st. petersburg 2009

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bilder unserer reise nach petersburg im november 2009

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Man sagt, die Russen seien ein ängstliches Volk: Zwar hätten sie keine Angst davor, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt -- was ganz sicher daran liegt, dass man den russischen Himmel vor lauter Grau ein halbes Jahr eigentlich nie zu Gesicht bekommt. Nein, die russische Urangst käme nicht aus der Unendlich-keit nach oben in Richtung Götter, sondern aus der unendlichen Größe und Breite des Landes. Sie haben einfach Angst von der Riesigkeit verschluckt zu werden.Ich persönlich glaube, dass St. Petersburg eine Antwort auf die vielen weitenpa-ranoiden Großstädte im Nirgendwo des östlichen Russland ist: "Piter" ist das Experiment, es sich im engen Europa gemütlich zu machen und trotzdem die russische Größe an der Brust zu tragen wie einen Kaufladen. Eine Symbiose aus europäischem Kleindenkertum und russischer Dramatik.

Auf kleine Touristen wie uns bezogen heißt das vor allem, dass man mit dem europäischen Schmuh, den man auch in Rom, Paris, München, London zu sehen bekommt, abgespeist werden kann, wenn man will. Europäische Architekten, die die riesigen Paläste konstruierten, europäische Künstler in der Eremitage, europäische Ideen, die Peter I. vertrat, europäischer Städtebau, europäische Geschäfte. Russische Tourismusbehörden und deutsche Reiseführer und das ganze Gerede von der durch Europäer geschaffenen architektonischen Schönheit Petersburgs soll uns kleine Europäer davor bewahren, von der äußerst viralen Weitenpara-noia angesteckt zu werden. Wenn die einen packt und schüttelt, dann hat man wohl die berühmte russische Seele entdeckt. Und die hat einiges zu bieten.

Vielleicht glimmen die Bilder und Eindrücke wenigstens ein bisschen vor "Slawophilie". Wenn nicht, empfehle ich, einfach selbst mal nach Piter zu reisen und sich gut umzuschauen. Und falls das Interesse besteht, auch Russisches zu sehen: Russisch lernen nicht vergessen!

Einleitung

Texte von Leonie, Bilder von Philipp

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Ein paar schlaftrunkene Gesichter am 13.11.2009 um 4 Uhr morgens. Nach einem kurzen Aufenthalt auf dem großen Frankfurter Flughafen ging es zu dem etwas kleineren nach Wien.Eine erfolgreiche erste Metrofahrt, die herzliche Begrüßung durch Natascha und ihr ganzes Viechzeug (Zhuzha, der Hund von der Straße und Tosya, eine freche, fette Katze), sowie ein erster "Spaziergang" (laut Philipp ist "Marsch" wohl zutreffender) in klir-render Kälte machten uns ziemlich hungrig. Schade, dass der kleine 24-Stunden Lebensmittelladen um die Ecke nur noch abgelaufene Sachen hatte. Aber an dem Abend schmeckte sogar improvisierte Nudelpampe.

Der Flug

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Um noch ein Klischee zu bemühen: Piter ist das "Venedig des Nordens". Den besten ersten Eindruck hat man also vom Wasser aus. Auch viele geschäftstüchti-ge Petersburger finden diesen Gedanken plausibel und es werden von fast allen Kanälen aus Bootrundfahrten angeboten. Wer jedoch denkt, eine solche Boots-rundfahrt in Piter auf der Neva sei genau das gleiche wie in Paris auf der Seine, liegt daneben: Wir starteten am Griboedov-Kanal, direkt vor der Erlöserkathedrale auf dem Blute. Nach eingehendem Studium eines laminierten Zettels auf dem die Preise (400 Rubel für Studenten), Art der Infos (russischer und englischer Audioguide) und Abfahrtszeiten (12.30 Uhr) festgehalten waren, warteten wir wegen eisiger Temperaturen im riesigen Buchladen "Dom Knigi" auf die Abfahrt. Als wir wohlig aufgewärmt an den Anleger zurückkehrten, war der Zettel verschwunden und auf wundersame Weise hatten sich in 15 Minuten (bis auf die Abfahrtszeit, zum Glück) alle Bedingungen geändert: Kein englischer Audioguide, 300 Rubel für Studenten. Also nahmen wir auf dem Deck Platz, lummelten uns in Decken ein, froren und lauschten der blechernen Stimme, die auf Russisch über Griboedov, Neu-Holland, dem kleinsten Denkmal von St. Petersburg und natürlich Alexander Puschkin erzählte. Die Simultanübersetzung klappte eher schlecht als recht, wir sind uns immer noch nicht sicher, welche Brücke nun die breiteste, welche die längste, welche die bunteste ist.

