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Diagnose GewaltGewalt aus der Sicht der Geriatrie
Thomas FrühwaldAbteilung für Akutgeriatrie des Krankenhauses Hietzing
mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel
3. FSW-ExpertInnenforumWien, 18.November 2008
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Gewalt an alten MenschenDefinition
The Toronto Declaration on the Global Prevention of Elder Abuse.WHO, 2002
„Gewalt an alten Menschen ist eine einzelne oder wiederholte Handlung, oder das Fehlen einer angemessenen Handlung, die im Rahmen einer Beziehung geschieht, in der Vertrauen erwartet wird und die einer älteren Person Schaden oder Leid zufügt.“
„Gewalt an alten Menschen ist eine Menschenrechtsverletzung und eine signifikante Ursache von Verletzungen, Krankheit und Verzweiflung...“
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Formen der GewaltGewalthandlungen sind meist mehrdimensional
• Direkte Gewalt: • bestimmtes Handeln bzw. Nicht-Handeln • Täter und Opfer in direkter Beziehung zu einander • meist Misshandlung, d.h. ein aktives Tun
• Strukturelle Gewalt:• im Unterschied zur direkten Gewalt zeigt sie sich nicht gleich• ist „geräuschlos“ (L.Seidel, 2007), das „stille Wasser“ (J.Galtung, 1984)• weist eine große Stabilität auf, denn Sozialstrukturen sind recht träge• ermöglicht viele Formen direkter Gewalt, durch kulturelle Gewalt gefördert
• Kulturelle Gewalt:• Ageism, Altersdiskriminierung, neg. Altersstereotyp, Defizitmodell (medial
transportiert) – fördern Gewaltbereitschaft gegenüber alten Menschen• Altenpflege traditionell (kulturell) als weibliche Rolle verstanden –
Übertragung der Mutter-Kind-Beziehung auf Altenpflege, Infantilisierung... Hemmschuh der Professionalisierung und Qualifizierung der Pflege...
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Formen der direkten Gewaltnach L.Seidel, 2007
Gewaltform Definition Beispiele
Physische Gewalt (seltener als die anderen Formen)
Bewusstes Zufügen v. Schmerz, körperlicher Zwang
Schlagen, mechan. Fixierung, sexueller Missbrauch, unnötige Katheter, Zwangsernährung, Zwangsmedikation; Vorenthalten von Wohnung, Wärme u. Behaglichkeit... Aussetzen - „Abandonement“ „Granny Dumping“
Psychische Gewalt Bezieht sich auf verbalen u. emotionalen Bereich
Anschreien, Beschimpfen, Beleidigen, div. Drohungen, Einschüchterung Verletzung d. Schamgefühls, Erniedrigung, Verspotten
Finanzielle Ausbeutung Kontrolle über Eigentum, Übergriff auf Besitz
Überreden Geschenke zu machen, Zwang zur Abgabe der Kontrolle über Finanzen, Änderungen im Testament
Freiheitseinschränkung Behinderung der Wahrnehmung von Grundrechten
Strukturelle Vorgaben brechen den Willen (“totale Institution“), Isolation v. sozialen Kontakten, Einsperren, keine freie Wahl des Wohnortes
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Formen der direkten Gewalt Forts.nach L.Seidel, 2007
Gewaltform Definition Beispiele
Vernachlässigung Passiv: unterlassene Handlung bei falscher Einschätzung Aktiv: bewusstes Vorenthalten v. nötigen Maßnahmen
Exsikkose, Mangelernährung, Decubitus, keine Hilfe bei ADL‘s, keine Inkontinenz-Betreuung, inadäquate Grundpflege; nicht durchgeführte bzw. vorenthaltene Diagnostik, Therapie, Rehab; „eingesparte“ Medikamente
Gewalt am Pflegepersonal „Carer Abuse“
Physische u./od. psychische Gewalt
Am ehesten betroffen: überfordertes, unter Zeitdruck arbeitendes, schlecht qualifiziertes PP; Kratzen, Schlagen, verbale Aggression, Burnout des PP...
Gewalt an pflegenden Angehörigen „Carer Abuse“
Physische u./od. psychische Gewalt
Wie oben + Vorwürfe, psychischer Druck, Beschimpfungen, „Erpressung“, Ausnützen v. Schuldgefühlen...
„Resident-to-resident aggression“(Rosen T et al, JAGS 2008)
Aggressives Verhalten unter Bewohnern (Pat.), negative physische, psychische, verbale Interaktion.
35 versch. Formen aggressiven Verhaltens: Anschreien, Schubsen, Schlagen, sexuelle Übergriffe...29 Triggersituationen z.B. Unruhe od. Lärm durch den anderen, Eifersucht, „Territorialkonflikte“, TV-Präferenzen...
