sound branding – klang und musik in der markenkommunikation
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Hausarbeit AV-KommunikationTRANSCRIPT
Berlin, den 24.09.2007
Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07
Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation
Jan Schmiedgen / Matrikelnummer 357275 (2. Semester / Bachelor)
vorgelegt bei Prof. Barbara Kirchner.
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Jan Schmiedgen
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Inhalt 1 Einleitung ................................................................... 6
2 Das Konstrukt der Markenidentität............................ 7 2.1 Corporate Design.................................................................................. 8 2.2 Multisensuelle Markenkommunikation................................................. 9
3 Auditive Wahrnehmungsphänomene........................ 13
4 Sound Branding........................................................ 15 4.1 Begriffsabgrenzungen .......................................................................... 15 4.2 Sinn und Nutzen von Sound Branding................................................ 17 4.3 Die Elemente einer Sound Identity...................................................... 18 4.4 Praxisbeispiele ..................................................................................... 26 4.4.1 Siemens................................................................................................... 27 4.4.2 Deutsche Telekom .................................................................................. 29 4.4.3 Audi........................................................................................................ 29
5 Kritik und Fazit ........................................................ 30
6 Anhang ..................................................................... 31
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Abbildungsverzeichnis Corporate Identity und Corporate Image (© Meta Design® 2007; vgl. Birkigt/Stadler 2002, S. 23) .................................................7
Verteilung der Sinneseindrücke der menschlichen Wahrnehmung; eigene Darstellung in Anlehnung an Kilian 2005...........................................................10
Auswahl von Markenkontaktpunkten mit Sound Branding-Potential (Vattenfall 2006) 11
Zusammenhang zwischen »globaler« (Corporate) Sound Identity und Brand Sounds (nach Ringe 2005, S. 51) ........................................12
Die Corporate Sound-Basiselemente (nach MetaDesign®/Westermann 2007)................18
Gestaltungsprinzip des visuellen und akustischen Signets der Deutschen Telekom ........19
Nokia Tunes .................................................................................................................20
Kategorisierung von Produktgeräuschen (Kastner 2006, S. 88)......................................26
Fibonacci-Zahlenfolge ...................................................................................................27
Das Fibonacci-Prinzip in seiner klanglichen Umsetzung als Signatur bei Siemens (Siemens 2007) .......................................................................27
Das Siemens-Closing mit Markennamensnennung und akustischer Signatur (Siemens 2007) ......................................................................28
Zusammenspiel von Sound Branding Elementen (Siemens 2007) .................................28
Definitionen Sound Branding ............................................................................................................15
Brand Sound Identity, Corporate Sound Identity..........................................................16
Brand Sound, Corporate Sound ....................................................................................16
Tabellenverzeichnis Reizkombinationen zweier Sinnesmodalitäten (nach Kilian 2007, S. 218) .....................10
Die Ebenen eines Soundscapes (Vgl. Bronner 2007, S. 89, Siemens 2007) ....................22
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Abkürzungsverzeichnis
bzgl. Bezüglich
bzw. beziehungsweise
d. h. das heißt
et. al. et altera
ggf. gegebenenfalls
Hrsg. Herausgeber
i. d. R. in der Regel
o. ä. oder ähnliche(s)
o. g. oben genannte(n)
o. J. ohne Jahresangabe
S. Seite(n)
sog. sogenannte(n)
u. a. unter anderem
u. U. unter Umständen
z. B. zum Beispiel
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1 Einleitung
Mit den Menschen ist es wie mit den Hasen -
man muss sie bei den Ohren packen. (Mirabeau 1791)
Vor über 2.300 Jahren stellte Aristoteles fest, dass der Mensch fünf Sinne habe: das
Sehen, das Hören, das Schmecken, das Riechen und das Tasten. Diese Vorstellung erfreut
sich bis heute großer Beliebtheit, obwohl die moderne Physiologie sich einig ist, dass es in
Wahrheit sogar mindestens neun1 sind.
Aber allein die fünf klassischen Sinne – so ist sich die moderne Markenführung einig –
bieten ein enormes Potential, das man sich zu Nutze machen könnte: Das Stichwort
„Multisensorische Markenführung“ geistert daher seit Jahren unbeirrt durch Fachmedien.
Marken (speziell auch Unternehmensmarken) sollen sinnlich erfahrbarer werden und sich
im steten Kampf um Aufmerksamkeit und Konditionierung ihrer Bezugsgruppen einen
einzigartigen Platz auf der mentalen Landkarte jener sichern. Daran ist grundsätzlich
nichts auszusetzen – im Gegenteil: die konsequente Übersetzung der Marken-
persönlichkeit in alle sinnlich wahrnehmbare Kanäle ist ein wesentlicher Schlüssel für den
Markenerfolg. Umso verwunderlicher ist es aber, wenn man bemerkt, dass in der Praxis
von fünf Kanälen oft nur einer professionell und strategisch genutzt wird: der Visuelle.
Während in der visuellen Kommunikation viel Aufwand und Forschung betrieben wird,
wie es am besten gelingt, Markenwerte und –botschaften adäquat ins Visuelle zu
übersetzen und strukturiert zu nutzen, wurden die restlichen vier Sinne in der
Vergangenheit eher vernachlässigt. Erst in jüngster Zeit gewinnt ein wichtiger Kanal
zunehmend an Bedeutung: das Hören.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher, sich mit dem »neuen« Feld der akustischen
Markenkommunikation auseinanderzusetzen. Dabei soll in Kapitel 2 zunächst eine
thematische Einordnung in bestehende Konzepte und Modellvorstellungen erfolgen.
Kapitel 3 reißt kurz ausgewählte Wahrnehmungsphänomene an, die die Bedeutung
auditiver Sinneswahrnehmungen stützen. Auf eine detaillierte Auseinandersetzung mit der
Physiologie des Hörens wird aber im Sinne einer Fokussierung der Arbeit verzichtet.
1 Die Thermozeption (Temperatursinn), Nozizeption (Schmerzempfindung), der Gleichgewichtssinn sowie die Propriozeption (Körperempfindung oder Tiefensensibiliät).
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Desweiteren werden wichtige Schlüsselbegriffe erläutert, von einander abgegrenzt und,
soweit vorhanden, Parallelen zur visuellen Markengestaltung aufgezeigt. Die Vorteile
strategisch-akustischer Markengestaltung werden in Kapitel 4.2 skizziert und mit drei in
der Praxis sehr erfolgreichen Beispielen (Kapitel 4.4) abgerundet.
2 Das Konstrukt der Markenidentität
Den Ausgangspunkt jedweder Markenkommunikation bildet die Unternehmens- bzw.
Markenidentität (Corporate- bzw. Brand Identity). Nach der klassischen Definition1 ist
Corporate Identity die strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und
Verhaltensweise eines Unternehmens nach innen und außen auf der Basis einer
»festgelegten2« Unternehmensphilosophie, langfristiger Unternehmenszielsetzungen sowie
eines definierten (Soll-) Images, mit dem Willen, alle Handlungsinstrumente des
Unternehmens in einheitlichem Rahmen nach innen und außen darzustellen (vgl.
