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Sprache–Denken–Wirkl ichkeitSehrgeehrteDamenundHerren
DeramerikanischeSprachwissenschaftlerBenjaminWhorfwarinden1920erJahrenalsBrandverhütungsexperte bei einerVersicherungsgesellschaft tätig.Hierbei beo-bachteteerfolgendenFall(ichzitiereindeutscherÜbersetzung):„lneinerBrennereifür Methylalkohol bestand die Isolierung der Destillierkolben aus einer Masse, dieausKalksteinhergestelltwarundinderBrennerei‚gerührterKalkstein’genanntwur-de.EswurdekeinerleiVorsorgegetragen,umdieseIsoliermassevorgrosserHitzeoderFlammezuschützen.NacheinigerZeitgriffdasFeueruntereinemderDestil-liergefässeaufden‚Kalkstein’über,derzumallgemeinenErstaunenheftigbrannte.DieessigsaurenDämpfeausdenDestillenhattendenKalkstein(Kalziumkarbonat)inKalziumazetatverwandelt.WirddiesesimFeuererhitzt,solöstessichunterBildungdesbrennbarenAzetonsauf.DasunvorsichtigeVerhalten,dieIsoliermassenichtge-gendasFeuerzuschützen,war…durchdenGebrauchderBezeichnung‚Kalkstein’herbeigeführtworden,weil dieserNamemit derSilbe ‚-stein’ endet unddaherUn-brennbarkeitsuggeriert.“(FOLIE1)
DieMoral dieserGeschichte: Die simple Bezeichnung „Stein“ hatte dieMitarbeiterderBrennerei zu ihrem fatalen Irrtumverleitet. –Dieseund viele andereanekdoti-scheBeobachtungenliessenfürBenjaminWhorffolgendenSchlusszu:Sprachebe-einflusstunsereWahrnehmungvonWirklichkeitundunserDenken.BenjaminWhorfwardabeinichtderersteSprachwissenschaftler,dereinengesVerhältnisvonSpra-che,DenkenundWirklichkeitpostulierte.BereitsseinakademischerLehrerEdwardSapirhatteähnlicheGedankengeäussert.DahergingdieHypothese,Sprachebe-einflusseoderbestimmeunserDenken,als„Sapir-Whorf-Hypothese“indieSprach-wissenschaftein.
Wieglaubhaftaberistdiese„Sapir-Whorf-Hypothese“?IstunserDenkentatsächlichvon der Struktur unsererMuttersprache geprägt?DenkenMenschen unterschiedli-cherMuttersprachealsounterschiedlich?–DieseundandereFragenwill ichindreiTeilenmeinesReferatsbeantworten(FOLIE2):
• Im ersten Teil befasse ich mich mit der Frage, weshalb die „Sapir-Whorf-Hypothese“inihrerabsolutenFormulierungnichtzutreffenkann.
• Im zweiten Teil will ich begründen, warum die „Sapir-Whorf-Hypothese“ in den1990erJahreneinbeachtlichesComebackerfahrenhat.
• Im dritten Teil schliesslich erläutere ich, welche Erkenntnisse jüngste StudienüberdasVerhältnisvonSprache,DenkenundWirklichkeitliefern.
Beginnen wir mit dem ersten Teil: Um zu erläutern, warum die „Sapir-Whorf-Hypothese“ in ihrerabsolutenFormulierungausheutigerSichtnichtzutreffenkann,blendeichnochmalszurück(FOLIE3).Bereitsindenspäten1950erJahren,knapp
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zwei Jahrzehnte nach derVeröffentlichung derwichtigstenSchriften vonBenjaminWhorf,nahmdaswissenschaftlicheInteresseander„Sapir-Whorf-Hypothese“merk-lich ab.Grund hierfürwar dasAufkommeneiner neuenForschungsrichtung in derSprachwissenschaft,deslinguistischenNativismus.SeineVertreter–derprominen-testedavonderamerikanischeSprachwissenschaftlerNoamChomsky–gehenvonfolgender These aus: Sprache ist eine evolutionär herausgebildete Fähigkeit desMenschen.SiebestehtauseinerangeborenenUniversalgrammatik.AllenatürlichenSprachen der Erde haben folglich ein- und dieselbe Grundlage und sind in ihrerStrukturidentisch.Darausfolgt:DifferenzenindenkognitivenStrukturen(imDenken)unterschiedlicherSprachgemeinschaftenkönnennichtsprachbedingtsein.
