sq 16 politik rhetorik philosophie - seminar protokolle

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1 Protokoll SQ16-Seminar: Politische Philosophie / Frank Kannetzky 08.11.2007 1. Klärung allgemeiner Fragen aus vorangegangenen Sitzungen: Tugend- und Glücksbegriff bei Platon (Thrasymachos/ Sokrates) und Aristoteles (Nikomachische Ethik) 1.1. Platon: Politeia -Thrasymachos/ Sokrates im Gespräch: „Was ist Gerechtigkeit?“ Thrasymachos: …das Gerechte sei nichts anderes als das dem Stärkeren zuträgliche(Pol. 338c). nach Thrasymachos gilt das Streben nach materiellem Besitz als höchstes Gut der Gesellschaft. Thrasymachos` Bürger hat keine moralische Verpflichtung. Er ist nur sich selbst Rechenschaft schuldig und kann nach seinem Gutdünken handeln. Dieses Fehlen jeglicher Moral und Niemandem etwas schuldig zu sein, macht ihn frei und stark. Sokrates hält entgegen, dass das Glück im Wesen der Gemeinschaft zu finden. Als höchstes Gut der Gesellschaft führt er die Gerechtigkeit an. - Thrasymachos/ Sokrates : Glück und Tugend Thrasymachos: Tugend trägt ihr Gut in sich selbst. Normen und Werte gelten nicht von Ewigkeit her, sondern sind veränderbar und von Konventionen abhängig. vs. Sokrates: Glück im Wesen der Gemeinschaft zu finden. „Denn die Tugend und der Tugendhafte scheint […] das Richtmaß für jeden Menschen zu sein. Der Mann der Tugend steht mit sich selbst in Übereinstimmung und begehrt seiner ganzen Seele nach ein und dasselbe, und darum wünscht er auch sich selbst Gutes und was so erscheint und setzt es ins Werk – denn dem Guten ist es eigen, das Gute zu verwirklichen -, und zwar um seiner selbst willen..“ Im Gegensatz zu Sokrates, dessen Idealbürger seelisches Glück anstrebt, ist der Glücksbegriff des Thrasymachos gleichzusetzen mit der Verwirklichung der materiellen Bedürfnisse. 1.2.Tugendbegriff bei Aristoteles ( Nikomachische Ethik) In der Nikomachischen Ethik legt Aristoteles die eudamonia, die Glückseligkeit, als höchstes Gut fest. Mit Hilfe der Vernunft und über tugendhaftes Handeln gelangt der Mensch, nach Aristoteles, zum Zustand der eudamonia. Aristoteles unterscheidet zwei Gattungen von Tugenden: Ethische (moralische) Tugenden: Affekte selbstbilden/ Umgang mit Affekten z.B.: Tapferkeit, Besonnenheit, Sanftmut, Feinfühligkeit Dianoetische Tugenden Verstandestugend (Tugend des Denkens): notwendig, um in konkreten Entscheidungssituationen im Hinblick auf das gute Leben handeln zu können. z.B.: Klugheit 2. Aristoteles: Politik 2.1. Warum gibt es einen Staat? (Staat = Zusammenschluss mehrerer Dörfer(=Z. mehrerer Familien)) Der Mensch ist ein eudamonia anstrebendes zoon politikon, daher ist die Existenz des Staates naturgegeben. Eudamonia nur im Staate (der Polis) möglich, da die Polis die Grundlage bietet die Ziele des menschlichen Streben nach: - Anerkennung und Ehre - Glück - Erwerbsmöglichkeiten, Besitzanhäufung, Konsum - Recht und Freiheit zu verwirklichen. 2.2.Warum Staat / nicht Dorf? Staat/ Polis -Nebeneinander von Gleichen und Freien -Herrschaft Freier über Freie Dörfern/ Familien -von Dorf-/Familienoberhaupt geführt (despotische Herrschaft)

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Dozent F. Kannetzky

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Protokoll SQ16-Seminar: Politische Philosophie / Frank Kannetzky 08.11.2007 1. Klärung allgemeiner Fragen aus vorangegangenen Sitzungen: Tugend- und Glücksbegriff bei Platon (Thrasymachos/ Sokrates) und Aristoteles (Nikomachische Ethik) 1.1. Platon: Politeia -Thrasymachos/ Sokrates im Gespräch: „Was ist Gerechtigkeit?“ Thrasymachos: …das Gerechte sei nichts anderes als das dem Stärkeren zuträgliche(Pol. 338c). nach Thrasymachos gilt das Streben nach materiellem Besitz als höchstes Gut der Gesellschaft. Thrasymachos` Bürger hat keine moralische Verpflichtung. Er ist nur sich selbst Rechenschaft schuldig und kann nach seinem Gutdünken handeln. Dieses Fehlen jeglicher Moral und Niemandem etwas schuldig zu sein, macht ihn frei und stark. Sokrates hält entgegen, dass das Glück im Wesen der Gemeinschaft zu finden. Als höchstes Gut der Gesellschaft führt er die Gerechtigkeit an. - Thrasymachos/ Sokrates : Glück und Tugend Thrasymachos: Tugend trägt ihr Gut in sich selbst. Normen und Werte gelten nicht von Ewigkeit her, sondern sind veränderbar und von Konventionen abhängig. vs. Sokrates: Glück im Wesen der Gemeinschaft zu finden. „Denn die Tugend und der Tugendhafte scheint […] das Richtmaß für jeden Menschen zu sein. Der Mann der Tugend steht mit sich selbst in Übereinstimmung und begehrt seiner ganzen Seele nach ein und dasselbe, und darum wünscht er auch sich selbst Gutes und was so erscheint und setzt es ins Werk – denn dem Guten ist es eigen, das Gute zu verwirklichen -, und zwar um seiner selbst willen..“ Im Gegensatz zu Sokrates, dessen Idealbürger seelisches Glück anstrebt, ist der Glücksbegriff des Thrasymachos gleichzusetzen mit der Verwirklichung der materiellen Bedürfnisse. 1.2.Tugendbegriff bei Aristoteles ( Nikomachische Ethik) In der Nikomachischen Ethik legt Aristoteles die eudamonia, die Glückseligkeit, als höchstes Gut fest. Mit Hilfe der Vernunft und über tugendhaftes Handeln gelangt der Mensch, nach Aristoteles, zum Zustand der eudamonia. Aristoteles unterscheidet zwei Gattungen von Tugenden: Ethische (moralische) Tugenden: Affekte selbstbilden/ Umgang mit Affekten z.B.: Tapferkeit, Besonnenheit, Sanftmut, Feinfühligkeit Dianoetische Tugenden Verstandestugend (Tugend des Denkens): notwendig, um in konkreten Entscheidungssituationen im Hinblick auf das gute Leben handeln zu können. z.B.: Klugheit 2. Aristoteles: Politik 2.1. Warum gibt es einen Staat? (Staat = Zusammenschluss mehrerer Dörfer(=Z. mehrerer Familien)) Der Mensch ist ein eudamonia anstrebendes zoon politikon, daher ist die Existenz des Staates naturgegeben. Eudamonia nur im Staate (der Polis) möglich, da die Polis die Grundlage bietet die Ziele des menschlichen Streben nach: - Anerkennung und Ehre - Glück - Erwerbsmöglichkeiten, Besitzanhäufung, Konsum - Recht und Freiheit zu verwirklichen. 2.2.Warum Staat / nicht Dorf? Staat/ Polis -Nebeneinander von Gleichen und Freien -Herrschaft Freier über Freie Dörfern/ Familien -von Dorf-/Familienoberhaupt geführt (despotische Herrschaft)

