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Uwe Schimank: Zwei soziologische Erklärungsprobleme. Ein Kommentar.

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Vorgelegt an der Ruhr-Universitt Bochum Sektion fr Sozialpsychologie und -anthropologie

Uwe Schimank: Zwei soziologische Erklrungsprobleme. Ein Kommentar.

Sozialtheorie I: Akteurzentrierte Sozialtheorie Herr Klaus Krone, M.A.

eingereicht von: Anna-Maria Mller Matrikelnr.: 108003202603 4. Fachsemester Sozialpsychologie/ -anthropologie B. A. Hattinger Str. 186 44795 Bochum [email protected] 11. September 2005

Inhaltsverzeichnis1 Vorwort 2 Vom Gegenstand zu den Problemen der Soziologie 2.1 Was ist Soziologie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Soziale Strukturen und soziales Handeln . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Sozialitt zwei Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Anthony Giddens: Die Theorie der Strukturierung . . . . 2.3.2 Hartmut Esser: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Uwe Schimank: Versuch einer Verbindung von systemtheoretischen und akteurstheoretischen Anstzen . . . . . . . . . 2.3.4 Problem einer einseitigen Fragestellung . . . . . . . . . . . . 3 Fazit 4 Literatur 3 4 4 5 7 7 9

. . . . .

. 10 . 11 12 13

1 VorwortUwe Schimank (*1955), seit 1996 Professor fr Soziologie an der FernUniversitt Hagen, legt mit seinem Buch ber soziale Handeln und soziale Strukturen eine Einfhrung in die Akteurstheorie (Schimank (2000a)) vor, in der nicht nur die vier soziologischen Akteursmodelle vorgestellt werden. Nach der Prsentation dieser soziologischen Grundmodelle versucht Schimank diese am Ende des ersten Teils seines Buches zusammenzufhren. Der in dieser Arbeit betrachtete Textauszug, der Einleitung des Werkes (Schimank (2000b)), geht es um die grundlegende Enthllung der soziologischen Dualismus-Thematik. ber eine prinzipielle Gegenstandsbestimmung der Soziologie als allgemeinste der Sozialwissenschaften(Schimank (2000b), S. 9) gelangt Schimank zur Wechselseitigen Beeinussung sozialen Handelns durch soziale Strukturen und umgekehrt. Am variantenreich aufbereiteten Beispiel Sport etabliert der Autor die berindividuell-soziologische Perspektive, die immer wieder durch das Sport-Beispiel verdeutlicht wird, ohne dabei individuelle Motivationen, persnliche Handlungsantriebe oder Intentionen zu negieren. Ganz im Stil einer Einfhrung versteht es Schimank also, soziale Wirklichkeit aus soziologischer Perspektive zu erklren, ohne die lebensweltliche Wirklichkeit des Studenten, Dozenten oder interessierten Laien aus dem Blick zu verlieren, wie die zahlreich eingebundenen Beispiele aus dem Alltagsleben zeigen. Trotzdem verzichtet der Autor weder auf die Gegenberstellung verschiedener theoretischer Anstze noch auf das Aufzeigen von problematischen Sachverhalten innerhalb der Theoriebildung. So gelingt Schimank die verstndliche Prsentation von soziologischem Handwerkszeug mit lebensweltlichem Alltagsbezug und gleichzeitig eine Diskussion um aktuelle Fragestellungen in der Soziologie. In dieser Arbeit soll die Argumentation des Autors nachgezeichnet und kommentiert werden. Auerdem soll anhand zustzlicher Beispiele die bertragbarkeit der vorgestellten soziologischen Methoden auf sozialpsychologische Themenkomplexe gezeigt werden.

3 Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Mller erstellt und eingereicht.

2 Vom Gegenstand zu den Problemen der SoziologieGrundlage des Hauptteils ist Schimanks Einleitung, die ber das Beispiel Sport vom allgemeinen Thema der Soziologie hin zu den verschiedenen mglichen Perspektiven, soziales Handeln und soziale Strukturen zu erklren versucht. Nachdem der Autor zwei Theorien, von Anthony Giddens (*1938) und Hartmut Esser (*1943), dazu vorgestellt hat, deutet er am Ende der Einleitung die Probleme, die sich durch eine einseitige Theoriearbeit in diesem Themenkomplex ergeben, an.

