standpunkt - point of view - point de vue

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Orbis Litterarum (1977), 32, 254-264 Standpunkt - point of view - point de vue Rita Gnutzmann Auch wenn erst rnit Henry James die Frage nach dem .point of view<, dem Standort des Erzahlers in den Mittelpunkt der Diskus- sion riickte, so muss in Deutschland der .Objektivismusstreit< (Spielhagen gegen Hamburger) schon als direkter Vorlaufer dazu angesehen werden. Bestimmend fur Frankreich wurde die Arbeit von Jean Pouillon. Dieser Aufsatz versucht, die einzelnen Beitrage der drei wichtig- sten Liinder (Deutschland, Frankreich und die angelsachsische Welt, der sich Spanien anschliesst) vorzufiihren. Das Ziel ist, eine gewisse Entwicklung aufzuzeigen (vom gehaltlich bestimmten Objektivis- musstreit zur formalen Darstellung) und schliesslich die wichtigsten Termini und Theorien der einzelnen Lander miteinander zu ver- gleichen und aufzuzeigen, in welchen Punkten sie sich einander an- nahem oder wo sie zu keiner Obereinstimmung gelangen (z. B. Wahrnehmungsorte gegenuber Erzahlertypen; das Erzkihlpronomen als unterscheidendes Merkmal, bzw. seine Ablehnung etc.). Durch Hinweis auf linguistische Arbeiten, auf die Rezeptionshthetik und auf Kommunikationsmodelle sollen eventuell noch zu erwartende Beitrage angedeutet werden. Die Diskussion um den BStandpunkta setzte erst mit Henry James und insbeson- dere mit seinem Schiiler Percy Lubbock recht ein. James machte die vielen Dar- stellungsmoglichkeiten und Perspektiven des Romans mit seinem Bild vom .House of Fictiona anschaulich, an dessen unzahli- gen Fenstern Zuschauer stehen, die den- selben Vorgang betrachten, .but one see ing more where the other sees less, one seeing black where the other sees whitex.l Tatsachlich hatten sich aber schon an- dere Schriftsteller und Kritiker rnit dem Problem auseinandergesetzt, ebenfalls rnit eigenen Anschauungen und eigenen Ter- mini. Seit der einmal ausgelosten Diskus- sion tauchten neue Namen, Ansichten und Streitpunkte auf. Sind diese bereits unter- schiedlich und verwirrend in einem Sprach- kreis, so herrschen chaotische Zustande im Hinblick auf die diversen beteiligten Lan- der. Vor allem sol1 hier auf die drei in der Theorie am meisten vertretenen Ender Deutschland, Frankreich und den angel- sachsischen Bereich eingegangen werden. Spanien zum Beispiel hat auf diesem Ge- biet keinen eigenen Beitrag gelektet, son- dern die wenigen vorhandenen theore- tischen Ausserungen lehnen sich vor allem an die englisch-amerikanischen Vorbilder a n 3 Auf die russischen Formalisten wird nur kurz im bibliographischen Anhang hingewiesen werden. Das Thema kann keineswegs als veraltet und die Problematik als gelost angesehen werden, denn noch immer existieren Ver- stehensschwierigkeiten (schon wegen der unterschiedlichen Terminologie); zudem

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Orbis Litterarum (1977), 32, 254-264

Standpunkt - point of view - point d e vue Rita Gnutzmann

Auch wenn erst rnit Henry James die Frage nach dem .point of view<, dem Standort des Erzahlers in den Mittelpunkt der Diskus- sion riickte, so muss in Deutschland der .Objektivismusstreit< (Spielhagen gegen Hamburger) schon als direkter Vorlaufer dazu angesehen werden. Bestimmend fur Frankreich wurde die Arbeit von Jean Pouillon.

Dieser Aufsatz versucht, die einzelnen Beitrage der drei wichtig- sten Liinder (Deutschland, Frankreich und die angelsachsische Welt, der sich Spanien anschliesst) vorzufiihren. Das Ziel ist, eine gewisse Entwicklung aufzuzeigen (vom gehaltlich bestimmten Objektivis- musstreit zur formalen Darstellung) und schliesslich die wichtigsten Termini und Theorien der einzelnen Lander miteinander zu ver- gleichen und aufzuzeigen, in welchen Punkten sie sich einander an- nahem oder wo sie zu keiner Obereinstimmung gelangen (z. B. Wahrnehmungsorte gegenuber Erzahlertypen; das Erzkihlpronomen als unterscheidendes Merkmal, bzw. seine Ablehnung etc.). Durch Hinweis auf linguistische Arbeiten, auf die Rezeptionshthetik und auf Kommunikationsmodelle sollen eventuell noch zu erwartende Beitrage angedeutet werden.

Die Diskussion um den BStandpunkta setzte erst mit Henry James und insbeson- dere mit seinem Schiiler Percy Lubbock recht ein. James machte die vielen Dar- stellungsmoglichkeiten und Perspektiven des Romans mit seinem Bild vom .House of Fictiona anschaulich, an dessen unzahli- gen Fenstern Zuschauer stehen, die den- selben Vorgang betrachten, .but one s e e ing more where the other sees less, one seeing black where the other sees whitex.l

Tatsachlich hatten sich aber schon an- dere Schriftsteller und Kritiker rnit dem Problem auseinandergesetzt, ebenfalls rnit eigenen Anschauungen und eigenen Ter- mini. Seit der einmal ausgelosten Diskus- sion tauchten neue Namen, Ansichten und Streitpunkte auf. Sind diese bereits unter- schiedlich und verwirrend in einem Sprach-

kreis, so herrschen chaotische Zustande im Hinblick auf die diversen beteiligten Lan- der. Vor allem sol1 hier auf die drei in der Theorie am meisten vertretenen E n d e r Deutschland, Frankreich und den angel- sachsischen Bereich eingegangen werden. Spanien zum Beispiel hat auf diesem Ge- biet keinen eigenen Beitrag gelektet, son- dern die wenigen vorhandenen theore- tischen Ausserungen lehnen sich vor allem an die englisch-amerikanischen Vorbilder a n 3 Auf die russischen Formalisten wird nur kurz im bibliographischen Anhang hingewiesen werden.