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-Familienmitglieder gleichzusetzen mit beseelten Werkzeugen 2.3.Legitimation d. Sklaverei „Wie legitimiert Aristoteles die Sklaverei?“ Herren- / Sklavenkultur: Manche Menschen vermögen nur körperlich tätig zu sein; besitzen also gewissermaßen keine Seele von Natur zu Sklaven bestimmt Naturalisierte Funktionstrennung: „Arbeitsteilung: geistig über körperlich“ 2.4. Die Utopie in der Idee d. Polis Die Grundidee: Eine Grundlage für alle zu schaffen, auf der die Individuen innerhalb einer Gemeinschaft glücklich werden können … 3.Hobbes: Leviathan (Kapitel: 10, 11, 13, 14, 15) 3.1.Historischer Hintergrund Thomas Hobbes: -Geboren 1588 in England/ gestorben 1679 -Mathematiker, Philosoph, Staatstheoretiker -England des 17. Jh. geplagt von Bürgerkriegen Hobbes ging ins Exil 3.2. Das Wesen des Menschen - alle von Natur relativ gleichbeschaffen, sodass keiner einen ultimativen Vorteil vor anderen hat - jeder versucht angenehmes Leben für sich selbst zu finden und zu sichern - gegenseitiges Urmisstrauen - ewiges Streben nach Macht -Konfliktursachen: Konkurrenz (Gewinn), Misstrauen (Sicherheit), Ruhmsucht (Ansehen) -friedensfördernde Eigenschaften: Todesfurcht (Unterwerfung, um dem Tod zu umgehen), Hoffnung ein Ziel zu erreichen, Verlangen nach einem angenehmen Leben Hobbes geht von einem Naturzustand aus, in dem die Menschen ohne Gesetz und ohne Staat leben und wo daher – auf Grund des Naturrechts (ius naturalis) – jeder alles beanspruchen kann. Im Naturzustand herrscht Anomie; die Menschen führen einen „Krieg aller gegen alle“ (bellum omnium contra omnes), in dem „der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“ (homo homini lupus) gilt. 3.3. Der Staat - Nach Hobbes ist der Staat als restriktive Gewalt nötig, um Frieden zu sichern. - In einem Gesellschaftsvertrag wird die Macht aller auf einen übertragen -Gesetze und Verträge stützen diese Ordnung 3.4. Gesetze - natürliches Recht: Freiheit zur eigenen Lebenserhaltung und –sicherung Macht einzusetzen -natürliches Gesetz: von Vernunft vermittelte Vorschrift, die das Recht zum Zweck der Friedensicherung einschränkt -die Gesetze: Bemühung um Frieden, Aufgabe der Rechte zu Gunsten des Friedens, Einhaltung abgeschlossener Verträge, Dankbarkeit, Entgegenkommen, Verzeihung, Bemessung der Rache, Vermeidung provokativer Gesten, Anerkennung der Gleichheit der Menschen, unteilbare Dinge gemeinsam genießen, sicheres Geleit für Friedensmittler -die Gesetze sind ewig, unveränderlich und wer sie befolgt ist gerecht 3.5. Verträge - gegenseitige Rechtsübertragung, deren Einhaltung auf Furcht vor Folge des Wortbruchs beruht - wer Verträge einhält ist gerecht (gerecht sein als Ideal) - dienen immer der Erlangung eines Guts - dürfen nicht gegen natürliche Gesetze verstoßen - Befreiung von der Vertragsbindung nur durch Erlass oder Erfüllung möglich 3.6. Fazit/ Diskussion - alle Gesetze sind unveränderlich/ Einhalten der Gesetze macht gerecht - Verträge werden, aus Angst vor Strafe, eingehalten

daher ist eine Autorität notwendig, die Strafverfolgung gewährleistet -Hauptaufgabe des Staates ist die Friedensicherung durch Ausübung, der ihm übertragenen Macht

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3.7. Aristoteles vs. Hobbes Der Mensch ist bei Hobbes kein zoon politikon, wie bei Aristoteles, sondern ein durch Verlangen, Furcht und Vernunft gekennzeichnetes Wesen, das in einer naturgegebenen Anomie, nach seinem Vorteil eifert. Wo bei Aristoteles der tugendhafte Mensch, bei Ausschöpfung seiner Verstandesfähigkeiten zum gerechten Menschen wird, benötigt er bei Hobbes eine restriktive Macht, die ihn unter Androhung von Strafen dazu zwingt sich an ein „gerechtes“ Regelwerk zu halten.

