schloss sehr geehrte damen und herren, liebe musik … · referat zum thema „resonanz“ beim...
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ReferatzumThema„Resonanz“beimKonzertderHaake-Stiftungam10.09.2017imLudwigsburgerSchloss
SehrgeehrteDamenundHerren,liebeMusik-Freunde,
DassderVortragvonPeterSchulzvorguteinerWochedenTitelgetragenhat„ResonanzalsBegegnung“,undmeineKomposition,dieheuteihreUAerlebenwird,denTitel„Begegnungen“trägt,kannkeinZufallsein.
Offensichtlichhabenwirbeide,ohneunsabzusprechen,eineübereinstimmendeSichtaufdiesensoschillerndenBegriff„Resonanz“.
DieseÜbereinstimmungbedeutetaberauch,daßÜberschneidungenundWiederholungeninmeinemheutigenBeitragwohlwahrscheinlichsind.
Wobeiichmichbemühenwill,inmeinemReferateinenspeziellenBlickaufdasPhänomen„Resonanz“zuwerfen.
JederMusiker,jederKomponisthatjairgendwiedamitzutun:
ObesdieAkustikeinesKonzertraumesoderdieKlang-EigenschafteinesInstrumentesist,-esgehtmirnichtnurumdiephysikalischerklärbareResonanz,sondernauchumeinesozusagen„metaphysische“Komponente.
AlsonichtnurumdenEinflussder„Resonanz“beiderEntwicklungvonKlangkörpern,sondernesgehtauchumdieWahrnehmungeinesWerkesaufdenZuhörer,-auchumdieWechselwirkungvonInterpretationundderenWahrnehmung.WasunsdannschließlichzumBegriff„Resonanz“alsFormderZustimmungoderAblehnungeinesWerkesdurchInterpreten,VeranstalterundPublikumbringenwird.
AlldieseBereichesindnichtimmerklarabzugrenzen,alleinschondas„Hörenansich“ist„Resonanz“–anatomischwieneurologisch.
Dabeiistschonauffallend,wieseltendasWortinderAlltagsspracheverwendetwird.–IchhabeindenvergangenenWocheninderTagespressegezieltnachdemWort„Resonanz“gesucht,unddabeinurdreiVerwendungengefunden:
EinmalhießderSatz:“…eineIdee,..dieabernichtdieResonanzzeitigte,die…erhofft..“war.
AnandererStellegingesumdieAnerkennungkünstlerischerArbeit,“…derenResonanznichtangemessensei…“
UndschließlichfielmireineCDderMusikhochschuleStuttgartindieHände,diedenTitel„Resonanz“trug,undeinKlangalmanachderkünstlerisch-pädagogischenArbeitdarstellte.
MöglicherweiseliegtdieetwaseingeengteVerwendungdesWortesdaran,daßdiedeutscheSprachenochvieleandereWortebesitzt,diealleDeutungsmöglichkeitendesLehnwortes„Resonanz“abdeckenkönnen:
.Antwort–Schwingung–Widerspiegeln–Erwiderung–Nachhall–Entgegnung–Wahrnehmung–Wechselwirkung–Zustimmung–oderinwörtlicherÜbersetzung:Wiederklingen.
AlldieseBegriffebeschreibendieSemantikvonResonanz.DiesesWortenthältvonalldiesenBegriffenetwas.
InderAlltagssprachebenötigenwirdasWortResonanzdaherkaumundverwendenandereAusdrückedafür:
AundBsteheninirgendeinerWechselbeziehungoderentsprecheneinander…
UndwennineinemSatzeinederartigeWortwahldurch„Resonanz“ersetze,-beispielsweisein„dieNahrungsmittelskandalesteheninResonanzzurGeiz-ist-Geil-Mentalität“–dannklingtdaszwaretwasgestelzt,aberjederversteht,wasgemeintist…
WirallesindeingebettetineinWechselspielvonResonanzen–obwirmiteinandersprechen,zuhören,schreiben,oderunsbewegenoderüberirgendetwasnachdenken.