Das Thema kann keineswegs als veraltet und die Problematik als gelost angesehen werden, denn noch immer existieren Ver- stehensschwierigkeiten (schon wegen der unterschiedlichen Terminologie); zudem

255 Standpunkt - Point of view - Point de vue

sind gerade in den letzten Jahren vom Iin- guistischen Standpunkt aus neue Beitrage dazu geliefert worden. Auch die neuere Rezeptionskthetik wird nicht darum herumkommen, die DPerspek- tivecc, Erzahlhaltungcc, den BStandpunkta - oder rnit welchem Begriff man die Sache auch allein im Deutschen benennen will - genauer zu betrachten, hangt davon doch ein sehr grosser Teil der Wirkung auf den Leser ab. Denn offensichtlich lasst sich nicht nur der einfache h e r tiiuschen, son- dern auch so mancher Literaturkritiker. Zwei Beispiele seinen kurz erw%nt: der Bruder von George Gissing klagte den Au- tor wegen seiner in The Unclassed vorgs tragenen Ideen an. Dieser verteidigte sich daraufhin in einem Brief, dass es nicht seine Gedanken, sondern die der Roman- figur Waymark ~ a r e n . ~ Ebenfalls gibt es Literaturkritiker, die z. B. Macbeth rnit dem Autor Shakespeare verwechseln und behaupten, auch Macbeth miisse seiner poetischen Sprache wegen Dichter gewesen sein.4

Diese Arbeit will einen Oberblick iiber die verschiedenen Theorien geben und diese einander gegeniiberstellen, urn Unter- schiede herauszufinden und urn so, wenn moglich, zu einer klareren Terminologie zu gelangen.5

Deutschland

Zu einer ersten grosseren Beschaftigung rnit dem Erzahlproblem kam es in Deutsch- land. Vor allem begann eine wahre De- batte um die sogenannte nObjektivitatq die von Friedrich Spielhagen ausgelost wurde, der verlangte, dass Bder Dichter vollig und ausnahmslos (hinter den Ro- manfiguren) verschwindetu.6 Die Gegen- position vertrat insbesondere Kate Friede- mann.7 Im Grunde ging es den Parteien um zwei grundsiitzlich verschiedene Din- ge: Spielhagens Theorie bezog sich auf formale Objektivitat, d. h. keine Eingriffe des Erziihlers im Stofflichen, wahrend sei-

ne Gegner sich auf eine geisfige Objektivi- tat oder Neutralitiit gegeniiber den Roman- figuren bezogen.6 Die Nutzlosigkeit der Diskussion wurde spiitestens mit dem Auf- satz von Robert Weimann deutlich, der klar unterscheidet zwischen dem Erziihler- standpunkt (der sich in Auswahl, Bewer- tung und Tendenz darstellt, also mehr im intellektuell-psychologkchen Sinne) und dem englischen Terminus point of view a k formalem Aspekt (optische, erztihltechni- sche und sprachliche Darbietungsform).S Er schlagt vor, als umfassenden Begriff die Erzahlperspektive zu gebrauchen.

Eduard Spranger versuchte 1930 rnit sei- nem Aufsatz BDer psychologische Perspek- tivismus im Roman< einen neuen Ansatz.10 Wie der Titel verrat, ging er von psycho- logisch-philosophischen Vorstellungen a m und bestimmt einen BBerichtstandortcc und einen nhnensichtstandortc. Nach ihm kommt Giinther Muller rnit seinern mor- phologischen Ansatz anhand von Zeitkri- terien zu einem Ergebnis von drei Roman- arten.11 Auch Wolfgang Kayser wendet sich der aperspektivecc (sein aus der Kunst iibernomrnener Begriff) und den Roman- typen zu.12 Im Vortrag Wer erziihlt den Roman zitiert er die Theonen von F. K. Stanzel, spricht aber noch mystifizierend vom Erzahler als Bmythischen Weltschopf- eru.ls

Inzwischen wurde die Verbindung des Standpunktes mit der Figur des Erzahlers deutlich, die man als Vermittler erkannt hatte, urn der ,autobiographic fallacy<< bei Nennung des Autors zu entgehen.14

Bei dem Versuch, eine Typologie des Romans aufzustellen, leistete F. K. Stanzel den bisher bedeutendsten Beitrag.15 E r baut seine Theorie auf den drei Dtypischen Elzahlsituationenu auf,i6 die er sogleich rnit der Person des Erzahlers verbindet.

Der Trager der .auktorialen Erzahl- situationu ist der sich personlich ein- mischende und kommentierende Erzahler. Besonders bei diesem muss hervorgehoben werden, dass auch er - trotz Kommentaren

256 Rita Gnutzmann

etc. - keinesfalls mit dem Autor uberein- stimmt, sondem dass es sich um eine BVer- fremdunga, eine Deigenstbdige Gestalta handelt (16). Die Grundform des Eniihlens ist der im epischen Prateritum gehaltene Bericht.

