zusammenfüh-rung, Abstimmung, Kooperation und Ausbau bestehender Maßnahmen, initiiert durch eine Fachkräfteinitiative, können einen Baustein bilden, um den Wirtschafts- und Innovati-onsstandort Region Freiberg langfristig zu sichern, Arbeitskräfte und Unternehmen zu binden und das Bildungsniveau zu erhöhen.
Die Attraktivität einer Region für deren Be-wohner liegt neben den natürlichen Gege-
benheiten im Vorhandensein eines entspre-chenden sozialen Umfeldes und der Möglich-keit zur Erzielung eines tragfähigenEinkommens.
Die wirtschaftliche Ausgangssituation der Region Freiberg kann auf Grund der guten Entwicklung bestehender und der Ansiedlung neuer innovativer Unternehmen im verar-beitenden Gewerbe und im Energiesektor, trotz demografischen Rückgangs, als positiv eingeschätzt werden. Beginnend ab 2004 ist der Gesamtumsatz im verarbeitenden Gewer-be jährlich zweistellig gewachsen.
Damit liegt Freiberg deutlich über den Zuwachsraten Sachsens, der neuen Länder und Gesamtdeutschlands und nimmt dabei einen beachtlichen Platz ein. Die Export-quote beträgt inzwischen 38 %. Dies hatte auch positive Auswirkungenauf die Höhe der Arbeitslosenquote, die sich im Jahr 2007 auf 10% verringerte.
Die regionale Wirtschaft ist gekennzeichnet durch intensive Forschung und Entwicklung sowie die konsequente Umsetzung von In-novationen. Insbesondere die Förderung des verstärkten Einsatzes erneuerbarer Energien zur Energieversorgung, durch die Bundesre-publik als auch die Europäische Union, wirkt sich auf die Entwicklung der in der Region ansässigen Unternehmen positiv aus.
Der zu verzeichnende Klimawandel und der damit einhergehende Temperaturan-stieg beeinflussen die Region Freiberg. Die Klimadaten der letzten 100 Jahre weisen auf ein in Zukunft deutlich milderes Klima hin. Vom Anfang des 20. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Jahresdurchschnittstem-peratur gestiegen.
Seit den 1970er Jahren ist eine Tempe-raturerhöhung, bis heute um etwa 1°Celsius zu verzeichnen. Entgegen den Temperaturen ergeben sich für die Niederschlagsmengen in der Region Freiberg keine gravierenden Ver-änderungen. Allenfalls ist mit einer Verschie-
soziales
wirtschaft
kliMawandel
FREiBERg
089
bung des jahreszeitlich bedingten Auftretens der Niederschläge zu rechnen, mit im Frühjahr und Herbst tendenziell eher gerin-geren und im Sommer höheren Niederschlagsmengen.
In Verbindung mit den ansteigen-den Temperaturen impliziert dies eine steigende Wahrscheinlich-keit des Auftretens von Extrem-wetterereignissen mit größeren Dürreperioden in Frühjahr und Herbst und Starkniederschlägen u.a. während der Sommermo-nate. Dies wiederum ist von entscheidender Bedeutung für die Landwirtschaft und den Tou-
11%
19%
29%
27%
Anteil der Erwerbstätigen an Wirtschaftsberei-chen im Landkreis Freiberg in %
Öffentliche und private Dienstleister
Finanzierung, Vermietung und Unternhemensdienstleistungen
Handel, Gastgewerbe und Verkehr
Land- und Forstwirtschaft, Fischrei
Produzierendes Gewerbe
Baugewerbe
4%
9%
rismus. Insbesondere für das an den Landkreis Freiberg angrenzende Erzgebirge als Urlaubsziel könnten langfris-tig negative Folgen auftreten. Hier gilt es für betroffene Unternehmen und die Region alternative Programme zu entwickeln.
Rahmen einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung mit Hilfe von 22 Indikatoren in den fünf Bereichen Demografi e, Wirtschaft, Ausländerintegration, Bildung und Familienfreundlichkeit bewertet. Die nachfol-gende Übersicht zeigt die Ergebnisse derUntersuchung für den Landkreis Freiberg.