Birkigt/Stadler 2002, S. 18). Sie umfasst drei Dimensionen: Corporate Culture (oder
Corporate Behaviour), Corporate Communications und Corporate Design. Ziel ist, alle
drei Dimensionen dergestalt in Einklang zu bringen (KERK-Prinzip3), dass über die Zeit
bei den avisierten Anspruchsgruppen das vom Unternehmen intendierte (Soll-) Image
entsteht (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Corporate Identity und Corporate Image (© Meta Design® 2007; vgl. Birkigt/Stadler 2002, S. 23)
1 Zur Kritik am klassischen CI-Verständnis vgl. Hermann 1999, Rughase 2007 2 Eine Unternehmenskultur und somit ein philosophieformendes Prämissensystem (Schein 1995) kann man nicht »festlegen«, es wird von vielen Faktoren beeinflusst (vgl. Hatch 2005; Hatch/Schultz 2000). 3 KERK = Konsistenz, Einzigartigkeit, Reziprokität und Kontinuität (Kilian 2007, S.55)
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Neben den drei genannten Dimensionen spielt aber auch die Marken- und
Produktkommunikation – im Sinne eines Corporate Branding – eine gewichtige Rolle im
Aufbau der Corporate Identity. Denn oft müssen Unternehmen komplexe
Markenportfolios managen, denen eine strategisch angelegte Markenarchitektur zugrunde
liegt. So bedienen sich z. B. Unternehmen wie Virgin oder Siemens eines Markenhauses
(Branded House1), während Unilever oder Procter & Gamble die Strategie eines »Haus der
Marken« (House of Brands2) verfolgen, wo jede Marke mit eigenständiger Brand Identity
geführt wird. Ich möchte der Einfachheit halber im Folgenden von einem Markenhaus
ausgehen, weshalb die Begriffe Corporate Identity, Brand Identity oder Corporate Brand3
synonym verwendet werden.
2.1 Corporate Design
Eine der vielen Aufgaben einer Brand Identity ist es, Widersprüche in der
Kommunikation nach innen und außen zu vermeiden. Sie muss an allen
Markenkontaktpunkten (Brand Touchpoints) auf die gleiche Art und Weise erlebbar
sein. Dabei soll sie sich aber nicht durch stumpfes Wiederholen (von Botschaften oder
Gestaltungsdogmen) in den Köpfen ihrer Anspruchsgruppen verankern, sondern durch
die geschickte, selbstähnliche Reproduktion (vgl. Kilian 2007, S.55) von sinnlicher
Erfahrung und kommunikativen Inhalten.
Eine Schlüsselrolle dabei nimmt das Corporate Design ein. Im Idealfall bietet es, als ein
strategisch aus der Markenidentität abgeleiteter gestalterischer Rahmen, eine Plattform für
die spannende »Variation des Immergleichen« (vgl. Birkigt/Stadler 2002, S.21). Es macht
die Markenpersönlichkeit sinnlich erlebbar und ist Garant für Wiedererkennung,
Differenzierung und Identifikation. Die vorherrschende Reduzierung von Corporate
Design auf das visuelle Erscheinungsbild einer Marke ist nicht mehr zeitgemäß. So fordert
z. B. Olins bezüglich der Persönlichkeit eines Unternehmens: „Sie sollte sich in der
visuellen Identität eines Unternehmens widerspiegeln.“ (Olins 1990, S.132)
Muss sich denn aber die Persönlichkeit einer Marke nicht in allen Identitätsäußerungen
wieder finden? Selbstverständlich muss sie: Erst recht im Zuge der ständig steigenden
medialen Reizüberflutung, zunehmender Differenzierungsschwierigkeiten verbunden mit
einem hohen Wettbewerbsdruck im Buhlen um die Aufmerksamkeit markenrelevanter
1 Fast alle Produkte werden unter dem Dach der Unternehmensmarke angeboten. Unternehmens- und Markenidentität sind somit fast deckungsgleich und unterscheiden sich nur in kommunikationsstrategisch angelegten Nuancen. 2 Unternehmens- und Markenidentität stehen besonders in der Kommunikation nach außen in keinem engen Zusammenhang und weichen mehr oder weniger voneinander ab. 3 Zum Verständnis von Unternehmen als Marken: Deekeling 2004, Esch 2004
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Anspruchsgruppen. Hier kommt die Notwendigkeit multisensueller
Markenkommunikation ins Spiel.
2.2 Multisensuelle Markenkommunikation
Die Überbewertung des Visuellen „Menschen nehmen ihre Umgebung zu jeder Zeit und an jedem Ort mit allen fünf
Sinnen wahr und treffen ihre Entscheidungen aufgrund ihrer multisensualen Eindrücke,
egal ob bewusst oder unbewusst. In jedem Fall [...] lösen verschiedenen Sinneseindrücke
unterschiedliche Assoziationen aus und sprechen unterschiedliche Werte an, die Kauf
auslösend und Wahl entscheidend sein können“ (Kilian 2007, S. 225) Dennoch ist es
erstaunlich, wie viele Marken zwar großen Wert auf eine bewusste Sichtbarmachung ihrer
Identität über das Visuelle legen, die restlichen Kanäle aber in kaum oder gar nicht
bewusst im Sinne eines strategischen Designs gestalten. Wenn diese dem Zufall überlassen
werden und ihre Wirkungen ungesteuert entfalten, kann dies im schlimmsten Fall die
Markenidentität konterkarieren. Dabei ist erwiesen, dass verschiedene Sinnesmodalitäten
gemeinsam wirken und im Zusammenspiel eine ungleich größere Wirkung entfalten1 als
monomodal (vgl. Kilian 2007, S. 217; Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S. 90).
Laut Kilian laufen 70-80% aller Entscheidungen aufgrund gespeicherter Reiz-
Reaktionsmuster unbewusst ab. Das heißt, wir beziehen vielfach gar nicht wissentlich alle
Informationen bei einer Entscheidungsfindung ein –unser Gehirn jedoch schon (vgl.
Kilian/Brexendorf 2005, S. 13). Darüber hinaus kann die multimodale Sinnesreizung
synästhesieähnliche Effekte2 hervorrufen (siehe Tabelle 1). Während echte Synästhesie
eher selten ist, kann sich die Markenkommunikation aber das Phänomen der Irradiation
zu Nutze machen: „Während bei der Synästhesie eine intermodale Reizübertragung
stattfindet, zielt die Irradiation auf die Beurteilungsübertragung von einem
Produktmerkmal auf ein anderes.“ (Kilian 2007, S.218) So beeinflusst beispielsweise die
Farbe von Margarine ihren wahrgenommenen Fettgehalt (vgl. Linxweiler 2004, S. 68).
Irradiationen sind also »unechte Synästhesien«, die als gedankliche Verknüpfungen in
unserer Vorstellung entstehen.
1 Auch die Erinnerungsfähigkeit und Abrufbarkeit erhöht sich. 2 »Echte synästhetische Effekte« sind relativ selten. Man schätzt, dass in Deutschland rund 100.000 Personen in der Lage sind, zu einem Sinnensreiz zwei oder mehr Wahrnehmungen zu haben. So können Synästhetiker beispielsweise Geräusche nicht nur hören, sondern auch in Formen und Farben sehen.
