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Fotos

: Flori

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Oben: Farbspiele in Wolfsburg

Links:James Turrells Kraterauge in Nevada

Projizierende Medien eröffnen neuePerspektiven. Die Arbeit mit demflüchtigen Medium ist längst Teil vonEvent wie Kunst. Künstlerinnen undKünstler haben den Pinsel gegen dasLicht eingetauscht.

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Fotos

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Links:Die interaktive Installation „Sala Agua“ in Saragossa

Mitte: Lichtfaktormalt in die offene Blende.

Unten: Jerry Appelt lässtLichtzüge in den BerlinerHauptbahnhof fahren.

zeugen kann. Das Licht wurde für den Eindruck auf die Gläubigenmit eingeplant. Der amerikanische Lichtkünstler James Turrell hat in der Wüste Arizonas mit seinem Kraterobservatorium Roden eine neue Licht-Kathedrale geschaffen. In dessen Kata-komben beobachtet man die Effekte von Sonne, Mond und Sternen. Kaum ein anderer hat sich derart auf das Licht konzentriert. Das Kunstmuseum Wolfsburg hat sich ihm für eine aktuelle gebäudegreifende, tief beeindruckende Lichtinstallation in2009/2010 komplett ausgeliefert. Licht kann eben mehr sein, alseine zappelnde Front beweglicher Scheinwerfer. Man könnte sogarJoseph Beuys’ „Capri Batterie“ hinzuzählen, obschon das Leuch-ten der gelben Glühbirne – aus Zitronen gespeist – erst erwartetwird. Das ZKM in Karlsruhe zeigte die Installation 2006, das LandNordrhein-Westfalen auf der EXPO2000 als zentrales Werk imdeutschen Pavillon.

Dass Lichtkunst eine ganze Stadt durchschreiten kann, bewiesdie 1963 in San Juan/Puerto Rico gebürtige Yvette Mattern, die inBerlin lebt und arbeitet, in der winterlichen Hauptstadt. Zur Eröff-nung des Festivals „transmediale“ schickte sie ein Regenbogen-spektrum aus Laserlicht durch den schneegeschwängerten Him-

mel. Vom Haus der Kulturen der Welt bis zum Alexanderplatz durch-maßen die Strahlen das abendliche Berlin. Erste Testläufe ihres„Global Rainbow"-Projekts machte Mattern bereits im Januar 2009in New York. Ganz anders gehen David Lüpschen, Marcel Panneund Jens Heinen als Künstlertrio Lichfaktor vor. Sie malen mit Ta-schenlampen in die geöffneten Blenden von Kameras. Herauskommen flüchtige wie lebendige Skulpturen an Stationen des All-tags. Licht ist für die Künstler eins der drei Elemente, und da esnicht greifbar und reine Energie ist, der Antrieb allen Lebens: „Darüber hinaus wird erst durch das Licht alles sichtbar. Das Wechselspiel aus Dunkelheit und Licht, Dinge, die wir sehen/nicht sehen, erahnen, es schafft die Stimmung/Atmo-sphäre, wir nutzen es, um uns kreativ auszudrücken. Also kurz ge- sagt, ist es so wie in der Bibel: Licht ist das Leben.“ Aktuell arbei-ten die Kölner an den Illustrationen zu einem Kinderbuch und an ei-ner Live-Performance. David Lüpschen und Marcel Panne gebenauch regelmäßig Workshops.

Die Zeiten der einzelnen Tranfunzel sind längst vorbei. Auch dienoch so hell strahlende ARRI-Kanne ist genauso wenig der End-punkt der Entwicklung, wie sogenannte Moving Lights, die sich

vvvZu Rembrandts Zeiten war es noch ein besonderer Trick, einBild zu malen, dessen Figuren und Gegenstände von zwei verschie-denen Lichtquellen beleuchtet wurden, denn die Menschen, diesich diese Bilder anschauten, konnten sich kaum mehr als eineLichtquelle erlauben. Das war dann das Tageslicht und vielleicht ei-ne schmauchende Tranfunzel. Kerzen waren aus Bienenwachs undein Luxus für wenige. Licht war kostbar, und die Lichtwirkung in denGemälden der Alten Meister hat nicht zuletzt deswegen etwas Mys-teriöses oder Mystisches. Das ist eine Analyse des Kölner Kunst-historikers Jürgen Raap, die wir gerne aufgreifen. Längst wird mitdem Licht selbst gemalt. Hightech-Scheinwerfer, Lichtcomputerund Licht emittierende Dioden werden genutzt, um uns heute zuverblüffen. Bald schon könnten organische LEDs folgen, mit denenwir selbst leuchten oder – mit deren Folien eingekleidet – beliebigeKörper frisch in allen Spektralfarben oder sogar in bewegten bun-ten Bildern erstrahlen könnten.

Dabei war die Wirkung des Lichts nicht nur den Malern bekannt.Auch die Dombaumeister wussten darum, wovon man sich in No-tre-Dame, im Kölner Dom (auch schon lange vor dem Richter-Fenster) oder selbst in den herrlichen Abteiruinen Englands über-

schick an einer völlig neuartigen Form der Inszenierung. Es werdenmeterhohe römische Grabmale und Wandreliefs mittels einer au-diovisuellen 360-Grad-Bespielung in der Gräberstraße im Rheini-schen Landesmuseum Trier realisiert. Durch die Verbindung vonHörspiel und immersiver, emotionaler Bilderwelten soll der Besu-cher in ein poetisches Spiel eintauchen. Er wird Zeuge der Erwe-ckung der antiken Steine. In Shanghai – auf der EXPO 2010 – istMarc Tamschick natürlich auch wieder dabei.