2.1 Was ist Soziologie?An den Anfang der Betrachtungen mchte ich Max Webers (*1864 1920) Denition der Soziologie stellen. Max Weber gilt als Begrnder der deutschen Soziologie und seine weit verbreiteten und noch immer zitierten Worte zum Wesen der Soziologie verweisen auf das Themenfeld, welches auch Uwe Schimank charakterisiert. Soziologie [. . . ] soll heien: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen urschlich erklren will. Handeln soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob ueres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heien, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. Soziales Handeln aber soll ein solches Handeln heien, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist. 1 Es geht der Soziologie also um 1. soziales Handeln und 2. seine Wirkungen. Die Soziologie soll dieses soziale Handeln in ihren Kausalzusammenhngen erklren. Soziales Handeln knpft dabei an das Handeln anderer an und ist von daher auch in seinem Verlauf bestimmt. Nicht weniger przise, aber allgemeiner formuliert es Schimank: Zum Gegenstandbereich der Soziologie gehrt [. . . ] alles, was Sozialitt ausmacht:[. . . ]1

Weber (1922), S. 1.

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Sozialitt als Gegenstandsbereich der Soziologie besteht also aus dem Zusammenhang von Handlungen, Handlungswirkungen und Handlungsbedingungen, wobei die Wirkungen zugleich der wichtigste Teil der Bedingungen sind. [. . . ] Gegenstand der Soziologie [ist] die fortlaufende wechselseitige Konstitution von sozialem Handeln und sozialen Strukturen [. . . ] . 2 Schimank betont hier nicht nur, wie Weber, die Aufeinanderbezogenheit von sozialem Handeln, sondern auch die Interdependenz zwischen Handlung, Wirkung und dem konditionalen Rahmen der Handlung, wobei eine gewisse Dialektik zwischen den Vorraussetzungen einer Handlung und ihren Folgen besteht.

2.2 Soziale Strukturen und soziales HandelnWas im letzten Abschnitt ber die Denition des Gegenstandbereiches der Soziologie herausgestellt wurde, soll nun konkreter erarbeitet werden. Unser soziales Gefge (in der modernen Gesellschaft) schat Handlungssituationen und -gelegenheiten, Motive und Handlungsmodi, oder anders gesagt: soziale Strukturen geben diese Determinanten des Handelns vor. (Schimank (2000b), Vgl. 11) Dies sind sicher keine ganz neuen Vorstellungen. Schon Arnold Gehlen (*1904 1976) beschrieb u. a. in seinem Werk Der Mensch (Gehlen (1971)) die gesellschaftsstabilisierende Wirkung von Institutionen, indem diese Handlungsoptionen bereit halten und motivationale Spielrume fr den Menschen schaen und ihn so vor immer wieder neuem Zwang zur Entscheidungsndung entlasten (Gehlen (1963)). Dies ein Beitrag der interdisziplinr humanwissenschaftlich arbeitenden Philosophischen Anthropologie. Schimank verfolgt das Thema aus soziologischer Perspektive weiter und weist auf die spezischen Ausdrucksformen hin, die ebenfalls durch soziale Strukturen orientiert seien (Schimank (2000b), Vgl. 11). Hier kann man z. B. an die soziale Geformtheit von Kognitionen denken. Je nach dem, an welchem sozialen Teilsystem wir partizipieren (wollen), halten wir uns an bestimmte kognitive Regeln. Das funktionale Teilsystem der Gesellschaft in dem gehandelt wird, gibt diese kognitiven Schemata vor. Es ndet also eine Normierung unserer Kognitionen statt. Kontrastierend kann man die Bereiche Verwaltungssystem und Kunst gegenberstellen. Im brokratischen Verwaltungssystem wird aufgrund einer Aktenlage, also aufgrund von Fakten, in hohem Mae einzelfallenthoben entschieden und beurteilt. Liegen bei Individuum XY diese und jene, bspw. rechtlich xierten und positivistisch2

Schimank (2000b), S. 9, Hervorh. i. O..

