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Sicherheit und Verteidigung für DeutschlandHerausforderungen für Politik und Industrie
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Redaktion: Helmut HarffKarsten Lepper
Druck: DCM · Druck Center Meckenheim
Stand: November 2005
BDI-Drucksache Nr. 372
ISSN 0407-8977
Sicherheit und Verteidigung für DeutschlandHerausforderungen für Politik und Industrie
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Deutschland muss aufgrund seines wirtschaftlichen Gewichts undseiner Verantwortung gegenüber der Welt ein höheres Maß an Ver-antwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik übernehmen. Denndie Freiheit in Demokratie und bei innerem sowie äußerem Friedenist gerade für Deutschland von existenzieller Bedeutung. Sie zu er-halten muss mit der Bereitschaft einhergehen, sich politisch zu posi-tionieren sowie angemessen (auch finanziell) zu engagieren.
Diesbezüglich ist zur Sicherheit und Verteidigung Deutschlands einegemeinsame Position von Politik und Industrie überfällig, gerade imHinblick auf den europäischen Integrationsprozess. Nationen mit ei-ner leistungsfähigen Rüstungsindustrie haben unverändert ein ent-sprechend hohes Gewicht bei Entscheidungen auf Bündnisebene.
In Erkenntnis dieses Zusammenhanges haben beispielsweise die Verteidigungsministerien Großbri-tanniens1 und Frankreichs2 in Grundlagendokumenten ihre jeweilige Industriepolitik festgeschriebenund damit ihre Interessen definiert.
Die zunehmende Integration auf Bündnisebene erfordert folgerichtig ein gemeinsames Vorgehen vonPolitik und Industrie bei der Entwicklung nationaler Strategien und ein abgestimmtes Vertreten natio-naler Interessen bei NATO und EU. Regierungsseitig zwingen national fragmentierte Rüstungsmärkteverstärkt zu abgestimmten europäischen Sicherheits- und Verteidigungsstrategien, die in einer ge-meinsamen Rüstungsindustriepolitik münden sollen; eine Entwicklung, für die sich Regierungen undUnternehmen bereits seit Jahren positionieren müssen. Damit Verteidigungstechnologie „Made in Ger-many“ in einem „Europa der 25“ auch in Zukunft deutsche Interessen von Politik und Industrie sicher-stellen kann, ist zielgerichtetes Handeln gefragt.
Im Jahre 2002 hat der BDI in einem Forderungspapier der Sicherheits- und Rüstungsindustrie an dieBundesregierung Eckpunkte zur Sicherung unserer strategisch wichtigen Sicherheits- und Rüstungs-industrie veröffentlicht. Danach hat er sich mit der Publikation von „SkI 2010 – Streitkräfte und Indus-trie“ im Jahre 2004 geäußert. Beide Veröffentlichungen haben weiterhin Gültigkeit.
Nun skizziert er mit der Broschüre „Sicherheit und Verteidigung für Deutschland – Herausforderungenfür Industrie und Politik“ einen Weg, um Bundeswehr und Industrie auf Grundlage der o. a. Eckpunktezukunftsfest zu machen. Die Broschüre enthält die Position der deutschen Sicherheits- und Rüstungs-industrie für ein Grundlagendokument der Politik, welches die Definition der nationalen Interessen undeine klare politische Aufstellung beinhaltet. Letztlich hängt die Zukunft der deutschen Sicherheits- und
1. Grußwort
1 The Ministry of Defence Papers: Paper No. 5 Defence Industrial Policy, Nov. 2002.2 For a competitive Autonomy in Europe – The Defence Procurement Policy, Frz. Verteidigungsministerium, Juli 2004.
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Rüstungsindustrie davon ab, dass entsprechende nationale Kernfähigkeiten ihren angemessenenPlatz im gemeinsamen Europa finden, indem die Kompetenzfelder gefördert und damit erhalten wer-den, auf denen Deutschland die Technologieführerschaft inne hat.
Erforderlich ist ein gemeinsames Vorgehen von Industrie und Regierung im Interesse dieser strategi-schen Branche, die grundlegende staatliche Interessen der Sicherheit und Verteidigung für Deutsch-land, die EU, die NATO und die UN wahrnimmt. Der Bundesverband der Deutschen Industrie und sei-ne Mitglieder unterstützen auch zukünftig die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit zwischen Streit-kräften und Industrie.
Ich erwarte deshalb von der Bundesregierung sich diesen berechtigten Forderungen und Vorschlägender Industrie zu stellen und gemeinsam zu handeln.
1. Grußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
2. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
3. „Die deutsche wehrtechnische Industrie in einem neuen europäischen Umfeld“ . . . . . . . . 8A. Die Ausgangssituation für die wehrtechnische Industrie im europäischen Kontext . . . . . . . . . . . . 8B. Positionsbestimmung und Leitlinie zu strategischen Eckwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
4. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
5. Hintergrundinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14A. Sicherheits- und verteidigungspolitisches Umfeld, national, europäisch und transatlantisch . . . 14B. Konzeption der Bundeswehr (KdB) und Bw-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16C. Kernfähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17D. Annex / Zahlen / Schaubilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
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Inhalt
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Die deutsche wehrtechnische Industrie mit Systemfirmen, Ausrüstern und Zulieferern ist die maßgebli-che industrielle Basis für eine wirkungsvolle sicherheitspolitische Vorsorge in Deutschland.
Trotz drastischer Reduzierung der Beschäftigungszahlen seit der Wiedervereinigung gehört die wehr-technische Industrie in Deutschland zu den Innovationstreibern mit vielfältigen Kernfähigkeiten, dietechnologisch führend und international anerkannt sind. Diese zu erhalten, ist aus sicherheitspoliti-schen, technologischen und wirtschaftlichen Gründen, gerade auch unter Berücksichtigung einer zu-künftigen europäischen Ausrichtung, unverzichtbar. Deshalb braucht diese Industrie für eine gleichbe-rechtigte Interessenvertretung in Europa eine einheitliche Position und starke politische Unterstützung.Dazu ist eine zwischen der wehrtechnischen Industrie und der Politik abgestimmte Position unver-zichtbar. Diese muss trotz unterschiedlicher Voraussetzungen für die betroffene Industrie vorteilhaftsein und Wettbewerbsnachteile verhindern oder zumindest begrenzen.