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Strukturelle Gewalt Beispielenach R.Hirsch, 2001
• unzureichende, den Bedürfnissen der älteren kranken Menschen nicht entsprechende Versorgung in Strukturen des Gesundheits- und Sozialwesens
• erzwungenes Leben in institutionellen Rahmenbedingungen wegen nicht ausreichend vorhandener alternativer Betreuungsformen
• zu kurze Aufenthaltsdauer in nicht „geriatrisierten“ KH-Strukturen• unangepasstes, die Therapie, Pflege und Rehabilitation geriatrischer Pat. be-
und verhinderndes Milieu: z.B. Delir-, Inkontinenz-, Sturz-, Verletzungs-, Mangelernährungs-, Depressionsrisiko fördernd...
• nicht ausreichende Rehabilitationskapazitäten für geriatrische Patienten schlechtes, nicht vorhandenes, Entlassungs- bzw. Case-Management
• Mangel an Privatsphäre, erzwungenes Zusammenleben mit anderen Personen in einem Zimmer, Reglementierung der Tagesstruktur im PH u. KH
• Qualifikationsmangel - mangelnde Aus- u. Weiterbildung des Personals (z.B. insuffiziente akademische Ausbildung in der Pflege u. in der Medizin...)
• (versteckte) Rationierung, schlechte Personalressourcen• mangelhafte Qualitätsstandards, unzureichende Kontrolle von Institutionen
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Inzidenz und Prävalenz von Gewalt an alten MenschenCooper C et al: The prevalence of elder abuse and neglect: a systematic review. Age&Ageing 2008; 37:151-160
• Metanalyse von 49 Untersuchungen zur Gewalt an alten Menschen (nur 7 verwendeten validierte Erkennungs- u. Messmethoden...)
• signifikante Gewalterfahrung im vergangenen Monat bei 6,3% der Älteren (>65a)• bei den 7 Studien mit validierten Instrumenten: 25% signifikante psychische
Gewaltanwendung an dafür vulnerablen Personen• 5% der betreuenden Angehörigen berichteten physische Gewaltanwendung an
dementen alten Menschen im vergangenen Jahr, 30% andere Gewaltformen • 16% des Pflegeheimpersonals gaben psychische Gewaltanwendung zu... In
einer anderen Studie: 10% der PP gaben physische, 40% psychische Gewalt zu• 80% des PH-Personals gaben Beobachtungen von Gewaltanwendung durch
andere zu, nur 2% davon wurden dokumentiert und der Heimleitung gemeldet• nur ca. 1% der Gewaltanwendungen wird behördlich gemeldet• Schätzung der American Geriatric Society, 2007:
• US-weite Inzidenz: 450 000 pro Jahr• Prävalenz ca. 700 000 bis 1,2 Millionen• ca. 4% der >65-Jährigen ist betroffen, vor allem Frauen...
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Konsequenzen der Gewalt an alten Menschen
• unmittelbare Verletzungsfolgen bei physischer Gewalt• Vernachlässigungsfolgen: Exsikkose, Malnutrition, Decubitus, Kontrakturen,
Inkontinenz...• Depression, Angst• Regression, soziale Isolation• beschleunigter kognitiver Abbau• durch mechanische Fixierung: Imobilisierung, Dekonditionierung, höhere Sturz-
und Verletzungsgefahr• durch „chemische“ Fixierung: Psychopharmaka-NW, kognitiver Abbau, Stürze,
Malnutrition...• mehr Pflege- und Betreuungsbedarf• höhere Mortalität: 3-Jahres Mortalität bei Gewaltopfern: 91% vs. 58%
(Lachs MS et al: The mortality of elder abuse, JAMA, 1998; 280:428-443)
• erhöhter Betreuerstress, Abstumpfung, Potentierung des Burnouts
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Ursächliche Faktoren für die Gewalt an alten Menschenmeist multifaktorieller Prozess
• begünstigende strukturelle Faktoren: • unzureichende Gesetzeslage • Armut • inadäquate Betreuungssysteme • Ressourcenmangel• Mangel an Wissen und Problembewusstsein
• kulturelle Faktoren: • Ideologie • Biomedikalisation des Alters • Ageism
• persönliche Faktoren:• Biografie - Beziehungsgeschichten - Anamnese der Gewalt• unentrinnbare Abhängigkeiten, auch finanziell• Familiengeschichte• Psychopathologie beim Täter u./od. Opfer: Alkoholismus, psychiatrische
Erkrankungen, kognitives Defizit• „carer abuse“ als „reverse abuse“ insb. bei Anamnese häuslicher Gewalt
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Risikofaktoren für Gewalt an alten Menschennach Lachs MS, Pillemer K: Abuse and neglect of elderly persons. NEJM 1995; 332, 437-443
• kognitive Beeinträchtigung der betreuten und/oder der betreuenden Person• hoher Abhängigkeitsgrad des älteren Menschen von der betreuenden Person
aber auch vice versa – emotionale, materielle Abhängigkeit ...• als Opfer: Frauen, >80J, Frailty• aktuelle und frühere familiäre Konflikte und Probleme, z.B.:
• innerfamiliäre Gewalt• Alkohol- oder Drogenabusus• psychiatrische Erkrankung• intellektuelle Behinderung
• finanzielle Schwierigkeiten auf beiden Seiten• familiäre Belastungssituationen, z.B: Arbeitslosigkeit, Trennungen, Todesfälle• soziale Isolation• beengte, inadäquate Wohnsituation • zu hohe Betreuungslast („caregiver burden“), Überforderung d. BetreuerInnen
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Warnzeichen für Gewalt an älteren MenschenWann sollte man bei der Anamnese hellhörig werden...