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formulierten Merkmale nicht vor, hat er oder sie keinen Anspruch auf eine beantragte Sache. Die Einzelfallprfung ist auf der Grundlage der erhobenen und fr die Sache als relevant eingestuften Daten abgewickelt worden. Im knstlerischen Bereich hingegen werden Bewertungen nur peripher ber den Preis eines Kunstwerkes bspw. aufgrund von allgemeinen Daten (hier der Wert des Objektes) beigemessen. Geht es um eine Beurteilung innerhalb der Kodierung des Kunstsystems sind viele andere Dinge ausschlaggebend. Das Umfeld des Knstlers, seine individuelle Entwicklung, der Neuigkeitswert seiner Idee u. v. m. wird in Rechnung gestellt. Die Mglichkeiten mediale Inszenierung transportieren gar die Persnlichkeit der Kunstschaenden in die entlichkeit, die unterschiedlich auf jedes der ihr prsentierten Kunstwerke reagieren kann. Im Gegensatz zum Rechts- bzw. Verwaltungssystem wird also in hohem Mae auf den individuellen Einzelfall eingegangen und nicht aufgrund generalisierter Datenstze beurteilt. Als weitere Beispiele fr die Vorgegebenheit von Handlungen in bestimmten sozialen Situationen knnen Gefhlsregeln und Emotionsarbeit gelten. Sogenannte feeling rules werden in bestimmten situativen werden Gefhle in Dauer, Art, Intensitt und Richtung vorgeschrieben und durch Gefhlsregeln abgerufen. Diese Regeln knnen auch dazu fhren, dass Gefhle sich verndern, um dem situativen Kontext und somit sozial vorgegebenen Normen zu entsprechen. Emotionsarbeit bezeichnet dann die Prozesse, in denen Emotionen an die feeling rules angepasst werden. Diese Anpassungen sind besonders oft an Professionen gekoppelt, die z. B. in den personenbezogenen Dienstleistungen den emotionalen Ausdruck und Bendlichkeiten eine Berufsrolle bestimmen. Schimank verweist auf weitere spezische Ausdrucksformen, die bspw. auf die Schichtung der Gesellschaft zurckzufhren sind. Die schichtspezischen Lebensstile (Bourdieu (2003)) die sich in verschiedenen Milieus ausprgen, der typische Habitus, der praktisch vererbt wird, usw. Dies ebenso wie die kulturellen Unterschiede zwischen verschiedenen Lndern sowie die geschlechtsspezischen Unterschiede knnen als Zeichen fr den Einuss der sozialen Struktur auf das (individuelle) Handeln gelten. Diese Beispiele verdeutlichen die oftmals unbewusste Vorgegebenheit von Handlungsoptionen im Alltag. Es konnte ebenfalls gezeigt werden, dass sich diese vorgefundenen sozialen Strukturen in einem Handeln (oder Unterlassen dieses Handelns) realisieren. Das so passgenaue Zusammenwirken vieler besttigt die soziale Struktur immer aufs neue, da bestndig auf die erwartete und unhinterfragte Art und Weise gehandelt wird. Es besteht also ein Wechselverhltnis zwischen sozialer Struktur und dem aus ihr hervorgehenden sozialen Handeln, welches wiederum die Struktur verfestigt, die

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ihm zugrunde liegt. Aus sozialem Handeln ob nun des Einzelnen oder aus dem handelnden Zusammenwirken mehrerer oder gar von Massen entstehen sowohl beabsichtigte Folgen als auch unintendierte Nebenfolgen. Auf unerwnschte Eekte des Handelns kann mit Ausweich- oder Korrekturbemhungen (Schimank (2000b), S. 14) eingegangen werden. Fassen wir noch einmal kurz zusammen: 1. Soziales Handeln und soziale Strukturen sind dialektisch aufeinander bezogen, sie bedingen sich gegenseitig. 2. Smtliche sozialen Strukturen [. . . ] sind das Produkt sozialen Handelns, nmlich des handelnden Zusammenwirkens Mehrerer; 3 3. [. . . ] soziales Handeln wird nicht ausschlielich, aber doch wesentlich durch soziale Strukturen geprgt. 4 4. Die Soziologie abstrahiert von den nicht-sozialen Handlungsdeterminanten und konzentriert sich ganz auf das Wechselverhltnis von sozialem Handeln und sozialen Strukturen. 5 5. Das Wechselverhltnis der Sozialitt entfaltet sich aber ber Zeit. 6

