schadstoffbelastung nach dem elbe-hochwasser 2002

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Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002 Herausgeber: Michael Böhme Frank Krüger Klaus Ockenfeld Walter Geller UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH in der Helmholtz-Gemeinschaft

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Page 1: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

Herausgeber: Michael BöhmeFrank Krüger

Klaus OckenfeldWalter Geller

UFZ-UmweltforschungszentrumLeipzig-Halle GmbHin der Helmholtz-Gemeinschaft

Page 2: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

Eine Kurz-Darstellung der Fakten und Hilfen zu deren Bewertung

Herausgeber: Michael BöhmeFrank Krüger

Klaus OckenfeldWalter Geller

Page 3: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

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Impressum

Herausgeber: Michael Böhme, Frank Krüger, Klaus Ockenfeld, Walter Geller ISBN: 3-00-016883-4

Bezug: Exemplare dieser Veröffentlichung sind, solange der Vorrat reicht, nach Einsendung eines als ’Großbrief’ derzeit mit 1,44 € frankierten und mit ihrer Adresse beschrifteten verschließbaren A4-Rückumschlags in Deutschland erhältlich bei:

Prof. Walter GellerUFZ - Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbHDept. FließgewässerökologieBrückstraße 3a39114 Magdeburg

Download: http://www.ufz.de/data/HWBroschuere2637.pdf

Redaktion, Satz: Michael Böhme, Frank Krüger

Druck: Druckerei MahnertHertzstraße 3, 06449 Aschersleben http://www.druckerei-mahnert.de/

Gedruckt auf RecySatin.

Im PDF sind alle Verweise z.B. auf Abbildungen, Abschnitte, Seiten, Literatur und URLs aktive Links, auch wenn sie nicht immer extra als solche gekennzeichnet sind. Damit ist eine schnelle Navigation im Acrobat Reader gewährleistet.

Die Erstellung dieser Broschüre wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, FKZ 0330492, im Rahmen des Verbundprojekts “Schadstoffuntersuchungen nach dem Hochwasser vom August 2002 - Ermittlung der Gefährdungspotenziale an Elbe und Mulde”. Weitere Informationen erhalten Sie unter

http://www.ufz.de/hochwasser/. Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Die Abbildungen unterliegen dem Copyright der angegebenen Quellen.

Verantwortlich für den Inhalt der Beiträge sind die jeweils zeichnenden Autoren.

Seitenzahl 101 Abbildungen 102Tabellen 11 Zuletzt bearbeitet 24. Oktober 2005 15:00

Umschlagseite: Hochwasser August 2002, Deichbruch südlich der Elbe bei Segrehna Foto André Künzelmann, UFZ

Page 4: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

BEGRÜSSUNG

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Liebe Leserin, lieber Leser,

das extreme Hochwasser im August 2002 ist unsnoch gut in Erinnerung. Wohngebiete, Produktions-betriebe, auch Kleingärten, Kläranlagen, Tankstel-len etc. wurden überschwemmt. Wie bei jedemHochwasser wurden große Mengen Bodenpartikel,Gewässersedimente und daran gebundene Schad-stoffe mobilisiert. Die Zerstörungen von Häusernund anderen Teilen der Infrastruktur setzten wäh-rend des Extremhochwassers zusätzliche Kontami-nanten frei. Das Wasser verfrachtete sie talwärtsund am Ende setzte sich ein großer Teil der Schad-stoffe breit verteilt im überschwemmten Gebiet ab.Ein anderer Teil verdunstete, wurde abgebaut oderin die Nordsee gespült. Die Unsicherheit war damals groß, da niemand eingenaues Bild der Lage hatte. Betroffene und Helferwussten nicht, inwieweit das Wasser oder derSchlamm, mit dem sie in Berührung kamen, giftigoder infektiös waren. Nur dem offensichtlichenÖlfilm auf der Wasseroberfläche sah man denSchadstoff an. Mitarbeiter verschiedener Behörden der Länderund des Bundes, Forschungseinrichtungen undOrganisationen wie Greenpeace schwärmtendamals aus, um Proben zu sammeln und auf ihreGefährlichkeit zu untersuchen. Die Ergebnissekonnten naturgemäß nur stichprobenartig sein undwaren zum Teil widersprüchlich. Nach der Katastrophe wurden die damals gewon-nenen Ergebnisse im Rahmen eines vom Bundes-ministerium für Bildung und Forschung (BMBF)geförderten Projekts zusammengetragen, durcheine Vielzahl weiterer Messungen ergänzt und