DieVertreterdeslinguistischenNativismusnehmendamiteineradikaleGegenpositi-onzur„Sapir-Whorf-Hypothese“ein.InzwischenlässtsichihreAuffassungzumindestteilweiseempirischbelegen(FOLIE 4).UmeinBeispielzunennen: IneinemVer-such lerntenProbandeneine ihnenzuvor völligunbekannteFremdsprache.Die ih-nenbeigebrachtenRegelnzurBildungvonSätzenwarenteilsgrammatisch(„richtig),teils ungrammatisch („falsch“) und entsprachen nicht derStruktur natürlicherSpra-chen(vgl.Abbildung).InderFolgewurdendieProbandenmitgrammatischen(richti-gen)wieungrammatischen(falschen)SätzenindererlerntenFremdsprachekonfron-tiert.DasErstaunliche:ObschonalleSätze fürdieProbandengleich „richtig“ tönenmussten,dasiejademGelerntenentsprachen,reagierteihrGehirnunterschiedlich:ImFallevongrammatischrichtiggebautenSätzenergabsichbeidenProbandenei-ne messbar erhöhte Aktivität im sogenannten Broca-Areal des Gehirns, wo dasmenschlicheSprachzentrumliegt. ImFallevonungrammatischenSätzenunterbliebdieseReaktion.OffenkundigsindwiralsoinderLage,unbewusstrichtiggebautevonfalschgebautenSätzenzuunterscheiden.Dahermussunszumindesteineuniversa-leSatzlehre(eineuniversaleSyntax)angeborensein.
Daraus ergibt sich folgendes Zwischenfazit (FOLIE 5): Sofern wir an der „Sapir-Whorf-Hypothese“festhaltenwollen,müssenwirdieSyntax(Satzlehre)vonunserenÜberlegungenausklammern.DennSyntaxerweistsichalsallenSprachengemein-sam und kann folglich nicht für Unterschiede imDenken einzelner Sprachgemein-schaftenverantwortlichsein. IneinerabgespecktenVersionkanndie „Sapir-Whorf-Hypothese“fortannurlauten:TeileeinerEinzelsprache–genauer:dieStrukturihresWortschatzes(desLexikons)undihrergrammatischenKategorien(z.B.dergramma-tischenFälle)–beeinflussendasDenkenihrerSprecherinnenundSprecher.
DamitbinichbeimzweitenTeilmeinesReferatsangelangt.Wiebereitsangedeutet,erfuhr die „Sapir-Whorf-Hypothese“ in den 1990er Jahren ein beachtliches Come-back.GrundhierfürwarenausgiebigeVersuchsreihen,welchedieMethodenderKo-gnitionsforschung beachteten und sich auf Lexikon und grammatische KategorienderuntersuchtenSprachenbeschränkten–alsoimSinnederabgespecktenVarianteder„Sapir-Whorf-Hypothese“verfuhren.
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ZurIllustrationmöchteichSieimFolgendenmiteinerdieserVersuchsreihenvertrautmachen. Die Ausgangslage ist die Folgende (FOLIE 6): Die Sprachen der WeltkennenunterschiedlicheWege,diegrammatischeZahlunddieMengezubezeich-nen:• „Pluralsprachen“wiedasDeutscheoderEnglischebezeichnendenPlural(dieMehrzahl)obligatorischdurcheinAffix(eineEndung):z.B.dt.Sg.dieFrau→Pl.dieFrau-en;engl.thestone→Pl.thestone-s.
• „Klassifikatorsprachen“besitzenhingegenkeineobligatorischePluralbezeich-nung.Stattdessenverwendensiesogenannte„Klassifikatoren“,diegewöhnlichandasZahlworttreten.UmeinBeispielzunennen:ImYukatekischen–eineraufderHalbinselYucatangesprochenenMayasprache–bedeutetka’-túulxib„zweiMänner“.xibstehtdabeinumerusindifferentfür„Mann“oder„Männer“,ka’-fürdasZahlwort„zwei“.Bei-túulschliesslichhandeltessichumdenKlassifikator.Erstehtfür„eigenständigeGestalt“.DasSyntagmaka’-túulxibliessesichalsoimDeutschendurch„zweieigenständigeGestaltMann“(ganzwie„zweiStückHolz“)nachbilden.