2.3 Sozialitt zwei KonzepteUwe Schimank stellt zwei verschiedene Theorien zur Beschaenheit von Sozialitt (Schimank (2000b), S. 14) vor. 2.3.1 Anthony Giddens: Die Theorie der Strukturierung Mit seinem Denkansatz der duality of structure(Giddens (1984), Vgl. 25) betont Giddens die Angewiesenheit von sozialen Strukturen auf das Handeln. Eine Norm bspw. orientiert Handlung und realisiert sich aber erst im Moment der Handlung. hnlich wie performative uerungen sich (erst) im Moment des Aussprechens ihren (performativen) Handlungscharakter7 entfalten, manifestieren sich soziale Strukturen in ihrem Gebrauch, wobei sie gleichzeitig produziert und reproduziert werden knnen (Schimank (2000b), Vgl. 15). Um zum Norm-Beispiel zurckzukommen:3 4 5 6 7

Schimank (2000b), S. 14. Schimank (2000b), S. 14. Schimank (2000b), S. 14. Schimank (2000b), S. 14. Vgl. Austin (1975 [1962])

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Eine Norm realisiert sich erst in dem Moment, in dem sie Handlung orientiert. Fortwhrendes Handeln nach dieser Norm erhlt und verfestigt sie. Soziales Handeln kann also 1. gegebene Strukturen verndern, 2. soziale Strukturen aufbauen, sowie 3. zum Strukturerhalt beitragen und Strukturen etablieren. Giddens versteht das interdependente Verhltnis von sozialem Handeln und sozialer Struktur als Rekursivitt(Schimank (2000b), Vgl. 15). Denn einerseits kann man sagen, da das soziale Handeln sich, gewissermaen ber den Umweg der strukturellen Eekte und strukturellen Prgungen, immer wieder selbst hervorbringt. Andererseits lt sich dasselbe auch so sehen, da die sozialen Strukturen sich, ber den Umweg der Handlungsprgung und der Handlungswirkungen. immer wieder selbst hervorbringen. (Schimank (2000b), S. 15) Im Verweis auf Alan Dawe verortet Schimank in diesen beiden mglichen Betrachtungsweisen die Wurzel des fundamentalen theoretischen Dualismus der Soziologie (Schimank (2000b), S. 15) der eine gravierende Disbalance der Theoriearbeit (Schimank (2000b), S. 17) zur Folge hatte. Die Aufspaltung der soziologischen Theorie in zwei Lager die jeweils unausgewogenen Perspektiven die je nur einen Fokus kennen: 1. Die handlungtheoretische sociology of social action 8 und 2. die strukturtheoretische sociology of social system.9 Das Problem liegt in der Pauschalisierung der Paradigmen: Man muss sich zwischen zwei extremen Betrachtungweisen entscheiden. Entweder man sieht den sich steigernden Druck bottom up und sieht die Handelnden mit einer absoluten Gestaltungsmacht versehen. Oder aber man geht von einem sich top down aufbauenden Druck auf das Individuum aus und degradiert diese zu bloen Marionetten der Strukturen (Schimank (2000b), S. 16). Giddens kann diesen Dualismus in seiner structuration theory berwinden. Es geht dabei um die Dierenzierung nach Systemintegration und Sozialintegration.8 9

Nach Alan Dawe (1970;1978). Nach Alan Dawe (1970;1978).