In der zweiten, der .Ich-Erziihlsitua- tiona, gehort der Eniihler der Romanwelt an. Auch hier herrschen der Bericht und das Prateritum vor. Trotz der relativ kla- ren Erzahlperson gesteht Stanzel diesem Erzahltypus besondere Variationsbreite zu, da hier die Spannung zwischen dem er- ahlenden und dem erziihlten Ich zum Tragen kommt (16f.).

Die dritte Erzahlsituation, die .perso- nalecc, verzichtet auf einen greifbaren Er- zahler. Der Leser erhalt den Eindruck, sich selbst am Handlungsort zu befinden oder das Geschehen mit den Augen einer der Romanfiguren zu sehen. Diese Illu- sion (ich betone das Wort) der Unmittel- barkeit l a s t sich logischenveise am besten in der szenischen Darstellung erreichen und war daher die bevorzugte Perspektive von Henry James.17

England und Amerika

Derselbe James ah Ausloser der Diskus- sion um die Romantechniken und speziell den point of view muss uns natiirlich an erster Stelle beschaftigen. Sein Ideal ist allgemein bekannt: das vollige Verschwin- den des Autors hinter seinem Werk, den Bsingle point of viewa und .a central in- telligencea. James war ein grosser Ver- ehrer der franzosischen Romankunst und deren Idee der .impassibilit&: Flaubert, Maupassant und deren Vorliiufer Balzac.18 Die Aufgabe des Schriftstellers ist es, .to make the presented occasion tell all its story itselfa.10 Das bekannteste, immer wieder zitierte Werk ist The Ambassadors, das alle drei Forderungen ideal erfiillt. Was bei Henry James noch persiinliches Engagement war: .I realize - none too soon - that the scenic method is my ab-

solute, my imperative, my only sa1vationa:to - verscharfte sich bei seinem Nachfolger und Verehrer Percy Lubbock geradezu zum Dogmatismus, wie er sich in seinem beriihmt gewordenen Ausspruch beweist:

The whole intricate question of method, in the craft of fiction, I take to be governed by the question of the point of view - the question of the relation in which the nar- rator stands to the story. (251)Zl

Als einzig richtige Form erkennt er die szenische Darstellung an:

The art of fiction does not begin until the novelist thinks of his story as a matter to be shown, to be so exhibited that it will tell itself. (62)

Wiihrend er Krieg und Frieden von Tolstoi wegen seines wechselnden Standpunktes und der breiten Panoramaschau (die einen allwissenden Eniihler erfordert) kritisiert, hebt er an Flauberts Roman Madame Bo- vary die gelungene Kombination der Dar- stellungsformen hervor: nach einer pano- ramischen Einleitung folgt ein .dramati- schera oder Dszenischercc Teil, wobei dem panoramisch Enahlten nur vorbereitende Funktion zukommt, die Hauptbetonung aber immer auf der Szene liegt (72f.). Auch die von James iibernommene Forde- rung nach einer .central intelligence< (,center of vision*, 85) werde hier in Ge- stalt Emma Bovarys ideal erfiillt.

Diese Betonung der dramatischen Dar- stellungsform und des alleinigen Wahr- nehmungszentrums - der Dpersonalen Er- ztihlsituationa - hat gewiss ihre Vorteile, nur leider haben viele Kritiker sie zur ein- zig moglichen Methode erhoben. Selbst- verstandlich konnten viele Schriftsteller - die Viktorianer zum Beispiel - dem Kri- terium nicht standhalten.

An dieser Stelle soll der historische Wberblick durchbrochen und W. C. Booth vorangestellt werden. Da Fnedman ge- rade unseren Hauptpunkt. den point of view, am stkksten detailliert hat, sollte er

Standpunkt - Point of view - Point de vue 257

am Schluss der angelsiichsischen Betrach- tung stehen; zudem antwortet Booth direkt auf viele der von James und Lubbock auf- geworfenen Fragen und Bbefreit vom Zwang abstrakter Regeln und Gesetzea, wie er sein Ziel im Vorwort beschreibt.zz

Schon die Kapiteluberschriften lassen die Auseinandersetzung und Konfrontation mit seinen eben genannten Vorgiingern erken- nen: >Telling and Showinga, .Neutrality . . . Impartiality . . . Impassibilitta und vor allem Subjectivism Encouraged by Imper- sonal Techniquesa. Sein Hauptinteresse richtet sich darauf, zu beweisen, dass vol- lige Unparteilichkeit nicht zu erreichen ist und dass der Autor niemals vollig aus sei- nem Werk verschwinden wird, nicht ein- ma1 in der sogenannten Bobjektivena Form, der Szene. An allen analysierten Darbie- tungsarten und personae weist er immer wieder die Hand des .implied authora nach: im Wechsel des point of view. hinter dem .dramatized narrator<, in der direk- ten und indirekten Kontrolle der Leser- sympathien etc.28

Er unterscheidet weniger einzelne Wahr- nehmungsorte als verschiedene Erzahler- typen (und nicht die Erziihlpronomina Bicha und *era). An erster Stelle habea wir den aimplied authora, der in seltenen Fal- len zugleich der ErziWer sein kann, z.B. in einer vollig unpersonlichen Enahlung wie The Killer von Heming~ay.~4

Weiterhin unterscheidet er einen ~un- dramatizeda von einem .dramatized nar- ratora (letzterer mit eigenen Charakter- ziigen), der seinerseits differenziert wird in einen Bobservera und den wnarrator agenta, der wie Marlow in J. Conrads Romanen in das Geschehen eingreift. Ausserdem erge- ben sich beim dramatized narratora zwei weitere Typen, sreliablea und .unreliablec (151 ff., 211 ff.).PS

Seine Aussagen zu Themen wie BObjek- tivitata, aKommentarea etc., sehen das Pro- blem nicht unter formalem Aspekt (Zer- storung der Illusion, aufdringliche Auto- renstimme), sondern er fragt nach dem

Gehalt und der Funktion fiir den Leser (cf. das Kapitel .The Uses of Reliable Commentarya). Allerdings fallen derartige Aussagen in den Bereich des personlichen Geschmacks. Booths bedeutendster Beitrag besteht wohl in der Einfiihrung des Bim- plied author< und des marratora (und seine verschiedenen Formen) im Unter- schied zum realen Autor.