Die Kernregion Freiberg mit der Kreisstadt Freiberg und dem Umland hat ihre traditionellen touristischen Potenzia-le in einem Mix aus den Sehenswürdigkeiten der Berg-stadt Freiberg mit attraktiven, z. T. einmaligen Einzelob-jekten an der „Ferienstraße Silberstraße“, den natürlichen Gegebenheiten des Mittelgebirges „Erzgebirge“, dem Bekanntheitsgrad von Volkskunst aus dem Erzgebirge und der schnellen Erreichbarkeit von herausragendenZielen in der Umgebung (z. B. Dresden, Meißen). Eine ausgeprägte Alleinstellung ist bisher nicht vorhanden.Eine spezielle touristische Bedeutung hat die Region Frei-berg auf dem Gebiet des Montanwesens durch die TU
ZukunftSfaehIGkeIt vOn freIBerG
tourisMus
GLück auf!
änDerunG Der aLterStrukturen vOn 2006 auf 2025 (In %)
0-2 3-5 6-9 10-15 16-18 19-24 25-44 45-64 65-79 80+
125
100
75
50
25
0
-25
-50
-75
eInWOhnerZahL In 5 jahreSSchrItten BIS 2025
50.000
45.000
40.000
35.000
30.000
25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
0
2006 2010 2015 2020 2025
FREiBERg
093
Anteil der Frauen an den ab 80
-Jährigen in %
Anteil der 15-45-Jährigen Frauen
an der Gesamtbevölkerung in %
2006 2025
Zehntausend Menschen werden bis 2025 aus Freiberg wegzie-hen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben und einen Job.
10.000menSchen
Bergakademie Freiberg und deren geowis-senschaftliche Sammlungen sowie auf dem Gebiet der Musik durch das Schaffen des Orgelbauers Gottfried Silbermann.
Mit der Entwicklung der Montanregion Erzge-birge zum UNESCO Welterbe kann sich auch für die Region Freiberg eine neue touristi-sche Dimension ergeben. Dazu bedarf es der konsequenten Entwicklung der eigenen Stärken in Verbindung mit der gegenwärtigen positiven Wirtschaftsentwicklung, bei der es gelungen ist, anknüpfend an Traditionen, zu-kunftsträchtige technologische Entwicklungen zu realisieren. Die Entwicklung spezifischer Angebote und die Qualität aller touristischen Dienstleistungen spielt eine zunehmende Rol-le. Zur Nutzung der Chancen des Marktes
FREiBERg
095ist eine individuelle Analyse der jeweiligen Angebotsstärken notwendig.
Um touristische Trends abzuleiten, können Daten zum Konsumentenverhalten hilfreich sein. Bei der gegenwärtigen Bedeutung des Tourismus als regionaler Wirtschaftsfaktor ist es strategisch bedeutsam, diese Wirtschafts-kraft zu erhalten und gegebenenfalls zu stär-ken. Hinzu kommt, dass touristische Angebo-te auch für den Wirtschaftsstandort und das Lebensumfeld aller Einwohner attraktiv sind.
12,3 % arBeItSLOSenquOtefuenftauSenD eInhunDert eIn unD DreISSIG
WIn WIn SItuatIOn
77.77468.03371.54367.600
ist ein Oberzentrum im Südwesten
des Freistaates Sachsen und mit
knapp 68.000 Einwohnern die größte
Stadt des Vogtlandes und die fünft-
größte Stadt Sachsens. Seit 1996 ist
sie Kreisstadt des Vogtlandkreises, in
den die bis dahin kreisfreie Stadt am
1. August 2008 eingegliedert wurde.
Weltweit bekannt wurde die Stadt
durch die Plauener Spitze.
Während der sowjetischen Besat-
zung wurden viele Industrieanla-
gen als Re-parationsleistungen
demontiert und in die Sowjetunion
verbracht. Ab 1946 begann die
Enteignung und Verstaatlichung der
Großbetriebe. Es wurden Volkseigene
Betriebe gegründet und die Bodenre-
form durchgeführt.
1950 wurde damit begonnen,
dem durch die starke Zerstörung
hervorgerufenen Wohnungsmangel
entgegenzuwirken. Um kostenspa-
rend und schnell neuen Wohnraum
zu schaffen, führte man die neuen
Wohngebäude in der als unansehn-
lich geltenden, aber aufgrund der
Zentralheizung beliebten Plattenbau-
weise aus. Besonders der Stadtteil
Chrieschwitz, das Mammengebiet
und die Umgebung des Oberen
Bahnhofs sind bis heute von dieser
Bauweise sehr geprägt.
Plauen wehrte sich intensiv gegen
Pläne des sächsischen Innenmi-
nisteriums, der Stadt im Zuge der
Kreisgebietsreform den Status einer
kreisfreien Stadt zu nehmen, den sie
seit 1907 besaß. Am 22. April 2008
lehnte der Sächsische Verfassungs-
gerichtshof die von der Stadt Plauen
beantragte einstweilige Verfügung
zur Aussetzung der Kreisgebietsre-
form ab. Damit wurde Plauen zum 1.