ZurErinnerung:
WielautetdochdiephysikalischeDefinitionvon„Resonanz“:
JedeSchwingungbringtaußerdemGrundtonnochweitereTönezumMitklingen;-siesindunterschiedlichstarkundbildenjenesTeilton-Spektrum,dasüberdieKlangfarbeentscheidet.JederTon,denwirhörenodererzeugenistinWirklichkeiteinKlang,eineVielzahlvonEinzeltönen.
EinKorpusausHolzhatdemnacheinenanderenKlangalseingefasstesRohrausMetall.
Soweit,sogut:aberwasbedeutenVeränderungenundVerbesserungenimInstrumentenbaufürdieKomponisten,dieinihrerZeitfürdasvorhandeneInstrumentariumgeschriebenhaben,undderenWerkeheuteaufInstrumentenunsererGegenwartgespieltwerden?
SohatBeethovenseineKlaviermusikfüreinenbestimmtenTypusdesHammerklaviersgeschrieben.EinInstrumentdieserBauweiseausdemJahr1780stehtübrigensinLautlingen,imStauffenberg-Schloss,alsKlangvorlagezurVerfügung.
ZuBeethovensLebzeitenbeginntjedochschonderrevolutionäreUmbauundWeiterentwicklungderKlavierbautechnik.AufGrundseinerTaubheitkonnteBeethovendieVeränderungendesKlavierklangsabergarnichtmehrwahrnehmen.SeineeigeneKlangvorstellungbliebdemaltenHammerklavierklangverpflichtet.
DerPianistAlfredBrendelhatdarausdenSchlussgezogen:
WennwirdieKlaviermusikvonBeethovenaufheutigenInstrumentenspielenundhören,handeltessichum–genaugenommen-eineTranskription,sprichBearbeitung.
Wirkönnenalsofeststellen:
JedetechnischeWeiterentwicklungeinesInstrumentsverändertdasKlangbildeinerKomposition,verändertdamitauchdieWirkung(Resonanz)einesWerkes.
EinenebensogroßenEinflussaufdieInterpretationeinesWerkes,aufdieWirkungeinesWerkesüberhaupt,hatdieAkustikeinesRaumes.
StellenSiesichunserheutigesQuartetteinmalineinemgroßenKonzertsaalvor,derElb-PhilharmoniezumBeispiel.
HörbarbliebezweifellosdiegespielteMusik,abersiewürdeganzandersklingenalshier,d.h.ganzanderswahrgenommenwerden.
DabeiistesnichtalleindieGrößeeinesRaumes,diedenKlangbeeinflusst,auchnichttechnischeHilfsmittel,sondernandereParameterspielenebenfallseineRolle,obz.B.derSaalvollist,halbleeroderleer.
UnddieKonsequenzenreichenweiter:selbstderInterpretkannsichnichtsichersein,dassseineklanglicheVorstellungobenaufdemPodiumübereinstimmtmitdem,wasbeimPublikumankommt.
MankannAlfredBrendelnurzustimmen,wennerdiesesDurcheinanderanWechselwirkungen,diejaalleirgendwieaufdieWirkungenvon„Resonanz“zurückzuführensind,als„akustischeKaffeesatz-Leserei“bezeichnet.
DieKlangeigenschafteneinesInstrumentsunddieRaumakustikgreifenentscheidendineinenProzessein,dersichzwischenInterpretundPublikumabspielt.UndderKomponistselbstistindiesemNetzgefangen,dennoftentscheideneinschlechterRaumklangundeinschlechtintoniertesInstrumentauchüberdieAkzeptanzseinerMusik.
Siemerken,wirnähernunsallmählichderzentralenBedeutungvonResonanzfürjedeArtvonMusikwiedergabe.
SiehabenvonderAbhängigkeitderWahrnehmunggehört,obessichumdenInstrumentenbauoderumdieRaumakustikhandelt.