Die Arbeit von Norman Friedman ist wegen seiner Beschrankung einzig auf das Thema des point of view und seiner tabellengleichen Aufzahlung leicht ver- standlich. Nach einem Uberblick uber seine Vorlaufer von James bis Schorer kommt er im zweiten Teil des Aufsatzes zur eigenen Theorie. Es ist wichtig fest- zuhalten, dass er noch die Unterscheidung von .telling< (Bericht, panoramisch) und mhowinga (unmittelbare Darstellung, Sze- nenform) von James und Lubbock uber- nimmt und daher stufenweise von der BSubjektivitata zur aobjektivitata vor- stosst. Die einzelnen Darbietungsformen werden folgendermassen beschrieben:

1. .Editorial Omnisciencea, die Autoren- stimme schaltet sich mit Kommentaren in die Handlung ein; die Personalpro- nomen Bich; wira werden gebraucht; vorherrschend ist der Bericht von einem sgottgleichena Standort aus.

2. .Neutral Omniscience<, der allwissende Standpunkt bleibt gleich, der Autor schaltet sich aber nicht mehr direkt eh .

3. .I as Witnessa, der Erzahler gehort der Romanwelt an, grosser Spannungseffekt.

4. .I as Protagonista, der Eniihihler berich- tet sein eigenes Leben, der Blickpunkt ist auf ihn festgelegt.

5. .Multiple Selective Omnisciencea, we- der Autor noch Erzahler sind direkt fassbar, sondern Gedanken und Gefuhle scheinen direkt aus dem Inneren der Personen zu kommen.

6. Selective Omnisciencea, wiederum di- rekte Darstellung des Inneren, in d i e sem Falle jedoch auf eine Person be- schr'iinkt .

7. .The Dramatic Modea, nur szenische Darstellung von ausseren Vorghgen; der innere Bereich ist vollig ausgespart und nur deduzierbar.

258 Rita Gnutzmann

8. .The Camera<, vollige Ausschaltung von Autor und Erzahler; ein Objekt spiegelt irgendeinen Ausschnitt ohne jede Auswahl wider36

Die Wahl des jeweiligen point of view hangt von der Textart, vom Gehalt und von der Intention des Autors ab. Das Hauptziel bleibt aber weiterhin fur Fried- man >>to produce as complete a story- illusion as possiblecc. Der von James uber- nommene Grundsatz wird heutzutage in dieser Form nicht mehr anerkannt, wie schon Booth zeigte.27

Frankreich

In Frankreich hat die Diskussion um den point de w e niemals das Ausmass erreicht wie in Deutschland und den angelsach- sischen Landern. Unterstutzt von den posi- tivistisch-deterministischen Ideen von A. Comte und H. Taine dominierte Ende des vorigen Jahrhunderts die realistisch-natu- ralistische Schule mit ihrer Forderung nach einer Bobjectivit6 scientifiquea und aimpassibilit6cc (Flaubert) bei der Bobserva- tion du vraia. Mit Ausnahme der Gruppe um Zola, die um 1880 eine wahre Kam- pagne fiir den Naturalismus mit Titeln wie Soiries de Midan, Le Roman experimen- tal und Les Romanciers naturalistes star- tete, gab es keine enge Beziehung zwischen dem Schriftsteller und Theoretiker (wie z.B. bei Spielhagen, Forster und James). Wenn in Amerika der Einfluss der Theo- rien von James und Lubbock die Ent- wicklung der Literaturkritik fur Jahr- zehnte bestimmte, so hatte in Frankreich der anhaltende Erfolg der Grossen des Realismus und Naturalismus die gleiche Wirkung.28

Der eigentliche franzosische Theoretiker zum Thema des Standpunkts ist weder Literaturkritiker noch Schriftsteller. Wie schon William James die grundsatzliche Erklarung fur den stream of consciousness gab und auch E. Spranger, so tritt Jean Pouillon vom psychologkchen Standpunkt an das Kunstwerk heran; ihn interessiert

die BAnthropologiec, die der Roman sug- geriert, im h e r hervorruft oder diejenige, von der sie abhangtP

Von diesem Ansatz aus kann keine uber- m5ssig detaillierte Standpunkttheorie er- wartet werden; so trifft Pouillon z.B. nicht die so grundsiitzliche Unterscheidung von Autor und Erzahler, sondern spricht all- gemein vom .auteur< oder x-omanciercc. Fur ihn existieren drei Wahrnehmungs- arten, die er wisiona nennt:

1. da vision aveca (74), der Enahler weiss nicht mehr als die Romanfiguren; die BIchc und .Er-Forme sind moglich; das Wahrnehmungszentrum lie@ im Ro- man.

2. .la vision par derrikrea (85), die tradi- tionelle Eniihltechnik; der Erzahler be- sitzt gottgleiches Wissen uber aussere Geschehnisse und innere Vorgange; das Wahrnehmungszentrum liegt ausserhalb der Romanwelt (fur Pouillon noch im Bromancierc).