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Modalität Geruch Geschmack Hören Sehen
Geschmack Aroma
Hören Akustische Geruchs-assoziation
Akustische Geschmacks-assoziation
Sehen Duftbilder Optische Geschmacks-assoziation
Akustische "Szenen"
Tasten Gefühlter Geruch Mundgefühl Akustisches Fühlvermögen
Optisch-haptische Formqualität
Tabelle 1: Reizkombinationen zweier Sinnesmodalitäten (nach Kilian 2007, S. 218)
In einer gezielten multisensualen Markengestaltung und dem entsprechendem Aufbau
von Irradiationen bei den avisierten Anspruchsgruppen (vgl. auch Kapitel 3 Auditive
Wahrnehmungsphänomene: Visual-Transfer Effekt) liegen daher vielfältige
Möglichkeiten und ungenutzte Potentiale, sich die Zusammenhänge zwischen den fünf
Sinnen zu Nutze zu machen.
akustisch 11,0% Ohren
gustatorisch 3,5% Nase
haptisch 1,5% Haut/Bewegung
olfaktorisch 1,0% Zunge
optisch 83,0% Augen
Abbildung 2: Verteilung der Sinneseindrücke der menschlichen Wahrnehmung1; eigene Darstellung in Anlehnung an Kilian 2005
Abbildung 2 zeigt, dass das Hören gleich nach dem Sehen die menschliche
Wahrnehmung entscheidend dominiert. Da in den meisten Fällen medial vermittelter
Kommunikation nur diese zwei Kanäle bedient werden können und die Bedeutung des
Sehsinns in der Literatur ausreichend gewürdigt wurde, beschränke ich mich im
Folgenden nur noch auf den Einsatz des Auditiven in der Markenkommunikation.
1 Vgl. Braem 2004, S. 192, Linxweiler 2004, S. 49
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Sound Branding als Bestandteil des Corporate Designs Zunächst gilt festzuhalten: Alle bewusst gestalteten Äußerungen einer Markenidentität
sollten dem Corporate Design (zum Begriffsumfang von »Design« vgl. Hardt 2006)
zugeschrieben werden (vgl. Westermann 2007). Also auch Klangliche. Interessanterweise
gibt es viele Parallelen und Anknüpfungspunkte zwischen der visuellen und akustischen
Gestaltung eines Corporate Designs, auf die ich im Rahmen dieser Arbeit immer einmal
kurz hinweisen werde.
Wie bereits erwähnt, ist es wichtig, über alle Markenkontaktpunkte (sowohl in der
internen als auch der externen Kommunikation) ein konsistentes Erscheinungs- und
Klangbild der Marke zu erzeugen, das ihr einen unverwechselbaren Look-Listen-And-Feel1
verleiht. Dabei stellen – wie Abbildung 3 zeigt – ganz besonders die modernen
Kommunikationsmedien erstaunliche viele Möglichkeiten zur akustischen
Identitätsvermittlung zur Verfügung.
Abbildung 3: Auswahl von Markenkontaktpunkten mit Sound Branding-Potential (Vattenfall 2006)
1 In Anlehnung an den Begriff »Look-and-Feel«, der die visuelle und inhaltliche Anmutung einer Gestaltung beschreibt.
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Ebenso wie die visuelle Gestaltung eines Corporate Designs Freiräume für eine angepasste
Gestaltung von Produkt- oder Submarken (z. B. Tochterunternehmen im Rahmen einer
Dachmarkenstrategie → siehe Kapitel 2 Das Konstrukt der Markenidentität) lassen kann,
ist dies auch in der akustischen Markengestaltung möglich. Ein aus der Markenidentität,
unter Berücksichtigung von Markenwerten und –attributen, abgeleiteter
Klangestaltungsrahmen kann als übergeordnete Instanz dienen. Er bestimmt als
»gestalterische Leitplanke« das Design untergeordneter Marken, ohne ihnen wichtige
kreative Interpretationsspielräume zu nehmen (vgl. Westermann 2007; Ringe 2005, S. 50
ff.). Bei Monomarken oder weniger komplexen Architekturen „kann ein einheitliches
Audio Branding bereits die ganze Acoustic Corporate Identity darstellen“ (Ringe 2005,
S.50).
Abbildung 4: Zusammenhang zwischen »globaler« (Corporate) Sound Identity und Brand Sounds (nach Ringe 2005, S. 51)
Warum aber ist unser Hörsinn so prädestiniert für eine strategische Ausnutzung in der
Markenkommunikation? Aus welchen Komponenten besteht nun eine Sound Identity?
Und wie kann man die vielen bereits gefallenen Begriffe gegeneinander abgrenzen? Dies
sollen die nächsten Kapitele klären.
Brand Sound / Audio Branding(Produkt-) Marke
B
Brand Sound / Audio Branding (Produkt-) Marke
A
Brand Sound / Audio Branding (Produkt-) Marke
C
Sound Identity
Allgemeine Richtlinien zurakustischen Identität
Audio Branding des Unternehmens / Konzerns
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3 Auditive Wahrnehmungsphänomene
Das menschliche Ohr ist nach dem Auge unser wichtigstes Sinnesorgan.
So ist der Hörsinn der erste Sinn, mit dem ein ungeborener Mensch seine Umwelt
wahrnimmt. Bereits eine Woche nach der Befruchtung der Eizelle sind mit dem
Mikroskop kleine Ohr-Ansätze am Embryo zu sehen. Schon in der
28. Schwangerschaftswoche reagieren Föten auf Geräusche.
Die menschliche Hörschnecke ist in der Lage 7.000 verschiedene Tonhöhen
auseinanderzuhalten. Besonders unser musikalisches Gedächtnis ist enorm. Noch nach
Jahrzehnten kann ein wichtiges Musikstück aus unserer Jugend starke Emotionen und
Erinnerungen wecken (vgl. Raffaseder 2007, S. 107). Dies hängt damit zusammen, dass
das Gehör mit der Interpretationsfähigkeit des Gehirns verknüpft ist, das z. B.
musikalische Grundmuster gespeichert hat: Bestimmte Melodien oder Klänge können
somit bestimmte Erinnerungen und Empfindungen auslösen (Emotionalisierung durch
Assoziation → vgl. Stadler 2005, S. 28).
Obwohl sich Licht schneller ausbreitet als Schall, verarbeitet das auditive System des
Menschen physiologisch gesehen Reize um ein vielfaches schneller als das visuelle System.
„Im Gegensatz zum Auge lässt sich das Ohr nicht einfach verschließen. Außerdem ist es
an keinen Blickwinkel gebunden und nimmt stets alle Schallsignale in einem Raum auf.“
(Raffaseder 2007, S. 105) Das damit einhergehende Reizdatenaufkommen ist viel zu groß
um es bewusst wahrzunehmen. Daher wird ein Großteil jener Signale – „die unbewusst
Stimmungen und Emotionen erzeugen und damit unser Handeln beeinflussen“
(Langeslag/Hirsch 2003, S. 233) –unbewusst wahrgenommen. Wir nehmen sie wahr,
aber »blenden« sie aus. Z. B. stört uns das Plätschern eines Baches oder das gleichförmige
Rauschen von Autos auf einer Straße nicht und lässt uns ruhig schlafen. Sobald aber der
Wecker klingelt oder ein anderes ungewohntes Geräusch ertönt, schnellen wir hoch. In
der Wissenschaft hat sich daher der Begriff des Cocktailpartyeffektes für das Phänomen des
gleichzeitig bewussten und unbewussten Hörens etabliert. Er beschreibt die Situation, in
der ein im Hintergrund laufendes Gespräch während des eigenen Gespräches völlig
ausgeblendet werden kann. Fällt jedoch ein Schlüsselbegriff, beispielsweise der eigene
Name, wird unsere Aufmerksamkeit sofort auf das andere Gespräch gelenkt. Man geht
daher davon aus, dass das Gehirn akustische Signale nach Relevanz sortiert und
entsprechend bewusst oder unbewusst wahrnimmt (vgl. Ringe 2005, S. 26; Raffaseder,
S. 106)
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Prägnante Klänge und Geräusche sind daher geradezu prädestiniert für einen Einsatz in
der werblichen Anwendung (zur genauen Abgrenzung und Begriffsbestimmung von
Schall, Geräusch, Ton und Klang siehe Kastner 2006, S. 74 ff): So können auditive
Elemente in der Markenkommunikation aufmerksamkeitsaktivierend wirken und die
Erinnerbarkeit1 (Recall) verstärken (vgl. Ringe 2005, S. 29ff; Raffaseder 2007, S.107ff; ).