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Giddens versucht die scheinbar diametral entgegengesetzten Perspektiven von subjektivistischen Handlungstheorien auf der einen Seite und objektivistischen Strukturtheorien als sich gegenseitig bedingende Zusammenhnge darzustellen. Die Gesellschaft ist einerseits Strukturgefge, gleichzeitig aber auch Raum der Handlungsmglichkeiten fr Akteure, wobei Handlung und Struktur gleichwertig in interdependenter Beziehung stehen. Es gibt also keine Prferenz, da Strukturen sowohl Bedingung als auch Resultat des Handelns seien. 2.3.2 Hartmut Esser: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile Hartmut Esser, derzeit Lehrstuhlinhaber der Soziologie und Wissenschaftslehre der Universitt Mannheim, geht dem Thema Sozialitt anders nach. Ganz im Sinne von Aristoteles (*384 322) konstituiert sich die Sozialitt nach Esser auf Grundlage der Synergieeekte dreier Logiken10 : 1. Die Logik der Situation und 2. die Logik der Selektion reprsentieren die Einussnahme sozialer Strukturen auf soziales Handeln. Whrend 3. die Logik der Aggregation die strukturellen Eekte bezeichnet, die sich aus dem handelnden Zusammenwirken ergeben. Die Handlungssituation ist in eine soziale Struktur eingebettet und wird von dieser bestimmt. Diese Logik der Situation kann das Handeln unterschiedlich beeinussen, je nachdem, welche Logik der Selektion beim Handelnden vorliegt, wobei Esser, der seinen Ansatz in der Tradition der Rational-Choice-Theorie entwickelt, davon ausgeht, dass sich der Handelnde nach einer Aufwand/Nutzen/(mgliche) Konsequenzen-Abwgung fr die Handlungsalternative entscheiden wird, die Handlungsalternative gewhlt wird, die den hchsten Erfllungserfolg bzw. Nutzen verspricht11 . In diesem Fall verweist Schimank auf die nicht nach rationalen Nutzenkalklen sondern durch Emotionen gesteuerte Entscheidungsmglichkeit und damit implizit auf die verschiedenen soziologischen Akteursmodelle (Schimank (2000b), Vgl. 16), die im weiteren Verlauf des Buches ausfhrlicher vorgestellt werden. Handeln resultiert, nach Esser, aus dem Zusammenspiel beider Logiken (Schimank (2000b), 16), der Logik der Situation und der Logik der Selektion. Es entstehen (strukturelle) Eekte, wenn Handeln auf anderes Handeln trit und sich Kummulationseekte realisieren, die Esser als Logik der Aggregation bezeichnet. Die Folge dieser aggregativen Logik ist eine besttigte oder vernderte Logik10 11

Esser (1993), Vgl. 1-140. Vgl. Jokisch (2000)

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der Situation, die wiederum durch die situative Logik auf die Aggregationsebene weiterwirkt. Gleichwohl betont Esser, dass es sich bei den verschiedenen Logiken um analytische Dierenzierungen handele, die bestndig ineinander bergehen (Schimank (2000b), S. 16). Prinzipiell prsentiert Schimank mit Giddens und Esser also keine gnzlich gegenstzlichen Theorien zum Thema Sozialitt und zum Verhltnis von sozialen Strukturen und sozialem Handeln. In der Erklrung des Wie der Sozialitt unterscheiden sich zwar beide Theorien. Im zentralen Ansatzpunkt der interdependenten Beziehung von Handeln und Sozialstruktur sind sich aber beide Autoren einig. Nur der Erklrung der Art der Manifestation dieser Beziehung gehen Giddens und Esser unterschiedliche Wege. 2.3.3 Uwe Schimank: Versuch einer Verbindung von systemtheoretischen und akteurstheoretischen Anstzen Uwe Schimank sieht in seinem Theorieansatz die Mglichkeit, system- und akteurstheoretische Perspektiven zu verbinden12 : Handlungsprgende und handlungsfhige Systeme konstituieren gemeinsam soziale Wirklichkeit, wobei soziale Systeme einerseits als Kontingenzbestimmungen fungieren, andererseits aber als sich-selbst-erfllende Akteurktionen rekonstruieren lassen (M.A. Kron) Die Begrie Struktur und Handeln bezeichnen so die allein analytisch unterschiedenen Momente der Wirklichkeit strukturierter Handlungssysteme. Strukturen selbst existieren gar nicht als eigenstndige Phnomene oder Praktiken menschlicher Individuen. Struktur wird immer nur wirklich in den konkreten Vollzgen der handlungspraktischen Strukturierung sozialer Systeme [. . . ]. 13 Aus diesen Zitaten lsst sich ebenfalls die rein analytische Distinktion zwischen System- und Sozialintegration nachvollziehen. Wie so oft in den Sozialwissenschaften lassen sich Einzelprozesse und -phnomene nicht trennscharf gegeneinander abgrenzen, sodass nach integrativen Lsungen zentraler Probleme und Fragestellungen gesucht werden muss. Schimank zeigt deutlich, dass dieses Vorhaben gelingen kann.

