spontanencephalitis bei einem affen

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(Aus der Deutschen Forschungsanstalt ifir Psychiatrie, Miinchen [Kaiser-Wilhclm-Institut].) Spontanencephalitis bei einem Allen. Von G. Bodechtel. Mit 4 Textabbfldungcn. Auoh fiir die Pathologie der Tierkrankheiten ist der kasuistische Beitrag wiehtig, weniger im Sinne: ,,Beispiel eines Falles yon ...", sondern er erhglt seine Bedeutung in der Auswertung des Befundes fiir das Tierexperiment. Besonders die Spontanencephalitiden haben bei anderen Tierarten zu Trugschlfissen im Experiment AnlaB gegeben, bis sie dureh Arbeiten der letzten Jahre allgemeiner bekannt wurden. In jfingster Zeit sind zusammenfassende Arbeiten fiber die Krankheiten der zum Experiment gebrguchlichen Tiere 1 ersehienen, die letzten Endes ihre Existenz nicht nur ausgesproehenen Tierpathologen verdanken; allerdings sind dabei die Gehirnkrankheiten wenig berfieksichtigt worden. ~ber H_irnuntersuchungen bei Spontanerkrankungen des Allen gibt es in der Literatur aus der friiheren Zeit die bemerkenswerten Beob- achtungen yon 1~othmann 2 fiber eine tabesartige Erkrankung (1906) 'und die kurz darauf erschienene Beobaehtung yon Schr6der 3 fiber eine Hinterstrangs- und Sehnervenerkrankung. Aus der neueren Zeit stammt eine Arbeit fiber spontane eerebrale Ver~nderungen yon f_~ucke 4, der an 22 Allen 9real krankhafte Ver~nderungen land, und zwar nach Art der Meningoencephalitis, Poliomyelitis, Solit~rtuberkel und Arterio- 1 t~. G~rlach, Die praktisch wich~igen Spontaninfektionen der Versuchstiere ira Handbuch der pa~hogenen Mikroorganismen 9, 497. 3. Aufl. Hier wurden allerdings nur die Nager (Kaninchen, Meerschweinchen usw.) bcsprochcn. Noch zu erwahnen sind H. t~aebiger und M. Lerche, ~tiologie und pathologische Anatomie der haupts~chlichsten spontancn Erkrankungen des Meerschweinchens. Ergeb. d. allg. Pathol. u. l~thol. Anatomie des Menschen und der Tiere, yon O. Lubarscl~ und E. Joest, 21. Jahrgang II. Abt. 0. Sei]ried, Die wichtigsten Krankheiten des I~ninchens, mit besonderer Beriicksich~igung der Infektions- und Invasions- krankheiten. Rothmann, Mschr. Psychiatr. 20 (1906). ]~rganzungsheft 204. 3 Schr6der, Arch. f. Psychol. 44, 191 (1908). 4 Lucke, Arch of Neur. 1@, 212 (1928).

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(Aus der Deutschen Forschungsanstalt ifir Psychiatrie, Miinchen [Kaiser-Wilhclm-Institut].)

Spontanencephalitis bei einem Allen.

Von G. Bodechtel.

Mit 4 Textabbfldungcn.

Auoh fiir die Pathologie der Tierkrankheiten ist der kasuistische Beitrag wiehtig, weniger im Sinne: ,,Beispiel eines Falles yon . . . " , sondern er erhglt seine Bedeutung in der Auswertung des Befundes fiir das Tierexperiment. Besonders die Spontanencephalit iden haben bei anderen Tierarten zu Trugschlfissen im Exper iment AnlaB gegeben, bis sie dureh Arbeiten der letzten Jahre allgemeiner bekannt wurden. In jfingster Zeit sind zusammenfassende Arbeiten fiber die Krankhei ten der zum Exper iment gebrguchlichen Tiere 1 ersehienen, die letzten Endes ihre Existenz nicht nur ausgesproehenen Tierpathologen verdanken; allerdings sind dabei die Gehirnkrankheiten wenig berfieksichtigt worden.