• die ältere Person, oder deren BetreuerIn gibt inkohärente, widersprüchliche Erklärungen für festgestellte Verletzungen
• der Betreuungsperson scheint das Wohlergehen der betreuten Person egal• die Betreuungsperson zeigt Überforderungs- bzw. Erschöpfungszeichen• lauter, verbal aggressiver Ton zwischen BetreuerIn und betreuter Person in
Anwesenheit anderer (Arzt / Ärztin, PP, SozialarbeiterIn)• die betroffene ältere Person erscheint depressiv, geängstigt, verschreckt• er / sie ist ungepflegt, die Wohnung ebenfalls• Fehlen von Habseligkeiten und Geld der betroffenen Person• die ältere Person wird daran gehindert, mit Arzt / Ärztin, SozialarbeiterIn, PP
alleine zu sprechen• die betreuenden Personen meiden Arztvisiten, od. Besuche der Sozialdienste• viele unbezahlte Rechnungen...• leerer Kühlschrank
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Anamneseerhebung bei Verdacht auf Gewalt
• Gespräch mit d. PatientenIn / BewohnerIn / KlientIn u. der Betreuungsperson getrennt und ungestört
• einfühlsame Fragen und Beurteilung im Hinblick auf: • physische Gewaltanwendung• aktive / passive Vernachlässigung• psychische Gewalt• Betreuerstress, Burnout• Selbstvernachlässigung, „self-neglect“ (DD.: Messie-Syndrom)
• Berücksichtigung ethnischer, kultureller Unterschiede bei der Beurteilung von Gewalt und Vernachlässigung
• Beurteilung der (kognitiven) Fähigkeit / Möglichkeit d. Betroffenen selbst über die Situation zu urteilen und zu entscheiden
• die Entscheidung der dazu kompetenten Person muss akzeptiert werden• die Autonomie d. älteren Person muss beachtet und gewahrt werden, er / sie
darf ihr (der Autonomie) aber nicht ausgeliefert sein...
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Anamneseerhebung bei Verdacht auf GewaltFragenbeispiele
• „Möchten Sie mir etwas über schwierige, sie belastende Situationen, unangenehme Zwischenfälle zu Hause (auf der Station, im Heim) erzählen?“
• „Hat jemand versucht, Sie zu verletzen?“• „Wurden Sie angebrüllt, beschimpft?“• „Wurden Sie gezwungen, Dinge zu machen, die Sie nicht wollten?“• „Kommen Sie mit Ihrem Geld aus?“• „Haben Sie etwas unterschreiben müssen, ohne zu wissen was es ist?“• „Fürchten Sie sich vor jemanden zu Hause (im Heim)?“• „Werden Sie oft alleine, ohne Hilfe, gelassen?“• „Sind Ihnen Sachen abhanden gekommen?
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Symptome physischer Gewalt an alten Menschen
• verwahrloste Kleidung, mangelhafte körperliche Hygiene
• unterschiedlich alte Prellmarken, Hämatome, Abschürfungen, Wunden - insb. wenn bilateral, auf Innenseite der Extremitäten; Kopfverletzungen
• perigenitale Verletzungen
• häufige, unterschiedlich, widersprüchlich erklärte Stürze
• Angst, Nervosität des / der Pat. in Anwesenheit der Betreuungsperson
• Unterwürfigkeit d. Pat. gegenüber d. Betreuungsperson
• verzögerte Behandlung von Verletzungen, Nicht-Einhalten von Kontrollterminen, häufiger Arztwechsel
• Aussagen d. Pat. über Gewaltanwendung (auch wenn dement!)