12 13

U. a. in Schimank (1996), S. 204 .. Kieling (1988), S. 290, Herv. i. O..

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Gleichwohl mssen spezische Perspektiven beibehalten werden, um besondere Problemlagen nicht zu egalisieren und wieder in eine Einseitigkeit in der Theoriearbeit zu verfallen. Wenn nicht die Einzelphnomene empirisch przise abgebildet werden knnen, so doch der Erfolg oder Misserfolg des Zusammenwirkens von sozialen Strukturen und sozialem Handeln: Das Fehlen oder Vorhandensein einer stabilen und funktionierenden Gesellschaft gibt als Konsequenz des Zusammenspiels dieser Phnomene Auskunft ber dessen Gelingen oder Fehlgehen. 2.3.4 Problem einer einseitigen Fragestellung Schimank fasst im letzten Abschnitt seiner Einleitung die zwei zentralen Fragen der Soziologie als Wissenschaft von der Sozialitt [. . . ] zusammen: 1. Die Frage [. . . ] danach, warum Handelnde in einer bestimmten Situation so und nicht anders handeln? (Schimank (2000b), S. 16). 2. Die Frage danach, [. . . ] welche strukturellen Wirkungen ein bestimmtes Handeln im Zusammenwirken mit anderem Handeln hat. (Schimank (2000b), S. 16). Die Viefalt mglicher sozialwissenschaftlicher und/oder soziologischer Fragestellungen kann es erforderlich machen beide Perspektiven auf ein Problem anzuwenden. Andererseits gengt in manchen Fllen auch die Bemhung einer Betrachtungsweise, um Probleme zufriedenstellend zu lsen. Schimank betont die wnschenswerte Methodenquivalenz beider theoretischer Anstze. Keine der Perspektiven ist zu verabsolutieren, keine besitzt die Prioritt. Gleichzeitig kritisiert der Autor die Abschottung einzelner Ergebnisse favorisierter Theorieanstze gegenber anderen oder der [. . . ] allgemeinen soziologischen Theorie [. . . ] (Schimank (2000b), S. 17).

11 Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Mller erstellt und eingereicht.

3 FazitAbgesehen von einer przise belegten Gegenstandsbestimmung der Soziologie gelingt Uwe Schimank mit seiner Einleitung nicht nur eine Hinfhrung zum Thema seiner Buches. Vielmehr ist schon am Anfang dieses Werkes ein Bemhen um ein methodenpluralistisches Vorgehen und die Aktzeptanz der Co-Existenz verschiedener gleichberechtigter Modelle und Erklrungsanstze fr ein sozialwissenschaftliches Problem erkennbar. Auerdem sensibilisiert Schimank mit der Wahl seiner Beispiele fr die Entdeckung sozialer Strukturen und die Bedeutung des Zusammenwirkens mehrerer Handelnder in Alltagssituationen. Gleichwohl ist er nicht versucht, den Themenkomplex einfacher darzustellen, als er ist. So bedient sich der Autor zweier Erklrungsanstze der Sozialitt, um gleich zu Beginn das Funktionieren und Passen mehrerer mglicher Theorien auf ein Phnomen darzustellen. Weiterhin weist Schimank ausdrcklich auf die Gefahren hin, die eine einseitige Betrachtung komplexer sozialer Phnomene und eine unausgeglichene Theoriearbeit mit sich bringen. Der Autor betont bspw. die Interdependenz sozialer Strukturen und sozialen Handelns, wobei keine dieser analytischen Kategorien verabsolutiert werden darf. Kritisieren mchte ich an dieser Stelle die Erklrungen zum Hooligan-Beispiel (Schimank (2000b), Vgl. 12), da es z. B. aus der qualitativen Sozialforschung Anstze zur Erklrung dieses Phnomens gibt, die Schimanks Darstellungen widersprechen. Diese aufzufhren htte sicher den Rahmen einer Einleitung gesprengt, doch geht die prsentierte Erklrung zu oberchlich mit diesem Thema um, sodass die Darstellung gerade in den Argumentationszusammenhang des Autors passt. Von einer groben Falschdarstellung kann zwar keine Rede sein, trotzdem wre hier ein Verweis auf die themenspezischen wenn auch sozialisations- und biographiebezogenen Arbeiten, z. B. von Ralf Bohnsack (1997) angebracht. Den Zugang zur Interdependenzproblematik innerhalb der Sozialitt erschliet sich dem Studienanfnger u. U. einfacher ber das Modell von Anthony Giddens, da die Abgrenzung der Logiken nach Esser doch einige analytische Schwierigkeiten am Alltagsbeispiel mit sich bringt. Die Einsse denen das Handeln durch Situations- und Selektionslogik unterliegt Umschlagen und Kumulieren von Handlungswirkungen auf Aggregationsebene sind nicht trennscharf gegeneinander abzugrenzen. Der hohe Grad der Abstraktion verlangt in diesem Fall eine genauere Auseinandersetzung mit der Materie, die zwar analytisch notwendig ist, aufgrund des gegebenen Rahmens hier aber unterbleiben muss.