Darüber hinaus sorgt der so genannte Visual Transfer Effekt für assoziative Erinnerungen
bei der Wahrnehmung von Klängen (oder Gerüchen). So werden visuelle Bilder, die in
vergangenen Rezeptionssituationen aufgenommen wurden, in unserem Gehirn wieder
aktiviert, wenn wir bestimmten akustischen Reizen ausgesetzt werden (vgl. Imas 2005). Z.
B. kann Ein Radiospot, der mit den gleichen akustischen Signalen wie sein TV-Pendant
arbeitet, diese Bilder aus der Erinnerung hervorrufen.
Wie wichtig das Hören ist, zeigt sich aber auch besonders im Zusammenspiel mit der
visuellen Wahrnehmung. So steht z. B. in den Filmwissenschaften der Begriff der
»Polarisation« für die gegenseitige Beeinflussung von Ton- und Bildwahrnehmung, um
die Interpretation von Filmrezipienten gezielt zu lenken:
BEISPIEL
Lufthansa Werbespot
Der Film zeigt in einer Kreisfahrt ein fliegendes Flugzeug von außen. Nach dem Schnitt zeigt
eine Kamerafahrt das Innengeschehen des Sitzganges mit Stewardessen, die emsig ihre
Vorbereitungen treffen. In einer Variante des Spots begleitet eine hektische schnelle Musik das
Geschehen, in der anderen eine sanfte Langsame. Beide Male jedoch werden die gleichen
Filmsequenzen gezeigt. Wir nehmen je nach musikalischer Untermalung das Fliegen als
anstrengend oder als relaxend wahr.
1 Nicht umsonst ist das gesungene Lied eine der ältesten Überlieferungsformen der Menschheit. Texte, Inhalte oder Botschaften bleiben einfach besser im Gedächtnis, wenn sie z. B. gesungen werden.
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Dabei braucht es noch nicht einmal das Zusammenspiel mit visuellen Reizen, um
Emotionen zu erzeugen: Musik ist ein universeller Code1, der in der Lage ist, per se zu
emotionalisieren ohne dass der Rezipient seine Bedeutung erst »erlernen« muss. Sie ist so
in der Lage, ohne Bedeutungsaufladung affektiv-emotional im Rezipienten zu wirken.
Das macht sie unabhängig von Dechiffrierungsfähigkeiten und kulturellem
Bedeutungswandel2 (vgl. Stadler 2005, S. 46). Der Grund dafür liegt in ihrer neuro-
physiologischen Verarbeitung, die unbewusst im limbischen System des Menschen
erfolgt, dass u. a. – so wird vermutet – für die Steuerung von emotionalen Empfindungen
zuständig ist (vgl. Stadler 2005, S. 28).
4 Sound Branding
Da das Forschungsgebiet recht jung ist und sich in der überschaubaren Literatur zum
Thema noch keine einheitlichen Fachtermini etabliert haben, soll das folgende Kapitel
zunächst die vielen (teilweise auch in dieser Arbeit) synonym verwendeten Begriffe
definieren. Im Folgenden werden dann die Ziele von Sound Branding sowie die einzelnen
Elemente von Brand Sounds genauer erläutert.
4.1 Begriffsabgrenzungen
Die folgenden drei Definitionen nach Bronner/Hirt 2007 (S. 11-12) genießen derzeit
einen breiten Konsens:
Sound Branding (Audio-Branding, Sonic Branding, Acoustic Branding)
Bezeichnet den Prozess des Markenaufbaus und der Markenpflege durch den Einsatz
von akustischen Elementen im Rahmen der Markenkommunikation.
Definition 1: Sound Branding
1 In der visuellen Kommunikation müssen die Bedeutungen von Symbolen zunächst gelernt (codiert) werden, ehe sie emotionale Wirkungen beim Rezipienten entfalten können(emotionale Aufladungen). Die Codierungen sind meist kulturell determiniert. So hat z. B. eine Swastika (Hakenkreuzsymbol) in Indien eine glücksbringende Bedeutung., während sie in großen Teilen der westlichen Welt negativ belegt ist. 2 Dies soll nicht heißen, dass Musik nicht auch symbolisch aufgeladen werden könnte oder sie keinen kulturellen Einflüssen unterliege.
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Die Brand Sound Identity, Corporate Sound Identity (akustische Markenidentität,
Akustische Unternehmensidentität, Akustisches Markenprofil) bildet die
Orientierungsgrundlage für den akustischen Markenauftritt (Unternehmensauftritt)
und den Einsatz akustischer Branding-Elemente. Sie kommt im Brand Sound
(Corporate Sound) zum Ausdruck und stellt die akustische Identität einer Marke
(eines Unternehmens) dar.
Definition 2: Brand Sound Identity, Corporate Sound Identity
Brand Sound, Corporate Sound
Die akustische Dimension des Brand Design (Corporate Design). Spiegelt die
akustische Identität einer Marke (eines Unternehmens) wieder und wird durch seine
(Audio-Branding-)Basiselemente (Audio-Logo, Brand Song, Brand Voice etc.) hörbar.
Definition 3: Brand Sound, Corporate Sound
Die o. g. akustischen Basiselemente sind analog zum visuellen Corporate Design jene
Komponenten, auf denen Brand Sounds ihre Gestaltung aufbauen. Ihre Funktionen und
Gestaltungskriterien werden im Kapitel 1 (Die Elemente einer Sound Identity) genauer
erläutert.
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4.2 Sinn und Nutzen von Sound Branding
Oberstes Ziel von Sound Branding ist, das Hören als wichtigen Wahrnehmungskanal
(siehe 3 Auditive Wahrnehmungsphänomene) zu nutzen und die Marke über das Gehör
auditiv zu inszenieren, da ein ganzheitlicher Markenauftritt, wie bereits in Kapitel »2.2
Multisensuelle Markenkommunikation« gezeigt, entscheidend für den Wettbewerbserfolg
ist und in Zukunft gar noch zunehmen wird. Der Corporate/Brand Sound muss dabei die
akustische Präsenz der Marke im gesamten Auftritt bilden und nicht nur als »werbliche«
Maßnahme. Gelingt es der Marke Klangerlebnisse dergestalt zu inszenieren, dass diese im
Einklang mit allen anderen Markendimensionen stehen (selbstähnlicher Klangkorridor
für eine ständige Neuinszenierung), so sind die Voraussetzungen für die folgenden
Nutzendimensionen erfüllt (vgl. Ulrich 2007, S. 135 ff.; Kastner 2006, S. 188):
→ Differenzierung
→ Wiedererkennung
→ Emotionalisierung
→ Identifikation
Klang führt beim Rezipienten dazu „Marken schnellstmöglich zu erkennen und zu
differenzieren“ (Ulrich 2007, S. 136), da sie akustische Reize jenseits ihrer
Aufmerksamkeit, teils sogar unterbewusst, erreichen. Durch die Nutzung einer weiteren
sensuellen Ebene wird so die Markenkonditionierung beschleunigt und langfristig das
Markenimage gestärkt. Aber auch der Fakt, dass Musik und Klangelemente affektiv-
emotionale Wirkungen (vgl. Stadler 2005, S. 46) auslösen können spielt eine große Rolle.