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Universität Leipzig Fachbereich: PolRethPhil – Seminar Dozent: F. Kannetzky Referat: Thomas Hobbes Protokoll vom: 22.11.2007

1) Vortrag: „Thomas Hobbes“ Naturzustand - ewiger Krieg - mit Todesängsten aller Individuen - Teufelskreislauf (zw. Angst und Gewalt) - „ Der Mensch ist des Menschen Wolf“ - Naturzustand ist somit Bedingung für den Staat Naturgesetze = Vernuftsgesetze - Ziel/Aufgabe dieser Gesetze ist Beendigung des Natur-/ Kriegszustands - Gesellschaftsvertrag wird geschlossen (Mehrheitlich 50 + x) - Gesellschaft wird vom Mehrheitlich „gewählten“ Souverän/ Leviathan („Sterblicher Gott“) regiert - Souverän muss nicht ausschließlich eine einzelne Person sein kann auch durch ein Parlament (Bed.: muss eine einheitliche Meinung/ Position vertreten) repräsentiert werden - die Handlungen dieses Leviathans werden von allen Mitgliedern der Gesellschaft so autorisieren als wie das Individuum seine eigene Handlung autorisiert - andernfalls entspräche es einer Selbstanklage. - daher ist der Leviathan „immer gerecht“ da niemand gegen sich selber handeln würde. Existenzberechtigung des Leviathans - nur eine Person (Leviathan) ist im Notfall in der Lage die Situation zu bereinigen, da alle Macht und Ressourcen auf ihn vereint sind - Zweck: Überwindung des Naturzustands und Gewähr von Sicherheit und Frieden mehren der Wohlfahrt, Kultur und Wissenschaft Beziehung Leviathan zur Gesellschaft - Leviathan ist auf sie angewiesen - Gesellschaft muss am gemeinsamen Ziel (Überwindung des Naturzustands – „Frieden“) „mitarbeiten“ – sich für dieses Eingestehen und zurücknehmen (Abbau von Ängsten und aufbauen von Vertrauen) - Verhältnis entspricht dem eines Herrn zum Knecht, der Knecht muss Vertrauen und Furcht senken um die Funktion des Leviathans zu stärken 2 Modelle zur Einführung eines Leviathans a) Staat durch Aneignung b) Staat durch Einsetzung 3 bevorzugte/ geeignete Herrschaftssysteme des Leviathans a) Monarchie (von Hobbes als am idealsten Befunden) b) Demokratie c) Aristokratie - keine Gewaltenteilung erlaubt das die mit Machtverlust einherginge Beispiel: nach Einführung der Gewaltenteilung kommt es zum Ausbruch des Bürgerkriegs in England.

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Universität Leipzig Fachbereich: PolRethPhil – Seminar Dozent: F. Kannetzky Referat: Thomas Hobbes Protokoll vom: 22.11.2007

Rechte des Leviathans - regiert autonom - fixiert Staatsdoktrin und „-religion“ - „er weiß den Weg zum Ziel“ – entspricht den Planer, der unsichtbaren Hand - Leviathan steht über den Gesellschaftsvertrag – muss seine Handlungen nicht rechtfertigen – „nur Gott steht über ihm“ Pflichten des Leviathans - Vorsorgefunktion (Altersfürsorge der Gesellschaft) - sorgt für Sicherheit – Wohlfahrt kann nicht eingefordert werden - Steuererhebung - ernennen „seiner“ Minister, Richter und Beamten - Verhängen von Strafen und Sanktionen – wenn möglichst als Exempel – dabei ist (soll) sein Handeln ohne Jähzorn Ende des Leviathans a) Übernahme durch einen anderen Leviathan (interner oder externer) b) bei Tod ohne Nachfolge (der Naturzustand tritt erneut ein und nach Zustandekommen

eines neuen Gesellschaftsvertrages platzieren eines neuen Leviathan) Bürgerliche Gesetze - treten an die Stelle der Natürlichen Gesetze (finden aber weiterhin Anwendung sofern das Bürgerliche Gesetz Lücken aufweist) - zum Schutz der Mitglieder der Gesellschaft - Anzahl der fixierten Gesetze soll gering und überschaubar sein - Formulierungen des Gesetze soll für Jeden leicht Verständlich sein - Grundlage sind 10 Gebote des a.T. - Ein Verstoß gegen Gesetze kommt einer Sünde gleich und muss bestraft werden - Klagen den Leviathan sind nur im Falle von „Schulden“ zulässig – aber aussichtslos da die Richter vom Leviathan ernannt. - Gleichheit aller vor dem Gesetz - Staatsziel: Vollbeschäftigung auch unter Arbeitszwang - Pflicht der Bürger sich an einem Tag in der Woche mit den Staatszielen auseinanderzusetzen (nur aneignen - keine Analyse dieser) ebenso „Staatsgehorsam“ – immer gehorchen aber nicht immer glauben! - Im Kriegsfall kann der Leviathan über alle Ressourcen (diese müssen immer Einsatzfähig sein) der Gesellschaft verfügen Naturgesetze - bei Protest des Individuums gegen Leviathan, wird dieser von der Gesellschaft „ausgestoßen“ - lebt nun im Naturzustand wo er keinerlei Schutzfunktion der Gesellschaft erfährt

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Universität Leipzig Fachbereich: PolRethPhil – Seminar Dozent: F. Kannetzky Referat: Thomas Hobbes Protokoll vom: 22.11.2007

2) Diskussion zum Vortrag: „Thomas Hobbes“ Warum wird Hobbes von Monarchisten nicht anerkannt? - da der Leviathan seine Legitimierung durch das Volk erfährt und nicht durch „Gottes gnaden“ Unterscheidung der Gesetze a) Natur Recht (Durchsetzen der eigenen Ziele durch eigene Stärke – eigene Stärke ist limitierender Faktor des Rechts – „der Stärkere gewinnt“) b) Natur-/ Vernuftsgesetze (Gesetze die auf den Moralvorstellungen der Gesellschaft basieren – zur Vermeidung von Konflikten) c) Bürgerliche Gesetze (Natur-/ Vernuftsgesetze in Schriftform – mit Sanktions-

androhung – soll in dieser Form die Natur-/Vernuftsgesetze fördern)

Def. des Kriegszustands - …Wille oder bloße Bereitschaft seine Ziele mit Gewalt durchzusetzen - die Einhaltung der nat. Gesetze im Naturzustand ist kein muss – daher ergibt sich immer die Gefahr des Krieges, was wiederum den Leviathan legitimiert. „Kosten“ des Leviathans Übersteigen die Kosten den Nutzen des Leviathans? Kosten (zurückstecken der eigenen Ziele/ Aufgabe des Besitz und aller Rechte im

Kriegsfall/ Überwachungskosten erhöhen sich da Einhaltung der Bürgerlichen Gesetze permanent erfolgen muss um die „Sicherheit“ zu erhalten)