Die industriellen Rahmenbedingungen sind insbesondere von zwei Gegebenheiten gekennzeichnet:
• zum einen durch die in wesentlichen Bereichen der Industrie weit fortgeschrittene europäischeKonsolidierung der europäischen Systemfirmen in der Luft- und Raumfahrtindustrie im Gegensatzzu der noch weitgehend nationalen Ausrichtung anderer Bereiche dieser Branche,
• zum anderen durch die Ausnahmeregelung des Artikels 296 des EG-Vertrages, wonach jeder Mit-gliedsstaat nach eigener Bewertung den Wettbewerb unter Verweis auf wesentliche nationale Si-cherheitsinteressen aufheben kann.
In diesem Umfeld wurde immer wieder die Forderung erhoben, die gegensätzlichen Rahmenbedin-gungen durch einen „politischen Kraftakt“ auszugleichen und gleichzeitig wettbewerbsverzerrendeAuswirkungen zu verhindern. Obwohl diese Forderung nicht einfach zu erfüllen ist, folgt sie der Er-kenntnis, dass Deutschland an der Entwicklung einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspo-litik (ESVP) nur gestaltend teilnehmen kann, wenn es über eigene rüstungstechnologische Fähigkeitenverfügt, die es in Kooperationsprogramme einbringen kann. Demzufolge ist es notwendig, dass Politikund Regierung die Rüstungsindustrie als strategische Ressource und Instrument einer aktiven Außen-und Sicherheitspolitik begreifen und industriepolitisch unterstützen.
Doch gerade in Deutschland entwickelte sich nach dem Ende des Kalten Krieges die Beschäftigung inder Gesellschaft mit Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zunehmend zu einem Randthema.Die persönliche Bedrohung für jeden Einzelnen scheint nicht gegeben und die Bundeswehr sorgt fürden Schutz deutscher Interessen – auch am Hindukusch. Das allgemeine Desinteresse erscheint soverfestigt, dass der Bundespräsident im Oktober 2005 eine breite gesellschaftliche Debatte über ebenjene Themen anmahnen musste. So fordert er in diesem Zusammenhang klare Analysen, welche deut-schen Interessen es zu schützen und zu fördern gilt, vor welchen Herausforderungen und Bedrohun-gen wir dabei stehen, auf welche Ressourcen wir zählen können, wie wir vorgehen und welche Rolle
2. Einleitung
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dabei die Bundeswehr übernimmt.3 Der Bundespräsident mahnt, wo es um die Lebensinteressen un-seres Landes geht, ein Gesamtkonzept der deutschen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik,einen „Akt der Selbstbestimmung“, an: „..., [aber] es klärt den Blick; es erlaubt den sachlichen Vergleichmit den Interessen anderer Staaten und Organisationen und es würde auch von unseren Partnern undFreunden begrüßt werden, die mit Recht wissen wollen, worauf sie von unserer Seite zählen können.“ 4
In den USA, Frankreich, Großbritannien, Italien oder Spanien wird eben dies getan, da Rüstungspoli-tik dort als ein wesentliches politisches Element der Außen- und Sicherheitspolitik gesehen wird, umnationale Interessen zu wahren. Dazu gehört die ausreichende Finanzierung von Verteidigungsinves-titionen in diesen Ländern, demgegenüber Deutschland mit einem real sinkenden Verteidigungshaus-halt weiterhin am Schluss der europäischen Nationen rangiert. Gerade die geplanten Strukturwechselfür eine Bundeswehr im Einsatz und für die Transformation auch bei moderner Ausrüstung verlangeneinen Investitionsanteil von mindestens 30 % am Verteidigungshaushalt. Das Ziel eines europäischenRüstungsmarktes erfordert zudem die ausreichende nationale Finanzierung, um eine der Leistungsfä-higkeit der deutschen Industrie entsprechende starke europäische Rolle zu erlangen.
Trotzdem bleibt richtig, dass für die Entwicklung einer glaubwürdigen ESVP die Integration der natio-nalen Rüstungsmärkte in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen angestrebt werden muss. Mit derGründung der European Defence Agency (EDA) hat die Europäische Union eine neue Dynamik entwi-ckelt, die bereits kurzfristig auf nationale Positionen Auswirkungen haben kann.
Insbesondere im folgenden Abschnitt sind Erläuterungen zu den wesentlichen strategischen Eckwer-ten enthalten. Er soll zugleich die Leitlinie sein für
• eine einheitliche Interessenvertretung von Politik und Industrie in europäischen Gremien,
• die strategische Ausrichtung einer im raschen Wandel begriffenen Industrie, die sich neuen He-rausforderungen für Verteidigung und Sicherheit gegen globale Entwicklungen zu stellen hat, und
• den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und der noch vorhandenen Kernfähigkeiten der deutschenwehrtechnischen Industrie.
3 Bundespräsident Horst Köhler: Rede auf der Kommandeurtagung der Bundeswehr, 10. Oktober 2005. Bonn. VIII, S.7.4 Ders. IX, S.7.