So kann die Marke emotional aufgeladen werden und evtl. vorhandene Abwehrhaltungen
oder Distanzierungen des Rezipienten vorbeugen. Dies wird noch durch den Fakt
begünstigt, dass klanglich-musikalische Botschaften leichter als Textbotschaften
verarbeitet werden, da sie geringerer kognitiver Anstrengung bedürfen (vgl. Bronner
2007, S. 93). Aber auch der Visual-Transfer-Effekt und die Ungerichtetheit unseres
Hörsinns (der Rezipient kann wegschauen aber nicht weghören) sind gewichtige
Argument für den Einsatz von Sound Branding.
Neben einer besseren Ausschöpfung der Multidimensionalität einer Marke schafft ein
Brand Sound darüber hinaus auch Synergien für zukünftige Soundanwendungen. So
bietet er neben effizienterer Kommunikation und Konsistenzverbesserungen auf
betriebswirtschaftlicher Ebene auch Kostenersparnisse.
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4.3 Die Elemente einer Sound Identity
Aus welchen Komponenten besteht nun aber eine Sound Identity? Auch hier gibt es
unterschiedliche Betrachtungsweisen (vgl. Bronner 2007, S.84 ff.; Kastner 2006, S. 77 ff.;
Ringe 2005, S. 40 ff.; Westermann 2007) und Begrifflichkeiten. Die wichtigsten
Basiselemente jedoch erfüllen in der Literatur alle die gleiche Funktion und sind in
Abbildung 5 dargestellt. Darüber hinaus gibt es noch Sonderformen akustischer
Kommunikation, wie z. B. Jingles, akustische Icons und Symbole, sowie alle Arten von
Produktsounds, die dieser Kapitel auch kurz erläutern wird.
Abbildung 5: Die Corporate Sound-Basiselemente (nach MetaDesign®/Westermann 2007)
Die akustische Signatur Die akustische Signatur, auch akustisches Signet, Audio Logo oder Sonic Logo genannt,
ist ein auditives Symbol der Marke und das »Herzstück« einer Sound Identity. Sie besteht
meist aus einer kurzen Tonfolge (z. B. Telekom, Intel) oder einem Geräusch (z. B. BMW
→ Amboss, Audi → Herzschlag). Ein Sonderfall ist der gesungene Markenname, der als
Gestaltungsvariante heute meist vernachlässigt wird und eher dem Jingle zuzuordnen ist
(vgl. Kastner 2007, S.79). Eine akustische Signatur und ein Jingle können zwar in engem
Bezug zueinander stehen, sollten aber nicht miteinander verwechselt werden.
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Abbildung 6: Gestaltungsprinzip des visuellen und akustischen Signets der Deutschen Telekom
Folgenden Anforderungen muss ein akustisches Signet genügen: Marken-Fit1 (Spiegelt es
die Identität der Marke?), Einprägsamkeit, Flexibilität, Prägnanz und
Unverwechselbarkeit2. Dabei fällt auf, dass die gleichen Kriterien auch für die Entwicklung
visueller Signets gelten. Die Parallelen und Grundmuster zwischen visueller und
akustischer Gestaltung im Rahmen eines Sound Branding gehen aber noch viel weiter: So
orientiert sich die Struktur akustischer Signaturen oft an derjenigen von visuellen Logos.
So korrelieren z. b. visuelles und akustisches Signet der Deutschen Telekom sehr stark mit
einander. Die Wortmarke Telekom besteht aus fünf Elementen, vier magentafarbenen
Quadraten, den sog. Digits, sowie dem prägnanten Telekom-»T«. Analog zum
Logoaufbau erklingen daher fünf Töne (Abbildung 6), die das Gestaltungsprinzip hörbar
machen (vgl. Kastner 2007, S. 79, Ringe 2005, S. 71 ff.) und somit entsprechend codierte
Werthaltungen, Markenattribute oder Botschaften transportieren sollen. Weitere
Beispiele dazu behandelt Kapitel 4.4 Praxisbeispiele.
Ähnlich wie im visuellen – man erinnere sich an die vielfachen Variationen des Nike
„Swoosh“ als gestalterisches Element – wird es auch im akustischen Bereich immer
schwieriger werden, kurze und prägnante Tonfolgen zu kreieren, die über hohes
Differenzierungspotential verfügen, da auch hier der Gestaltungsraum nicht
unerschöpflich ist.
Interessanterweise beweisen manche gelernte »Sounds«, dass eine Marke in Anlehnung an
Watzlawick »nicht nicht klingen kann«. So hat sich z. B. – ob vom Unternehmen gewollt
1 Schafft es das Audio Logo die Markenwerte und -attribute akustisch zu transportieren und somit der Markenpersönlichkeit gerecht zu werden? (vgl. Lepa 2007) 2 Hier ist zum einen der Differenzierungscharakter gegenüber dem Wettbewerb gemeint, zum anderen aber auch eine Eigenständigkeit, die es dem Markeninhaber erlaubt, die Signatur rechtlich vor Nachahmern zu schützen. Dies gestaltet sich im akustischen Bereich schwieriger als im Visuellen, weil die eindeutige grafische Fixierung und Beschreibung von Klang schwierig ist und man sich besonders bei Geräuschfolgen mit Frequenzspektren o. ä. behelfen muss. (vgl. Loeber 2007)
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oder nicht – der typische Nokia Klingelton »Nokia Tunes1« als akustische Repräsentation
der Marke in den Köpfen der Verbraucher eingebrannt.
Abbildung 7: Nokia Tunes
Im Falle Nokia muss dies sicher nichts Schlechtes bedeuten, zeigt aber, dass es besser ist,
die klangliche Gestaltung einer Marke nicht dem Zufall zu überlassen.
Jingle Da die Begriffe Akustische Signatur oder Audio Logo für akustische Markenzeichen relativ
neu sind, werden sie oft auch gern mit dem Terminus Jingle verwechselt. Ein Jingle ist
aber in Abgrenzung zu einer akustischen Signatur die musikalisch-gesungene Vertonung
eines Markenclaims oder -slogans (vgl. Kastner 2006, S. 80, Stadler 2005, S. 52, Bronner
2007, S. 85). Laut Kastner sollte er als „mnemotechnischer Code einfach zu erinnern sein
und sich wie ein Ohrwurm schnell im Gedächtnis der Bezugsgruppen festsetzen [...]“. Die
akustische Signatur und der Jingle sind, ähnlich zu Signet und Claim im »visuellen«
Corporate Design, die kleinsten gestalterischen Einheiten im Sound Branding, in denen
eine Melodie wahrgenommen werden kann.
Da manche Jingles bereits sehr fest im Bewusstsein bestimmter Konsumentengruppen
verankert sind, werden sie auch gerne rein instrumental eingesetzt. Hier ist der Übergang
zum Akustischen Signet teilweise fließend (vgl. Bronner 2007, S. 86) und ein gelernter
Jingle kann – wenn einmal gelernt – als eben solches eingesetzt werden.
Brand Voice Das gesprochene Wort nimmt in der Markenkommunikation eine besondere Stellung
ein. Gestützt durch entsprechende Wording-Richtlinien und eine adäquate Tonality (vgl.
Reins 2006) soll es die Markenpersönlichkeit transportieren und die Erwartungen,
Werthaltungen und Lebenskontexte der angesprochenen Bezugsgruppen reflektieren (vgl.