DiesebeidenMöglichkeiten,eineMehrzahlzubezeichnen,habenAuswirkungenaufdieStrukturdesWortschatzes(FOLIE7):• „Pluralsprachen“wiedasEnglischeoderDeutscheunterscheidenzwischenEin-undMehrzahlunddamitzwischenBegriffenfürfeste,zählbareObjekte(z.B.dt.Reiskorn)undverformbare,nicht-zählbareMengen(z.B.dt.Reis).Nurfeste,zählbareObjektekönneneineMehrzahlbilden.DerWortschatzvonPluralspra-chenklassifiziertdaherBegriffe/WörternachFormbzw.GestaltdesBezeichne-ten.
• „Klassifikatorsprachen“wiedasYukatekischeunterscheidennichtzwischenEin-undMehrzahlunddamitauchnichtzwischenBegriffenfürzählbareObjekteundnicht-zählbareMengen.IhrWortschatzklassifiziertimGegenzugBegriffe/WörternachMaterialbzw.BeschaffenheitdesBezeichneten.Form/Gestaltwerdenhin-gegen,wieebengezeigt,durchKlassifikatorenfestgelegt.
BeidiesemstrukturellemUnterschiedsetztezuBeginnder1990erJahrederameri-kanischeSprachwissenschafterJohnLucyan.SeineHypothese:SolltedieStrukturdesWortschatzesaufdasDenkenderSprechendeneinwirken,dannmüsstenSpre-cherinnen undSprecher desEnglischen ihr Augenmerk auf Form undGestalt vonGegenständenlegen,SprecherinnenundSprecherdesYukatekischenhingegenaufMaterialundBeschaffenheit(FOLIE8).UmdieseHypothesezuprüfen,gingLucywiefolgtvor:ErlegteseinenProbandenDreiergruppenähnlicherGegenständevor.EinGegenstanddientehierbeialsRefe-renz,diebeidenanderenwarendiesemReferenzgegenstandentwederinForm/GestaltoderMaterial/Beschaffenheitähnlich.DieProbandenmusstennunan-geben,welcherderbeidenGegenständedemReferenzgegenstandstärkerentspre-che.DasResultatwarüberraschendeindeutig:DieSprecherinnenundSprecherdesEnglischenwähltenmehrheitlichdenjenigenGegenstand,welcherderReferenzin
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Form/Gestaltentsprach–dieSprecherinnenundSprecherdesYukatekischenum-gekehrtdenjenigenGegenstand,welcherderReferenzinMaterial/Beschaffenheitentsprach.DamitschienLucysHypothesebelegt:DieStrukturdesWortschatzeshat-tedieAuswahlderGegenständeundsomitdasDenkenderProbandenbeeinflusst(FOLIE9).
LucysResultatundvieleweitereStudienausdenletzten15Jahrensindaufdener-stenBlickeinstarkesArgumentzugunstender„Sapir-Whorf-Hypothese“.AberistdieInterpretation,wonach dieStruktur unsererSprache dieStruktur unseresDenkensbeeinflusse,wirklichunumgänglich?–DieseFrageführtmichzumdrittenTeilmeinesReferats.TatsächlichlassenderbeschriebeneVersuchJohnLucysundvieleseinerNachfolgeraucheinesimpleAlternativerklärungzu:DieProbandenlassensichvonRoutinenleiten,diesichdurchdiestatistischenHäufigkeitenimWortschatzergeben.In„Pluralsprachen“wiedemEnglischenbezeichnetdieMehrzahlderSubstantivefe-ste oder zählbare Objekte, die wie gezeigt hinsichtlich Form und Gestalt definiertsind.WerdenSprecherinnenundSprecherdesEnglischenmiteinemihnennichtver-trauten Referenzgegenstand konfrontiert und gefragt, wem „dieses Ding“ gleiche,dannwerdendarinmitgrosserWahrscheinlichkeiteinenGegenstanderkennen,derwiedieMehrzahlderWörterinihremWortschatzhinsichtlichFormundGestaltdefi-niertist–undihmdenpassenden,hinsichtlichFormundGestaltdefiniertenGegen-standzuordnen.UmgekehrtverhaltensichSprecherinnenundSprecherdesYukate-kischen.
