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Die Alpenfestung gilt bis heute als ein Phantom, das gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von den amerikanischen Geheimdiensten

»materialisiert« wurde, die im Raum Oberösterreichs riesige Stollen und Vorratslager, fanatische Kämpfer und neue Waffen vermuteten

- eine letzte Zufluchtsstätte des Dritten Reiches... Könnte es jedoch sein, daß sich die Alpenfestung in Wirklichkeit in den

niederösterreichischen Voralpen, in der Umgebung der bis heute geheimnisumwitterten Anlage »Quarz« befand? Hierher gelangten die

letzten deutschen Truppen, die letzten Flugzeuge und Panzer. Hier tobte die letzte Abwehrschlacht...

»Quarz« ist die unterirdische Anlage Österreichs, deren Geschichte bis heute nicht aufgearbeitet wurde. Der Autor recherchierte in

jahrelanger Arbeit unglaubliche Fakten, die dokumentieren, daß das Areal um diese Anlage nicht umsonst verbissen verteidigt wurde, weil

hier der letzte verzweifelte Versuch lief, doch noch eine Waffe zu bauen, die den Kriegsausgang wenden sollte - die Atombombe.

Was zunächst unglaublich klingen mag, wird Schritt für Schritt bewiesen. Anhand heute noch vorhandener baulicher Reste läßt

sich aufzeigen, daß hier die Produktion Schweren Wassers erfolgte, bei dem das Verfahren der »Fraktionierten Destillation« zum Einsatz kam.

Auch die Anwesenheit des Generals der Waffen-SS Hans Kammler und viele andere merkwürdige Umstände sprechen für die Behauptung,

daß »Quarz« Zwecken diente, die bis heute verschleiert werden, Russen und Amerikaner aber zu einem Wettlauf veranlaßte,

der wahrscheinlich der Eroberung unbezahlbarer Technologien diente. Nicht umsonst sprachen die Russen in bezug auf die Ereignisse

in und um »Quarz« während der letzten Kriegstage vom »größten Verrat der Weltgeschichte«...

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MARKUS SCHMITZBERGER

WAS DIE US ARMY IN DER ALPENFESTUNG

WIRKLICH SUCHTE Eine Theorie zum Decknamen

der Anlage »Quarz« in Roggendorf bei Melk

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ÜBER DEN AUTOR: Dipl.-Ing. (FH) Markus Schmitzberger wurde 1977 in St. Polten geboren. Er absolvierte die Höhere technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt für Maschinenbau-Betriebstechnik in St. Polten und studierte an der Fach-hochschule für Produktions- und Automatisierungstechnik in Wien. Er ist in der chemischen Industrie als Maschinenbauingenieur tätig. Kontakt: [email protected]

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Inhalt

VORWORT ................................................................................ 11

1. DAS ZIEL: BERLIN - ODER DOCH NICHT? . 13 Die Alpenfestung taucht auf................................................... 13 Alles nur eine Ausrede? ......................................................... 15 Der Marsch beginnt ................................................................ 16

Gothaer Waggonfabrik ................................................. 17 Ohrdruf - Deckname »Olga«........................................ 18 Ein neues Ziel? ............................................................. 18 Die Skoda-Werke ......................................................... 19 Redl-Zipf- Deckname »Schlier«................................... 20 Linz - Deckname »Bergkristall« .................................. 22 Ebensee - Deckname »Zement« ................................... 25 Das Ende eines langen Marsches?................................. 29

2. EINE FABRIK UNTER DER ERDE ................................ 31 »Quarz« - kein gewöhnlicher Deckname ............................... 33

SS-Führer Kammler taucht auf..................................... 34 Wer war Kammler?....................................................... 38 Ein Kammler-Bau für mehrere Betriebe? ... 41

3. DIE STOLLENANLAGE.................................................. 42 Die Probleme beim Bau......................................................... 42 Beschreibung der Stollen....................................................... 44 Die Hauptstollen.................................................................... 45

Stollen A ...................................................................... 47 Stollen B ...................................................................... 47 Stollen C ...................................................................... 49 Stollen D ...................................................................... 50 Stollen E....................................................................... 50

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Stollen F....................................................................... 50 Stollen G ...................................................................... 50

Die Produktionsstollen........................................................... 52 Produktionsstollen 1 und 2 .......................................... 52

Die obere Etage - Stollen H ................................................... 53 Die Stollenflächen stimmen nicht .......................................... 55

Wo war das Kugellagerwerk? ...................................... 55 Welche Flächen scheinen nicht auf? ............................. 58 Fehlt etwas auf den Plänen?.......................................... 59

Die fehlenden Konzentrationslager........................................ 63 Das Lager Roggendorf................................................. 65 Das Lager Loosdorf ..................................................... 65 Das Lager Markersdorf ................................................ 65 Das Lager Spielberg ..................................................... 66 Ein einzigartiger Luftangriff ........................................ 67

4. DIE SUCHE NACH DER VERWENDUNG . . 69 »Quarz« - wichtiger als die Amerikarakete .... 69 »Archäologischer Maschinenbau«......................................... 70

Der Traforaum, der keiner war..................................... 75 Ein Bewetterungsschacht?............................................ 77 Ein Triebwerksteststand? ............................................. 78 Ein Kraftwerk?............................................................. 79 Was war es dann? ......................................................... 81 Eine Anlage ohne Sinn................................................. 82 Donau oder Pielach? .................................................... 86

Einem vergessenen Verfahren auf der Spur .... 89 Wasser besteht nicht nur aus Wasser ............................ 90 Fraktionierte Destillation des Wassers ....91

Beschreibung des Verfahrens ................................................ 94 Die Wasseraufbereitung .............................................. 94 Die Destillation ........................................................... 95

Der Beweis ............................................................................ 97

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Die Produktionskapazität .......................................................99 Ungeklärte Fragen..................................................................100

Nahm die Anlage jemals die Produktion auf?. . 100 Woher kam das Öl?......................................................104

Die Konsequenzen .................................................................105 Woran arbeitete man in »Quarz«?..........................................107 Arbeiter-Städte .......................................................................108 Ein unglaublicher Lageplan ...................................................111

5. DIE INFRASTRUKTUR...................................................116 Luftwaffenstützpunkt Markersdorf ........................................116

Der Schutz der Anlagen ...............................................118 Das Trägerflugzeug ................................................................126 Die WNF ................................................................................126 »Quarz II« ..............................................................................129

6. DIE LETZTEN KRIEGSTAGE ........................................133 1944 - Die Ostfront bricht zusammen....................................133 »Geisterdivisionen« erwachen zu neuem Leben . . . 137 Fünf Kilometer vor Markersdorf - die Front steht . . 140 Wichtige Treffen ....................................................................147 »Irgend etwas« bedroht die Rote Armee................................151 Die manipulierte Geschichtsschreibung .................................152

15. April 1945 ..............................................................155 16. April 1945 ..............................................................155 17. April 1945 ..............................................................156 27. April 1945...............................................................156 29. April 1945 ..............................................................156 30. April 1945 ..............................................................156 1. Mai 1945 ..................................................................156

4. Mai 1945.................................................................. 156 5. Mai 1945.................................................................. 157 6. Mai 1945.................................................................. 158

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7. Mai 1945 .................................................................. 161 8. Mai 1945.................................................................. 164 9. Mai 1945.................................................................. 178

Der Handel ist perfekt ............................................................ 183 Das Geheimnis bleibt ............................................................. 189

7. DAS ENDE EINER NICHT EXISTENTEN FABRIK ................................................................................. 191 Was die alliierten Geheimdienste wirklich wußten . .192 Spezialisten nach dem Krieg..................................................196 Zustand heute .........................................................................197

8. DIE GEHEIMAKTEN DER DEUTSCHEN ATOMBOMBENBAUER......................................................200 Die fraktionierte Destillation in den Akten . . . .201 Das deutsche Atombombenprogramm in den Akten . 204

Internationale Grundlagen............................................204 Die deutschen Forschungen ..................................206 Die Uranhombe ........................................................... 207 Die Reaktorbombe ...................................................... 208 Der Königsweg............................................................ 209 Kritische Reaktoren im Dritten Reich . . . .211 Die SS schaltet sich ein ............................................... 215

9. DIE ALPENFESTUNG IN NEUEM LICHT . . 220

10. 18 FRAGEN.................................................................... 223

ANHANG - MASCHINENBAULICHE BERECHNUNG DER ANLAGE ......................................... 225 Bestimmung des Ölvorrates .................................................. 225 Bestimmung der benötigten Energie ..................................... 225 Bestimmung des Heizwertes ................................................. 226

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Ergebnis..................................................................................227

Berechnung der Trennungsdurchgänge..................................228

DANKSAGUNG....................................................................230

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS . 231

Bibliographie ......................................................................... 231 Archive .................................................................................. 235

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Vorwort

Es ist nun weit über ein halbes Jahrhundert her, als der Zweite Weltkrieg in Europa in seinen letzten Monat ging. Unsagbare Verwüstung und Leid waren über den Kontinent gekommen, und das Großdeutsche Reich bestand nur noch aus einem schmalen Streifen Land, der sich von Norwegen über Dänemark bis in die italienischen Alpen zog. Alles, was Hitlers Reich noch zu bieten vermochte, waren Durchhalteparolen, die oft von neuen Waffen kündeten. Diese neuen Geheimwaffen, Vergeltungswaffen oder Wunderwaffen, wie sie gerne genannt wurden, waren die letzte Hoffnung eines Reiches, dem die letzte Stunde schon längst ge-schlagen hatte. Hitlers Feldzug war endgültig fehlgeschlagen und seine Erzfeinde standen kurz vor ihrem Sieg. Sowohl die Sowjets im Osten, als auch die Amerikaner, Briten und Franzosen im Westen, hatten schon längst die deutschen Vorkriegsgrenzen überschritten und bereiteten sich mit ihren Armeen auf den finalen Todesstoß vor. Die Spitze der 3rd US Army unter General Patton stand nur noch etwa 300 Kilometer vor dem Ziel aller alliierten Soldaten: der verhaßten Reichshauptstadt Berlin. In diesen Tagen aber geschah etwas, das bis heute nicht geklärt ist: Die US Army drehte nach Süden ab. So kurz vor dem Ziel, das seit der Landung in der Normandie angestrebt wurde ... Der Grund hierfür war die »Alpenfestung« - ein Gespenst, das angeblich durch die westalliierten Geheimdienste spukte. Von riesigen Stollensystemen und Festungen in den österreichischen Alpen war da die Rede, von Vorräten für Jahre, neuen Wunderwaffen und riesigen fanatischen Armeen der

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SS und Hitlerjugend. Heute behaupten die US-Militärs, das alles blind geglaubt zu haben, offenbar ohne eine einzige Luftaufnahme gemacht zu haben, denn sonst hätte man ja gewußt, daß das alles eine riesige, teilweise selbstinszenierte Lüge war. Wie war es nur möglich, daß das Gespenst einer Alpenfestung für wichtiger als Berlin gehalten wurde? Oder steckten da vielleicht ganz andere Dinge dahinter? Tatsache ist, daß in diesen schicksalhaften Tagen der in der Geschichte einzigartige Vormarsch einer US-Armee begann, der amerikanische Panzer über 700 Kilometer weit ins Herz der Ostmark führen sollte, an einen Punkt, an dem sie offiziell nie ankommen sollten. Die Ursache dieser seltsamen Vorkommnisse soll mit diesem Buch neu beleuchtet werden. Um diesen schwierigen und heftig umstrittenen Teilbereich der Geschichte neu zu bewerten, wurde versucht nur wenige, aber umso glaubhaftere Quellen zu verwenden. Als wichtigster Ansatzpunkt dienten dabei die baulichen Spuren, die der Zweite Weltkrieg in Österreich hinterlassen hat. Sie können im Gegensatz zu Dokumenten und Zeugen kaum manipuliert werden. Mit diesen Ansätzen wird in dem vorliegenden Buch eine mögliche Theorie aufgestellt, die viele unbeantwortete Fragen des Kriegsendes in Europa erstmals beantworten kann!

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1. Das Ziel: Berlin - oder doch nicht?

Man schrieb Ende März 1945, der Rhein war längst überschritten und die 3rd US Army bereitete sich auf ihren letzten Marsch vor. Diese US-Armee war erst am 1. August 1944, einige Wochen nach der alliierten Landung in der Norman-die, aufgestellt worden und stand unter dem Kommando von General George S. Patton. Ihre erste Unternehmung war ein gewaltiger Ausbruch aus der Normandie, der sie bis vor die Tore von Paris bringen sollte. Ihr unbestrittener Auftrag: die Eroberung von Berlin. Ende März 1945 trennten Pattons Panzerspitzen nur noch etwa 300 Kilometer von der verhaßten Hauptstadt des Dritten Reiches. Auf diesen Kilometern lagen einzig die Reste der 12. Deutschen Armee - schon mehr eine »Geisterarmee«, als ein echter Gegner. Freie Bahn also für den wohl größten Triumph in der Geschichte der amerikanischen Streitkräfte!

Die Alpenfestung taucht auf

Am 1. April 1945 ergeht plötzlich ein neuer Befehl an die 3rd US Army. General Dwight D. Eisenhower, der Oberbefehlshaber der alliierten Expeditionsstreitkräfte in Europa, gibt ein neues Ziel vor: die sogenannte »Alpenfestung«. Er bezeichnet die Eroberung Berlins nur noch als »reines Theater, das man ruhig den Russen überlassen kann«.1 Aber was war das für ein neues Ziel? Was bedeutete »Alpenfestung?« Anfang September 1944 waren erste Gerüchte über gigantische deutsche Befestigungsanlagen in den Alpen aufgetaucht.

1 Vgl. Piekalkiewicz, Spione - Agenten - Soldaten, S. 508.

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Es war die Rede von riesigen Stollensystemen, neuen Waffen, gut ausgebildeten, fanatischen Untergrundkämpfern und riesigen Vorratslagern. Um Luftangriffe zu verhindern, seien angeblich Kriegsgefangenenlager errichtet worden, deren Häftlinge praktisch als Geiseln dienen sollten. Hochmoderne unterirdische Waffenwerke sollten die benötigte Ausrüstung liefern. Alles würde von Hitlers Führerhauptquartier am Obersalzberg aus geleitet werden. Sämtliche noch vorhandenen deutschen Truppen sollten sich in die Salzburger, Tiroler, Kärntner und Steirischen Alpentäler zurückziehen und von dort aus ihren Kampf weiterführen, bis die neuen Wunderwaffen fertiggestellt seien.2

Was anfangs eine alliierte Falschmeldung war, entwickelte sich zu einer von Reichspropagandaminister Goebbels geschickt ausgeschlachteten Propagandawaffe. Immer wunderbarer wurden die Behauptungen, die man nun auch, zumindest teilweise, in die Wirklichkeit umzusetzen begann. Viele neue Befestigungen wurden jetzt geplant: »Grenzstellung«, »Guntherstellung« und »Voralpenstellung», die alle zum Schutz der »Kernfestung Alpen« gedacht waren. Sie stellten zum Teil alte Befestigungen und Stellungen aus dem Ersten Weltkrieg dar, die nun mit relativ wenig Aufwand wieder hergestellt wurden. Die meisten dieser Planungen waren aber reines Wunschdenken, das mit der Realität nichts mehr zu tun hatte. Die sogenannte »Alpenfestung« existier-te an ihrer Nordflanke nicht einmal in Ansätzen ... Hinzu kamen phantastische Pläne zur Errichtung von unterirdischen Hauptquartieren für Hitler, das Oberkommando der Wehrmacht, für das Oberkommando des Heeres und für den Reichsführer SS in der Umgebung des Obersalzberges in Bayern und Salzburg.3

2 Vgl. Piekalkiewicz, Spione - Agenten - Soldaten, S. 508ff. 3 Vgl. Seidler, Phantom Alpenfestung?, S. 115ff.

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Der amerikanische Geheimdienst überschlug sich nun vor lauter aufgeblasener Berichte. So märchenhaft auch alles klang, Eisenhower glaubte den Berichten - angeblich. Am 28. März 1945 unterbreitete er Stalin seinen neuen Plan: »Zusätzlich soll, sobald die Situation es zuläßt, ein zweiter Vorstoß unternommen werden, um [...] den Aufbau eines deutschen Widerstandes in Süddeutschland zu verhindern.«4 Damit überließ Eisenhower Berlin den Sowjets. Man muß sich wirklich die Frage stellen, was das sollte?! Weder die Briten noch die Sowjets schenkten den Behauptungen des amerikanischen Geheimdienstes Glauben, warum dann ausgerechnet Eisenhower? Wie konnte es überhaupt geschehen, daß ein derartiges Märchen so ernst genommen wurde? Wo blieb die hervorragende amerikanische Luftaufklärung? Hätten nicht wenige Überflüge genügt, um die Gerüchte ein für alle mal vom Tisch zu wischen? Es gibt bis heute keine hinreichende Erklärung dafür, was Eisenhower mit diesem Befehl tatsächlich erreichen wollte.

Alles nur eine Ausrede?

Um diese Fragen zu klären, soll hier eine neue Theorie aufstellen werden: Angenommen, es gab im süddeutschen Raum etwas, das besonders wertvoll war - sei es Gold, Kunstgegenstände oder neue Technologien, also etwas, dessen Wert weit höher war als der Wert Berlins. Weiter angenommen, Eisenhower hätte davon gewußt. Was hätte er tun sollen? Seinen Verbündeten einfach sagen: »Da ist etwas sehr wertvolles, das ich mir holen will!«? Oh, nein! Jeder der Alliierten hätte sofort reagiert und sich ebenfalls ein Stück vom

4 Vgl. Kaltenegger, Operation Alpenfestung, S. 176. Böddeker, Der Untergang des Dritten Reiches.

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Kuchen abschneiden wollen. Was Eisenhower also brauchte, um sein Abdrehen von Berlin ohne viel Aufsehen zu rechtfertigen, war eine gute Ausrede. Die Gerüchte von der Alpenfestung wären ihm wie gerufen gekommen. Er hätte so tun können, als wären die Berichte glaubhaft, vielleicht hätte er sie selbst sogar noch unterstützt - bis das Phantom so groß war, daß es scheinbar das Abweichen vom Marsch nach Berlin erklärte. Diese Theorie ist sicherlich gewagt, denn Eisenhower wußte ohne Zweifel, daß Berlin auch für ihn einen nicht zu un-terschätzenden Wert hatte. Er war sich dessen bewußt, daß die Eroberung der Reichshauptstadt auf die politische Ausgangslage der USA eine entsprechende Wirkung haben mußte. Immerhin war klar absehbar, daß das Bündnis mit den Sowjets in Gefahr war. Und schon in Kürze sollte sich bei der Berlin-Blockade zeigen, welche strategischen Nachteile Eisenhower in Kauf genommen hatte. Auswirkungen gab es sicherlich auch auf die Moral der Sol-daten. Immerhin war der Krieg mit Japan noch in vollem Gange. Was hätte sich ein Armeekommandant mehr wünschen können, als eine Siegesparade in der Hauptstadt des geschlagenen Feindes? Stimmt die Theorie aber, daß Eisenhower ein ganz anderes Ziel verfolgte, so müßte man nur betrachten, wohin die 3rd US Army nun tatsächlich zog. Die alles entscheidende Frage lautet also: Marschierte diese Armee in die Alpenfestung, oder hatte sie ein anderes Ziel?

Der Marsch beginnt

Um diese Frage zu klären, begeben wir uns in der Ereignisskala zurück an die deutsche Westfront und beobachten den

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tatsächlichen Weg jener Armee, die Berlin erobern sollte und nun einen extrem weiten Marsch zurücklegen mußte, um die Alpenfestung zu erreichen: den Weg der 3rd US Army. Es war der 1. April 1945, als General Patton den Befehl erhielt, mit seiner Armee das Ziel Berlin aufzugeben5. Keiner der Soldaten verstand es, aber Befehl war Befehl ...

Gothaer Waggonfabrik Der Vormarsch sollte nun nach Süden gehen - in Richtung Alpenfestung. Man drehte also vom Ziel Berlin ab und mar-schierte in den Bereich von Erfurt (Thüringen), wo man schließlich am 4. April 1945 Gotha erreichte6. Hier in der Gothaer Waggonfabrik erbeuteten die Amerikaner einen Flugzeug-Prototyp, dessen Eigenschaften schon fast legendär sind. Der Name: Go 229, auch bekannt als Ho IX - ein zweistrahliger Nurflügler, gebaut von den Gebrüdern Horten. Schon 1943 hatten Reimar und Walter Horten damit begonnen, dieses neue Jagdflugzeug auf eigene Faust zu entwickeln. Erst später hatten sie die Unterstützung des Reichsluftfahrtministeriums gewinnen können, das nun eine schnelle Fertigstellung des revolutionären Flugzeuges forderte. Nun, Anfang April 1945, waren schon zwei Prototypen dieses Düsenjägers fertiggestellt worden, und der dritte stand hier in Gotha kurz vor seiner Vollendung. Die ersten Flugversuche mit dem zweiten Prototypen in Oranienburg hatten so hervorragende Flugeigenschaften gezeigt, daß Göring sofort den Start einer Kleinserienproduktion befohlen hatte.7

5 Vgl. Piekalkicwicz, Spione - Agenten - Soldaten, S. 508. 6 Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 249. 7 Vgl. Nowarra, Die deutsche Luftrüstung 1933-1945, Teil 3, S. 42ff.

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Die Go 229 besaß sogar schon Stealth-Eigenschaften. Der moderne amerikanische Tarnkappenbomber B2 besitzt eine auffallende Ähnlichkeit mit der Go 229, was darauf schließen läßt, daß die deutsche Entwicklung in weiten Teilen kopiert wurde, nachdem der Prototyp verpackt und in die USA verschickt wurde.

Ohrdruf- Deckname »Olga« Am Nachmittag des selben Tages marschierte ein Teil der 4. Panzerdivision der 3rd Army weiter in den Ort Ohrdruf. Im nahegelegenen Jonastal sollte unter dem Decknamen »Olga« und unter dem Kommando des Generals der Waffen-SS Hans Kammler ein unterirdisches Führerhauptquartier entstehen8. In den letzten Kriegsmonaten hatten KZ-Häftlinge des Konzentrationslagers Ohrdruf mindestens 25 Stollen in die Abhänge des Jonastals getrieben. Noch heute ranken sich viele Gerüchte um die angebliche Produktion von Geheimwaffen in den weitläufigen Stollenanlagen, die von einem gewissen Ingenieurbüro Fiebinger geplant wurden.

Ein neues Ziel? Am 15. April 1945 geschieht dann etwas, das heute von Historikern kaum beachtet wird: General Eisenhower definierte das Ziel der 3rd US-Army erstmals genauer. Es lautete nun: Vereinigung mit den Russen in Österreich9. Nur zwei Wochen zuvor hatte man die Eroberung Berlins zugunsten der »Kernfestung Alpen« fallengelassen, und nun will man sich nur noch mit den Sowjets im Alpenvorland treffen!

8 Vgl. Rainer Fröbe in: Smelser/Syring, Die SS - Elite unter dem Totenkopf, S. 315

9 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Osterreich '45, S. 303.

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Die Skoda-Werke Der Vormarsch ging also weiter in Richtung Süden - über die Stadt Hof (am 18. April) hin zur Donau. Im Böhmerwald spaltete sich die 3rd US Army, und ein Teil der Truppe stieß in Richtung Osten vor. Wie schon im Fall des thüringischen Gebietes Ohrdruf/Arnstadt/Jonastal bereitete es auch hier den US-Befehlshabern kein Kopfzerbrechen, mitten in die vereinbarte sowjetische Besatzungszone vorzustoßen. Die US-Panzerverbände überschritten die tschechoslowakische Grenze und erreichten ihr Ziel Pilsen am 5. Mai 194510. Das »warum« dieser Aktion ist schnell geklärt. In Pilsen waren die Skodawerke beheimatet, ein riesiger Industriekomplex, der in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie entstanden war. Seine Geschützgießerei und Getriebefertigungen waren berühmt. Doch eine einfache Geschützfabrik war den US-Streitkräften nicht genug. Die Skoda-Werke stellten auch eine bedeutenden Entwicklungsstätte dar, in der sogar Forschungsarbeiten zu Überschallflugzeugen liefen. Auch mit diesen Produktions- und Entwicklungsstätten hatte der General der Waffen-SS Hans Kammler zu tun. Noch in den letzten Kriegstagen arbeiteten hier über hundert Konstrukteure11 an einem Überschalljäger, der eine Höchstgeschwindigkeit von 3.200 km/h erreichen sollte. Eugen Sänger hatte die Konstruktion geplant, die die Bezeichnung Skoda-Kauba Sk P.14-01 trug. Wie weit die Konstruktion fortgeschritten war, ist nicht mehr feststellbar, aber zumindest eine 1:1-Attrappe war angeblich schon fertiggestellt12.

10 Vgl. Chronik des Zweiten Weltkrieges, S. 421. 11 Vgl.Nowarra, Die deutsche Luftrüstung 1933-1945, Teil 5,S. 35. 12 Vgl. Dressel/Griehl, Die deutschen Raketenflugzeuge, S. 105ff.

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Die amerikanischen Kampfverbände stießen hier im Sudetenland nur noch selten auf Widerstand, daher war Pilsen und seine Entwicklungsstätte innerhalb kurzer Zeit erreicht. Die Sowjets hingegen schafften östlich von Prag erst am 12. Mai - drei Tage nach der gesamtdeutschen Kapitulation - den Durchbruch. Es kann wohl niemand von einem Zufall sprechen, daß die 3rd US Army gerade diese kleine Stadt befreite! Alles war vielmehr eine genau geplante Aktion, um in den Besitz deutscher Technologie zu kommen.

Redl-Zipf- Deckname »Schlier« Während also der eine Teil der 3. US-Armee nach Pilsen marschierte, wich der andere Teil noch nicht von seinem Südkurs ab. Schließlich überschritten am 26. April 1945 die ersten Panzer von Pattons Armee die österreichische Grenze13. Am 4-Mai erreichte die 80. Infanterie Division der 3rd US Army ein weiteres wichtiges Ziel: Redl-Zipf in Oberösterreich14. Ab Sommer 1943 sollte im »Rax Werk« in Wiener Neustadt in der sogenannten »Serbenhalle«15 eine Serienfertigung von V2/A4-Raketen aufgebaut werden. In der näheren Umgebung war auch die Errichtung von Triebwerkstestständen und eine zugehörige Flüssigsauerstoffproduktion vorgesehen. Nachdem aber 1943 die ersten Bomben auf das Werk gefallen waren, war man gezwungen, sich sehr schnell nach einer

13 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 346. Studie Wagner, 487. Divison, Third Army Operations und Patton, Krieg.

14 Vgl. Rauchensteiner, 1945 - Entscheidung für Österreich, S. 37. 15 Der Name stammte daher, daß die Halle in Serbien demontiert

und in Wr. Neustadt wieder errichtet worden war.

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bombengeschützten Unterbringung umzusehen. Während die Fertigung selbst in das von General der Waffen-SS Hans Kammler aufgebaute »Mittelwerk« bei Nordhausen/Thüringen ausgelagert wurde, sollten die Triebwerksteststände und die Flüssigsauerstoffproduktion nach Oberösterreich verlegt werden. In den Naturkellern einer in Zipf ansässigen Brauerei fand man einen geeigneten Standort16. Unter strengster Geheimhaltung wurde hier am 11.10.1943 mit der Einrichtung eines KZ-Außenlagers begonnen17. Kurz darauf begann man mit dem Bau der neuen unterirdischen Fabrik, die den Decknamen »Schlier« erhielt. Die Naturkeller der Brauerei wurden großzügig und mit riesigem Aufwand ausgebaut. So erhielten die Triebwerkstest-stände eine drei Meter starke Stahlbetondecke18, um sie vor alliierten Bombern zu schützen. Ein eigens errichteter Be-wetterungsschacht versorgte die Stollenanlage mit extrem großen Frischluftmengen, um den Luftanteil des hoch-ex-plosionsfördernden Reinsauerstoffes möglichst niedrig zu halten. Diese großen Frischluftmengen wurden im Winter auf 19°C erwärmt, um das Stollensystem zu beheizen. Trotz des großen Aufwands konnte alle Anlagen schon im Mai 1944 den Betrieb aufnehmen19. In der Nähe der Teststände installierte man auch die Flüs-sigsauerstofferzeugung zur Produktion von Treibstoff für die V2-Raketen20, die den Decknamen »Rella X« trug21. Ins-

16 Vgl. Freund, Arbeitslager Zement, S. 58. 17 Vgl. Woelfl, Gedenkstätte Konzentrationslager Mauthausen. 18 Vgl. Portisch/Riff, Die Wiedergeburt unseres Staates, S. 212ff. 19 Vgl. German Underground installations, Part two of three, »ad-

aptations of existing facilities«, CIOS Section, intelligence divi-sion office, chief engineer, USFET, Washington September 1945, Section III »Liquid oxygen plant«.

20 Vgl. Freund, Arbeitslager Zement, S. 58. 21 Vgl. Woelfl, Gedenkstätte Konzentrationslager Mauthausen.

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gesamt sieben große Kompressoren erzeugten 75 Tonnen Flüssigsauerstoff pro Tag. Dieser diente aber nicht nur zur Versorgung der Triebwerksteststände - mit Spezialeisen-bahnwaggons wurde der hochbrisante Treibstoff auch zu den V2-Abschußbasen an der Kanalküste bzw. an der Westfront transportiert22. Die aufwendigen Anlagen, die im Projekt »Schlier« unter-gebracht waren, hatten einen entsprechend hohen Energiebedarf. Man errichtete auf einem nahen Feld einen großen Stahlbetonbunker, um den tonnenschweren Trafo der Anlage zu schützen. Weiterhin wurde am Redlbach eine eigene Pumpstation gebaut, um den enormen Wasserverbrauch von etwa 250.000 Litern pro Stunde decken zu können23. Der Baukommandant der Anlagen hieß auch hier SS-General Hans Kammler. Und auch das Planungsbüro ist uns bereits bekannt: es handelte sich um das Ingenieurbüro Fiebinger24.

Linz - Deckname »Bergkristall« Am 5. Mai erreichte die 11. Panzerdivision der 3rd US-Army die Gauhauptstadt von Oberdonau (Oberösterreich): Linz, welche kampflos übergeben wurde25. Auch hier gab es etwas, für das es sich lohnte, in die sowjetische Zone vorzustoßen: die riesigen unterirdischen Messerschmitt-Werke in St. Georgen a. d. Gusen.

22 Vgl. German Underground installations, Part two of three, »ad-aptations of existing facilities«, CIOS Section, intelligence divi-sion office, chief engineer, USFET, Washington September 1945, Section III »Liquid oxygen plant«.

23 Ebenda. 24 Vgl. Freund, Arbeitslager Zement, S. 58. Bundesarchiv

Koblenz, Schreiben Kammler an das Ingenieurbüro Karl Fiebinger vom 28. September 1943.

25 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 352.

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Abbildung 1: Die »Serbenhalle« in Wiener Neustadt- hier sollte eine V2-Fertigung untergebracht werden. (Foto: Verfasser)

Abbildung 2: Der Stahlbetonbunker in Redl-Zipf zum Schutz des Trafos für die Stromversorgung der Flüssigsauerstoffproduktion. (Foto: Josef Buchhart)

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Abbildung 3: Appellplatz des Konzentrationslagers Mauthausen.

(Foto: Verfasser)

Abbildung 4: Krematorium im Konzentrationslager Mauthausen.

(Foto: Verfasser)

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Aufgrund der katastrophalen Lage der deutschen Luftwaffe hatten die Verantwortlichen im Sommer 1944 mit dem Bau einer unterirdischen Flugzeugfabrik begonnen. Etwa zehn Kilometer Stollen sollten auf 50.000 m2 Platz für ein komplettes Messerschmitt-Düsenjägerwerk bieten. 20.000 KZ-Häftlinge aus dem nahen Konzentrationslager Mauthausen mußten ihr Leben lassen, um dieses Vorhaben zu verwirklichen26. Der Baukommandant: SS-General Hans Kammler. Das Pla-nungsbüro: Ingenieurbüro Fiebinger. Geplant war eine Groß-Fertigung von Me-262-Düsenjägern - die letzte Hoffnung der deutschen Luftwaffe. Laut alliierten Geheimdienstberichten wurden bis zum Eintreffen der US-Truppen 987 Flugzeugrümpfe fertiggstellt27. Die US-Amerikaner hatten also ein weiteres deutsches Hochtechnologiezentrum erobert!

Ebensee - Deckname »Zement« Am 6. Mai 1945 erreichte die 3rd Cavalry der 3. US-Armee das Außenlager von Mauthausen in Ebensee im Salzkammergut. Hier, südlich des Traunsees, sollte ein weiteres unterirdisches Geheimwaffenzentrum entstehen. Nach dem ersten verheerenden Bombenangriff auf Peene-münde am 3. Oktober 1942 hatte man begonnen, die Heeresversuchsanstalt systematisch unter die Erde zu verlegen. Während die Produktion der V1 und der A4/V2-Raketen ebenfalls in Kammlers »Mittelwerk« bei Nordhausen verlegt wurden, entschloß man sich, die Entwicklungsabteilung in einer völlig neuen Stollenanlage in Ebensee am Traunsee unterzubringen. Ausschlaggebend für die Standortwahl waren die günstigen

26 Vgl. Haunschmied, B8 »Bergkristall« (KL Gusen II). 27 Ebenda.

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geologischen und topographischen Gegebenheiten, die dichte Bewaldung, die gute Verkehrsanbindung und ein schon bestehender Steinbruch, der als Tarnung sehr willkommen war. Im September 1943 wurde vom Heereswaffenamt des Rü-stungsministers Albert Speer der Auftrag zur Durchführung des Projektes erteilt. Es erhielt den Decknamen »Zement«, wurde SS-Führer Kammler unterstellt und bekam die Nummer »B1«. Schon kurz darauf begann die SS unter Verwendung tausen-der KZ-Häftlinge zwei gigantische Stollensysteme in die Berge des Salzkammerguts zu treiben. Dazu wurde im Herbst des selben Jahres ein Arbeitslager für 18.000 Personen eingerichtet. Von ihnen sollten bis 1945 8.500 den Tod finden28. Bemerkenswert ist, daß beim hiesigen Stollenausbau erstmals Betonfertigteile zur Anwendung gelangten. Diese standen bei ihrer Montage nicht mit dem Fels in Verbindung und konnten sehr einfach gegen eindringendes Wasser abgedichtet werden. Dieses neuartige Verfahren führte zu einem sehr beschleunigten Baufortschritt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Anlagen arbeitete man hier an zwei getrennten Systemen:

Zement A Für diesen Abschnitt war ein Gesamtbauvolumen von 220.000 m3 vorgesehen29. Er sollte alle wesentlichen Teile der geplanten Raketenforschungsstelle, also die Entwicklungsabteilung für die A9/10-Rakete (auch »Amerikarakete« genannt) aufnehmen. Dazu zählten auch eine Versuchsproduk-

28 Vgl. Freund, Arbeitslager Zement, S. 61ff. 29 Vgl. Freund, Arbeitslager Zement, S. 71. Besprechungsnieder-

schrift am 15.01.44, Verlagerungsort Vorhaben Zement, Bun-desarchiv Militärarchiv Freiburg/Br.

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tion von jeweils 20 Stück A4b/A9-Raketen und »Wasser-fall«-Flugabwehrraketen pro Monat30.

Zement B Diese Stollenanlage war für die Raketen-Testabteilung gedacht. Mit einem Bauvolumen von etwa 70.000 m3 31 sollten hier auf 20.000 m2 die Raketenteststände untergebracht werden. Ähnlich wie in »Schlier« war geplant, unterirdisch und völlig vor den alliierten Bomberverbänden geschützt, die Triebwerke der V2/A4-Raketen zu testen. Erstaunlich ist, daß trotz des umfangreichen Vorhabens der Zweck der Anlage sogar den Häftlingen vorenthalten werden konnte. Sie erkannten erst nach ihrer Befreiung, daß sie an den deutschen Vergeltungswaffen gearbeitet hatten. Der Fertigstellungstermin für Zement war Ende 1944. Technische Probleme und die immer dramatischer werdende Lage anderer Rüstungszweige der deutschen Industrie führten zu mehrfachen Umplanungen. Nach den schwerwiegenden Bombenangriffen auf die deutsche Erdölindustrie wurden Teile von »Zement A« ab Sommer 1944 für die Treibstoffproduktion genutzt. In den Stollen wurden mehrere Anlagen des sogenannten »Geilenberg-Programms« untergebracht: »Dachs II«, »Taube I« und »Ofen XXIII bis XXX«.32 Schließlich wurde der Plan, »Zement B« zu vergrößern und darin doch noch die Heeresversuchsanstalt Peenemünde un-terzubringen, fallengelassen. Aufgrund der immer näher

30 Vgl. Freund, Arbeitslager Zement, S. 68. Deutsches Museum, Sammlung Peenemünde, Betr. Verlagerung, 21.10.43

31 Vgl. Freund, Arbeitslager Zement, S. 71. Besprechungsniederschrift am 15.01.44, Verlagerungsort Vorhaben Zement, Bundesarchiv Militärarchiv Freiburg/Br.

32 Vgl. Freund, Arbeitslager Zement, S. 88ff.

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Abbildung 5: Die Stollenanlage »Zement« bei Ebensee heute. (Foto: Josef Buchhart)

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rückenden Ostfront waren viele Firmen gezwungen, ihre ausgelagerten Produktionen zurück ins Reich zu verlegen. Die Unterbringung eines Teils der Produktion der Steyr-Daimler-Puch AG (Panzerfertigung) in »Zement B« besiegelte das vorzeitige Ende der Versuchsanstalt Ebensee.33 Das Ingenieurbüro und der Baukommandant waren auch hier, wie nicht anders zu erwarten war, das Ingenieurbüro Fiebinger und SS-General Hans Kammler. Letzterer war sogar noch im Mai 1945 vor Ort und führte Rüstungsbesprechungen durch34.

Das Ende eines langen Marsches? Am 6. Mai 1945 schließlich erreichte eine Vorausabteilung der 3rd US Army bei Bad Ischl die Grenze zur Steiermark. Damit endete der Vormarsch in die Alpenfestung in Oberösterreich. Vorbei war es mit der riesigen Bedeutung des Phantoms - und das, obwohl sich noch immer zahlreiche deutsche Kampfverbände in den Alpen aufhielten. Warum hat sich noch kein Historiker gefragt, was das Ganze sollte? Marschierte man 700 Kilometer weit, nur um dann einfach halt zu machen? Die Theorie, die Alpenfestung sei gar nicht das Ziel der Aktion gewesen, sondern nur eine Aus-rede für etwas anderes, scheint sich nun zu bestätigen. Doch was war nun das eigentliche Ziel dieses gewaltigen Vormarsches? Die offizielle Geschichtsschreibung gibt hierüber leider keine Auskunft ... Im Süden machte Patton also in Bad Ischl Halt. Doch was war im Osten? Die offizielle Darstellung lautet, daß die US Army am 5. Mai 1945 den Fluß Enns, die mit den Sowjets vereinbarte Zonengrenze, erreichte und dort wie be-

33 Vgl. Freund, Arbeitslager Zement, S. 108ff. 34 Vgl. Fröbe in: Smelser/Syring, Die SS - Elite unter dem

Totenkopf, S. 316.

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fohlen wartete, bis sie am 8. Mai 1945 mit der Roten Armee zusammentraf35. Betrachtet man die Geschehnisse jedoch genauer, wird schnell klar, daß an der Enns längst nicht halt gemacht wurde. Der Marsch ging weiter, nur nicht in die »Kernfestung Alpen«, sondern nach Osten - tief in die sowjetische Besatzungszone hinein! Im bisherigen Verlauf des Vorstoßes gab es für Patton nur einen Grund in sowjetisches Gebiet vorzustoßen: deutsche Hochtechnologie. Warum sollte es jetzt also anders sein?

35 Vgl. Die Chronik Österreichs, S. 538.

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2. Eine Fabrik unter der Erde

Im Frühjahr 1944 wurden tausende KZ-Häftlinge aus dem Konzentrationslager Mauthausen in die niederösterreichische Stadt Melk gebracht. Die Zeit drängte, alles mußte so schnell gehen, daß nicht einmal für die Errichtung eines eigenen Konzentrationslagers Zeit blieb. Die Melker Pionierkaserne wurde umfunktioniert - wo noch kurz zuvor Wehr-machtseinheiten untergebracht waren, fand man jetzt Sta-cheldraht und Wachtürme. Jeden Tag, früh am Morgen, mußten die Häftlinge von dort zum Bahnhof marschieren und oft stundenlang in Kälte und Regen auf den Zug warten, der sie einige Kilometer weit in die kleine Ortschaft Roggendorf am Fuß des Wachberges brachte.36 Hier arbeiteten die Häftlinge an einem der geheimsten Projekte des Dritten Reiches - einer vollständigen unterirdischen Fabrik. Die Stollen waren im sandartigen Quarzgestein des Wachberges optimal gegen Bombenangriffe geschützt. Die Anlage erhielt auch ein Notstromaggregat, um nötigenfalls vom Netz völlig unabhängig zu sein. Als Schirmherr der Arbeiten trat die Steyr-Daimler-Puch AG (SDP) auf, einer der größten österreichischen Fahrzeug- und Waffenproduzenten, der hier seine eigene Kugellagerproduktion unter die Erde verlegen wollte, um sie vor alliierten Bombenangriffen zu schützen. Im Zeitraum März 1944 bis März 1945 entstanden so mindestens sieben Kilometer Stollen. Weiterhin wurden umfangreiche oberirdische Anlagen errichtet, für deren Tarnung man nicht weniger als 40.000 m2 Tarnmatten verwendete37. Zu den oberirdischen Anlagen gehörten ein Stahlbetonbunker,

36 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 377ff.

