selbst ist der koch - hotel schweizerhof-lenzerheide...molkenessig verarbeitet oder an die schweine...

4
AZA 7007 Chur Preis Fr. 2.90 lokalzeitung und amtliche publikationen für gemeinden der region albula/alvra und die gemeinde churwalden Nr. 22, 29. Mai 2020 38. Jahrgang Bild Nicole Trucksess

Upload: others

Post on 30-Oct-2020

1 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: SELBST IST DER KOCH - Hotel Schweizerhof-Lenzerheide...Molkenessig verarbeitet oder an die Schweine verfüttert. Das Buttern mit dem Butterfass hat etwas Meditatives, findet Hansjörg

AZA • 7007 Chur Preis Fr. 2.90

lokalzeitung und amtliche publikationen für gemeinden der region albula/alvra und die gemeinde churwalden

Nr. 22, 29. Mai 202038. Jahrgang

ALLES IN BUTTER

Hansjörg Ladurner stellt aus Geissmilch seine eigene Ziegenbutter her

Bild Nicole Trucksess

Page 2: SELBST IST DER KOCH - Hotel Schweizerhof-Lenzerheide...Molkenessig verarbeitet oder an die Schweine verfüttert. Das Buttern mit dem Butterfass hat etwas Meditatives, findet Hansjörg

2 | novitats Freitag, 29. Mai 2020

Was macht man mit Ziegenmilch, die men-genmässig zum Verkäsen nicht ausreicht? Eine Möglichkeit wäre, sie an Hansjörg La-durners beiden Alpschweine Gion und Fi-del, die bei Bruno Hassler in Zorten auf-wachsen, zu verfüttern. Die Schweine würden sich freuen. «Aber dann kann ich sie im Sommer auf die Alp rollen», sagt Hansjörg Ladurner lachend. Was also tun? Auf der Suche nach einer sinnvollen Ver-wendung kam ihm die Idee, selbst Ziegen-butter und -frischkäse herzustellen. Zie-genbutter ist etwas, was man eher selten im Kühlregal findet, wie er erklärt. Meist landet sie stattdessen in Drogerien und findet Verwendung in Kosmetika. «Ziegenbutter hat einen eigenen Ge-schmack. Ich dachte mir, ich probiere das einfach mal.» Also machte er sich auf die Suche nach einer Zentrifuge und einem Butterfass. Und da er kein Käser sei, ha-ben ihm Martin Flo Bienerth und seine Frau Maria Meyer, die die Sennerei in An-deer betreiben, Tipps und Lab zum Verkä-sen mitgegeben. Nachdem er Zentrifuge und Butterfass ge-funden hatte, ging es an die Arbeit. Zu-nächst muss die Milch wieder auf «Ziegen-temperatur» erwärmt und anschliessend gefiltert werden. «Etwa 32 bis 35 Grad sind ideal zum Zentrifugieren.» Ist die Milch hingegen zu kalt, erhalte man weni-ger Rahm. Der gewonnene Rahm weist einen Fettgehalt von etwa 35 Prozent auf. «Ziegenmilch hat von Haus aus einen hö-heren Fettgehalt als Kuhmilch», erklärt der Koch. «Je nach Rasse und Futter etwa 4,2 Prozent, Kuhmilch hingegen 3,8 Pro-zent.» Während die alte Zentrifuge ihren

SELBST IST DER KOCHWas man nur schwer bekommt, stellt man eben selber her,

wie Hansjörg Ladurner seine Ziegenbutter

Von Nicole Trucksess

Der Ziegenfrischkäse wird mit Kastanienschalen geräuchert.

Die übrig gebliebene Molke wird später entweder zu Molkenessig verarbeitet oder an die Schweine verfüttert.

Das Buttern mit dem Butterfass hat etwas Meditatives, findet Hansjörg Ladurner.

Die fertige Ziegenbutter wird in Form gebracht.

Page 3: SELBST IST DER KOCH - Hotel Schweizerhof-Lenzerheide...Molkenessig verarbeitet oder an die Schweine verfüttert. Das Buttern mit dem Butterfass hat etwas Meditatives, findet Hansjörg

Freitag, 29. Mai 2020 novitats | 3

Dienst versieht und die Ziegenmilch in Rahm und Magermilch trennt, verrät Hansjörg Ladurner, was er später mit sei-nem selbst gemachten Ziegenfrischkäse kulinarisch im Sinne hat. «Ich kann mir gut eine Vorspeise vorstellen, mit Gerste, eingelegten Kirschen, mit Kastanienscha-len geräuchert und in Iva-Öl eingelegt, zu-sammen mit eingelegten Spargeln und Rhabarber … da lass ich mir etwas Beson-deres einfallen.» Inzwischen ist die Zentrifuge fertig, aus 14 Litern Ziegenmilch fliessen 2,9 Liter Rahm in den Kessel, der Rest ist Magermilch. Nach dem Zentrifugieren werden Rahm und Magermilch pasteurisiert. Dafür wer-den sie auf 70 Grad erhitzt, anschliessend auf 28 Grad heruntergekühlt und «ge-impft». Der Rahm wird lediglich mit Milch-