Diese lexikostatistischeAlternativerklärungstelltdieVerhältnissezwischenSpracheundDenkenaufdenKopf(FOLIE 10):NichtdieSprachebestimmtunserDenken.Vielmehr nutzt unser Denken die Sprache, um gedankliche Konzepte festzuhaltenundkomplexekognitiveAufgabenzu lösen.Tatsächlich findensichArgumentezu-gunstendieserUmkehrungder„Sapir-Whorf-Hypothese“.Umnureineszunennen:Nehmenwiran,dassfürdieLösungderkomplexenkognitivenAufgabe„Gegenstän-dezählenunddiegenaueMengeimKopfbehalten“imLexikoneinerSpracheZahl-wörtervon1bisUnendlichvorhandenseinmüssen.IstunsereHypothese„Denkennutzt Sprache“ nun korrekt, dannmüssen sich Sprecherinnen und Sprecher einerSprache ohne Zahlwörter erheblich schwerer beim Zählen und Behalten tun alsSprecherinnenundSprecher,derenSpracheüberZahlwörterverfügt.DieseVorher-sagelässtsichtatsächlichüberprüfen(FOLIE11).DennausdemAmazonasgebietBrasiliens ist die Indianersprache Pirahã bekannt, die keinerlei Zahlwörter besitzt.Stattdessen verwenden die Pirahã-Indianer relative Begriffe: hói „weniger/kleiner“,hoí„rechtwenig/rechtklein“undbáagiso„genug“.Versuchebelegen,dassdiePira-hã-IndianerdurchauseinkognitivesKonzeptvonZahlundMengebesitzen:Sozeig-tendieVersuchsleiterdenPirahã-ProbandeneinebestimmteAnzahlvonLöffelnaufeinemTischundbatensie,dieselbeAnzahlanBallonenaufdenTischzulegen.DieProbanden lösten diese Aufgabe beinahe fehlerfrei. Doch sobald die Aufgabe er-schwertwurdeundeinezusätzlicheZähl-undGedächtnisleistungerfordere–etwa
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mehralszehnLöffelvorlagenunddiesegleichnachdemZeigenverdecktwurden–dannwarendieProbandennichtmehrinderLage,dieentsprechendeAnzahlande-rer Gegenstände aufzulegen. Das Beispiel der Pirahã belegt, dass das kognitiveKonzept vonZahl undMenge zwar unabhängig vonSpracheexistiert,Sprache je-dochdasSpeichernunddieVerarbeitungvonZahlenwesentlichunterstützt,wennnichtgarermöglicht.
Um schliesslich noch einen Schritt weiterzugehen (FOLIE 12): Die lexikalischenund morphologischen Strukturen von Sprache sind ein effizientes Mittel, eine derkomplexesten kognitiven Aufgaben zu lösen: dieWahrnehmung bzw. KonstruktionvonWirklichkeit.NeueempirischeStudienzurWahrnehmungvonFarbezeigeneinerstaunlichesBild:SindinunsererSprachezweiFarbensprachlichdifferenziert(alsoetwadt.grünversusblau),dannnehmenwirdenKontrastzwischenbeidenFarbenbesonders raschüber das rechteGesichtshalbfeldwahr.Das rechteGesichtshalb-feld aber projiziert in die linke Hemisphäre des Gehirns und damit in die für dieSprachverarbeitungzuständigenZentren.SinddieFarbenhingegensprachlichnichtdifferenziert, reagiert das linke Gesichtshalbfeld schneller. Dies bedeutet: UnserDenkennutztvorhandenesprachlicheStrukturen,umunsereWahrnehmungenmög-lichsteffizienteinzuordnen.AllerdingsdurchläuftimIdealfallmaximaldieHälfteunse-rerWahrnehmungden„sprachlichenFilter“.