Lehmann 2007, S.97-101). Da »Persönlichkeit« von »Person« kommt und sich letzteres
aus dem lateinischen »per« (durch oder für) und »sonor« (Klang) zusammen setzt, kann
man den Begriff »Person« auch als »durch den Klang« übersetzen (vgl. Kastner 2007,
1 Wurde 1992 der Komposition »Gran Vals« des Spaniers Franscisco Tárrega (1854-1909) entnommen.
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S. 81). Dies zeigt, dass die Stimme eines der herausragenden aber merkwürdigerweise oft
auch ungenutztesten Merkmale in der Markenkommunikation ist.
Die Auswahl von Sprechern samt der Sprachmerkmale ihrer Stimmen (Prosodie) wie z. B.
Rhythmus, Intonation, Betonung und Tempo sollten daher nicht willkürlich getroffen
werden, sondern den Charakter der Marke reflektieren. Auch hier gibt es wieder
Parallelen zum visuellen Teil eines Corporate Designs: „Genauso wie nicht jedes
Unternehmen Arial oder Helvetica als Hausschrift verwendet, bietet die Sprechstimme
ein hohes Potential, der Marke einen unverwechselbaren Charakter [...] zu verschaffen.“
(Kastner 2007, S. 81-82)
Ein Paradebeispiel für eine gelungene und konsistente Anwendung einer Brand Voice ist
daher z. B. der Möbelhersteller IKEA. Die IKEA-typische Copy-Strategie (einfache joviale
Sprache und gezieltes Duzen) zieht sich vom Informationsblatt über den Katalog bis hin
zum berühmten Off-Sprecher, der mit seinem schwedischen Akzent Sympathien beim
Verbraucher erweckt.
Soundscape Der Begriff »Soundscape« geht auf den kanadischen Komponisten und Klangkünstler
Murray Schafer zurück, der sich selber auch gerne als »Klangökologen« bezeichnete. Er
entwarf um 1970 die ersten Klangteppiche, Klangkulissen, Klangflächen oder Ambient
Sounds, wie sie alternativ auch genannt werden.
Was wir hören, ist unsere klangliche Umwelt, die Gesamtheit der klingenden Umgebung:
der Soundscape. Soundscapes in der akustischen Markenführung sind daher Collagen, die
einen bestimmten Ort in Klängen wiedergeben. Ein Soundscape besteht nicht aus dem
Originalton (O-Ton), also der unveränderten Wiedergabe von Klangereignissen einer
Umgebung. Ein Soundscape ist vielmehr das gestaltete Abbild einer Klangumgebung (vgl.
Kastner 2006, S. 85; Stadler 2005, S. 23-25; Siemens 2007; Westermann 2007).
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Man kann den Soundscape in zwei Ebenen unterteilen:
Grounds Figures
Ein Ground ist eine lange Klangstrecke,
die einen Raum beschreibt oder definiert
→ Länger anhaltende Sounds
(»Streicher-« oder »Synthesizer-Flächen«)
Eine Figure ist ein kurzes Klangereignis,
welches einen bestimmten Ort akustisch zu
identifizieren hilft. → Kurze
Klangereignisse.
Tabelle 2: Die Ebenen eines Soundscapes (Vgl. Bronner 2007, S. 89, Siemens 2007)
Mit der Aufteilung in Grounds und Figures ergibt sich erneut eine Parallele zur visuellen
Gestaltung bzw. Wahrnehmung, denn auch in der auditiven Anwendung gilt das Figur-
Grund-Gestaltprinzip (vgl. Mayer 2005, S. 73 ff.).
BEISPIEL
O2 - can do
Der Telekommunikationsanbieter unterlegt seine Werbespots mit »weichen«, »sphärischen«
Klangflächen, die die charakteristische Bildwelt mit den blubbernden Wasserblasen akustisch
unterstützen. Während die Grounds in jedem Spot selbstähnlich variiert werden, kommen je
nach Situation unterschiedliche Figures zum Einsatz. Zum Beispiel das Blubbern der Blasen
bei »Unterwasserspots« oder das »Zischen« von Lichtstrahlen, die von entsprechenden
Testimonials »in die Luft gemalt« werden. Die charakteristische »O2 Atmosphäre« kommt dabei
in jeder Variation auf.
In den Sound Branding-Richtlinien des Unternehmens Siemens findet sich z. B. die
folgende Begründung zur strategisch angelegten Gestaltung des Siemens-typischen
Soundscapes: „Der Brand Soundscape Siemens entsteht durch die stilisierte Verdichtung der
Klangräume Siemens, die durch die Produkt- und Arbeitswelt von Siemens bestimmt werden.
Das heißt, die Originalakustik wird nicht nur einfach aufgenommen und wiedergegeben.
Ebenso wenig ist es eine bloße Aneinanderreihung von puristischen Klangereignissen. Wie in
Soundscapes wird die Originalakustik hier weder einfach aufgenommen und wiedergegeben
noch werden einzelne Klangereignisse lediglich hintereinander gereiht. Die Originalklänge
werden in Signale, musikalische Töne und Abfolgen von Klängen und Geräuschen
transformiert. [...] Der Brand Soundscape Siemens umfasst Grounds und Figures, welche die
Klangwelt Siemens beschreiben. Ein konsistenter Einsatz des Soundscapes führt dabei zu einer
zunehmenden Schaffung einer Siemens Klangwelt, die über den Einsatz von Musik und
Stimme hinaus eine klangliche Identifikation mit der Marke Siemens schafft.“ (Siemens
2007)
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Sound-Icon und Earcon Earcons (auch »Sound-Symbole« genannt) und »Sound-Icons« sind die kleinsten bzw.
kürzesten Elemente eines Audio-Brandings. Sie sind akustische Bezeichner, die ein
spezielles Objekt oder Ereignis repräsentieren.
Dabei sollte man genau unterscheiden: Zwischen Ikon und Symbol1 gibt es nämlich feine
Unterscheide, die aus der Semiotik bekannt sind. Genau genommen sind nämlich Sound-
Icons das, was in auditiven Benutzerschnittstellen (AUI) als »Auditory Icons« bezeichnet
wird. Das heißt, sie stellen „realistische Alltagsgeräusche oder stilisierte Varianten davon
dar und besitzen somit eine reale Bedeutung.“ (Bronner 2007, S.88) Darum müssen sie
nicht erst erlernt werden. Earcons dagegen sind abstrakte akustische Nachrichten, die
analog zu visuell abstrahierten Icons, Informationen verdichtet auf der akustischen Ebene
vermitteln. Ihre Bedeutung muss erlernt werden.
BEISPIEL
Ratequiz-Spiel am PC
Beantwortet der Nutzer eine Frage richtig könnte z. B. ein Applaus ertönen (Auditory Icon,
Sound-Icon). Gibt das Programm aber stattdessen z. B. zwei kurze Töne gleicher Frequenz
aus, so muss deren Bedeutung im Kontext dieser Anwendung erst gelernt werden und dies
würde ein Earcon darstellen. (Bronner 2007, S.88)
In der Markenkommunikation, abseits elektronischer Mensch-Maschine-Schnittstellen,
können Sound-Icons auch Teil eines akustischen Signets oder Brand Songs sein. In
ikonischer Funktion weisen sie gerne direkt auf Merkmale oder Eigenschaften der
Markenleistung hin. Als Beispiele seien hier der berühmte »Flensburger Plopp«, das
»Zischen« beim Öffnen einer Coca Cola Flasche oder die AOL-typische Benachrichtigung
»You have Mail« (vgl. Bronner 2007, S.88, ) genannt.