Eineandere,abervielleichtnochwichtigereBedeutunghatfürjedenKomponistendieAkzeptanzseinerMusik,-indiesemZusammenhanghatsichinderAlltagssprachederWortsinnvon„Resonanz“wohlamehestenerhalten.
IchwilldabeinichtdenGemütszustandderBetroffenenbeschreiben,sondernaufdieäußerenZeichen–meistensaufeine„fehlendeResonanz“-hinweisen.ZwischenbegeisterterZustimmungodervernichtenderAblehnungistvielRaum:
SoschriebdiePresseüberdieUAvonBartoks„WunderbaremMandarin“imJahr1926:dieseMusiksei„geistigePerversion“und„Hottentotten-Musik“.
DagehörtseitensdesKomponistenvielSelbstbewußtseindagegen…
AuseigenerErfahrungkannichnochein(kleinesundbescheidenes)Beispielanführen:
1972istinReutlingeneineKompositionfürzweiFlötenundKlavieraufgeführtworden.InderPressewardanachzulesen:„Beifall,BuhrufeundratloseGesichter!“BeieinerWiederaufführungdesStückesangleicherStelle,aber30Jahrespäter,fanddasWerkbegeisterteZustimmung.
Worauszuschließenist,dassdieResonanzeinesWerkesabhängigistvonHörgewohnheiten,aberauchvomKenntnisstand,vomHorizontdesHörenden.
SohateinBeethoven-BiographumdasJahr1900behauptet,diesogenannteWaldstein-SonatehabedenUntertitel„Horror-Sonate“erhalten,wohlwegendesungewöhnlichenGewuselsderHarmonienundFigurenzuBeginn.
DabeihätteernureinenBlickinsNachbarlandFrankreichwerfenmüssen,umeineandereResonanzzudiesemWerkzuerhalten:DorthatdieseSonatedenUntertitel„L‘aurore“,also„Morgenröte“…
AkustischwahrnehmbaristResonanzdurchdenBeifall.
Bisins19.JahrhunderthineinistApplauseinwirklichesZeichenfürAnerkennunggewesen,seinAusbleibenein„hörbares“ZeichenfürAblehnung.
HeuteistBeifalljedochinflationär:eswirdz.B.schongeklatscht,wennderDirigentaufderBühneerscheint.
BeifallistzurHöflichkeitsgestegeworden,erwirdaberauchbeispielsweiseinFernseh-StudiosperLichtzeichengeregelt:Applaus,Applaus,wannimmeresdieRegiebefiehlt.
EinkritischesWahrnehmen,einkritischesHören,dasüberhaupteineangemesseneReaktion(gleichResonanz)ermöglichenkann,scheintallmählichzuverschwindenangesichtsdergewaltigenDominanzgesellschaftlicherRituale!
AufderStreckebleibtnichtnurderschöpferischeMensch,sondernauchdasPublikumfürdenjedekünstlerischeAktioneigentlichgedachtseinsoll.
Undesistdeprimierend,feststellenzumüssen,dassdiedurchschnittlicheReaktiondesHörersaufneue,ungewohntklingendeMusik,seithundertJahrensichkaumgeänderthat.
Schon1926schreibtderKomponistHannsEisler:
„wiekatastrophaldieEinstellungdesHörersauf„Nur-Genuß-Stimmung“fürdieneueMusikwar,habenwirjaallemiterlebtundwerdenesnochlangeerleben.EinkompliziertesneuesStückmußsolchemgeschultenGehörundDenkendannauchtatsächlichsovorkommenwieeineKatze,dieübersKlavierläuft.StehtabervoreinemkompliziertenStückderNameeinesKlassikers,somöchteichdenDurchschnittshörersehen,derdenMuthat,aufzustehenundzusagen„IchhabemichbeiderJohannespassiongelangweilt“oder„ichfindediegroßeQuartettfugeBeethovensscheußlich“.