Damit bin ich amEndemeinesReferats angelangt.DasFazit lautet: Aus heutigerSicht dürfenwir erleichtert feststellen, dassBenjaminWhorf undEdgarSapir nichtrechthatten.UnserDenkenistfreiundwirdnichtvonSprachebeeinflusst.Vielmehrverhältessichgenauumgekehrt:SpracheisteinnützlichesInstrumentfürunserGe-hirn,wennesgilt,komplexeAufgabenzulösen.AllerdingsverlässtsichunserGehirnnurzurHälfteaufdieordnendeKraftvonSprache.DieFrage,woraufsichunserGe-hirnzuranderenHälfteverlässt,mussheuteleideroffenbleiben.
BestenDankfürIhreAufmerksamkeit!
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Sprache,Denken,Wirklichkeit
IvoHajnal
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Die„Sapir‐Whorf‐Hypothese“
22.8.2010 Alpbach, Tiroltag 1
• BenjaminLeeWhorf:„DasunvorsichCgeVerhalten,dieIsoliermassenichtgegendasFeuerzuschützen,war…durchdenGebrauchderBezeichnung‚Kalkstein’herbeigeführtworden,weildieserNamemitderSilbe‚‑stein’endetunddaherUnbrennbarkeitsuggeriert.“(1941)
• →„Sapir‐Whorf‐Hypothese“:Sprachebeeinflusst–bzw.besCmmt–unsereWahrnehmungderWirklichkeitundunserDenken.
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DreiFragen
22.8.2010 Alpbach, Tiroltag 2
1. Weshalbkanndie„Sapir‐Whorf‐Hypothese“inihrerabsolutenFormulierungausheuCgerSichtnichtzutreffen?
2. Warumhatdie„Sapir‐Whorf‐Hypothese“inden1990erJahreneinComebackerfahren?
3. WasbesagenjüngsteStudienüberdasVerhältnisvonSprache,DenkenundWirklichkeit?
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Na8vismusgegen„Sapir‐Whorf‐Hypothese“
22.8.2010 Alpbach, Tiroltag 3
VertreterdeslinguisCschenNaCvismus(v.a.NoamChomsky)nehmenseitden1950erJahreneineradikaleGegenposiConzur„Sapir‐Whorf‐Hypothese“ein:
• SpracheberuhtaufeinerangeborenenUniversalgrammaCk.
• AllenatürlichenSprachenderErdehabensomitein‑unddieselbeGrundlageundsindinihrerStrukturidenCsch.
• Differenzenindenkogni8venStrukturen(im„Denken“)unterschiedlicherSprechergemeinschafenkönnendeshalbnichtsprachbedingtsein.
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RegelnfürdieSatzbildungsindangeboren
22.8.2010 Alpbach, Tiroltag 4
DasBroca‐ArealdesGehirnswird,selbstwennwir„falsche“Regelnlernen,nurbeigrammaCschkorrektenSätzenakCviert.→ UnsisteineuniversaleSyntax(Satzlehre)angeboren.
Quelle:Mussoetal.2003
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Einschränkungder„Sapir‐Whorf‐Hypothese“
22.8.2010 Alpbach, Tiroltag 5
• WirmüssendieSyntax(Satzlehre)vondenÜberlegungenzur„Sapir‐Whorf‐Hypothese“ausklammern.
• DennSyntaxerweistsichalsallenSprachengemeinsamundistfolglichnichtfürUnterschiedeimDenkeneinzelnerSprach‐gemeinschafenverantwortlich.
• IneinereingeschränktenVersionkanndie„Sapir‐Whorf‐Hypothese“fortannurlauten:„TeileeinerEinzelsprache–genauer:dieStrukturihresLexikons(desWortschatzes)undihrergramma8schenKategorien–beeinflussendasDenkenihrerSprecherinnenundSprecher.“
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UnterschiedlicheWegezurBezeichnungvonZahl/Menge
22.8.2010 Alpbach, Tiroltag 6
• „Pluralsprachen“(z.B.Deutsch,Englisch)DerPlural(dieMehrzahl)wirdobligatorischdurcheinAffix(eineEndung)bezeichnet:z.B.dt.Sg.derStein→Pl.dieStein‐e;engl.thestone→Pl.thestone‐s.
• „Klassifikatorsprachen“(z.B.Yukatekisch)DerPluralwirdnichtbezeichnet,stasdessendasZahlwortdurcheinen„Klassifikator“ergänzt:z.B.yukatek.ka’‐túulxib„zweiMänner“<xib„Mann/Männer“+ka’‑„2“+‑túul(Klassifikator„eigenständigeGestalt“)=dt.„zweieigenständigeGestaltMann“.