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Abbildung 6: Die Ortschaft Roggendorf mit dem Wachberg bei Melk heute. (Foto: Verfasser)

Lagerhallen, Schienenanschlüsse, Eisenbahnbrücken, Bahnsteige, Straßenverbindungen, Baracken, Arbeitersiedlungen, Unterkünfte für die Wachmannschaften, umfangreiche Abzäunungen und MG-Stellungen. Um die Arbeiten so rasch wie möglich voranzutreiben, war es von Anfang an geplant, KZ-Häftlinge einzusetzen. Da das KZ Melk kein Vernichtungslager wie Mauthausen oder Auschwitz, sondern ein Arbeitslager war, sollten die Häftlinge ihre Kräfte beim Bau der Stollen verlieren - was natürlich für die Betroffenen kaum einen Vorteil darstellte. Unter furchtbarsten Arbeitsbedingungen verloren so tausende Menschen ihr Leben. Das Projekt erhielt den Decknamen »Quarz«, was eine sehr gute Tarnung war, da der gesamte Berg aus diesem Material bestand. Offenbar sollte der Eindruck erweckt werden, es handle sich um eine harmlose Sandgrube.

37 Vgl. Perz, Projekt Quarz, Seite 404. Hauptbesprechung Quarz vom 15.7.1944, Archiv Steyr-Daimler-Puch AG, Ordner: Ver-lagerung Quarz.

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Doch schon dieser Deckname ist der erste Anhaltspunkt dafür, daß mit der offiziellen Geschichte dieser Anlage, so wie sie bisher dargestellt wurde, etwas nicht stimmt. Es beginnt eine lange Reihe von Tatsachen, die »Quarz« zu einer der geheimnisvollsten Bunkeranlage Österreichs machen.

»Quarz« - kein gewöhnlicher Deckname

Aus Tarnungsgründen erhielten alle deutschen Rüstungsprojekte Decknamen. Sie sollten den alliierten Geheimdiensten ihre Arbeit erschweren und die wahre Produktion verschleiern. Es existierte dabei ein System, welches Projekt welchen Namen erhielt (mit einigen Ausnahmen):38

Alte Stollenanlagen: Fischnamen z. B. Lachs, Languste Alte Schachtanlagen: Tiernamen z. B. Schneehase,

GemseEisenbahn- und Straßentunnel:

Vogelnamen z. B.Amsel, Drossel

Festungswerke: Pflanzennamen z. B. Kastanie, Tanne Höhlen: Münznamen z.B. Dollar, Heller Bunker: Männernamen z. B. Siegfried, Peter

Bleibt nur noch eine große Gruppe von Decknamen: Gesteine. Sie hatten eine besondere Bedeutung: praktisch alle Bauten mit Gesteinsdecknamen unterstanden ein und dem selben Bauherren: General der Waffen-SS Hans Kammler39.

38 Vgl. Wichert, Decknamenverzeichnis deutscher unterirdischer Bauten, S. 153ff.

39 Vgl. Bornemann, Geheimprojekt Mittelbau, S. 87.

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SS-Führer Kammler taucht auf Seit sich Mitte 1943 die Lage der deutschen Luftwaffe dra-matisch verschlechtert hatte und die Lufthoheit nicht mehr aufrechterhalten werden konnte, begann die Rüstungsindustrie in verzweifelten Versuchen, ihre Betriebe unter die Erde zu verlegen, um sie dem alliierten Bombardement zu entziehen. Um einen kleinen Überblick zu bieten, in welchem gigantischen Ausmaß diese Verlagerung unter die Erde vor sich ging, seien an dieser Stelle einige der bekannten österreichischen Anlagen genannt:40

Deckname Standort

Anna Graz

Alice Wien, St. Marx Baldrian Wien, Flakturm ArenbergparkBergkristall St. Georgen a. d. Gusen Butt Annabergtunnel Chlorit St. Pölten Dazit Gaaden bei Mödling Gloria Wien Heilbutt Zentralkeller Linz Julius Wien, Floridsdorf Kalzit Weiz, Steiermark Karpfen Wien, Tiefkeller Schwechat Kellerbau St. Georgen a. d. Gusen Kiesel Hallein Languste Seegrotte bei Mödling Luise Wien, Linzerstraße Maräne Brauereikeller, Linz Maria Wien, Schlachthausgasse

40 Vgl. Wichert, Decknamenverzeichnis deutscher unterirdischer Bauten, S. 114ff.

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Mieze Wien, Neugebäude Nephrit Schwarzach bei Bregenz Norit Wöllersdorf Obolus Adlitzgraben am Semmering Peter Wien, Flakturm Augarten Quarz Melk Quarz II Melk Renke Wien, Liesing-Schwechat Reseda Krems-Furth Rosmarin Krems-Aigen Schlier Redl-Zipf Seelachs Keniaten bei Innsbruck Selma Wien, Brauereikeller Selma Senta Wien, Brauereikeller Schwechat Siderit Wattens, Tirol Spinell Innsbruck Steinkauz Katschbergtunnel Stichling Schwaz, Tirol Seeigel Steyr Serpentin (Reichs-)Autobahntunnel bei GollingSophie Wien, Schellenhof Syenit Kapfenberg-Böhlerwerk Wilhelmine Wien, Leopoldstadt Zarah Bludenz-Fohrenburg Zaunkönig (Reichs-)Bahntunnel Landeck Zement A + B Ebensee Zitteraal Ötztal Zitterrochen Stubachtal

Diese Liste erhebt in keinster Weise Anspruch auf Voll-ständigkeit. Es ist auch nur teilweise bekannt, inwieweit die einzelnen Projekte noch begonnen bzw. fertiggestellt wurden. Für das gesamte deutsche Reichsgebiet ist eine Liste

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von ca. 1.000 Decknamen bekannt - eine unvorstellbare Menge an Projekten, denen natürlich gewisse Dringlichkeitsstufen zugeteilt wurden, um etwas Ordnung in das Chaos zu bringen. Um die wichtigsten Bunkerbauten der deutschen Flugzeug-industrie möglichst schnell voranzutreiben, hatten der Reichsführer SS Heinrich Himmler und der Reichsmarschall Hermann Göring im März 1944 vereinbart, die wichtigsten und aufwendigsten Arbeiten der SS zu übertragen. Himmler war über diese Entscheidung sehr erfreut, da die SS damit Einfluß auf die modernsten Flugzeugproduktionen des Dritten Reiches gewinnen konnte. Mit der Durchführung der anstehenden Maßnahmen wurde niemand anderer als SS-Brigadeführer und General der Waffen-SS Dr. Ing. Hans Kammler (1901-1945?) beauftragt, der noch im selben Monat den »Sonderstab Kammler« mit Sitz in Berlin gründete.41 Seine Aufgaben wurden »Sonderbauvorhaben« genannt, welche sich in die bis heute geheimnisumwitterten »Sonderinspektionen« aufgliederten: »S I« bis »S IV«. Diesen Sonderinspektionen unterstanden jeweils verschiedene »A«- und »B«- Projekte, die unter dem Decknamen Aktion »Sonderelbe-Jasmin A-B« zusammengefaßt waren. Bei A-Projekten handelte es sich um vorhandene unterirdische Räume, die für die Verlagerung von Fertigungen nur erweitert werden mußten. B-Projekte stellten meist völlige Neubauten dar. Es ist aber sehr seltsam, daß unter diesen wichtigsten Son-derbauten, zu denen z. B. auch verschiedene Führerhaupt-quartiere, das »Mittelwerk« und die geheimnisumwitterten Stollen im deutschen Jonastal (»S III«, Deckname »Olga«) gehörten, nun auf einmal unter »SS-Sonderinspektion IV« auch »Quarz« mit der Nummer »B9« aufscheint.

41 Vgl. Bornemann, Geheimprojekt Mittelbau, Seite 86.

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Dieser »SS-Sonderinspektion IV« mit Sitz in Wien waren folgende Stollenbauvorhaben unterstellt:42

Deckname Ort Geplante Fertigung

B1 »Zement« Ebensee A9/10-Amerikarakete

B8 »Bergkristall« St. Georgen a.d. Gusen43

Me 262 Düsenjäger

B9 »Quarz« Roggendorf Kugellager BIO »Quarz II« Winzendorf Me 262 Düsenjäger

Interkontinentalraketen, Me-262-Düsenjäger - Kugellager? »Quarz« paßt schon auf den ersten Blick nicht in diese Auf-zählung! War eine kleine44 Kugellagerfabrik, die etwa 13%45 der deutschen Kugellagerfertigung ausmachte, wirklich so bedeutend, um ihre Stollenanlage zu den wichtigsten Bau-vorhaben des Dritten Reiches zu erklären? Oder steckte da etwas ganz anderes dahinter? Zum Vergleich: Der bekannte deutsche Kugellagerhersteller VKF aus Schweinfurt, der 1944 etwa 32% (!) der deutschen Kugellagerproduktion innehatte46, sollte ebenfalls geschützt untergebracht werden. Ob-

42 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 149. Schreiben von Kammler an OBH Gabel im RWM vom 16.8.1944, Aufstellung der A- und B-Vorhaben und der Sonderinspektionen, Bundesarchiv Koblenz. Warum in dieser Auflistung auf B1 »Zement« vergessen wurde, ist unklar. Vgl. Freund, Arbeitslager Zement, S. 74. Brief Verbindungsstab AW an SS-Führungsstab, 14.2.1944, Deutsches Museum, Sammlung Peenemünde.

43 Ursprünglich war auch die Stollenanlage B7 enthalten, die aber statt in St. Georgen a. d. Gusen, in Hersbruck (Deutschland) unter dem Decknamen »Dogger« errichtet wurde.

44 Klein in bezug auf die Werke VKF und FAG, die zusammen fast 75% der deutschen Kugellagerproduktion ausmachten.

45 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 75. United States Strategic Bom-bing Survey.

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wohl dieses Werk also wesentlich größer und wichtiger als die Kugellagerfertigung der SDP war, wurde seine Verlagerung mit dem Decknamen »Neustadt« geplant47, die nicht Hans Kammler unterstellt war.

Wer war Kammler? Der mächtige Mann, der hinter all diesen Stollenbauten stand, war General der Waffen-SS Dr. Ing. Hans Kammler, Leiter der SS-Amtsgruppe C (Bauwesen). Der 1901 in Stettin geborene Kammler besuchte die Technische Hochschule in Danzig, die er als Diplom-Ingenieur für Architektur abschloß. 1932 erwarb er den Doktortitel an der Technischen Hochschule in Hannover. Schon 1931 wurde er Mitglied der NSDAP und zwei Jahre später der SS. Über das Reichsernährungsministerium und das Luftfahrtministerium führte Kammlers berufliche Karriere mehr und mehr in die SS, in der er schließlich 1942 die Amtsgruppe C übernahm48. Als nunmehriger Herrscher über 175.000 KZ Häftlinge49 war er für eine schnelle und rücksichtslose Durchführung der ihm übergebenen Aufgaben bekannt. Kammler war beispielsweise maßgeblich an der Planung und Errichtung von vier Krematorien im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau beteiligt50, wodurch dort die Zahl der Tötungen um ein Vielfaches gesteigert werden konnte.

46 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 75. United States Strategic Bom-bing Survey.

47 Vgl. Wichert, Decknamenverzeichnis deutscher unterirdischer Bauten des Zweiten Weltkrieges, S. 186.

48 Vgl. Fröbe in: Smelser/Syring, Die SS - Elite unter dem Toten-kopf, S. 306f.

49 Vgl. Williamson, Die SS - Hitlers Instrument der Macht, S. 100. 50 Vgl. Fröbe in: Smelser/Syring, Die SS - Elite unter dem Toten-

kopf, S. 310ff.

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Eine seiner weiteren Aufgaben war die Errichtung zahlreicher Abschußrampen für V-Waffen und schließlich auch die Überwachung der Raketen- und Flugbombenstarts51. Aufgrund seines zweifellos vorhandenen Organisationstalents, das er bei der Realisierung wichtiger Aufgaben und Projekte im Dritten Reich immer wieder bewies, hatte er schnell Karriere gemacht und bekam nun die geheimsten und wichtigsten deutschen Bunkerprojekte übertragen. Darunter befanden sich die schon erwähnten Raketenwerke in Ebensee, die V2-Triebwerksteststände in Redl-Zipf, das Projekt »Riese« im heutigen Polen, die Stollenanlage »Olga« im Jonastal und allen voran die V-Waffen-Fertigung in Nordhausen. Die riesige V1- und V2-Fertigung im Berg Kohnstein bei Nordhausen war sozusagen Kammlers »Meisterstück«. Was von allen für unmöglich gehalten wurde, machte er in kürzester Zeit möglich: Er verwandelte die vorhandenen Stollenanlagen in der unglaublichen Zeit von nur etwa zwei Monaten in das größte unterirdische Raketenwerk des Zweiten Weltkrieges52. Der gnadenlose Einsatz von KZ-Häftlingen machte sich für Kammler bezahlt. Von nun an galt er bei Hitler endgültig als ein Mann der Tat. In weiterer Folge wurde er zum »Beauftragten für Baufragen der Fertigung« im »Sonderausschuß A4« bestellt; im Herbst 1944 avancierte er zum Chef der Heeresbauwesens53, und im März 1945 bestellte ihn Hitler schließlich zum »Ge-neralbevollmächtigten des Führers für Strahlflugzeuge«54.

51 Vgl. Fröbe in: Smelser/Syring, Die SS - Elite unter dem Totenkopf, S. 314.

52 Vgl. Bode/Kaiser, Raketenspuren, S. 92. 53 Vgl. Fröbe in: Smelser/Syring, Die SS - Elite unter dem

Totenkopf, S. 315. 54 Ebenda, S. 317.

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Abbildung 7: General der Waffen-SS Hans Kammler. (Foto: unbekannt)

Besonders beachtenswert aber ist, daß Kammler am 31. Januar 1945 zum »Bevollmächtigten des Führers für Strah-lenforschung«55 ernannt wurde!!! Er war also Befehlshaber über einen gesamten Forschungszweig, dessen Existenz im Dritten Reich heute als praktisch nicht vorhanden dargestellt wird. Im Zusammenhang damit ist zu berücksichtigen, daß zu diesem Zeitpunkt (drei Monate vor Kriegsende) eine Ernennung zum Verantwortlichen für einen Forschungszweig sicher nur noch dann erfolgte, wenn dadurch innerhalb kürzester Zeit die Fertigstellung einer durchschlagenden Waffe zu erwarten war. Auf all den vorgenannten Gebieten hatten weder Reichsmarschall Göring noch Rüstungsminister Speer gegenüber Kammler eine Weisungsbefugnis. Noch nie hatte Hitler so viel Macht auf eine einzelne Person konzentriert. Es ist daher in keinster Weise logisch anzunehmen, daß einerseits einem solchen Mann die Untertage-Verbringung eines eher unwichtigen Kugellagerwerks übertragen wurde, wodurch sich andererseits all die anderen als »kriegsentscheidend« gewerteten Bauvorhaben verzögert hätten! Es er-

55 Vgl. Naasner, SS-Wirtschaft und SS-Verwaltung, S. 341.

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scheint weiterhin unlogisch, daß ein Mann, der offensichtlich sehr darauf bedacht war, nur die größten und wichtigsten Geheimprojekte zu übernehmen, sich plötzlich mit einer Kugellagerfabrik zufrieden geben sollte. Was aber ist, wenn etwas viel wichtigeres hinter dem Decknamen »Quarz« steckte? Etwas, das als absolut »kriegsentscheidend« betrachtet wurde und genauso bedeutend war wie die Düsenjäger- oder Raketenproduktion?

Ein Kammler-Bau für mehrere Betriebe? Bei vielen Untertage-Verlagerungen hatten sowohl die Stol-lenanlagen selbst, als auch die verschiedenen darin unterge-brachten Fertigungen eigene Decknamen - dies war auch bei »Quarz« der Fall. Während die Stollenanlage den schon bekannten Namen »Quarz« trug, hatte die darin untergebrachte Kugellagerfertigung der SDP-AG den Decknamen »Erle«56. Man kann aber nicht von vornherein sagen, daß es in einer Stollenanlage nur eine Fertigung gab. Als Beispiel sei hier wieder die Stollenanlage »Zement« in Ebensee genannt. In der dortigen Untergrundverlagerung waren z. B. die Anlagen »Dachs II«, »Taube I« und »Ofen XXIII bis XXX« untergebracht worden, d. h. zehn Betriebe in einer Stollenanlage! Warum sollte es ausgerechnet in »Quarz« anders gewesen sein? Warum sollten nicht auch hier mehrere völlig verschiedene Betriebe Unterschlupf gefunden haben? Es hätte gute Gründe dafür gegeben - z. B. die Geheimhaltung. Hatte Kammler vielleicht die Steyr-Kugellagerwerke als Tarnung benutzt? Zugegeben ein genialer Einfall, um etwas weit wichtigeres wirkungsvoll zu verbergen! Kein Mensch würde auf die Idee kommen, in einem ohnehin schon

56 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 189.

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geheimgehaltenen Werk eine noch viel geheimere und wichtigere Produktion zu suchen ... Schon von Anfang an war das Unternehmen »Quarz« als Zusammenschluß mehrerer Unternehmen gedacht. Zu ihnen gehörten das Steyr-Wälzlagerwerk, die Flugmotorenwerke Ostmark (in Wr. Neudorf bei Wien), Flumo Steyr (das Flugzeugmotorenwerk in Steyr-Hinterberg) und das Nibelungenwerk (Panzerfertigung in St. Valentin).57 Nichts wäre also leichter gewesen, als in diesen Verband von Firmen, von denen schließlich alle bis auf die Kugellagerfertigung eigene Verlagerungs-Projekte starteten, einen »Kuk-kuck« einzunisten. Wunderbar von aller benötigter Infrastruktur versorgt und perfekt verborgen! Eine wunderbare Tarnung, die vielleicht über ein halbes Jahrhundert lang funktioniert hat!

57 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 155ff.

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3. Die Stollenanlage

Die Probleme beim Bau

Wegen immer wieder auftretender verschiedener Probleme verzögerte sich der Baufortschritt laufend. Dazu zählten ständige Pannen mit den Bergbaumaschinen, da der feine Quarzsand des Wachberges schnell zur Zerstörung von ungenügend abgedichteten Getrieben und Kugellagern führte. Deshalb mußte man wieder auf die händisch zu bedienenden Preßlufthämmer zurückgreifen. Dies führte wiederum zu einem Mangel an diesen Geräten. Auch das akute Defizit an gelernten Facharbeitern führte zu Verspätungen, die schließlich bewirkten, daß der SDP erst im November 1944 der erste Abschnitt von 2.700 m2 übergeben wurde58. Nachdem dieser erste Bauabschnitt fertiggestellt war, begann man sofort mit der Übersiedlung der Werkzeugmaschinen der SDP. Insgesamt wurden bis zum März 1945 7.880 m2

Fertigungsfläche der Kugellagerfertigung übergeben59. Kaum wurde die Fertigung richtig aufgenommen, mußten aber aufgrund der nahenden Front die Maschinen wieder abgebaut und nach Steyr und Linz verlagert werden. Ursprünglich war man davon ausgegangen, daß in sechs bis sieben Monaten die ersten 6.000 m2 bezugsfertig wären60. Waren die Probleme beim Bau wirklich so schwerwiegend,

58 Vgl. Perz, Projekt Quarz, Seite 189. Plant report on Steyr-Daim-ler-Puch A, Wälzlagerwerk Steyr, Austria. United States Strate-gic Bombing Survey Records.

59 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 190. Rechnungswesen Wälzlager-werk an Rechtsbüro vom 17.3.1945 betr. Übernahme der Stol-lenfläche Quarz durch Betriebsführung Erle, Archiv der Steyr-Daimler-Puch AG.

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daß man in der geplanten Zeit nicht einmal die Hälfte des Solls erreichte? Werfen wir einfach einmal einen Blick auf die Stollenanlage und vergleichen dann, was wirklich vorhanden war und fertiggestellt worden ist.

Beschreibung der Stollen

Die Stollenanlage war quadratisch aufgebaut, mit sechs Hauptstollen (A - F) und 25 Produktionsstollen. Die Ge-samtfläche der 1. Ausbaustufe sollte etwa 60.000-75.000 m2

betragen. Die Stollen A - F hatten jeweils eine Abstand von 100 m, nur A und B wurden im Abstand von 50 m voneinander errichtet. Die Höhe belief sich auf ca. 8-10 m. In den Produktionsstollen, die ca. 5-6 m hoch waren, sollten die Maschinen untergebracht werden. Im Nordosten hatte die Anlage sechs Eingänge, davon war einer ein Eisenbahnanschluß. Auch im Südwesten hätten später zwei Eingänge folgen sollen. Ob dabei auch an einen Anschluß an die direkt benachbarte Autobahn gedacht wurde, kann nur spekuliert werden. Da die Stollenanlage immer wieder zugeschüttet worden ist und die Befahrung schon vorher aufgrund der zahlreichen Sprengstellen sehr mühsam und gefährlich war, soll hier eine ausführlich Beschreibung erfolgen. Die nachfolgenden Werte in den Klammern sind in Metern angegeben und bedeuten jeweils: (ca. Länge/davon betoniert/max. Höhe/min. Höhe)

60 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 165. Fernschreiben Meindl an Roehrt vom 7.2.1944 und 10.2.1944, Roehrt an Meindl vom 7.2.1944, Imperial War Museum London.

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Abbildung 8: Trümmer einer Feldbahnbrücke über den Fluß Pielach, die zur Entsorgung von Aushubmaterial diente. (Foto: Verfasser)

Alle Angaben erfolgen in Meter. Die Stollenbezeichnungen beziehen sich auf den Plan von P. J. Eisenbauer von 1983 und stimmen bei den Stollen D - G nicht mit den originalen Bezeichnungen überein.

Die Hauptstollen

Sie stellen die größten Stollen des Systems dar. Sie sollten später sämtliche Konstruktionsbüros, die Verwaltung, Garderoben, Waschräume und ähnliche Einrichtungen aufnehmen. Hierfür war zumindest abschnittsweise das Einziehen einer Zwischendecke geplant.

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Abbildung 9: Plan der Stollenanlage 1984. (Plan: P. J. Eisenbauer, Melker Höhlenforscher)

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Stollen A (350/300/8/3) Hier war der unterirdische Bahnhof untergebracht. Die Westbahn zweigte im Bahnhof Loosdorf ab und führte in einem langen Bogen in die Tunnelanlage, wo sich die Geleise auf zwei Spuren aufspalteten. Zumindest im vorderen Drittel des Ganges existiert ein darüber gelegener Lüftungsschacht, der über viele Löcher in der Decke des Stollens mit diesem verbunden war. Offensichtlich diente er dem Abzug der Dampflok-Rauchgase. Im hinteren Bereich des Stollens ist der noch nicht abgebaute Gesteinskern stehengeblieben. Nach dem Krieg wurde vor allem das erste Drittel durch Sprengungen praktisch komplett zerstört. Durch eine gewaltige Sprengladung im Einfahrtsbereich wurde ein Krater mit etwa 40 m Durchmesser in den Berghang gerissen, der den Stollen um gut 30 m verkürzte.

Stollen B (600/270/10/0,5) Dieser ist der längste aller Hauptstollen. Da man im Verlauf der Bauarbeiten immer wieder auf Schotterbänke im Berg gestoßen war, beschloß man Stollen B als Sondierstollen voranzutreiben, um auf weitere Störungen im Gestein vorbereitet zu sein61. Die ursprüngliche Einfahrt am Nordosthang des Wachberges wurde nach dem Krieg durch Sprengung verschüttet. Gleich hinter dieser Sprengstelle liegt der sogenannte Traforaum. Ein sehr seltsamer Abschnitt, auf den wir später noch genauer eingehen werden. Im Bereich zwischen Querstollen 8 und 9 befinden sich betonierte Unterkellerungen, die auf die Aufstellung von Maschinen hindeuten - ein Faktum, das noch von großer Bedeutung sein wird.

61 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 114. Hauptbesprechung Quarz vom 1.7.1944, Archiv der Steyr-Daimler-Puch AG.

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Abbildung 10: Der Hauptstollen B im Jahre 1988. (Fofo: Michael Wrobel, Wien)

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Beim Querstollen 14 sinkt die Stollenhöhe von zehn auf drei Meter ab. Hier endet der betonierte Abschnitt. Geht man Richtung Südwesten weiter, folgen zwei Maueransätze und dazwischen zwei bemerkenswerte Nischen. Sie führen mit einer Höhe von einem Meter auf jeder Seite des Stollens etwa fünf Meter in den Berg. Dort enden sie mit je einem Raum mit ca. 1,5 x 1,5 m Grundfläche. Auch hier können nur sehr kleine Menschen aufrecht stehen. Diese Art von Gang findet man auch noch in den Stollen A, D und E. Es dürfte sich dabei um Sprengkammern gehandelt haben, die von der SS zur geplanten Vernichtung der Stollenanlage angelegt wurden. Im hintersten Teil des Ganges sank die Höhe schließlich auf 0,5 m ab. Angeblich konnte man in diesem hintersten Abschnitt schon Fahrzeuge, die auf der Westautobahn fahren, hören. Durch den Bau einer Sandgrube nach dem Krieg wurden aber auch hier ca. 50 m Gang vernichtet. Hierdurch ergab sich für viele Interessierte eine neue Einfahrtsmöglichkeit. Diese wurde aber durch die völlige Wiederauffüllung der Sandgrube im Mai 1998 zerstört. Bei einer Höhe von 2,5 m endet der Stollen heute mit einer Betonwand, die schon vor der Aufschüttung einen Zutritt verhindern sollte.

Stollen C (150/100/7/0,5) Dieser Gang hatte ursprünglich wahrscheinlich keine Bezeichnung (siehe unten) und war der kürzeste von allen Hauptstollen. Laut dem Originalplan von 1944 dürfte dieser Stollen gar nicht existieren, er könnte aber sogar eine eigene kleine Einfahrt erhalten haben, da am nordöstlichen Ende etwas Humus von der Decke rutscht.

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Stollen D (380/220/8/3) Er hätte laut Originalplan mit Stollen E einen gemeinsamen Zugang bekommen sollen, daß diese Pläne aber abgeändert wurden, zeigt ein amerikanisches Aufklärungsfoto vom 16. August 194462. Darauf ist klar zu erkennen, daß Stollen D und E eigene Einfahrten erhielten. Beide sind aber durch verschiedene Sprengungen nicht mehr befahrbar. Die Zufahrten der beiden Stollen sind heute an der Oberfläche durch zwei sehr tiefe und etwa 100 m lange Täler erkennbar. Am Talgrund liegen noch verschiedene Stahlbetontrümmer. Im Stollen selbst existiert im Bereich von Querstollen 1 und 2 eine ca. 1,5 m tiefe und 50 m lange Rinne in der Sohle63.

Stollen E (400/200/7/2) Am nordöstlichen Ende machte dieser Stollen einen Knick in Richtung Westen und führte dort an die Oberfläche. Der betonierte Teil ist durch Sprengungen total zerstört, daher läßt sich die ursprünglich Höhe auch nicht mehr genau feststellen.

Stollen F

(300/120/6/2)

Stollen G (320/320/8/8) Dieser Stollen war bei den KZ-Häftlingen der unbeliebteste Teil der Anlage. Da er schon damals 0,5-1 m unter Wasser stand, mußten sie unter furchtbarsten Bedingungen arbeiten. Auch dieser Gang machte einen Knick zur ehemaligen Einfahrt hin. Hier befindet sich auch eine Was-

62 Vgl. Airforce Historical Research Agency. Microfilm Nr. A25193, Interpretation Report No. U. 27, Feb. 1945.

63 Bergmännisch für den Boden eines Stollens.

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Abbildung 11: Einfahrtsbereich von Stollen A mit Vortriebsstollen (?) im Rand des Sprengkraters. (Foto: Verfasser)

Abbildung 12: Das durch die Sprengung von Stollen G entstandene Tal. (Foto: Verfasser)

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serleitung, die nach über 50 Jahren noch immer Wasser führt. Westlich und östlich davon finden sich auch noch zwei alte Grubenloren, die etwa zur Hälfte in der Sohle versunken sind. Am südwestlichen Ende des Ganges, das tief unter Wasser steht, stehen auch noch einige Maschinen, deren ursprüngliche Verwendung aber nicht mehr eindeutig zu klären ist.

Die Produktionsstollen

Sie verbinden sämtliche Hauptstollen miteinander, und haben bis auf 1, 2, 3, 13, 14, 15 eine Länge von 450 m und eine Höhe von ca. 6 m. Die Stollen 1-8 sind vollständig, Nr. 9-11 teilweise und 12-15 gar nicht betoniert, darum gewähren auch die Stollen Nr. 12-15 einen erschreckenden Einblick in den Häftlingsalltag. Die Stollenhöhe sinkt dort auf ca. zwei Meter ab, in den Gängen stehen noch Baugerüste und an den Wanden sieht man noch deutlich die Schaufelkratzer der Häftlinge.

Produktionsstollen 1 und 2 Sie stellen eine Besonderheit dar. Nur hier finden sich um-fangreiche Maschinenfundamente und Tanklager. Dies beweist, daß sie, obwohl sie nicht die volle Länge erreicht haben, schon längst in Verwendung waren. Auffallend ist auch ihre unregelmäßige verwinkelte Struktur. Stollen 2 besitzt noch zusätzlich an seinem nordwestlichen Ende als Abschluß eine offensichtlich gesprengte, doppelte Stahlwand. Links davon zweigt in einer Höhe von ca. drei Meter ein sehr schmaler und niederer Stollen ab, der steil nach oben führt und offensichtlich einmal ein zweites Stockwerk erreichen sollte.

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Die obere Etage - Stollen H

Das bisher Beschriebene ist die »offizielle Version« der Anlage. Daß das Projekt »Quarz« aber größer war, als bisher angenommen wurde, konnte erst nach vielen Monaten Forschung bewiesen werden. Zusätzlich zu all den genannten Stollen existiert nämlich noch ein Abschnitt, der auf keinem veröffentlichten Plan aus dem Zweiten Weltkrieg verzeichnet ist. Es handelt sich dabei um einen Stollen, der eine Etage höher liegt als die übrige Anlage - nennen wir ihn »Stollen H«. Erreichbar ist dieser Abschnitt über den Produktionsstollen 8, welcher als Besonderheit einen seltsamen, über zehn Meter hohen Schacht zwischen den Hauptstollen D und E aufweist. Offensichtlich stellte er eine Verbindung zur 2. Eta-ge dar. Leider wurde dieser Schacht durch eine gewaltige Sprengung völlig zerstört, so daß man über seine Verwendung nur noch spekulieren kann. Der Stahlrahmen an der Decke läßt auf einen Aufzug schließen, der die beiden Etagen verbinden sollte. Aufgrund der Sprengung ist dieser Schacht aber extrem ge-fährlich, so daß man über das obere Stockwerk kaum Infor-mationen erhält. Anhand einer Handskizze und mehrerer Aussagen von »Besuchern« läßt sich erkennen, daß der dar-überliegende Gang eine Länge von etwa 200 m und drei kleine Abzweigungen besitzt. Zwei davon sind wiederum Sprengkammern. Bemerkenswert ist auch, daß Stollen H zum Großteil bereits mit Beton verkleidet ist! Daß diese Etage aber sogar eine eigene Einfahrt hatte, belegten erst die Akten der US Airforce64. Schon am 16. August 1944 hatte die US-Luftaufklärung diesen Stollen erkannt und in ihren

64 Airforce Historical Research Agency. Microfilm Nr. A25193, Interpretation Report No. U. 27 Feb. 1945.

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Akten »Tunnel entrence D« getauft. An der Stelle, an der sich damals die Einfahrt befand, findet sich heute allerdings nur noch ein riesiger Krater.

Abbildung 13: Sprengtrichter an der einstigen Stelle der Einfahrt zum oberen Stockwerk. (Foto: Verfasser)

Damit kann auch eine weitere Unklarheit aufgeklärt werden: Als beim Vorantreiben von Stollen G (ex F) ein großer Was-sereinbruch erfolgte, überlegte man, das Niveau der Stollen um einen Meter zu heben, um ständige Überflutungen zu vermeiden. Dies wurde aber schließlich wegen Befürchtungen abgelehnt, daß der Schutz vor Bombenangriffen dann nicht mehr ausreichend gegeben sei, da man die geforderte Felsüberdeckung von 30 Metern unterschritten hätte65. Die Hauptstollen A - G liegen auf einer Seehöhe von ca. 240 m, der Wachberg ist aber praktisch auf der gesamten Grundfläche der Stollenanlage über 300 m hoch. Wäre also

65 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 114. Hauptbesprechung Quarz vom 6.5.1944, Archiv der Steyr-Daimler-Puch AG.

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nur die »offizielle« Stollenanlage geplant und errichtet worden, hätte sich eine Uberdeckung von über 50 Metern ergeben und die Befürchtungen wären völlig haltlos gewesen. War aber die obere Etage schon von Anfang an geplant, und zwar in der selben Größe wie die untere Etage, dann wären die Bedenken berechtigt, was offensichtlich der Fall war. Bei geschickter Ausnutzung der geographischen Gegebenheiten bleibt sogar Raum für Spekulationen über eine mögliche dritte Etage!

Die Stollenflächen stimmen nicht

Mit Hilfe dieser Daten ist sehr gut erkennbar, daß die Stol-lenanlage viel größer ist, als sie »offiziell« sein sollte.

Wo war das Kugellagerwerk? Wie oben erwähnt, wurden der SDP im November des Jahres 1944 2.700 m2 Stollenfläche übergeben. Insgesamt waren es bis März 1945 7.880 m2. Ein fertiger Produktionsstollen hatte eine Länge von 450 m und eine Breite von 6 m. Das ergibt genau 2.700 m2. Folglich wurde im November 1944 genau ein Stollen übergeben. Insgesamt erhielt die SDP 7.500 m2 an Produktionsstollen und 380 m2 an Bürostollen66. Das heißt, daß nicht einmal drei volle Produktionsstollen übergeben wurden, da 3 x 2.700 = 8.100 m2 sind. Für diese drei Stollen könnten Nr. 6 bis 8 in Frage kommen, denn bei Stollen 8 wurde der letzte Abschnitt, mit einer Län-

66 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 218. Schreiben Rechnungswesen Wälzlagerwerk an Rechtsbüro SDP vom 17.3.1945 betr. Über-nahme der Stollenfläche Quarz durch Betriebsführung Erle. Archiv der Steyr-Daimler-Puch AG.

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ge von 100 m, nicht fertiggestellt, was zu einer Gesamtfläche der drei Stollen von exakt 7.500 m2 führt. Ihr geschätzter Fertigstellungstermin stimmt auch mit der in den Akten vermerkten Übergabe überein. Daß das Kugellagerwerk der SDP nur die hintersten drei Stollen bekam, ist natürlich bis jetzt reine Spekulation. Man kann z. B. einwenden, daß ein Kugellagerwerk niemals einen noch unfertigen Stollen bezogen hätte, alleine schon wegen des fürchterlichen Staubes, der sich mit Kugellagern ungefähr so gut verträgt wie Wasser mit Feuer. Aber wie so oft hilft hier der Zufall weiter: Am 2. Februar 1945 brach im schon erwähnten Schacht im Produktionsstollen 8 ein Brand aus, welcher insgesamt 41 Tote forderte. Wenn nun der Stollen 8 noch nicht an die SDP übergeben worden war, so dürfte bei dem Feuer an keiner Maschine der SDP ein Schaden entstanden sein. Doch dem ist nicht so. Der »Betrieb Erle« (also das Kugellagerwerk, nicht die Baustelle!) meldete Schäden an einem Elektromotor und zwei Schleifmaschinen67, wie die Akten zeigen. Unterstützt wird diese These auch durch die Tatsache, daß sich im Stollen B Maschinenfundamente befinden - im Bereich zwischen Produktionsstollen 8 und 9! Im Stollen 8 wurden sogar noch in den 1980er Jahren Dokumentenreste der Steyr-Daimler-Puch AG gefunden68. Das ist der Beweis: die SDP war im hintersten Teil der Anlage untergebracht, der vordere Teil hatte damit, wenn man der bisherigen Darstellung des Pro-

67 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 400. Rechtsabteilung Quarz an den Kommandeur der Sicherheitspolizei Wien, Außenstelle St. Pol-ten vom 19.3.1945 betr. Brandschaden im Stollen, bzw. Betriebs-führung Erle, Obering. Reiter an Ustuf. Zimmermann, Baustelle Quarz vom 19.3.1945 betr. Schadensmeldung Stollenbrand am 2.2.1945, Archiv der Steyr-Daimler-Puch AG.

68 Quelle: Michael Wrobel, Wien.

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Abbildung 14: Plan der von der Steyr-Daimler-Puch AG belegten Produktionsstollen. (Plan: P J. Eisenbauer, Melker Höhlenforscher, editiert von Verfasser)

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jektes »Quarz« glaubt, »keine Verwendung«. Daraus ergibt sich auch, daß die vorderen Bereiche der Stollen 1-5 schon vorher, also vor November 1944, fertiggestellt waren, da ja von der Ostseite aus in den Berg hinein gearbeitet wurde.

Welche Flächen scheinen nicht auf? So weit, so gut - nur was ist nun mit den Stollen 1-5 und den restlichen Hauptstollen? Es fehlen in den Akten also fertiggestellte Flächen, die nicht der SDP übergeben wurden. Fassen wir alle »nicht vorhandenen« Bereiche zusammen:

Produktionsstollen 1 (120x6 + 30x8) 960 m2

Produktionsstollen 2 (120x6) 720 m2

Produktionsstollen 3-5 (450x6x3) 8.100 m2

Stollen 1x (50x6) 300 m2

Hauptstollen B (220x6) 1.320 m2

Hauptstollen C (80 x 6) 480 m2

Hauptstollen D (160x6) 960 m2

Hauptstollen E (180x6) 1.080 m2

Hauptstollen F (140x6) 840 m2

Hauptstollen G (300x6) 1.800 m2

Hauptstollen H (200 x 6) 1.200 m2

SUMME: 17.760 m2

Abzuziehen sind die 380 m2 an übergebenen Bürostollen, die in der Rechnung noch nicht berücksichtigt wurden. Damit ergibt sich, daß eine Fläche von fast 17.400 m2 nicht übergeben wurde. Kalkuliert man noch mit ein, daß in den Hauptstollen eine Decke eingezogen und damit weiterer Platz geschaffen wurde, so kommt man sogar auf etwa 25.000 m2, die »vergessen« wurden! Selbst wenn sich einige der Stollen möglicherweise doch noch im Bau befanden, läßt sich die

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große Lücke zwischen »offizieller« Geschichte und tatsächlichen Gegebenheiten nicht schließen! Zum Vergleich: In der Stollenanlage »Zement B« in Ebensee sollte auf 20.000 m2 die gesamte Heeresversuchsanstalt Peenemünde untergebracht werden. Es ist also leicht vorstellbar, welch riesige Fabrik im vorderen Bereich von »Quarz« Platz gehabt hätte! Weiterhin ist es absolut unmöglich anzunehmen, daß dieser Bereich einfach leer stand. Durch den gegen Ende des Krieges herrschenden Mangel an unterirdischen Produktionsräumen wurde praktisch jeder freie Quadratmeter genutzt -diese Möglichkeit scheidet also völlig aus. Dies ist also der Beweis, daß in den Stollenanlagen von Projekt »Quarz« zumindest eine weitere Fertigung untergebracht war. Diese war wichtiger als das Kugellagerwerk, da sie die vorderen Produktionsstollen zugewiesen bekam, und stand ebenso unter dem Kommando des »Reichssonderbe-vollmächtigten der Raketenwaffen«.

Fehlt etwas auf den Plänen? Doch sind die nun bekannten Stollen wirklich alles, was man damals gebaut hatte? Schon in der Anlage selbst ist mehr vorhanden, als auf den Plänen verzeichnet ist. Neben der Tatsache, daß auf den be-kannten Originalplänen69 der »Liftschacht« im Stollen 8 und der »Traforaum« im Stollen B »vergessen« wurden, ist auch auffallend, daß östlich von Stollen A offensichtlich ein weiteres Stollensystem entstehen sollte. Dieses ist zwar nur noch durch seinen einstigen Notausgang befahrbar, läßt aber klar erkennen, daß hier an einem getrennten Stollensystem gearbeitet wurde. Das System besitzt einen eigenen Zufahrts-

69 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 194. Ein weiterer Plan ist in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Melk ausgestellt.

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Abbildung 15: »Quarz«-Plan des Ingenieurbüros Fiebinger in der Gedenkstätte des KZ Melk. (Foto: Verfasser)

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Abbildung 16 (links): Ein alter Keller tarnt die letzte Einfahrt des Stollensystems östlich des Hauptsystems. (Foto: Verfasser)

Abbildung 17 und 18: Innenaufnahmen des selben Gangsystems. (Fotos: Verfasser)

Stollen (Einfahrt gesprengt) und mehrere kleine Nebenstollen. Auch zwischen den Produktionsstollen B und C existiert ein weiterer unfertiger Stollen. Bei einer Höhe von etwa zwei Meter besitzt er noch heute die beachtliche Länge von 52 Metern. Da bei keinem der genannten Systeme eine Verbindung zum Hauptsystem besteht und auch nicht bestand, ist feszustellen, daß der Wachberg nicht nur eine Stollenanlage beherbergt. Auch am östlichen Abhang des Wachberges, direkt neben der ehemaligen Trasse der Feldbahn und in der Nähe der Westbahn, findet sich ein weiterer, nicht in den Plänen ein-

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gezeichneter Stollen, der ein Profil von ca. 2 x 2 Metern besitzt und ca. 15 Meter in den Berg führt. Sein Verwendungszweck ist völlig unklar - sollte hier eine dritte Stollenanlage entstehen?