~ b e r H_irnuntersuchungen bei Spontanerkrankungen des Allen gibt es in der Li tera tur aus der friiheren Zeit die bemerkenswerten Beob- achtungen yon 1~othmann 2 fiber eine tabesartige Erkrankung (1906)

'und die kurz darauf erschienene Beobaehtung yon Schr6der 3 fiber eine Hinterstrangs- und Sehnervenerkrankung. Aus der neueren Zeit s t ammt eine Arbeit fiber spontane eerebrale Ver~nderungen yon f_~ucke 4, der an 22 Allen 9real krankhaf te Ver~nderungen land, und zwar nach Ar t der Meningoencephalitis, Poliomyelitis, Solit~rtuberkel und Arterio-

1 t~. G~rlach, Die praktisch wich~igen Spontaninfektionen der Versuchstiere ira Handbuch der pa~hogenen Mikroorganismen 9, 497. 3. Aufl. Hier wurden allerdings nur die Nager (Kaninchen, Meerschweinchen usw.) bcsprochcn. Noch zu erwahnen sind H. t~aebiger und M. Lerche, ~tiologie und pathologische Anatomie der haupts~chlichsten spontancn Erkrankungen des Meerschweinchens. Ergeb. d. allg. Pathol. u. l~thol. Anatomie des Menschen und der Tiere, yon O. Lubarscl~ und E. Joest, 21. Jahrgang II. Abt. 0. Sei]ried, Die wichtigsten Krankheiten des I~ninchens, mit besonderer Beriicksich~igung der Infektions- und Invasions- krankheiten.

Rothmann, Mschr. Psychiatr. 20 (1906). ]~rganzungsheft 204. 3 Schr6der, Arch. f. Psychol. 44, 191 (1908). 4 Lucke, Arch of Neur. 1@, 212 (1928).

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sklerose. Er maeht besonders darauf aufmerksam, welche Bedeutung derartige Befunde ftir tierexperimentelle Untersuchungen haben; es ist jederdalls bemerkenswert, da~ bei der kleinen Anzahl yon untersuehten Tieren sich ein verh~ltnism~flig hoher Prozentsatz pathologischer Ver- ~nderungen am Gehirn zeigte.

Auch ffir die vergleichende Pathologie sind derartige Befunde wert- roll. Es sei in diesem Zusammenhange auf die interessanten Vergleiche zwisehen Bornaseher Krankhei t beim Pferd mit der menschlichen epidemischen Encephalitis hingewiesen (Spafz-Sei/ried 1) und auf die sehr umfassende I, i teratur der Spontanencephalitis der Kaninchen und ihre Beziehungen zu menschlichen Encephalitisformen. Solange diese Vergleiche sich nur an die morphologischen Tatsachen halten und nicht zu sebr ins Spekulative verfaUen, werden sie unsere Kenntnisse fiber das Wesen derartiger Prozesse sehr vertiefen helfen; aber es ist nicht ang~ngig, nur aus dem morphologischen Bilde dtiologisch zu schlieBen und beispielsweise aus der Form der Gliareaktion hypothetische ultra- visible Vira ableiten zu wollen, was in letzter Zeit von manehen Autoren (Pette)2 versueht wurde. Es w~re in dem vorliegenden Falle dann gleiehfalls berechtigt, als ~tiologische Ursache dieser Encephalitis eine Spirochete anzunehmen, nur weil das morphologische Bild eine gewisse ~hnlich- keit mit der menschlicheu Paralyse aufweist. Wir haben zwar ver- sueht, Spirochi~ten bei dem vorliegenden Affengehirn nachzuweisen, was uns aber nicht gelang. Wean wir deshalb bei der Schilderung des histologischen Brides auf die ~4~hnlichkeit mit dem pathologisch-anato- mischen Bild der menschlichen Paralyse aufmerksam machen, so soll damit keinesfalls gesagt sein, dab wir hier eine Paralyse bei einem Affen vor uns haben. Alle vergleichend-pathologisehen Untersuchungen lehren uns, dab ~hnliche Reaktionen, wie sie das menschhche Gehirn bei den versehiedensten Krankheiten zeigt, auch beim Tier vorkommen, was bedeutet, dab aueh beim Tiergehirn die Abwehreinrichtungen und das damit verbundene morphologisehe Gesehehen fast in der gleiehen Weise ablaufen wie am menschliehen Gehirn. Dies gilt nicht nur fiir das Gehirn, sondern nattu'lich ebenso ffir die anderen K0rperorgane, was R6asle jfingst in einer vergleiehenden Studie fiber die Entzfindungs- vorg~nge eindrucksvoll dargelegt hat.

Das untersuchte Tier, ein Rhesusaffe, wurde uns in dankenswerter Weise durch einen Tierarzt (Herrn Dr. Haller aus Mfinehen) zur Unter- suchung zugeschickt, weil es in der letzten Zelt auffallende psychisehe Ver~nderungen bot, bSsartig geworden war und st~ndig Manege-

1 Spatz-Sei/r~ed, Ref. eines Vortragsberich~es, Wiirzburg 1929. D~sch. Z. Nervenheilk. 38, 111.

Pate, Akute Infektion und l~ervensys~em, Miinch. reed. Wschr. 1929 - - Pathogenese der multiplen Skleros% I)tsch. Z. ~qervenheilk. 1928.