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StrukturdesLexikons
22.8.2010 Alpbach, Tiroltag 7
Hypothese:WirktdieStrukturdesWortschatzesaufdasDenkenein,dannlegen…• Sprecher/innendesEnglischenmehrGewichtaufFormundGestaltbeobachteter
Objekte.• Sprecher/innendesYukatekischenhingegenmehrGewichtaufMaterialund
BeschaffenheitbeobachteterObjekte.
„Pluralsprache“(Englisch)
„Klassifikatorsprache“(Yukatekisch)
Numerus:Einzahl↔Mehrzahl
ja nein
Unterscheidung:fest/zählbar↔verformbar/nicht‐zählbar
ja nein
KlassifizierungvonBegriffennach…
Form/Gestalt Material/Beschaffenheit
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WahrnehmungvonZahlundMengenachJohnA.Lucy(1992)
22.8.2010 Alpbach, Tiroltag 8
Sprecher/innendesEnglischenwählenden
hinsichtlichFormundGestaltentsprechenden
Gegenstand.
Sprecher/innendesYukatekischenwählenden
hinsichtlichMaterialundBeschaffenheit
entsprechendenGegenstand.
Referenzgegenstand
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Alterna8verklärungfürLucysPhänomen
22.8.2010 Alpbach, Tiroltag 9
• DerVersuchvonJohnA.LucyscheintaufdenerstenBlickdie„Sapir‐Whorf‐Hypothese“zubestäCgen.
• AllerdingsexisCerteineAlterna8verklärung:DieProbandenlassensichvonRouCnenleiten,diesichdurchdielexikosta8s8schenHäufigkeitenergeben:
- In„Pluralsprachen“wiedemEnglischenbezeichnetdieMehr‐zahlderSubstanCvefeste,zählbareObjekte,diehinsichtlichFormundGestaltbesCmmtsind.
- Sprecher/innendesEnglischenordnendahereinemwenigvertrautenReferenzgegenstandtendenzielldenhinsichtlichFormundGestaltbesCmmtenGegenstandzu.
- UmgekehrtverhaltensichSprecher/innendesYukatekischen.
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SprachealsWerkzeugdesDenkens
22.8.2010 Alpbach, Tiroltag 10
DieselexikostaCsCscheInterpretaConstelltdie„Sapir‐Whorf‐Hypothese“aufdenKopf:
• NichtdieSprachebesCmmtunserDenken.
• VielmehrnutztunserDenkendieSprache,umgedanklicheKonzeptefestzuhaltenundkomplexekogniCveAufgabenzulösen.
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BeispielderPirahã‐Indianer
22.8.2010 Alpbach, Tiroltag 11
• DiePirahã‐IndianerverwendenkeineZahlwörter,sondernnurrelaCveBegriffewiehói„weniger/kleiner“,hoí„rechtwenig/rechtklein“undbáagiso„genug“.
• DennochbesitzensieeinkogniCvesKonzeptvonZahlundMenge.DennsiesindinderLage,einfacheZählaufgaben(z.B.1‐zu‐1‐Entsprechungbeiwenigerals10Gegenständen)zulösen.
• JedochscheiternseibeikomplexerenAufgaben(z.B.mehrals10verdeckteGegenstände).
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WahrnehmungvonFarben
22.8.2010 Alpbach, Tiroltag 12
• SindineinerSprachezweiFarbensprachlichdifferenziert(vgl.dt.grünversusblau),nehmendieSprecher/innendenKontrastzwischenbeidenFarbenraschüberdasrechteGesichtshalbfeldwahr.DiesesprojiziertindielinkeHemisphäredesGehirns(indieZentrenderSprachverarbeitung).
• SinddieFarbensprachlichhingegennichtdifferenziert,reagiertdaslinkeGesichtshalbfeldrascher.
• UnserDenkennutztvorhandenesprachlicheStrukturen,umunsereWahrnehmungenmöglichsteffizienteinzuordnen.AllerdingsdurchläufnurmaximaldieHälfeunsererWahrnehmungenden„sprachlichenFilter“.
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BestenDankfürIhreAufmerksamkeit!