3. >la vision du dehorsa (102), der Er- zahler beschreibt nur ausserlich sicht- bare Vorgange, Reaktionen oder Worte der Romanfiguren; vergleichbar mit dem Behaviorismus der amerikanischen Sozialpsychologie.~o

Die Darstellungsmoglichkeit der Zeit steht im Mittelpunkt des zweiten Teils von Pou- illons Buch, in dem er sich vor allem mit Henri Bergson auseinandersetzt. E r kommt zu folgendem Ergebnis: .La but du roman est d’exprimer la

rCalitCc (263), wobei es sich fur ihn offen- sichtlich vor allem um die psychische Wirklichkeit handelt (274). Pouillon be- antwortet die Frage: von wessen Stand- punkt aus wird wahrgenommen? noch n i t dem Zusammenfall des Blickwinkels von Autor und h e r : .Le lecteur voit donc par les yeux du romanciera (24). Dies ist jedoch eine Vereinfachung, die heute we- der von der Standpunkttheorie noch von der Rezeptionsiisthetik her zulbsig er- scheint.

Tzvetan Todorov, Littkrature et signifi- cations1 ubernimmt die drei von Pouillon

Standpunkt - Point of view - Point de vue 259

entwickelten Erzahlperspektiven bei seiner strukturellen Analyse des Romans Les Liaisons dungireuses von Choderlos de Laclos. Im allgemeinen findet sich im fran- zosischen Briefroman des 18. Jdts. die .vision aveccc, d. h. dasselbe Ereignis wird von verschiedenen Standpunkten aus be- schrieben, von Todorov ))vision st6rtosco- piquecc genannt. Untersucht man die Ebene von Schein und Realitat, ordnet sich das BSeincc der Personen der .vision par der- ri&re< zu. Selbstverstandlich differenziert Todorov nvischen .auteur< und marra- teurcc, letzterer wird als .image fugitivea charakterisiert: Ddes masques contradic- toires, allant de celle d'un auteur en chair et en 0s ?I celle, d'un personnage quelcon- quecc (87). Der Erzahler ist am besten auf der Wertungsebene zu fassen (niveau a p prbciatif), die im Roman angelegt ist, un- abhangig von ausserhalb des Werkes l i e genden Masstaben des Autors oder Lesers. So wie Booth vom ,implied authora und vom ,image of his readera (138) spricht, halt auch Todorov die Anwesenheit des letzteren im Werk als .image du lecteura fest. Es herrscht die gleiche Spannung zwischen dem realen h e r und dem Dim- plizitena wie zwischen dem realen und dem ))implizitencc Autor (87 ff.).

Todorovs Analyse ist auf dem lingu- istischen Hintergrund zu sehen. Dabei ist das Erzahlwerk ein System von Funktions- ebenen, deren Struktur wiederum ein Sy- stem von funktional bedingten Erzahlein- heiten darstellt. Das Ziel des linguistischen Ansatzes ist daher nicht das reale System eines bestimmten Erz5hlwerkes zu unter- suchen, sondern die kleinsten Einheiten und deren Funktionsebenen zu beschreiben und zu einem theoretisch deduzierten Mo- dell zu gelangen.32

Das Problem der Perspektive und des Erzahlers wird bei Todorov (und mit ihm bei R. Barthes, J. Kristeva, A. J. Greimas etc.) allein vom linguistischen Standpunkt aus gesehen. Am klarsten wird das bei der Behandlung der Charaktere, die nicht als

DEssenza betrachtet werden, sondern im Hinblick auf die Handlungseinheit (Propp) oder sich wie in Todorovs Untersuchung einem Grundschema von moglichen Be- ziehungen einordnen: nd6sir-communica- tion-participation<. Fur Todorov handelt es sich (wie schon bei K. Hamburger, s. Fussnote 14) um einen Bprocbs d'bnoncia- tioncc. Wahrend Literaturwissenschaftler wie W. C. Booth die Wichtigkeit einer grammatikalischen Differenzierung abstrit- ten (s. Fussnote 25 - gegen Stanzel), ist fur die Linguisten das Problem nicht psy- chologisch, sondern rein grammatikalisch begrundet. Man unterscheidet zwei For- men:

Bl'instance personnellee (1. und 2. Person Singular und Plural) und d'instance a- personnellea (3. Person Singular und Plu- ral). Als Aufgabe ergibt sich, den .code< zu untersuchen, durch den Erzahler und Leser im Erzahlwerk dargestellt sind.33

Zusammenfmsung

Welcher Schluss lasst sich nun aus dem Gesamtiiberblick ziehen?

Zunachst einmal ist eine stete Weiter- entwicklung seit dem anfanglichen Objek- tivismusstreit festzustellen, sobald man die recht subjektive, sterile Diskussion zugun- sten anderer Aspekte aufgab. Der nachste grosse Kreis in der Nachfolge von Henry James facherte das Interesse weiter auf, verfiel aber einem neuen Dogmatismus, dem der Bbestena Darstellungsform, statt nach der jeweils vorteilhaftesten (wie Booth) zu fragen. Hinzukommen parallel verlaufende psychologische und zeitlich strukturierende Ansatze (Spranger, G. Muller, spater A. A. Mendilow).

