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Simulieren im Mathematiklabor ein Beitrag zur Förderung des funktionalen Denkens Sabine Elter ([email protected]) Unter Simulieren versteht man das Experimentieren mit Modellen (Weigand 2012). Für Schülerlabore ist das Experimentieren ein charakteristisches Merkmal. Im Mathematiklabor stehen dafür verschiedene Arten von Modellen zur Verfügung bzw. sollen selbst erstellt werden: Realmodelle (Abb.1), Computermodelle (Abb. 2 und 3) und mathematische Modelle (Abb.4). Bei den Experimenten mit den Realmodellen werden die relevanten Einflussgrößen identifiziert, die im mathematischen Modell als Variablen und Parameter abgebildet werden. Beim Simulieren am Computer werden die Auswirkungen systematischer Veränderungen dieser Variablen untersucht und z.B. in qualitativen Graphen (math. Modell) dargestellt. Das innermathematische Experimentieren hilft dabei Hypothesen zu über-prüfen und neue Einsichten über die Phänomenstruktur zu generieren. Der besondere Wert der Computersimulationen (GeoGebra-Applets) liegt unter anderem darin, dass hier eine Repräsentation des Realmodells mit einer symbolischen mathematischen Repräsentation verknüpft wird. Dadurch sollen die Phasen des Mathematisierens im Mathematiklabor unterstützt werden. Weiter können über Schieberegler die Werte wichtiger Einflussgrößen systematisch variiert werden, wodurch kognitive Prozesse angeregt werden sollen, die typisch für den Änderungsaspekt des funktionalen Denkens sind (vgl. Abschnitt Funktionales Denken). Im Rahmen des Dissertationsvorhabens sollen daher Untersuchungen zum Experimentieren mit diesen Computermodellen im Vordergrund stehen. Simulieren Abb.1: Experimente mit Realmodellen links: Regenbogenmathematik, rechts: Mathematik im Scheibenwischer A b b . 2 : Computersimulationen zur Regenbogenmathematik A b b . 3 : Computer- simulationen zur Mathematik im Scheibenwischer Das Mathematiklabor an der Universität Würzburg / am M!ND-Center ist ein Schülerlabor, in dem Schulklassen in vorstrukturierten Lernumgebungen durch vielfältige Experimente selbstständig zu mathematischen Erkenntnissen gelangen können. Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe. Es stehen vielfältige Stationen zur Verfügung, aus denen eine Gruppe von 3 Schülerinnen und Schülern jeweils eine für die dreistündige Bearbeitung auswählen kann (Baum 2012a). Im Rahmen des Dissertationsvorhabens werden die Stationen Mathematik im Scheibenwischer (Abb. 1 und 3; Baum 2012b) und Regenbogenmathematik (Abb. 1 und 2) entwickelt und untersucht. Informationen unter: w w w . m a t h e m a t i k - l a b o r . o r g Mathematiklabor Fragestellung V o r s t u d i e : Sind die Lernumgebungen im Mathematiklabor geeignet, die für den Änderungsaspekt charakteristischen kognitiven Prozesse des funktionale Denkens in allen drei Phasen des Mathematisierens anzuregen? H a u p t u n t e r s u c h u n g : Welchen Einfluss hat die Arbeit mit den Simulationen - also das Finden von, Arbeiten mit und Interpretieren von qualitativen Mathematisierungen mithilfe systematischer Variationen - auf die für den Änderungsaspekt charakteristischen Ausprägungen des funktionalen Denkens? Bei den mathematischen Modellen, die von den Schülern im Mathematiklabor auf experimentellem Weg gefunden werden, handelt es sich häufig um Funktionen, die in unterschiedlichen Darstellungsformen Zusammenhänge des Realmodells abbilden. Das Mathematisieren mit Funktionen lässt sich in drei Phasen gliedern: Funktionales Denken Phänomen/(Real-)Experiment Funktionale Darstellung P h a s e 1 : A b s t r a h i e r e n / I d e a l i s i e r e n P h a s e 2 : A r b e i t e n i m m a t h . M o d e l l P h a s e 3 : I n t e r p r e t i e r e n / K o n t e x t u a l i s i e r e n In jeder der drei Phasen kann man den Arbeitsprozess durch die drei Aspekte des funktionalen Denkens (vgl. Vollrath 1989) charakterisieren: 1 . Z u o r d n u n g s a s p e k t : In der Simulation können bestimmte Zustände hergestellt werden, die z.B. in einer Messwerttabelle festgehalten werden (Phase 1). Bestimmte Punkte aus der Tabelle werden auf dem Graphen markiert (Phase 2) und in Hinblick auf die Bedeutung im Experiment ausgewertet (Phase 3). 2 . Ä n d e r u n g s a s p e k t : Der qualitative Graph ist durch die Beobachtung des Änderungsverhaltens einer Einflussgröße im Verhältnis zu einer anderen beim Simulieren entstanden (Phase 1). Das Monotonieverhalten des funktionalen Zusammenhangs kann mithilfe des Graphen beschrieben werden (Phase 2). Mithilfe der geringeren Steigungsrate in der Umgebung des Maximums kann ein Phänomen erklärt werden (Phase 3). P h a s e 1 : Abstrahieren/Idealisieren: Funktionale Darstellung der im Experiment beobachteten Zusammenhänge P h a s e 2 : Arbeiten im und mit dem mathema- tischen Modell P h a s e 3: Interpretieren / Kontextualisieren der funktionalen Darstellungen und mathematischen Ergebnisse im Hinblick auf das Realphänomen 3 . O b j e k t a s p e k t : Was passiert mit dem Funktionsgraphen, wenn in der Simulation ein Parameter verändert wird? (Phase 1) Gibt es eine Funktionsklasse mit der man den qualitativen Graphen quantifizieren kann? (Phase 2) Finden sich weitere Zusammenhänge in der Natur, die sich durch ähnliche Graphen beschreiben lassen? (Phase 3) Es wird insbesondere ein Einfluss von Simulationen auf den Änderungsaspekt des funktionalen Denkens vermutet. Aus diesem Grund wird der Fokus der empirischen Arbeit auf der Untersuchung dieses Einflusses liegen. A b b . 4 : m a t h e m a t i s c h e M o d e l l e u n d funktionale Darstellungen Bei der empirischen Untersuchung der Arbeitsprozesse und Ar- beitsergebnisse im Mathematiklabor sollen primär qualitative Forschungsmethoden zum Einsatz kommen. Es wird eine breite und tiefe Datenbasis durch vielfältige Erhebungsinstrumente angestrebt: V o r s t u d i e : H a u p t u n t e r s u c h u n g : Methoden Schülerlösungen in den Aufgaben- heften Beobachtungsprotokolle Videobeobachtung Bildschirmaufzeichnungen Interviews Regenbogenmathematik Scheibenwischermathematik Literatur Baum, S. (2012a): Das Mathematiklabor und seine Verzahnung mit dem Schulunter- richt. Erscheint in: Beiträge zum Mathematikunterricht 2012 Baum, S. (2012b): Mathematik im Scheibenwischer. Wie Simulieren das Mathematisie- ren unterstützt. In: mathematik lehren, Heft 174, S.15-19 Greefrath, G.; Weigand, H.-G. (2012): Simulieren: Mit Modellen experimentieren. In: mathematik lehren, Heft 174, S.2-6. Vollrath, H.-J. (1989): Funktionales Denken. In: Journal der Mathematikdidaktik, S. 3-37 Kontakt Sabine Elter (geb. Baum) [email protected]