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Zusammengefasst werden folgende Kernbotschaften dargestellt:
� Erarbeitung einer zwischen Politik und Industrie abgestimmten nationalen Strategiefür die Europäisierung der Rüstungsindustrie
� Erhalt des europäischen Gleichgewichtes auf dem Rüstungsgebiet, d. h. Verbleibwehrtechnischer Kernfähigkeiten von strategischer Bedeutung auch am StandortDeutschland
� Existenzsicherung der deutschen wehrtechnischen Industrie durch nationale Auf-träge
� Keine Benachteiligung der mittelständischen Industrie durch die europäische Kon-solidierung
� Sicherstellung eines ausgewogenen nationalen Wertschöpfungsanteils bei euro-päischen / internationalen Projekten
� Harmonisierung der Rüstungsexportbestimmungen und ihrer Bewilligungspraxisauf europäischer Ebene
� Alternative Finanzierungsmodelle
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A. Die Ausgangssituation für die wehrtechnische Industrie im europäischen Kontext
Die politische Forderung einer nachhaltigen Verbesserung der europäischen Rüstungszusammenar-beit wird seit Jahren erhoben, entsprechende Taten scheitern jedoch regelmäßig an nationalen Eigen-interessen. Die erklärte Absicht, eine Öffnung der Rüstungsmärkte und Ressourcen in Europa zu er-reichen, ist älter als die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union.
Die wiederholt erklärte politische Absicht,
• den Bedarf der europäischen Streitkräfte durch eine gemeinsame Rüstungsbasis zu decken,
• durch Bündelung des Bedarfes zu hinreichend großen Stückzahlen eine wirtschaftliche Beschaf-fung zu erreichen,
• die bisherige Ressourcenvergeudung – oder Mehrfachentwicklungen – zu vermeiden,
wurde in der Realität bis heute nicht erreicht. Nur eine solche europäische Rüstungsbasis aber ist aufwichtigen Feldern, insbesondere im Hinblick auf die extrem unterschiedlichen Aufwendungen USA /Europa, weltweit wettbewerbs- und kooperationsfähig.
Die neuen Herausforderungen an Sicherheitsvorsorge gegen globale und asymmetrische Bedrohun-gen verstärken die Bedeutung dieser Hochtechnologieindustrie weit über den militärischen Bereichhinaus.
In der Zwischenzeit wurden wesentliche europäische Industriezusammenschlüsse vollzogen und da-mit die Schrittmacherfunktion für eine europäische Konsolidierung praktisch ermöglicht.
Jetzt gilt es, im Zuge der Restrukturierung der europäischen Rüstungsindustrie, die Dominanz einzel-ner Nationen zu verhindern, weil ansonsten die Interessen der anderen gefährdet und damit der Euro-päisierungsprozess behindert würde. Überzeugende europäische Unternehmensstrukturen verlangeneinen europäischen Interessenausgleich durch gewollte gegenseitige Abhängigkeiten, so wie es imLoI-Rahmenabkommen explizit erwähnt wird. Nationales Autonomiestreben und ein Verdrängungs-wettbewerb innerhalb der Gemeinschaft müssen ausgeschlossen werden.5 Eine Bündelung der Kräfte
3. „Die deutsche wehrtechnische Industrie in einem neuen europäischen Umfeld“
5 „Investitionen in Forschung und Technologie sollen dazu dienen [...], damit die britische Rüstungsindustrie in wichtigen militäri-schen Bereichen eine globale Führung übernehmen kann. Investitionen für F&E sind der Erfolgsfaktor für eine zukunftsorientier-te gesunde Rüstungsindustrie.“ [...] „Der Umfang des Rüstungsexportes bestätigt die Qualität der britischen Produkte. Damit istes gelungen, 21 % des Weltmarktes zu erreichen, auf Platz 2 hinter den USA.“ The Ministry of Defence Papers: Paper No. 5 De-fence Industrial Policy, Nov. 2002.
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bei Wahrung eines fairen und ausgewogenen Interessenausgleichs muss eine regionale europäische– und damit auch deutsche – Wertschöpfung und Arbeitsplätze in angemessenem Verhältnis sichern.
Auf dem Wege in die Europäisierung sind allerdings insbesondere für die deutsche RüstungsindustrieHindernisse durch Wettbewerbsverzerrung und ungünstige politische Rahmenbedingungen zu über-winden. Für die deutsche wehrtechnische Industrie bestehen nicht die gleichen Ausgangsbedingungenwie für vergleichbare EU-Staaten. Der Wettbewerb wird nicht nur durch die restriktive und nicht immerberechenbare deutsche Exportpolitik verzerrt, auch hat es die europäische Politik bislang nicht ge-schafft, das Problem der Inkompatibilität von privatwirtschaftlichen und staatseigenen Strukturen in dereuropäischen Rüstungsindustrie zu überwinden.
B. Positionsbestimmung und Leitlinie zu strategischen Eckwerten
Die deutsche wehrtechnische Industrie braucht gerade im Hinblick auf die europäische Zusammenar-beit klare und verlässliche Perspektiven. Nur wenn die Industrie hinreichend sicher abschätzen kann,wie der zukünftige europäische Bedarf definiert ist und wie er realisiert werden soll, können daraufunternehmerische Entscheidungen für die Einbringung nationaler Rüstungsstrukturen in einen effi-zienten europäischen Verbund ausgerichtet werden. Nationale Grundlage stellt die Bundeswehrpla-nung dar, deren Realisierung von der Industrie nach den Industrieaufträgen bewertet werden muss. Ei-ne verlässliche Haushaltsplanung ist zwingende Voraussetzung hierfür. Frankreich beispielsweisestellt dies gesetzgeberisch wie folgt sicher: „Mit dem französischen Programmgesetz werden für je-weils 5 Jahre die Ausgaben für militärische Investitionen in Höhe von 15 Mrd. Euro pro Jahr verbindlichfestgelegt“.6
1) Erarbeitung einer von Politik und Industrie gemeinsam getragenen nationalen Strategie fürdie Europäisierung der Rüstungsindustrie
Auf dem Weg in die Europäisierung braucht die wehrtechnische Industrie eindeutige Orientierung, ei-ne verlässliche politische Basis, d. h. auch ein klares Bekenntnis der deutschen Politik zu ihrer Rolle inkünftigen europäischen Strukturen. Politik und Industrie müssen gemeinsam die strategische Positio-nierung der deutschen Wehrtechnik im künftigen Europa festlegen. Aspekte der Sicherheits- und In-dustriepolitik, der Erhalt deutscher Kernfähigkeiten, die KMU- und Dual-Use-Problematik, Technologie-und Arbeitsplatzerhalt am Standort Deutschland müssen hierbei Berücksichtigung finden. Dazu gehörtauch das Eintreten von mit der Industrie abgestimmten nationalen Positionen bei der European De-fence Agency (EDA).