Zukünftig werden die »Grenzen« zwischen den funktionsorientierten bzw.
anwendungsbezogenen und den eher brandingorientierten Sound-Icons weiter
verschwimmen. Denn mit steigendem Bewusstsein für die Bedeutung von Sound-
Branding werden auch Funktionsklänge auf dem, aus der Markenidentität abgeleiteten,
Klangraum basieren. Sind sie einmal gelernt, können auch sie eine identitätsstiftende
Funktion erfüllen (man denke z. B. an typische Apple-Systemsounds).
1 Ein »Ikon« ist ein Zeichen, das sich auf seinen bezeichneten Gegenstand durch das Merkmal der Ähnlichkeit bezieht. Diese kann visueller, klanglicher oder anderer Art sein. Zu unterscheiden ist das Ikon von dem »Symbol«, das eine willkürliche Bezeichnung darstellt.
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Brand Song Brand Songs (alternativ auch gern Werbesongs oder Markenlieder genannt) sind Lieder,
die neu komponiert, interpretiert, adaptiert oder als »Original-Lied« verbreitet werden.
Dabei unterscheidet man zwischen einem sog. Brand Theme oder einem Commercial
Song (vgl. Kastner 2006, S.82).
Brand Themes sind über einen längeren Zeitraum eingesetzte und exklusiv lizenzierte
Titel, wie z. B. »Bohemian like you1« des Mobilfunkanbieters Vodafone.
Commercial Songs dagegen zeichnen sich durch eine zeitlich begrenzte Verwendung,
z. B. in Werbespots, aus. Sie sollen – oft durch kurzfristigen, austauschbaren Einsatz –
Nähe zum Lifestyle des »Konsumenten« beweisen. Im Sinne einer strategisch eingesetzten
auditiven Kommunikation besitzen Commercial Songs jedoch Schwächen. (hierzu auch:
Kastner 2006, S. 82 ff.; Stadler 2005, S. 52; Ringe S. 45 ff.) So ist z. B. empirisch
nachgewiesen worden, dass trend- und lifestylelastige Musik „die Botschaftsquelle – also
die Marke – unglaubwürdig erscheinen lässt, wenn sie als unpassend empfunden wird.
[...] Unpassende Musik kann sich sogar negativ auswirken“ (Bronner 2007, S. 94). Die
Musik sollte also auch hier nicht nach geschmäcklerischen Vorlieben, sondern im
Abgleich mit der Markenidentität ausgewählt werden (vgl. Langeslag/Hirsch 2005, S.
238 ff.).
Selten gelingt es einem Commercial Song, visuelle und sprachliche Botschaftsinhalte
derart stark zu unterstützen und eine markenadäquate Atmosphäre schaffen, dass er sich
evolutionär zu einem Brand Song im Sinne eines Brand Theme entwickelt. Ein
Paradebeispiel dafür ist allerdings die Marke »Becks«. Allein beim Hören des Liedes »Sail
away« – von Joe Cocker 1995 für den internationalen Einsatz überarbeitet – können sich
synästhesie-ähnliche Effekte einstellen. So hat man sofort das Schiff mit den grünen
Segeln vor seinem geistigen Auge (vgl. auch Kapitel 3: Visual Transfer Effekt).
Gefühlsassoziationen von Freiheit, Abenteuer, Männlichkeit oder Frische stellen sich ein,
womit auch schon die Wertewelt von Becks vermittelt wäre. Dieser Song, aber auch
Lieder wie »Bacardi feeling« oder »I’m walking« von Aral, sind damit lebendige Beispiele
für die Kraft eines strategisch angewandten Brand Songs.
Natürlich gibt es neben den beiden oben genannten Arten der Verwendung von Musik
für die Zwecke der Markenkommunikation noch viele weitere Spielarten, z. B.
Kooperationen (z. B. Mercedes Benz Mixed Tape), Musikmarketing oder Branded
1 Der Song wurde exklusiv für Vodafone von der US-amerikanischen Rockband »The Dandy Warhols« komponiert.
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- 25 -
Entertainment (vgl. Bronner 2007, S.90 ff.; Kastner 2007, S. 83 ff.; Ringe 2005, S. 43
ff.). Diese sollen aber im Interesse einer Fokussierung dieser Arbeit nicht betrachtet
werden.
Weiterhin möchte ich auch darauf hinweisen, dass ein Brand Song nicht mit einer
Firmenhymne zu verwechseln ist, da diese eher selten einen Bezug zum Brand Song hat
und in ihrer Funktion eher innengerichtet wirkt (vgl. Bronner 2007, S.90).
Produkt Sound Eine weitere und oft unterschätzte auditive Komponente im Rahmen multisensuellen
Markenerlebens ist der Produkt Sound. Fortschrittliche Markenartikler – speziell im
FMCG1-Bereich – haben seine Bedeutung schon lange erkannt. So sorgt z. B. beim
Gebäckhersteller Bahlsen ein mehrköpfiges Forscherteam für die Entwicklung und
Optimierung des markentypischen »Keksknacks«. Er ist als Symbol (besser Ikon) für
»Frische« auch Teil der audiovisuellen Kommunikation (z. B. in Werbespots) und ein
Qualitätsversprechen, das bei jeder Produktanwendung eingelöst werden muss.
Langnese hat in seiner Magnum-Eisserie »Fünf Sinne« mit der Sorte » Magnum Fünf
Sinne – Sound« bewiesen, dass das auditive Erleben eines knackigen Klanges beim Biss in
die mit karamellisierten Zuckerstückchen versehene Zartbitterumhüllung zum
ganzheitlichen Markenerlebnis dazugehört und nicht dem Zufall überlassen werden sollte.
Auch Nestlé unterhält Akustiklabors, die von beißoptimierten Cornflakes, für frisch
anmutende Knackgeräusche, bis hin zu »zischoptimierten« Vakuumverpackungen alles
unter die Lupe nehmen, was beim Verbraucher ein subjektiv hörbares Qualitätsmerkmal
darstellt.
Autoherstellern, wie z. B. Porsche oder BMW, geht es nicht darum Betriebsgeräusche zu
minimieren oder gar zu eliminieren (was heute technisch komplett möglich wäre) sondern
deren Sounddesign derart zu optimieren oder teilweise gar zu verstärken2, dass ein
hörbarer markentypischer Klang dem Nutzer das subjektive Gefühl gibt, dass die
herstellertypischen Markenversprechen eingelöst werden (vgl. Kilian 2007, S. 66;
Haverkamp 2007, S. 228 ff.). „Bei Porsche [...] liegt der Fokus der Klangingenieure auf
dem Sicherheit vermittelnden Sound zuschnappender Autotüren, dem würzigen Klang
von Auspuffrohren und Motoren sowie den Klick-Geräuschen beim Betätigen von
Schaltern.“ (Kilian 2007, S. 66) Fünf Prozent der Entwicklungskosten werden daher bei
1 FMCG = Fast Moving Consumer Goods (Schnelldrehende Konsumgüter) 2 Teilweise werden bestimmte Betriebsgeräusche über Lautsprecher nachverstärkt oder verfremdet
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Porsche in die Akustik investiert, denn man weiß, dass Geräusche dem Verbraucher, nach
dem Motto „klingt gut, ist gut“, als Indikator für Produktqualität dienen.