Nutzen (Sicherheit/ Frieden/ Entwicklung von Wohlstand, Kultur und Wissenschaft) Thrasymachos (T.) Strategie vs. Hobbes - Furcht vor Strafe hindert den T. nicht vor dem übertreten von Gesetzen - „Recht scheinen – unrecht sein“ - unter Risikoabwägung wird der Nutzen in den Vordergrund gestellt - unter diesen Bedingungen steigen die Kosten des Leviathans verstärkt um Verstöße des T. aufzudecken und zu ahnden (schaffen eines Polizei-/ Überwachungsstaats) - der Nutzen des Leviathans sinkt und dessen Willkür steigt - John Lock löst dieses Problem damit das bei ihm der Staat sich nur um die innere und äußere Sicherheit kümmern soll – den „Rest“ sollen die Naturgesetze regeln

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Universität Leipzig Fachbereich: PolRethPhil – Seminar Dozent: F. Kannetzky Referat: Thomas Hobbes Protokoll vom: 22.11.2007

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Handel & Willkür des Leviathans - das Handeln des Leviathans soll nie von Willkür bestimmt sein – sollte es doch vorkommen und der Leviathan ist Einsichtig ist dessen Handeln entschuldbar. - bei permanenter Wk ohne Einsicht kann das Handeln nicht entschuldigt werden - Kategorien wie Recht und Gerechtigkeit finden in diesem Zusammenhang keine Anwendung - der Leviathan muss um seine Machtposition (langfristig) zu halten immer im Sinne der Gesellschaftsmehrheit handeln – um nicht Gefahr zu laufen durch einen Putsch entmachtet zu werden

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SQ16, Seminar: Einführung in die politische Philosophie Protokoll für die Sitzung vom 29.11.2007

I. Hobbes

Nachtrag zu Hobbes - der Leviathan ist insofern auf die Gesellschaft angewiesen, daß kein Staat ohne Volk existieren kann

- das Volk ist insofern auf den Leviathan angewiesen, daß es ansonsten im Naturzustand verbleiben würde

- laut Hobbes ist die Monarchie die geeignetste Regierungsform, weil die sich Gesamtherrschaft dort am besten in einer Person vereinen läßt und die Nachfolge automatisch geregelt ist (Erbmonarchie)

- da in Hinblick auf das Thrasymachosproblem in Hobbes Modell die Furcht vor der Strafe das einzige staatliche Mittel ist dem entgegen zu wirken, kommt es zwangsläufig zur Entwicklung überwachungsstaatlicher Tendenzen

- die Wolfnatur ist nicht absolut und allgegenwärtig, trotzdem reicht das negative Verhalten einiger Individuen aus, um Mißtrauen unter allen Menschen zu erzeugen

- der Gesellschaftsvertrag an sich regelt nur den inneren und äußeren Frieden, alle weiteren Bestimmungen müssen durch Gesetze spezifiziert werden

- die staatliche Herrschaft des Leviathan beruht auf Anerkennung durch das Volk, wenn dem Volk der Preis zu hoch wird (Beschneidung persönlicher Freiheiten, Steuerlasten, etc.), zerfällt der Vertrag und die Menschen versuchen wieder im Naturzustand zu leben; der Staat an sich könnte auch danach noch als System weiterbestehen, wäre aber illegitim und ohne Basis

II. Rousseau (1712-94 in der Schweiz und Frankreich)

1. Naturzustand - der Mensch ist von Natur aus frei - er kann diese Freiheit im Staat aber nicht entfalten - er wird auch erst durch die Kultur zu einem zivilisierten Individuum - diese Kultur schafft aber auch das Privateigentum, das Ungleichheit verursacht (s. u.)

2. Gesellschaftsvertragstheorie - Gegenstandsbestimmung

- Grundproblem: die Findung einer (neuen) Gesellschaftsform (im bestehenden Staat), die Person und Vermögen jedes Gesellschaftsmitgliedes vereinigt und schützt und in der trotz dieser Vereinigung jeder frei bleibt (da der Mensch im (aktuellen) Staat seine Freiheit nicht entfalten kann und zum Naturzustand zurückzukehren auch keine Alternative ist)

- Lösung: ein Gesellschaftsvertrag, durch den jeder seine Person und seine Kraft unter die Leitung des ‚allgemeinen Willens’ stellt und jedes Mitglied untrennbar ein Teil des Ganzen ist

- Erläuterungen zu den zentralen Inhalten - allgemeiner Wille

- entsteht daraus, daß alle Bürger einen ‚geistigen Gesamtkörper’ bilden - jeder ist zugleich Bürger (Glied des Souveräns gegenüber dem Einzelnen) und Untertan (Glied des Staates gegenüber dem Souverän) � jeder hat Rechte als Staatsbürger und Pflichten als Untertan

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- wer eigennützig nur die Rechte beansprucht und die Pflichten vernachlässigt, gefährdet des Staat � er kann zur Pflichterfüllung gezwungen werden

- der Widerspruch zwischen den Interessen der Menschen als (Privat-)Bürger und ihren Interessen als Untertan (Staatsbürger) wird durch den Kompromiß aufgelöst, daß die Partikularinteressen (der Menschen als Privatbürger) durch Zugeständnisse an die staatliche Realität den Universalinteressen (der Menschen als Staatsbürger) angenährt werden

- Gesellschaftsvertrag - nötig, da die Menschen ab einem bestimmten Punkt ihre Kräfte nicht mehr an sich, sondern nur durch Zusammenschluß vermehren können

- beruht auf der Entäußerung jedes Mitglieds mit all seinen Rechten an das Gemeinwesen als Ganzes

- diese Gesamtkörperschaft bezeichnet Rousseau als Staat, wenn sie passiv ist, und als Souverän, wenn sie aktiv agiert

- Souveränität - sie ist die Ausübung des Gemeinwillens und hat in dessen Sinne Macht über alle

- ein Einzelwille (z. B. eines Alleinherrschers) würde zu Sonderwünschen neigen, was mit dem Gemeinwillen (der nach Gleichheit aller strebt) unvereinbar ist

- der faktische Machthaber (Regierende) darf deshalb nur ein Beamter des Volkes sein, der durch dieses ein- und abgesetzt wird

- sie ist rechtmäßig, weil ihr der Vertrag zugrunde liegt; (ge)billig(t), weil sie allen gemeinsam ist; nützlich, weil sie allgemeine Wohl zum Ziel hat; dauerhaft, weil sie die öffentliche Gewalt und höchste Macht als Grundlage hat (vgl. Buch 2, Kap. 4)