Abbildung 19: Verwachsener Stollen an der Westbahn. (Foto: Verfasser)

Nirgends in Pläne eingetragen ist auch die einstige Ausdehnung eines kleinen Stollensystems zwischen den Hauptstollen A und B, von dem nach der Sprengung nur noch ein kümmerlicher Rest erhalten geblieben ist. Seine Flächenausdehnung war sicher nicht sehr bedeutend, aber die Anlage ist um so interessanter, da der kleine Stollen einstmals bis in den Hauptstollen B führte. Er erreichte diesen nur wenige Meter neben der Schachtanlage, die später noch genauer behandelt wird. Ebenfalls nicht vorhanden sind Aufzeichnungen über die kleinen Stollen, die über Stollen A liegen. Sie müssen einst viel länger gewesen sein, wenn man den 30 m Sprengkrater

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mit einbezieht, an dessen Abbruch sich die Stollenreste befinden.

Die fehlenden Konzentrationslager

Noch etwas stimmt in Melk nicht mit der offiziellen Geschichte überein - die Anzahl der Toten. Offiziell ist von etwa 5.000 Toten im KZ Melk die Rede. In einem Markers-dorfer70 Heimatbuch wird jedoch von 40.000 ums Leben Gekommenen71 gesprochen! Es ist bekannt, daß die Bevölkerung nach dem Krieg oft zu Übertreibungen neigte, aber gleich um so viel? Erwähnt werden auch Massengräber auf Feldern, in denen jede Woche ebenfalls Leichen verbrannt wurden. Nichts deutete bisher darauf hin, daß diese Angaben wahr sein könnten, doch wieder half der Zufall: Als am 19. November 1944 ein Flugzeug der 336 Photo Reconnaissance routinemäßig das KZ Melk überflog, schoß es zwei Aufnahmen. Auf diesen Fotos fand sich etwas, für das selbst die Amerikaner keine Erklärung hatten: 25 Gräben auf einem Feld neben dem Konzentrationslager Melk72. Gibt es eine schönere Bestätigung für Gerüchte als eine Luftaufnahme? In den fotografierten Gräben wurden aber keinesfalls Tote aus den erhaltenen Totenlisten verscharrt. Denn bis zur Errichtung des Krematoriums im Außenlager Melk wurden alle in Melk gestorbenen Häftlinge per LKW zu den Kre-matorien des Konzentrationslagers Mauthausen gebracht.73

70 Die Ortschaft liegt etwa zehn Kilometer von »Quarz« entfernt. 71 Vgl. Frais, Markersdorf - Haindorf, S. 209. 72 Vgl. Airforce Historical Research Agency, Microfilm Nr.

A25193, Special Report No. H. I. 261 (S). 73 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 456, aus: Interview Mieczylaw

Karczwinski.

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Abbildung 20: Die Gedenkstätte für die Opfer des KZ Melk - das ehemalige Krematorium. (Foto: Verfasser)

Nur diese Leichen sind in den erhaltenen und ausgewerteten Totenlisten enthalten. Doch woher kamen die namenlosen Toten auf den Feldern? So wie auf die letzte Frage, bietet die bisherige Geschichts-forschung auch zum nächsten Problem keine Antworten: Das KZ Melk wurde vom März bis zum 15. April 1945 endgültig aufgelöst, nachdem alle Häftlinge wegen der heranrückenden Front nach Ebensee evakuiert worden waren. Wie kann es dann aber sein, daß die Gemeinden Haindorf, Hürm, St. Margarethen und Gerasdorf74 (alle östlich von Roggendorf gelegen) nach der deutschen Kapitulation von KZ-Häftlingen geplündert wurden? Beim größten der vier Plünderungszüge ist von etwa 8.000 Mann »der Lager Roggendorf und Loosdorf« die Rede.75

74 Vgl. Frais, Markersdorf- Haindorf, S. 207.

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Woher kamen diese Häftlinge, die hier etwa vom 8. bis zum 10. Mai plünderten? Waren die ausgemergelten und unterernährten Personen tatsächlich rund 200 Kilometer aus Ebensee bzw. rund 100 km aus Mauthausen zurückmarschiert? Und wenn ja, warum taten sie das? Plünderungen hätten sich sicher auch an anderen Orten ausgezahlt - warum sollten sie also freiwillig in die Besatzungszone der Roten Armee zurückkehren? Eine weitere Möglichkeit besteht darin, daß es in der Umgebung der Stollenanlage in Roggendorf noch andere Konzentrationslager gab. Doch wo könnten diese Lager gewesen sein?

Das Lager Roggendorf Mit »Lager Roggendorf« waren wohl die umzäunten Baracken vor der Stollenanlage gemeint. Dies wird auch durch einen US-Bericht vom 20. Januar 1945 erwähnt. Daß auch hier Häftlinge untergebracht waren, wird allerdings durch keine Zeugenaussagen bestätigt.

Das Lager Loosdorf Liegt die Lösung in einem Lager bei Loosdorf? Aber auch von dort sind keine nennenswerten Häftlingsunterkünfte bekannt.

Das Lager Markersdorf In der Ortschaft Markersdorf befand sich im Krieg ein großer Luftwaffenstützpunkt. Auf Luftaufnahmen des Fliegerhorstes vom Juli 1944 kann man sehr gut ein weiteres großes Gefangenenlager erkennen. Auf einem Plan des Stützpunktes, der von einem Augenzeugen angefertigt wurde,

75 Vgl. Frais, Markersdorf- Haindorf, S. 209.

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wird diese Tatsache bestätigt. Es soll sich dabei aber vor allem um sowjetische Kriegsgefangene gehandelt haben.

Das Lager Spielberg Etwas nördlich des Wachberges befindet sich die kleine Ortschaft Spielberg. Sie stand bisher in keinem Zusammenhang mit »Quarz«. In einem US-Geheimdienstbericht vom 5. November 1944 wird aber erwähnt, daß die politischen Häftlinge der Festung Spielberg an Stollen im Wachberg arbeiten würden76. Es wird weiter beschrieben, daß die Festung ein altes Militärgefängnis aus der Kaiserzeit sei. Aus dieser Beschreibung könnte man schließen, daß es sich um das benachbarte Schloß Albrechtsberg handelte. Tatsächlich waren dort aber nur etwa 20 Zwangsarbeiter untergebracht77. Die unpassende Beschreibung der »Festung Spielberg« könnte aber auch darauf zurückzuführen sein, daß der kleine Ort bei den Stollenanlagen mit der alten »Festung Spielberg« bei Brünn verwechselt wurde. Eine Frage, die wohl nicht mehr zu beantworten sein wird. Bis heute hat sich niemand mit diesen Problemen beschäftigt. Es ist nicht im entferntesten geklärt, ob es vielleicht weitere Lager gab bzw. woher all die Häftlinge kamen. Aber welchem Zweck dienten etwaige weitere Lager? Womit wir abermals bei Anzeichen dafür wären, daß bei Roggendorf mehr Stollenfläche existierte, als allgemein bekannt ist. Über das Ausmaß dieser Fläche kann nur spekuliert werden. 15.000 Häftlinge haben sieben Kilometer Stollen gegraben. Was hätten die zehntausenden anderen Häftlinge dann vollbracht, die in den Totenlisten möglicherweise fehlen?

76 Vgl. Airforce Historical Research Agency, Microfilm Nr. A25193.

77 Quelle: Mitteilung Schloß Albrechtsberg.

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Interessant wäre auch zu wissen, was aus all den Häftlingen geworden ist. Seltsam, daß von ihnen niemand nach dem Krieg zu Wort gekommen ist, oder haben hier die Besatzungsmächte ihren Teil zur Geheimhaltung beigetragen?

Ein einzigartiger Luftangriff Daß die Alliierten in bezug auf die KZ-Häftlinge in »Quarz« äußerst skrupellos vorgingen, zeigt ein weiteres Detail der Geschichte, das viel zu wenig beachtet wird. Die US-Luftwaffe hatte ohne Zweifel großes Interesse daran, den Bau der Anlagen zu verhindern. Am 23. August 1944 hatte die beachtliche Anzahl von 50 Bombern die Baustelle vor den Stollenanlagen78, die umliegenden Ortschaften und den nahegelegenen Fliegerhorst Markersdorf bombardiert. Dieser Angriff auf die Baustelle verlief allerdings bemerkenswert erfolglos, da die US-Piloten offensichtlich einige Keller der umliegenden Bauern am Südwesthang des Wachberges mit der Stollenanlage verwechselten. Folglich warfen sie fast alle Bomben auf den militärisch uninteressanten Hang ab.

Abbildung 21: Keller am Südwesthang des Wachberges. (Foto: Verfasser)

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Eine wesentlich dramatischere Aktion hatte sogar schon am 8. Juli 1944 stattgefunden. An diesem Tag hatten 30 Jagdbomber der 15. US-Luftflotte das Konzentrationslager Melk angegriffen. Was heute als »großer Irrtum« dargestellt wird, da das KZ bis in den März als Kaserne genutzt worden war, kostete ca. 500 Häftlingen das Leben!79 Auch bei diesem Angriff wurde der nahe Fliegerhorst Markersdorf angegriffen80. War der Angriff auf das Konzentrationslager wirklich ein Irrtum? Noch am Vortag des Angriffes hatte ein US-Flugzeug das Gebiet gründlichst aufgeklart81. Hatte man die Wachtposten und Zäune tatsächlich übersehen? Gerade über die Konzentrations- und Kriegsgefangenenlager wußten die Amerikaner in der Regel sehr genau Bescheid. Es existieren genügend US-Luftaufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg, auf denen jeder einzelne Wachturm und Stacheldrahtzaun eines Lagers genauestens eingezeichnet ist (auch vom KZ-Melk, allerdings auf einen späteren Zeitpunkt datiert82). Wenn es also kein Irrtum war - was war es dann? Wie wichtig war Projekt »Quarz«, wenn man zu seiner Bekämpfung sogar wehrlose KZ-Häftlinge tötete?

78 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 404. Schutzpolizei-Dienstabteilung Melk an Verteiler vom 25.8.1944 betr. LS-Schlußmeldung, Be-zirkshauptmannschaft Melk.

79 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 358ff. 80 Vgl. Gutkas, Landeschronik Niederösterreich, S. 382. 81 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 358. Pottier, Au seuil. 82 Vgl. Airforce Historical Research Agency. Microfilm Nr. A6 544.

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4. Die Suche nach der Verwendung

»Quarz« - wichtiger als die Amerikarakete

Bei der Suche nach der wahren Verwendung der »vergessenen« Stollenfläche im Wachberg hilft ein Detail, das bisher nicht richtig beachtet wurde: 1944 nahm das alliierte Bombardement der deutschen Raffineriebetriebe dramatische Ausmaße an, und die Treibstoffindustrie stand kurz vor dem Zusammenbruch. Es wurde der »Stab Geilenberg« gegründet, dessen Aufgabe es sein sollte, neue bombensichere Produktionsstätten für erdölverarbeitende Betriebe zu finden. Im Sommer 1944 versuchte dieser Stab einen Teil von »Quarz« für seine Raffinerieanlage »Dachs IV« zu erhalten83. Natürlich, so müßte man doch meinen, wenn man der klassischen Geschichtsschreibung folgt, waren Treibstoffe wichtiger als Kugellager. Falsch gedacht! »Quarz« blieb un-berührt, statt dessen mußte die Heeresversuchsanstalt Pee-nemünde die gesamte Stollenanlage »Zement A« in Ebensee abtreten, in der die Entwicklung der A9/10 erfolgen sollte. Hat das noch keinem Historiker zu denken gegeben, daß ein Teil eines Kugellagerwerkes wichtiger als das Raketenprogramm war? Es ist allgemein bekannt, wie fasziniert Hitler schon von der V2 (A4) war. Nur widerstrebend hatte er am 10. Juli 1944 dem Drängen des Rüstungsministers Albert Speers nachgegeben und einen Teil von »Zement A« für die Fertigung von Panzergetrieben freigegeben84. Und

83 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 188. Reichministerium für Rüstungsund Kriegsproduktion, Generalkomm. f. Sofortmaßnahmen, Bericht Nr. 44 - Neuanlagen - vom 3.8.1944; Niederschrift über die Besprechung in Luckenwalde am 3.8.1944 betr. Arbeitsstab Geilenberg, Bundesarchiv Koblenz.

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jetzt sollte die HVA Peenemünde gleich die ganze Anlage abtreten, um die Produktion in »Quarz« unberührt zu lassen? Bleibt nur der Schluß, daß das geheime Werk im Wachberg wichtiger als Treibstoffe oder geplante Interkontinentalraketen war! Man kann daraus sogar schließen, daß »Quarz« überhaupt eines der wichtigsten deutschen Projekte des Zweiten Weltkrieges war. Was muß also im Wachberg vor sich gegangen sein, das diese Vorgänge erklären könnte? Vielleicht etwas, das das Geilenberg-Programm unnötig gemacht hätte? Etwas, das den Nutzen dieses Programmes bei weitem übertroffen hätte?

»Archäologischer Maschinenbau«

Bevor hier weitere Spekulationen angestellt werden, folgt die Rückkehr auf wissenschaftlich sicheren Boden. Da die »offiziellen« Dokumente, die in den öffentlichen Archiven zu finden sind, zu der hier dargestellten Theorie schweigen, gibt es nur noch eine Möglichkeit: die genaue Untersuchung der Stollenanlagen, der noch darin vorhandenen Fundamente und aller erhaltenen oder dokumentierten oberirdischen Bauten. Archive und Dokumente können leicht manipuliert werden, die Anlage selbst nur wesentlich schwerer. Alleinig aus Fundamenten auf die einstmals darauf errichteten Maschinen zu schließen, ist aber praktisch unmöglich. Die einzig zielführende Möglichkeit besteht darin, zuerst die auffälligsten Bauten und »abnormalen« Fundamente zu untersuchen und sie mit ihrer Umgebung in Verbindung zu setzen.

84 Vgl. Freund, Arbeitslager Zement, S. 88 und 94.

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Abbildung 22: Unterirdischer Teil des sogenannten »Traforaumes« im Stollen B. (Foto: Verfasser)

Abbildung 23 und 24 (auf der folgenden Seite oben): Der Bunker über dem »Traforaum«. Gut zu erkennen sind die Bereiche mit den auf zwei Seiten fehlenden Wänden. (Fotos: Verfasser)

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Abbildung 25: Tanklager im Produktionsstollen 2. (Foto: Verfas-

ser)

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Abbildung 26: Jahreszahl »1981« in der nachträglich eingezogenen Zwischendecke des Bunkers über

Stollen B. (Foto: Verfasser)

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Abbildung 27: Skizzierter Saigerriß des sogenannten »Trafo-raumes« in Stollen B. (Plan: Verfasser)

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Dieser auffälligste Bau in den Stollen ist zweifelsohne ein Teilbereich, der auf dem Plan der Melker Höhlenforscher als »Traforaum?« eingetragen wurde.

Der Traforaum, der keiner war Dieser Raum liegt am Beginn des Stollens B und war während des Krieges über einen großen Schacht (Höhe 10-15 m, Grundfläche ca. 12 x 5 m) mit einem oberirdischen Bunker verbunden, der nach zwei Seiten offen war. Wenn man nun annimmt, daß die Bezeichnung stimmt, dann müßte man dort die Relikte eines Trafos finden - auf jeden Fall aber zumindest dessen Fundament. Aber gerade das ist nicht der Fall. Transformatoren dieser Größe (schließlich muß die Größe des Schachtes ja einen Grund gehabt haben) wurden und werden auch heute noch praktisch immer auf Schienen aufgestellt. Damit können die extrem schweren Anlagen leicht positioniert und gegebenenfalls auch ausgetauscht werden. Doch in diesem »Traforaum« lassen sich keine Schienen finden. Nicht nur das: ein hier eingebauter Trafo würde niemals auf normalem Wege aufgestellt oder ausgetauscht werden können. Man hätte über dem Schacht einen Kran mit extremer Hebeleistung aufstellen müssen, um die Anlage zu positionieren - ein völlig unnötiger Aufwand, wenn man bedenkt, daß man einen etwaigen Transformator einfach auf Schienen waagrecht in den B-Stollen hätte schieben können. Im Jahre 1944 war es noch nicht möglich, einfach einen Kranwagen mit der gewünschten Hebeleistung zu bestellen! Auch der Schacht und der Bunkeraufbau können durch einen Trafo nicht begründet werden. Belüftung, Kühlung und Stromversorgung würden bei einer derartigen Anlage viel einfacher gelöst werden. Dazu bedarf es nicht des unnötigen Risikos eines Schachtes an der Oberfläche, der sicher das Ziel eines jeden Bombenangriffes gewesen wäre! Der

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Bunker hätte weiterhin jeden möglichen Austausch der Anlage verhindert. Ebenso wäre ein Traforaum von Anfang an geplant und in den Plänen eingezeichnet gewesen, aber sowohl auf dem Originalplan vom März 194485 als auch auf dem vom April 194486 wurde dieser Raum »vergessen«. Einen Trafo sollte diese Anlage ursprünglich sicher nie be-herbergen, da sich ein solcher südlich der Stollenanlage in der Nähe von Roggendorf befand. Auf dem US-Plan vom Dezember 1944 ist eine Stromleitung erkennbar, die dorthin und weiter zu den Stollenanlagen führte. Der Bericht spricht von einer »möglichen kleinen Transformatorstation« - aber was sollte ein kleines Häuschen mit mehreren Stromanschlüssen anderes sein? Obendrein ist dieses kleine Häuschen im Bauplan des zuständigen Ingenieurbüros vom 20. April 1944 klar erkennbar! Dieser Trafo wird durch einen weiteren OSS-Bericht vom 18. März 1945 bestätigt. Beruhend auf einer Information vom Dezember 1944 heißt es darin übersetzt:87 »Der elektrische Transformator der Anlage befindet sich 1.500 Meter von Roggendorf entfernt, an der Straße nach Anzendorf.« Die Möglichkeit, daß das Bauwerk in Stollen B als Traforaum gedacht war, kann also definitiv ausgeschlossen werden. Daß darin dann vielleicht doch noch ein kleiner Trafo aufgestellt wurde, war sicher nicht geplant. Auch daß nach dem Krieg einige Kabelstränge durch den Schacht liefen, hatte sicherlich nichts mit der Hauptaufgabe der Anlage zu

85 Zu besichtigen in der Gedenkstätte für die Oper des KZ-Melk im ehemaligen Krematorium des Lagers (siehe Abb. 15).

86 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 194. 87 Vgl. Airforce Historical Research Agency. Microfilm Nr.

A25193, Report No FF-4998g vom 18.3.1945.

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Abbildung 28: Innenansicht des Trafobunkers für Deckname »Schlier«. Gut zu erkennen sind die Schienen, auf denen ein Transformator üblicherweise aufgestellt wird. (Foto: Josef Buchhart)

tun - wer kennt nicht den Kabelsalat, der sich auf jeder Baustelle finden läßt?

Ein Bewetterungsschacht? Eine oft genannte Vermutung ist, daß dieser Schacht der Bewetterung88 der Stollenanlage gedient haben könnte. Um darauf einzugehen, muß man die genaue Lage des Schachtes in bezug auf das restliche Stollensystem in Betracht ziehen. Der mögliche Bewetterungsschacht befände sich ganz im vorderen Teil der Anlage und nur wenige Meter vom Mundloch des Stollen B entfernt. Hier am Beginn eines Stollens

88 Bergmännisch für Belüftung.

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einen Lüftungsschacht anzuordnen, widerspricht allen Regeln der Grubenbewetterung. Die einzige Auswirkung, die dieses Bauwerk hätte, wäre eine schwache Luftzirkulation zwischen dem Mundloch und dem Schacht. Man würde also maximal 20 Meter der viele tausend Meter langen Stollen bewettert haben- ein reiner Schwachsinn. Wenn in »Quarz« einer oder mehrere Lüftungsschächte geplant gewesen wären, so hätten sich diese mit 100%iger Sicherheit in der Mitte oder im hintersten Teil der Anlage befunden. Weiterhin sind auch hier ähnliche Argumente wie bei der Theorie des »Traforaumes« zu nennen: eine Bewetterung des Stollens wäre viel einfacher zu lösen gewesen. Wie beim Bau eines jeden Straßen- oder Eisenbahntunnels hätte man Frischluft einfach waagrecht in den Stollen einblasen können und so das Risiko eines senkrechten Schachtes nicht eingehen müssen. Schließlich und endlich könnte die massive Zwischendecke im Stollen nicht durch einen Bewetterungsschacht begründet werden. Offensichtlich sollte diese Betonplatte einer enormen Belastung entgegenwirken. Eine sehr schwere Maschine aber, die dies begründen könnte, wird in einem Bewetterungsschacht nicht benötigt.

Ein Triebwerksteststand? Daß es sich bei dem Bauwerk um einen Triebwerksteststand gehandelt haben könnte, ist eine Theorie, die mehrere gravierende Schwachstellen aufweist: 1) Der Platzbedarf: vergleichbare Triebwerksteststände haben zwar auf den ersten Blick einen ähnlichen Aufbau, sie weisen aber wesentlich größere Abmessungen auf. Der zu kleine Abstand zwischen einer etwaigen Triebwerksaufhängung im oberirdischen Bunkerbauwerk und der Zwischendecke im Stollen B würde zu einem weiteren Problem führen:

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2) Die fehlende Kühlung: bei einem etwaigen Triebwerkstest hätte man riesige Mengen von Kühlwasser durch die Zwischendecke pumpen müssen, um das Ausglühen des Stahlbetons zu verhindern. Es lassen sich aber keinerlei Reste von Kühlleitungen nachweisen.

3) Die Leiter: durch die hohen Temperaturen wären auch die Tritteisen, die in den Schacht nach oben führen, einfach verglüht.

4) Last but not least läßt der Abgasstrahl, der in die Stol-lenanlage geleitet würde, die Theorie völlig scheitern. Zwar könnte man die Anordnung noch durch einen in den Stollen aufgestellten Wärmetauscher begründen, trotzdem hätte die Verbindungsöffnung des Schachtes mit Stollen B in Richtung Stollenmundloch und damit ins Freie zeigen müssen.

Ein Kraftwerk? Eine weitere Möglichkeit ist, daß in diesem Schacht ein Dampfkessel untergebracht war. Gegen diese Theorie spricht rein bautechnisch nichts. In dem vorhandenen Schacht hätte man ohne Probleme einen damals üblichen Dampferzeuger einbauen können. Dies würde das in der Nähe (Produktionsstollen 2) befindliche Tanklager erklären, da eine Öl-befeuerung aufgrund der geringeren Abgaswolke (im Vergleich zu einer Kohlenbefeuerung) und der damit verbundenen besseren Tarnung sicherlich selbstverständlich gewesen wäre. Auch das Bunkerbauwerk, das nur zwei Wände besaß, wäre durch eine solche Anlage erklärbar - schließlich hätte man die Abgase der Kesselbrenner durch einen Schornstein und weiter ins Freie ableiten müssen. Der entstehende Dampf würde ohne Probleme für eine meh-

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rere Megawatt starke Turbine ausgereicht haben, was auch noch nach heutigen Gesichtspunkten eine respektable Leistung für einen Industriebetrieb ist. Aber auch diese Theorie hat zwei entscheidende Probleme: 1) Bei der Auswahl des Standortes Wachberg für die SDP war eindeutig vom vorhandenen Starkstromanschluß die Rede89. Daß dies der Wahrheit entsprach, belegen die schon genannten US-Berichte zum Trafohaus bei Roggendorf. Die Anlage wäre somit nicht unbedingt überflüssig, aber keinesfalls dringend erforderlich gewesen. Hatte man in all der Knappheit des Krieges wirklich genug Zeit und Ressourcen, um eine solche Fleißaufgabe zu realisieren? 2) Die schließlich entscheidende Frage lautet aber: Wo waren die Turbine und der Generator? Um den Wirkungsgrad eines Dampfkraftwerkes möglichst hoch zu halten, gilt als oberster Grundsatz, die Dampfturbinen so nahe wie möglich am Dampferzeuger aufzustellen. Dies vermindert z. B. Wärme- und Leitungsverluste. Hätte man also im besagten Schacht einen Dampfkessel aufgestellt, so müßte man im Stollen B, in unmittelbarer Nähe dazu, die Fundamente der Turbine und des Stromgenerators finden! Dies ist aber nicht der Fall. Somit scheidet auch die Theorie der Stromerzeugung ganz klar aus.

Was bleibt, ist die Möglichkeit, daß im besagten Schacht ein Dampfkessel stand, der nicht der Stromerzeugung diente.

89 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 164. Auszug aus einer Besprechung zwischen Dir. Rossner und Arch. Szauer vom 10.2.1944, Archiv der Steyr-Daimler-Puch AG.

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Was war es dann? Um mögliche weitere Hinweise auf diesen Schacht zu erhalten, sei hier auf die weitere Umgebung hingewiesen. Der Abschnitt, der den falschen Traforaum umgibt, ist nämlich ebenfalls beachtenswert. Die gesamte erhaltene Anlage »Quarz« ist völlig regelmäßig aufgebaut, nur dieses eine Gebiet weist nicht die Struktur der übrigen Teile auf. Alle anderen Stollen stehen normal aufeinander und haben die gleiche Länge (natürlich abhängig vom Ausbauzustand). Nur hier nicht, die Stollen stehen teilweise schräg zueinander, haben unterschiedliche Längen und Breiten und liegen nicht in einer Linie. Aber was ist der Grund für die seltsame Gestaltung der Stollen? Eine Serienproduktion, wie z. B. für Kugellager, kann nicht der Auslöser dafür sein, denn hier war man natürlich bestrebt, einen möglichst idealen Materialfluß zu erreichen. Das heißt, die Maschinen wurden so angeordnet, daß sich möglichst kurze und reibungslose Transporte für das zu erzeugende Produkt ergaben. Eine verwinkelte Stollenanlage, wie in diesem seltsamen Gebiet, ist also alles andere als sinnvoll. Noch ein kleines Detail irritiert in diesem Abschnitt. Auf dem Plan der Melker Höhlenforscher von 1988 sind die Hauptstollen mit A - G durchnumeriert. Studiert man aber Interviews mit ehemaligen Häftlingen90, so bemerkt man, daß die Hauptstollen mit A - F gekennzeichnet waren. Ergo fehlte einer. Dieser eine fehlende war mit ziemlicher Sicherheit Stollen C (Nomenklatur nach Plan von P. J. Eisenbauer), denn er sollte laut Bauplan vom 20. April 1944 nur die kurze Strek-ke vom Produktionsstollen 1 zum Stollen 3 führen. Daß der

90 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 395. Erinnerungsbericht Pierre Pradales in Bernadac, Neuvieme cercle.

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Stollen bis zum Produktionsstollen 5 getrieben wurde und sogar bis an die Oberfläche führte, fehlt auf den Bauplänen wieder »rein zufällig« bzw. es wurde nachträglich sogar durchgestrichen. Auffällig ist auch, daß der Stollen ausgerechnet bis zum Produktionsstollen 5 führt - er verbindet also genau jene Stollen, die laut vorangegangener Rechnung nie an die Steyr-Daimler-Puch AG übergeben wurden und damit eben jenen Bereich der Stollenanlage, der so gar nicht zum übrigen Bauwerk passen will. Das Ende des Vortriebes wird zwar mit geologischen Schwie-rigkeiten begründet91, doch seit wann ließen sich die rück-sichtslosen Planer dieser Stollenanlage, die Tausende von Toten in Kauf nahmen, durch das erhöhte Risiko für die KZ-Häftlinge aufgrund nachbrechender Schottereinlagerungen von ihren Plänen abhalten? Viel wahrscheinlicher ist es doch, daß dieser Stollen genau den rätselhaften Anlagenteil im Wachberg verbinden sollte. Es ergibt sich also ein Teilbereich, der keinen Inhalt, teilweise keinen Namen und sogar keine Pläne aufweisen kann.

Eine Anlage ohne Sinn Alles in allem auf der Suche nach der Verwendung eine extrem unbefriedigende Ausbeute. Die Lösung des Problems ist also in der Stollenanlage selbst nicht zu finden. Bleibt nur die Möglichkeit, auch die oberirdische Infrastruktur mit in die Betrachtungen einzubeziehen. Auffallend dabei sind die umfangreichen Wasserwirtschafts-systeme, die für die unterirdischen Anlagen errichtet wurden. Wäre in den Stollen nur eine Kugellagerfertigung untergebracht gewesen, dann hätte wahrscheinlich für Kühlzwecke der Grundwasserspiegel im Berg völlig ausgereicht.

91 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 214. Hauptbesprechung Quarz, vom 1.7.1944, Archiv der Steyr-Daimler-Puch AG.

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Noch heute dringen große Wassermengen in die Stollenanlagen ein. Es ist also nicht verwunderlich, daß sich im US-Bericht über die Stollenanlagen nicht die geringsten Anzeichen für eine Wasserversorgung finden lassen. Einzig eine Wasserleitung von den Stollen zum nahen Fluß Pielach wird erwähnt. Da sich an der Pielach zum Entstehungszeitpunkt des US-Berichtes keine Pumpanlage befand, steht fest, daß es sich um eine Abwasserleitung gehandelt haben muß. Sie führte vom Mundloch von Stollen B und dem Bereich der Mundlöcher von Stollen E und D zur Pielach. Vor den Stollen befanden sich weiterhin zwei große Wasser-becken. Trotz teilweiser Sprengung und Auffüllung mit Schutt in den Nachkriegsjahren läßt sich deren Fassungsvermögen noch sehr gut rekonstruieren. Der weiter oben gelegene Tank faßte etwa 750 m3 und der andere etwa 300 m3 Wasser. So müßte man eigentlich meinen, daß das Grundwasser und diese beiden Tanks, die gemeinsam über 1.000.000 Liter Wasser aufnehmen konnten, als Nutz- und Löschwasserversorgung für ein Kugellagerwerk bei weitem ausreichten. Aber dem war nicht so, denn an der Donau wurde eine Pumpanlage errichtet, die Wasser in die weit entfernte Stol-lenanlage liefern sollte92. Aufwendige Wasserleitungen führten ca. fünf Kilometer weit vom Pumpwerk am Donauufer zu einem Hochbehälter bei Hub und von dort weiter zum Wachberg. Vor dem Hügel wiederum wurde ein weiteres Bauwerk errichtet. Es war auffallend hoch und hatte die Ausmaße eines Zweifamilienhauses. Im Inneren des Gebäudes und daneben befanden sich mehrere Betonbecken, die auf eine mögliche Verwendung als Kläranlage schließen las-

92 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 375. Hauptbesprechung Quarz vom 22.7.1944, Archiv der Steyr-Daimler-Puch AG.

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Abbildung 29: Die einstige Kläranlage vor der Stollenanlage. (Foto: Michael Wrobel, Wien)

Abbildung 30: Der große Hochbehälter bei Hub.

(Foto: Verfasser)

Abbildung 31: Einstiger Standort der Pumpstation an der Donau (Gebäude neu erbaut). (Foto: Verfasser)

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Abbildung 32: Die Pielach im Winter, der niederschlagsärmsten Zeit in Österreich. (Foto: Verfasser)

sen. Diese Anlage stand noch viele Jahrzehnte nach dem Krieg neben der Westbahn, wurde aber schließlich abgetragen. Auch diese Bauwerke geben vorerst nur Rätsel auf, denn was war der Grund für diesen Leitungsbau? Warum nutzte man nicht das reichliche Wasser der nahen Pielach? Die möglicherweise zu geringe Wassermenge dieses Flusses kann nicht der Grund sein, denn das Gewässer ist auch in Trok-kenperioden (Winter) ein ansehnlicher Fluß. Keine Siedlung kann so groß sein, um die Pielach »leer zu trinken« und keine Industrie kann einen derartigen Kühlwasserbedarf haben. Wozu diente also diese Leitung, die ebenfalls von KZ-Häftlingen errichtet wurde? Warum baute man weiterhin einen derartig gewaltigen Hochbehälter? Bei Abmaßen von etwa 20 x 25 Metern und einer Wasserstandshöhe von etwa drei Metern ergibt sich immerhin ein Fassungsvermögen von un-glaublichen 1.500 m3 93! Damit stellt sich die Frage, welche

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technische Anlage einen derartigen Wasserverbrauch hatte und warum das Wasser aus der Donau stammen mußte? Da eine Kugellagerfabrik für diese Fragen nicht die geringste Antwort liefern kann, liegt der Schluß nahe, daß die Wasserleitung in Verbindung mit dem rätselhaften Schacht in Stollen B stand. Der Beweis für diese Annahme wird unten aufgrund der Auswertung von Luftaufnahmen erfolgen. Damit ergeben sich nun folgende Vorgaben: Die Anlage im Stollen B:

> verbrauchte große Mengen an Wasser (-> riesiger Hochbehälter), > konnte aus irgendeinem Grund kein Wasser aus der Pielach verwenden (-> fünf Kilometer lange Wasserleitung von der Donau zum Wachberg), > verbrauchte wahrscheinlich Ol (-> Tanklager in der

Nähe des Standortes), > erzeugte irgendeine Art von Abluft oder Abgas (-> Bunker ohne Seitenwände), > erzeugte keinen Strom (-> keine Turbinenfundamente vorhanden).

Donau oder Pielach? Die Frage bezüglich des Wassers aus Pielach und Donau birgt den wichtigsten Ansatz zur Lösung des Rätsels. Um diesen zu finden, muß man die Frage allerdings anders stellen: Worin liegt der Unterschied zwischen diesen beiden Gewässern? Die Donau entspringt im Schwarzwald und hat ihr Haupteinzugsgebiet im südwestdeutschen Stufenland und im Al-

93 20 x 25 x 3 = 1.500 m3. Bestätigt durch Mitteilung eines Ange-stellten der Kläranlage Loosdorf: Der Hochbehälter hatte ur-sprünglich ein Fassungsvermögen von besagten 1.500 m3, wel-ches nach dem Krieg für eine zivile Nutzung reduziert wurde.

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penvorland. Dazu kommen später Zubringer wie Regen, Isar, Inn, Große Mühl und Enns, die ihr auch Wasser aus den Kalkalpen, den kristallinen Gesteinen der Zentralalpen, aus der Flyschzone und den Graniten der Böhmischen Masse zuführen. Die Pielach hingegen bezieht praktisch ihr gesamtes Wasser aus den niederösterreichischen Kalkalpen, wo sie auch entspringt. Aus den gravierenden Unterschieden in ihren Einzugsgebieten ergibt sich ein Unterschied in der Wasserqualität, der auch technisch große Auswirkungen hat: die Wasserhärte bzw. der Kalkgehalt. Die Härte wird meist in deutschen Härtegraden [°d] angegeben und in die folgenden Stufen94 eingeteilt: - sehr weich ( 0 . . . 4 °d ) - weich (4 . . . 8 °d ) - mittelhart (8 ... 12°d) - ziemlich hart (12 ... 18°d) - hart (18 . . .30°d) - sehr hart (über 30 °d)

Das Wasser der Pielach weist bis über 19 °d auf und fällt somit in die Stufe »hart« - ein Alptraum für jeden Dampfkesselwart! Die Donau hingegen fällt mit 5-10 °d95 nur in die Stufen »weich« bis »mittelhart«. Das heißt, Donauwasser enthält nur etwa halb so viel Kalk wie Wasser aus der Pielach. Andere Unterschiede zwischen den beiden Gewässern sind in technischer Hinsicht nicht festzustellen. Der Unterschied in der Wasserhärte ist damit der einzige Grund, der zum Bau der Wasserleitung Donau - Wachberg geführt haben kann.

94 Gieck/Gieck, Technische Formelsammlung, S. U6. 95 Abhängig von der Jahreszeit.

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Mit dieser Feststellung ergeben sich zwei wichtige neue Hinweise auf die Anlage im Stollen B:

> In der Anlage wurde Wasser verdampft,

denn nur beim Verdampfen des Wassers wirkt sich die Was-serhärte und damit der Kalkgehalt derart gravierend aus, daß sich der Bau des Leitungssystems rentieren würde. Mit dieser Aussage ist schließlich auch das Tanklager im Produktionsstollen 2 geklärt: es diente der Ölfeuerung des Dampferzeugers.

> Es handelte sich um einen »offenen« Prozeß.

»Offen« heißt, daß es in der Anlage keinen Wasser-Kreislauf gab. Hätte es sich bei der fraglichen Anlage z. B. um ein Dampfkraftwerk gehandelt, so würde der dortige Prozeß (vereinfacht dargestellt) folgendermaßen ablaufen: - Verdampfen des Wassers im Kessel - Durchlaufen der Dampfturbine - Niederschlagen (Kondensieren) des Dampfes - Wiedereinleiten des Kondensats in den Dampfkessel

Es wäre also ein »geschlossener« Kreislauf, da praktisch immer dieselbe Flüssigkeit (bzw. Dampf) in der Anlage zirkuliert. Damit wäre der Bau der Wasserleitung und des Hochbehälters abermals überflüssig, da es kein allzu großer Aufwand ist, die für den Kreislauf benötigte Wassermenge einmal zu entkalken. Das Kühlwasser zur Niederschlagung des Dampfes hätte problemlos aus der Pielach entnommen werden können. Mit dieser Aussage fällt aber nicht nur die Möglichkeit eines Kraftwerkes aus, sondern auch eine Vielzahl anderer Dampfanwendungen, die als Kreislauf aufgebaut

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werden (Heizung etc.). Damit läßt sich das rätselhafte Ma-schinensystem weiter einschränken:

> es diente dem Verdampfen großer Wassermengen, > dies geschah mit Hilfe einer Ölfeuerung, > es war ein offener Prozeß.

Nun stellt sich die Frage: Welcher offene Prozeß, der Dampf benötigt, könnte hinter dieser Anlage gestanden haben? Um die Möglichkeiten weiter einzuschränken, muß man sich die direkte Umgebung des Schachtes ansehen, da man Dampferzeuger und -Verbraucher sicher wieder in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander aufgestellt hätte, um Verluste zu minimieren. Wie aber schon bei der Widerlegung der Kraftwerks-Theorie gezeigt wurde, finden sich in der Nähe des fraglichen Bereiches keine Reste von Anlagen. Folglich hat es dort auch keine Maschinen im herkömmlichen Sinn gegeben. Auch die Lage des Schachtes, am äußersten Rand der unterirdischen Anlagen, abseits jeder Produktion, deutet darauf hin, da dies abermals der Regel widerspricht, Dampferzeuger und Verbraucher möglichst nahe beieinander zu positionieren. Damit ergibt sich eine neue Beschreibung: > es wurden große Mengen von Dampf erzeugt, > der Dampf wurde scheinbar von keiner Anlage in der Umgebung genutzt.

Einem vergessenen Verfahren auf der Spur

Damit wirkt die Anlage endgültig so, als hätte sie keinen Sinn gehabt. Große Wassermengen zu verdampfen und keinen Nutzen daraus zu ziehen, war sicher nicht die Aufgabe des Werkes. Es gibt nur noch einen einzigen Grund, der diese Widersprüche begründen könnte: man wollte etwas aus dem

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Wasser gewinnen! Man destilliert einfach das ungewünschte Wasser weg, was zurückbleibt, ist der darin enthaltene Stoff. Doch was sollte das für ein Stoff sein?

Wasser besteht nicht nur aus Wasser Das Donauwasser ist kein »reines Wasser« im chemischen Sinn, denn es enthält sehr viele darin gelöste bzw. ungelöste Stoffe. Es ist aber ausgeschlossen, daß es einer davon wert wäre, extrahiert zu werden. Die Begründung dafür ist sehr einfach: Jeder Stoff, der im Donauwasser enthalten ist, muß irgendwo im Verlauf des Flusses in größerer Menge vorhanden sein - wie wäre er sonst ins Wasser gekommen? Warum sollte man also minimale Mengen eines Stoffes unter großem Aufwand aus dem Wasser extrahieren, wenn an anderer Stelle sehr viel größere Mengen davon vorhanden sind? Damit scheiden also alle in der Donau enthaltenen Stoffe aus, was die Theorie der Destillationsanlage auf den ersten Blick scheitern läßt. Aber eben nur auf den ersten Blick ... Natürliches Wasser (chemische Formel H2O) besteht nämlich nicht nur aus »Wasser« im herkömmlichen Sinn. Zu etwa 0,015% sind darin Moleküle enthalten, deren Bezeichnung »Deuteriumoxid« oder »Schweres Wasser« lautet (chemische Formel D2O). Der Unterschied zum »normalen« Wasser besteht darin, daß die beiden Wasserstoffatome (H) durch Deuteriumatome (D) ersetzt sind. Deuterium wiederum ist ein Isotop des Wasserstoffs, das heißt, es besitzt im Atomkern ein zusätzliches Neutron - es ist also »schwerer« als herkömmlicher Wasserstoff. Dieses eine zusätzliche Neutron läßt das Schwere Wasser aber extrem wertvoll werden: Es ist der beste bekannte »Moderator«. Sogenannte Moderatoren sind wichtige Bestandteile von Atomreaktoren und - nach damaliger Vorstellung - auch von Atombomben: Sie bremsen bei nuklearen Kettenreaktionen die zu schnellen

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Neutronen ab und machen dadurch das weitere Ablaufen der Kernspaltung erst möglich. Folglich konnte es ohne Schweres Wasser nirgendwo ein nukleares Forschungsprogramm geben.