übergreifend ausgewertet. Seit Mitte 2004 ist einumfassender Ergebnisbericht unter http://www.ufz.de/hochwasser verfügbar.

In dieser Broschüre sollen in allgemeinverständli-cher Form speziell die schadstoffbezogenenAspekte des Hochwassers dargelegt werden. Siewerden erfahren, wie hoch die Schadstoffkonzen-trationen während des Hochwassers waren, wel-che Gefahren davon ausgingen, wie gefährlich dievon der Flut zurückgelassenen Schlämme warenund wie man damit nach künftigen Hochwässernsinnvoll umgeht. Außerdem sollen Sie ein Gefühlfür die spezielle Belastungssituation an Elbe undMulde bekommen, wie sie vor und nach dem extre-men Hochwasser war bzw. ist. Dabei gehen wiretwas genauer auf die verschiedenen Ursachender besonders hohen Belastungen an der Muldeein. Weitere Abschnitte der Bröschüre befassensich mit Gefahren durch infektiöse Keime, und denProblemen durch Sauerstoffmangel auf den über-fluteten Flächen.

Bevor speziell auf die Schadstoffe eingegangenwird, wollen wir Ihnen das Geschehen des August-Hochwassers im Elbe-Gebiet in Kurzform in Erinne-rung rufen.

Am Ende des Heftes werden die Zusammenhängevon Hochwasser als Natur-, Schadens- und Politik-ereignis noch einmal im Detail beleuchtet. Damitverbunden sind Anregungen, wie wir uns aufzukünftige Hochwasserereignisse besser vorberei-ten und uns während des Hochwassergeschehensangemessen verhalten können.

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BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

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Inhalt

1 Die Flutkatastrophe im Elbe-Einzugsgebiet 2002 im Rückblick .......................... 4

1.1 Wie kam es zu solch außergewöhnlichen Überschwemmungen? .......................................... 4

1.2 Der Ablauf des Hochwassers ................................ 41.3 Nach dem Hochwasser ......................................... 7

2 Schadstoff - Definition, Herkunft? .....10Box: Das klassische Beispiel: DDT - toxisch,

persistent, akkumulierend ....................... 112.1 Herkunft anorganischer Schadstoffe/Schwer-

metalle und Arsen ............................................... 122.1.1 Das Muldesystem - Arsen- und Schwer-

metallbelastungen durch den Erzbergbau ........ 14Box: Möglichkeiten zur Reduzierung der

Schadstoffbelastung im Muldesystem .... 182.2 Herkunft organischer Schadstoffe ....................... 182.2.1 Industriehistorische Entwicklung der Region

Bitterfeld–Wolfen............................................... 192.2.1.1 Ansiedlung und Entwicklung von

Chemiebetrieben von 1890 bis heute ............. 202.2.1.2 Standortkennzeichen: Chlorchemie................ 242.2.1.3 Umweltbelastungen ........................................ 252.2.1.4 Ausblick .......................................................... 26

Box: Die Suche nach unbekannten Wirkstoffen: Non Target Screening............................. 27

3 Schadstoffe in der Hochwasserwelle.....28Box: Quecksilber............................................. 29

3.1 Wie werden Schadstoffe transportiert? ............... 30Box: Mineralölkohlenwasserstoffe .................. 31Box: Blei.......................................................... 32Box: Arsen ...................................................... 33