Auf den Kanälen Petersburgs

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Auch die Erkenntnis, auf welcher Brücke Alexander Puschkin immer die Moika überquerte, auf welcher er mit seinen Kindern spazierte, von welcher er ein Stöckchen in die Fontanka warf und an welcher er gerne Möwen fütterte, wird uns für immer vorenthalten bleiben. Immerhin sahen wir das Marinskiy-Theater von hinten, die Peter-Pauls-Festung von der Neva aus und vor allem ziemlich viele Baggerschiffe, die die Kanäle reinigten und ausbaggerten. Diese sollten uns noch zum Verhängnis werden. Der Schiffskapitän unseres adretten, flachen Bötchens hatte ohnehin eine interessante Technik, auf den engen Kanälen die Kanalmauer durch inelastische Stöße aktiv zum Manövrieren zu verwenden. Als uns auf den letzten Metern vor dem Anleger ein dreckiges Baggerschiff den Weg verstellte, lief er bei einem solchen Stoß auf Grund, machte sich den Motor kaputt und wir trieben ungesteuert den Griboedov-Kanal herunter, unter einer Brücke hindurch, mal links mal rechts anschlagend. Nach gefühlten 2 Stunden bei gefühlten -20 °C wurden wir endlich von einem zweiten, adretten Flachboot abgeholt. Durchgefroren tauten wir bei ein paar Pirogi im Caf'e "Schtolle" auf.

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Uns war nach der Bootsfahrt schon klar, dass es in Russland eine an Wahnsinn grenzende Verehrung des Dichters und Denkers Alexander Puschkin geben muss. Jedes Kindergartenkind weiß, dass seine Frau, Tatyana Nikolaevna, die schönste Russlands war, dass Puschkin sich mit einem Herrn namens Dantes um sie duellierte, dabei angeschossen wurde, noch zwei, drei Tage dahinsiechte und schließlich, am 29. Januar 1837 in seinem Haus an der Moika starb. Puschkin scheint einen großen Teil des vielbeschworenen und vielverlorenen russischen Nationalstolzes zu repräsentieren. Für die Petersburger ist nur die 900 tägige deutsche Belagerung vergleichbar identitätsstiftend.

Um auch die letzten Kratzer im Stolz Puschkins und Russlands zu beseitigen, überhäuft man die an jeder Ecke zu findenden Puschkinstatuen gerne mit Blumen, Kuscheltieren, kleinen Geschenken. Wie sonst Tokyo Hotel.

Puschkin

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Wir holen Fabi ab...

... und finden uns unter der schützenden Hand Lenins auf dem Moskovskaya Ploschad wieder.

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Das Kam

merorchester

der Staatlichen

Universität St. Petersburg

... heute unter Leitung des Konzertmeisters Konstantin Fyodo-revich mit einigen Bearbeitungen russischer Filmmusik.

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Die Uliza Rentgena 23, kvartira 6, 3. Stock links

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Wir unterstützen die Korruption in Russland

Es gibt kleinere Hürden, wenn man in die russische Föderation einreisen möchte. Nicht nur, dass niemand Englisch spricht, dass Hotels sündhaft teuer sind und man sich wohl kaum einen Mietwagen wird leihen können. Nein, es ist schon schwierig, überhaupt einreisen zu dürfen. Man braucht -- auch als Tourist -- ein Visum, das in unserem Fall ungefähr so viel gekostet hat wie die gesamte Unterkunft. Aber damit nicht genug. Die russischen Behörden wissen einfach gerne mit einer Genauigkeit von drei Tagen, wer sich wo aufhält. Das machen die natürlich nur, um uns vor Bösem zu bewahren. Deswegen muss man sich registrieren lassen. Wer jetzt denkt, man könne das so handhaben wie die meisten Marburger Studenten, liegt falsch: Die Polizei -- Milizia -- ist bei solchen Vergehen geradezu übermotiviert, man kommt Gerüchten zufolge nur gegen ziemlich viel Geld wieder frei.Die Prozedur des Registrierenlassens stellte sich als ziemlich kompliziert heraus: Zweimal in einer russischen Postfiliale mit fiesen Postbeamten aufkreuzen, unendlich Formulare ausfüllen usw. Unsere immer besorgte und gute gelaunte Wirtin Natascha verwies uns also an eine Freundin, eine Angestellte im Hotel Astoria (jenem Hotel, in dem Hitler gerne seinen Sieg feiern wollte aber man weiß ja, wie das endete). Es war fast wie bei James Bond: Ein Codewort, eine Zeit, ein Treffpunkt. Am roten, runden Sofa in der Lobby des Hotels sollten wir uns treffen, unauffällig Pässe austauschen, das Geld in einen Umschlag in einen der Pässe legen. Das klappte auch alles, kostete insgesamt bloß 2000 Rubel. Und wir waren wenigstens auf dem Papier einmal im Leben Gäste des Astoria.