Fraktionierte Destillation des Wassers Das zusätzliche Neutron verändert aber auch die Eigenschaften des Wassers ein wenig:96

Wasser (H2O) Schweres Wasser (D2O)

Schmelzpunkt 0°C 3,79°C

Siedepunkt 100°C 101,41°C Kritische Temperatur 374,2°C 371,5°C Höchste Dichte 1.000 g/l (bei 4,0°C) 1.006 g/l (bei 11,2°C)

Diese Unterschiede führen dazu, daß z. B. ein Eisblock aus Schwerem Wasser nicht auf normalem Wasser schwimmt! Technisch wesentlich interessanter sind aber die Differenzen zwischen den Siedepunkten. Der Unterschied beträgt zwar nur 1,41°C, dies ist aber genug, um die beiden Flüssigkeiten durch fraktionierte Destillation zu trennen! Es ist vielleicht nicht vorstellbar, daß diese minimale Temperaturdifferenz zur Trennung ausreicht. Tatsache ist aber, daß dieses Verfahren einst sehr weit verbreitet war. Schon die Entdeckung des Deuteriums war mittels Destillation erfolgt. 1931 hatte der amerikanische Chemiker Harold C. Urey bei der Destillation von flüssigem Wasserstoff (H2) festgestellt, daß darin auch Moleküle mit einem etwas anderen Dampfdruck enthalten waren: Moleküle der Struktur

96 Vgl. Sublette, Nuclear Weapons Frequently Asked Questions.

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HD - damit war das Deuterium entdeckt, wofür Urey 1934 den Nobelpreis erhielt97. Der gedankliche Schritt von der fraktionierten Destillation von reinem Wasserstoff zur fraktionierten Destillation von Wasser ist nicht weit. So verwundert es auch kaum, daß schon 1933 in den USA von G. N. Lewis und R. E. Cornish mit Hilfe dieses Verfahrens Schweres Wasser gewonnen wurde. Wegen der damals sehr geringen Nachfrage nach D2O fand dieses Ereignis aber kaum das ihm gebührende Interesse. Erst 1943 wurde nach diesem Prinzip ein großes Werk errichtet98. Auch der offiziell erste Schwerwasserreaktor der Welt (mit der Bezeichnung CP-3), im Mai 1944 in den USA in Betrieb genommen", wurde mit D2O betrieben, das mittels dieses Verfahrens gewonnen worden war.100 Die fraktionierte Destillation von Wasser erlaubt die Gewinnung von Deuteriumoxid mit einer Reinheit von 99,8%. Ein Atomreaktor benötigt nur eine Reinheit von »nur« 99,75%!101

Die Gewinnung von Schwerem Wasser auf diese Art war nicht die Ausnahme. Im Gegenteil: Die so oft zitierte Gewinnung durch Elektrolyse von Wasser war eine Seltenheit. Vielen deutschen Nachkriegsforschern, die sich mit der deutschen Atomforschung im Zweiten Weltkrieg beschäftigten, unterlief ein einfacher Irrtum: Die so oft genannte »einzige deutsche Schwerwasserproduktion« der Firma Norsk Hydro in Vermork, Norwegen, verwendete die Elektrolyse als Gewinnungsverfahren. Nach der Zerstörung des Werkes durch alliierte Sabotage und Bom-

97 Vgl. Sublette, Nuclear Weapons Frequently Asked Questions. 98 Vgl. Glasstone, Sourcebook on Atomic Energy, S. 192. 99 Vgl. US Department of Energy, The eight major processes of

nuclear weapons complex. 100 Vgl. Sublette, Nuclear Weapons Frequently Asked Questions. 101 Ebenda.

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bardierung müßte folglich irgendwo im Deutschen Reich eine neue Elektrolyseanlage errichtet worden sein. Dies scheiterte daran, daß die Elektrolyse Unmengen an elektrischer Energie benötigte: zur Produktion von nur einem Gramm Schwerem Wasser muß man 1.000 kWh Energie einsetzen!102 Mit dieser Feststellung wurde das deutsche Nuklearprogramm nach dem Krieg »für tot erklärt«. Die Anlage in Norwegen war aber zur Gewinnung von hochreinem Wasserstoff gedacht - das Deuteriumoxid war vorerst ein reines Abfallprodukt! Warum nur sollten die Deutschen nach Verlust der Anlage nochmals auf dieses extrem teure Verfahren zurückgreifen, wenn durch fraktionierte Destillation fast dasselbe Produkt gewonnen werden konnte, nur um viele Zehnerpotenzen günstiger? Genügte die Reinheit nicht, so hätte man das gewonnene Schwere Wasser noch immer durch Elektrolyse reinigen können, nur: nun wesentlich günstiger! Aufgrund dieses Fehlschlusses suchen nun viele, die belegen wollen, daß die Deutschen doch ein atomares Forschungsprojekt verfolgten, verzweifelt nach großen Kraftwerken und Energielieferanten. Man schreibt von gewaltigen unterirdischen Kraftzentralen und Elektrolyseanlagen und jagt dabei nur einem Phantom nach! Wenn das Dritte Reich große Mengen von Schwerem Wasser benötigt hätte, dann kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß es nicht mit Hilfe der Elektrolyse, sondern mit einem wesentlich energie- und kostengünstigeren Verfahren geschehen wäre. Ein Verfahren, das die Antwort auf alle offenen Fragen zu »Quarz« geben kann:

> Eine Schwerwasser-Fabrik war sicher wichtiger als eine Raketenforschungsanstalt, ein Kugellagerwerk oder eine Raffinerie.

102 Vgl. Häp, Deuterierte Verbindungen/Lösungsmittel.

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> Das Werk hätte unter dem Kommando von Hans Kammler gestanden, der darum bemüht war, die wichtigsten deutschen (Geheimwaffen-)Projekte unter seine Befehlsgewalt zu bekommen.

> Es würde die rätselhaften Anlagenteile wie das Tanklager, die Schachtanlage und sogar die aufwendige Wasserleitung von der Donau erklären.

Beschreibung des Verfahrens

Da das Verfahren der fraktionierten Destillation von Wasser zur Gewinnung von Schwerem Wasser schon 1933 bekannt war, zu einem Zeitpunkt also, als der Informationsaustausch zwischen den USA und Deutschland noch ungehindert möglich war, ist es mehr als unwahrscheinlich, daß in Deutschland niemand von dieser Möglichkeit wußte. Um zu ergründen, ob in den Stollen im Wachberg tatsächlich Schweres Wasser auf diese Art hergestellt werden sollte, wird nun das Verfahren der fraktionierten Destillation dargestellt. Es soll geklärt werden, ob die in Roggendorf errichteten Anlagen ihre Aufgaben in Hinsicht auf eine Schwerwasser-Gewinnung erfüllen konnten.

Die Wasseraufbereitung Zweifellos konnte man das Donauwasser, auch wenn es einen relativ geringen Kalkgehalt aufwies, nicht ohne vorherige Behandlung in dem Prozeß einsetzen. Daher muß davon ausgegangen werden, daß eine gründliche Aufbereitung notwendig gewesen ist. An erster Stelle hätte dabei eine Grobreinigung gestanden. Dieser Abschnitt war mit Sicherheit ausgeführt, da er schon zum Schutz der danach folgenden Pumpe notwendig war.

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Das Donauwasser wäre einfach durch einen Rechen geführt worden, um das Ansaugen von Steinen, Ästen, usw. zu ver-hindern. Danach passierte das Wasser die Pumpe, die es über rund 50 Höhenmeter in den Hochbehälter bei Hub beförderte. Der Hochbehälter hätte einerseits als Vorratsbehälter, ande-rerseits als Absetzbecken gedient. Dazu wäre nur ein sehr geringer Wasseraustausch zulässig gewesen, das heißt das Volumen mußte um ein Vielfaches größer sein, als die benötigte Wassermenge. Damit ist erstmals erklärbar, warum der Hochbehälter ein Fassungsvermögen von 1.500 m3 Wasser aufwies. Hätte das Donauwasser nur der Kugellagerfertigung zu Kühlzwecken gedient, so wäre schon diese Anlage überflüssig gewesen. Die nächste Stelle im Produktionsablauf nahm die eigentliche Wasseraufbereitung ein. Dazu gehörte z. B. das Enthärten, wobei durch Ionenaustausch der im Wasser gelöste Kalk entfernt wurde. Wie oben beschrieben, läßt sich durch diesen notwendigen Vorgang der Bau der Wasserleitung zur Donau erklären, da das Enthärten bei zu großen Kalkmengen viel zu aufwendig geworden wäre. Weiterhin wird dadurch möglicherweise die Funktion der »Kläranlage« vor der Stollenanlage verständlich. Sie enthielt nochmals mehrere Wasserbecken, die durch eine Wasseraufbereitung - wie Ionenaustausch oder durch Kiesbecken zur Feinaufbereitung -leicht begründet werden können. Wie schon der Hochbehälter, läßt sich auch diese Anlage, die ganz offensichtlich existierte, nicht durch eine Kugellagerfertigung erklären.

Die Destillation Schließlich wäre das Wasser in die Trennungsapparatur in Stollen B geführt worden. Dabei ist etwa folgender Ablauf denkbar:

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Das gereinigte und aufbereitete Wasser wird in einen Dünn-schichtverdampfer eingeleitet. Darin überströmt es eine durch Ölbrenner geheizte103 Oberfläche mit exakt geregelter Temperatur (die Temperaturregelung war zwar schwierig, aber damals schon realisierbar). Das Medium mit dem niedrigeren Siedepunkt (H2O) beginnt zuerst zu verdampfen und steigt nach oben auf. Der Wasseranteil, der nicht verdampft ist, fließt nach unten ab und wird dort gesammelt, denn darin hat sich das Schwere Wasser durch seinen höheren Siedepunkt angereichert. Dieser Flüssigkeitsanteil bildet die Grundlage für den nächsten Durchgang der Anreicherung - so lange, bis die erwünschte Konzentration an D2O erreicht ist. Der nach oben aufsteigende abgereicherte Dampf wird schließlich mittels Kühlwasser niedergeschlagen (kondensiert) und über eine Entwässerungsleitung in die Pielach abgeleitet. Damit ließe sich eine verräterische und weithin sichtbare Dampfwolke perfekt verhindern. Die Abgase der Ölbrenner hingegen werden über den Schacht zum oberirdischen Bunker ins Freie geleitet. Für die Verwendung des Schachtes in Stollen B gibt es somit zwei Möglichkeiten: 1. Die gesamte Destillationsanlage war darin untergebracht. Dadurch hätten die Apparaturen etwas über dem Niveau des Stollens gestanden (auf der Zwischendecke im Schacht), was das Abfüllen des Deuteriumoxids in tiefer stehende Behälter sehr einfach gemacht hätte. 2. Nur die Abgasrohre oder zusätzlich eine mögliche Anlage zur Wärmerückgewinnung aus den Brennerabgasen der Destillationsanlagen (zur Steigerung des Wirkungsgrades) war darin untergebracht. Die Destillationsanla-

103 Wahrscheinlich indirekt unter Zwischenschaltung eines wasser-befüllten Heizkreislaufes.

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gen selbst hätten sich dann etwas tiefer, auf dem Niveau der Stollensohle, befunden. Dadurch hätte man im Stollen B eine Vielzahl von Destillationsanlagen unterbringen können, da das Platzangebot dort natürlich wesentlich größer war, als im relativ engen Schacht an der Oberfläche. Das Schwerwasserwerk wäre dadurch viel größer gewesen, was wiederum eine Erklärung für die gigantischen Dimensionen des Hauptstollens B gäbe. Besondere Fundamente, die man heute noch finden könnte, hätten die Destillationsanlagen sicher nicht benötigt.

Mit diesen Betrachtungen ist nun eines bewiesen: Inner- und außerhalb der Stollen von Projekt »Quarz« wurden von der SS alle Voraussetzungen geschaffen, um Schweres Wasser industriell und in großem Maßstab herzustellen! In Anbetracht der Tatsache, daß das Dritte Reich zu diesem Zeitpunkt verzweifelt nach neuen Wunderwaffen suchte und eine Atombombe dabei sicher mehr als willkommen gewesen wäre, ist es unmöglich, dies als Zufall abzutun! Es kann also nur eine Antwort auf alle Fragen geben: In Roggendorf sollte Schweres Wasser hergestellt werden!

Der Beweis

Die bisherigen Folgerungen beruhten auf der Annahme, daß der Hochbehälter und die Anlage im Stollen B und das Tanklager zusammengehörten. Um dies zu beweisen, werden die US-Luftaufnahmen vom 26. Dezember 1944 und ihre Auswertung104 näher betrachtet.

104 Vgl. Airforce Historical Research Agency. Microfilm Nr. A25193, Interpretation Report No. U. 27 Feb. 1945.

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In besagtem Bericht werden weder die Wasserleitung von der Donau, der Bunker über Stollen B, noch das Gebäude zur Wasseraufbereitung vor den Stollen auch nur mit einem Wort erwähnt. Auch entsprechende Baustellen waren nicht erkennbar. Da in dem Bericht jedes einzelne Gebäude im Bereich Roggendorf detailliert beschrieben wird, kann das nur bedeuten, daß die genannten Anlagen zu diesem Zeitpunkt noch nicht existierten, ja daß mit ihrem Bau noch nicht einmal begonnen worden war. Man muß sich nun vergegenwärtigen: Schon Anfang November 1944 waren die ersten 2.700 m2 Stollenfläche an das Kugellagerwerk »Erle« der Steyr-Daimler-Puch AG übergeben worden. Noch im Dezember desselben Jahres nahm die Anlage den Betrieb auf105. Wenn also noch Ende Dezember keine der genannten Anlagen vorhanden war, können sie überhaupt nicht zum Kugellagerwerk gehört haben, da dieses offensichtlich sehr gut ohne sie und ohne das Wasser aus der Donau auskam! Dieselbe Aussage läßt sich auch für die Kläranlage und die Arbeitersiedlungen treffen. Auf den Luftaufnahmen waren die Arbeiterunterkünfte klar erkennbar, die Kläranlage aber wie erwähnt nicht. Folglich bereitete es den Verantwortlichen wenig Sorgen, die Abwässer ungeklärt in die Pielach zu leiten. Die Kläranlage, die später errichtet wurde, hatte also sicher eine andersartige Verwendung. Damit ist aber nicht nur bewiesen, daß die fehlenden Anlagen nicht zum Kugellagerwerk gehörten, sondern indirekt auch, daß sie zusammengehörten! Die aufgestellte These kann also aufgrund der US-Luftaufnahmen problemlos bewiesen werden!

105 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 189.

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Die Produktionskapazität

Um festzustellen, in welchen Dimensionen von der SS gedacht und geplant wurde, ist es notwendig zu ermitteln, welche Mengen an Schwerem Wasser in den Stollen hergestellt werden sollten. War man ganz am Anfang der Forschungen und benötigte vorerst nur geringe Mengen oder dachte man schon weiter und benötigte schnell große Mengen? Der Schlüssel zur Berechnung der Produktionskapazität ist die für die Wasserverdampfung zur Verfügung stehende Brennstoffmenge. Dabei kommt dem unterirdischen Bahnhof im Wachberg eine besondere Bedeutung zu, denn es ist davon auszugehen, daß die Ölversorgung des Schwerwasserwerkes direkt über Eisenbahn-Kesselwagen erfolgte. Dadurch ließ sich ein großes Brennstofflager einsparen, das wertvolle Stollenfläche benötigt hätte. Das einstige Tanklager in Produktionsstollen 2 dürfte nur als kleines Zwischenlager gedient haben, um kurzfristige Versorgungsengpässe ausgleichen zu können. Berechnet man, welche Mengen an Schwerem Wasser schon mit dem Ölinhalt des Zwischenlagers erzeugt werden konnten (siehe Anhang), so kommt man auf die erstaunliche Zahl von immerhin 59 Litern. Man kann annehmen, daß ein solches Lager nur für sehr kurze Zeit den Betrieb sicherstellen konnte. Die tatsächliche Monatskapazität des Schwerwasserwerkes wird also zwischen mehreren hundert Litern und einigen Tonnen D2O gelegen haben! Das Ergebnis verdeutlicht klar: Die Produktionskapazitäten wären auffallend groß gewesen für ein Land, das offiziell kein Atomforschungsprogramm betrieb! Zur Gewinnung von 59 Litern Schwerem Wasser hätte man 35.340 Liter Ol verbraucht - rund 600 Liter Ol pro Liter

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D2O. Das Verfahren ist damit wesentlich kostengünstiger als die Elektrolyse, die 1.000 kWh je Gramm D2O verschlungen hätte! Vergleichen Sie z. B. nach heutigen Maßstäben, was 600 Liter Heizöl oder 1.000.000 kWh zur Herstellung eines Liters Schweren Wassers kosten würden!

Ungeklärte Fragen

Die Frage, was in »Quarz« produziert werden sollte, ist damit beweisbar beantwortet: Schweres Wasser. Aber wie so oft, führt auch hier eine Antwort zu vielen neuen Fragen.

Nahm die Anlage jemals die Produktion auf? Dies ist eine sehr wichtige Frage, die aber glücklicherweise relativ eindeutig zu beantworten ist. Einen ersten Hinweis liefert ein amerikanischer Agent, der Kontakt zu den Häftlingen des KZ Melk hatte. In mehreren Briefen berichteten sie ihm interessante Details der Anlage. Im ersten Schreiben vom Juli 1944 heißt es übersetzt, daß das Werk schon in Betrieb sei. In einem weiteren Schreiben wird die Bauzeit mit Mai bis August 1944 angegeben.106 Damit ergibt sich ein völlig neues Bild der Anlage. Offenbar waren die Probleme beim Bau doch nicht so schwerwiegend, wie es bisher schien. Waren sie nur eine Ausrede für die SDP, der man damit begründen wollte, warum sie noch keinen Teil der Anlage zugewiesen bekam? Während die SDP erst im November einen ersten Stollen beziehen konnte, waren möglicherweise schon ab Herbst 1944 erste Teile von Projekt »Quarz« bezugsfertig.

106 Vgl. Airforce Historical Research Agency. Microfilm Nr. A25193, Interpretation Report No. U. 27. Feb. 1945.

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Das hat natürlich noch nicht zu bedeuten, daß damit auch schon etwas in den Stollen hergestellt wurde. Es ist möglich, daß zu diesem Zeitpunkt erst die Vorbereitungen zur Produktion von Schwerem Wasser getroffen wurden, da noch nicht bewiesen ist, daß in Deutschland schon zu diesem Zeitpunkt bekannt war, wie das Verfahren großtechnisch realisiert werden konnte. Dazu paßt auch, daß die geplante Wasserleitung von der Donau schon im Juli 1944 erstmals bei einer Besprechung erwähnt wurde107, aber erst viel später mit deren Realisierung begonnen wurde. Tatsache ist, daß in dem US-Bericht, der auf den Luftaufnahmen vom 26. Dezember 1944 beruhte, weder die Wasserleitung von der Donau, noch der Bunker über Stollen B, noch das Gebäude zur Wasseraufbereitung vor den Stollen erwähnt werden. Daraus läßt sich der wichtige Schluß ziehen, daß die genannten Anlagen erst nach dem 26. Dezember 1944 errichtet wurden. Damit ergibt sich folgender Zeitablauf: 22. Juli 1944 Die Wasserleitung von der Donau wird

in einer Besprechung erstmals behandelt.

Herbst 1944 Die Stollen für das Schwerwasser-Werk sind bezugsfertig.

November 1944 Das Kugellagerwerk »Erle« bezieht seinen ersten Stollen.

26. Dezember 1944 Die Wasserleitung für das Schwer-wasser-Werk wurde nachweislich noch nicht begonnen.

31. Januar 1945 Kammler wird zum »Beauftragten des Führers für Strahlenforschung« ernannt.

107 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 375. Hauptbesprechung Quarz vom 22.7.1944, Archiv der Steyr-Daimler-Puch AG.

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8. Mai 1945 Die Bauarbeiten sind so weit fortge-schritten, daß der Sinn der Anlage re-konstruiert werden kann.

Der Zeitpunkt der Ernennung Kammlers zum Beauftragten des Führers für Strahlenforschung fällt also genau in jenen Zeitraum, der für den Baubeginn der Schwerwasser-Produktion in Frage kommt: kurz nach dem Jahreswechsel 1944/ 1945. Davor konnte der Baustart nicht erfolgt sein, was die Luft-aufnahmen belegen - viel später allerdings auch nicht, sonst wäre der große Baufortschritt bei Kriegsende nicht erklärbar. Es ist damit mehr als wahrscheinlich, daß Kammlers Ernennung mit dem Baubeginn des D2O-Werkes in den Stollenanlagen gleichgesetzt werden kann. Daß die Anlage in den drei Monaten bis zum 8. Mai 1945 tatsächlich in Betrieb ging, ist dagegen sehr unwahrscheinlich. Es ist jedoch schon erstaunlich genug, wie viele Anlagen in dieser kurzen Zeitspanne noch errichtet wurden. Auch Strahlungsmessungen in den Stollen und am Wachberg in den Jahren 1997 und 2001 konnten diese Frage nicht beantworten. Es konnte tatsächlich keine Verstrahlung nachgewiesen werden, aber selbst bei einer schon angelaufenen Produktion von Schwerem Wasser wäre eine Kontaminierung der Stollen höchst unwahrscheinlich gewesen, da Deuterium ein stabiles Wasserstoffisotop darstellt. Die Tatsache, daß die am Bau beteiligten Firmen und Ingenieure schon einige Wochen vor Kriegsende die Gegend um Roggendorf verließen, läßt hingegen sehr eindeutig darauf schließen, daß man die Anlage nicht mehr rechtzeitig fertigstellen konnte. Die Frage nach einem möglichen Produk-

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Abbildung 33: Die Umgebung von Projekt »Quarz« im Dezember 1944. (Plan: Verfasser)

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tionsstart kann dadurch schlußendlich mit einem klaren »Nein« beantwortet werden.

Woher kam das Öl? Bei einem Ölverbrauch von mehr als einer halben Tonne pro einem Liter D2O hätte sich natürlich ein erheblicher Ölverbrauch des Werkes ergeben. Solche Mengen waren gegen Ende des Krieges sicherlich nicht unbedeutend für die deutsche Treibstoffindustrie. Woher wäre diese Menge also gekommen? In diesem Zusammenhang ist es sehr interessant zu wissen, daß in den letzten Kriegsmonaten in der näheren Umgebung von Melk mehrere Kleindestillationsanlagen des Geilenberg-Programms errichtet wurden, die auch noch den Betrieb aufnahmen. Neben Statzendorf, Türnitz, Weitenegg und Spitz geschah dies auch im Ort Petzenkirchen a. d. Erlauf, nur wenige Kilometer westlich der Stollenanlagen und per Eisenbahn direkt damit verbunden. Hier wurden zwei Anlage

Abbildung 34: Reste der Rohöltanks der »Ofen«-Anlagen in Pet-zenkirchen. (Foto: Josef Buchhart)

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errichtet, die die Decknamen »Ofen XVII + XVIII« trugen. Die monatliche Treibstoffproduktion sollte zusammen ca. 3.0001 betragen108. Nur wenige Kilometer nördlich von Petzenkirchen, in Krummnußbaum, wurden weiterhin ein Tanklager und eine Hafenanlage errichtet109. Damit konnte wohl auch über die Donau Öl angeliefert werden. Die Frage nach dem Brennstoff für die Schwerwasser-Fabrik kann also getrost abgehakt werden.

Die Konsequenzen

Aus einem Schwerwasserwerk in der Stollenanlage »Quarz« ergeben sich gewaltige Konsequenzen für die Geschichts-forschung. Es ist ein Beweis dafür, daß im Dritten Reich bis zum Kriegsende ein nukleares Forschungsprogramm existierte. Man kann sogar vermuten, daß in Deutschland noch vor dem Kriegsende Atomreaktoren gebaut und kritisch wurden. Bislang wurde diese Möglichkeit vehement bestritten, da den deutschen Forschern ja angeblich drei entscheidende Faktoren fehlten:

> Schweres Wasser > Uran und eine > Uranaufbereitung

Die Frage des Deuteriumoxids sollte mit der obigen Darstellung geklärt sein, da es nun erwiesen ist, daß den Deutschen nicht nur die aufwendige und kostenintensive Elektrolyse zur Schwerwassergewinnung bekannt war, sondern

108 Vgl. Wichert, Decknamenverzeichnis deutscher unterirdischer Bauten, S. 171.

109 Vgl. Reisinger, Krummnußbaum — Die Zeit der beiden Welt-kriege, http://webland.lion.cc/noe/230077/krumnuss.html#a3 (11.03.2002).

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auch die fraktionierte Destillation. Man kann mit absoluter Sicherheit davon ausgehen, daß die mögliche großtechnische Schwerwasserproduktion in Projekt »Quarz« nicht die erste Anlage dieser Art war. Jedes neue Verfahren wird zuerst in kleinem Maßstab erprobt, ob dies im Wachberg oder an einem anderen Ort erfolgte, ist dabei unerheblich. Tatsache ist, daß diese kleine Anlage schon vor dem Baubeginn der beschriebenen Anlage in Roggendorf in Betrieb gewesen sein muß. Es gab also irgendwo eine deutsche Schwerwasserproduktion - und zwar vor dem Januar 1945! Die Frage des Urans beantwortete der Reichsrüstungsminister Albert Speer in seinen »Erinnerungen« persönlich: Er gibt den deutschen Uranvorrat von 1943 mit unglaublichen 1.200 Tonnen an110! Kein Wunder, schließlich besaß das Dritte Reich in St. Joachimstal (Erzgebirge) eine eigene Uranmine111. Daß davon alles, so wie er behauptet, für Flakmunition verwendet wurde, scheint nun mehr als fraglich! Der Einwand, das deutsche Atomprogramm wäre an der Uranaufbereitung gescheitert, ist ebenfalls hinfällig, denn Schwerwasser-Reaktoren arbeiten auch mit Natur-Uran als Brennstoff! Eine weitere Aufbereitung ist daher nicht notwendig. Der leider in der Öffentlichkeit kaum bekannte Beweis hierfür versorgt große Teile Kanadas mit elektrischer Energie112 ... Das Interessanteste daran aber ist, daß auch ein Schwerwas-serreaktor, der mit Natur-Uran arbeitet, Plutonium produziert - ein weiterer möglicher Ausgangsstoff zum Bau einer Atombombe!

110 Vgl. Speer, Erinnerungen, S. 242. 111 Dieser Reaktortyp ist auch als CANDU-(Canadian Deuterium

Uranium)Reaktor bekannt. 112 Vgl. Hemmerle, Sudetenland Lexikon, S. 386.

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Abbildung 35: Das Hüttenwerk des Uranbergbaus in St. Joa-chimstal vor 1918. (Foto: unbekannt)

Woran arbeitete man in »Quarz«?

Da man Schweres Wasser sowohl für Atombomben, als auch für Atomreaktoren benötigte, stellt sich die Frage, woran in Roggendorf gearbeitet wurde. Die Möglichkeit, daß es sich um eine reine Schwerwasserproduktion ohne angeschlossene Forschung handelte, ist nach Lage der Dinge eher un-wahrscheinlich. Warum sollte man Erzeuger und Verbraucher trennen und das extrem wertvolle Gut über Eisenbahnstrecken schicken, die während der damaligen Kriegsphase bereits ununterbrochen von alliierten Flugzeugen angegriffen wurden?

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Arbeiter-Städte

Wenn also im Wachberg eine solche Forschungsanstalt installiert war, wo waren dann die Wissenschaftler und Techniker untergebracht? In der Umgebung der Stollenanlage waren zahlreiche Arbeitersiedlungen geplant. Doch wie viele Personen konnten in den bereits errichteten Baracken untergebracht werden? Die Antwort darauf gibt uns auch hier die US Airforce: Auf den Aufnahmen vom 26. Dezember 1944 erscheinen nicht nur die Stollen selbst, sondern auch einige Arbeitersiedlungen. Der US-Geheimdienst rechnete die Hüttenanzahl und deren Grundfläche zur Anzahl der dort untergebrachten Arbeiter hoch115 und kam (je nach Verwendung normaler Betten oder Stockbetten) zu folgenden Ergebnissen114:

Siedlung südlich der Westbahn Zehn größere Baracken: wahrscheinlich keine Lagerhallen, da keine Arbeiter auf den Fotos zu sehen sind (Fotos während der Arbeitszeit entstanden). Unterkünfte für: 870 Arbeiter (in normalen Betten) 1.750 Arbeiter (in Stockbetten)

Unterkünfte im Ort Roggendorf Auch hier entstanden neue Hütten, was darauf schließen läßt, daß auch hier Arbeiter untergebracht wurden (tatsächlich

113 Die US Airforce berechnete für jeden Arbeiter einen Platzbe-darf von 45 Quadratfuß, was etwas mehr als vier Quadratme-tern entspricht.

114 Vgl. Airforce Historical Research Agency, Microfilm Nr. A25193.

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sollten in den benachbarten Ortschaften 2.000 Personen un-tergebracht werden115).

Arbeitersiedlung Anzendorf Nordöstlich des Ortes Anzendorf entstanden mindestens 25 neue Hütten und ein großes Verwaltungsgebäude. Unterkünfte für: 4.980 Arbeiter (in normalen Betten) 9.950 Arbeiter (in Stockbetten)

Arbeitersiedlung Merkendorf Südlich von Merkendorf wurden mindestens 14 Hütten und ein ausgedehntes Drainage-System fertiggestellt. Unterkünfte für: 1.360 Arbeiter (in normalen Betten) 2.720 Arbeiter (in Stockbetten)

Unterkünfte nördlich der Westbahn Sechs Gebäude und drei kleine Hütten entstanden nördlich der Eisenbahn. Es ist keine Angabe über die Verwendung möglich.

Zählt man das alles zusammen, so kommt man auf Unterkünfte für die schier unglaubliche Zahl von 9.200 bis 16.400 Arbeitern. Dabei ist zu betonen, daß die Verwendung von Stockbetten in derartigen Barackensiedlungen die Regel war. Die tatsächliche Anzahl von Unterkünften ist also eher im oberen Bereich der Spanne anzusiedeln. Zum Zeitpunkt, als die Luftbilder entstanden, waren 2.700 m2 Stollenfläche des Kugellagerwerkes »Erle« in Be-

115 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 200. Schreiben Landrat Convall an Wehrkreisbeauftragten XVII des Reichsministeriums für Rü-stungs- und Kriegsproduktion vom 18.4.1944 betr. Beschlagnahmen zugunsten der Firma Quarz, Niederösterreichisches Landesarchiv.

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trieb. Man stelle sich Abertausende von Arbeitern vor, die auf dieser Fläche arbeiten mußten! Selbst im Drei-Schicht-Betrieb ist dies allein schon aus Platzmangel völlig unmöglich. An eine Aufstellung von Drehbänken oder Schleifmaschinen ist nicht im geringsten zu denken! Tatsächlich waren auch noch im März 1945, als schon 7.880 m2 Stollenfläche der SDP übergeben waren, nur 2.760 zivile Arbeiter bei »Erle« angestellt116. Woran arbeiteten also all die anderen Personen? Der Stollenbau kann es nicht ge-wesen sein, denn dort herrschte ein notorischer Mangel an Facharbeitern117. Nur eine wissenschaftliche Großanlage, auf einer bedeutend größeren Stollenfläche, kann die Widersprüche begründen, denn es gibt kaum eine andere deutsche Anlage, die eine vergleichbare Konzentration von zivilen Arbeitskräften aufwies. Zum Vergleich: Am Programm zur Entwicklung der amerikanischen Atombombe, dem »Manhattan Project«, waren zu den besten Zeiten nur etwas über 10.000 Personen beteiligt118! »Manhattan Project« ist das Stichwort. Woran arbeiteten diese Personen? In bezug auf ein deutsches Atomprogramm gibt es nur einen überlieferten Auftrag: Albert Speer persönlich hatte nur die Entwicklung des »Uranium-Motors« befohlen119. Doch wie hier schon gezeigt wurde, darf man der offiziellen Geschichtsschreibung nicht immer glauben! Zur Erinnerung: Der Bau des Schwerwasserwerkes hatte erst

116 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 189. Rechnungswesen Wälzlager-werk an Rechtsbüro vom 17.3.1945 betr. Übernahme der Stollenfläche Quarz durch Betriebsführung Erle, Archiv der Steyr-Daimler-Puch AG.

117 Vgl. Perz, Projekt Quarz, Seite 203ff. 118 Vgl. Hemme, Die Relativitätstheorie, S. 195. 119 Vgl. Speer, Erinnerungen, S. 242.

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nach dem 26. Dezember 1944 begonnen. Zu diesem Zeitpunkt war wohl auch der deutsche Rüstungsminister nicht so realitätsfremd, als daß er die Entwicklung eines neuen Antriebes angeordnet hätte. Es hätte Jahre gedauert, bis er zum Einsatz gekommen wäre. Und daß ein solcher Antrieb den Kriegsausgang positiv beeinflussen konnte, ist auch sehr zweifelhaft. Was das Dritte Reich wirklich benötigte, war eine schnellstens zur Verfügung stehende neue durchschlagende Waffe. Die Folgerung kann also nur lauten: In der Anlage »Quarz« wurde an der Atombombe gearbeitet!

Ein unglaublicher Lageplan

Diese Behauptung wird durch einen extrem merkwürdigen Plan belegt, der von der Umgebung der Stollenanlage existiert. Ein Kind aus Roggendorf120 fand ihn im Zweiten Weltkrieg in einem Papierkorb des Ingenieurbüros, das in seinem Elternhaus einquartiert war: mit aller Wahrscheinlichkeit das Ingenieurbüro Fiebinger! Auf der Karte im Maßstab 1:25.000 wurde im Bereich des Wachberges ein kleiner Kreis eingetragen, der sich beinahe exakt am Standort des Bunkers über Stollen B befindet. In

120 Name dem Verfasser bekannt. Die Echtheit des Planes steht außer Zweifel: die Herkunft ist klar nachvollziehbar, und er enthält Informationen bezüglich der Arbeitersiedlungen, die nur einem Planer der Stollenanlage bekannt gewesen sein können. Der Plan trägt dieselbe Handschrift, die auch von anderen Fie-binger-Plänen bekannt ist. Leider wurde das Original von zwei Personen »für unbestimmte Zeit ausgeborgt«. Es gibt aber eine große Zahl von Personen, die belegen können, daß der Plan existierte.

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Abbildung 36: Plan der Umgebung von Projekt »Quarz« aus Roggendorf. (Plan: Ingenieurbüro Fiebinger?)

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der Umgebung wurden alle fertigen und geplanten Arbei-tersiedlungen eingetragen - neun Siedlungen mit Unterkünften für zusammen 12.000 Personen121. Bis zu diesem Punkt handelt es sich also um einen ganz normalen Lageplan, der angibt, an welchem Ort wieviele Arbeiter untergebracht werden sollten. Extrem auffallend an der Karte ist aber, daß um den Punkt über dem Bunker beim Stollen B konzentrische Kreise eingetragen wurden und zwar mit einem Radius von 1.000, 2.000 und 3.000 Metern. Ihr Zweck ist auf den ersten Blick völlig unklar. Wollte man einfach angeben, wie weit die Arbeiter von ihren Unterkünften zu den Stollen marschieren mußten, so hätte man doch sicherlich die Wegstrecke angegeben und nicht die Distanz als Luftlinie. Was steckte also hinter den seltsamen Kreisen? Betrachtet man den Plan in Zusammenhang mit der hier auf-gestellten These, so ergibt sich plötzlich ein völlig neuer Ge-sichtspunkt mit erschreckenden Details: Wenn tatsächlich in der Umgebung des Schachtes im Stollen B an einer deutschen Atombombe gearbeitet werden sollte, dann hätte man sicherlich überprüft, wie weit die Unterkünfte der Wissenschaftler von der extrem gefährlichen Forschungsstätte entfernt lagen - diesmal natürlich mit Distanzen als Luftlinie! Mittels dieses Gedanken wird plötzlich klar, was der Plan darstellt: einen Gefahrenzonenplan. Irgend jemand wollte wissen, wie gefährdet die Umgebung der Stollenanlage bei

121 Demnach wären für die große Zahl von Arbeitern wesentlich mehr Baracken geplant gewesen, als die US Airforce angenommen hatte. Es ist also offensichtlich, daß es sich dabei um eine langfristige »komfortable« Planung der Betreiber von »Quarz« handelte, während die Angaben der US-Luftwaffe von einer kriegsmäßigen Belegung ausgingen, die in diesem Fall sicher gegeben war. Tatsache ist, daß beide Seiten von einer Zivilarbeiter-Zahl weit über 10.000 ausgingen!

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einem möglichen Unglück war. Doch wovon wurden die umliegenden Siedlungen bedroht? Die Antwort gibt der Zeichner des Plans selbst: Er hatte den äußersten Kreis mit einem Radius von 3.000 Metern eingetragen - dieser Wert entspricht exakt dem Radius der Kernzone der Atombombe von Hiroshima (einer Uranbombe mit einer Sprengkraft von 20.000 Tonnen TNT121)!!! In einem Umkreis von ca. 3.000 Metern vom Zentrum der Explosion hätte sich die entstandene Druckwelle ausgebreitet122 und dabei praktisch sämtliche Gebäude vernichtet. Die auf dem Plan eingezeichneten »Zufälle« gehen aber noch weiter: Der Zeichner der Planes kannte nicht nur die Abmaße der Kernzone, sondern auch die Radien, innerhalb derer Verkohlung unbekleideter Haut (knapp 1.000 Meter) bzw. Verbrennungen II. und III. Grades (knapp 3.000 Meter) auftraten!123 Der 2.000-Meter-Umkreis des Planes entspricht weiterhin »rein zufällig« jener Zone, über die sich in Hiroshima Radioaktivität ausbreiten sollte!124 Sollte es wirklich ein Zufall sein, daß ein Planer des Ingenieurbüros Fiebinger Kreise um den Wachberg zog, die exakt die Wirkradien der ersten eingesetzten Atombombe vorwegnahmen? Einer Bombe, zu deren Herstellung Schweres Wasser notwendig gewesen wäre, das man im Wachberg hätte herstellen können?

121 Vgl. Hemme, Die Relativitätstheorie, S. 197f. 122 Vgl. HICARE, Effects of A-Bombs (Hiroshima and Nagasaki). 123 Vgl. Ruef, Der Dienst im Bundesheer, S. 394f. 124 Vgl. HICARE, Effects of A-Bombs (Hiroshima and Nagasaki).

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5. Die Infrastruktur

Wenn diese Folgerungen stimmen und im Wachberg tatsächlich an einer deutschen Nuklearwaffe gearbeitet wurde, so hätte dies für die Verantwortlichen weitere wichtige Frage aufgeworfen:

> Wie sollte man die Anlagen vor Luftangriffen schützen? > Welcher Flugzeugtyp sollte die Atombombe trans-portieren?

Der Schlüssel zur Lösung beider Fragen liegt in einem nahen Flughafen. Der Neubau eines solchen wäre unnötig gewesen, wenn man die Bombenentwicklung von Anfang an in der Umgebung eines Luftwaffenstützpunktes geplant hätte.

Luftwaffenstützpunkt Markersdorf

Sucht man in der Nähe von Roggendorf nach einem Flugplatz, so wird man seltsamerweise sehr schnell fündig. Nur zehn Kilometer östlich der Anlagen von »Quarz« gelegen und über die einstige Reichsstraße und die Westbahn direkt damit verbunden, befand sich während des Zweiten Weltkrieges einer der größten Militärflughäfen Mitteleuropas: der Luftwaffenstützpunkt und Einsatzhafen Markersdorf, der den Decknamen »Markgraf« erhielt125. Er war schon im Sommer 1938 begonnen und immer weiter ausgebaut worden. Es entstand schließlich eine gewaltige An-

125 Vgl. Ries/Dierich, Fliegerhorste und Einsatzhäfen der Luftwaffe, S. 47.

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lage, die noch heute auf jeder besseren Landkarte erkennbar ist, da viele der Straßen und Taxiways des Stützpunktes bis heute erhalten geblieben sind. Die Anlage besaß Unterkünfte für weitere 2.500 Personen, fünf Hangars, eine eigene Flugzeugwerft, zwei Küchen, zwei Heizhäuser, ein Kino, eine eigene Kläranlage126 und ein eigenes Gefangenenlager. Der Stützpunkt war so bedeutend, daß allein im Zeitraum Juni bis August 1944 drei Bombenangriffe gegen ihn geflogen wurden127, wobei auffallend ist, daß Markersdorf am 8. Juli 1944 genau gleichzeitig mit dem Konzentrationslager Melk und am 23. August gleichzeitig mit der Baustelle vor der Stollenanlage bombardiert wurde128. Erkannte auch die US Airforce den Zusammenhang? Einen Luftwaffenstützpunkt hätten die Erbauer einer Atombombe auf vielerlei Art und Weise gut gebrauchen können. Dazu gehörten:

> die Möglichkeit zum Start von Atombombern, > die besseren Transportmöglichkeiten für Wissen-

schaftler, Maschinenteile und technische Ausrüstungen, > die Möglichkeit, ein großes Areal ohne viel Aufsehen

sperren zu können, > der bessere Schutz für die extrem wichtigen For-

schungsanlagen.

126 Vgl. Frais, Markersdorf- Haindorf, S. 194. 127 Die Angriffe erfolgten am 8. und 28. Juli, sowie am 23. August

1944. Die bei Frais erfolgte Datierung des 3. Angriffes auf den 23. Juli dürfte ein Irrtum sein. Vgl. Ulrich, Der Luftkrieg über Österreich 1939-1945, S. 18f.; Gutkas, Landeschronik Nieder-österreich, S. 382, und Frais, Markersdorf- Haindorf, S, 200ff.

128 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 358ff. und S. 404ff.

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Der Schutz der Anlagen Eine Entwicklungsstätte für Atombomben wäre sicherlich durch die Deutsche Luftwaffe besonders geschützt worden. Mit diesem Wissen ist es kaum verwunderlich, daß auf dem Luftwaffenstützpunkt Markersdorf ab Mai 1944 bemerkenswert viele Jagd- und Schlachteinheiten stationiert waren. Dazu gehörten vor allem der Stab und der Großteil der I. Gruppe (2. und 4. Staffel) des JG 105, die von Juni bzw. Oktober 1944 durchgehend bis April 1945 in Markersdorf stationiert waren. Die restlichen beiden Staffeln der I/JG 105 lagen in dieser Zeit meist in Raffelding, Bierbaum (kleinere Flugplätze, die zum Fliegerhorst Markersdorf gehörten) und Zeltweg129. In den letzten Kriegsmonaten wurde auch noch große Teile des Schlachtgeschwader 10 in Markersdorf stationiert, das in die Kampfhandlungen der Ostfront noch maßgeblich eingreifen sollte. Es ist extrem merkwürdig, daß auf dem Fliegerhorst von Mitte 1944 bis Kriegsende ununterbrochen Jagd- und Schlachtgeschwader stationiert waren - zu einer Zeit, in der fast alle fliegenden Einheiten an der West- oder Ostfront kämpften und Österreich praktisch keinen Jagdschutz hatte.130 Es hätte in Österreich viel wichtigere Gebiete zu schützen gegeben. Oder war »Quarz« am wichtigsten? Weiterhin fällt auf, daß das genannte JG 105 nicht unter dem Befehl der 8. Jagddivision bzw. des »Jagdführers Ostmark« stand131. Das heißt, das JG 105 stand den Verantwortlichen für die Luftverteidigung der Ostmark nicht zur Verfügung, sondern hatte offenbar eine andere Aufgabe!