- Gesetzlichkeit - nur ein Beschluß aller hat Gesetzeskraft; Teilbeschlüsse können nur Verwaltungsakt sein

- ein Gesetz muß für alle gültig sein - das Staatsoberhaupt steht nicht über den Gesetzen - Gesetze können grundsätzlich nicht ungerecht sein, da sie aus dem Gemeinwillen hervorgehen und dieser nie ungerecht gegen sich selber wäre

- der Gesetzverfasser darf nicht zugleich der Herrscher sein (Gewalten-teilung)

- sie muß die materielle Gleichheit (s. u.) aufrecht erhalten - Einteilung der Gesetze:

- Grund- bzw. Staatsgesetze (Verhältnis des Souveräns zum Einzelbürger)

- bürgerliche Gesetze (Verhältnis der Bürger untereinander) - Strafgesetze (beziehen sich auf die anderen, ahnden Verstöße gegen sie)

- allgemeingültige Sittengesetze - Eigentum und Besitz

- der Souverän ist theoretisch der Verwalter allen Besitzes - jeder hat Anspruch auf Besitz, den er unbedingt (zum Überleben) benötigt - kein Bürger soll an Reichtum „derart vermögend [sein], sich einen anderen kaufen zu können“ und „keiner so arm, daß er gezwungen wäre sich zu verkaufen“ (Buch 2, Kap. 11)

- die Gesellschaft funktioniert nur dann, wenn alle etwas besitzen und niemand zu viel � es besteht nicht nur die Notwendigkeit formaler/ rechtlicher Gleichheit, sondern auch die weitestgehend materieller Gleichheit

- Realisierung - es gibt prinzipiell keine ideale Verfassung (wichtig ist v. a., daß der allgemeine Wille regiert)

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- er empfiehlt die Demokratie für kleine und arme, die Aristokratie für mittlere und die Monarchie für große und reiche Staaten

- Despotismus ist grundsätzlich schlecht, da er „eine Masse unterwirft“ und „die Gesellschaft nicht regiert“ (es gibt kein Gemeinwohl und keinen Staatskörper)

- das Verhältnis von Bevölkerungszahl und Gebietsgröße sollte ausgewogen sein (Buch 2, Kap. 10)

- Probleme und offene Fragen - wie der Gemeinwille repräsentativ und ohne Benachteiligung ermittelt werden kann, da das Problem einer potenzielle Unterdrückung von Minderheiten durch einen konformierenden Gemeinwillen besteht

- wie die Gesetzgebung (die ein Akt aller sein soll) bei Staaten mit großer Bevölkerung umgesetzt werden kann

- völlige Gleichheit ist nicht möglich, weshalb es auch immer Gesetze geben werden muß, die gegen die eine oder andere Bevölkerungsgruppe nicht absolut gerecht sind

- materielle Gleichheit ist praktisch nicht einmal ‚weitestgehend’ möglich 3. grundlegender Vergleich zu Hobbes - Gemeinsamkeiten

- Form eines Vertrags von jedem mit jedem - Unterschiede

- Basis der Vertrages ist nicht der Mensch im Naturzustand, sondern der im Staat lebende, nach einer neuen Gesellschaftsform suchende Mensch

- Ursprung des Vertrages nicht aus gegenseitiger Angst voreinander, sondern aus einem Willen zum guten Zusammenleben

- es gibt keine Unterwerfung unter einen personellen Herrscher - das Staatsoberhaupt darf (auch in der Monarchie) kein Alleinherrscher sein - das Staatsoberhaupt steht nicht über den Gesetzen - bei Hobbes sind die Gesetze grundsätzlich richtig, weil sie vom Staat erlassen wurden; bei Rousseau können sie nicht ungerecht sein, weil sie vom Gemeinwillen erlasse wurden und dieser nie ungerecht gegen sich selber wäre

- es gibt eine Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive - Rousseau will die Menschen materiell relativ gleich machen, da der Krieg aller gegen alle wird auch im Staat aufgrund der durch Privateigentum geschaffenen Ungleichheit fortgesetzt; diese Ungleichheit wird bei Hobbes durch den Staat fixiert und geschützt

4. grundlegender Vergleich zu Aristoteles (vlg. Buch 1, 2.-4. Kap.) - Gemeinsamkeiten

- ursprünglichste Gemeinschaftsform ist die Familie - bei Rousseau besteht sie solange wie es nötig ist (Versorgung der Kinder durch die Eltern) und kann danach (Selbstständigkeit der Kinder) noch durch Übereinkunft fortgeführt werden

- Unterschiede - Rousseau kritisiert Aristoteles’ Auffassung von der Natürlichkeit der Sklaverei - sie wurde durch Gewalt geschaffen und durch solche bewahrt, beruht demnach nur auf dem Recht des Stärkeren

- Versklavung der Bevölkerung (auch der Soldaten) durch einen Krieg ist unrechtmäßig, da der Krieg eine Auseinandersetzung zwischen Staaten ist und die (Grund-)Rechte der Menschen als Bürger nicht angetastet werden dürfen

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SQ-Modul: Politik – Rhetorik - Philosophie Protokoll des Seminars vom 06. 12. 2007 Seminarleiter: Dr. Frank Kannetzky Protokollantin: Johanna Noske Nachtrag zu Rousseau:

- Unterschiede zu Hobbes: Gewaltenteilung, Einschränkung des Souveräns - Forderung eines Gemeinwillens (→ Ideal?)

Frage: Wieso berufen sich Kant, Hegel, Marx und andere auf Rousseau? Rousseaus Begriff der Sklaverei:

- Ein Sklave geht nicht seinen eigenen Zwecken nach - Er hat nur Pflichten, keine Rechte im übertragenen/metaphorischen Sinne bedeutet das: - Entfremdung des Menschen (von seiner Arbeit, auch untereinander, von sich selbst

z.B. durch die Beschreibung des Menschen durch seinen Marktwert) → anonyme Zwänge innerhalb der Gesellschaft hindern den Menschen, seine persönlichen Zwecke zu verfolgen

Nach Rousseau ist eine freie, friedfertige Gesellschaft möglich. Es gibt jedoch kein Zurück zum Naturzustand. Deswegen soll der Gesellschaftszustand geändert werden, sodass jeder innerhalb der Gesellschaft seinen Zielen folgen kann. Das Prinzip der „freien Kooperation“:

- Vergleich: zwei Musiker wollen ein Duett spielen. Dies funktioniert nur, wenn es beide wollen

→ Verpflichtung zu gewissen Dingen, Arbeitsteilung Problem innerhalb einer Gesellschaft der freien Kooperation: gegenläufige Interessen Optionen wären: Überzeugen - Überreden – Zwang

Zwang kommt im Modell eigentlich nicht vor, da er dem Prinzip der freien Kooperation widerspräche

Rousseaus Verhältnis zu Eigentum:

- Eigentum als Grundrecht; Mensch benötigt es, um seine persönlichen Zwecke zu verfolgen

- Jedoch: Besitzverhältnisse als Grundlage der meisten Interessenskonflikte (Ungleichheit durch Armut und Reichtum)

→ Änderung/Angleichung von Eigentumsverhältnissen legitim Dieses Hinterfragen von Denkkategorien (z.B. Naturgegebenheit der Besitzverhältnisse?) kann als Ansatzpunkt einiger folgender Philosophen gesehen werden.