säurebakterien geimpft, die Magermilch, aus der Quark gemacht wird, mit Milch-säurebakterien und Lab. Nach dem Impfen trennt sich die Magermilch in Eiweissku-chen und Molke. «Aus einem Teil der Mol-ke mache ich Molkenessig, den Rest be-kommen die Schweine.» Hansjörg Ladurner muss lachen, als er an den Blick von Gion und Fidel denkt, als sie das erste Mal statt Ziegenmilch nur noch die Molke bekamen. Ein gewisser Vorwurf war darin schon zu erkennen … Auch Schweine wis-sen eben, was gut ist. Hansjörg Ladurner legt eine Schüssel mit einem Quarktuch aus, füllt den Quark- bzw. Eiweisskuchen vom Vortag darin ab. Anschliessend hängt er das Tuch auf, da-mit die restliche Molke abfliessen kann. «24 Stunden hängt der Quark im Kühl-

haus», erzählt Ladurner. «Mir ist trocke-ner Quark wichtig, je trockener umso schö-ner ist nachher das Resultat.»Während der Quark entspannt an der De-cke hängt und vor sich hin tropft, widmet sich Hansjörg Ladurner dem Rahm. Durch das Impfen mit den Milchsäurebakterien entsteht aus dem Süssrahm Sauerrahm. «Sauerrahm hat einen intensiveren Ge-schmack», so Ladurner. Beim Verkosten fällt angenehm auf, das der oftmals stren-ge Ziegengeschmack fehlt. «Das hängt stark von der Haltung und der Fütterung ab», so Ladurner. Bevor er den Rahm ins Butterfass gibt, hat er dieses lange gewässert. Rund acht Liter Rahm passen ins Fass, dann beginnt die Arbeit. Rund eine halbe Stunde heisst es, an der Kurbel zu drehen – nicht zu

Die Ziegenbutter wird in kaltem Wasser gewaschen.

Acht Liter Rahm passen ins Butterfass. Das Kurbeln lohnt sich: Butterflocken setzen sich im Fass ab.

Page 4: SELBST IST DER KOCH - Hotel Schweizerhof-Lenzerheide...Molkenessig verarbeitet oder an die Schweine verfüttert. Das Buttern mit dem Butterfass hat etwas Meditatives, findet Hansjörg

Freitag, 29. Mai 2020 novitats | 5

Der Quark wird aufgehängt, damit die restliche Molke abfliessen kann.

Der Rahm wird nach dem Erwärmen auf 70 Grad wieder auf 28 Grad gekühlt.

Hansjörg Ladurner füllt den Quarkkuchen ins Quarktuch.

Hansjörg Ladurner giesst die gefilterte Ziegen-milch in die Zentrifuge.

Mit der alten Zentrifuge wird die Ziegenmilch in Rahm und Magermilch getrennt. Bilder Nicole Trucksess Vor der Verarbeitung wird die Milch gefiltert.

schnell, nicht zu langsam, immer schön gleichmässig. «Buttern hat irgendwie et-was Meditatives», stellt Ladurner fest, während er unablässig die Kurbel dreht und aus dem Küchenfenster ins Grüne blickt. Sich beeilen und abhetzen sind beim Buttern definitiv nicht angebracht. Nach einiger Zeit geht das Drehen der Kurbel ein klein wenig schwerer – ein Blick ins Butterfass zeigt, dass sich die ersten Butterflocken abzusetzen begin-nen. Nach einigen Minuten ist der Koch zufrieden – im Butterfass ist Ziegenbutter zu sehen. «Jetzt müssen wir die Butter noch waschen», erklärt er und giesst kal-tes Wasser ins Fass, dreht wieder die Kur-bel. Ein prüfender Blick ins Butterfass – er ist zufrieden. Noch einmal wird die Butter unter kaltem Wasser gewaschen und in Form gebracht. Hansjörg Ladur-ner wiegt das Butterstück: Aus acht Litern Rahm hat er rund 1,2 kg Butter gewon-

nen. Ziegenbutter, die nur leicht nach Zie-ge schmeckt – ein feiner, ungewöhnlicher Buttergeschmack. Während die Ziegenbutter fertig ist, bildet der gewonnene Magerquark die Grund-masse für den Frischkäse, der mit Salz, Kräutern und Pfeffer gewürzt und an-schliessend mit Kastanienschalen geräu-chert wird. «Damit kann man richtig spie-len», so Ladurner, «als Füllung für Ravioli oder Soufflé … der Käse ist vielseitig ein-setzbar.» Seit Hansjörg Ladurner angefangen hat, seine eigene Ziegenbutter zu machen, hat er unzählige Male die Kurbel gedreht – Fit-nessstudio braucht es da sicher nicht. Der Einsatz hat sich jedenfalls gelohnt und das Ergebnis kann sich sehen (und schme-cken) lassen. Und Gion und Fidel haben sich daran gewöhnt, dass es statt Milch «nur noch» Molke gibt – was für ein Schweineleben.