August 2008 als Kreisstadt wieder in
den Vogtlandkreis eingegliedert.
12,3 % arBeItSLOSenquOtefuenftauSenD eInhunDert eIn unD DreISSIG
WIn WIn SItuatIOn
Die Einwohnerzahl der Stadt Plauen
überschritt 1904 die Grenze von 100.000, wodurch sie zur Groß-stadt wurde. 1912 erreichte die Bevölkerungszahl mit 129.000 ihren historischen Höchststand. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland geteilt und Plauen lag nun am Rand des Grenzgebiets.
Unter anderem dadurch nahm die Einwohnerzahl stark ab, so dass sie heute weit von der Großstadt-grenze entfernt ist. Laut einer Prognose der Bertelsmann AG wird die Einwohnerzahl der Stadt in den nächsten Jahren weiterhin deutlich abnehmen.
Am 31. Dezember 2007 be-trug die amtliche Einwohnerzahl für Plauen nach Fortschreibung des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen 67.600
pLauen (nur Hauptwohnsitze und nach Abgleich mit den anderen Landesämtern).Die derzeitige Arbeitslosenquote liegt bei etwa 10 % und ist im Landesvergleich am niedrigsten.
Seit der Wiedervereinigung steigt das Durchschnittsalter der Stadt kontinuierlich an, etwa 31 % der Bevölkerung hat das Alter von 60 Jahren überschritten. Während die Zahl der Gesamtbevölkerung rückläufig ist, wird eine ansteigende Zahl von Bürgern über 60 Jahren verzeichnet. Dadurch ist die Errich-tung weiterer altersgerechter Unterkünfte erforderlich. Das Jahr 2008 war für die In-nenstädte kleinerer Städte wie Plauen, Görlitz oder auch Zweibrücken ein hervorragendes Jahr. Das ergab eine Untersuchung des auf Einzelhandelsimmobilien in 1A-Lagen speziali-sierten Immobilienunternehmens Lührmann.
Wie die Vergleichsstudie „Cityfacts“ zeigt, haben die besten Shopping-Lagen der genannten Städte im vergangenen Jahr eine erstaunliche Entwicklung vollzogen: Mit einer durchschnittlichen Mietpreissteigerung von 66,7 Prozent liegt die Einkaufslage mit der deutschlandweit höchsten Mietpreissteige-rung in 2008 in der Innenstadt von Plauen.
Die sächsische 70 000-Einwohner-Kommune Plauen ist auch im Vergleich der Immobili-
altersgerechte unterkuenfte
cityfacts
Arbeitsgelegenheiten
weitere Beschäftigungsschaf-fende Maßnahmen
Förderung der Selbstständigkeit
Förderung abhängiger Beschäftigung
Eignungsfestellungs- und Trai-ningsmaßnahmen
Berufliche Weiterbildung
änDerunG Der aLterStrukturen vOn 2006 auf 2025 (In %)
2006 2010 2015 2020 2025
45.00
40.000
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25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
0
eInSatZ marktpOLItIScher InStrumente
3%
6%
11%
40%
27%
13%
2000 2010
aBWanDerunG In 5-jahreS SchrItten
199071.774 71.543 67.696
PlAuEN
103
enwert-Steigerungen einzelhandelsgenutzter Immobilien in 1A-Lagen Spitzenreiter. Ein Zuwachs von 56,8 Pro-zent bedeutet ebenfalls Platz 1 im deutschlandweiten Wertsteigerungs-Ranking. Die zweit- und drittplatzier-ten Städte Görlitz in Sachsen (57 000 Einwohner) und Zweibrücken in Rheinland-Pfalz (mit 35 000 Einwohnern die kleinste kreisfreie Stadt Deutschlands) verzeichneten ebenfalls hohe Wertzuwächse und Mietsteigerungen. So kletterten die Mieten in Görlitz um 25 Prozent, in Zwei-brücken um 13,6 Prozent. Der Wertzuwachs der Einzel-handelsimmobilien lag bei 27,9 beziehungsweise 26,4 Prozent.