Wollte man jetzt die einzelnen Aussagen zur Perspektive vergleichen, so sind sie nicht in ein iibereinstimmendes Schema zu ordnen. Stimmt die Bauktoriale Erziihl- situationa bei Stanzel noch mit der Dedi- torial omnisciencee bei Friedman und der .vision par demkrea bei Pouillon iiberein

260 Rita Gnutzmann

(wobei Friedmans .omnisciencea nicht mehr recht dazugehort), so miisste man bei Booth eine der Erzahl-personen wah- len, die wiederum genauer zu spezifizieren w5re. Der bei Stanzel nur als .personala definierte Standpunkt untergliedert sich bei Friedman in den .multiple selective, dramatic point of viewa und .the came- ra<. Pouillon nennt dieselbe Perspektive ,vision aveca, die aber ebensowenig mit Stanzel iibereinstimmt, da diese gramma- tikalisch die erste und dritte Person er- laubt; bei Stanzel dagegen bedeutet die rrIch-Erzahlsituationa eine eigene Kate- gorie. Wollte man ihn jetzt an die Lingu- isten heranbringen (wenn auch wegen des vollig verschiedenen Ansatzes absurd), so fehlt bei ihm die zweite Moglichkeit des Dtua der Binstance personnellea.

Doch sol1 man wirklich diese Vielfalt beklagen?

Setzt man voraus, dass jeder Kritiker (oder Professor und Lehrer) klarmacht, von welchem Ansatz er ausgeht, so bietet sich ihm eine positive Vielfalt zur Aus- wahl an.

Dabei gilt noch immer, dass die Leistung einzelner Erzahlelemente nur von der In- stanz des Erziihlens her verstbdlich ist, auch wenn diese zugegebenermassen heute schwerer fassbar ist und dem Leser kaum noch oder gar keine Hilfestellung leistet. Und doch: scheint der ErzWer nach dem ersten Satz .Je suis ici . . . a34 vollig zu ver- schwinden, so tritt er doch nicht erst wie- der im Schlusskapitel auf, sondern das Werk in seiner Gesamtheit wird von sei- nem Standpunkt aus erzahlt, auch wenn er sich nicht als BIcha vorgestellt hatte.

Die an den h e r gestellte Aufgabe ist eben heute subtiler und interessanter ge- worden.

NOTES

1. Henry James, .The House of Fictiona, in The Future of the Novel (New York 1956), 50f. - aus dem Preface zu The Portrait of a Lady, 1908.

2. cf. Ram6n Buckley, Problemas formales de la novela espaiiola contempordnea (Bar- celona 1968); Juan Goytisolo, Problemas de la novela (Barcelona 1959), 22; AndrCs Amor6s, Zntroduccidn a la novela contemporhea (Anaya, Salamanca 1966), 45; Ra61 Castagnino, El andisis literario (Nova, Buenos Aues 1965), E. Anderson Im- bert, .Formas en la novela contemporfineaa in Critica interna (Taurus, Madrid 1960) zahlt vier Moglichkeiten der Perspektive auk .el narrador-omnisciente, narrador- observador, narrador-testigo, narrador-protagonistaa und gibt ein Beispiel aus der spanischen oder stldamerikanischen Literatur fur jeden Typ (261 ff.).

3. Algemon and Ellen Gissing (ed.), The Letters of George Gissing to His Family (Constable, London 1923, 140.

4. Lascelles Abercrombie in Shakespeare, Macbeth (Arden Edition 1979, LII. 5. Die gleiche Uniibersichtlichkeit gilt fur andere Begriffe wie im folgenden Beispiel:

BAutora, DErzahlera, Bfiktiver Edhlera , .implied authora (Booth), Bhistora (Scho- ledKellogg), .dramatized authora (Lubbock), dramatized narratora, Dpersonaa (Booth), .author's second selfa (K. Tillotson).

6. F. Spielhagen, Neue Beitrage zur Theorie und Technik der Epik und Dramatik (Staackmann, Leipzig 1898), 54f. - In der Auseinandersetzung wurde er unterstiitzt von J. Wassermann, R. Lehmann, Fr. M. Huebner, Hans Brandenburg und Keiterl Kellen. Diese Kritiker zitieren gem den Ausspruch der BAutoritatena Goethe und Schiller, dass der BRhapsodea in seinem Gedicht selbst nicht erscheinen sollte; cf. J. W. v. Goethe, Werke, Bd. XII, BUber epische und dramatische Dichtunga (Ham- burger Ausgabe), 251.

7. K. Friedemann, Die Rolle des Erzahlers in der Epik (Haessel, Leipzig 1910), s. die Einleitung. Zu ihr gesellten sich 0. Walzel, R. Muller-Freienfels, E. Hirt, H. H. Borchardt, A. Doblin, Chr. Winkler, E. Ermatinger, R. Petsch und Thomas Mann. In jiingerer Zeit kommen Adorno, Stanzel und Liimmert dam; cf. Wolfgang Kayser, Entstehung und Krise des modernen Romans in DVjs. Bd. XXVIII, Heft 4.

8. Einen tl'berblick dazu bietet John R. Frey, .Author Intrusion in the Narrative:

Standpunkt -Point of view - Point de vue 261

German Theory and Some Modem Exarnplesa, Germanic Review, vol. XXIII, 1948, 274ff. - Auf englischer Seite setzte sich W. C. Booth, The Rhetoric of Fiction (University of Chicago Press, Chicago 1961) mit den Begriffen .neutrality, impar- tialitya auseinander. H. James und P. Lubbock wurden bereits envahnt. Auch Ian Watt und A. A. Mendilow lehnen den Eingriff des Autors als >illusionsstorenda ab, Cf. Time and the Novel (New York, London 1952), 99. Das Problem wurde jedoch im 19. Jdt. in England und Amerika nicht so detailliert, sondem man diskutierte (wie auch in Frankreich) im allgemeinen die Formen des .subjective Realisma, cf. C. R. Decker, >The Aesthetic Revolt against Naturalism in Victorian Criticisma PMLA, vol. LIII, 1938, 844ff.; J. A. Symonds, .Realism and Idealisma, Fortnightly Review, vol. XLVIII, Sept. 1887, 429; Paul Goetsch, Die Romankonzeption in Eng- land 2880-1910 (Heidelberg 1967).