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Moskau

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Wenn man schon mal in Petersburg ist, dann sind es ja bloß noch 700 km bis Moskau. Die konnten wir uns nicht entgehen lassen, lässt sich die Strecke doch sehr leicht mit dem Nachtzug in ca. 8 Stunden bewältigen. Wir fuhren also "plazkartny" (im Großraumabteil, das ist billiger) um 11 Uhr abends in einem langen, langen Zug nach Moskau. Auf den Klappbetten kann man wohl gut schlafen, wenn man dran gewöhnt ist. Die Gewöhnung blieb bei uns leider aus. Aber immerhin kriegte man rund um die Uhr Tee bei der Wag-gonaufpasserin.

In Moskau selbst wurde trotz nicht wegzudiskutierender Müdigkeit ein volles Programm durchgezogen: Die Metro, der Rote Platz, die Erlöserkirche, der Arbat, das Gulag-Museum, das Museum für Moderne Kunst, das historische Museum und Essen in "Mu-Mu" mit Nikolai, einem Informatiker aus dem Petersburger Kammerorchester, der jetzt in Moskau studiert.

Ich persönlich habe vor allem mitgenommen: Moskau ist so riesig, dass man statt der Weitenparanoia so eine Art Stadtausdehnungsparanoia bekommen kann. Und Moskau ist definitiv keine Stadt für Fußgänger.

Nach diesem Tag waren sogar die Klappbetten im Zug eine höchst willkommene Gelegenheit, sich in die Waagrechte zu begeben.

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The bar with no name

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This well-hidden bar currently has no permanent name and no contact details, yet already it has become popular stop

along the budget underground route. The music will suite break dancers as there’s a lot of trip-hop, funk and new

soul going on, while those with two left will be glad to see there are plenty of sofas. As is obligatory these days there’s

table football in the back room. To find it from Sadovaya ul. turn into Bankovsky per, then at the first left turn into

what looks like a scary back street. Take the first right and you should at some point see someone come out of the

door leading to the cellar.

>> http://www.inyourpocket.com

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A small, alternative and unique hang-out;!Stirka has!a good sound

system, old sofa's and small bar serving cold and hot drinks and snacks.

Water-smoking pipes available. You can wash your clothes in the back

room laundry machines and sup a beer!while you watch them spin...

Laundry services available (5kg clothes for 140Rbl).

>> http://www.inyourpocket.com

Cafe Stirka

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Ein verrückter Abend. Was bleibt:

1) auch nach längerem Nachdenken ist die Ironie eines aufgemalten Hacken-kreuzes nicht ersichtlich.2) auch in einer großen Stadt wie St. Petersburg trifft man manche Menschen mehr als einmal. EIn betrunkener Schotte-Ire, auch beim zweiten Treffen konnten wie uns neu vorstellen.3) eine Toilette, wie man sie in jeder alternativen Bar findet.4) relativ günstiger Wodka - Lemon. Und wenn man sowieso schonmal in Russland ist...5) eine Taxifahrt.

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Die Jacke

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Diese James-Dean-mäßige Lederjacke, die Fabi hier so lèger trägt, ist nicht seine, keine Angst. Sie gehört Viktor, dem Lebensgefährten unserer Wirtin Natascha.

Fabis eigentliche helle Multifunktionsjacke war am abend vorher im "Fidel" abhanden gekommen. Wir hatten den ganzen Club auf den Kopf gestellt: Nichts. Glücklicherweise befand sich in Fabis Jackentasche ein Zettel mit Nataschas Adresse. Ein Mädchen in Plateauschuhen hatte die Jacke versehentlich mitgenom-men (ihr Kommentar dazu: "Es war ein sehr merkwürdiger Abend"), hier telefo-niert Leonie gerade mit ihr und erfährt die frohe Nachricht, dass Fabi die Jacke noch vorm Abflug in Empfang wird nehmen können.

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Das obligatorische Abschiedsfoto in der Küche. Ich denke, Natascha hat schon ziemlich viele davon.

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Mit einem hochphilosophischen Spielzeug - der Matrioschka - schließt dieses Album. Ich finde, die Matrioschka will vor allem sagen: Egal wie weit man vordringt, es geht immer weiter, immer weiter (bei der Matrioschka ist nur aus technischen Grün-den irgendwann Schluss, das kann man natürlich auch als philosophische Aussage auffassen). Russ-land gibt einem vor allem eins: Gelassenheit ge-genüber den vielen kleinen Strampeleien und Wel-len des Lebens. Und Dramatik, wenn es um die großen Fragen geht.

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