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Simulieren im Mathematiklaborein Beitrag zur Förderung des funktionalen Denkens

Sabine Elter ([email protected])

Unter Simulieren versteht man das Experimentieren mit Modellen (Weigand 2012). FürSchülerlabore ist das Experimentieren ein charakteristisches Merkmal. Im Mathematiklaborstehen dafür verschiedene Arten von Modellen zur Verfügung bzw. sollen selbst erstelltwerden: Realmodelle (Abb.1), Computermodelle (Abb. 2 und 3) und mathematische Modelle(Abb.4).

Bei den Experimenten mit den Realmodellen werden die relevanten Einflussgrößenidentifiziert, die im mathematischen Modell als Variablen und Parameter abgebildet werden.Beim Simulieren am Computer werden die Auswirkungen systematischer Veränderungendieser Variablen untersucht und z.B. in qualitativen Graphen (math. Modell) dargestellt. Dasinnermathematische Experimentieren hilft dabei Hypothesen zu über-prüfen und neueEinsichten über die Phänomenstruktur zu generieren.

Der besondere Wert der Computersimulationen (GeoGebra-Applets) liegt unter anderem darin,dass hier eine Repräsentation des Realmodells mit einer symbolischen mathematischenRepräsentation verknüpft wird. Dadurch sollen die Phasen des Mathematisierens imMathematiklabor unterstützt werden. Weiter können über Schieberegler die Werte wichtigerEinflussgrößen systematisch variiert werden, wodurch kognitive Prozesse angeregt werdensollen, die typisch für den Änderungsaspekt des funktionalen Denkens sind (vgl. AbschnittFunktionales Denken).

Im Rahmen des Dissertationsvorhabens sollen daher Untersuchungen zum Experimentierenmit diesen Computermodellen im Vordergrund stehen.

Simulieren

Abb.1: Experimente mit Realmodellen

links: Regenbogenmathematik,

rechts: Mathematik im Scheibenwischer

Abb. 2: Computersimulationen zur Regenbogenmathematik

Abb.3 :

Computer-simulationen

zur Mathematik

imScheibenwischer

Das Mathematiklabor an der Universität Würzburg/ am M!ND-Center ist ein Schülerlabor, in demSchulklassen in vorstrukturiertenLernumgebungen durch vielfältige Experimenteselbstständig zu mathematischen Erkenntnissengelangen können.

Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler derSekundarstufe. Es stehen vielfältige Stationen zurVerfügung, aus denen eine Gruppe von 3Schülerinnen und Schülern jeweils eine für diedreistündige Bearbeitung auswählen kann (Baum2012a).

Im Rahmen des Dissertationsvorhabens werdendie Stationen Mathematik im Scheibenwischer(Abb. 1 und 3; Baum 2012b) undRegenbogenmathematik (Abb. 1 und 2) entwickeltund untersucht.

Informationen unter:

www.mathematik-labor.org

Mathematiklabor

Fragestellung

Vorstudie:

Sind die Lernumgebungen im Mathematiklabor geeignet,die für den Änderungsaspekt charakteristischenkognitiven Prozesse des funktionale Denkens in allendrei Phasen des Mathematisierens anzuregen?

Hauptuntersuchung:

Welchen Einfluss hat die Arbeit mit den Simulationen -also das Finden von, Arbeiten mit und Interpretieren vonqualitativen Mathematisierungen mithilfe systematischerVariationen - auf die für den Änderungsaspektcharakteristischen Ausprägungen des funktionalenDenkens?

Bei den mathematischen Modellen, die von den Schülern im Mathematiklaborauf experimentellem Weg gefunden werden, handelt es sich häufig umFunktionen, die in unterschiedlichen Darstellungsformen Zusammenhänge desRealmodells abbilden.

Das Mathematisieren mit Funktionen lässt sich in drei Phasen gliedern:

Funktionales Denken

Phänomen/(Real-)Experiment

Funktionale Darstellung

Phase 1: Abstrahieren/

Idealisieren

Phase 2: Arbeiten im math. Modell

Phase 3: Interpretieren/ Kontextualisieren

In jeder der drei Phasen kann man den Arbeitsprozess durch die drei Aspekte desfunktionalen Denkens (vgl. Vollrath 1989) charakterisieren:

1. Zuordnungsaspekt: In der Simulation können bestimmte Zustände hergestelltwerden, die z.B. in einer Messwerttabelle festgehalten werden (Phase 1).Bestimmte Punkte aus der Tabelle werden auf dem Graphen markiert (Phase 2)und in Hinblick auf die Bedeutung im Experiment ausgewertet (Phase 3).

2. Änderungsaspekt: Der qualitative Graph istdurch die Beobachtung desÄnderungsverhaltens einer Einflussgröße imVerhältnis zu einer anderen beim Simulierenentstanden (Phase 1). Das Monotonieverhaltendes funktionalen Zusammenhangs kannmithilfe des Graphen beschrieben werden(Phase 2). Mithilfe der geringeren Steigungsratein der Umgebung des Maximums kann einPhänomen erklärt werden (Phase 3).

Phase 1: Abstrahieren/Idealisieren: Funktionale Darstellung der im Experiment beobachteten Zusammenhänge

Phase 2: Arbeiten im und mit dem mathema-tischen Modell

Phase 3: Interpretieren / Kontextualisieren der funktionalen Darstellungen und mathematischen Ergebnisse im Hinblick auf das Realphänomen

3. Objektaspekt: Was passiert mit dem Funktionsgraphen, wenn in derSimulation ein Parameter verändert wird? (Phase 1) Gibt es eineFunktionsklasse mit der man den qualitativen Graphen quantifizieren kann?(Phase 2) Finden sich weitere Zusammenhänge in der Natur, die sich durchähnliche Graphen beschreiben lassen? (Phase 3)

Es wird insbesondere ein Einfluss von Simulationen auf den Änderungsaspektdes funktionalen Denkens vermutet. Aus diesem Grund wird der Fokus derempirischen Arbeit auf der Untersuchung dieses Einflusses liegen.

Abb. 4: mathematische Modelle undfunktionale Darstellungen

Bei der empirischen Untersuchung der Arbeitsprozesse und Ar-beitsergebnisse im Mathematiklabor sollen primär qualitativeForschungsmethoden zum Einsatz kommen. Es wird eine breiteund tiefe Datenbasis durch vielfältige Erhebungsinstrumenteangestrebt:

Vorstudie:

Hauptuntersuchung:

Methoden

• Schülerlösungen in den Aufgaben-heften

• Beobachtungsprotokolle

• Videobeobachtung• Bildschirmaufzeichnungen• Interviews

Regenbogenmathematik

Scheibenwischermathematik

LiteraturBaum, S. (2012a): Das Mathematiklabor und seine Verzahnung mit dem Schulunter-

richt. Erscheint in: Beiträge zum Mathematikunterricht 2012

Baum, S. (2012b): Mathematik im Scheibenwischer. Wie Simulieren das Mathematisie-

ren unterstützt. In: mathematik lehren, Heft 174, S.15-19

Greefrath, G.; Weigand, H.-G. (2012): Simulieren: Mit Modellen experimentieren. In:

mathematik lehren, Heft 174, S.2-6.

Vollrath, H.-J. (1989): Funktionales Denken. In: Journal der Mathematikdidaktik, S. 3-37

Kontakt

Sabine Elter (geb. Baum)

[email protected]