9. R. Weimann, ))Erziihlerstandpunkt und point of view. Zu Geschichte und Xsthetik der Perspektive im englischen Romana, ZfAA, vol. X, 1962, 369ff. - John Suther- land, .Robert Bage: Novelist of Ideasa, PhiIological Quarterly, vol. 36, 1957 ver- suchte bereits friiher diese Unterscheidung zu treffen durch .the formal narrative point of viewa und athe intellectual perspectivesa (211).

10. im Iahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts (Frankfurt/Main 1930), neu abge druckt in V. Klotz (hsg), Zur Poetik des Romans (Wissenschaftliche Buchgesell- schaft, Darmstadt 1965), 217ff.

11. BErzahlzeit und e d h l t e Zeits, in Festschrift fiir KluckhohnLSchneider (Tubingen 1948), 203.

12. Wolfgang Kayser, Das Sprachliche Kunstwerk (Bem/Munchen 1960)t Er halt sich noch ganz an die gehaltliche Typologisierung und erkennt dementsprechend drei Romanarten, den BFiguren-, Raum- und Geschehensromana, 360 ff.

13. Neue Rundschau. 1957; wieder abgedruckt in V. Klotz, op. cit., 214. 14. Kate Hamburger, Die Lmgik der Dichtung (Klett, Stuttgart 1968)n spricht sich gegen

eine derartige Bbequemea Personifikation aus und behalt den Begriff Bfiktionales Enahlenct bei (115 f.). Wichtiger ist ihr Beitrag zur Klarung der grammatikalischen Funktion und psychologischen Realisation (im Leser) des xpischen PrZteritumsa.

15. F. K. Stanzel, Typische Formen des Romans (Vandenhoeck und Ruprecht, Gottin- gen 1964). Stanzel selbst verweist auf den von den Soziologen aufgestellten .Ideal- typusa und beruft sich auf Max Weber (8). Das altere, umfangreichere Werk Die typischen Erzahlsituationen im Roman, dargestellt an Tom Jones, Moby Dick, The Ambassadors, Ulysses U.U. (Wien 1955) sei hier nur erw5hnt. Seine Theorie ist am prbiesten im zuerst genannten Werk dargestellt. - Friihere Typologie-Versuche gingen noch vom Gehalt - statt wie hier von formalen Kriterien - aus; cf. Fr. Th. Vischer, Aesthetik oder Wissenschaft des Schonen, Bd. 4 (Stuttgart 1853, 8 881, 1310 ff.; das Gleiche gilt fiir W . Kayser, Das Sprachliche Kunstwerk und Edwin Muir, The Structure of the Novel (London 1960)8, 20ff.

16. Sein eigentlicher Begriff fur den Standpunkt, daneben spricht er auch vorn BOrien- tierungszentruma.

17. Das fur deutsche Studenten recht praktische Biichlein von Jochen Vwt, Aspekte erziihlender Prosa (Reihe Grundstudium Literaturwissenschaft, Diisseldorf 1972) schliesst sich vollig an Stanzel an, es bringt aber leider keine Hinweise auf aus- Endische Kritiker. Der umgekehrte Fall liegt bei E. Emmert, Bauformen des Er- zahlers (Metzlersche, Stuttgart 1955/67) vor, der die Stanzelschen Typischen Formen noch nicht kannte und sich auf Lubbock und Pouillon beruft und deren Begriffe mit Sprangers psychologischem Standort verbindet (70 ff.).

18. cf. BGustave Flauberta, 1893; The Art of the Novel. Critical Prefaces (New York, London 1950), Xvmf.

19. The Future of the Novel, 63. 20. Matthiessen, Murdock (ed.), The Notebooks of Henry lames (New York 1947). 21. P. Lubbock, The Craft of Fiction (1921), man lese das Vorwort zur neuen Ausgabe,

das er 30 Jahre spater schrieb (Jonathan Cape, London 1965). - Nicht weniger dog- matisch ist noch Mark Schorer, .Technique as Discoverya in Forms of Modern Fiction (ed. W . van o’Connor, Minneapolis 1948), 9.

22. W. C. Booth, op.cit., will die Romantechniken im Hmblick auf den Leser - athe author’s means of controlling his readera (Preface) - untersuchen, d. h. die Voraus- setzung fur einen Teil der Rezeptionsiisthetik, wobei er von vomherein klarstellt,

Rita Gnutzmann

dass andere Aspekte, z. B. der soziologische und psychologische, ausgelassen werden. Im selben Jahr versuchte er in einem Aufsatz die verschiedenen Typen des Erzahlers zu systematisieren: .Distance and Point-of-View: An Essay in Classificationu, Essays in Criticism, vol. 11, 1961, 60ff.

23. Es ist nicht notig, die offensichtlichen Emgriffe wie Kommentare. Stellungsnahmen, Anteilnahme, .summary< etc. zu nennen. Booth kommt zum Ergebnis, dass jede Erzahlform im Grunde den Autor impliziert (cf. 18, 76).

24. In der deutschen Terminologie wird nur allgemein der Begriff DErzahlera gebraucht; Thomas Manns BGeist der Erzahlunga haftet sicher ein gut Teil Ironie an, Der Erwahlte.

25. F. K. Stanzel, op. cit. (28) sieht diese Differenzierung als ungeniigend an, da sie sowohl fur den .Er-Romana als auch auf den ,Ich-Romana zutrifft, eine Unter- scheidung die hingegen Booth als unbedeutend ablehnt (op. cit., 150).