6 For a competitive Autonomy in Europe – The Defence Procurement Policy, Frz. Verteidigungsministerium, Juli 2004.
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2) Erhalt wehrtechnischer Kernfähigkeiten von strategischer Bedeutung am Standort Deutschland
Die deutsche wehrtechnische Industrie hat in den vergangenen zehn Jahren auch im Vergleich zu deneuropäischen Partnerländern in beispiellosem Maße Know-how und Arbeitsplätze abbauen müssen.Ihr Einfluss in Europa entspricht damit schon heute nicht mehr einem angemessenen Proporz. Wer zu-künftig in Europa ernst genommen werden will, muss etwas einbringen können. Einfluss ist nur mit ei-genen „assets“ möglich. Die deutsche Position droht in wesentlichen Bereichen, trotz bisheriger Tech-nologieführerschaft, verloren zu gehen. Die Bundesregierung muss sich deshalb mit ihrer Industriepo-litik für einen europäisch ausgewogenen Erhalt der Wehrtechnik und seiner Hochtechnologiebereicheauch am Standort Deutschland einsetzen. Aktive Industriepolitik bedeutet insofern eine strategischausgerichtete Technologie- und Auftragsfinanzierung, um Systemführung ebenso wie Zulieferungender Ausrüstungsindustrie in europäischen Kooperationen zu sichern.
3) Sicherung der deutschen wehrtechnischen Industrie durch nationale Aufträge
Solange ein europäischer Rüstungsmarkt nicht existiert, sichern vorerst nur nationale Aufträge die not-wendige industrielle und wirtschaftliche Grundauslastung, erhalten die Kooperationsfähigkeit und die-nen als Referenz für den notwendigen und gewollten Export. Sie sind essenziell für den Erhalt indu-strieller Fähigkeiten sowie Kapazitäten und brauchen Realisierungssicherheit.
Entsprechend sind die Investitionsanteile des Verteidigungshaushaltes auch in Deutschland zu erhö-hen und Forschungsaufträge verstärkt, zielgerichtet und frühzeitig zu vergeben. Die mit dem Verteidi-gungsministerium abgestimmten wehrtechnischen Kernfähigkeiten geben die Richtschnur für aktivesHandeln bei Forschung, Technologie und Entwicklung vor.
Bei der Auftragsvergabe ist insbesondere darauf zu achten, dass die „Mittelstandsrichtlinien“ zur An-wendung kommen und eine vertikale Integration auf Seiten der Systemfirmen nicht zusätzlich begüns-tigt wird. Auf ministerieller Ebene ist auf die Einbindung der KMU-Kompetenzen zu achten.
4) Keine Benachteiligung der mittelständischen Industrie durch die europäische Konsolidierung
Die rüstungsindustrielle Basis besteht in Europa überwiegend aus wenigen, international verflochtenenSystemfirmen, einigen kooperationsfähigen Ausrüstern und einer größtenteils national ausgerichtetenmittelständischen Industriebasis aus Subsystem- und Komponentenzulieferanten.
Militärische Großvorhaben erfordern Systemintegratoren und Systemlieferanten. Diese binden Kom-ponentenlieferanten nach dem Wettbewerbsprinzip ein. Die Komponentenlieferanten können nur
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durch Erhalt der Technologieführerschaft unter wirtschaftlichen Bedingungen und nur durch Produktemit Alleinstellungsmerkmal erfolgreich sein.
Die mit den deutschen Beschaffungsregelungen verbundene Notwendigkeit der Vorfinanzierung vonProdukten bis hin zu hohen Kosten für die Entwicklung von Demonstratoren ohne Sicherheit für eineAuftragsvergabe ist mittelstandsfeindlich und übersteigt die finanziellen Fähigkeiten gerade der tech-nologie- und wertschöpfungsintensiven kleineren Unternehmen.
Deshalb ist es wichtig, über die definierten wehrtechnischen Kernfähigkeiten notwendige Forschungs-und Technologieaufträge zu finanzieren und auch an die mittelständische Industrie zu vergeben. Diefestgestellten und wettbewerbsfähigen Kompetenzen des Mittelstandes sollen bei Systemaufträgeneingebunden werden. Darüber hinaus sind verstärkt auch Allianzen aus mittelständischen Unterneh-men als Systemanbieter im Wettbewerb zu fördern.
5) Sicherstellung eines ausgewogenen nationalen Wertschöpfungsanteils bei europäischen / internationalen Projekten
Der reduzierte und nicht kontinuierliche Bedarf der Bundeswehr bei gleichzeitig knappen Haushalts-mitteln erfordert zum Erhalt von Fähigkeiten und Mindestkapazitäten den Exportumfang angemessenzu berücksichtigen.
Militärische Aufträge unterliegen bisher nicht den EU-Wettbewerbsregeln. So werden nationale Indus-trien europäischer Partnerländer weiterhin von ihren Regierungen durch wettbewerbsverzerrendeMaßnahmen, wie Subventionen und Offsetforderungen, begünstigt. Dazu folgende Hinweise aus dembritischen „Paper No. 5“ und dem französischen Positionspapier: „Eine erfolgreiche, innovative undwettbewerbsfähige Rüstungsindustrie ist für die Verteidigung Großbritanniens unverzichtbar. Diese In-dustrie hat für die Wirtschaft eine Schlüsselfunktion und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Be-schäftigung und zu ausgeglichenem Handel.“ 7 „Sicherheitspolitische Autonomie in strategisch wichti-gen Programmen ist unverzichtbar und muss auf nationaler und europäischer Ebene uneingeschränk-te Verfügbarkeit der Ausrüstung, Versorgungssicherheit und Exportfreiheit garantieren“.8 Die deutscheIndustrie muss entsprechend dem staatlichen finanziellen Beitrag und ihrer Bedeutung an europäi-schen Gemeinschaftsprogrammen beteiligt werden. Die deutsche wehrtechnische Industrie scheutnicht den Wettbewerb bei gleichen Chancen und Regeln.