129 Vgl. Holm, The Luftwaffe 1933-45. 130 Vgl. Holm, The Luftwaffe 1933-45. 131 Vgl. Tuider, Die Luftwaffe in Österreich 1938—1945, S. 78ff.

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Damit ergibt sich das Kuriosum, daß der 8. Jagddivision in ganz Österreich ab Oktober 1944 kein einziger Tagjagdverband mehr unterstellt war133, während in Markersdorf, Raffelding, Bierbaum und Zeltweg der Stab und die komplette I. Gruppe des JG 105 lagen. Diese etwa 50 Jagdmaschinen (Sollstand einer Jagdgruppe plus Stab), standen also »ohne Zweck« auf den Flugfeldern herum! Stellt sich natürlich die Frage, wozu? Eine logische Antwort wäre der Luftschutz von Projekt »Quarz«. Die genannte Flugzeugzahl hätte natürlich nicht zur Abwehr eines großen Bomberverbandes gereicht - dies war aber auch völlig überflüssig, da die wichtigsten Anlagen im Wachberg unterirdisch und bombensicher untergebracht waren. Viel gefährlicher wäre ein gezielter Angriff einiger Jagdbomber gewesen, wie es am 23. August schließlich geschah. Zur Abwehr einer solchen Luftattacke wären die Kräfte des JG 105 geradezu ideal gewesen. Um diese wenigen Jagdflugzeuge zu schonen, wären sie natürlich nicht für die »normale« Luftabwehr der Ostmark oder zur Abwehr großer Feindverbände verwendet worden. Weiterhin hätte man den Stab und die Hauptkräfte der Einheit direkt am wichtigsten Punkt stationiert, während die restlichen Kräfte auf kleinen (und daher weniger gefährdeten) Flughäfen in der weiteren Umgebung stationiert worden wären, um von dort aus den anfliegenden Feind anzugreifen. Diese These liefert nun eine mögliche Erklärung für die auf den ersten Blick zufällige Stationierung des Stabs und der 1/JG 105:

Stab und 2./JG 105: von Juni 1944 bis Kriegsende in Markersdorf stationiert134

133 Vgl. Ulrich, Der Luftkrieg über Österreich 1939-1945, S. 35. 134 Vgl. Holm, The Luftwaffe 1933-45.

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(wichtigster Punkt, zehn Kilo-meter östlich von Roggendorf gelegen).

1./JG 105: von August 1944 bis Kriegs- ende in Raffelding135 (westlich von Linz gelegen) stationiert.

3./JG 105: von Juni 1944 bis Februar 1945 in Zeltweg (in der Hauptan-flugroute der 15th US Airforce nach Niederösterreich gelegen), danach in Bierbaum (bei Tulln gelegen) und ab März ebenfalls in Raffelding136

4./JG 105: im September 1944 in Bier- baum neu aufgestellt, wahr-scheinlich noch im Oktober 1944 nach Markersdorf verlegt.137

Durch diese Anordnung wäre die Umgebung von Markersdorf vor alliierten Flugzeugen in alle Richtungen gut geschützt worden. Daß die genannten Jagdeinheiten beim US-Luftangriff auf die Baustelle von Projekt »Quarz« am 23. August 1944 tatsächlich zum Einsatz kamen, ist schwer belegbar. Ulrich schreibt zu den Luftkämpfen an diesem Tag zumindest:138 »Jagdstaffeln und Flak waren voll eingesetzt.« In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, daß nur unweit der Stollenanlagen eine deutsche FuMG-Stellung139 existierte. Etwa zehn Kilometer südwestlich von Roggen-

13 5 Vgl. Holm, The Luftwaffe 1933-45. 136 Ebenda. 137 Ebenda. 138 Vgl. Ulrich, Der Luftkrieg über Österreich 1939-1945, S. 19. 139 FuMG = Funkmeßgerät, d. h. eine Radaranlage.

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Abbildung 38: Das ehemalige Flugfeld in Markersdorf. (Foto: Ver-fasser)

Abbildung 39: Erhaltene Gebäude der Luftwaffensiedlung in Markersdorf. (Foto: Verfasser)

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Abbildung 40: Baustelle des Fliegerhorstes Markersdorf mit Kompaniegebäuden (rechts), Verwaltungsbauten (Hintergrund links) und Speisesaal/Lazarett (Vordergrund links). (Foto: Sammlung Lechner)

Abbildung 41: Detailansicht eines Kasernentraktes. (Foto: Sammlung Lechner)

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Abbildung 42: Zwei der drei gemauerten Hangars im Südwesten des Fliegerhorstes. (Foto: Sammlung Lechner)

Abbildung 43: Kompaniegebäude im Rohbau. (Foto: Sammlung Lechner)

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Abbildung 44: Plan des Fliegerhorstes Markersdorf im Juli 1944. (Plan: Verfasser)

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dorf befanden sich bei St. Leonhard am Forst die Radarantennen einer Stellung, die den Decknamen »Mustang« trug. In der Deutschen Nachtjagdkarte vom August 1944 ist »Mustang« als FuMG-Stellung 2. Ordnung eingetragen130. »2. Ordnung« heißt, daß es sich um eine nachtjagdfähige mittlere Flugmeldeleitkompanie handelte, die meist aus ein bis zwei »Freya«- und zwei »Würzburg Riese«-Antennen bestand. Sind die Existenz dieser FuMG-Stellung und die Stationierung des JG 105 ebenfalls »Zufälle der Geschichte« oder wollte man den Luftraum über Roggendorf besonders genau schützen und überwachen? Liegt darin vielleicht ein weiterer wichtiger Hinweis für die Bedeutung der Stollenanlage im Wachberg?

Das Trägerflugzeug

Das Problem des Objektschutzes wäre damit hinreichend behandelt. Was bleibt ist die Frage nach dem Flugzeug, das die Bombe abwerfen sollte. Da der Atombombenbau offensichtlich »5 Minuten vor 12« gestartet wurde, kann man davon ausgehen, daß am erforderlichen Trägerflugzeug schon parallel zur Bombe gearbeitet wurde. Auch hier galt sicher der Grundsatz: je näher, desto besser. Wenn man also nach der Flugzeugfirma sucht, die ein Trägerflugzeug für eine deutsche Atombombe entwickelte, dann sollte man sich in der Umgebung von »Quarz« umsehen.

Die WNF

Als Markersdorf im Juli 1944 zum ersten Mal von der US Airforce bombardiert wurde, entstanden im Zuge des

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Angriffes mehrere Luftaufnahmen, die die Auswirkungen dokumentieren sollten140. Zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs befanden sich über 100 (!) Flugzeuge auf dem Flugfeld, die meisten davon waren Me-109-Jäger. Die ungewöhnlich große Zahl von Jagdmaschinen führt dabei auf eine wichtige Spur: ab 1943 war hier der größte Verlagerungsbetrieb der WNF untergebracht141. WNF - ein Name, der heute nur noch wenigen bekannt ist. Hinter dem Kürzel standen die »Wiener Neustädter Flugzeugwerke« und damit das größte Messerschmitt-Jäger-Werk des Dritten Reiches! Schon bald nach dem »Anschluß« Österreichs im Jahre 1938 hatte der großzügige Ausbau eines ehemaligen Flugzeugwerkes in Wr. Neustadt (ca. 30 km südlich von Wien) begonnen. Bis Kriegsende sollten in dem neuen Werk (direkt neben der V2-Fertigung im »Raxwerk« gelegen) über 8.500 Me-109-Jäger in Lizenzfertigung vom Band laufen142. Die WNF waren aber keine reine Serienfertigung von Jagdflugzeugen, es fanden hier auch eigene Neu- und Weiterentwicklungen von verschiedenen Flugzeugen statt. Zum Beispiel entwickelte hier der Ingenieur Friedrich Baron von Dobelhoff eine neue Art von Hubschraubern - den sogenannten Strahlschrauber143. Das besondere an dieser Konstruktion war die Tatsache, daß der Rotor durch Düsen an den Blattspitzen angetrieben wurde. Dies hatte zur Folge, daß der Flugapparat drehmomentfrei blieb und somit keinen zweiten Rotor benötigte.

140 Vgl. Airforce Historical Research Agency, Call Number: 670.4233, IRIS Number: 00248878, Old Roll: A6538, Frame: 1135-1143.

141 Vgl. Haberfellner/Schroeder, Wiener Neustädter Flugzeugwer-ke, S. 205.

142 Ebenda, S. 6. 143 Ebenda, S. 228.

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Abbildung 45: Der ehemalige Wartungshangar der WNF - letzter nennenswerter Rest des einst riesigen Flugzeugwerkes. (Foto: Verfasser)

Dobelhoffs Konstruktion sieht auf den ersten Blick einem konventionellen Hubschrauber sehr ähnlich, auf den zweiten Blick fällt aber auf, daß hier vielleicht das Grundprinzip für manche Flugscheiben liegt, die kurz vor und nach Kriegsende auf der ganzen Welt aufgetreten sein sollen. Auch wenn er selbst diese Möglichkeit bestritt, seine Fluggeräte wirkten in der Luft wie flammende Scheiben144. Es ist wohl selbstverständlich, daß so gewaltige Flugzeugwerke wie die WNF, nicht vor alliierten Bomberangriffen verschont blieben. Ein erster Angriff erfolgte Mitte 1943 - er war der Anfang vom Ende des Werkes. Um die Jägerproduktion trotzdem möglichst aufrecht zu erhalten, wurde das Werk an viele verschiedene Orte ausgelagert, unter anderem auf den Fliegerhorst in Markersdorf145. Die genannte Ent-

144 Vgl. Portisch/Riff, Die Wiedergeburt unseres Staates, S. 217. 145 Vgl. Haberfellner/Schroeder, Wiener Neustädter Flugzeugwer-ke, S. 214.

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wicklungsabteilung, die etwa 20 Ingenieure umfaßte146, wurde ebenfalls verlagert und zwar in das Werk IV der WNF, welches sich in Obergrafendorf befand147, keine fünf Kilometer vom Luftwaffenstützpunkt Markersdorf entfernt ...

»Quarz II«

Von den Wr. Neustädter Flugzeugwerken führen noch weitere Spuren zu den Stollen in Roggendorf. Um das riesige Flugzeugwerk unter die Erde zu verlagern, entstand der Plan, eine eigene Stollenanlage zu errichten, in der nun der modernste Jäger der Firma Messerschmitt, der Düsenjäger Me 262, gefertigt werden sollte. Das Projekt erhielt den Decknamen »Quarz II« und wurde wiederum Kammler unterstellt. Die Stollenanlage, die die Kammler-Nummer »B10« erhielt, war ebenfalls Teil der »SS-Sonderinspektion IV« und damit auch eines der wichtigsten Stollenprojekte des Dritten Reiches. Als Standort war ein Kalksteinbruch in Win-zendorf bei Wr. Neustadt geplant, in dem eine 80.000 m2 große Fertigung untergebracht werden sollte. Die Einrichtung mit einer geplanten Kapazität von 500 Düsenjägern pro Monat sollte in nur viereinhalb Monaten fertiggestellt wer-den.148 Bei einer Inspektionsreise am 9. März 1944 wurde der Standort aber als geologisch nicht geeignet bewertet. Statt dessen sollte nun in Melk eine zweite Stollenanlage errichtet werden149. Aber auch dieser Plan wird am 23. März auf-

146 Vgl. Haberfellner/Schroeder, Wiener Neustädter Flugzeugwerke, S. 228.

147 Vgl. Portisch/Riff, Die Wiedergeburt unseres Staates, S. 216. 148 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 177. 149 Vgl. Perz, Projekt Quarz, Seite 177. Schnellbericht

Jägerstab vom 9.3.1944, Bundesarchiv Militärarchiv Freiburg/Br.

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geschoben, weil man einen Überblick über alle Untertage-bauvorhaben abwarten wollte und eine Ballung von derartigen Projekten in Österreich für schlecht hielt150. Schließlich wird das Vorhaben gänzlich eingestellt. Alles in allem ein sehr seltsamer Grund, ein so wichtiges Bauprojekt fallen zu lassen. Wenn man einen dramatischen Mangel an unterirdischen Fertigungsflächen hat, wartet man doch nicht ab, bis sich ein Gesamtbild ergibt? Es ist also wenig erstaunlich, daß im »Alphabetischen Deck-namenverzeichnis unterirdischer Bauten nach dem Stand vom 15. Januar 1945, ausgefertigt vom Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, Amt Bau-OT, Amtsgruppe Technik« der Deckname »Quarz II« wieder mit der Ortsangabe »Melk II« enthalten ist151! Von Einstellung kann also keine Rede sein. Ganz im Gegenteil, es ist ein weiterer wichtiger Hinweis darauf, daß die Wr. Neustädter Flugzeugwerke mit den Entwicklungen in Roggendorf in Verbindung standen. Es gab also im Umfeld der WNF gleich mehrere nachweisbare High-Tech-Zentren, deren Spuren in die Umgebung von Projekt »Quarz« führen. Wen wundert es dann noch, daß die Bevölkerung in der Umgebung von Roggendorf teilweise noch heute der Meinung ist, daß in den Stollen auch ein Messerschmitt-Werk untergebracht war152? Trotzdem die Wr. Neustädter Flugzeugwerke das größte Messerschmitt-Jäger-Werk des Zweiten Weltkrieges über-

150 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 177. Reichsministerium für Rü-stungs- und Kriegsproduktion, Niederschrift über die Besprechung am 23.3.1944 beim Amt Bau betr. Unterirdische Verlagerungen, Bundesarchiv Koblenz.

151 Vgl. Wichert, Decknamenverzeichnis deutscher unterirdischer Bauten, S. 138.

152 Vgl. Frais, Markersdorf - Haindorf, S. 209.

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Abbildung 46: Blick vom Wachberg in Richtung Hiesberg. An der Wegkreuzung im Vordergrund stand die Arbeitersiedlung Anzendorf. Dahinter befindet sich die Schallaburg. (Foto: Ver-fasser)

haupt waren, befanden sie sich doch nicht im Besitz der Mes-serschmitt AG. Es handelte sich dabei vielmehr um eine Li-zenzfertigung, die im Besitz und Verantwortungsbereich des Deutschen Reiches lag. Wer aber war das »Deutsche Reich«? Wer hatte im fraglichen Zeitraum zu bestimmen, was mit dem Werk geschah und was dort entwickelt werden sollte? Darauf kann es eigentlich nur eine Antwort geben: SS-General Hans Kammler! Seit dem 1. März 1944 nahm er eine Schlüsselposition im sogenannten »Jägerstab« ein153, der die Jagdflugzeugproduktion des Dritten Reiches sicherstellen sollte: Er war »verantwortlich für Sonderbauaufträge«, also für die Errichtung von Stollenanlagen für die Jägerfabriken.

153 Anordnung des Reichsministers für Rüstungs- und Kriegsproduktion vom 1. März 1944, abgedruckt bei: Beauvaris/Kössler/Mayer/Regel, Flugerprobungsstellen bis 1945, Anlage 6.

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De facto hatte er nun genügend Einfluß, um zu bestimmen, welche Einrichtung wohin verlagert wurde und was sie zu fertigen hatte. Es gab also auf der einen Seite wichtige Flugzeugentwick-lungszentren der WNF, die in der Einflußsphäre Kammlers lagen und deren Spuren nach Roggendorf klar nachvollziehbar sind. Auf der anderen Seite existierten die Forschungsanlagen in »Quarz«, die unter direkter Kontrolle Kammlers standen und die für ihre Atombombe ein neues, weitreichendes Trägerflugzeug benötigten. Was liegt also näher, als daß von den Reißbrettern der Wr. Neustädter Flugzeugwerke der erste deutsche Atombomber kommen sollte? Den Technikern und Ingenieuren dieses Werkes wäre es ein leichtes gewesen, innerhalb kürzester Zeit einen vorhandenen Bomber, z. B. eine viermotorige Heinkel He 177 als Atombomber zu adaptieren. Dessen Tragkraft von maximal 7.200 kg154 hätte bei weitem ausgereicht, eine mögliche Atombombe zu transportieren. Es bleibt die Frage, ob es ein Zufall war, daß man ausgerechnet am Wachberg ein Me-262-Düsenjägerwerk unterbringen wollte: Nur wenige Meter neben einem der geheimsten deutschen Bauprojekte des Zweiten Weltkrieges sollte das modernste und beste Jagdflugzeug des Krieges in großer Stückzahl hergestellt werden. Es scheint so, als sollte damit der Schutz der Anlagen von Projekt »Quarz« auf lange Sicht sichergestellt werden. Welches deutsche Bauprojekt erhielt noch sein eigenes Düsenjägerwerk, um es vor alliierten Bombern zu schützen? Auch hier zeigt sich also deutlich die Wichtigkeit der Anlagen im Wachberg.

154 Vgl. Nowarra, Die deutsche Luftrüstung 1933-1945, Teil 2, S. 231.

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6. Die letzten Kriegstage

Hält die dargestellte Theorie, dann hätte sich eine solche Anlage wie »Quarz« sicherlich auf die Geschehnisse am Ende des Zweiten Weltkrieges ausgewirkt. Sie wäre strategisch so wichtig gewesen, daß ihre Bedeutung den Verlauf des Zweiten Weltkrieges in jedem Fall beeinflußt hätte. Grund genug also, den fraglichen Frontabschnitt etwas genauer zu untersuchen.

1944 - Die Ostfront bricht zusammen

Im Zeitraum Ende 1944 bis Mai 194 5 war die Deutsche Wehrmacht schon in sehr schlechtem Zustand. Die Lage wurde durch den Umstand weiter verschlimmert, daß man seit Sommer 1944 kaum mehr Unterstützung durch die Luftwaffe zu Verfügung hatte, da alle Kapazitäten den amerikanischen Einheiten in der Normandie entgegengeworfen wurden. Trotz dieser schlechten Ausgangslage hatten die Heeresgruppen Süd und Südost, nach dem Verlust von Budapest, im Raum Plattensee die Gegenoffensive »Frühlingserwachen« gestartet. Die Hauptlast dieser Offensive sollte die 6. SS-Panzerarmee tragen. Diese war erst im September 1944 aufgestellt worden, unterstand dem bekannten Oberstgruppenführer Sepp Dietrich und bildete den Rahmen für die absoluten Eliteeinheiten des Dritten Reiches. Schon vor ihrer Gründung hatte man die SS-Divisionen dieser Armee bei fast allen heiklen Situationen an vorderster Front gefunden. So z. B. im Polen- und Frankreichfeldzug, in der Panzerschlacht von Kursk und in der Normandie.

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Mit der Teilnahme an der Ardennenoffensive 1944 und der Operation »Frühlingserwachen« am Plattensee 1945 stellte die 6. SS-Panzerarmee den Kern für Hitlers letzte Offensiven. Im Zuge des Unternehmens »Frühlingserwachen« war die 6. SS-Panzerarmee in zwei Panzerkorps gegliedert, die aus folgenden Einheiten bestanden:155

I. SS-Panzerkorps: 1. SS-Panzerdivision »Leibstandarte SS Adolf Hitler« 12. SS-Panzerdivision »Hitlerjugend«

II. SS-Panzerkorps: 2. SS-Panzerdivision »Das Reich« 9. SS-Panzerdivision »Hohenstaufen«

Die Sowjets waren aber vorgewarnt und starteten im selben Frontabschnitt ebenfalls eine Großoffensive. »Frühlingser-wachen« wurde für die 6. SS PzA zum Desaster und endete nicht nur mit dem Verlust vieler Panzerfahrzeuge, sondern in weiterer Folge auch mit dem Verlust Wiens. Beim Zurückweichen der SS-Divisionen nach Wien ergeben sich aber bereits unerklärliche Auffälligkeiten. Das II. SS-Panzerkorps (inzwischen aus Teilen der 2. SS-Panzerdivision, der 3. SS-Panzerdivision »Totenkopf« und der Grenadierdivision »Der Führer« bestehend) beteiligte sich zwar kurz an der Verteidigung Wiens, setzte sich aber sehr bald nach Norden über die Donau ab. Das I. SS-Panzerkorps nahm praktisch überhaupt nicht an den Kämpfen in Wien teil und setzte sich statt dessen gleich nach Westen ab! Die wichtige Industriestadt Wiener Neustadt, mit ihren riesigen Flugzeugwerken, Pulverfabriken, Bahnhöfen und dem wichtigen Luftwaffenstützpunkt, wird dabei von der SS so of-

155 Vgl. Williamson, Die SS - Hitlers Instrument der Macht, S. 184.

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fensichtlich aufgegeben, daß der Kommandant des Luftwaf-fenstützpunktes in seinem Abschlußbericht schreibt:156 »Auf dem Marsch nach Markersdorf fuhren endlose Kolonnen der Waffen-SS an mir vorüber, die in mir den Eindruck des fluchtartigen Verlassens der Kampfstelle in Wr. Neustadt erweckten. Ich habe weiterhin den Eindruck, daß in dem Kampfraum in Wr. Neustadt eine einheitliche Führung nicht vorhanden war und daß sich einzelne Truppenteile vom Feind absetzten, ohne ernsthaften Kampf aufzunehmen.« An eine hartnäckige Verteidigung Wiens dachte der Befehlshaber der 6. SS PzA Sepp Dietrich offenbar überhaupt nicht mehr, obwohl ihm dies von Hitler am 3. April 1945 ausdrücklich befohlen worden war.157 Nach dieser seltsamen Spaltung der 6. SS PzA stieß die Rote Armee weiter nach Wien vor und eroberte die österreichische Hauptstadt in nur acht Tagen. Die Sowjets beziffern die deutschen Verluste für den Zeitraum 16. März (Beginn der Offensive am Plattensee) bis 13. April (Fall von Wien) mit:158 - 11 Panzerdivisionen (darunter die 6. SS-Panzerarmee), - 130.000 Mann, - 1.345 Panzer und Sturmgeschütze, - 2.250 Feldgeschütze.

156 Abgedruckt bei: Brettner, Die letzten Kämpfe des II. Weltkrieges im südlichen Niederösterreich, S. 62.

157 Vgl. Christopher Clark in: Smelser/Syring, Die SS - Elite unter dem Totenkopf, S. 124.

158 Vgl. Landsmann, Floridsdorf 1945, S. 60. »Daily Telegraph« vom 14.4.1945. Landsmann schreibt »... einschließlich der 6. SS-Panzerdivision«, dies ist aber eindeutig ein Schreibfehler, da die genannte Division im fraglichen Zeitraum an der Westfront unter dem Befehl des »Oberkommandeurs West« stand. Vgl. Lucas, Handbuch der Wehrmacht 1939—1945, S. 208.

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Diese Zahlen müssen bei weitem übertrieben und teilweise einfach falsch sein, denn wie kann die 6. SS PzA vernichtet worden sein, wenn sie sich schon vorzeitig abgesetzt hatte und an den letzten Kämpfen kaum beteiligt war? Auch der Bürgermeister von Wien sprach von »nur« 5.000 Toten (Soldaten und Zivilpersonen), die nach der Schlacht beerdigt werden mußten159. Die deutschen Truppen waren weit besser davongekommen, als dies in der offiziellen Geschichte festgehalten wurde. Wichtig ist hierbei die Frage, warum man auf dem relativ begrenzten Schlachtfeld westlich von Wien auf die absolute Elite aller SS-Divisionen des gesamten Krieges trifft. Warum sind auf einmal alle diese Einheiten, die bisher verstreut an allen Fronten »Feuerwehr« spielen mußten, auf diesem engen Raum konzentriert? Ist Niederdonau nach dem Verlust der einstigen Hauptstadt Wien160 wirklich noch so wichtig? Wären diese letzten starken Einheiten nicht in Berlin viel dringender gebraucht worden? Daß eine Verlegung noch möglich gewesen wäre, zeigt der Transport von Teilen der 2. SS-Panzerdivision »Das Reich« Mitte April 1945 von Wien nach Dresden161. Total zerstört sind die Einheiten ja nicht - wie sich sehr bald zeigen sollte. Kaum ist Wien verloren, beginnen alle Teile der Heeresgruppe Süd, also die 2. Panzerarmee, die 6. Armee, die 8. Armee und die 6. SS-Panzerarmee hartnäckig Widerstand zu leisten. Besonders die beiden SS-Panzerkorps der 6. SS-Panzerarmee tun sich dabei hervor:

159 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich, S. 191. Sozialistische Hefte 2, Wien 1945.

160 Die Gauhauptstadt des Gaues Niederdonau war Krems. 161 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 424;

Wei-dinger, Das Reich.

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Nördlich der Donau, in und um die Burg Kreuzenstein (bei Stockerau) verschanzt sich das II. SS-Panzerkorps. Trotz hef-tigstem Artilleriebeschuß gelingt der Roten Armee auf der gesamten Linie Mistelbach - Korneuburg kein Durchbruch mehr. Die deutschen Einheiten leisten so heftigen Widerstand, daß die Sowjets nur eine Möglichkeit sehen und hinter den SS-Einheiten über die Donau übersetzen. Doch selbst dieses Unternehmen scheitert und führt nicht zum erhofften Durchbrach162. Auch nördlich davon leistet die 8. Armee noch erbitterten Widerstand.

»Geisterdivisionen« erwachen zu neuem Leben

Südlich der Donau bietet sich ebenfalls ein seltsames Bild: Noch vor der Eroberung Wiens war ein Teil der Roten Armee ausgeschwenkt und marschierte nun mit etwa 15.000 Mann und 100 Panzern in Richtung St. Pölten163. Gerade in diesen Abschnitt drängten die Sowjets offenbar besonders stark. Die deutsche Luftaufklärung meldete immer stärker werdende Bewegungen aus dem Raum Baden. Das I. SS-Panzerkorps, das sich ja schon vorzeitig nach Westen abgesetzt hatte, bestand weiter aus der 1. SS-Panzerdivision »Leibstandarte SS Adolf Hitler« und der 12. SS-Panzerdivision »Hitlerjugend«. Diese beiden Einheiten bilde-ten den Kern für den gesamten Frontabschnitt von der Donau bis an den Semmering. Warum traf man genau hier auf diese Einheiten? Nicht einmal die Erdölfelder nördlich von Wien (Zistersdorf) erhielten einen so hochrangigen Schutz zugeteilt, obwohl sie in einem Führer-Sonderbefehl als »kriegsentscheidend« einge-

162 Vgl. Rossiwall, Schlachtfeld Niederösterreich, S. 119. 163 Vgl. Rauchensteiner, 1945 Entscheidung für Österreich, S. 33.

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stuft wurden164. Diese Erdölfelder deckten in den letzten Kriegsmonaten immerhin 60% des deutschen Erdölverbrauches und waren somit überlebenswichtig! Die beiden Panzerdivisionen waren Generaloberst Rendu-lic unterstellt, dem Befehlshaber der gesamten Heeresgruppe Süd, hatten aber nach dessen Meinung noch nicht genug Kampfkraft für den Raum St. Pölten. Er befahl eine auffallende Verlagerung vieler seiner besten Truppenteile an den Frontabschnitt vor Melk. Bis zum 8. April verlagerte man folgende Einheiten dorthin:165 - Volks-Artilleriekorps 403 - Heeres-Artillerie-Brigade 959 - Artillerie-Abteilung III./818 - Sturm-Artillerie-Brigade 261

Die Namen täuschen nicht: Hier wurde alles an Artillerie konzentriert, was die 6. SS-Panzerarmee noch bieten konnte. Verstärkt wurden diese Truppen durch:166 - Panzer-Aufklärungs-Abteilung 1 - Heeres-Panzerjagd-Brigade 2 - Flak-Sturm-Regiment 4 sowie - drei Infanterie-Battaillone (die SS-Alarm-Bataillone A, B,C)

Ab dem 8. April 1945 begann man unter dem Kommando von Generalmajor Schultz sogar ein ganzes neues Korps (!) für die 6. SS-Panzerarmee aufzustellen, um die Front an der linken Flanke des I. SS-Panzerkorps weiter zu verstärken! Unentwegt wurden noch weitere Truppenteile herangeschafft, darunter ganze Divisionen:

164 Vgl. Rossiwall, Schlachtfeld Niederösterreich, S. 120. 165 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Osterreich '45, S. 223. 166 Ebenda, S. 223.

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- 710. Infanterie-Division - Panzer-Aufklärungs-Abteilung 3 - Schwere Heeres-Panzerjäger-Abteilung 653167 - 117. Jäger-Division168 - ein Regiment der 10. Fallschirmjäger-Division169 - 2. SS-Panzerdivision »Das Reich« (Teile)170 - 9. SS-Panzerdivision »Hohenstaufen« (Teile)171

Auch weitere Artillerieeinheiten werden an diesem Front-abschnitt konzentriert. Sogar zwei königlich-ungarische Ar-tillerieabteilungen kommen zum Einsatz172. Selbst die schweren Flak-Einheiten der chemischen Industrie im nahen Moosbierbaum (Flak-Untergruppe Moosbierbaum) werfen sich nun aufopfernd in die Schlacht und bekämpfen Bodenziele173. Alles in allem kommt man auf dem relativ kleinen Frontabschnitt von etwa 15 Kilometern Länge auf die für die damaligen deutschen Verhältnisse unglaubliche Zahl von 150 Geschützen174. Bemerkenswert ist auch, daß die 2. Kompanie des 2. SS-Pan-zerregiments »Das Reich« vom SS-Panzerarmee-Oberkommando 6 (PzAOK 6) den Befehl erhielt, zwischen Wien und

167 Vgl. Rauchensteincr, Der Krieg in Österreich '45, S. 226; Studie Greiner, Korps Bünau.

168 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 230. 169 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 230.

Bericht Rüdiger Zimburg über die 10. Fallschirmjäger-Division.

170 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 424; Wei-dinger, Das Reich

171 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 425; Kriegstagebuch OKW, Bd. IV/2

172 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 226; Studie Greiner, Korps Bünau.

173 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 226f.; Studie Greiner, Korps Bünau.

174 Vgl. Rauchensteiner, 1945 Entscheidung für Österreich, S. 33.

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St. Pölten als selbständige Einheit zu operieren. Dazu wird der Kommandant - SS-Obersturmführer Fritz Langanke -ermächtigt, sämtliche verwendungsfähigen Panzer (notfalls unter Waffengewalt) zu beschlagnahmen und einzusetzen! Das führt dazu, daß an diesem Frontabschnitt nun einige der modernsten deutschen Panzer - Tiger II (Königstiger) -zum Einsatz gelangten175.

Fünf Kilometer vor Markersdorf - die Front steht

So gelingt es tatsächlich noch ein letztes Mal, von der Donau bis zum Semmering eine durchgehende Frontlinie aufzubauen. Was heute teilweise als »kleine Schießereien« dargestellt wird, waren in Wahrheit teils erbitterte Gefechte im gesamten Frontabschnitt der 6. SS-Panzerarmee. Zwei Wochen sollten die Kämpfe dauern und beiden Seiten schwere Verluste einbringen. Zum Vergleich: Für die Eroberung von ganz Wien hatten die Sowjets nur eine gute Woche gebraucht, und das war immerhin die zweitgrößte Stadt des Dritten Reiches! Am Semmering verschanzten sich Teile der 9. Gebirgsdivision »Kampfgruppe Semmering«. Sie sollte die Front bis Kriegsende halten. Nördlich davon leisteten (von Süden nach Norden) die 1. SS PzDiv »Leibstandarte SS Adolf Hitler«, die 12. SS PzDiv »Hitlerjugend« und das Korps »Schultz« mit der 117. Jäger-Division und der 710. Infanterie-Division bis zur Donau erbitterten Widerstand. Immer wieder versuchten die Sowjets durch Gebirgstäler vorzudringen - die Leibstandarte verhinderte dies in zähen Kämpfen. So wurde um den kleinen Ort Markt Piesting

175 Vgl. Agte, Jochen Peiper, S. 360f.

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24 Tage lang gekämpft. Die Ortschaft Hainfeld wurde von der SS mit drei Panzern so erbittert verteidigt, daß bei deren Abzug kaum noch ein Haus stand. Auch in und um St. Pölten wurde verbissen gekämpft. Am 9. April wurde ein sowjetischer Panzerangriff gestoppt, wobei auch mehrere sowjetische Panzer zerstört wurden. St. Georgen wird am 14. April von der SS unter Einsatz einiger Königstiger sogar zurückerobert. Der Gegenangriff der Sowjets kann aber erst am 16. April in Wilhelmsburg gestoppt werden, wo Teile eines SPW-Bataillons und der schweren SS-Panzerabteilung 501 zum Einsatz kommen. Bei den Kämpfen am nächsten Tag werden elf russische Panzer vernichtet176. Die Sowjets umgehen schließlich Wilhelmsburg, und die Kämpfe verlagern sich noch stärker ins Traisental. Der Ort Traisen wurde besonders stark umkämpft. Scheinbar versuchten die Sowjets den deutschen Verbänden über die Flanke in den Rücken zu fallen. Heftige Panzer- und Artillerieduelle folgten, bei denen viele Soldaten und Zivilisten getötet wurden. In dem kleinen Ort wurden 40 Häuser zerstört. Erst nach massivem Artilleriebeschuß, Panzergefechten und Tieffliegerangriffen konnte Traisen nach dreiwöchigem Kampf am 20. April von den Sowjets eingenommen werden177. Aber auch das nützte nichts, denn nun setzte sich der Kampf mit unverminderter Härte auf den Berghöhen hinter dem Ort fort. Nach der Eroberung St. Georgens war St. Pölten von zwei Seiten umfaßt. Schließlich gerät das Stadtgebiet ab dem 14. April unter schweres Artilleriefeuer. Die SS sprengt alle Traisenbrücken und zieht sich am 16. April zurück. Die

176 Vgl. Agte, Jochen Peiper, S. 362. 177 Vgl. Rossiwall, Schlachtfeld Niederösterreich, S. 120.

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überlebenden SS-Soldaten sprechen von der »Hölle von St. Pölten«178. Nach zehn Bombenangriffen und den Kampf-handlungen sind fast 40% der Stadt zerstört. Am 16. April versucht die Rote Armee nördlich von St. Pölten noch einmal die deutsche Hauptkampflinie zu durchdringen, wird aber zurückgewiesen. Die SS-Einheiten erhalten sogar noch in diesen letzten Kriegstagen immer wieder Verstärkung in Form neuer Pan-zerfahrzeuge. So bekommt die 1. SS-Panzerdivision am 1. April zur Ver-teidigung von Wr. Neustadt 10 neue Panzer IV179, mit denen sie allerdings nicht den erteilten Auftrag ausführt, sondern sich - wie schon gezeigt - absetzt. Weiterhin erhalten die Truppen westlich von St. Pölten am 16. April sieben neue Panzer180. Sogar noch Anfang Mai wird das 1. SS-Panzerregiment mit neuen Panzern beliefert: so z. B. mit sechs nagelneuen »Jagdtiger«-Panzern aus dem Nibelungenwerk181 und am 7. Mai mit vier weiteren Exemplaren des Typs IV182. Das klingt vielleicht nicht viel, aber im Zusammenhang mit der deutschen Gesamtsituation sind das bemerkenswerte Zahlen! Als Vergleich: Kurz vor der Operation »Frühlingserwachen« standen der 1. und 12. SS-Panzerdivision gerade einmal 27 bzw. 21 Panzer zur Verfügung183! Nach der Eroberung St. Pöltens gelingt es den SS-Einheiten dann am 16. April endgültig die Front zu stabilisieren, nicht zuletzt durch das Eingreifen des in Markersdorf stationier-

178 Vgl. Frais, Markersdorf - Haindorf, S. 206. 179 Bericht Obersturmführer Sternebeck in: Tiemann, Opfergang

für Deutschland, S.3 5 2. 180 Vgl. Frais, Markersdorf - Haindorf, S. 209. 181 Vgl. Agte, Jochen Peiper, S. 363. 182 Vgl. Bericht Unterscharführer Manfred Thorn, in: Tiemann, Op-

fergang für Deutschland, S. 409. 183 Vgl. Tiemann, Opfergang für Deutschland, S. 252.

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Abbildung 47: Ansicht des Nibelungenwerkes bei St. Valentin. Einstmals eine der größten Panzerfertigungen des Dritten Reiches. Im Hintergrund: das Dach einer der riesigen Montagehallen. (Foto: Verfasser)

Abbildung 48: Auf dem Soldatenfriedhof in Blumau (nördlich von Wr. Neustadt) liegen 3.812 deutsche Soldaten begraben. Sie fielen in den letzten Kriegswochen in Niederösterreich, beispielsweise bei der Verteidigung der Gebirgspassagen Richtung St. Pölten. (Foto: Verfasser)

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Abbildung 49: Sowjetische Granatwerferstellung im Westen von

St. Pölten, April 1945 (Foto: Sammlung Verfasser)

Abbildung 50: Deutscher Soldatenfriedhof in St. Pölten. (Foto:

Verfasser)

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Abbildung 51: Gedenkstein an die letzte Frontlinie bei Gerersdorf, westlich von St. Pölten. (Foto: Verfasser)

Abbildung 52: Das völlig zerstörte St. Pölten im Mai 1945 (Foto: Stadtarchiv St. Polten)

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ten Schlachtgeschwaders SG 10. Es kommt zwar noch zu sowjetischen Vorstößen, die aber alle zurückgewiesen werden. In den Orten um Markersdorf wird zu diesem Zeitpunkt weiterhin schwere Artillerie konzentriert - es kommt sogar noch zu einigen Gegenangriffen deutscher Panzer. Die Stellungen westlich der Traisen sollten schließlich bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 halten. Die angeblich kleinen Gefechte forderten ihren Tribut: Auf dem deutschen Soldatenfriedhof in St. Pölten liegen noch heute knapp 1.000 und nördlich von St. Pölten in Oberwölbling 4.066 Gefallene aus der Umgebung. 5.000 Soldaten, die »ohne Grund« im letzten Kriegsmonat in den Tod gingen? Zum Vergleich: Die »riesige« Schlacht um Wien hatte auch 5.000 Tote gefordert, nur sind in diese Zahl auch zivile Tote

Abbildung 53: Zirka 4.000 deutsche Gefallene der Kämpfe im Frontabschnitt St. Pölten liegen in Oberwölbing begraben. (Foto: Verfasser)

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eingerechnet! Während der Kampf um Wien heute als große Schlacht gilt, über die es sogar eigene Bücher gibt, werden die Kampfhandlungen bei St. Pölten heute völlig vergessen! Bleibt die Frage: Wozu das alles? Sind es ein paar Bauerndörfer wirklich wert, so erbitterten Widerstand zu leisten? Selbst Wr. Neustadt mit seinen riesigen Messerschmitt-Flugzeugwerken wurde kaum verteidigt. Die Vorgänge im April und Mai 1945 in diesem Frontabschnitt sind beispiellos - es sollte die letzte durchgehende Frontlinie des Zweiten Weltkrieges sein, die fünf Kilometer vor Markersdorf zum Stehen kam!

Wichtige Treffen

Am 16. April 1945 übergab Generalmajor Schultz das Kommando über sein Korps an General von Bünau. Das Korps hieß folglich von nun an Korps Bünau. Ort der Kommandoübergabe: die Schallaburg, in direkter Nachbarschaft von »Quarz«! Am Tag darauf trafen sich am selben Ort auch Generaloberst Rendulic und Oberstgruppenführer Sepp Dietrich, Befehlshaber der schon oft genannten 6. SS-Panzerarmee, um die Lage zu erörtern184. Ist es nicht seltsam, daß diese Treffen gerade auf der Schallaburg stattfinden? Von der Burg aus hatte man uneingeschränkte Sicht auf den Wachberg und die verschiedenen zu »Quarz« gehörenden Einrichtungen in der Umgebung. Zwar war das KZ Melk zu diesem Zeitpunkt offiziell schon geräumt und auch die Baufirmen hatten Roggendorf schon

184 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 230. Tagebuch Bünau, a. a. O.