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Übergangsproblem zur neuen Gesellschaftsform: Problem: teilweise kein Wille zum Übergang Voraussetzung für eine Änderung wäre: Bildung → Reflexion (vgl. Rousseaus pädagogischen Ansätze) Die gewünschte Erkenntnis wäre: Der freie Wille des Menschen ist nicht zu verwechseln mit allgemeinem Hedonismus; es muss dazugehören, gewisse Dinge im Interesse der Gemeinschaft zu tun.

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SQ 16 – Politik, Rhetorik, Philosophie Seminar: Politische Philosophie Protokoll zum 10.01.2008 I – Zusammenfassung zu Kant / Grundbegriffe Kants zu Staat und Recht - Wozu braucht man den Staat: Sicherung von Freiheit (oberste Priorität) aus Sicherung der Freiheit folgt Sicherung von Eigentum, welches wiederum die Freiheit sichert - Was ist Recht: System von Regeln durch welche die Freiheit des Einen mit der Freiheit der Anderen vereinbar ist - Rechtsbegriff ist rein normativ und ein Ergebnis der praktischen Vernunft, d.h. er lässt sich nicht durch Traditionen o. Ä. rechtfertigen (z.B. durch Stände) - das Recht wird durch den kategorischen Imperativ bestimmt („Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“) - Recht muss aber auch moralisch gerechtfertigt werden können - aus dem Recht ergeben sich zwei Arten von Pflichten:

- vollkommene Pflichten: können durch Sanktionen erzwungen werden - unvollkommene Pflichten: verpflichten moralisch, können aber nicht erzwungen werden

- im Staat Verbot des Widerstandsrechtes, da dies eine Auflehnung gegen die Mitbürger und die Verfassung, die man sich gemeinsam gegeben hat, ist (Ausnahme: Diktatur) II – Vergleich Kant und Rousseau Rousseau Kant Freiheit persönliche Freiheit wird

zugunsten der staatsbürgerlichen Freiheit geopfert

Staat dient der Sicherung der Freiheit

Eigentum Gemeineigentum gefördert persönliches Eigentum gefördert Souverän das Volk selbst vom Volk eingesetzt Menschenbild Citoyen (Staatsbürger, verfolgt

zuerst das Allgemeininteresse) Bourgeois (Individuum, verfolgt zuerst seine Einzelinteressen)

Warum geht Kant offensichtlich einen Schritt zurück? (altes Herrschaftsmodell) - Mensch ist Vernunft- und Sinnwesen braucht Zwang, denn er ist zwar vernunftsfähig und könnte immer vernünftig handeln, tut es aber nicht immer Gesetz nötig Recht setzt vernünftige Grenzen, innerhalb derer man frei agieren kann „realistischeres“ Menschenbild

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III – Marx – „Zur Judenfrage“ 1. Bruno Bauer: - Jungehegelianer und „Radikaldemokrat“ - zentrale Frage des Werkes „Die Judenfrage“: Sollten Juden die gleichen Rechte haben? -Argumentation: - christlicher Staat kann nur durch Gettoisierung aufrechterhalten werden politische Emanzipation im christlichen Staat ist nicht möglich nur bei Emanzipation der Christen, also auch Emanzipation des Staates möglich (Aufklärerdenken: zur Erlangung der Freiheit muss man Einschränkungen durch Gedanken ablegen) Christentum ist bereits universalistische Religion muss „nur noch“ religiöse Hülle abstreifen 2. Zustimmung durch Marx: - Religion ist Ausdruck eines Mangels: - Mangel an Wissen (Erklärungen für Unerklärliches) - materieller Mangel (Kompensation für das irdische Leben im nächsten Leben) - moralischer Mangel - Mangel, eigenen Zielen nachzugehen - Aufklärerdenken: Religion ist - Unterdrückungs- und Herrschaftsinstrument - Pfeiler der sozialen Stabilität - Macht, gekoppelt an den Staat (Gottesgnadentum übernatürliche Autorität, die unserer Vernunft enthoben ist) 3. Einwände durch Marx: - Probleme bei „Aufhebung“ der Religion („Sinnkiller“):

- Missverhältnis zwischen Tugend und Glück nicht erklärbar (z.B. bei Schicksalsschlägen) - in Frage Stellen des Menschen und seines Sinnes im Leben - Theodize-Frage: Wie ist die Existenz eines allmächtigen und allgütigen Gottes mit der Existenz des Übels in der Welt vereinbar? - Einschränkung von Wünschen und Freiheiten ohne ersichtliche Gründe

- religiöse Emanzipation ist nicht gleich menschliche Emanzipation Missverhältnis zwischen innerer und äußerer Emanzipation (Moral noch immer an Religion gebunden, siehe z.B. in den USA)

Religion ist Ausdruck und Versuch der Kompensation eines Mangels im Leben - Staat ist eine Sphäre in der alle Menschen frei und gleich sind, aber: Selbst wenn man die Religion im Staat zurücknimmt und sie zur Privatsache erklärt, ist der Mensch noch nicht vollkommen frei

Staat ist ebenfalls Ausdruck eines Mangels vermittelt das gesamte Gattungsleben des Menschen (alle Sozialität) über Macht- und

Geldverhältnisse zeigt eine Asymmetrie auf, in der wir nicht frei sind der Mensch lebt nicht als Mensch,

weil er hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt Kompensierung z.B. durch Religion