7 The Ministry of Defence Papers: Paper No. 5 Defence Industrial Policy, Nov. 2002.8 For a competitive Autonomy in Europe – The Defence Procurement Policy, Frz. Verteidigungsministerium, Juli 2004.
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6) Harmonisierung der Rüstungsexportbestimmungen und ihrer Bewilligungspraxis auf europäischer Ebene
Die im europäischen Vergleich strengeren Rüstungsexportbestimmungen – insbesondere ihre Hand-habung durch deutsche Genehmigungsbehörden – benachteiligen die deutsche wehrtechnische In-dustrie im europäischen Wettbewerb und – fast noch wichtiger – in Zeiten der Globalisierung. Deutsch-lands Genehmigungspraxis schreckt ausländische Kunden teilweise von Projekten mit der deutschenIndustrie ab. Rüstungsexportregeln müssen deshalb EU-weit gleich sein.
Während andere europäische Staaten unterschiedliche Formen staatlicher Hilfen ihren oftmals staats-eigenen Rüstungsfirmen im Exportgeschäft weiterhin gewähren, sind Hermesdeckungen für Rüs-tungsprojekte außerhalb von NATO und EU in Deutschland kaum noch zu bekommen. Dadurch ent-stehen der deutschen wehrtechnischen Industrie nicht auszugleichende Wettbewerbsnachteile im eu-ropäischen Vergleich. Die deutsche wehrtechnische Industrie braucht deshalb alle Formen staatlicherGarantien für genehmigte Rüstungsexporte nach gleichen Kriterien wie für andere Exportgüter.
7) Alternative Finanzierungsmodelle
Angesichts begrenzter Haushaltsmittel gewinnt die Suche nach neuen / alternativen Modellen zurFinanzierung von Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr zunehmend an Bedeutung. Erste An-sätze zur Finanzierung von Bundeswehrvorhaben über Private Public Partnership (PPP), Leasing,Charter, Mietkauf oder über das „Mogendorfer Modell“ können derzeit nicht konsequent weiter verfolgtwerden. Das bestehende Haushaltsrecht erschwert derzeit weitergehende, innovative und moderneLösungsansätze, die Budgets entlasten könnten und zur Finanzierung von Projekten im Kernfähig-keitsbereich der Bundeswehr dringend notwendig wären.
Die deutsche Rüstungs- und Sicherheitsindustrie fordert deshalb die Schaffung entsprechender ge-setzlicher Rahmenbedingungen zur Durchführung weitergehender Modell- und Pilotvorhaben im Be-reich alternativer Projektfinanzierung der Bundeswehr.
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Die Bilanz der deutschen wehrtechnischen Industrie im Prozess der Schaffung eines europäischenRüstungsmarktes sollte eher nüchtern betrachtet werden. Die Einrichtung einer europäischen Verteidi-gungsagentur ist für sich genommen nicht dazu geeignet, die nationalen Unterschiede gerecht auszu-gleichen. Umgekehrt droht die Gefahr, dass Wettbewerbsnachteile für die deutsche wehrtechnische In-dustrie zu einer weiteren Reduzierung oder Abwanderung vom Standort Deutschland führen.
Das Ziel politischen und industriellen Handelns muss folgerichtig darauf gerichtet sein, die deutschewehrtechnische Industrie wettbewerbsfähig aufzustellen und zu erreichen, dass die vorhandenenKernfähigkeiten auch im europäischen Verbund wirkungsvoll zur Geltung kommen.
Die Umsetzung der Kernbotschaften des BDI, flankiert von der Erkenntnis, die deutsche wehrtechni-sche Industrie als strategische Ressource der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik anzuer-kennen ist die Aufgabe, der sich die Politik in den nächsten Jahren zu stellen hat. Dazu gehört auchdas Aufbrechen überholter Strukturen, die Definition nationaler deutscher Interessen und zielgerichte-tes Handeln von Politik und Industrie. So skizzierte der Bundespräsident ob der Herausforderungen andie deutsche Sicherheitspolitik einen neuen, ressortübergreifenden Ausschuss des deutschen Bundes-tages für Sicherheitspolitik: „[...] Was spricht zum Beispiel für, was gegen einen neuen, ressortüber-greifenden Ausschuss des Deutschen Bundestages für Sicherheitspolitik? Wie lassen sich die analyti-schen und finanziellen Fähigkeiten der Bundesressorts für zivile und militärische Interventionen in Kri-sengebieten besser verbinden und aufeinander abstimmen als bisher?” 9 Dieser Vorstoß erfährt die vol-le Unterstützung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Auch, weil sich die deutsche wehr-technische Industrie als ein ergänzendes Element der deutschen und europäischen Außen-, Sicher-heits- und Wirtschaftspolitik versteht.
Dies wird auch von der Politik anerkannt; doch braucht die Industrie klare und verlässliche Perspekti-ven. Nur wenn die Unternehmer hinreichend sicher abschätzen können, wie der zukünftige Bedarf de-finiert ist und wie er realisiert werden soll, sind unternehmerische Entscheidungen möglich. Das Zielpolitischen und industriellen Handelns muss darauf gerichtet sein, die deutsche wehrtechnische In-dustrie zukunftsfähig aufzustellen und zu erreichen, dass die vorhandenen Kernfähigkeiten auch imeuropäischen Verbund nicht ignoriert werden können. Tatsache ist: Wehrtechnisches Gerät „Made inGermany“ ist weltweit gefragt und die deutsche Industrie stellt sich dem Wettbewerb – politische Unter-stützung aber ist unerlässlich!