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Abbildung 54: Ansicht der Schallaburg (Foto: Verfasser)

längst verlassen, aber offensichtlich hatten die Stollenanlagen von Projekt »Quarz« noch immer genügend Bedeutung, um höchste militärische Befehlshaber anzuziehen. Hätten sich Rendulic und Dietrich wirklich nur getroffen, um die Lage zu erörtern, so hätten sie dies gewiß auch an einem anderen Ort tun können. Rendulic hatte sein Hauptquartier in Urbach, östlich von St. Leonhard am Forst, und Dietrich etwa zehn Kilometer südöstlich davon, im Schloß Grünbichl in Kilb185. Logischer Treffpunkt wäre eines der beiden Hauptquartiere oder die Ortschaft Mank gewesen, die genau dazwischen lag. Warum setzt man sich statt dessen der ständigen Gefahr von Tieffliegerangriffen aus, um sich zehn Kilometer weiter im Norden, in Sichtweite von »Quarz« zu treffen? Auch die Lage des besagten Hauptquartiers der gesamten Heeresgruppe Süd ist in diesem Zusammenhang interessant. Die Ortschaft Urbach bei St. Leonhard am Forst, am Fuße

185 Vgl. Frais, Markersdorf - Haindorf, S. 210.

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des Hiesberges, liegt keine zehn Kilometer von »Quarz« entfernt186. Die Heeresgruppe Süd (Ostmark) reichte von der Heeresgruppe Mitte im Protektorat Böhmen und Mähren, bis zur Heeresgruppe E in der Steiermark - ein Frontabschnitt von ca. 300 Kilometern Länge also. Sollte es da ein Zufall sein, daß das wichtige Hauptquartier für diesen riesigen Frontabschnitt gerade einmal zehn Kilometer vom Wachberg entfernt liegt? Auch das von den Stollen kaum weiter entfernte Hauptquartier der 6. SS-Panzerarmee in Kilb ist beachtenswert. Dieses Hauptquartier des scheinbar unbedeutenden Frontabschnittes vor »Quarz« hatte nämlich eine seltsame Anziehungskraft auf hochrangige Persönlichkeiten des zusammenbrechenden Dritten Reiches. So waren hier z. B. folgende Personen anzutreffen:187 - Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, Chef des Ober-

kommandos der Wehrmacht - Generaloberst Lothar Rendulic, Befehlshaber der Heeresgruppe

Süd - Oberstgruppenführer Sepp Dietrich, Befehlshaber der 6. SS-

Panzerarmee - Baldur von Schirach, Reichsjugendführer und Gauleiter von

Wien - Dr. Hugo Jury, Gauleiter von Niederdonau (Niederösterreich) - August Eigruber, Gauleiter von Oberdonau (Oberösterreich) - Dr. Siegfried Uiberreither, Gauleiter der Steiermark

186 Das letzte HQ der HGr Ostmark befand sich in Waidhofen a. d. Ybbs.

187 Vgl. Frais, Markersdorf- Haindorf, S. 210.

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Als der Oberstleutnant Graf Karl Heinrich von Rittberg bei einer der Besprechungen in Kilb anmerkte, daß der Krieg verloren sei und seine Weiterführung einem Verbrechen gleichkäme, wurde er von SS-Männern sofort erschossen188. Die genannten Persönlichkeiten waren bei ihren Treffen also keineswegs der Überzeugung, daß der Kampf vergebens sei. Gingen sie davon aus, daß sie noch einen letzten »Trumpf im Ärmel« hatten? Trafen sie sich deshalb in der Nähe von Roggendorf? Sogar Hitler war dieser Frontabschnitt noch bis zuletzt sehr wichtig. SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner, Chef des Reichssicherheitshauptamtes und seit dem 18. April auch Himmlers Stellvertreter im Südraum189, erstattete daher Ren-dulic noch Ende April 1945 einen Besuch ab. Am 29. April, einen Tag vor Hitlers Selbstmord, telegrafierte er in den Füh-rerbunker in Berlin:190 »Mein Führer. Lage in Süddeutschland 29.4.45. Besuch bei Rendulic und N. D. [Niederdonau], gibt gefestigte Frontlagen, Verbesserung am Semmering und Wechsel, bessere Stimmung der Truppe durch gute Führung. Hervorragendes Zu-sammenarbeiten zwischen O. B. Süd und Gauleitern ...« Woher kam Hitlers Interesse für diesen Frontabschnitt, vor allem zu einem Zeitpunkt, als die Rote Armee nur noch wenige Meter von der neuen Reichskanzlei in Berlin entfernt war? Stand es in Zusammenhang mit Hitlers letztem Besuch der Front vor Berlin am 11. März 1945 ? Dabei hatte er den General der Infanterie Busse gebeten, den sowjetischen Angriff auf Berlin so lange wie nur irgend möglich zu verzögern. Hitler beendete das Treffen mit den Worten:191

188 Vgl. Frais, Markersdorf - Haindorf, S. 210. 189 Vgl. Kaltenegger, Operation Alpenfestung, S. 234. 190 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 238. Stad-

ler, Österreich.

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»Jeder Tag und jede Stunde sind kostbar, um die fürchterlichen Waffen fertigzustellen, welche die Wende bringen!« Ist es nun nur ein bloßer Zufall, wenn Hitler in seinen letzten Lebensstunden noch einen Bericht Ernst Kaltenbrun-ners erhält, der ihn über die Lage der Heeresgruppe Süd informiert?

»Irgend etwas« bedroht die Rote Armee

Am 27. April 1945 geschieht schließlich auf der gesamten Front der 6. SS-Panzerarmee das absolut Unmögliche: Die Sowjetarmee gibt ihre Angriffe auf192, obwohl die Grenze ihrer Besatzungszone - die Enns - noch längst nicht erreicht ist. An der gesamten Front der Linie Traisen - drei Kilometer westlich St. Pölten - Dunkelsteinerwald und nördlich der Donau im Frontabschnitt Korneuburg ruhen bis zum 8. Mai die Waffen, ohne daß ein Waffenstillstand vereinbart worden wäre. Über die Gründe wurde selbst unter den deutschen Offizieren und Landsern gerätselt. Ganze Ortschaften, die hinter den sowjetischen Linien liegen, müssen von der Bevölkerung geräumt werden. Unter Aufsicht der russischen Offiziere heben die Einwohner Stellungen, Splitterschutzwälle und Verbindungslinien aus193. Es wurde also alles getan, um einen gewaltigen Angriff abzuwehren! Die SS- und Wehrmachtsangehörigen erhielten zudem über Lautsprecher etwa folgende Mitteilung von russischer Seite:194

191 Vgl. Piekalkiewicz, Krieg der Panzer 1939-1945, S. 320. 192 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 235.

Militärarchiv Freiburg, Lageberichte Ost, Nummern 1411 bis 1415.

193 Vgl. Rauchensteiner, 1945 Entscheidung für Österreich, S. 34. 194 Vgl. Rendulic, Gekämpft - Gesiegt - Geschlagen, S. 376.

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»Kameraden! Der größte Verrat der Weltgeschichte steht bevor. Wenn ihr nicht mit den kapitalistischen Mächten gegen uns weiterkämpfen wollt, dann kommt zu uns herüber!« Was war also geschehen? Nichts von all diesen Vorgängen ist bis heute geklärt worden. Versuchen wir es zu verstehen. Eines scheint klar: Die Rote Armee befürchtete, daß die US Army und die Deutsche Wehrmacht nun gemeinsam gegen sie kämpfen würden. Doch waren diese Bedenken berechtigt? Wie sollte die praktisch zerschlagene Wehrmacht die US Army dazu bewegen können, nun gemeinsam gegen die Rote Armee vorzugehen? Was nutzten zudem schon einige wenige deutsche Divisionen gegen ein vielfach überlegenes Millionenheer? Was stand also hinter dem »größten Verrat der Weltgeschichte«? Tatsache ist, daß die Sowjets offensichtlich keine genauen Angaben hatten, wann und wo denn dieser Verrat stattfinden sollte, denn sie gingen fast an der gesamten Front in Österreich in die Defensive.

Die manipulierte Geschichtsschreibung

Es gab aber eine Armee, deren Verantwortliche scheinbar ganz genau wußten, was vor sich ging - und vor allem wo es stattfinden sollte: die 3rd US Army. Ein 700-Kilometer-Marsch hatte diese Armee Anfang Mai 1945 von Mitteldeutschland bis kurz vor ihr Ziel geführt, am 5. Mai 1945 hatten die US-Panzer die vereinbarte Zonengrenze in Enns erreicht. Die kleine Stadt war aber nicht das Ende ihres Marsches, auch wenn dies die offizielle Geschichtsschreibung so darstellt. Das Ziel lag noch weiter im Osten, ein Ziel für das es sich offensichtlich zu sterben lohnte. Die Heeresgruppe Süd hatte den US-Vorstoß schon früh-

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zeitig erkannt. Schon am 17. April 1945 begann Generaloberst Rendulic Vorkehrungen zu treffen, um einen US-Vorstoß über die Enns abzuwehren. Er nahm gleich mehrere Divisionen aus der nicht gerade überstarken Front seiner Heeresgruppe in der Steiermark heraus, um das Korps Bünau, sprich die Gegend zwischen St. Pölten und Enns, gegen Westen abzusichern.195

Abbildung 55: Reichsautobahnbrücke über die Enns. Der Fluß sollte Österreich bis zum Jahre 1955 als Zonengrenze teilen. (Foto: Verfasser)

Man muß sich das klarmachen: zu einem Zeitpunkt, an dem die 3rd US Army gerade Thüringen durchquert hat, trifft der Befehlshaber der Heeresgruppe Süd Vorkehrungen, um die Amerikaner an der Enns aufzuhalten! Entweder war hier ein Hellseher am Werk, bei dessen Können selbst Nostra-damus vor Neid erblaßt wäre oder aber Rendulic war schon

195 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 230.

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längst klar, wohin und vor allem was die US Army wollte. Rendulic rechnete übrigens fest damit, daß der Hauptschlag der US Army über die Enns gehen sollte, denn immerhin sollten drei (!) zusätzliche SS-Panzerdivisionen zur Abwehr des US-Vormarsches abgestellt werden196: - 2. SS PzDiv »Das Reich«, Frontabschnitt Enns-Unterlauf - 9. SS PzDiv »Hohenstaufen«, Frontabschnitt Mühlviertel - 12. SS PzDiv »Hitlerjugend«, Frontabschnitt mittlere Enns

Der Plan wurde zwar nicht in dieser Form realisiert, die Hee-resgruppe Süd wurde aber trotzdem bemerkenswert gut auf eine neue Front im Westen vorbereitet, unter anderem durch den Einsatz der Artillerie-Abteilung »Oberdonau«, die aus angeblich 300 (!) Marinegeschützen bestand197. Warum nur war Rendulic so klar, wohin die US Army wollte? War der deutsche Geheimdienst so gut, daß Eisenhowers Befehl vom 15. April 1945 (Vereinigung mit den Russen in Österreich) schon bekannt war, oder war es für Rendulic selbstverständlich, daß die US Army in seinem Machtbereich »etwas« suchte? Hätte Generaloberst Rendulic den besagten Befehl gekannt, dann hätte er anders reagiert, denn darin wird Salzburg als Treffpunkt genannt198! Bleibt nur noch die zweite Variante: Er wußte, wohin Patton wollte, noch vor dem US-General selbst! Auch das Korps Bünau begann einen Plan für eine letzte Verteidigungslinie gegen die US-Streitkräfte auszuarbeiten.

196 Vgl. Tiemann, Opfergang für Deutschland, S. 396; Rauchenstei-ner, Der Krieg in Österreich '45, S. 230.

197 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 239. Mittei-lung von Med. R. Dr. Ernst Zyhlarz an HR Dr. Allmayer-Back (Gedächtnisnotiz).

198 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 344; Mac-Donald, Offensive.

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Diese letzte Stellung sollte zwischen Melk und Oberndorf a. d. Melk eingerichtet werden199. - Es ist kaum zu glauben, aber die 6. SS-Panzerarmee wollte tatsächlich ein Drittes Reich verteidigen, das gerade noch von Markersdorf bis Melk reichte und nur noch 15 Kilometer breit war!!! Auf diesem Frontstreifen lag wiederum »rein zufällig« der Wachberg mit der Stollenanlage »Quarz«! Dieser Plan gelangte zwar nicht mehr vollständig zur Aus-führung, er zeigt aber sehr deutlich, welch schier unglaubliche Bedeutung dieser Streifen Land für die Waffen-SS gehabt haben muß. Die genauen Geschehnisse um »Quarz« zu Kriegsende sind derartig außergewöhnlich, daß sie hier detailliert und chro-nologisch noch einmal dargestellt werden sollen:

15. April 1945 Die Rote Armee erobert St. Pölten. Die abziehenden deutschen Truppen sprengen alle wichtigen Brücken über die Traisen.

16. April 1945 Nach dem Fall von St. Pölten werden die noch erhaltenen Gebäude des Fliegerhorstes Markersdorf gesprengt. Trotzdem bleiben einige Fw-190-Schlachtflugzeug des SG 10 zurück, um die nahe Front aus der Luft zu unterstützen. Weitere Flugzeuge der Einheit sind in Hörsching (bei Linz) und Zeltweg stationiert, in den letzten Kriegstagen wird weiterhin bei Seitenstetten ein kleiner Feldflugplatz eingerichtet. Auch von dort aus wird die Front bei St. Pölten unterstützt.

199 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 239, f. Studie Greiner, Korps Bünau.

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17. April 1945 Der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd, Generaloberst Rendulic, trifft erste Vorbereitungen, um den Gau Niederdonau auch gegen Westen mit aller Kraft zu verteidigen.

27. April 1945 Die Rote Armee gibt ihre Angriffe auf und bereitet sich auf »den größten Verrat der Weltgeschichte« vor. Die Bevölkerung wird gezwungen, ein gewaltiges Verteidigungssystem aufzubauen. Die Kämpfe am Frontabschnitt St. Pölten haben bis zu diesem Datum etwa 5.000 deutsche Gefallene gefordert.

29. April 1945 Ernst Kaltenbrunner telegrafiert die Lage der Heeresgruppe Süd nach Berlin.

30. April 194s Hitler begeht in Berlin Selbstmord, Großadmiral Dönitz wird sein Nachfolger.

1. Mai 1945 Die Heeresgruppe Süd wird in Heeresgruppe Ostmark um-benannt. Sie besteht aus der 2. Panzerarmee (diese wird kurz vor Kriegsende an die Heeresgruppe G abgegeben), der 6. Armee, der 8. Armee und der 6. SS-Panzerarmee (Frontabschnitt bei St. Pölten) und reicht von der Steiermark bis ins Protektorat Böhmen und Mähren.

4. Mai 1945 Dönitz bestimmt, daß Feldmarschall Kesselring als Ober-befehlshaber Süd die Führung der Heeresgruppen Mitte, Ostmark und Südost zu übernehmen habe200.

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5. Mai 1945 Am Abend des 5. Mai 1945 findet in Zeltweg ein hochrangiges Treffen zwischen Vertretern aller Armeen der Heeresgruppe Ostmark, dem Kommandierenden des Luftwaffenkommandos 4 (für die Ostmark zuständig) und Feldmarschall Kesselring statt. Dabei wird festgestellt, daß für die Armeen der Heeresgruppe unerwartete Großreserven und mehr als genügend Nachschub vorhanden sind!201 Während also das Dritte Reich und die Wehrmacht im Chaos versinken, gibt es hier noch schlagkräftige Einheiten, die über große Reserven an Truppen, Waffen, Munition, Treibstoffen und Verpflegung verfügen. Ein einzigartiger Zustand unter den Resten der deutschen Heeresgruppen! Bei dem Treffen am 5. Mai 1945 wird auch die Möglichkeit erläutert, mit den US-Streitkräften gemeinsam gegen die Rote Armee vorzugehen.202 Keiner der Vertreter der Armeen dachte also zu diesem Zeitpunkt über eine mögliche bedingungs-lose Kapitulation nach! Im Gegenteil, offenbar fühlte man sich so gut gerüstet, um erneut und diesmal mit den US-Streitkräften in die Offensive zu gehen. Ein Umstand, der zu denken geben sollte. Während dieses Treffens geschieht aber etwas, das einen ersten Hinweis darauf gibt, daß zu diesem Zeitpunkt nicht mehr alle Befehlshaber der Truppen um Melk »am selben Strang zogen«. Diesen Hinweis liefert ein Anruf von Sepp Dietrichs Haupt-quartier (PzAOK 6) an Kesselring. Darin wurden schwere Bedenken dahingehend geäußert, daß Generaloberst Ren-dulic Verhandlungen mit den Amerikanern anstrebte. Kes-

200 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 370; Kriegs-tagebuch OKW, Bd. IV/2.

201 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 371. 202 Ebenda, S. 370f.

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seiring fragte daraufhin sofort beim Befehlshaber der Hee-resgruppe Ostmark nach, welcher diese Behauptungen jedoch energisch bestritt. Kesselring glaubte ihm aber offensichtlich nicht ganz, da er der Heeresgruppe sofort befahl, sich »mit allem Nachdruck gegen ein allzunahes Aufrücken der amerikanischen Divisionen zu wehren«203. Dieser Befehl führte dazu, daß die 3. SS-Panzerdivision »Totenkopf« den US-Streitkräften nördlich der Donau bis zuletzt erbitterten Widerstand leistete. Offensichtlich gab es also auf der einen Seite Rendulic, der am liebsten sofort Verhandlungen mit den US-Streitkräften über eine mögliche Teilkapitulation begonnen hätte. Auf der anderen Seite stand Sepp Dietrich, der auf den ersten Blick noch einen Kampf »einer gegen alle« anstrebte und nicht daran dachte, zu kapitulieren. Etwa gleichzeitig erreichte die 3rd US Army den Fluß Enns auf Höhe der gleichnamigen Ortschaft. Schon wie in Pilsen stellte die mit den Sowjets vereinbarte Zonengrenze für die Amerikaner keinen Grund zum Anhalten dar, obwohl die Enns als Grenze erst vor wenigen Tagen festgelegt worden war204! Am 5. Mai war es offenbar zu spät, um eine Flußüberquerung zu wagen.

6. Mai 1945 Schon am nächsten Tag stellt die 65. US-Division eine Patrouille zusammen und versucht tatsächlich die Enns zu überschreiten, genauso wie es Rendulic schon drei Wochen zuvor »vorhergesehen« hatte. Doch am gegenüberliegenden Ufer, in der Ortschaft Enns-

203 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 371. Studie Kesselring, Geschichte des OB West und Ausarbeitung Balck.

204 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Osterreich '45, S. 344. Pogue, Supreme Command.

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dorf, erleben die Amerikaner eine böse Überraschung. Die deutschen Truppen schlagen die Patrouille zurück205 -noch ... Auch weiter südlich hatte die US Army eine Patrouille zu-sammengestellt, die bis nach Waidhofen a. d. Ybbs marschierte. Hier war das letzte Hauptquartier der Heeresgruppe Ostmark. Als die Fahrzeuge der 71. US-Division den Ort erreichten, wurden auch sie vorerst von Panzersperren aufgehalten. Der anwesende Generaloberst Rendulic erkannte aber die einmalige Chance, bat die US-Vertreter zu sich206 und begann sofort mit Verhandlungen. Die Befürchtungen Sepp Dietrichs und Kesselrings hatten sich also sehr schnell bewahrheitet. Dies alles geschah, obwohl Kesselring noch am Morgen, durch das erwähnte Telefonat beunruhigt, befohlen hatte, daß im Falle einer Handlungsunfähigkeit des Oberkommandos der Heeresgruppe Ostmark, Sepp Dietrich, das Kommando über die HGr übernehme sollte207. Im Klartext war dies eine ausgesprochen scharfe Warnung an Rendulic, sich nicht zu den US-Streitkräften zu begeben! Etwa gleichzeitig verhandelte noch eine weitere Person mit Soldaten der US Army: der Gauleiter von Oberdonau, August Eigruber. Er bot in Windischgarsten eine Kapitulation seines Gaues an, allerdings stellte auch er die Bedingung, gegen die Rote Armee weiterkämpfen zu können! Die US-Vertreter lehnten ab. Eigruber wollte daraufhin noch

205 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 373. Report XX Corps.

206 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 373. Studie Rendulic, Letzte Operationen und Tagebuch Gyldenfeldt.

207 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 372, Studie Kesselring, Geschichte des OB West.

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Rücksprache mit Rendulic über eine bedingungslose Kapi-tulation halten. Einige Stunden später lehnte der Gauleiter diese Möglichkeit jedoch ab. Wie Rauchensteiner schreibt, sah es für die US Army nun so aus, als hätte Rendulic selbst die bedingungslose Kapitulation abgelehnt. Rauchensteiner meint weiter, daß Rendulic nur ablehnte, weil er Eigruber nicht in die Verhandlungen integrieren, in Wahrheit aber doch bedingungslos kapitulieren wollte208. Eine sehr seltsame Vorgehensweise für diesen Fall. Viel wahr-scheinlicher ist es, daß Rendulic wirklich nur eine Teilkapi-tulation gegenüber den Amerikanern anstrebte. Auch er plante offensichtlich einen gemeinsamen Kampf mit der US Army gegen die Sowjetunion, denn er testete diese Variante bei der erstbesten Gelegenheit diplomatisch aus, scheiterte aber209. Rendulic sprach bis spät in die Nacht hinein mit den US-Vertretern, doch die Verhandlungen stockten. Die Amerikaner bestanden auf einer bedingungslosen Kapitulation, die Rendulic ganz offensichtlich nicht wollte. Was er wirklich plante und wie er dies durchzusetzen gedachte, sollte sich erst in den nächsten 48 Stunden zeigen. Am Abend gab der Oberbefehlshaber der HGr Ostmark jedenfalls einen Befehl heraus, der sicher als eine großzügige Geste an die US Army verstanden werden kann: Er befahl einen Waffenstillstand an der Westfront ab dem 7. Mai 1945 9:00 Uhr210.

208 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 374. 209 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 373. 210 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 374,

Kriegstagebuch OKW, Bd. IV/2.

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7. Mai 1945 Aufgrund dieses Befehls begann sich nun endlich abzuzeichnen, was die Sowjets wohl unter »dem größten Verrat der Weltgeschichte« verstanden. Es resultierte daraus ein seltsames Wettrennen, das bis heute in praktisch der gesamten Literatur über das Kriegsende in Europa fehlt: Noch am Morgen des Tages hatte es in Ennsdorf Gefechte zwischen deutschen Truppen und Soldaten der US Army gegeben211, doch diese wurden wie befohlen eingestellt. Bald darauf begann sich abermals eine US-Patrouille ihren Weg nach Osten zu bahnen.212 Diese scheinbar völlig unbedeutende Geste Rendulics zeigte nun eine erstaunlich eindrucksvolle Wirkung: bei Verhandlungen auf wesentlich höherer Ebene in Reims. Dort verhandelte Generaloberst Alfred Jodl, der Chef des Wehrmachtsführungsstabes, mit dem Stabschef des alliierten Oberbefehlshabers Eisenhower, General Bedell Smith, über die bedingungslose Kapitulation aller Wehrmachtsteile, die um 2:41 Uhr in der Früh unterzeichnet worden war213. Bei diesen Verhandlungen ging es natürlich auch um die Heeresgruppe Ostmark, zumal das Dritte Reich zu diesem Zeitpunkt zum Großteil nur noch aus dem Bereich dieser Heeresgruppe bestand! Ein Faktum, das allein schon zu denken geben sollte. Bei diesen Gesprächen wurde interessanterweise eine Ver-einbarung getroffen, die im Widerspruch zur Kapitulations-urkunde stand, die in der Nacht unterzeichnet worden war. Darin hieß es unter Punkt 1:214

211 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 353. Hin-dinger, Kriegsende.

212 Vgl. Portisch/Riff, Die Wiedergeburt unseres Staates, S. 286. 213 Vgl. Chronik des 2. Weltkrieges, S. 432. 214 Vgl. Goebels, Tagebücher 1945, S. 465.

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»1. Wir, die Endesunterzeichneten nehmen im Namen des deutschen Oberkommandos die bedingungslose Kapitulation aller unserer Streitkräfte zu Lande, zur See und in der Luft sowie aller der Streitkräfte, die sich gegenwärtig unter deutschem Kommando befinden, vor dem Oberkommando der Roten Armee und gleichzeitig vor dem Oberkommando der alliierten Expeditionsstreitkräfte an.« Tatsache aber ist, daß die Wehrmachts- und Waffen-SS-Einheiten der Heeresgruppe Ostmark nicht bedingungslos kapitulierten! Die Bedingung, die bei den Verhandlungen gestellt wurde, fehlte aber in der genannten Urkunde, denn sie stand im krassen Gegensatz zu einer Vereinbarung, die General Eisenhower mit dem Sowjetischen Oberkommando getroffen hatte. Diese Abmachung besagte, daß die deutschen Soldaten der Ostfront gegenüber den Sowjets kapitulieren mußten und die der Westfront und Norwegens gegenüber der US Army kapitulieren durften215. Demnach war völlig klar, daß alle Truppen der Heeresgruppe Ostmark in Gefangenschaft der Roten Armee zu gehen hatten. Bei den Verhandlungen in Reims stellte Jodl, der im Auftrag von Dö-nitz (Hitlers Nachfolger als Oberster Befehlshaber der Wehr-macht und Reichspräsident) agierte, aber eine bemerkenswerte Bedingung: auch die Soldaten der Heeresgruppe Ostmark sollten in westalliierte Gefangenschaft gehen dürfen!216 Hier nun zeigte sich, was Rendulic zu erreichen versuchte. Nachdem eine Umkehr der militärischen Bündnisse ganz offensichtlich gescheitert war, strebte er eine Teilkapitulation gegenüber den Westmächten an, die als »bedingungslose Kapitulation« getarnt werden sollte. Während die Ostfront noch undurchlässig blieb, wollte er die Grenze im Westen öffnen:

215 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 365 f. Han-sen, Das Ende.

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> Die US-Truppen sollten nach Osten in Richtung Melk marschieren dürfen, wobei die Historiker bis heute keine ausreichende Erklärung liefern können, warum sie dies eigentlich wollten.

> Die deutschen Wehrmachts- und Waffen-SS-Einheiten sollten nach Westen marschieren, um in westalliierte Gefangenschaft zu gehen.

So unglaublich dies klingen mag: Die US-Streitkräfte stimmten diesem Vorschlag am 7. Mai 1945 zu!217 Die Heeresgruppe Ostmark hatte es also geschafft, die »bedingungslose Kapi-tulation« zu umgehen. Doch wie hatte Rendulic das bewerk-stelligt? Was konnte er der US Army anbieten, daß sie diese Bedingung annahm? Der Schlüssel lag ganz offensichtlich in der US-Patrouille, die nun Ennsdorf passieren durfte. Doch Rendulic's Vorgehensweise war weiter umstritten. Daß er bei Enns die amerikanische Patrouille passieren ließ, kam einem Mann ganz offensichtlich wie eine Provokation vor: Sepp Dietrich. Er hatte schon einmal gezeigt, daß er nicht viel von den Vorhaben seines Vorgesetzten hielt. Am Nachmittag gab Dietrich den rätselhaft erscheinenden

216 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 366. Diese Forderung wurde vorerst für alle drei Heeresgruppen im Süden aufgestellt. Die HGr. G hatte aber praktisch nur an der West-und Italienfront gekämpft - ihre Gefangenschaft war also von vornherein zu ihren Gunsten geregelt. Die HGr E in britische Gefangenschaft zu bringen, wurde offensichtlich abgelehnt. Ihre Soldaten versuchten verzweifelt nach Österreich zu gelangen. Trotzdem geriet ein Großteil der Heeresgruppe in die gefürch-tete jugoslawische Kriegsgefangenschaft. Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 388 f.

217 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 374f.; Kriegs-tagebuch OKW, Bd. IV/2.

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Befehl an das Korps Bünau: Die inzwischen auf etwa 20.000 Mann (!) angewachsene Einheit sollte sich auf die sogenannte »Mank-Melk-Stellung« zurückziehen217. Was hatte dieser Befehl wirklich zu bedeuten? Eine Vermutung lautet, daß man vielleicht die schmalste Stelle zwischen Alpen und Donau verteidigen wollte218. Doch nach dieser Definition hätte man die letzte Verteidigung genauso im gesamten Bereich zwischen Korneuburg und Steyr aufbauen können. Was lag also zwischen Mank und Melk, das diesen Schritt begründen könnte? Richtig: Projekt »Quarz«! Dietrich ließ also seine SS-Truppen an dem Ort aufmarschieren, den sie seit Wochen gegen die Rote Armee verbissen verteidigt hatten. Die 6. SS-Panzerarmee betonte also nochmals mit Nachdruck, daß sie die Verteidigung dieses Berges noch nicht aufgeben wollte. Der rätselhafte Befehl war also in Wahrheit eine überaus starke Antwort auf das Vorgehen Rendulics! Gegen Abend begannen sich die Truppen des Korps Bünau von der Ostfront zu lösen und die »Mank-Melk-Stellung« zu besetzen ...

8. Mai 1945

1:00 Uhr Nun, 23 Stunden vor Kriegsende, erkannten die Sowjets of-fensichtlich, was zwischen der Heeresgruppe Ostmark und der 3rd US Army vor sich ging, denn am 8. Mai um 1 Uhr Morgens eröffnete man bei Markersdorf ein sechsstündiges Trommelfeuer. Wie schon erwähnt, hatten die SS-Einheiten schon am Vorabend begonnen sich nach Westen, zum Wachberg, abzusetzen. Folglich war die Front in den Morgenstunden des

218 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 240. 219 Ebenda.

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8. Mai 1945 von den Deutschen nur noch sehr spärlich besetzt. Auch die Rote-Armee-Führung sah nun offensichtlich ein, daß ein Bündnis zwischen US Army und Wehrmacht gescheitert war. Die Verteidigungsstrategie konnte endlich aufgegeben werden und man ging zum Angriff über. Das Ziel kann aber nicht nur die Zonengrenze gewesen sein, denn diese hätte man in näherer Zukunft ohnehin erreicht. Es muß also noch einen anderen Grund gegeben haben, warum die Rote Armee nur wenige Stunden vor Kriegsende noch eine nennenswerte Offensive startete! Wohin der Vormarsch führen sollte, war klar vorgegeben - und zwar von einer kleinen US-Patrouille aus Enns ...

Ca. 5:00 Uhr Noch vor dem Morgengrauen traf im Hauptquartier der Heeresgruppe Süd ein Befehl ein, der auf den ersten Blick

Abbildung 56: Die Patrouille der 65. US-Division mußte das hü-gelige Alpenvorland bei Amstetten durchqueren. Keine idealen Bedingungen für einen schnellen Vorstoß. (Foto: Verfasser)

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Abbildung 57: Ausdehnung des Dritten Reiches am 8. Mai 1945; Marschroute der 3rd US Army (Plan: Verfasser)

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abermals Rätsel aufgibt: Das Oberkommando der Deutschen Wehrmacht befahl, daß alle Einheiten sofort weiter nach Westen marschieren sollten und sich bis zum 9. Mai 1945 1:00 Uhr über die Demarkationslinie (die Enns) zu begeben hätten220, obwohl Rendulic dies schon am Morgen des Vortages befohlen hatte221. Gerade erst hatte das Korps Bünau begonnen, die Stellungen um den Wachberg zu beziehen, als dieser Befehl die Truppe erreichte. Was sollte das also bedeuten? Es gibt nur eine logische Erklärung: Das Oberkommando der Wehrmacht, also Dönitz, gab de facto der 6. SS-Panzerarmee den Befehl, ihren sinnlosen Kampf in der »Mank-Melk-Stellung« aufzugeben. Sie sollten sich also dem Verhandlungsergebnis fügen. Nun war es also endgültig klar: Alle deutschen Truppen strömten von nun an nach Westen, während sich die kleine US-Patrouille weiter ihren Weg nach Osten, gegen den Strom der Truppen, bahnte.

7:00 Uhr Die Rote Armee stellt ihr Trommelfeuer bei Markersdorf ein und beginnt mit dem Frontdurchbruch.

8:00 Uhr Der Durchbruch gelingt und die Sowjets erreichen die Ruinen des Fliegerhorstes Markersdorf. Auch sie beginnen nun einen auffallend schnellen Vormarsch, nur eben nach Westen. Praktisch an der gesamten Front im Süden ließ sich die Rote Armee dagegen viel Zeit mit ihrem Vordringen, da sie ja auf die Vereinbarung mit Eisenhower vertrauen konnte. Die Wehrmachtseinheiten hätten demnach sowieso nicht in

220 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 240. 221 Ebenda, S. 375.

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westalliierte Gefangenschaft gehen können und wären den Sowjets ohne Anstrengungen in die Hände gefallen222. Nur in diesem Frontabschnitt begann nun auch die Rote Armee an jenem seltsamen Rennen teilzunehmen ...

9:30 Uhr Die Sowjets erobern ohne Gegenwehr die Ortschaft Loos-dorf mit den erhaltenen Stollenanlagen von Projekt »Quarz«223. Zwar hatte schon im April 1945 der KZ-Lagerführer SS-Obersturmführer Ludolph aus Mauthausen den Befehl erhalten, die Stollenanlage »Quarz« mitsamt der Häftlinge zu sprengen224, doch auch noch am 8. Mai 1945 waren alle Anlagen intakt. Obwohl die Sprengladungen schon eingebaut waren, wie die noch vorhandenen Sprengkammern belegen, kam es nicht zur Ausführung des Befehls. Die Häftlinge des KZ Melk waren evakuiert worden und die Stollen erhalten geblieben. Warum, das konnte nie ganz geklärt werden, woraus sich abermals ein Hinweis auf die russische Lautsprecherdurchgabe »... der größte Verrat der Weltgeschichte steht bevor ...« ableiten läßt. Hatte die Rote Armee berechtigte Befürchtungen, die Stollenanlagen könnten der US Army in die Hände fallen? Auf jeden Fall hatten die So-wjets einen wichtigen Erfolg errungen: sie hatten Projekt »Quarz« erobert. Seltsam ist, daß es in den folgenden Wochen keiner der Soldaten wagte, die Stollenanlagen zu betreten.225 Hatten sie Angst vor Sprengfallen? Es handelte sich doch um erfahrene Frontsoldaten, man sollte also meinen, daß sie wußten,

222 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 377. 223 Vgl. Frais, Markersdorf - Haindorf, S. 207. 224 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 469. Interview Dr. Josef Sora. 225 Zeuge dem Verfasser bekannt.

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wie man derartige Anlagen aufspürt und entschärft. Und selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß die Rote Armee einen Weg gefunden hätte, die Fallen zu »entschärfen«! Vielleicht aber hatten die Sowjets Angst vor einer ganz anderen Gefahr? Einer Bedrohung, die man nicht sehen, fühlen, riechen oder entschärfen konnte? Hatte man am Ende Angst, die Stollen könnten radioaktiv kontaminiert sein? Das seltsame Wettrennen bei Melk strebte indessen weiter in hohem Tempo seinem Höhepunkt zu: Von Westen eilte die Patrouille der 65. US-Infanterie-Division heran, von Osten stürmten plötzlich die Sowjets mit dem XX. Garde-Schützenkorps und der 62. Garde-Schützen-Division226 vor. Und in der Mitte befanden sich die Truppen der Heeres-gruppe Ostmark mit den Resten mehrerer Waffen-SS-Divisionen, die in den letzten Wochen eine angebliche Kugellagerfabrik verbissen verteidigt hatten. Stimmt die Theorie, daß in »Quarz« an der Atombombe geforscht wurde, so wären dort sicherlich riesige Mengen an Unterlagen und Testmaterialien oder sogar schon Deuteriumoxid angefallen. Diesen »Schatz« hätte die SS bzw. das Korps Bünau aber nicht zurückgelassen ... Der sowjetische Weitermarsch ist der beste Beweis dafür, daß das Geheimnis der Anlage »Quarz« noch nicht gefunden worden war, denn wer würde etwas verfolgen, das er sowieso schon besitzt? Also muß davon ausgegangen werden, daß das wichtigste Material aus den weitläufigen Stollenanlagen entfernt worden war - genug Zeit dafür hatte die SS ja. Doch wo war das extrem wichtige Material nun? Es kann nur eine Antwort geben: Bei den zurückweichenden Einheiten der 6. SS-Panzerarmee!

226 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 381. Birju-kov, Nauka.

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12:00 Uhr Inzwischen war es Mittag geworden und lange Kolonnen von Wehrmachts- und SS-Einheiten bewegten sich weg von der Ostfront nach Westen, den Amerikanern entgegen. Größte Eile war geboten, denn die Einheiten mußten bis zum 9. Mai 1945 00:01 Uhr die Enns überschritten haben, um in amerikanische Gefangenschaft gehen zu können. Eine Tatsache, die über Leben und Tod entschied, denn jeder kann sich vorstellen, daß die Sowjets mit so mancher SS-Division noch eine Rechnung offen hatten! Nur noch etwa zwölf Stunden bis zur Deadline, aber in Am-stetten, über 30 Kilometer von der rettenden Demarkationslinie entfernt, stand eine große deutsche Militärkolonne seelenruhig auf dem Hauptplatz! Es existieren wunderbare Fotos (auf den Seiten 173-175 und 181 abgebildet), die den Ort des Geschehens in diesen Minuten zeigen. Viele deutsche Lastkraftwagen mit Anhängern, Pkws und Busse, aber auch ein Schützenpanzer parken völlig frei auf dem Platz. Soldaten stehen in Gruppen zusammen und unterhalten sich - absolut niemand dachte wohl in diesem Moment an einen Weitermarsch oder an die Möglichkeit eines Luftangriffs! Diese Einheiten waren erfahren genug, um zu wissen, welcher Gefahr sie sich durch dieses Verhalten aussetzten. Doch worauf warteten die Deutschen? Die Antwort ergibt sich von selbst, denn kurz darauf traf der erste US-Panzerspähwagen der Patrouille des 261. Regimentes der 65. US Infanterie-Division227 ein. Es kam aber zu keinem Gefecht, ganz im Gegenteil, es war eine absolut friedliche Begegnung - so als wäre das Treffen schon längst vereinbart gewesen! Und genau das würde die Unbekümmertheit der deutschen Soldaten erklären! Es ist

227 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Osterreich '45, S. 381. Report XX Corps und After Action Report 71st Infantry Division.

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wahrscheinlich, daß in diesen Minuten ein Treffen stattfand, das von langer Hand geplant war. Stand »der größte Verrat der Menschheitsgeschichte« bevor? Wenn ja, dann hätten die Sowjets sicherlich etwas dagegen unternommen. Und wirklich, plötzlich erschienen mitten in diesem friedlichen Zusammentreffen sieben sowjetische Tiefflieger am Himmel und stürzten sich auf die Soldaten auf dem Hauptplatz228. Deutsche und amerikanische Soldaten flohen gemeinsam in die Luftschutzräume der Umgebung. Die Flugzeuge eröffneten sofort das Feuer und bombardierten den Treffpunkt sogar! Die offizielle sowjetische Stellungnahme dazu lautete:229 »Amstetten erwies sich als Sammelplatz der deutschen Einheiten, die nach Norden in die Tschechoslowakei zurückweichen wollten. Sie empfingen unsere Vorausabteilung mit heftigstem Artillerie- und Panzerfeuer. Den unseren half jedoch die Luftwaffe. Ungefähr hundert Schlachtflugzeuge ... versetzten der Ansammlung der faschistischen Truppen einen äußerst heftigen Schlag mit Bomben und Raketen.« Eine schlechtere Ausrede kann es kaum geben. Warum sollten die SS-Einheiten nach Norden zurück an die Ostfront ausweichen, wenn sie sich hier den US-Einheiten ergeben konnten? Selbst wenn sie es gewollt hätten, wäre es überhaupt nicht mehr möglich gewesen, denn zwischen Linz und Mautern existierten im Mai 1945 überhaupt keine Donaubrücken für Straßenfahrzeuge230 mehr und die genannten

228 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 381. Gemeindeberichte Niederösterreich 1.

229 Ebenda, S. 381. Birjukov, Nauka. 230 Die Donaubrücke bei Mauthausen war zu diesem Zeitpunkt

nur eine Eisenbahnbrücke. Sie wurde erst von der Roten Armee behelfsmäßig in eine kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke umgewandelt. Vgl. Manlik, Donauübergänge in Österreich, S. 53.

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Übergänge befanden sich schon längst in der Hand der Alliierten bzw. waren gesprengt231! Diese Begründung ist damit einfach als falsch einzustufen. Sie war wahrscheinlich in aller Eile zusammengedichtet worden. Wenn die sowjetische Darstellung schon nicht stimmt, was ist dann mit der Darstellung aus amerikanischer Sicht? Ganz einfach: An keiner Stelle des Reports des XX. US-Korps wird dieser Vorfall auch nur mit einem Wort erwähnt!232 Sogar der offizielle Auftrag der Patrouille klingt sehr nach Manipulation. Sie sollte laut der offiziellen Darstellung Kontakt mit den Sowjets aufzunehmen, obwohl dieser schon zuvor durch zwei amerikanische Offiziere erfolgt war, die per Flugzeug zu den Russen gelangten233! Warum sollten die Geschehnisse derartig vertuscht werden? Irrtümer gibt es auch im Krieg - warum also diese Vorge-hensweise? Die Antwort ist einfach: Es war kein Irrtum der Sowjets. Der Angriff war volle Absicht, was auch den Be-fehlshabern des XX. U-Korps klar war. Was sollte also bei diesem Treffen zwischen SS und US Army vereinbart oder übergeben werden? In Amstetten standen zu diesem Zeitpunkt sehr viele Mili-tärfahrzeuge und Truppenteile. Nicht nur auf dem Hauptplatz, sondern in der gesamten Umgebung waren riesige Kolonnen auf dem Durchmarsch, die alle aus Richtung Melk kamen. Es ist fast selbstverständlich, daß sich auf einigen der mitgeführten Fahrzeuge das wertvollste Material aus »Quarz« befand!

231 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 381. 232 Ebenda, S. 445. 233 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 381.

Report XX Corps und After Action Report 71st Infantry Division.

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Abbildung 58: Wartende deutsche Soldaten auf dem Hauptplatz von Amstetten am 8. Mai 1945, 12:00 Uhr. Es sind keine Anzeichen von Eile oder Hektik erkennbar. Auch ein Luftangriff wird von den Truppen offenbar ausgeschlossen. (Foto: Sammlung Verfasser)

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Abbildung 59: Eintreffen der ersten US-Truppen in Amstetten. Aus dem gegenüberliegenden Gebäude treten soeben die ersten Wehrmachtssoldaten. Man beachte den deutschen PKW, der neben dem US-Radpanzer abgestellt ist. Während alle Wehrmachtsfahrzeuge von der Front (von rechts) kamen, dürfte der PKW aus Richtung Enns (links) gekommen sein234. Hatten die Insassen dieses Wagens die US-Truppen zum vereinbarten Treffpunkt geführt? (Foto: Sammlung Verfasser)

234 Ergibt sich aus der Stellung des Wagens und dem Einschlag der Lenkung.

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Abbildung 60: Beginn des sowjetischen Fliegerangriffs auf die deutschen und amerikanischen Truppen. Die Soldaten flüchten gemeinsam in die Luftschutzräume. (Foto: Sammlung Verfasser)

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13:00 Uhr In der »offiziellen Geschichte« der US Army fehlt aber noch mehr: Nach dem schweren Tieffliegerangriff begann die US-Patrouille nach Westen abzudrehen und marschierte nun offensichtlich gemeinsam mit den zurückflutenden SS-Kolonnen. Diese wiederum lieferten sich eine Stunde nach den Geschehnissen zur Mittagszeit mit den schnell vorstoßenden sowjetischen Einheiten der 7. Garde-Luftlande-Divisi-on ein schweres Rückzugsgefecht.235 Dabei wurden die deutschen Einheiten wahrscheinlich sogar von US-Panzern unterstützt, wie es Theo Rossiwall in »Schlachtfeld Niederösterreich« erwähnt.236 Alles war natürlich nur eine »Verwechslung«! Tatsächlich ist dies praktisch ausgeschlossen, da sowohl die amerikanische als auch die sowjetische Luftwaffe die Zielgebiete von Bodenvorstößen sehr ausgiebig aufzuklären pflegten! Der amerikanische Vormarsch war damit jedenfalls nach etwa 700 km gestoppt237. Die Frage muß erlaubt sein: Ist man wirklich durch das halbe Reich marschiert, um sich schließlich ohne großen Grund auf dem Hauptplatz von Am-stetten mit den Deutschen zu treffen? Ist es wirklich ernst gemeint, wenn man in der offiziellen Geschichtsschreibung lesen kann, daß eine Einheit, die davor einen (bisher nicht aufgedeckten) unvergleichlichen

235 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Osterreich '45, S. 381. Studie Greiner, Korps Bünau.