Page 15: SQ 16 Politik Rhetorik Philosophie - Seminar Protokolle

eigentliche Quelle des Mangels: Sozial- und Wirtschaftssphäre 4. Grundgedanken zur Wirtschaftsphäre als Ursache der Mangelerscheinungen - formales Gleichheitsprinzip auf dem Markt (im Schnitt Äquivalente ausgetauscht, denn wenn Wohlstand durch Ware über Wert erzeugt wird, wer trägt dann am Ende die Verluste?) - Arbeitskraft ist die einzige Ware mit Mehrwert:

- z.B. 100.000 Schrauben in 8 Stunden Wert ist größer als Verbrauch durch Produktion Aneignung durch Überwacher der Produktion systemimmanente Stabilisatoren, denn wenn nicht über Wert produziert wird, wird die ökonomische Existenz im Wettbewerb riskiert - statt vielen Niedrigbezahlten viele Hochbezahlte Arbeitslosigkeit steigt

System aus Zwängen, aus dem keiner entkommen kann jeder Mensch ist gleichzeitig Instrument Staat muss System zusammenfassen und regeln 5. Rolle und Bedeutung des Staates im System der Zwänge - religiöser und staatlicher Sphäre liegt ökonomische Sphäre zugrunde wird diese Sphäre verändert, verschwinden religiöse und staatliche Probleme von alleine

Müssen sich politische Überlegungen zuerst auf die politische Sphäre richten? Wofür braucht man Gesetze und Staat? Wann braucht man sie?

- wo Konkurrenz entsteht - wo es zur Ausbeutung der Gemeinwohlorientierung kommt

Staat ist Ausdruck der asymmetrischen Verhältnisse der Menschen untereinander (nicht frei, gleich und brüderlich) und somit der Zerrissenheit der bürgerlichen Gesellschaft Kritik an den Ideen des Staates führt noch nicht zur Befreiung

- Hauptproblem: - Menschen sind von Natur aus gleichzeitig sozial und egoistisch (notwendig, um im System gegenseitiger Zwänge sinnvoll zu existieren) Interessen kollidieren Versuch sich gegenüber anderen durchzusetzen Asymmetrie Zwang und Unzufriedenheit Auseinanderdriften Verlagerung in gemeinschaftliche, gesonderte Sphäre des Staates Staat muss zusammenhalten, was von Natur aus zusammengehört

Staat als natürliche Organisationsform vs. Staat als Ausdruck des Streits

Kann das Individuum sich nur entfalten, wenn es sich anderen gegenüber durchsetzt? Marx: - nein, es ist nur Produkt der Gesellschaft muss an reale Ungleichheiten herangehen und dort etwas ändern in der Wirtschaftssphäre - wechselseitiges Verhältnis von politischer und ökonomischer Sphäre: - dort wo materielle Not groß ist und die Gemeinschaft nur leben kann, weil einer herrscht, dort muss Produktion entsprechend organisiert werden

- Produktionsmittel ändern sich Einfluss auf Organisation der Gesellschaft Einfluss auf staatliche Sphäre alte Staatsformen sind irgendwann nicht mehr kompatibel mit Produktionsform

Beispiel für wechselseitiges Verhältnis: Warum wird ökologischer Fortschritt nicht realisiert, wenn er doch möglich ist?

ökonomische Gründe (technische Kompetenzen nicht kompatibel mit heutigen Wirtschafts- und Rechtsformen)

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6. Zusammenfassung - wichtigste Neuerungen bei Marx und aufkommende Fragen

- keine Frage mehr nach Für und Wider des Staates - Einbeziehung der Ökonomie als Grundsphäre - Vorrang der Grundsphäre vor staatlicher Sphäre

Abschließende Fragen:

- Ist der Staat tatsächlich nur der Ausdruck bestehender Mängel? - Kann und bedeutet der Staat nicht noch mehr? - Welche Mittel stehen zur Änderung der Verhältnisse zur Verfügung?

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SQ 16 – Politik, Rhetorik, Philosophie Seminar: Politische Philosophie Protokoll zum 17.01.2007

1. Religion aus Ausdruck menschlichen Mangels (Wiederholung vom 10.01.2007)

Religionskritik der Aufklärer: - Unterdrückungs- und Herrschaftsinstrument - Pfeiler der sozialen Stabilität - Macht, gekoppelt an den Staat (Gottesgnadentum übernatürliche Autorität, die

Unserer Vernunft enthoben ist) - Glauben sollte individuell sein - Staat und Religion trennen - Quellenkritik der Religion: Gottes Wort durch Menschen gemacht - Irrationaler Irrtum

Religionskritik von Marx - Mangel an Wissen (Erklärungen für Unerklärliches) - materieller Mangel (Kompensation für das irdische Leben im nächsten Leben) - moralischer Mangel - Mangel, eigenen Zielen nachzugehen - Ungleichheit der Wirtschaft begünstigt Religion - Mangel an Liebe: Zuwendung fehlt Kein freundschaftliches Miteinander Von Hass durch Religion zu gutem Dulden: Ausbau soz. Beziehungen

- Religion als Streitursache: Verschiedene Religionen, verschiedene Götter Quelle der Entzweiung des Menschen Lösungsmöglichkeiten

- Einfaches Deklarieren des Nichtvorhandenseins der Mängel - Funktioniert nicht: keine Änderung der Ursache - Eventuell durch Erziehung? - Eigeninteresse/Egoismus bleibt: „von Natur aus“

Warum? Woher kommt der Egoismus?

- Historische Form des Umgangs zwischen Menschen - Aufgenötigt durch Gesellschaft

Religionskritik geht einher mit Kritik an Ideen/Grundpfeiler der Gesellschaft!

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2. Über Gesellschaftskritik zur klassenlosen Gesellschaft? Ist der Mangel eine Folge des Egoismus? Wenn der Mensch von Natur aus ein liebendes Wesen wäre, warum bleibt er es nicht?

- Geld und Ware vermitteln Egoismus - z.B. dem Konkurrenten helfen bricht einem das Genick - müssen bestimmte Rollen erfüllen unabhängig von moralischen Vorstellungen - Machtanhäufung durch Geld - Eigentlicher Mangel: Geld an sich nicht jeden sein Privateigentum

- man braucht es um Bedürfnisse zu befriedigen (z.B. Familie ernähren) Irrtum:

- Abschaffung des Privateigentums heißt nicht jeden sein P. wegzunehmen und z.B. es dem Staat zu überschreiben sondern: Abschaffung des Rechts auf Verfügung

- Verstaatlichung heißt also lediglich Wechsel des Rechts - Also: Kommunismus kann nicht politisch eingeführt werden - Privateigentum =Naturkonstante - Ziel: klassenlose Gesellschaft

Gedankenexperiment1: Universität

- Zweck: Bildung - Braucht man Geld für Dozenten oder Dozenten zum Lehren? - Braucht man Geld für Strom oder lediglich den Strom? - Woher soll der Strom kommen bzw. wer produziert ihn in klassenloser Gesellschaft?