Neben solchen Paradebeispielen gibt es aber auch zufällige, aktiv oder passiv entstehende,
sowie weitere Arten von Geräuschen1. Eine Kategorisierung von Geräuscharten und -
merkmalen von Produkten nach Kastner (2006) ist in Abbildung 8 nachzuvollziehen.
Abbildung 8: Kategorisierung von Produktgeräuschen (Kastner 2006, S. 88)
Die Abbildung zeigt, dass die soundstrategischen Gestaltungsmöglichkeiten sehr
mannigfaltig sind und somit auch in der Produktklanggestaltung große Potentiale für eine
multisensuelle Markenkommunikation liegen.
4.4 Praxisbeispiele
Die folgenden Beispiele sollen nun ganz kurz anreißen, wie man in der Praxis versucht,
Klang in den strategisch-gestalterischen Rahmen einer Marke einzubetten. Die
Fallbeispiele haben dabei nicht den Anspruch, die gesamte Klangwelt der einzelnen
Marken detailliert darzulegen. Es werden lediglich prägnante Elemente (vornehmlich die
1 so verrät uns z. B. das prüfende Klopfen auf ein Objekt etwas über seine qualitative Beschaffenheit → auch wenn eine täuschend echte Massivholzverblendung über Spanplatten gezogen ist, wird der Verbraucher dies »entdecken« und die Wertigkeit des Objektes dementsprechend einordnen
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akustische Signatur) in ihrer Entstehung skizziert und in Bezug zur visuellen
Markengestaltung gesetzt.
4.4.1 Siemens
Da sich ein Corporate/Brand Sound harmonisch in bestehende Designrichtlinien
einfügen sollte, hat man bei Siemens einen interessanten Weg eingeschlagen, die Marke
zum Klingen zu bringen: In der visuellen Gestaltung der Siemens Markenwelt ist das
Fibonacci-Prinzip1 eine elementare Grundlage, auf der die gesamte
Gestaltungssystematik, von der Website bis zum Geschäftsbereicht, fußt.
an+2 = an+1 + an mit a1 = a2 = 1
0 1 1 2 3 5 8 13 21 34 55 89 144 233 ...
Abbildung 9: Fibonacci-Zahlenfolge
Die Fibonacci-Zahlenreihe hat u. a. auch den Vorteil, das sie sich nicht nur visuell,
sondern auch auditiv hervorragend umsetzen lässt:
Abbildung 10: Das Fibonacci-Prinzip in seiner klanglichen Umsetzung als Signatur bei Siemens (Siemens 2007)
1 Ein universelles mathematisches Prinzip, das sich in unserer Umwelt, Natur und sogar im Universum wiederfindet. Es wurde nach dem italienischen Mathematiker Leonardo von Pisa (1180-1240), auch bekannt als Leonardo Fibonacci, benannt.
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Die aus dem Gestaltungsprinzip abgeleitete Signatur kommt seit ihrer Einführung in
allen Medien mit auditivem Kanal zum Einsatz. Meist wird dabei zuerst der Markenname
»Siemens« von einem Sprecher (mit fest definierten »Brand Voice«-Parametern)
gesprochen und danach die Signatur angehangen. Markennennung und die Signatur
werden auch als »Closing« bezeichnet, da sie typischerweise meist am Ende eines Spots,
o. ä. Anwendungen, stehen.
Abbildung 11: Das Siemens-Closing mit Markennamensnennung und akustischer Signatur (Siemens 2007)
Natürlich besteht auch der Siemens Corporate Sound aus noch mehr Bestandteilen: z. B.
aus neun aus den Siemens-Markenwerten abgeleiteten Figures, diversen Grounds u. v. m.,
die untereinander kombiniert werden können und erst im Zusammenspiel das gesamte
Hörbild der Marke ergeben. Abbildung 12 zeigt noch einmal einen möglichen
Kompositionsaufbau der Sound Branding Elemente im Zusammenspiel (für z. B. einen
TV-Spot).
Abbildung 12: Zusammenspiel von Sound Branding Elementen (Siemens 2007)
Die Siemens Sound Identity ist also ein interessantes Beispiel, das zeigt, wie man eine
Marke nach einem stringent angewandten Gestaltungsprinzip erlebbar machen kann.
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4.4.2 Deutsche Telekom
Auch die berühmte Telekom-Signatur ist, wie in Kapitel 4.3 Die Elemente einer Sound
Identity (siehe Abbildung 6) erwähnt, nicht zufällig entstanden oder gar auf beliebiger
Basis entwickelt wurden. Das visuelle Logo und die Töne der Audiosignatur korrelieren
stark miteinander und ergänzen sich: So bauen sich z. B. die Töne der Audiosignatur von
links oder von rechts auf, je nachdem in welchem multimedialen Anwendungskontext das
visuelle Logo samt seiner »Digits1« positioniert wird.
4.4.3 Audi
Ein bekanntes Beispiel eines Audio Logos auf Klanggeräuschbasis stammt vom
Autohersteller Audi. Ein synthesizerähnlicher und futuristisch anmutender Sound wird
kombiniert mit einem rückwärts gespielten Herzschlag. Ersteres soll den Audi-typischen
Technikanspruch (»Vorsprung durch Technik«) assoziieren lassen, letzteres das
Fahrerleben symbolisieren (vgl. Bronner 2007, S. 84).
1 Kleine prägnante Quadrate, die um das markante Telekom-»T« als Elemente angeordnet sind. Die Digits sind ein wesentliches gestalterisches Element im Corporate Design des Telekommunikationsdienstleisters und stehen stellvertretend für die vier Hauptbereiche des Unternehmens (Ringe 2005, S. 72f.).
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5 Kritik und Fazit
Wie die Arbeit gezeigt hat wird es für Unternehmen zunehmend wichtiger, eine
ganzheitliche Sicht in der Markenführung einzunehmen, die alle Sinne in der Ansprache
ihrer Anspruchsgruppen einbezieht. Corporate/Brand Sound ist ein wichtiger Bestandteil
dieser Strategie. Das Thema ist mit seinem ganzheitlichen Anspruch zwar noch relativ
neu, wird aber, so alle Experten, in seiner Bedeutung schnell wachsen. Sound Branding
beherbergt viel ungenutztes Potential, speziell aus der Differenzierungsperspektive. Noch
sind nicht alle klanglichen »Claims« abgesteckt – der Gestaltungsraum ist groß. Allerdings
ist auch ein Corporate/Brand Sound nur ein Baustein in einer Gesamtstrategie. Seine
Wirkungen sollten daher nicht überbewertet werden. Denn nur im konsistenten
Zusammenspiel mit allen anderen Bausteinen einer Markenidentität kann es auch seine
ganze Kraft entfalten.
Ich persönlich bin der Meinung, dass das Thema speziell durch die rasante Vermehrung
klangfähiger elektronischer Medien (und »neuartiger Markenkontaktpunkte1«) immer
mehr an Bedeutung gewinnen wird und wünsche mir, dass die Unternehmen die
Chancen von strategisch eingesetztem Sound Branding erkennen und – mit der nötigen
Sensibilität für die eigene Marke – verantwortungsvoll mit dem Instrument umgehen.
Denn als weiteren Weg zur »akustischen Umweltverschmutzung«, der uns viele neue
differenzierungsschwache »Nachahmer-Ding-Dongs in Telekom-Art« beschert, möchte
ich es nicht missbraucht sehen ...hören.
1 Z. B.: Cyberspace, Second Life, In-Game-Advertising, Interaktiver Film etc.
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6 Anhang
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