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Symptome psychischer Gewalt an alten Menschen
• ungeduldiges, irritiertes Verhalten, abschätzige Bemerkungen seitens der Betreuungsperson
• Ambivalenz, Angst, Ärger d. Pat. gegenüber d. Betreuungsperson• unerwartete Depression• plötzliche Zurückgezogenheit• schlechte Compliance, häufig versäumte, abgesagte Kontrolltermine• häufiges Verlangen von sedierender Medikation
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Symptome von VernachlässigungBeispiele
• Kontrakturen• Dehydratation, nicht krankheitsassoziierte Malnutrition• unbeachtete Antriebslosigkeit, Depressivität• inadäquate Inkontinenz-Betreuung• mangelhafte Intervention bei häufigen Stürzen• Decubitus• inadäquate Reaktion auf offensichtliche medizinische Probleme• unangemessene, inadäquate, unkontrollierte Medikation (Psychopharmaka!)• „Undermedication“, „Overmedication“• unzureichende, offensichtlich inkompetente medizinische Betreuung
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Gewalt - Screeningverlangt hohes Problembewusstsein und gutes klinisches UrteilsvermögenLachs MS et al: Elder abuse. Lancet. 2004; 364:1263-1272
Was soll erhöhte Aufmerksamkeit wecken?• spärliches, schlecht funktionierendes soziales Netz• Hinweise auf Konflikte zwischen Pat. und BetreuerIn
Was ist zu tun?• als Arzt/Ärztin; Pflegeperson:
• dem klinischen Urteil / Instinkt vertrauen• komplette körperliche Untersuchung• besondere Beachtung der kognitiven Funktion• d. Pat. persönlich, ungestört befragen• sensibler, empathischer Umgang mit d. Betreuungsperson
• als Angehöriger:• dem Gefühl / Instinkt vertrauen• Reinlichkeit, Ernährungssituation beachten• auf Verletzungszeichen, Mobilitätsverschlechterung achten• den Umgangston beachten• unangemeldete Besuche
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Intervention bei Gewalt an alten Menscheneinige Optionennach Australian Society for Geriatric Medicine, Position Statement Elder Abuse, 2003
• Krisenintervention: • akute KH-Aufnahme (z.B. geriatrische Abteilung)• „Notaufnahme“ ins PH, od. „Respite Care“, od. betreute Wohnstrukturen• ev. sofortige Trennung d. Opfers v. d. Betreuungsperson
• Ambulante Dienste:• mobile Krankenpflege, Heimhilfe, Haushaltshilfen etc.
• Entlastende Maßnahmen, „Respite Care“ Angebot:• insb. bei Vernachlässigung durch überforderte Betreuer• Tageszentren
• Alternatives Wohn- u. Betreuungsumfeld, wenn nötig PH • Beratungsangebot für Betreuer, ev. Familientherapie• Fortbildungs-, Coaching-, Supervisionsangebot für Betreuer• Behördliche Intervention, z.B.: polizeiliche Maßnahmen, Wegweisrecht,
Sachwalterschaft bei finanzieller Ausbeutung...
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Intervention bei Gewalt an alten Menscheneinige Anmerkungen
• Die Geriatrie könnte einen wichtigen Beitrag zu mehr Problembewusstsein, mehr Wissen um Ursachen, Folgen und Interventionsmöglichkeiten leisten – wie die Pädiatrie beim Thema Kindesmisshandlung.
• Das Erkennen von Zeichen der Gewaltanwendung ist wichtig – denn üblicherweise klagt die betroffene ältere Person nicht direkt – ein gewisse Sensibilisierung dafür wäre insbesondere von ÄrztInnen, Pflegepersonen, SozialarbeiterInnen, von geriatrischen Teams zu erwarten. (McAlpine C: Elder Abuse and neglect. Editorial, Age&Ageing 2008; 37:132-133)
• Es mangelt an unterstützenden, beratenden, intervenierenden, spezialisierten Strukturen, wie z.B.:
• „Reporting Centers for Elder Abuse“ in 94% aller Gemeinden in den Niederlanden
• „Adult Protection Services“ in den USA• „Strukturelle Gewalt, z.B. in Form institutioneller Missstände schweigend
hinzunehmen bedeutet, diese aufrecht zu erhalten und zu eskalieren.“ (R.Hirsch, 2003)
• „Whistleblowing“ Recht in Strukturen des Gesundheits- u. Sozialsystems
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Ansätze zur Präventionnach Pillemer K et al: Prevention of Elder Mistreatment. In: Doll LS et. Al. (Ed.): Handbook of Injury and Violence Prevention. Springer, 2006
Präventionsebene Intervention Evidenz
Allgemeine Prävention
• öffentliche Aufmerksamkeit, “Awareness“; Medien• „generationsübergreifende Solidarität“ schaffen
• keine Daten
• professionelle Aus- u. Fortbildung der involvierten Berufsgruppen
• “Awareness“ besser
• Schaffung adäquater gesetzlicher u. struktureller Rahmenbedingungen (adäquate Versorgungs-strukturen, soziale Dienste, Qualitätsstandards für die extra- u. intramurale Betreuung...)