236 Vgl. Rossiwall, Schlachtfeld Niederösterreich, S. 122. 237 Anmerkung: Bei den Forschungsarbeiten zu diesem Buch tauch-

ten immer wieder Gerüchte auf, wonach einige amerikanische Soldaten sogar bis in die Gegend von Melk selbst gekommen seien. Tatsächlich gab es bei Kriegsende entsprechende Funk-sprüche innerhalb der Wehrmacht. Diese Version widerspricht aber bis dato allen Zeugenbefragungen und Geschichtsbüchern.

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Technologie-Beutezug gemacht hat, nun ohne Grund ein Panzergefecht mit der Roten Armee aufnimmt? Wohl kaum! Alles deutet auf einen gewaltigen, der Welt bisher verborgenen Handel hin. Ein Handel, bei dem es um den Inhalt einer riesigen Anlage ging, die eindeutig das Ziel der amerikanischen Einheiten war, denn die US Army wußte schon seit 1944258, daß bei Melk etwas vor sich ging, das beachtenswert war. Das Gefecht zwischen US- und Roter Armee setzte jedenfalls einen Schlußstrich unter die Aktion der 3rd US Army. Die wichtigen Dokumente hatte man in Amstetten wohl erhalten, aber die Anlage »Quarz« lag schon zu weit außerhalb der amerikanischen Einflußsphäre. Somit endete der Vorstoß der 3rd US Army, die ursprünglich aufgebrochen war, um die »Alpenfestung« zu erobern, über 200 km von der »Kernfestung Alpen« entfernt im Herzen Niederösterreichs. Das eigentliche Gebiet der »Alpenfestung« interessierte die Westalliierten überhaupt nicht. Im Norden stoppten sie ihren Vormarsch schon in Hallein, Bad Aussee und Liezen, im Westen in Wörgl und im Süden kamen sie überhaupt nur bis Villach239. Somit waren der Großteil Salzburgs, ganz Osttirol und Kärnten sowie der Westen der Steiermark völlig unbesetzt - genau jenes Gebiet, das im allgemeinen als »Kernfestung Alpen« bezeichnet wird240! Die Theorie, daß die »Alpenfestung« nur eine Ausrede war, um sich in Österreich unbezahlbare Technologien zu holen, ist damit bewiesen.

238 Siehe Abschnitt »Was die alliierten Geheimdienste wirklich wuß-ten« in Kapitel »Das Ende einer nicht existenten Fabrik«.

239 Vgl. Rauchensteiner, 1945 Entscheidung für Österreich, Karte auf S. 36f.

240 Ebenda, Karte auf S. 102f.

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18:45 Uhr Sowohl Sowjets als auch Amerikaner hatten ihren Teil be-kommen, und es war die Zeit gekommen, Frieden zu schließen. Um 18:45 Uhr kam es schließlich in Strengberg, westlich von Amstetten, zum ersten friedlichen Zusammentreffen zwischen den Truppen des 261. Regiments der 65. US-Division und der 7. Garde-Luftlande-Division der Roten Armee241.

9. Mai 1945 Um endgültig »einen Schlußstrich unter die Sache zu ziehen«, schickten die Amerikaner per Flugzeug General Stanley Reinhart den Sowjets entgegen. Er traf sich am späten Abend des 8. Mai im Gemeindehaus der kleinen Ortschaft Erlauf, westlich von Melk, mit dem sowjetischen General Daniil A. Dryckin. Am 9. Mai 1945, 00:01 Uhr242, dem exakten Zeitpunkt des Kriegsendes in Europa, schüttelte man sich lachend die Hände und beendete den Abend mit viel Wodka243 ... Nur ein Problem hatte man noch, waren doch Dinge geschehen, die man lieber nicht bekanntmachen wollte. Die Amerikaner wollten nicht, daß jemand bemerkte, wohin sie wirklich wollten und was sie in Amstetten gefunden hatten. Die Sowjets wiederum wollten die Schande nicht zugeben, in Amstetten wertvollstes Wissen an den kapitalistischen

241 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 382. Report XX Corps.

242 Von Portisch/Riff wird exakt 23:00 Uhr angegeben. Die Abweichung ergibt sich wahrscheinlich aus einer falschen Umrechnung der deutschen Sommerzeit zur alliierten Zeitmessung. Nach deutscher Sommerzeit fand das Treffen um 1:01 Uhr statt. Vgl. Portisch/Riff, Die Wiedergeburt unseres Staates, S. 288.

243 Vgl. Portisch/Riff, Die Wiedergeburt unseres Staates, S. 288.

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Abbildung 61: Die Brücke zwischen Enns und

Ennsdorf heute. »Offizieller« Treffpunkt zwischen Roter Armee und US Army. (Foto: Verfasser)

Abbildung 62: Gedenktafel am Gemeindehaus in Erlauf. (Foto: Verfasser)

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Feind verloren zu haben. Das Gefecht bei Amstetten zu »ver-gessen«, lag wohl im Interesse beider Seiten. Es fand sich ein einfacher Ausweg aus der Problematik: Man setzte das »erste Zusammentreffen der Freunde« im Nachhinein gleich mehrfach und völlig willkürlich fest. So z. B. am »offiziellen« Treffpunkt, der Zonengrenze bei Enns, wo man einen Fototermin veranstaltete und aller Welt erklärte, es sei das erste Treffen zwischen den »Verbündeten« gewesen. Natürlich hatte auch die Bevölkerung in Erlauf von dem Treffen etwas mitbekommen, und so befindet sich dort zur Zufriedenheit aller ein Gedenkstein, der aber erst nach jahrelangen Streitigkeiten errichtet wurde. Das »erste Treffen« in Strengberg wurde auch noch zelebriert, wobei die Bezeichnung ja stimmen würde, hätte man das Wort »friedlich« hinzugefügt. Um die Bevölkerung und in weiterer Folge auch die Geschichtsschreibung vollends zu verwirren, feierte man »erste Zusammentreffen« dann noch in Wallsee, Hörsching und weiteren Ortschaften244... Schließlich sollte das Treffen, so wie man es in den Geschichtsbüchern vermerkt haben wollte, noch ausreichend auf Film dokumentiert werden. Dies erledigte man wiederum in der oberösterreichischen Ortschaft Perg245 (östlich von Mauthausen). Fast schon Hollywood: Ein sowjetischer und ein amerikanischer Panzerkommandant sprangen aus ihren Fahrzeugen und umarmten sich vor lauter Freude vor den laufenden Filmkameras246 ...

244 Vgl. Rauchensteiner, 1945 - Entscheidung für Österreich, S. 39. 245 Quelle dem Autor bekannt. 246 Nach Portisch/Riff entstanden die Aufnahmen in

Amstetten. Dies dürfte aber ein Irrtum sein. Vgl. Portisch/Riff, Die Wiedergeburt unseres Staates, S. 289.

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Das wahre »erste Treffen« in Amstetten hingegen wird bis heute gern »vergessen«. Dort blieben nur die Trümmer des Fliegerangriffes und wohl einige ausgeglühte Panzer zurück ...

Abbildung 63: Durch den sowjetischen Bombenangriff verwüsteter Hauptplatz in Amstetten. (Foto: Sammlung Verfasser)

Was bleibt ist die Feststellung, daß hier an der Geschichte heftigst manipuliert wurde, da etwas stattfand, das es nicht geben durfte. Was war das nur für ein Treffen in Amstetten, für das es sich lohnte, einen neuen Krieg zu riskieren, gerade an dem Tag, als der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende war? Heute ist fast alles verschleiert und kaum ein Ge-

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Abbildung 64: Schützenpanzer der 1. SS-Panzerdivision »LSSAH« nach der Kapitualtion in Niederösterreich. (Foto: unbekannt)

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schichtsbuch oder Geschichtsatlas will etwas von amerikanischen Einheiten östlich der Enns wissen ...

Der Handel ist perfekt

Bei all diesen Vorgängen sind die Motive der US Army klar - man war auf der Jagd nach unbezahlbaren Forschungsergebnissen, die man dann wohl auch in Amstetten erhielt. Was aber hatte das Dritte Reich davon? Wer vertrat bei den Geschehnissen welche Interessen? In dem schmalen Streifen Land, der noch zum Deutschen Reich gehörte, waren in diesen Tagen extrem viele NS-Grö-ßen anwesend, die um ihr Leben fürchten mußten. Sie alle suchten wohl dringend nach einem Pfand, um sich oder ihre Soldaten zu retten. Einige Personen sind dabei besonders zu erwähnen, da sie in die Geschehnisse um »Quarz« tief verstrickt waren: • General der Waffen-SS Hans Kammler. Er befand sich bis

Anfang Mai in Ebensee und begann dann angeblich eine Fahrt nach Norden247, deren Ausgang bis heute ungeklärt ist. Der Erbauer der Krematorien in Auschwitz-Birkenau wird sich über seine Zukunft keine Illusionen gemacht haben.

• August Eigruber, Gauleiter von Oberdonau. Auch er war ein Mann, der von der US Army nicht ohne Grund gesucht wurde.

• SS-Oberstgruppenführer Sepp Dietrich, Oberbefehlshaber der 6. SS-Panzerarmee, und Generaloberst Lothar Rendulic, letzter Befehlshaber der Heeresgruppe Süd (Ostmark). Auch ihnen muß klar gewesen sein,

247 Vgl. Fröbe in: Smelser/Syring, Die SS - Elite unter dem Totenkopf, S. 316.

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daß ihre Lebenserwartung durch ihre Kommandos über die berüchtigtsten Waffen-SS-Einheiten nicht gerade hoch gewesen sein kann. Auch das Leben ihrer untergebenen Soldaten war akut gefährdet.

Inwieweit Kammler noch eine Rolle spielte, ist reine Spekulation, die aber interessante Aspekte birgt. Gesichert ist, daß ihn seine letzte (?) Fahrt kurz vor dem Eintreffen der US-Truppen von Ebensee über Gmunden - Vorchdorf -Moos - Voitsdorf - Kremsmünster - Oberrohr - Bad Hall -Sierning und Steyr nach Enns führte248. Genau jener Ortschaft, an der die US-Patrouille nach Amstetten nur Stunden nach seiner »Durchfahrt« zum ersten Mal aufbrach! Versuchte Kammler noch sein Leben zu retten, indem er mit dem Material aus Projekt »Quarz« handelte? Daß Eigruber noch versuchte, einen Handel einzufädeln, dürfte erwiesen sein, aber auch, daß er damit scheiterte. Er wurde von US-Soldaten verhaftet und schließlich 1946 hingerichtet249. Die Lösung steckt aber wahrscheinlich in den Geschehnissen um die Heeresgruppe Süd (Ostmark) bzw. um die 6. SS-Panzerarmee, seit dem Scheitern der Operation »Frühlingserwachen« am Plattensee im März 1945. Damals hatte Sepp Dietrich ohne Genehmigung Hitlers die Front seiner gesamten Armee zurückgenommen, um eine größere militärische Katastrophe zu verhindern. Hitler war darüber so erzürnt, daß er den SS-Panzerdivisionen »Leibstandarte SS Adolf Hitler«, »Das Reich«, »Totenkopf« und »Hohenstaufen« befahl, ihre Armeistreifen (ein Ehrenzeichen, das nur bestimmte Divisionen tragen durften) abzulegen. Dieser Vor-

248 Quelle: Kristian Knaack, Bonn. 249 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Osterreich '45, Seite 395.

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fall stellte den endgültigen Bruch zwischen dem Reichsoberhaupt und Sepp Dietrich dar. Schon kurz darauf, bei der Verteidigung Wiens, kam es abermals zu einem noch schwereren Vorfall. Obwohl Hitler Dietrich ausdrücklich befohlen hatte, Wien zu verteidigen, setzte sich die 6. SS-Panzerarmee, ohne großen Widerstand zu leisten, in den Westen von Wien, in die Umgebung von »Quarz« ab. Auch Generaloberst Rendulic, der von Hitler mit der Verteidigung Wiens beauftragt worden war, widersetze sich sehr eindeutig den Vorgaben aus Berlin250. Von nun an sieht es so aus, als hätten die Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd damit begonnen, mehr oder weniger »ihre eigene Suppe zu kochen«. Sowohl Dietrich als auch Rendulic mißachteten mehrfach die Befehle Hitlers und gaben Anweisungen, die offensichtlich ein unnötiges Blutver-gießen in Wien verhindern sollten. Erst westlich von Wien leisteten ihre Einheiten plötzlich wieder aktiv Widerstand gegen die Rote Armee - ohne Rücksicht auf Verluste. Der Versuch, unnötige Gefallene zu verhindern, kann also nicht hinter den Befehlen gestanden haben. Die 5.000 deutschen Toten allein bei St. Pölten sprechen ganz eindeutig gegen diese Variante. Die Lösung des Problems liegt also an einer anderen Stelle: Ein ständiger, hinhaltender Rückzug hin zu den Amerikanern, mit möglichst geringen Verlusten, hätte nämlich überhaupt nicht funktioniert, denn das weitere Schicksal Dietrichs, seiner Soldaten und der gesamten Heeresgruppe war längst klar geregelt. Laut Vereinbarungen zwischen den USA und der Sowjetunion hatte jede deutsche Einheit gegenüber ihrem letzten Schlachtgegner zu kapitulieren. Im Falle der Heeresgruppe Süd (Ostmark) war dies eindeutig die Rote

250 Vgl. Rossiwall, Schlachtfeld Niederösterreich, S. 118.

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Armee. Was die sowjetische Gefangenschaft bedeutet hätte (vor allem für Dietrichs Soldaten), läßt sich sehr leicht ausmalen. Ein paar tausend Gefallene wären nichts dagegen gewesen! Was diese Armee bzw. die Heeresgruppe also brauchte, war ein extrem wertvolles Pfand. Etwas, das derartig wertvoll war, daß die US Army als Gegenleistung die abertausenden Soldaten der HGr Süd vor dem sicheren Tod in der Sowjetunion bewahren würde ... Dies konnte aber nicht nur durch eine Gefangenschaft bei den Westalliierten, sondern auch durch einen gemeinsamen Kampf gegen die Rote Armee erreicht werden! Eine Möglichkeit, an die von vielen deutschen Befehlshabern gerne gedacht wurde. Ob es ein solches Pfand gab und wo dieses denn lag, läßt sich leicht erkennen, wenn man Dietrichs »Mank-Melk-Stel-lungs«- Befehl analysiert: im Wachberg. Nur auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob der Oberbefehlshaber der 6. SS-Panzerarmee wirklich noch einen Kampf gegen alle Seiten führen wollte. Dietrich war gewiß viel mehr Soldat als Diplomat. Für ihn mußte Rendulics gute Geste gegenüber der US Army wie ein leichtfertiges Spiel mit seinem »letzten As« vorkommen. Es war also vorhersehbar, daß er nun seinen Einheiten befahl, das letzte As zu verteidigen. Erst als er schließlich einsah, daß der Oberkommandierende der Heeresgruppe damit aber Erfolg hatte und seine Soldaten zu den Amerikanern durften, fügte auch er sich und gab die letzte Verteidigungsstellung auf. Ein mögliches Militärbündnis mit den US-Truppen war zwar gescheitert, aber das Leben seiner Soldaten war gerettet. Der Widerstand Dietrichs war aber auch den US-Vermittlern nicht entgangen. Ohne die hier aufgestellte Theorie wäre es also ein Rätsel, warum sie dem I. SS-Panzerkorps und

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dem Korps Bünau die Möglichkeit gaben, über die Enns zu gelangen. Rauchensteiner deutet diesen Sachverhalt mit der von ihm vertretenen Auffassung, daß es der US Army schmeichelte, diese Truppen gefangenzunehmen251. Waren die Amerikaner aber wirklich derartig geschmeichelt, daß sie de facto auf eine bedingungslose Kapitulation verzichteten? Sie retteten damit doch schließlich genau jene Soldaten, die in ihren Augen allesamt Nazis und Verbrecher waren! Ein Beispiel für diese bevorzugte Behandlung fand am 8. Mai statt. An diesem Tag hatte der Divisionskommandeur der 1. SS PzDiv, Brigadeführer Kumm, einen Standartenführer zu den US-Einheiten in Steyr geschickt, um Einzelheiten über die Kapitulationsbedingungen zu erfahren. Der Abgesandte schildert von dieser Mission:252 »... Ein US-Oberst, dem ich vorgeführt wurde, erklärte mir, nachdem ich unsere Situation dargestellt hatte, er kenne die LAH [Leihstandarte SS Adolf Hitler] von der Invasion her als tapfere, gute Truppe und er sei der Ansicht, sie müsse auf jeden Fall über die Demarkationslinie, d. h. über die Enns gelangen ... ... Dann erblickte ich den Oberst, der sich über die LAH so lobend geäußert hatte und fragte ihn, mit einer Karte in der Hand, wann denn die Brücken über die Enns gesperrt würden. Der Oberst fuhr mit seinem Zeigefinger über die Karte, fing bei den nördlichen Brücken an, kam dann zu einer Brücke -wenn ich mich richtig erinnere, war es die Brücke nördlich Ternberg über die Enns -, verweilte mit dem Zeigefinger lange bei dieser Brücke und sah mich dann starr, unbewegt

251 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 381. 252 Bericht Standartenführer Neumann in: Tiemann,

Opfergang für Deutschland, S. 445ff.

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an. Ich hatte, wie sich später herausstellte, richtig erkannt, was er mir sagen wollte ... ...So war es dann auch: Die Amerikaner haben diese Brük-ke nicht am 9. Mai 00:01 Uhr gesperrt, sondern erst einen Tag später. Sie war >vergessen< worden ...« Die Leibstandarte mußte also »auf jeden Fall über die Demarkationslinie«. Sie war eine »tapfere [und] gute Truppe«. Hatte der Oberst alle angeblichen Kriegsverbrechen der Leibstandarte in der Normandie vergessen? Die Tatsache, daß SS-Einheiten noch am 9. Mai 1945 abends über die Enns durften, überrascht. Schließlich hatte es in der Kapitulationsurkunde unter Punkt 2 geheißen:253 »2. Das deutsche Oberkommando erläßt sofort an alle deutschen Befehlshaber der Land-, See- und Luftstreitkräfte und aller Streitkräfte, die unter deutschem Kommando stehen, die Befehle, die Kriegshandlungen am 8. Mai 1945, um 23 Uhr 01 Minute, einzustellen, an den Orten zu verbleiben, wo sie zu dieser Zeit stehen, sich vollständig zu entwaffnen, alle ihre Waffen und alles Heeresgut den örtlichen alliierten Kommandeuren ober den von den Vertretern des alliierten Oberkommandos bestimmten Offizieren zu übergeben ...« Sogar noch am 11. Mai gelang es einigen Soldaten der 1. SS PzDiv die Enns zu überqueren und in amerikanische Ge-fangenschaft zu gelangen254. Die »Leibstandarte SS Adolf Hitler« verstieß also ganz eindeutig gegen die Kapitulationsbedingungen und die US Army akzeptierte dies widerspruchslos! Das als »Zufall der Geschichte« abzutun, ist unmöglich.

253 Vgl. Goebbels, Tagebücher 1945, S. 465. 254 Bericht Oberscharführer Gerhards in: Tiemann, Opfergang

für Deutschland, S. 456.

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Das Geheimnis bleibt

Die US Army hielt sich auch noch nach dem Ende des Krieges an die vereinbarten Kapitulationsbedingungen. Hätte die 1. SS- Panzerdivision »Leibstandarte SS Adolf Hitler« wirklich nur über die Enns gedurft, weil dies den US-Befehlshabern schmeichelte, so hätte man sie sicherlich später bedenkenlos den Sowjets ausgeliefert - schließlich hatte man massive Probleme, die riesigen Menschenmassen zu ernähren. Tatsächlich wurden von der gesamten Heeresgruppe Ostmark, die noch aus der 6. Armee, der 6. SS-Panzerarmee und der 8. Armee bestand, gerade einmal 55.000 Mann ausgeliefert, die zu einem Großteil der 3. SS-Panzerdivision »Totenkopf« oder der Führer-Grenadier-Division angehörten255. Diese hatten es sich mit der US Army, durch ihre sinnlosen Gefechte bis zum Kriegsende nördlich der Donau, offenbar »verscherzt«. Somit wurden von der gesamten Heeresgruppe Ostmark, die aus rund 700.000 (!) Mann bestand256, gerade einmal sieben bis acht Prozent der Soldaten ausgeliefert. Eine höchstens symbolische Handlung, um die Sowjetunion nicht völlig zu verärgern. Diese »Treue« gegenüber den Gefangenen der Heeresgruppe konnte aber nur eines bedeuten: Die Deutschen hatten noch immer ein Druckmittel in der Hand. Da sie Gefangene waren, konnte dies nichts Materielles sein, sondern nur Wissen!

255 Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich '45, S. 393. Böh-me, Sowjetunion; Spaeter, Panzerkorps Großdeutschland; Kliet-mann, Waffen-SS; Mitteilung von Dr. Fritz Wiener.

256 Vgl. Rauchensteincr, Der Krieg in Österreich '45, S. 392. Am 20. April wird der Stand mit 766.000 Mann angegeben. Davon sind etwas über 41.000 Mann der 2. Panzerarmee abzuziehen, die an die Heeresgruppe G abgegeben wurde.

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Das Wissen, daß am 8. Mai 1945 etwas geschehen war, das niemand erfahren durfte!

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7. Das Ende einer nichtexistenten Fabrik

Die Anlage »Quarz« fiel, wie gezeigt, der Roten Armee in die Hände. Auch hier, am Ende des Krieges, wirft die offizielle Geschichte dieser Anlage noch einmal große Fragen auf. Ende März 1945 wurden nach der offiziellen Geschichtsschreibung sämtliche Maschinen der Kugellagerfertigung nach Linz und Steyr gebracht257, folglich sollten die Stollen leer gewesen sein258. Wie konnte es dann aber sein, daß verbliebene Anlagen einem Schrotthändler verkauft wurden und dieser für die Räumung der Stollen eineinhalb Jahre benötigte?!259 Baumaschinen können dies nicht gewesen sein, da diese teilweise noch heute im Berg liegen. Auch Werkzeugmaschinen kommen für diesen Umstand nicht erklärend in Betracht, denn deren Demontage wäre sicherlich wesentlich schneller vor sich gegangen. Was wurde von den Sowjets also verschrottet, wenn nur die SDP in den Stollen untergebracht war? Die angegebene Zeitspanne läßt viel eher darauf schließen, daß die Stollenanlage von den Sowjets noch sehr genau untersucht wurde. So könnte der angegebene Zeitraum wesentlich besser erklärt werden! Schließlich wurde die Anlage, wie das »Mittelwerk« bei Nor-hausen, etwa im Zeitraum 1946/47 in zwei Etappen gründ-

257 Vgl. Perz,Projekt Quarz, S. 190. 258 Tatsächlich blieben angeblich mehrere hundert Drehbänke

des Kugellagerwerkes in den Stollen zurück, die von den Sowjets demontiert und abtransportiert wurden. Mitteilung Willi Greschner, Roggendorf.

259 Vgl. Frais, Markersdorf - Haindorf, S. 209.

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lichst gesprengt. Auch hier steht die Frage nach dem »warum« unbeantwortet im Raum. Selbst das Düsenjägerwerk »Languste« in der Seegrotte bei Mödling wurde nicht so gründlich unbrauchbar gemacht wie dieses Werk. Wollte man etwa irgendwelche Spuren beseitigen? Das wäre natürlich logisch, wenn die Theorie stimmt und »Quarz« ein unterirdisches deutsches Wissenschaftszentrum war, das bis heute geheimgehaltene Technologien beherbergte. Für den Fall, daß man hier einzuwenden versucht, daß irgend jemand davon erfahren hätte, sei nochmals das Beispiel Ebensee genannt. Hier wußte kein einziger Häftling, was tatsächlich produziert wurde. Falls aber wirklich einer etwas Geheimes wußte, so hätte er sicher nicht überlebt. Sämtliche beteiligte Nationen hätten Gründe genug gehabt, alle Zeugen verschwinden zu lassen. Wie das funktioniert, haben sie an einer genügenden Anzahl von Orten eindrucksvoll gezeigt... Es ist also sehr gut möglich, daß hier seit über 50 Jahren die wahre Geschichte des ZweitenWeltkrieges im Untergrund von Österreich auf ihre Entdeckung gewartet hat.

Was die alliierten Geheimdienste wirklich wußten

Ein Teilbereich wurde noch nicht im Detail behandelt: die Geheimdienste und die Luftaufklärung. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß ein derartig großes unterirdisches Werk, als das sich »Quarz« nun präsentiert, von keinem Geheimdienst als solches erkannt wurde. In einem geheimen britisch-amerikanischen Bericht vom 15. Juni 1945260 wird

260 Vgl. Wichert, Decknamenverzeichnis deutscher unterirdischer Bauten, S. 187.

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»Quarz« zwar mit dem Standort Loosdorf angeführt, doch beim Stichwort »Produktion« findet sich nur das Wort »Unknown« (unbekannt). Eine Tatsache, die zu denken geben sollte, wenn man die unten angeführten Berichte berücksichtigt. Bertrand Perz wiederum schreibt in seinem Buch, daß der früheste Hinweis auf Projekt »Quarz« mit dem 18. März 1945 datiert sei261. Dieser Bericht melde, daß ein Kugellagerwerk aus Schweinfurt in den Stollen untergebracht wurde. Alles in allem eine sehr unbefriedigende Ausbeute. Das mag in den britischen Archiven so sein, aber die Angriffe auf das Konzentrationslager und die Baustelle der Stollenanlagen wurden von der 15 t h US Airforce geflogen. Aus den amerikanischen National Archives sind alle Hinweise auf »Quarz« verschwunden. Im Archiv der US-Luftwaffe blieben aber viele interessante Hinweise erhalten, auch wenn fast alle Luftaufnahmen von »Quarz« dort ebenfalls entfernt wurden. Sehen wir uns also im Detail an, was die alliierten Geheimdienste und Aufklärungsgeschwader wirklich meldeten262:

1. November 1943 Bei einem routinemäßigen Aufklärungsflug werden keinerlei Anzeichen auf eine Baustelle bemerkt. Es entstanden drei Aufnahmen, alle sind heute verschollen.

Juli 1944 Ein Agentenbericht gibt erste Hinweise und eine genaue Ortsangabe von »Quarz« (dieselbe Quelle, die Briefe der Häftlinge erhielt).

261 Vgl. Perz, Projekt Quarz, S. 404. 262 Vgl. Airforce Historical Research Agency, Microfilm Nr.

A25193.

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16. August 1944 Im Zuge eines Aufklärungsfluges entstehen die ersten Luft-aufnahmen von Projekt »Quarz«. Diese drei Aufnahmen sind heute alle verschollen. Man beachte, daß schon am 23. August ein Bombenangriff auf die Anlage folgte.

16. November 1944 Das KZ Melk wird zwei Mal fotografiert. Die Aufnahmen sind erhalten.

12. Dezember 1944 Quelle: OSS »Es wird berichtet, daß Teile von V1 und V2-Raketen in Österreich produziert werden. In: Melk.«

26. Dezember 1944 Zwei weitere Fotos entstehen bei einem Überflug. Eines davon ist ebenfalls verschollen. Ein Foto wird vom KZ Melk angefertigt. Es ist noch erhalten.

20. Januar 1945 Quelle: 336 Photo Reconnaissance Wing »Es wird berichtet, daß sich eine Fabrik für >Fliegende Bom-ben< (V1) auf der linken Seite der Straße Wien - Linz befindet, kurz nachdem die Straße die ersten Häuser von Melk passiert, in der Nähe eines Konzentrationslagers.«

Februar 1945 Ein erster Geheimbericht entsteht. Er ist sieben Seiten lang und enthält eine unglaublich detaillierte Beschreibung der Anlage. Dazu gehören sämtliche entstandenen Luftaufnahmen, Beschreibungen jedes einzelnen Stollens, ein Plan der

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oberirdischen Anlagen und eine geologische Auswertung des Gebietes inklusive Saigerriß263 des Wachbergs.

9. Februar 1945 Quelle: OSS »Nahe Melk produziert eine Fabrik V2-Teile.«

24. Februar 1945 Quelle: OSS »Kleine Werke aus dem 4. und 5. Wiener Gemeindebezirk, die V-Waffen Teile herstellen, siedelten in eine Untergrundfabrik nahe Melk um.«

18. März 1945 Quelle: Französischer Geheimdienst »Ein Kugellagerwerk aus Schweinfurt arbeitet nun in einem Hügel, ca. 3 1/2 Kilometer östlich von Melk.« Dies ist offenbar der Bericht, den Perz veröffentlichte.

Datum unbekannt Quelle: unbekannt »Eine neue Untergrundfabrik, angeblich die Hirtenberger Munitionsfabrik, wird zwischen Melk und St. Pölten gebaut.«

Was will man mehr? Ein Bericht betrifft die SDP-Kugella-gerwerke, die zweifelsfrei ebenfalls in den Stollen untergebracht waren (auch wenn sie hier fälschlicherweise als Werk aus Schweinfurt dargestellt werden). Und die anderen Meldungen? Alles Hinweise auf eine Ver-geltungswaffe - keine Spur mehr von »nur Kugellager«! Der Hinweis auf die Hirtenberger Patronenfabrik ist doppelt in-teressant. Einerseits waren die Wiener Neustädter Flugzeug-

263 Bergmännisch für eine Schnittzeichnung durch den Berg.

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werke 1938 aus einer Fusion der Abteilung Flugzeugbau der Hirtenberger Patronenfabrik und der Flughafenbetriebsge-sellschaft Wr. Neustadt hervorgegangen264. Andererseits wäre eine Munitionsfabrik an der Entwicklung einer Atombombe sicherlich beteiligt gewesen! Damit wären wohl auch die letzten Zweifel an der hier vor-gestellten Theorie beseitigt.

Spezialisten nach dem Krieg

Was ist aber aus den Spezialisten, Arbeitern und Konstrukteuren geworden? »Quarz« und die Wr. Neustädter Flugzeugwerke fielen beide den Sowjettruppen in die Hände. Die wichtigen Unterlagen hingegen dürften den US-Truppen übergeben worden sein. Doch was sind die Unterlagen alleine wert? Viel wichtiger wären doch wohl die Wissenschaftler selbst. So ist es kaum verwunderlich, daß die wichtigste Person von allen an »Quarz« beteiligten Menschen seit 1945 spurlos verschwunden ist: General der Waffen-SS Hans Kammler. Er hat viele leere Gräber hinterlassen und wurde nie wieder gesehen. Er »starb« in Ebensee, in Pilsen und wer weiß sonst noch wo. Es kann sich jeder selbst ausmalen, worauf es hindeutet, daß die Alliierten niemals ernsthaft nach ihm suchten. Ähnliches kann man von den vielen Konstrukteuren annehmen, auf welcher Seite des Eisernen Vorhanges sie auch immer geblieben sind. Nach dem Krieg erlebte die industrielle Produktion von Schwerem Wasser auf jeden Fall eine neue Hochblüte, da das nukleare Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion nun erst richtig begann. Es gibt aber noch einen Spezialisten, der überdurchschnitt-

264 Vgl. Nowarra, Die deutsche Luftrüstung 1933—1945, Teil 4, S. 4.

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lich viel gewußt hat: Diplom-Ing. Fiebinger. Sein Planungsbüro hatte neben »Olga«, »Zement«, »Schlier« und »Bergkristall« auch die Leitung der Baustelle »Quarz« inne. Er überlebte das Kriegsende und ging in die USA. Was er dort machte? Er baute Abschußrampen für nukleare Interkontinentalraketen!265 Hat sich noch niemand die Frage gestellt, woher er das Wissen dazu nahm? Aus einer Kugellagerfabrik wohl kaum. Wer weiß, welch unbezahlbares Know-how so zu den beiden Supermächten transferiert wurde. Tatsache bleibt: Nur knapp 70 Tage nach den Geschehnissen in Amstetten konnten die Wissenschaftler der Vereinigten Staaten am 16. Juli 1945 in New Mexico die erste Atombombe der Welt (eine Plutoniumbombe) zünden266. Hatte die jahrelange Grundlagenforschung der deutschen Atomphysiker so doch noch zum angestrebten Ziel geführt?

Zustand heute

Die Stollenanlage »Quarz« im Wachberg gehört noch immer zu den am besten gehüteten Geheimnissen Österreichs. Die Stollen sind (noch) im Ausbauzustand vom März 1945 erhalten, aber an vielen Stellen durch sowjetische Sprengungen zerstört. In letzter Zeit sind die Stollenanlagen auch durch den fortschreitenden Abbau einer Sandgrube gefährdet. Die Eingänge zu »Quarz« sind meist zugeschüttet, was eine legale Befahrung völlig unmöglich macht. Die letzte Zuschüttung erfolgte im April 2001.

265 Vgl. Pcrz, Projekt Quarz, S. 197. 266 Vgl. US Department of Energy, The eight major processes

of nuclear weapons complex.

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Der oberirdische Bunker über Stollen B wurde ebenfalls ge-sprengt. Seine Ruine liegt gut versteckt im Wald. Es finden sich auch immer noch zahlreiche Schützengräben und MG-Stellungen, besonders im Bereich um diesen Bunker. Auch das große Plateau auf der Oberseite des Berges ist ungewöhnlich stark befestigt. Mehrere Schützengräben, Stellungen und Unterstände durchziehen das Areal. Diese Anlagen dürften noch von der »Mank-Melk-Stellung« stammen. Die Wasser-Pumpstation an der Donau ist nicht erhalten ge-blieben, sie wurde erst vor kurzem abgetragen. Nur die beiden Wassertanks vor den Stollen und die Abwasserleitun-gen der Stollen existieren noch. Der Hochbehälter bei Hub wurde erst vor einigen Jahren renoviert und dient den umliegenden Gemeinden als Trink-wasserspeicher. Vom KZ Melk sind die Gebäude der Pionierkaserne in Melk und das Krematorium erhalten. Dort befindet sich auch eine Gedenkstätte für die offiziell 5.000 Opfer der Stollenanlage. Den Luftwaffenstützpunkt Markersdorf ereilte noch im Krieg das gleiche Schicksal wie die meisten anderen Flughäfen auf österreichischem Boden: Die nach den Bombenangriffen noch erhaltenen Gebäude wurden am 16. April 1945 gründlichst gesprengt. Viele Gebiete in diesem Bereich sind heute für die Landwirtschaft unbrauchbar geworden, da sie über und über mit gesprengtem Stahlbeton bedeckt sind. Einige der zum Großteil zerstörten Bauten sind aber noch erkennbar: Flugbenzintanks, Mannschaftsunterkünfte, Offizierswohnhäuser und Wassertanks. In den Rollbahn-Belägen sieht man sogar noch einige Bombentreffer. Es wäre wohl nicht zuviel verlangt, die Anlage »Quarz« legal zu öffnen und zumindest einen Teil der Stollen der Öf-

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fentlichkeit zugänglich zu machen. Kaum eine Anlage dieser Art sagt so viel über den Alltag der Häftlinge aus, da das System nicht fertiggestellt wurde und die niedrigen und engen Vortriebsstollen somit erhalten geblieben sind. In Anbetracht der schon genannten Sandgrube am Wachberg wäre es auch wünschenswert, daß die Stollen von Projekt »Quarz« endlich unter Denkmalschutz gestellt werden!

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8. Die Geheimakten der deutschen Atombombenbauer

Als die Soldaten der US Army im Frühjahr 1945 nach Deutschland vordrangen, suchten sie von Anfang an nach Unterlagen und Plänen zu den neuesten deutschen Ge-heimwaffen. Auf oft abenteuerlichen Wegen fand man die Akten in alten Stollenanlagen, vergraben in Wäldern oder einfach auf den Ladeflächen von Wehrmachts-LKWs. Bedeutende Funde machte man beispielsweise in Oberammergau267 (Messerschmitt-Entwicklungsbüro) und in Nordhausen268 (Raketenfertigung) genauso wie mit höchster Wahrscheinlichkeit in Amstetten. Die Papiere, die dabei oft kistenweise erbeutet wurden, brachte man auf schnellstem Wege durch halb Europa nach Westen und schließlich über den Atlantik in die USA. Während der Inhalt der Akten die Grundlage für viele amerikanische Waffensysteme der Gegenwart bildete, verschwanden die Papiere selbst für viele Jahrzehnte in Geheimarchiven, wo sie für »Normalsterbliche« unerreichbar waren. So verstaubten die etwa 8.500 (!) erbeuteten Blätter des »nicht existenten« deutschen Atomprogramms bis 1970 in amerikanischen Archiven und weitere 31 Jahre im Deutschen Museum in München ...209

267 Vgl. Radinger/Schick, Messerschmitt-Geheimprojekte, S. 117 f. 268 Vgl. Bornemann, Geheimprojekt Mittelbau, S. 152. 269 Vgl. Deutsches Museum, Geheimdokumente zum

deutschen Atomprogramm 1938-1945.

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Die Fraktionierte Destillation in den Akten

Das im Zuge dieses Buchs dargestellte Verfahren zur Gewinnung von Schwerem Wasser war bislang in Zusammenhang mit der deutschen Atomforschung im Zweiten Weltkrieg völlig unbekannt. Aufgrund der bisher praktisch nicht zugänglichen Akten zu diesem Thema bauten die jahrelangen Forschungsarbeiten zu dieser Theorie fast ausschließlich auf baulichen Relikten in Roggendorf auf. Im Jahre 2001 änderte sich diese Situation jedoch dramatisch, als das Deutsche Museum in München 470 Seiten seiner Akten zum deutschen Atomforschungsprogramm, das entspricht etwa sechs Prozent des Gesamtbestandes zu diesem Thema, auf CD-ROM veröffentlichte. Damit bot sich über 50 Jahre nach Kriegsende erstmals die Möglichkeit, auch in diesen einstmals streng geheimen Unterlagen nach Hinweisen zu suchen. Diese Akten stellen natürlich eine Art »Nagelprobe« für die hier veröffentlichte Theorie dar, folglich mußten sie vom Autor vollständig durchgearbeitet werden, um etwaige versteckte Hinweise finden zu können - egal ob im Positiven oder Negativen für diese Arbeit. Im Zuge dieser Suche fand sich unter den veröffentlichten Akten ein sensationeller Bericht aus einem »Forschungszentrum Hamburg«. Der Autor Paul Harteck schreibt darin unter dem Titel »Die Produktion von schwerem Wasser« folgendes:270 »Methoden zur Herstellung von D2O: Elektrolyse. 1. Der Neubau von Elektrolyseanlagen kommt für Deutsch-

270 Vgl. Harteck, Die Produktion von schwerem Wasser, in: Deut-sches Museum, Geheimdokumente zum deutschen Atom-programm 1938-1945.

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land nicht in Frage. Deswegen wurden von der Arbeitsge-meinschaft die unter 2 bis 4 genannten Verfahren entwik-kelt.« Unter Punkt 2-4 werden folgende Verfahren angeführt: 2. Austausch von Wasser/Wasserstoff bei zwei Temperaturen. 3. Niederdruck-Kolonne. 4. Rektifikation von flüssigem Wasserstoff.

Dieses eine Dokument, das auf Dezember 1941 (!) datiert ist, revolutioniert die bisherigen Forschungen zur deutschen Schwerwassergewinnung im Zweiten Weltkrieg. Es belegt folgende, bisher rein spekulative, Punkte: • Den deutschen Wissenschaftlern unter Paul Harteck waren

leistungsfähige Alternativen zur Elektrolyse bekannt. • Auf lange Sicht war ein neues Schwerwasserwerk im

Reichsgebiet geplant. • Dieses neue Werk sollte auf einem neuen Verfahren basieren.

Das in Zusammenhang mit »Quarz« aber Interessanteste findet sich als weitere Beschreibung zur »Niederdruck-Kolonne«271: »Das wesentliche der Einrichtung besteht darin, daß in einem liegenden, evakuierten Rohr, welches halb mit Wasser gefüllt ist [...], das Wasser bei Zimmertemperatur verdampft und in einem Kühler kondensiert wird. Gegenüber einer üblichen Kolonne, welche in senkrechter Anordnung unter Atmosphärendruck arbeitet, hat dieses Verfahren folgende Vorteile: [...]«

271 Vgl. Harteck, Die Produktion von schwerem Wasser, in: Deut-sches Museum, Geheimdokumente zum deutschen Atom-programm 1938—1945.