Lichtkünstler haben wenig Zeit und sind anscheinend immer un-terwegs. Jerry Appelt erwischt man irgendwo in Indien oder inHamburg. Dann muss er auch noch „Unseren Star für Oslo“ insrechte Licht rücken. Oder er lässt den Berliner Hauptbahnhof beiseiner Eröffnung erstrahlen. Inklusive fahrender Lichtzüge, dieWest und Ost miteinander verbinden. Für diese „Lichtsinfonie“ er-hielt er den renommierten „reddot“-Designpreis. Dass er nicht nurShows wie „Bambi“ oder den RTL-„Dome“ kann, zeigte er auch beiSchiffstaufen wie die der AIDA in Rostock oder einem Lichtdesignfür den Telekom-Messestand auf der CeBIT oder am Pergamon-Altar in Berlin. v

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Fotos

: Luis

Asin,

Frank

Alexan

der Rü

mmele

computergesteuert zu allen möglichen Lichttaten verleiten lassen.Die Grenzen zur Medienkunst sind längst durchlässig geworden.Hier arbeitet Antonius Quodt an vorderster Front. Das ergab diver-se Zusammenarbeiten mit André Heller: auch die Architekturbe-leuchtung beim RWE „Meteorit“ in Essen oder den „Fußball-Glo-bus“ zur WM 2006. Die Swarovski-Kristallwelten in Wattens/Tirolhat er ebenfalls betreut, wie auch den VW-Markenpavillon in derAutostadt Wolfsburg. Licht bedeutet für ihn: „Ein äußerst filigranes,aber wirksames Arbeitsmittel, das in Einklang zum Beispiel mit ei-ner Architektur sowie der Einarbeitung auch zusätzlicher Mediendie Grundlage zur Schaffung von weitläufigen Erlebniswelten bildenkann.“ Fasziniert von der Vorstellung, dass die Mehrheit unsererGesellschaft bereits in absehbarer Zeit mit ihren Mobiltelefonen je-derzeit „online" sein wird, arbeitet er an neuen Möglichkeiten für in-teraktive Schaufenster im Auftrag eines prominenten Modelabels.Natürlich werden die lichttechnischen Aspekte auch hier nicht zukurz kommen. Aber auch Installationen im medizinischen Bereichsind ihm nicht fremd. Und der „Stern des Südens“ war ein giganti-scher, rotierender, weithin leuchtender Weihnachtsstern an der Autobahn A9 bei München, der zusammen mit dem Künstler Michael Pendry verwirklicht wurde. Ein Windkraftrad war die Aus-gangsbasis.

Marc Tamschick aus Berlin arbeitet mit bewegten Bildern. Lichtist für ihn das Medium, um Geschichten zu erzählen: „Licht ist dasMedium, um Raum zu formen, zu verformen, um zu manipulieren.Licht ist unser Hauptmaterial als Künstler.“ Mediale Szenografie seidie inszenatorische Möglichkeit des Films, durch Storytelling, Zeitund Dramaturgie-Experimente in und mit dem Raum durchzuspie-len. Der zweidimensionale Film verlässt seine klassische Bühne,

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die Leinwand, und wird zum dreidimensionalen raumerweiterndenMedia-Space. Auf der Weltausstellung 2008 in Saragossa gestal-tete Tamschick die selbstleuchtende Fassade des Afrikapavillons.Eine nachts pulsierende Lichtskulptur mit Fernwirkung. Das Lichtauf der Fassade repräsentierte die Seele des Gebäudes und des-sen Inhalt: Afrika. Das Mittel war eine „Lichtmembran“, die das Au-ßen und das Innen verband. Am gleichen Ort zum gleichen Anlassschuf er auch noch die Installation „Sala Agua“ für acciona, denspanischen Energiekonzern. In diesem Pavillon, einem virtuellenRaum auf der EXPO in Saragossa, konnte der Besucher interaktivseine Umgebung beeinflussen. Er fühlte sich wie in einer abstrak-ten, künstlerischen Parallelwelt. Dieser Raum wurde geschaffen,um Emotionen erfahrbar zu machen, um zu experimentieren. Aufjede Aktion des Besuchers reagierte seine Umwelt, das Environ-ment, unmittelbar und nachvollziehbar. Der Besucher transfor-mierte die Projektionen interaktiv durch seine Bewegung im Raum,der das Wasser zum Thema hatte. Weitere herausragende Projek-te waren zum Beispiel das BMW-Museum in München oder „Gren-zen (er)leben“ im Rahmen der schweizerischen Landesausstel-lung. Der Pavillon „Viv(r)e les frontières“ wurde als ein über demBieler See schwebender Kubus realisiert. Der mediale Erzählraumwar in seinen Dimensionen im Inneren ein begehbarer Film. 28Projektionsflächen verbanden sich zu einer einzigen großen 360-Grad-Leinwand. Der Besucher sollte zum Grenzgänger und Grat-wanderer seiner eigenen Emotionen werden. Zurzeit arbeitet Tam-

Oben: Marc Tamschick macht die Haut des Afrikapavillons leuchten.

Unten: Antonius Quodt designte das Licht beim Fußball-Globus 2006.