9 Bundespräsident Horst Köhler: Rede auf der Kommandeurtagung der Bundeswehr, 10. Oktober 2005. Bonn. X, S.9.
4. Zusammenfassung und Ausblick
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A. Sicherheits- und verteidigungspolitisches Umfeld, national, europäisch und transatlantisch
Die Sicherheitsarchitektur der internationalen Staatengemeinschaft wird durch die Vereinten Nationenund die OSZE 10 gestaltet. Die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird in enger Zu-sammenarbeit mit der NATO und der EU entwickelt und in militärische Fähigkeiten umgesetzt.
Die in Istanbul beschlossene Erweiterung der NATO auf nunmehr 26 Nationen hat die politische Reich-weite der NATO weiter vergrößert. Die sicherheitspolitische Landschaft in Deutschlands geographi-schem Umfeld wird damit nachhaltig durch das Nordatlantische Bündnis geprägt. Weiteren sicher-heitspolitischen Einfluss hat die NATO im NATO-Russland-Rat und im Euro-Atlantischen Partner-schaftsrat (EAPR). Beide Institutionen sollen einerseits sicherheitspolitische Konsultationen und ande-rerseits die praktische zivile und militärische Zusammenarbeit mit den Ländern Mittel- und Osteuropasermöglichen und forcieren. Letztere wird im Rahmen des Partnerschaft-für-Frieden-Programms (PfP)des EAPR auch aktiv gestaltet.
Die EU entwickelt seit 1999 eine eigenständige Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Als inter-nationaler Akteur ist die Union seit 2003 im militärischen und im zivilen Krisenmanagement operativ tä-tig. Dazu kann sie auf Mittel und Fähigkeiten der NATO zurückgreifen („Berlin Plus“). Der schnelle Auf-bau einer Europäischen Verteidigungsagentur (EDA 11) und die vom Europäischen Rat im Dezember2004 gebilligten Vorschläge für ein EU-Operationszentrum, eine zivil-militärische Zelle, eine EU-Pla-nungszelle bei SHAPE und einem NATO-Verbindungselement beim europäischen Militärstab sindsichtbare Zeichen der EU-Anstrengungen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Die Einrichtung dieser Institutionen ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die uns derzeit bedrohendenKräfte, die sich über das kodifizierte Völker- und Kriegsrecht hinwegsetzen und jedes ihnen zur Verfü-gung stehende Mittel der Gewaltanwendung einsetzen. Es ist die sicherheitspolitische Maxime, dasskein noch so abwegiges Szenario undenkbar ist, und wenn es denkbar ist, wird es eines Tages auchversucht werden. Die von Terrorgruppen und ähnlichen nicht-staatlichen Akteuren ausgehende unkon-ventionelle Bedrohung wird als „asymmetrische Gewalt“ bezeichnet, d. h. strategisch eher defensiv,taktisch hingegen äußerst offensiv.
Die Bekämpfung asymmetrischer Gegner erfordert innovative operative Konzepte und eine der jewei-ligen Bedrohung entsprechende Ausrüstung. Der asymmetrische Gegner agiert unerwartet und bleibtbis zur Ausführung seiner Aktionen unerkannt. Die westlichen Streitkräfte müssen daher schnell undwirkungsvoll auf einen Anschlag oder Angriff reagieren können.
5. Hintergrundinformationen
10 Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.11 European Defence Agency.
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Die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird durch die derzeitige sicherheitspolitische Lageund die sicherheitspolitischen Leitlinien von NATO und EU bestimmt. Eine grundlegende Neuausrich-tung der Bundeswehr wurde durch die im Mai 2003 erlassenen „Verteidigungspolitischen Richtlinien“(VPR) eingeleitet. Im Oktober 2003 wurden die Rahmenbedingungen der zukünftigen Planung durchdie „Weisung zur Weiterentwicklung der Bundeswehr“ vorgegeben. Die aus diesen Vorgaben entwi-ckelte „Konzeption der Bundeswehr“ 12 (KdB) enthält die Vorgaben für die Neuausrichtung der Bundes-wehr auf das neugewichtete Aufgabenspektrum. In den VPR und der KdB wird die multinationale Si-cherheitsvorsorge als grundlegendes Prinzip deutscher Verteidigungspolitik festgeschrieben.
Danach beschränkt sich die Verteidigung der Bundesrepublik im Sinne des Grundgesetzes nicht aufdie herkömmliche Verteidigung an den Landesgrenzen. Sie muss dort einsetzen, wo Risiken und Be-drohungen für die Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten entstehen. An die Stelle des staat-lichen potenziellen Angreifers, gegen den wir bisher gerüstet haben, tritt ein asymmetrischer Gegner,der nur mit neuen militärischen und rüstungstechnischen Konzepten abzuwehren ist.
Der in der Konzeption der Bundeswehr dargestellte Umbau der Streitkräfte wird in Anlehnung an dieTerminologie der USA und anderer Bündnispartner Transformation genannt. Der Transformationspro-zess soll die Einsatzfähigkeit und -wirksamkeit der Bundeswehr wesentlich erhöhten. Der damit ver-bundene Wandel der Streitkräfte wird von tiefgreifender Natur sein und nachhaltige Veränderungenhinsichtlich Doktrin, Operationen, Training, Führung, Material, Personal und der militärischen Infra-struktur bewirken. In der Konzeption der Bundeswehr (KdB) wird als Element der Transformation dergemeinsame („Joint”) und fähigkeitsorientierte Streitkräfteeinsatz festgeschrieben. Die KdB machtoperative, personelle, strukturelle und materielle Vorgaben, die eine raschere Ausrichtung der Bundes-wehr auf die wahrscheinlicheren Aufgaben ermöglichen.