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Das hier beschriebene Verfahren ist nichts weiter als eine fraktionierte Destillation! Es ist sogar wesentlich fortschrittlicher, als zu erwarten war. Die Anlagen von Projekt »Quarz« entsprachen wohl genau dem Verfahren, das hier als »übliche (!) Kolonne« bezeichnet wird! Wie der Text beweist, wußte der Autor des Berichts aber sogar schon über die Anwendung von Vakuum/Niederdruck-Technik Bescheid. Harteck schließt das Kapitel mit den Worten272: »Bei einer bisher erbauten Versuchsanlage wurden bei einer Kolonnenlänge von 5 m ein Trennungsfaktor von 20 erreicht.« Es gab also schon 1941 eine Versuchsanlage für dieses hoch-moderne Verfahren, das einen überragenden Trennungsfaktor (vgl. Anhang) von 20 erreichte! Als man Anfang 1945 mit den Bauarbeiten für die rätselhaften Anlagenteile von »Quarz« begann, konnte man also auf eine jahrelange Erfahrung und längst bekanntes Wissen über die Gewinnung von D2O mittels fraktionierter Destillation zurückgreifen. Eine mögliche Anwendung von Vakuum/Niederdruck-Technik bei der Destillation hätte die im Anhang berechnete Produktionskapazität des Werks sogar noch weiter erhöht. Als Resümee aus den Akten läßt sich also folgendes sagen: Das Wissen über die Gewinnung von Schwerem Wasser, das die hier aufgestellte Theorie den deutschen Wissenschaftlern unterstellte, konnte vollauf nachgewiesen werden.

272 Vgl. Harteck, Die Produktion von schwerem Wasser, in: Deut-sches Museum, Geheimdokumente zum deutschen Atom-programm 1938—1945.

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Das deutsche Atombombenprogramm in den Akten

Eine Darstellung des deutschen Atombombenprogramms kann aufgrund seiner Wichtigkeit für diese Theorie nicht völlig unterlassen werden. Um das Werk auch hier auf möglichst festen wissenschaftlichen Untergrund zu stellen, kommt wiederum der Grundsatz »weniger ist mehr« zur Anwendung: Es wurde daher nur absolut unbestrittene Literatur verwendet. Im Detail: die veröffentlichten Geheimdokumente des Deutschen Museums in München zum deutschen Atomprogramm 1938-1945, Paul Lawrence Roses Werk über Werner Heisenberg sowie Literatur zur Kernphysik selbst. Des weiteren wurde versucht, dem Leser die grundlegenden Zusammenhänge der Nukleartechnik darzustellen, da nach Meinung des Autors nur so die Geschichte der Atomforschung umfassend interpretiert werden kann.

Internationale Grundlagen Im Dezember 1938 erfolgte am Kaiser Wilhelm Institut in Berlin jene bahnbrechende Entdeckung, die als Beginn des Weges zur Atombombe angesehen werden kann: Otto Hahn und Fritz Strassmann erkannten zu diesem Zeitpunkt, daß sie beim Beschuß von Atomkernen des chemischen Elements Uran mit langsamen Neutronen Kerne des Elements Barium erhielten.273 Ironie der Geschichte: Was die deutschen Forscher in diesem Versuch tatsächlich entdeckt hatten, erkannte erst kurz darauf die langjährige Mitarbeiterin Hahns: die aus Osterreich stammende Jüdin Lise Meitner, die kurz zuvor vor

273 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 113.

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den Nazis nach Schweden geflohen war274. Sie folgerte richtig und erkannte, daß die Forscher Uran (chem. Zeichen: U), unter Abgabe großer Energiemengen in Barium (Ba) und Krypton (Kr) gespalten hatten. Schon Anfang 1939 wiesen Forscherteams in den USA und Frankreich weiterhin nach, daß die Anzahl der bei dieser Reaktion ebenso frei werdenden Neutronen ausreichte, um damit weitere Uran-Kerne zu treffen und zu spalten. Damit war die »nukleare Kettenreaktion« theoretisch entdeckt275. Sehr schnell wurde den Wissenschaftlern in Europa und Übersee klar, daß aufgrund der enormen Energiemengen, die bei einer solchen Kettenreaktion theoretisch frei werden mußten, die Möglichkeit einer völlig neuartigen Waffe bestand: der »Atombombe«. Der dänische Nobelpreisträger Niels Bohr wiederum erkannte und bewies kurz darauf, daß die beobachtete Reaktion einzig durch das Zusammentreffen von langsamen Neutronen mit dem Uranisotop U 235 (235 Neutronen im Kern) hervorgerufen wurde276. Unter Abgabe von extrem hoher Energie erhielt man also aus einem U-235-Kern (über die Zwischenstufe U 236) beispielsweise einen Kryptonatomkern (Kr), einen Barium-atomkern (Br) und zwischen ein und drei Neutronen (n), z.B.:277

274 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 113.

275 Ebenda, S. 114. 276 Ebenda, S. 115. 277 Vgl. Riedel, Allgemeine und Anorganische Chemie, S. 19.

Erklärung der Zeichen: U: Element Uran, 235 Neutronen und 92 Protonen im Atomkern.

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Natururan besteht allerdings nur zu etwa 0,71% aus diesem Isotop, zum Großteil hingegen aus dem unmittelbar nicht spaltbaren U 238. Speiste man einen atomaren Reaktor mit Natururan, so würden die entstehenden schnellen Neutronen weiterhin bevorzugt durch das U 238 abgefangen werden und die Kettenreaktion käme somit zum Erliegen278. Aufgrund der Tatsache, daß es bisher niemandem gelungen war, die Isotope U 235 und U 238 voneinander zu trennen, entbrannte eine langwierige internationale Diskussion, ob die Herstellung einer Atombombe überhaupt möglich sei. Man stritt sich über die Art der Neutronen (schnell/langsam), die Art des einzusetzenden Brennstoffes (Natururan/ angereichertes oder gar reines U 235) und nicht zuletzt über die benötigte Brennstoffmenge (die Schätzungen gingen meist von mehreren Tonnen U 235 aus, was damals - in bezug auf die Möglichkeiten der Herstellung - eine völlig irreale Menge war).

Die deutschen Forschungen Etwa an diesem Punkt der Forschungen begannen sich die Wege der Wissenschaftler aufgrund des absehbaren Krieges langsam zu scheiden. Im Dezember 1939 erstellte der deutsche Nobelpreisträger Werner Heisenberg, einer der bekanntesten Wissenschaftler des Dritten Reiches, einen 24seitigen Bericht mit dem Titel »Die Möglichkeit der technischen Energiegewinnung aus der Uranspaltung«. Darin erkannte er prinzipiell zwei Wege zur Energiegewinnung, die er später auch als Wege zur Atombombe sehen sollte: 1. Anreicherung des U-235-Anteils im Natururan, um damit den

Verlust von verwendbaren Neutronen durch die

278 Vgl. Riedel, Allgemeine und Anorganische Chemie, S. 20.

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U-238-Atome zu reduzieren279. Es brauchten also nur noch zwei unterkritische U-235-Massen zur kritischen Masse zusammengefügt werden und es kam zur Kettenreaktion. Diese Variante wird meist »Uranbombe« genannt. 2. Abbremsen der schnellen Neutronen mit Hilfe eines Moderators, damit sie mit U 235 reagieren können280. Der Aufbau der Bombe entsprach also dem eines Nuklearreaktors, der durch Steigerung der Kettenreaktion gezielt zur Explosion gebracht werden sollte - daher der Name »Reaktorbombe«281.

Mit diesen beiden Varianten wurden die zwei prinzipiellen Typen der deutschen Atombombe »geboren«. Beide Wege sollten jedoch in den nächsten Jahren in Deutschland in eine Sackgasse führen.

Die Uranbombe Die Uranbombe scheiterte daran, daß Heisenberg die kritische Masse falsch berechnete und somit einen Wert von mehreren Tonnen U 235 als Ergebnis erhielt282. Da aber eine Abscheidung dieses Isotops in Deutschland, wenn über-

279 Vgl. Heisenberg, Die Möglichkeit der technischen Energie-gewinnung aus der Uranspaltung, S. 24, in: Deutsches Museum München, Geheimdokumente zum deutschen Atomprogramm 1938-1945.

280 Ebenda, S. 24. 281 In den vorliegenden deutschen Geheimdokumenten werden

die Bezeichnungen »Reaktorbombe« und »Uranbombe« mehrfach in unterschiedlichen Zusammenhängen gebraucht. Um dem Leser die Unterscheidung einfacher zu machen, wird sich dieses Buch streng an die oben getroffene Einteilung halten.

282 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 150.

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haupt, nur in kleinsten Mengen gelang, schien dieser Weg in naher Zukunft nicht zielführend zu sein. Die Versuche, das U 235 in genügender Menge anzureichern, verliefen über die Jahre hinweg nur äußerst schleppend. Die oft zitierte untergeordnete Einstufung dieses Atombomben-Projekts durch den Reichsrüstungsminister Albert Speer erfolgte unter den damaligen Voraussetzungen also zu Recht. Heisenberg selbst bemerkte seinen folgenschweren Irrtum erst nach Kriegsende, während er in Farm Hall von den Briten festgehalten wurde.

Die Reaktorbombe Die Reaktorbombe baute darauf auf, daß die zu schnellen Neutronen durch einen Moderator (z. B. Schweres Wasser) abgebremst werden sollten und somit trotz Anwesenheit einer großen Menge von U 238 eine Kettenreaktion möglich gemacht wurde. Das Projekt scheiterte daran, daß die in Betracht gezogenen Moderatoren lange vor Erreichen der gewünschten Temperaturen verdampfen würden. Heisenbergs Forschungen zur Reaktorbombe endeten im März 1945 mit dem bekannten Reaktor im Haigerloch (bei Tübingen). Der letzte Versuch für diese Bombe wurde nicht einmal »kritisch«, das heißt es kam nicht einmal eine sich selbständig erhaltende Kettenreaktion zustande, geschweige denn eine Explosion283. Beide Möglichkeiten beschäftigten die deutschen Wissenschaftler um Werner Heisenberg über Jahre hindurch bis zum Kriegsende. Man darf sich hier nicht vorstellen, daß die Projekte gezielt verzögert wurden, nein, man befand sich schließlich auf wissenschaftlichem Neuland, das eine

283 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 233ff.

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weite und ausführliche Grundlagenforschung erforderte. Tatsachen, die heute in jedem Schulbuch nachgelesen werden können, mußten damals in langwierigen Versuchen bestätigt oder widerlegt werden. Neben der ausführlichen Grundlagenforschung suchte man vor allem nach geeigneten Moderatoren für die Reaktorbombe und nach geeigneten Verfahren, um Uran wirtschaftlich anzureichern. Da nach bisherigem Stand der Forschungen keine der beiden Atombomben-Varianten in Deutschland vor dem Kriegsende zum Ziel geführt hatte, wurden diese Wege in der modernen Literatur ständig präsentiert und das deutsche Atomprogramm auch aus Sicht der erhaltenen Unter-lagen für tot erklärt.

Der Königsweg Tatsache ist, daß Werner Heisenberg diese Probleme schon sehr früh sah, und zwar schon im Sommer 1940284. Er erkannte zu diesem Zeitpunkt, daß keiner der beiden Wege zu einer deutschen Atombombe führen würde. Schon Anfang 1940 aber war den deutschen Wissenschaftlern ein unerwarteter Glücksfall zu Hilfe gekommen. In der Januar-Ausgabe der renommierten Wissenschaftszeitschrift »Physical Review« war einer der letzten unzensurierten Artikel zur Kernphysik erschienen. Der Amerikaner L. Turner wies in diesem Artikel darauf hin, daß sich wahrscheinlich auch aus dem bisher als wertlos betrachteten U 238 durch Beschuß mit langsamen Neutronen und an-schließendem Zerfall des damit gewonnen Isotops U 239 ein spaltbares Element gewinnen ließ, das in späterer Zeit als Neptunium (Np) bekannt wurde. Einer der Stammleser der »Physical Review« war Carl Friedrich von Weizsäcker,

284 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 164.

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ein weiterer bekannter Wissenschaftler des Dritten Reiches285. Aufbauend auf den Grundlagen Turners entwickelte von Weizsäcker bis zum Sommer 1940 ein neues Konzept zur Energiegewinnung aus Uran, das er im Juni 1940 unter dem Titel »Eine Möglichkeit der Energiegewinnung aus Uran 238« fertigstellte. Darin führt er dezidiert an, daß das nun entstehende neue Element (Np) »als Sprengstoff« zu verwenden sei286. Folglich konnte nun ein Großteil des vorhandenen Urans in Sprengstoff umgewandelt werden und nicht nur der extrem geringe U-235- Anteil. Schon damals allerdings hinkte Deutschland bei den Forschungen den USA hinterher, da dort bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt war, daß nicht Neptunium das Endprodukt der Reaktion darstellte, sondern das Element Plutonium (Pu)287. Doch auch diese Entdeckung wurde noch ein letztes Mal im »Physical Review« publiziert, womit auch in Deutschland klar wurde, daß man aus dem unbrauchbaren U 238 durch Neutronenbeschuß und anschließendem Zerfall hochexplosives Pu 239 gewinnen konnte:288

Mit dieser Reaktion hatte man also den »Königsweg« zur Atombombe entdeckt:

285 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 164.

286 Vgl. Weizsäcker, Eine Möglichkeit der Energiegewinnung aus 238U, S. 5, in: Deutsches Museum München, Geheimdokumente zum deutschen Atomprogramm 1938-1945.

287 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 165f.

288 Vgl. Riedel, Allgemeine und Anorganische Chemie, S. 20.

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• Man ersparte sich damit die langwierige und bisher praktisch unmögliche Anreicherung des Urans mit U 235, da man einfach das reichlich vorhandene U 238 durch Neutronenbeschuß in Plutonium umwandeln konnte.

• Man umging weiterhin die Problematik des Moderators in einer Bombe, da Plutonium sowohl mit schnellen, als auch mit langsamen Neutronen zu spalten war.

Heisenberg war völlig klar, daß dies der ideale Weg zur Atombombe war. Alles was er dafür benötigte, war ein kritischer Reaktor, in dem er das reichlich vorhandene U 238 in Plutonium umwandeln konnte. Erforderlich dafür war Natururan und eine größere Menge von schwerem Wasser289. Da auch diese Bombe auf Uran als Ausgangsstoff aufbaute, wurde auch sie oftmals als »Uranbombe« bezeichnet. Von nun an (Juni 1940) konnte es für das deutsche Atombombenprojekt nur noch ein Ziel geben: Errichtung eines kritischen Schwerwasserreaktors. Da der von der US Army bei Kriegsende in Haigerloch gefundene Reaktor zu klein war, um kritisch zu werden, ging man bisher davon aus, daß den deutschen Wissenschaftlern niemals der entscheidende Schritt gelungen sei. Die richtige Schlußfolgerung lautete: Wer keinen kritischen Reaktor besaß, konnte in absehbarer Zeit niemals Plutonium in ausreichender Menge herstellen.

Kritische Reaktoren im Dritten Reich Die alles entscheidende Frage lautet nun: Gelang es den deutschen Wissenschaftlern im Zeitraum Juni 1940 bis Mai

289 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 166ff.

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1945 einen kritischen Reaktor zu bauen und kontinuierlich zu betreiben? Die bisherige Aktenlage gab eine klare Antwort: Nein. Als Grund dafür wird im allgemeinen angegeben, daß Heisenberg über die Möglichkeit eines mit Graphit (in vielen Akten als »reine Kohle« bezeichnet) moderierten Reaktors nicht nachdachte, da falsche Meßergebnisse vorlagen290. Statt dessen versuchte Heisenberg seinen Reaktor mit Schwerem Wasser zu moderieren, das damals ja angeblich kaum zu beschaffen war. Abgesehen von den Beschaffungsschwierigkeiten bei D2O wird auch schon die Verwendung von Schwerem Wasser als falscher Weg bezeichnet. Dazu sei nochmals angemerkt, daß Heisenbergs Weg, der als »in verschiedener Hinsicht [...] ungünstig«291 bezeichnet wird, heute große Teile Kanadas mit elektrischer Energie versorgt. Ein solcher Reaktor mit einer Leistung von 106 kW liefert pro Tag ein volles Kilogramm Plutonium292. Man kann damit also innerhalb einer Woche genügend Pu 239 gewinnen, um eine Atombombe zu konstruieren. So falsch kann Heisenbergs Vorgehen folglich nicht gewesen sein. Was hinderte die deutschen Wissenschaftler daher daran, den Reaktor zu bauen? Wie oben gezeigt wurde, war das Verfahren der fraktionierten Destillation zur Gewinnung von Schwerem Wasser längst bekannt - der Moderator war also höchstwahrscheinlich in genügender Menge vorhanden. Aus technischer, chemischer und physikalischer Sicht gab es also keinen stichhaltigen Grund dafür, daß in Deutschland vor Mai 1945 kein kritischer Nuklearreaktor hätte gebaut werden können. Auch die bisher veröffentlichten

290 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 167f.

291 Ebenda, S. 167. 292 Vgl. Riedel, Allgemeine und Anorganische Chemie, S. 21

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Akten geben zu dieser Fragestellung keine befriedigende Auskunft. Es wird zwar bis Kriegsende an allen möglichen Problemen geforscht, aber der Reaktor wird einfach nicht gebaut. Rekonstruiert man die Forschungen des Arbeitskreises um Werner Heisenberg, so ergibt sich anhand der erhaltenen Akten ein sehr lückenloses Bild. Es läßt sich sehr gut erkennen, woran im Lauf der Jahre gearbeitet wurde, welche Versuche vorbereitet und welche Ergebnisse dabei erzielt wurden. Dies gilt von der Entdeckung der Kernspaltung bis hin zu den unbefriedigenden Reaktorversuchen im Haigerloch, über die Heisenberg sehr enttäuscht war. Er wäre zu gern der erste gewesen, der einen kritischen Reaktor in Betrieb nahm (von den längst erfolgreichen Versuchen in den USA wußte er zu diesem Zeitpunkt nichts). Es sieht aber sehr danach aus, daß die Forschergruppe Heisenbergs nicht die einzige war, die im Dritten Reich an der Atombombe arbeitete. Im Wiesenthal-Archiv in Jerusalem befindet sich nämlich ein Dokument, auf das der hier hauptsächlich zitierte Autor P. L. Rose aufmerksam gemacht wurde. Wie Rose ausführt, handelt es sich dabei um einen »Rechenschaftsbericht« vom Oktober 1944, der mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der »Forschungsanstalt der Deutschen Reichspost, Abteilung für Kernphysik«293 stammt. In diesem Bericht zur Konstruktion einer Atombombe findet sich unter anderem folgender Satz:294

»Tatsächlich kam im Februar 1941 die Lawine ins Rollen, aber man hatte noch Zeit, sie zu stoppen, bevor die Explosion erfolgte.«

293 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 226

294 Vgl. Rechenschaftsbericht, S. 19, in: Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 229.

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Auch wenn dies P. L. Rose nicht erkannte, dieser eine Satz läßt die bisherige Geschichtsschreibung zum Atombombenprojekt des Dritten Reiches zerbröseln. Mit diesem Satz wird ganz eindeutig ausgedrückt, daß es in Deutschland einen kritischen Reaktor gab - und zwar Anfang 1941! Ob dies nun absichtlich oder aus einem Unfall heraus geschehen war, ist nebensächlich: Tatsache ist, daß es den deutschen Wissenschaftlern möglich war, einen Reaktor in ausreichender Größe zu bauen. Dies geschah zudem mit deut-lichem Vorsprung gegenüber den US-Wissenschaftlern, denn deren erster Reaktor arbeitete erst ab Dezember 1942295. Bewiesen ist damit auch, daß es deutsche Forscher gab, die sich nicht mit »sinnloser« Grundlagenforschung abgaben, sondern gezielt auf eine Bombe hinarbeiteten. Heisenberg kann dieser Gruppe nicht angehört haben, denn hätte er von diesem kritischen Reaktor gewußt, wäre er über den Fehlschlag der Haigerloch-Versuche nicht derartig enttäuscht gewesen. Der Gewinnung von Plutonium stand also in Deutschland scheinbar nichts mehr im Wege. Zu betonen ist aber, daß dieser einmalige Vorfall klar von einer kontinuierlichen Plutonium-Produktion zu unterscheiden ist. Der »Rechenschaftsbericht« verblüfft aber weiter - es heißt darin zum Thema Plutonium:296 »Diese epochalen Entdeckungen waren aber angesichts der Erfordernis, auf dem schnellsten Wege Waffen zu schmieden, die unserem Volk ein merkliches Übergewicht bei allen kriegerischen Kampfhandlungen gab, doch nur von neben-sächlicher Bedeutung, da sie eben nur auf lange Sicht und

295 Vgl. US Department of Energy, The eight major processes of nuclear weapons complex.

296 Vgl. Rechenschaftsbericht, S. 23, bei: Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 228.

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nicht sofort benützt werden konnten. Es trat die Frage auf: Wie kommt man von der Uranbatterie zur Uranbombe?« Bemerkenswert daran ist, daß der Autor des Berichts in der Vergangenheitsform schreibt: Die einzig logische Folgerung lautet also, daß zum Zeitpunkt der Verfassung des Berichts die gestellte Frage bereits beantwortet und die Waffe (eine hier, wie öfters in derartigen Akten, als »Uranbombe« bezeichnete Plutoniumbombe) zumindest in der Theorie einsatzbereit war. Wie P. L. Rose richtig anmerkt, ist die in dem Bericht beschriebene Zündung der Bombe fehlerhaft297. Dieses Problem erscheint aber winzig im Vergleich zu den Problemen, die man dem deutschen Atombombenprojekt bisher unterstellt hatte. Auffallend ist auch, daß der Autor des Rechenschaftsberichts von einem Zündmechanismus ausgeht, der bei der Uran-Atombombe von Hiroshima verwendet wurde (»Urankanone«). Woher das Wissen dafür kam, bleibt wieder ein »Geheimnis der Geschichte« ... Neben der damals nicht erkannten fehlerhaften Zündung führt der Autor des Rechenschaftsberichts aber noch ein weiteres Problem an: Es fehlte trotz allem auch dieser Forschergruppe an einem geeigneten großen Reaktor, um Plutonium in ausreichenden Mengen kontinuierlich herzustellen298.

Die SS schaltet sich ein Der vorgenannte Bericht ist auf Oktober 1944 datiert. Zu diesem Zeitpunkt widerfuhr auch den deutschen Atombom-benprogrammen jenes Schicksal, das bisher die Raketen-

297 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 231.

298 Vgl. Rechenschaftsbericht, S. 27, bei: Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 232.

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technik und teilweise auch schon den Jagdflugzeugbau ereilt hatte: Die SS versuchte die Projekte ihrem Machtbereich einzugliedern. In diesem Zusammenhang bemerkenswert und vielen absolut unbekannt ist, daß am 30. September 1944 ein Führerbefehl ergangen war, wonach der »Bau der Uranbombe zu forcieren sei«!299 Der Autor des Rechenschaftsberichts reagierte darauf mit folgenden Worten:300 »[Dadurch] ... verzichten wir auf die Arbeiten mit kleinen Modellen in der Größenordnung von wenigen Milligramm, sondern stützen uns heim Bau und der Konstruktion der Uranhomhe [...] auf die vorhandenen Forschungsergebnisse [...], die aher, wie wir heute schon den Beweis haben, richtig waren ...« Daraus sind zwei wichtige Sachverhalte abzuleiten: 1. In den Jahren von 1940 bis 1944 hatte eine Forschergruppe im

Dritten Reich alle notwendigen Grundlagen für den Bau einer Plutoniumbombe (hier wiederum als Uranbombe bezeichnet) in mühevollen Experimenten erarbeitet. Wahrscheinlich baute sie dabei auch auf den Ergebnissen Heisenbergs auf, auch wenn dieser hier nicht (direkt) beteiligt war. Die lange Zeitspanne kann mit wissenschaftlichen Arbeiten und der möglicherweise etwas übertriebenen »deutschen Gründlichkeit« als realistisch eingestuft werden.

2. Hitler dauerte das Projekt nun schon zu lange, er wollte nun endlich die fertige Bombe in seinen Händen halten.

299 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 226.

300 Ebenda, S. 226f.

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Was Deutschland nun schnellstens brauchte, war ein großer Reaktor und ausreichend Schweres Wasser. Der Rest war vorhanden (Natururan und Wissen). Die SS bemühte sich nun mit aller Kraft, dem Reichsrüstungsminister Albert Speer Unfähigkeit vorzuwerfen, um die Forschungen unter ihre Kontrolle zu bekommen. Aufgrund der langen Dauer und das - auch bei positiver Sichtweise - ganz offensichtliche Dahindümpeln des bisherigen Projektes hatte sie dabei eindeutig die besseren Karten. Himmler war soeben zum »Chef des Ersatzheeres« ernannt worden301 und bekam damit neuen Einfluß auf das Heeres-waffenamt, dem die Atomforschung unterstand. Ende des Jahres 1944 begann der SS-Hauptsturmführer Helmut Joachim Fischer damit, ein neues technisch-wissenschaftliches Gremium aufzubauen, dem neben Speer vor allem zahlreiche SS-Mitglieder angehörten, das Hitler »beraten« sollte. Dieser Plan wurde Hitler vom Chef des Reichssicherheitshauptamtes III C, Ernst Kaltenbrunner, dargebracht. Hitler stimmte begeistert zu. Er glaubte, daß »ein unerhörter Erfolg« bevorstand.302 Im Januar 1945 warf der Hauptvorstand des Sicherheits-dienstes-Inland (ebenfalls zur SS gehörig), Otto Ohlendorf, Speer vor, die Atomforschung zu vernachlässigen. Dabei drängte er diesen, ein neues Werk für Schweres Wasser zu bauen. Speer lehnte dies in einem Schreiben vom 29. Januar des Jahres ab: Man möge in einem Vierteljahr wieder an ihn herantreten ...303 Ausgerechnet zwei Tage später, am 31. Januar 1945, schlug aber »rein zufällig« abermals die Stunde eines schon be-

301 Vgl. Rose, Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis, S. 224

302 Ebenda, S. 224f. 303 Ebenda, S. 221.

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kannten Mannes: General der Waffen-SS Hans Kammler. Hitler ernannte ihn zum »Bevollmächtigten des Führers für Strahlenforschung«. Daß dies nur zwei Tage nach dem negativen Bescheid Speers erfolgte, kann unmöglich ein Zufall gewesen sein. Hitler wollte nun Taten sehen und keine Aufschiebungen. Es war eine klassische »Ohrfeige« für Speer, dessen Ansehen bei Hitler damals schon deutlich im Sinken war. Die SS war damit an ihrem Ziel: Sie hatte Speer ausgeschaltet und die deutschen Atombombenprogramme unter ihre Kontrolle gebracht. Um Hitler zufriedenzustellen, mußte Kammler nun auf schnellstem Wege eine deutsche Atombombe bauen und dazu zwei Probleme lösen: • Die Konstruktion eines wesentlich größeren Nuklearreaktors. • Die Konstruktion eines großen Schwerwasserwerkes.

Wie in den vorhergehenden Kapiteln anhand der Auswertung US-amerikanischer Luftaufnahmen bewiesen wurde, begannen in diesen Tagen absolut »zufällig« die Bauarbeiten zu jenen rätselhaften Anlagenteilen von Projekt »Quarz«, die sich als revolutionäres Schwerwasserwerk entpuppen sollten. Der Leiter der Bauarbeiten: Hans Kammler ... Die aufgestellte Theorie läßt sich also auch durch die Neuinterpretation der Akten und Geheimunterlagen, die bisher als völlig nichtssagend galten, problemlos untermauern. Eine Frage muß in diesem Zusammenhang allerdings offen bleiben: Wann und wo begann Kammler mit den Bauarbeiten für den neuen Schwerwasser-Reaktor zur Plutoniumgewinnung? Daß ein derartiger Bau nicht begonnen wurde, kann aufgrund der beschriebenen Umstände von Kammlers »Machtübernahme« fast ausgeschlossen werden. In den Anlagen von Projekt »Quarz« ließen sich jedenfalls

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keine derartigen Anlagenreste finden. Es ist aber gut möglich, daß unter den meterhohen Schuttbergen in den Stollen noch so manche Überraschung verborgen liegt ...

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9. Die Alpenfestung in neuem Licht

Die aufgestellte Theorie behauptet zusammengefaßt, daß die US Army nicht in die sogenannte »Alpenfestung« zog, da sie in Niederösterreich ein deutsches Atomforschungszentrum erobern wollte. Die Geschichte läßt sich mit der aufgestellten Theorie jedoch auch völlig anders darstellen, nämlich dergestalt, daß es die »Alpenfestung« wirklich gab, jedoch nicht an dem ursprünglich vermuteten Ort. Um dies verständlich zu machen, seien nochmals verschiedene Punkte angeführt, die laut alliierter Geheimdienste in der »Alpenfestung« vorhanden waren:

> Riesige Stollensysteme > Fanatische Kämpfer > Neue Waffen > Riesige Vorratslager > KZ-Häftlinge, die als Geiseln dienen sollten > Der letzte Zufluchtsort Nazideutschlands

Urteilen Sie selbst, wenn sie diese Angaben mit Roggendorf vergleichen: Die Stollenanlagen: Es wurden zumindest sieben Kilometer Stollen in den Wachberg getrieben. Fanatische Kämpfer: Die Umgebung von Roggendorf wurde von den besten und fanatischten deutschen Soldaten, der 6. SS-Panzerarmee, bis zuletzt verbissen verteidigt, und die gesamte Heeresgruppe Süd (Ostmark) bestand aus etwa 700.000 Mann! Neue Waffen: In den Stollenanlagen wurde wahrscheinlich an der neuen Waffe geforscht: der Atombombe. Riesige Vorratslager: In der Umgebung wurde in den letz-

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ten Kriegsmonaten ein System von Kleinraffinerien aufgebaut, die sowohl »Quarz« selbst, als auch die Fahrzeuge der Verteidiger mit Treibstoff versorgen konnten. Auch die Versorgung mit Rohöl war durch die Nähe zu den Ölfeldern in Zistersdorf (nördliches Niederösterreich) bis kurz vor Kriegsende gesichert. Im Nibelungenwerk in St. Valentin konnten bis in den Mai 1945 hinein Jagdtiger-Panzer für die Waffen-SS hergestellt werden. Die Vertreter aller Armeen der Heeresgruppe Süd (Ostmark) berichteten, daß sie noch unerwartet viele Reserven und Nachschub aller Art zur Verfügung hätten. KZ-Häftlinge als Geiseln: Nach Kriegsende plünderten zahlreiche KZ-Häftlinge die umliegenden Ortschaften von Roggendorf. Woher sie kamen und was aus ihnen wurde, ist bis heute nicht geklärt. Der letzte Zufluchtsort: Die Umgebung von Roggendorf gehörte zum letzten kleinen Flecken Erde, der das Dritte Reich bei Kriegsende darstellte. Erst am letzten Kriegstag in Europa, dem 8. Mai 1945, wurden die Anlagen aufgegeben.

Löst man sich von der Vorstellung, die »Alpenfestung« hätte sich in der Nähe des Obersalzberges in Salzburg, Tirol und Oberösterreich befunden, so ist es wesentlich wahrscheinlicher anzunehmen, daß sie sich in den niederösterreichischen Voralpen, in der Umgebung von Projekt »Quarz«, befand. Hierher kamen die letzten Truppen, die letzten Flugzeuge, die letzten Panzer, das letzte Öl, die letzten Gefangenen, es lief die letzte Abwehrschlacht und es war das letzte Hoheitsgebiet des Dritten Reiches. Es war möglicherweise der verzweifelte Versuch, doch noch eine Waffe zu bauen, die den Kriegsausgang wenden sollte. Der Reichspropagandaminister Josef Goebbels hätte die Alliierten in einem solchen Falle geschickt in die Irre geführt.

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Die Angaben zur »Alpenfestung« stimmten, einzig die Orts-angabe war falsch. Er befolgte das alte chinesische Strate-gem Nr. 6: »Im Osten lärmen, im Westen angreifen.«304 Das bedeutet so viel wie im Osten ein Täuschungsmanöver durchführen, aber im Westen zuschlagen, nur mit dem Unterschied, daß Goebbels im Westen »lärmte« und im Osten, sprich in Roggendorf, seinen letzten Gegenschlag vorbereitete. So verwundert es kaum, daß die 3rd US Army zuerst in Richtung Salzburg zog und erst später, als der Irrtum erkannt wurde, nach Osten über die Enns ging. Im Vergleich mit dem Gewinn der deutschen Atombombe war die Eroberung Berlins wirklich nur noch »ein reines Theater«: Eisenhower hatte also doch die Wahrheit gesagt, als er meinte, er wolle die Alpenfestung erobern!

304 Senger, Strategeme, S. 101.

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10. 18 Fragen

Die dargestellte Theorie erscheint sicherlich gewagt, da sie im krassen Widerspruch zur »offiziellen« Geschichtsschreibung steht. Sie will keinen Anspruch auf die einzig gültige Wahrheit erheben, sondern einen Beitrag zur offenen Diskussion über die Geschichte Österreichs leisten. Aus diesem Grund seien hier nochmals alle Fragen gestellt, die eine Gegendarstellung logisch und nachweisbar zu beantworten hat:

• Warum befand sich die 6. SS-Panzerarmee zu Kriegsende in Niederösterreich und nicht in Berlin?

• Wie sind die sowjetischen Lautsprecherdurchsagen wie »Der größte Verrat der Weltgeschichte steht bevor. Lauft zu uns über!« zu erklären?

• Warum wurde Wien aufgegeben und Roggendorf hartnäckig verteidigt?

• Warum war die »Mank-Melk-Stellung« praktisch die letzte geplante Verteidigungsstellung des Dritten Reiches?

• Warum gab Eisenhower Berlin auf, um seine Soldaten nach Amstetten zu schicken?

• Wie ist der sowjetische Luftangriff in Amstetten zu deuten? • Was wurde bei dem Treffen in Amstetten vereinbart? • Warum konnte praktisch die gesamte Heeresgruppe Süd

(Ostmark) in amerikanische Gefangenschaft gehen? • Warum wurde das erste sowjetisch-amerikanische Treffen auf

österreichischem Boden verschleiert? • Wieso wußte der Befehlshaber der Heeresgruppe Süd

(Ostmark), Rendulic, daß die US Army die Enns überschreiten würde?

• Welchen Zweck hatten die Wasserleitung Roggendorf -

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Donau und die Schachtanlage im Stollen B der Stollenanlage »Quarz«?

• Welchen Zweck hatten die riesigen Arbeitersiedlungen in der Umgebung von Roggendorf?

• Wie sind die »ungenutzten« Stollen im Wachberg zu erklären? • Wieso wurde im Januar 1945 der Deckname »Quarz II« weiter

angeführt, obwohl das Projekt schon im März 1944 eingestellt wurde?

• Wieso war ausgerechnet der Fliegerhorst Markersdorf durchgehend von Mai 1944 bis Kriegsende mit Jagdflugzeugen belegt?

• Woher kamen die KZ-Häftlinge, die nach Kriegsende die Umgebung von Roggendorf plünderten?

• Wieso wurde das KZ Melk von der US Airforce bombardiert?

Die letzte Frage richtet sich an das österreichische Bundes-ministerium für Wissenschaft und Forschung:

• Warum steht die Stollenanlage »Quarz« noch immer nicht unter Denkmalschutz?

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Anhang - Maschinenbauliche Berechnung der Anlage

Um die Kapazität des möglichen Schwerwasserwerkes in den Stollen von Projekt »Quarz« zumindest ungefähr abschätzen zu können, ist die maschinenbauliche bzw. prozeßtechnische Durchrechnung der Anlage Grundvoraussetzung. Ausgehend vom Ölinhalt des Tanklagers, kann auf die Verdampfungsleistung und damit auf die Produktionskapazität des Schwerwasserwerkes geschlossen werden. Wegen ihrer Wichtigkeit wird diese Berechnung hier vollständig angeführt. Eine mögliche Wärmerückgewinnung oder die Anwendung von Vakuumtechnik wurden in der Berechnung nicht berücksichtigt - es handelt sich also um den schlimmsten annehmbaren Fall (durch die Kriegslage entspricht dieser wohl der realistischen Situation).

Bestimmung des Ölvorrates

Die vorhandenen Fundamente des Tanklagers und ihre Abstände voneinander lassen darauf schließen, daß es sich dabei um sechs Behälter handelte, mit einer Länge von jeweils etwa 7,5 Metern und einem Durchmesser von 1 Meter:

Bestimmung der benötigten Energie

Um Dampf zu erzeugen, muß das Wasser verdampft und auf die gewünschte Temperatur erhitzt werden. Die dazu

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benötigte Energiemenge setzt sich folglich aus der zum Erhitzen und der zum Verdampfen notwendigen Energie zusammen. Als gewünschtes Produkt wird Dampf mit einer Temperatur von 170°C angenommen, Bezugsmasse ist 1 kg. Bei einer Donauwassertemperatur von ca. 10°C ergibt sich eine Temperaturdifferenz von 160°C. Zur Erwärmung von 1 kg Wasser um 1 °C benötigt man einen Energieeinsatz von 1 Ki-lokalorie. Man benötigt also 160 Kilokalorien, was umgerechnet rund 670 kJ ergibt305. Die massebezogene Verdampfungswärme beträgt für Wasser bei 1,0132 bar 2.250 kJ je kg306. Damit ergibt sich ein theoretischer Energieeinsatz von:

670 + 2.250 =2.920 kJ

Bei einem Wirkungsgrad des Prozesses von ca. 90% ergibt sich ein tatsächlicher Energieeinsatz von:

E = 2.920 / 0,9 ~ 3.244 kJ E = 3.244 kJ

Bestimmung des Heizwertes

Da die Anlage gegen Ende des Zweiten Weltkrieges errichtet wurde, kann man davon ausgehen, daß keine besonders hochwertigen Brennstoffe eingesetzt wurden. Als Grundlage wurden daher die Werte für Steinkohlen-Teeröl leicht herangezogen:307

305 1 kK = 4,1868 kJ. 306 Vgl. Gieck/Gieck, Technische Formelsammlung, S. Z 10. 307 Vgl. Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau, S. L 75.

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Unterer Heizwert Steinkohlen-Teeröl leicht: 37.700 kJ/kg. Bei einer Dichte von 0,96 kg/1 ergibt sich ein Heizwert pro Liter von: 37.700 x 0,96 = 36.192 kJ/l Hu = 36.192 kJ/l

Ergebnis

Mit diesen Werten läßt sich nun berechnen, wie viele Tonnen Wasser mit dem Öl der Tanks verdampft werden konnten: Die Öltanks hatten einen Inhalt von 35,34 m3, das entspricht 35.340 Litern. Jeder Liter hat einen Heizwert von 36.192 kJ, daher beträgt der Gesamtheizwert des Tanklagers:

35.340 x 36.192 = 1.279.025.280 kJ

Um einen Liter Wasser in den gewünschten Dampf zu ver-wandeln, benötigt man 3.244 kJ. Folglich kann man mit Hilfe des Teeröles folgende Wassermenge verdampfen:

1.279.025.280 / 3.244 = 394.274 Liter Wasser, was ~ 394 m3 oder Tonnen entspricht. Dies ist die gesamte Wassermenge, die mit einem Tankinhalt verdampft werden konnte. Bei einem D2O-Anteil von 0,015% im Wasser, hätte man aus diesem Volumen rund 59 Liter Schweres Wasser gewinnen können.

Das Ergebnis der Berechnung ist sehr »stabil«, das heißt, selbst unterschiedliche gewünschte Dampftemperaturen oder andere verwendete Brennstoffe ändern das Ergebnis kaum, da die Berechnung hauptsächlich von zwei Werten abhängt:

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1. Der massebezogenen Verdampfungswärme - ein Wert, der sich im gesamten in Frage kommenden Druck- und Temperaturbereich kaum ändert.

2. Dem Heizwert des Öls - ergibt auch für Heizöl Leicht oder Schwer ähnliche Werte.

Berechnung der Trennungsdurchgänge

Interessant ist sicherlich auch die Anzahl der Trennungs-durchgänge, die zur Erreichung des gewünschten Reinheitsgrades notwendig gewesen wären. Die Berechnung kann natürlich nur eine sehr grobe Abschätzung sein, da sie von zu vielen anlagespezifischen Faktoren abhängt, die heute nicht mehr zu ermitteln sind. Allen voran müßte dazu der sogenannte »Trennungsfaktor« (s) der Anreicherung bekannt sein; s errechnet sich aus dem erzielten Isotopengehalt (NA) durch den Isotopengehalt des eingesetzten Materials (NE).

Für die fraktionierte Destillation von Deuteriumoxid liegt dieser Wert zwischen 1,05 und 1,6308, das heißt bei einem Durchgang kann der D2O-Anteil um 5-60% erhöht werden. Damit kann man nun die nötige Anzahl von Durchgängen (n) errechnen, um das Schwere Wasser von 0,015% auf 99,8% anzureichern:

308 Vgl. Sublette, Nuclear Weapons Frequently Asked Questions.

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Rechnet man mit einem mittleren Trennungsfaktor von s = 1,3, so sind 34 Durchgänge notwendig, um einen Reinheitsgrad von 99,8% zu erreichen. Anmerkung: Diese 34 Durchgänge wirken sich natürlich nicht auf die obige Berechnung aus, da bei jedem Trennungsdurchgang nur ein Teil des Wassers verdampft werden muß, in Summe 394 m3 Wasser zur Gewinnung von 59 Litern D2O.

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Danksagung

Es ist vielen Personen zu verdanken, daß dieses Buch entstanden ist. Sie haben meine Arbeit über Jahre hinweg unterstützt, beraten und oft wieder in die richtige Richtung gelenkt. Ich möchte ihnen allen recht herzlich danken! An erster Stelle steht dabei meine Lebensgefährtin Eva, die die ungezählten Stunden, die ich mit der Arbeit an diesem Buch verbrachte, geduldig hinnahm. Mein besonderer Dank gilt Kurt Beck, der mir viele wichtige Denkansätze gab und ohne den die seltsame Geschichte von Projekt »Quarz« wohl unerforscht geblieben wäre. Weiterhin möchte ich meinem Vater danken, der die Idee hatte, die schließlich zum Durchbruch führte. Recht herzlich möchte ich mich auch bei Willi Greschner und allen anderen Personen aus der Umgebung von Roggendorf bedanken, die mir geduldig viele meiner Fragen zum Berg beantworteten. Last but not least gilt mein Dank Josef Buchhart, Patrick Schenk, Wolf-Dieter, meinem Verleger Jochen Kopp und allen anderen, die mir stets hilfsbereit zur Seite standen.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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