Aber auf welchen Weg zur klassenlosen Gesellschaft?

1. Passiert einfach 2. Oder muss überwunden(ist aber wieder politisch z.B. Eingreifen in

Produktionsverhältnisse) 3. ?

Wenn Staat überwunden ist, wer hält allgemeine Institutionen wie Schulen oder Universitäten aufrecht? Gedankenexperiment 2: Brot

- Ich gehe in den Supermarkt und nehme mir soviel Brot wie ich kann über Tage. - Habe einen Haufen Brot, nützt der mir was? - Nur unter der Bedingung, dass nicht genug da ist. - Könnte ihn verkaufen und Profit daraus ziehen.

Erkenntnis: Kreislauf von Leistung und Gegenleistung

- Wenn die Gegenleistung immer vorhanden ist, dann funktioniert es - wenn einer Egoismus zeigt(wahrscheinlich), erfolgt ein Zusammenbruch

Ressourcenfrage muss geklärt werden

- Woher kommt das ganze Brot?

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Unangenehme Tätigkeiten? - Wer übernimmt diese? - Immer abwechselnd? -Zwangssystem - Was macht man, wenn sich einer weigert?

Fazit dieser Stunde: Die Diskussion der Realisierung eines solchen Staates ist unrealistisch, aber dadurch sieht man die Gegenwart wesentlich schärfer.

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SQ16 Politik – Rhetorik – Philosophie Datum: 24.1.2008Seminar II : Politische Philosophie: Eine Einführung

Sundenprotokoll zum 24.1.2008Dozent: Frank Kannetzky Verfasser des Protokolls: Riccardo Brüntgens

1. Vortrag zu 'Über die Demokratie in Amerika' von Alexis de Tocqueville2. Ergebnisse zur Diskussion über de Tocqueville3. Offene Frage zum nächsten Seminar

zu 1.) Zum Anfang des Seminars wird ein kurzes Referat zu Alexis de Tocqueville und seinem Buch 'Über die Demokratie in Amerika' gehalten. De Tocqueville lebte und führte seine Arbeit in einer Zeit kurz nach der Französischen Revolution aus. Eine Zeit, in der sich Demokratien sich verwirklichten und in Europa ausbreiteten. Die französische Regierung beauftragte ihn 1831 den Strafvollzug und das Rechtssystem der USA zu untersuchen. 'Über die Demokratie in Amerika' folgte, eine umfassende und grundlegende Analyse. Die USA boten einer solchen Studie den Vorteil, daß sie sich als Demokratie zu dem Zeitpunkt gerade gegründet und im Gegensatz zu europäischen Staaten keine staalichen Vorformen hatten. Die wichtigsten Punkte / Thesen:

- Für den sozialen Umgang ist die Verhaltens(Handlungs-)kultur bedeutender als die Verfassung. Ausgehend von einer allgemeinen Freiheit entstehen auf lokaler Ebene spontane Gemeinschaften, die sich um gemeinsame Belange kümmern. Der Staat soll sich nicht in die lokale Ebene einmischen, sein Aufgabengebiet liegt in der höheren Ebene des Staates. (Bundesstaatlichkeit → Staat dezentral) - Es gilt die Grundvoraussetzung der Gleichheit der Menschen. Davon ausgehend ist es möglich sich seine Position im sozialen Gefüge zu erarbeiten. Asymetrie innerhalb der Gesellschaft erzeugt eine 'neue Aristokratie', bestehend aus den Führern der Wirtschaft. - Grundaulbildung hebt allgemeines Bildungsniveau, läßt aber ein spezielles/hohes Bildungs- niveau abflauen, welches zur Ausbildung neuer Führungskräfte benötigt werde. - Jedem steht die Besetzung einer Position zu. Die Gemeinschaft wählt die Person aus, die eine Aufgabe ausführen soll. Legitimation erfolgt von 'unten' und nicht von 'oben.'. - Das Volk mit ihrer Selbstverwaltung ist der Ausgangspunkt jeglicher staatlicher Gewalt.

Probleme: - Es besteht Uniformitätsdruck, der zur einer falschen Entscheidung führen kann. - Personen aus der Wirtschaft können Einfluß auf Politik aussüben.

→ Der Staat ermöglicht, daß die Gesellschaft mehrheitlich agiert. Er ist weniger der große Soverän, sondern mehr Nebenstehender, dem das Entscheidungsrecht zusteht.

Zu 2.) Folgende Ergebnisse erfolgten aus der Seminardiskussion: (in Bezug zu de Tocqueville)

- Weniger Menschen nehmen höhere Bildung in Anspruch, nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch aus mangelndem Interesse. Der 'American Dream' verwirklicht sich mehr durch die Arbeit. - Bildung wird eher als Aubildung verstanden, besitzt rein instrumentellen Wert - Durch die Forderung 'jedes Privileg soll fallen' verliert die höhere Bildung ihren Stellenwert. Dies führt zu Uniformität. - Sinn von Demokratie liegt in Konkliktlösung und Handhabung der verschieden Interessen. - Demokraten: Leute die prinzipielle Alternativen vorgeben können.

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(Allgemein zum Thema Demokratie)- Uniformität entsteht, wenn man alles praktischen und utilitaristischen Prinzipien unterwirft. (Diktatur der Mehrheit)- In der Demokratie leben sich ähnliche/gleiche Menschen, deren Leben nur um sich selbst und ihr eigenes Schicksal dreht. Es besteht kein Raum oder Interesse für politische Fragen und Alternativen (“Hamsterrad”).- Politische Dystopien in Literatur: '1984' – (ideologische) Unterdrückung durch Verschwörer 'Brave new world' – illusorische Freiheit.- Die perfekte Anwendung von Macht bleibt unsichtbar. (Tabuisierung und selbstlaufende Mechanismen)

zu 3.) Offengeblieben sind die Fragen, wie die Mechanismen der Uniformität aussehen und welche Möglichkeiten bestehen könnten sie abbzubrechen.