Für die deutsche Rüstungsindustrie haben die Entwicklungen des sicherheits- und rüstungspolitischenUmfeldes und die Streitkräftetransformation Konsequenzen. Letztere verlangt von der Industrie neuar-tige Fähigkeiten und Leistungen, für die derzeit keine Budgets zur Verfügung stehen. Die deutschenStreitkräfte sind nicht länger ein eigenständiger nationaler Beitrag zu einem Bündnis, sondern in einKonzept multinationaler Sicherheitsvorsorge integriert. Daraus folgt die unmittelbare Frage, wo die rüs-tungspolitischen Entscheidungen fallen und wie gewichtig der nationale Einfluss auf diese Entschei-dungen ist.
12 Bundesminister der Verteidigung: Konzeption der Bundeswehr, 9. August 2004.
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B. Konzeption der Bundeswehr (KdB) und Bw-Plan
Gemäß der Konzeption der Bundeswehr bleibt die Verteidigung Deutschlands gegen eine äußere Be-drohung der verfassungsrechtliche und politische Auftrag der Bundeswehr. Verteidigung im Sinne desGrundgesetzes beschränkt sich nicht auf Verteidigung an den Landesgrenzen, sondern muss dort ein-setzen, wo Risiken und Bedrohungen für die Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten entste-hen. Hierdurch wird ein entscheidender Beitrag zum Schutz Deutschlands und seiner Bürgerinnen undBürger geleistet. Darüber hinaus hält die Bundeswehr im Rahmen der geltenden Gesetze zum Schutzder Bevölkerung und der lebenswichtigen Infrastruktur des Landes Kräfte und Mittel entsprechend demRisiko bereit.
Weiter wird in Abs. 4.1. festgestellt: „Der Auftrag der Bundeswehr ist eingebettet in die gesamtstaatliche Vorsorgepflicht für die Sicherheitder Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und unseres Wertesystems sowie für die Wahrung unse-rer Interessen im europäischen und transatlantischen Zusammenhang.“
Der KdB liegen u. a. die „Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR)“13 des Bundesministers der Vertei-digung zu Grunde.
Diese beinhalten besonders aus Industriesicht folgende wichtige Aussage:„Deutschland wird als Voraussetzung für solche Kooperationsfähigkeit eine leistungs- und wettbe-werbsfähige industrielle Basis in technologischen Kernbereichen aufrechterhalten, um auf die Ent-wicklung entscheidender Waffensysteme Einfluss nehmen zu können. Dies fördert Bündnis- und Euro-pafähigkeit und ist daher ein Teil deutscher Sicherheitspolitik. Der industrielle Zusammenschluss na-tionaler Rüstungskapazitäten wird unverändert eine wichtige Rolle spielen.“
Bundeswehrplan
Im Rahmen der jährlichen Aufstellung des Bundeshaushalts leistet der Generalinspekteur der Bundes-wehr durch die Aktualisierung der militärischen Planung den entscheidenden Beitrag insbesondere fürdie Beschaffung der Ausrüstung.
Neben den VPR und der KdB bilden insbesondere auch politische Vorgaben sowie die entsprechen-den Planungsvorgaben des Bundesministeriums der Finanzen (Finanzplan) die Grundlage für den zuaktualisierenden Bundeswehrplan.
13 BMVg-BM vom 21. Mai 2003.
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C. Kernfähigkeiten
„Wehrtechnische Kernfähigkeiten sind die Fähigkeiten, auf die aus sicherheitspolitischen,technologischen und / oder rüstungswirtschaftlichen Gründen unter Berücksichtigung einerzukunftsfähigen europäischen Ausrichtung auf der Basis der dazu notwendigen industriellenWettbewerbs- und Durchsetzungsfähigkeit künftig nicht verzichtet werden kann.“
(Gemeinsame Definition Ausschuss Verteidigungswirtschaft / BDI und BMVg, März 2004)
18 · Sicherheit & Verteidigung
D. Annex / Zahlen / Schaubilder
1. Umsatz der Top 10 Rüstungsunternehmen weltweit
2. Umsatz der Top 10 europäischen Rüstungsunternehmen (in Mio. $ Geschäftsjahr 2004)
3. Anteil Verteidigungsaufwendungen am BIP
4. Transatlantisches Ungleichgewicht (Stand: 2004)
5. Arbeitsplatzentwicklung Industrie und Streitkräfte 1989 - 2005
6. Verteidigungshaushalt 2004 (Aufteilung in Mrd. Euro)
7. Verteidigungshaushalt 2005 (Aufteilung in Mrd. Euro)
8. Verteidigungs- und Rüstungsausgaben der Bundeswehr im Vergleich: 1990 und 2005 (in Mrd. Euro)
9. Materialausgaben im Verteidigungshaushalt: Vergleich Deutschland / Frankreich / Großbritannien
10. Militärische Forschung und Entwicklung 1997–2005: Vergleich: Großbritannien und Deutschland
11. Forschung und Entwicklung in Deutschland
1. Umsatz der Top 10 Rüstungsunternehmen weltweit(in Mio. $ Geschäftsjahr 2004) 10/2005
Quelle: Defense News; TOP 100 (2005)
8.000
8.868
10.240
10.505
15.000
18.771
20.344
22.126
30.464
34.050
Halliburton
Thales
Honeywell
EADS
General Dynamics
Raytheon
BAE Systems
Northrop Grumman
Boeing
Lockheed Martin
Sicherheit & Verteidigung · 19
2. Umsatz der Top 10 europäischen Rüstungsunternehmen(in Mio. $ Geschäftsjahr 2004) 10/2005
Quelle: Defense News; TOP 100 (2005)
1.882
1.900
2.004
2.183
3.069
3.547
7.670
8.868
10.505
20.344
Rheinmetall
Saab
Titan
Snecma
Rolls-Royce
DCN
Finmeccanica
Thales
EADS
BAE Systems
3. Anteil der Verteidigungsaufwendungen am BIP 2004(in % im Geschäftsjahr 2004) 10/2005
Quelle: NATO
0,91,21,2
1,31,4
1,61,6
1,91,9
22
2,12,2
2,42,6
3,54,2
4,8
LuxemburgKanadaSpanienBelgien
DeutschlandDänemark
NiederlandeUngarn
ItalienNorwegen
PolenPortugal
TschechienGroßbritannien
FrankreichUSA
GriechenlandTürkei
20 · Sicherheit & Verteidigung
4. Transatlantisches Ungleichgewicht(Stand 2004) 10/2005
Quelle: EU – Code of Conduct, NATO, SIPRI
US – Beschaffungen Europ. – Beschaffungen
Sonstige 3%
Ca. 26 Mrd. €
Ca. 99 Mrd. €
Das transatlantische Ungleichgewicht demonstriert diemilitärische und rüstungswirtschaftliche
Dominanz der USA.