• keine Daten
Selektive Prävention
potentielle Opfer, Risikogruppen:• Screening
• keine Daten
Personen mit Risiko der Täterschaft:• unterstützende Maßnahmen, „caregiver support“:
• Stressmanagement, Burnout Prävention, Deeskalationstraining...
• Angehörigenberatung • Prävention von / Intervention bei Risikofaktoren
wie soziale, finanzielle, Wohn- Probleme, Alkohol-abusus, psychiatrische Probleme...
• effektiv
• keine Daten
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Ansätze zur Prävention Forts.nach Pillemer K et al: Prevention of Elder Mistreatment. In: Doll LS et. Al. (Ed.): Handbook of Injury and Violence Prevention. Springer, 2006
Präventionsebene Intervention Evidenz
Indizierte Prävention Gewaltopfer:
Screening
• keine Datenobligate Meldung
soziale Unterstützung, Selbsthilfegruppen
„Adult Protection Services“ • ev. pos. Ergebnisse
Heimbesuche durch Sozialdienste + Exekutive • negativer Effekt
TäterIn:
psychiatrische Intervention
• effektivDeeskalationstraining, Beratung
Selbsthilfegruppen, Angehörigengruppen
Heimbesuche durch Sozialdienste + Exekutive • negativer Effekt
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Was braucht die Geriatrie?Frengley JD. The Use of Physical Restraints in the Absence of Kindness. JAGS 44:1125-1127,1996
Neben Fachkompetenz ist gerade in der Geriatrie eine zusätzliche Dimension notwendig:
“Als professionell in der Geriatrie Engagierte sollte man Hüter der Nächstenliebe ('guardians of kindness') in der Betreuung älterer Menschen sein. Tatsächlich kann man oft nichts Wichtigeres mehr tun. Jedoch: Nächstenliebe (Güte) auszuüben kann den Arzt/die Ärztin, die Pflegeperson verunsichern, denn da heißt es Emotionen zeigen, die er/sie zu verbergen gelernt hat. Akte der Nächstenliebe ('acts of kindness') könnten deshalb gemieden werden... Nächstenliebe kann man nicht nur auf Basis der Theorievermittlung erlernen... Geriatrie sollte Eingang in die praktische Ausbildung der Ärzte finden..."
Die Kombination von fachlich kompetentem, ethischem und auch gütigem, empathischem Handeln wäre wohl ideal...
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Erich Fried „Die Gewalt“Auszug
Die Gewalt fängt nicht anwenn einer einen erwürgt. Sie fängt an, wenn einer sagt:"Ich liebe dich:Du gehörst mir!"
Die Gewalt fängt nicht an wenn Kranke getötet werden.Sie fängt an, wenn einer sagt:"Du bist krank:Du musst tun was ich sage!"
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Gewalt an alten Menschenweitere Definitionsversuche
• Eine systematische, nicht nur einmalige Handlung oder Unterlassung mit dem Ergebnis einer ausgeprägt negativen Einwirkung auf die Befindlichkeit des älteren Menschen. Niederfranke, Grewe, 1996
• Handlungen oder Unterlassungen, die eine negative Auswirkung auf die Gesundheit oder auf die Befindlichkeit einer älteren Person haben. American Medical Association, 1992
• Absichtliche Handlung einer Betreuungsperson, oder einer anderen Person, die in einem Vertrauensverhältnis zum betroffenen, vulnerablen älteren Menschen steht, die diesem/dieser einen Schaden zufügt, oder das Risiko für einen Schaden herbeiführt. Oder: Das Versäumnis einer Betreuungsperson, die Grundbedürfnisse des alten betreuungsbedürftigen Menschen zu befriedigen beziehungsweise ihn/sie vor einem Schaden zu schützen. National Research Council, 2003
• Jedes Verhaltensmuster, welches einer älteren Person körperlichen, psychischen oder materiellen Schaden verursacht. Australian Society for Geriatric Medicine, 2003