Spontanencephalitis bei einem Allen. 333

bewegungen zeigte. Schliei~lich s tel l ten sich klonische Kr/ impfe ein, die

sich fiber samtl iche E x t r e m i t a t e n ausbrei te ten. I n einem solchen Anfal l

kam das Tier zum Exi tus . Bei der K6rpersekt ion wurde nichts Krank -

haf tes gefunden. Das Gehirn bot lediglich makroskopisch eine kr~iftige

In j ek t ion der Meningealgefi~l)e, sonst konnte nichts festgestel l t werden.

Vom Gehirn und Rf ickenmark wurde das Mater ial teilweise in Formol , teilweise in Alkohol f ixiert .

Histologlscher Be/u~d. Es besteh$ eine Meningitis leichten Grades mit Lymphocyten und vereinzelten

Plasmazellen und seltenen Leukocyten. Auf~erdem ist griinlichcs Pigment gelegent- lieh in den Meningen in K6rnchcnzellen zu beobachten. (Jber das ganze Gehirn

Abb. 1. Inselrinde mit starken entziindlichen Ver~nderungen. (Nissl, Verier. ca 200mal).

verteilt aber mehr lokal betout sieht man schon bei schwacher Vergr6Berung die Gef/~Be starker hervortreten, besonders an der Rindenmarkgrenze, was bewirkt wird durch dicke Infiltratm/intel, die sieh bei starker Vergl613elung aus Lympho- cyten und Plasmazellen zusammengesetzt erweisen (Abb. 1). B:sonders stark befallen ist die Insel und die Frontalregion, wfi.hrend (tie Occipitalregion nut gelegentlieh an einzelnen Windungen diese entziindlichen Ver/inderungen auf- weisb. Bei starkcrer Vergr6Berung erkennt man, dab die Rinde diffuse Ausf/~lle besonders in der ~II. Schicht zeigt, dabei ist es innerhalb dicser Gebiete zu einer sehr starken Vermehrung und Wucherung yon St/tbchenzellen gekommen (Abb. 2), die mit ihren ]anggestreckten Kernen durchaus den St/~bchenzellen gleichen, wie wir sie bei der menschlichen Paralyse beobachten. Die Ganglienzellen sind un- charakteristisch ver/~ndcrt; es ist hier zu berticksichtigen, dal~ das Tier erst nach

Zeitschr. f. Hygiene. Bd. 111. 22

3 3 4 G. Bodechtel :

Abb. 2. Ausschn i t t aus e inem R i n d e n b a n d bei s t a r k e r e r VergrSl3erung, de r die s t a rke Gl ia reak t ion besonder s die W u c h e r u n g der St[tbchenzellen e rkennen l~l~t. (2v'issl, Vergr . ca. 500real).

Abb. 3. Geffii~proliferation in e inem H e r d in de r Occi- p i ta l r inde. (Nissl, Vergr .

ca. 100 mal).

Spontanencephal i t i s bei einem Allen. 3 3 5

24 S tunden zur Sektion kam, was die F~rbbarke i t der Zellen sehr beeintr~ichtigte. Es ha t deshalb n icht viel Wert , im einzelnen auf das Nisslbild der GanglienzeUen n~her einzugehen. Das homogene Aussehen der Zellen und die schlechte Dar- stellungsmSglichkeit der Nisslschollen hi~ngt sicherlich mi t den schlechten Fixie- rungsbedingungen zusammen. Daneben allerdings b e o b a c h ~ n wir Zellveritnde- rungen wie dunklen, en t runde ten Kern, Ink rus t a t i on der Golgi-Netze, die zweifel- los mit agonalen oder postmorta len Ver/~nderungen nichts zu tun haben. Sehr hi~ufig, besonders im Ammonshorn sehen wit charakter is t ische Nervenzellumklamme- rungen. Dabei sind diese Bilder denen der menschlichen Pathologie durchaus i~hnlich; es handel t sich dabei um St~bchenzellen, die die Nervenforts/t tze und

Abb. 4. Fettbild yon einem Markstrahl, der eine starke herdff;rmige Fettansammlung zeigt (Vergr. ca. 100real).