Europ.-Anteil 2,4 % (2,4 Mrd €)
US-Anteil 97,6 % (96,6 Mrd. €)
US-Anteil 48 % (12,6 Mrd. €)
Europ.-Anteil 49 % (12,7 Mrd €)
5. Arbeitsplatzentwicklung Industrie und Streitkräfte 1989 – 200510/2005
*Quelle: BMVg **Quelle: BDI
Gesamtverlust an Arbeitsplätzen
West
(Bw)
ca. 630.000
Ost
(NVA)
ca. 320.000
Angehörige der Streitkräfte(zivil und militärisch)
Beschäftigte der wehrtechnischen Industrie Gesamt
West
(„BRD”)
ca. 280.000
Ost
(„DDR”)
ca. 120.000ca. 1.350.000
ca. 450.000Bundesrepublikca. 80.000**
(Davon 40.000 dual-use)
Bundesrepublikca. 371.831*
(ca. 120.831 zivil / 251.000 militärisch)
Beschäftigte
Jahr
1989
2005
∑ 400.000 ∑ 950.000
ca. 900.000
1989 2005
- 80%
Trend in derwehrtechnischen Industrie
Sicherheit & Verteidigung · 21
6. Verteidigungshaushalt 2004(Aufteilung in Mrd. Euro) 10/2005
Quelle: BMVg Stand: 2004
Gesamt 24,06
Betreiberlösungen0,24 Mrd. € (1,0 %)
Betriebsausgaben17,90 Mrd. € (74,4 %)
Investive Ausgaben5,92 Mrd. € (24,6 %)
Sonstige Investitionen0,18 (0,7 %)
Personalausgaben12,31 (51,2 %)
F & E, Erprobung0,95 (3,9 %)
Mil. Beschaffung4,0 (16,6 %)
Mil. Anlagen0,79 (3,2 %)
Sonstige Betriebsausgaben
3,44 (14,3 %)
Mat.-erhaltung2,15 (9,0 %)
7. Verteidigungshaushalt 2005(Aufteilung in Mrd. Euro) 10/2005
Quelle: BMVg, Rü II 1 Stand: März 2005
Gesamt 23,9
Betreiberlösungen0,29 Mrd. € (1,2 %)
Betriebsausgaben17,47 Mrd. € (73,1 %)
Investive Ausgaben6,14 Mrd. € (25,7 %)
Sonstige Investitionen0,21 (0,9 %)
Personalausgaben12,0 (50,2 %)
F & E, Erprobung0,96 (4,0 %)
Mil. Beschaffung4,21 (17,6 %)
Mil. Anlagen0,75 (3,2 %)
Sonstige Betriebsausgaben
3,45 (14,5 %)
Mat.-Erhaltung2,01 (8,4 %)
22 · Sicherheit & Verteidigung
8. Verteidigungs- und Rüstungsaufgaben der Bundeswehr im Vergleich: 1990 und 2005(in Mrd. Euro) 10/2005
Quelle: BMVg, Rü II 1 Stand: pril 2005
Rüstungsausgaben 7,18 (30,0 %)
1990 2005
Mat.-erhaltung2,01 (8,4 %)
F&E0,96 (4,0 %)
Rüstungsausgaben 10,4 (35,4 %)
F&E1,7 (5,8 %)
Beschaffung6,1 (20,8 %)
Mat.-erhaltung2,6 (9,7 %)
Beschaffung4,21 (17,6 %)
Übrige Ausgaben 19,00 (64,6 %)- Personal (45, 0%) - Infra- Betrieb
Übrige Ausgaben 16,72 (70 %) - Personal (50,3 %) - Infra - Betrieb
Verteidigungsausgaben gesamt: 23,9 (100 %)Verteidigungsausgaben gesamt: 29,4 (100 %)
9. Materialausgaben im Verteidigungshaushalt: Vergleich Deutschland – Frankreich – Großbritannien 10/2005
Quelle: NATO, SIPRI gemäß SIPRI wurden noch keine aktuelleren Daten durch die NATO veröffentlicht
Ausgaben Materialbeschaffung und -erhalt (Mio. $)
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
9000
10000
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Deutschland
Frankreich
Großbritannien
Sicherheit & Verteidigung · 23
10. Militärische Forschung und Entwicklung 1997 – 2005Vergleich: Großbritannien und Deutschland 10/2005
Quelle: Bundesministerium der Verteidigung; MoDDS/UKDS
Deutschland
Großbritannien
3894 3870
5144
4738
1620 1620 1560 15901306 1384
1264 1280
1760
42144275
4026
4354
0
1000
2000
3000
4000
5000
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
Mio. $
11. Forschung und Entwicklung in Deutschland10/2005
Quelle: BMVg
Industrie
LänderBund
EntwicklungF & T
100 %
F&E Deutschland
BMBF
andereBMVg
F&E Bund F&E BMVg
18 % 12 %
F&T Ausgaben 1991-2004
0
Jahr 2004
91 92 93 94 95 96 97 98 99 0 01 02 03
plus ~100 Mio. € Grundfinanzierung
04
� IT-Anteil
Trend
6618
16
20
1268
80
20