(ZitatEnde)
DieseZeilensindfürmicheineguteGelegenheit,einpaarSätzezurheutigenUAzusagen.
DerTitel„Begegnungen“beschreibtschlichtundumfassend,wasindendreiStückengeschieht:
EsisteinGedankenaustauschzwischenzweiunterschiedlichenInstrumenteninFormvonMotivenundmusikalischenGesten.
EswerdenverschiedenVariantenderMiteinanderundGegeneinanderdargestellt,ReaktioneneinesBlasinstruments,derTenor-Blockflöte,aufeinSaiteninstrument,derGitarre.
ResonanzalsoinFormeinesMitschwingens,einesNachklangsoderalsErwiderungineinemZwiegespräch.
HierläuftkeineKatzeüberdasKlavier,auchwennmeineMusikandersklingtalseinDuovonMozart.AberdiekompositorischenMittelbishinzurFormgestaltsinddieselben.
DassdaersteStückaus9verschiedenenTönenbesteht,daszweiteaus10unddasdritteaus11istfürmicheineselbstgestelltekreativeHerausforderunggewesenundfürSiealsHörerohneBelang.
NatürlichwerdenSieMotiveerkennen,siewiedererkennen.DasdientderWahrnehmungeinerStruktur.DabeiversucheicheineGeschichtezuerzählen,dieeienAnfanghatundeinenSchlussunddazwischeneineEntwicklungaufzeigt.Undichverwendedafür–wieeinMaler–Flächen,LinienundFarben.
FürmichistNeueMusikohnedasFundamenthistorischerMusiknichtdenkbar,-auchwennesZeitgenossengibt,diemeinen,Kunstneuerfindenzumüssen.KunstderGegenwartistohnedieKunstderVergangenheitnichtdenkbar.
DasistsogarimNTnachzulesen,wennPaulusimRömerbriefschreibt:
„RühmstDuDichaber,sosollstDuwissen,dasnichtDudieWurzelträgst,sonderndieWurzelträgtDich.“(ZitatEnde)
DamitzurückzumeigentlichenThema.
IchhabebewußtvomWort„Musik“zumWort„Kunst“gewechselt,weilesinnerhalballerKünste,-obMusik,Literatur,BildenderKunst–Resonanzengibt:
WechselseitigeAnregungen,AustauschundSteigerungen.
Erinnernmöchteichdaandie„BildereinerAusstellung“vonMussorgsky,andiePastoral-SinfonievonBeethoven,anunzähligeNaturlauteundVogelmotivederfranz.ImpressionistenbishinzuMessiaen–ja,jedeTextvertonung,jedesLiedistResonanz.
UndmiteinembezauberndemBeispielmöchteichmeinekleine,zeitlichbefristetResonanzzumThemaResonanzabschließen:
(BrahmshatinjungenJahreninHamburgauchKlavierunterrichterteilt,unterseinenSchülerinnenwareinFrl.PorubszkyausWien,dasstetsirgendeineLandlermelodieausdemSalzkammergutvorsichhinträllerte.
AlsBrahmsschließlichinWienheimischwurde,warausdemFrl.PorubskyeineFrauFabergeworden,undJohannesBrahmsimHauseeingerngesehenerGast,besondersanHeiligAbend.AlswiedermaleinkleinerFabergeborenwurde,überreichteBrahmsdemEhepaareinWiegenlied,inwelchemsichderLandlervondamalsverbarg,unddaswirheutekennenals„GutenAbend,gutNacht…“)
DieserüberJahrewirkenderResonanzverdankenwiralsodiesesLiedchenundesistalsFazitfestzuhalten:
VonResonanzenlebenKonzertveranstalter,Instrumentenbauer,Komponisten,Konzertbesucher,JournalistenundKritiker,-mankannDissertationendarüberschreibenoderaucheinReferathalten.
IchdankefürIhreAufmerksamkeit!
VeitErdmann
2017