den Zelleib der vers Ganglienzelle umklammern. Schliefllich wird die Zelle aufgelSst und es resul t ier t ein kleines Gliah~ufchen; es is t also dami t zu einer v611igen Subst i tu t ion der Ganglienzelle durch Gliaelemente gekommen. Die vorhin schon erw~thnten entziindlichcn Veri~nderungen, die am s ts in dell t ieferen Rindenpar t i en beobachte t werden, greifen manchmal auch tier ins Mark hinein. Dabel kommt es zu st/ irkeren perivaseul~tren Gliareaktionen, zu Ansamm- lungen yon Oligodendroglia- und St~bchenzellen. An vereinzelnten Stellen setzt auch eine lebhafte Gefs cin (Abb. 3). Diese t re ten dann besonders bei schwaeher Vergr613erung s tark hervor. Dabei sehen wir neben den St~bchen- zellen auch protoplasmatische Gliaformen und grSi]ere Elemente, die man als Polyblas ten bezeichnen kann. Auch die Stammgangl ien sind yon entzi indlichen Ver~nderungen n ieh t ganz verschont , und man sieht dor t besonders im 8 t r i a tum Gef~flinfiltrate. Die St/~bchenzcllen t re ten dabei n ich t so hervor wie in dcr Rinde. An manchen Gefi~Ben is t P igment in KSrnehenzellen gespeichert. Als kaum ver[indert erweisen sich das Kleinhirn und die Medulla oblongata, wenn man

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yon Zellver~nderungen absieht, die aber sicher mit den schleehten l~ixierungs- bedingungen zusammenh~ngen. Nur im Kleinhirnmark und im Vliess des Nucleus dent. stSBt man auf einzelne perivascul~re Infiltrate. Dcr Nucleus dentatus zeigt gelegentlich progressive Gliaelemente. Im Riiekenmark ist bis auf einzelne gering- gradige Infiltrate nichts Pathologisches festzustellen.

Ein ungewShnliches Bild bietet die Eisenf~rbung, bei der wir eine feine peri- vascul~re Eisenspeicherung beobaehten, die aber nicht iiberall zu sehen ist, wo wir st~rkere entziindliche Erscheinungen in dcr l~indc treffen. Am deutlichsten zeigt sie sieh an den Stellen, woes schon zu eincr Gef~Bprolffcration und zu st~rkerem Abbau gekommen ist. ~u sehen dann das Eisen in Adventitialelementen und in FettkSrnchenzellcn gespeichert, gelegentlieh aber auch als feine KSrnchen pol- st~ndig in St~bchenzellen.

Markscheidenf~rbungen durch verschiedene Rindenregionen zeigen nichts AuBergewShnliches. Im Fettbild erkennt man gelegentlich eine starke Ansamm- lung yon FettkSrnchenzellen, besonders um MarkgefaBe, die schon auf gewisse Abbauvorg~nge schlie~en lassen. Dabei ist das Fet t feintrSpfig in Gitterzellen und Adventitialzellen gespeichert. Manchmal hegt es auch frei im Gewebe. An manchen Stellen ist die Marksubstanz iibersat von kleineren Fettherden (Abb. 4), wobei die Fettropfen meist um Capillaren liegen. Im Bielsehowskybild ist auffallend, dab dab sich in tieferen Schichten und im Mark grol~e knorrige Astrocyten mit anf~rben.

Zusammen/assung: Bei e inem Al len , de r piStz l ich s t a rke psych i sche Ve rande rungen zeigt und bei dem klonische K r a m p f e b e o b a c h t e t werden, w i rd eine ziemlieh ausgedehn te diffuse Encepha l i t i s fes tges te l l t , dig sieh vorwiegend an die l~inde h~lt . Man b e oba e h t e t d icke I n f i l t r a t - m a n t e l y o n P lasmaze l l en u n d L y m p h o c y t e n , s t a rke G] iawueherung, besonders yon St~bchenzel len und Nervenze l lun te rgang . I m Mark i s t es an e inzelnen Ste l len zu ausgepr~g tem Markseheidenzer fa l l gekommen , m i t a l len Anze ichen des f r ischen F e t t a b b a u e s . Die E i sen reak t i on war pos i t iv , abe r n ich t an al len Stel len u n d dabe i war das Eisen in A d v e n t i t i a l - zellen yon Gefa~en gespeieher t , ge legenthch aueh po l s tgnd ig in S t ~ b c h e n - zellen.

Der Prozel] h a t in de r A r t de r l~eakt ion eine gewisse Ahn l i chke i t m i t de r mensehhchen Pa ra ly se ; die E i s en rea k t i on is t a l lerdings y o n ande re r Ar t , denn sic i s t in d iesem Fa l l e re in lokal beschr~nk t auf S te l len wo wir eine s t a rke re Gef~l~proliferation beobach ten . Auffa l lend i s t auch das Ve rha l t en des Marks, wo, wie das F e t t p r ~ p a r a t zeigt , gaILz frisehe, s t i i rmisehe Abbaue r sche inungen e ingesetz t haben , ohne da6 das Marksehe idenb i ld an diesen Stel len wesent l iehe Aufhe l lungen aufweis t .