Die Untersuchung „bestätigt den allgemeinen Trend der aufstrebenden 1A-Lagen jenseits deutscher Metro-polen“, kommentiert Guido Kleinschmidt, Geschäftsfüh-render Gesellschafter bei Lührmann Maklermanagement. Zwar gelte noch immer: Je größer die Stadt, desto wahr-scheinlicher ist ein hoher Mietpreis. Trotzdem holten viele kleinere Städte auf. „Filialisten mieten zunehmend auch jenseits der großen Städte.“
Gute 1A-Lagen in kleineren und mittelgroßen Städ-ten seien für führende expansionswillige Unternehmen hochattraktiv: „Die Mieten sind einerseits nicht so hoch wie in Großstädten, andererseits lässt sich dort ein guter Umsatz erwirtschaften.“ Das führe zu einer klassischen Win-Win-Situation, denn funktionierende 1A-Lagen „binden die örtliche Kaufkraft, locken Shopping-Touristen aus dem Umland an und sind Aushängeschild einer ganzen Stadt“, sagt Kleinschmidt. Von solchen Erkennt-nissen profitierten auch die Fußgängerzonen in Erding,
Lüneburg, Coburg oder Trier. Besonders für Plauen sei die Entwicklung erfreulich. Die Innenstadt der sächsischen Stadt gehörte im Jahr zuvor noch zu Deutschlands Lagen mit den niedrigsten Mieten. Hier habe das Interesse der Einzelhändler und Investoren deutlich zugenommen. Kleinschmidt: „Wenn eine Stadt eine gute Prognose hat, sind Ein-zelhandelsunternehmen immer bereit, für die besten Lagen gutes Geld zu bezahlen.“
Das mache sich auch auf dem Investitions-markt bemerkbar. „Gerade die Beispiele Plauen, Görlitz und Zweibrücken zeigen, dass es sich für die Kommunen und dort ansässi-ge Unternehmen lohnt, in ihre Innenstädte zu investieren. Durchdachte Einzelhandelskon-zepte und kreative Stadtmarketingkampag-nen unterstützen die Magnetwirkung dieser 1A-Lagen, locken neuen Unternehmen in die Stadt und machen den Markt für finanzkräf-tige Investoren interessant“, ergänzt Achim Weitkamp, der bei Lührmann den Verkauf von Gewerbeimmobilien in 1A-Lage koordiniert.
1a-lage
win win situation
WeSt
SueD
nOrD
PlAuEN
107Die technische und die soziale Infrastruktur müssen der Bevölkerungsentwicklung und gegebenenfalls einem Rückgang oder einer Verschiebung in der Nachfrage kommunaler Dienstleistungen angepasst werden. Intelli-gente Lösungen müssen gefunden werden, um eine gute Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, die finanzierbar bleibt.
Der öffentliche Nahverkehr, Ver- und Ent-sorgungssysteme aber auch die medizini-sche Versorgung, Bildungs sowie Betreu-ungs- und Pflegeangebote werden zukünftig entsprechend den Bevölkerungsprognosen ausgerichtet.Dabei geht es nicht allein um Rückbau, Stilllegung oder Gebührenerhöhung für die Verbraucher; beispielsweise sind im öffentlichen Personennahverkehr Anrufbusse oder Sammeltaxis oftmals eine Alternative zur Reduzierung der Taktzeiten oder Linien im Netz als Reaktion auf ein zurückgehendes Fahrgastaufkommen.
Dezentrale Systeme zur Strom- und Wär-meversorgung (wie Blockkraftwerke) oder bei der Abwasser- und Abfallentsorgung können hohe Fixkosten und Folgekosten durch Unterauslastung überdimensionierter, zentra-lisierter Systeme in der Fläche vermeiden und sind flexiblere und oft auch ökologischere Lösungen bei zurückgehenden Bevölke-rungszahlen. Ein mobiles Bürgerbüro, mobile Ärztesprechstunden oder Nachbarschaftslä-den können trotz Nachfragerückgang wichti-ge Versorgungsangebote aufrechterhalten.
Sinkende Einwohnerzahlen bedeuten für Kommunen ein sinkendes Einkommensteu-eraufkommen. Sinkende Kaufkraft und sink-endes Arbeitskräftepotenzial können mit ei-nem Rückzug privater Unternehmen und Dienstleister neben einem sinkenden Umsatz-steueraufkommen auch sinkende kommunale Einnahmen über die Gewerbesteuer zur Folge haben. Sinkende Einwohnerzahlen treffen Ko-mmunen aber auch über zurückgehende Zu-weisungen aus dem einwohnerbezogenen kommunalen Finanzausgleich.
Demografische Veränderung in SachsenMonique MardusTypografieProf. Andreas Hogan