26. Norman Friedman, .Point of View in Fiction. The Development of a Critical Con- ceptcc, PMLA, vol. LXX (1955), 1160ff.

27. Anzufiihren waren hier nur noch die Biicher von Robert Scholes, Robert Kellogg, The Nature of Narrative (Oxford University Press, New York 1966) und Robert Scholes, Elements of Fiction (ebda. 1968), letzteres wegen seiner als Elementarbuch zugeschnittenen Knappheit. Der erste Titel bringt keinen neuen Gesichtspunkt fur unser Thema; als neuer Begriff wird shistorya eingefiihrt, der mit der .editorial omnisciencea iibereinstimmt, wie das angefuhrte Beispiel des Tom Jones beweist, allerdings mehr unter dem Gesichtspunkt des Historischen. Nennenswert ist das Buch von Joseph T. Shipley, Dictionary of World Literature (New York 1953) wegen seiner klaren Definition des point of view. Schliesslich sei noch der Aufsatz von Emst Leisi envahnt, .Der Erzahlstandpunkt in der neueren englischen Prosacc, GRM, Bd. VI, 1956, 40ff.

28. cf. Tzvetan Todorov, Littdrature et signification (Larousse, Paris 1967), 82; Jean- Paul Sartre, Qu'est-ce que la littkrature? (Gallimard, Paris 1948), 249, 270f. - E. Fasquelle, Les Romanciers naturalistes hebt deutlich die drei Grundziige des naturalistischen Romans hervor: die genaue Widergabe der Realitat, der Durschnitts- mensch als Romanfigur und das vollige Verschwinden des Autors hinter seinem Werk: BJamais il ne se montre au bout d'une phrasea. (Bibliothkque Charpentier, Paris 1910), 126ff.

29. Jean Pouillon, Temps et le roman (Gallimard, Paris 1946), Kapitel .Les modes de la comprkhensiona. - Nur sehr verstreute Aussagen zu einer Romanasthetik enthalt die Arbeit des Universalgelehrten P. D. Huet, Trait6 de Porigine des romans (Faksi- mile der Erstausgabe von 1670 bei Metzler, Stuttgart 1966).

30. Aus der Rezeptionsperspektive eines heutigen Lesers will Georges Jean, Le roman (Seuil, Pans 1971) Fragen zur Romanstruktur untersuchen und zitiert beim .point de vuea Pouillon, trennt aber den marrateura als Vermittler vom Autor. Auch er sieht als Konsequenz des modernen Romans das Verschwinden des Autors und der BIntrigea (140f.).

31. Der hier interessierende Aufsatz ~Les catigories du ricit littkrairea erschien schon in der Zeitschrift Communications, no. 8, 1966, 125-51.

32. cf. Roland Barthes, .Introduction ?+ l'analyse structurale des rkcitsa, ebda., 1-27. 33. R. Barthes, op.cit., Aes signes du narrateur, les signes du lecteura, entsprechend

dem Dimage du narrateur, image du lecteura bei Todorov. 34. Alain Robbe-Grillet, Duns Ze labyrinthe (Minuit, Paris 1969).

BIBLIOGRAPHISCHER ANHANG

1. Fur die russischen Formalisten waren vor allem folgende Titel m nennen: Die zweisprachige Ausgabe von Jurij Stnedter (hsg), Texte der russischen Forma- listen (Allgemeine Literaturtheorie und Prosa, Bd. I), (Fink Verlag, Miinchen 1969), die Aufsatze von Sklovskij, Ejchenbaum, Vinogradw, Tynjanov und Jakobson ent- hiilt . Teils iiberschneiden sich die Arbeiten mit der von Tzvetan Todorov iibersetzten und herausgegebenen Th6orie de la littkrature (Seuil, Paris 1965). Als Einzelautoren erschienen u. a. in deutschen Ausgaben Boris Eichenbaum, Auf-

Standpunkt - Point of view - Point de vue 263

satze zur Theorie und Geschichte der Literatur (Suhrkamp, Frankfurt 1965) und in diesem Jahr beim selben Verlag, Boris A. Uspenskij, Poetik der Komposition. Sein Buch kreist einzig und allein um die Frage des BStandpunktscc. Die einzelnen Kapitel beschaftigen sich mit dem Problem auf der Ebene der Ideologie, der Phrase- ologie, der Raum-Zeitcharakteristik und der Psychologie und deren Verhaltnis zu- einander. Neben der Literatur bezieht Uspenskij vor allem die Malerei mit ein.

2. Eine ausfuhrliche Studie zum >)Ich-Roman< publizierte Bertil Romberg mit Studies in the Narrative Technique of the First Person-Novel (auf englisch erschienen, Stockholm 1962).

3. Fur ein anderes Teilgebiet, die Erlebte Rede, sei nur ein Beispiel genannt, Giinter Steinberg, Erlebte Rede. lhre Eigenart und ihre Formen in neuerer deutscher, fran- ziisischer und englischer Erzahlliteratur (Verlag Kiimmerle, Goppingen 1971). - Von den unzahligen Arbeiten zum .Inneren Monologcc sind wohl die folgenden die wichtigsten: Robert Humphrey, Stream of Consciousness in the Modern Novel (University of California Press, Berkeley 1954); Melvin Friedman, Stream of Consciousness: A Study in Literary Method (Hale University Press, New Haven 1955); dazu die Arbeit von Shiv K. Kumar, Bergson and the Stream of Consciousness Novel (Blackie and Son, LondodGlasgow 1962).

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