12 Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Mller erstellt und eingereicht.

4 LiteraturAustin, John L. (1975 [1962]): How to Do Things with Words, London: Oxford University Press. Bohnsack, Ralf (1997): Adoleszenz, Aktionismus und Emergenz von Milieus. Eine Ethnographie von Hooligan-Gruppen und Rockbands, in: Zeitschrift fr Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie,, Nr. 1, 318. Bourdieu, Pierre (2003): Die feinen Unterschiede: Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Sonderausg. zum 30jhrigen Bestehen der Reihe Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp, SuhrkampTaschenbuch Wissenschaft. Esser, Hartmut (1993): Soziologie: allgemeine Grundlagen, Frankfurt am Main: Campus-Verlag. Gehlen, Arnold; Maus, Prof. Dr. Heinz/Frstenberg, Dr. Friedrich (Hrsg.) (1963): Kap. Studien zur Anthropologie und Soziologie In Probleme einer soziologischen Handlungsehre, Neuwied am Rhein u. Berlin: Hermann Luchterhand, 196231. Gehlen, Arnold (1971): Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, 9. Auflage. Frankfurt a. M.: Athenum Verlag. Giddens, Anthony (1984): The Constitution of Society. Outline of the Theory of Structuration, Cambridge: Polity Press. Jokisch, Rodrigo (2000): Wie ist Gesellschaft mglich? Zur Isomorphie einer Logik der Gesellschaft und der Sozialwissenschaften, URL: URL:http://www.tu-berlin.de/~society/Jokisch_GB_Gesellschaft_ Isomorphie.htm Zugri am 08.09.2005. Kieling, Bernd (1988): Die Theorie der Strukturierung. Ein Interview mit Anthony Giddens. in: Zeitschrift fr Soziologie, 4, Nr. 17, 286 295. M.A. Kron, Thomas: Postmoderne Gesellschaft als Gesellschaft? URL: http://www.gradnet.de/papers/pomo2.archives/pomo99.papers/ Kron99.htm Zugri am 08.09.2005. Schimank, Uwe (1996): Theorien gesellschaftlicher Dierenzierung, Opladen: Leske+Budrich.

13 Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Mller erstellt und eingereicht.

Schimank, Uwe (2000a): Handeln und Strukturen. Einfhrung in die akteurtheoretische Soziologie, Weinheim und Mnchen: Juventa Verlag. Schimank, Uwe (2000b): Kap. Einleitung: Die zwei soziologischen Erklrungsprobleme In Handeln und Strukturen. Einfhrung in die akteurtheoretische Soziologie, Weinheim und Mnchen: Juventa Verlag, 918. Weber, Max (1922): Wirtschaft und Gesellschaft, Tbingen: Mohr.

14 Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Mller erstellt und eingereicht.