3.2 Welche Bedeutung haben hohe Schadstoffgehalte in der Hochwasserwelle?....... 34

Box: Schadstoffe in Muttermilch - Reform der Chemikalienpolitik............................. 36

4 Schadstoffe im Schlamm..................374.1 Was ist Schlamm und wo kommt er her?............ 374.2 Welche Belastung tragen die Schlämme? .......... 38

Box: Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) ...................... 40

Box: Polychlorierte Biphenyle (PCB) .............. 42Box: Organozinnverbindungen ....................... 43

4.3 Welche Bedeutung haben die Belastungen im Schlamm für Mensch und Tier?...................... 44

Box: Dioxine, Furane und dioxinähnliche PCBs ............................................................. 45

5 Welches sind die langfristigen Folgen der Gewässerbelastung?...................48

5.1 Welche Transferpfade für Schadstoffe sind für den Menschen von Bedeutung? .................... 48

5.1.1 Der aquatische Transferpfad - Wie hoch sind Elbfische belastet? .................................... 48

5.1.1.1 Schwermetalle in Fischen............................... 495.1.1.2 Organische Schadstoffe in Fischen ................ 50

5.1.2 Der terrestrische Transferpfad - Wie hoch sind Fleisch und Milch belastet? ....................... 51

5.1.2.1 Wie hoch ist der aktuelle Schadstoffeintrag in die Auen?.................................................... 51

5.1.2.2 Wie hoch ist die Bodenbelastung? ................. 515.1.2.3 Wie sieht es mit dem Schadstofftransfer

in die Vegetation aus? .................................... 55Box: Cadmium ................................................ 57

5.1.2.4 Wie verhält es sich mit der Schadstoff-anreicherung im Weidevieh? .......................... 58

5.1.3 Ist das Trinkwasser belastet? ........................... 59

6 Infektionsrisiken durch Mikroorganismen im Flutwasser ..............................60

6.1 Bakterien und Pilze in Flüssen und deren Funktionen........................................................... 60

6.2 Mikroorganismen als Krankheitserreger.............. 616.3 Wie kommen pathogene Mikroorganismen

in die Flüsse? ...................................................... 616.4 Überleben pathogene Mikroorganismen im

Wasser der Flut? ................................................ 626.5 Sind Pathogene eine Gefahr im Flutwasser

und wie kann man sie bekämpfen?..................... 63Box: Funktion der Uferfiltration ....................... 63

6.6 Wie kann man sich gegen die pathogenen Keime schützen?................................................. 65

Box: Sind Trinkwasser Epidemien nach Hochwasser heute überhaupt noch ein Thema?............................................. 66

7 Probleme mit dem Sauerstoff.............677.1 Warum ist Sauerstoff wichtig?............................. 677.2 Wie hoch ist der Sauerstoffgehalt normalerweise? .

........................................................................ 687.3 Wie reagierte der Sauerstoffgehalt während

des Hochwassers?.............................................. 687.4 Fallbeispiel Havelpolder ...................................... 707.5 Wie könnte man das Fischsterben verhindern? .. 72

8 Hochwasser als Natur-, Schadens- und Politikereignis..........................74

8.1 Hochwasser - was ist das? ................................ 748.2 Hochwässer - wie häufig treten sie auf? ............. 768.3 Hochwasser an Oder, Morava, Weichsel, Moldau,

Elbe – immer häufiger, immer heftiger? .............. 788.4 "Einstellen auf Hochwasser" ist nötig und möglich –

verhindern kann man Hochwasser nicht! ............ 828.5 Hochwasser in Medien und Politik ...................... 848.6 Hochwasserrisikomanagement statt schnelles

Verdrängen und Vergessen! ............................... 84

9 Wie kann man sich vor hochwasserbedingten Belastungen schützen?.....................90

Literaturverzeichnis ...................................................... 91Glossar und Abkürzungsverzeichnis ............................ 96Verzeichnis der Abbildungen........................................ 98Verzeichnis der Tabellen............................................ 100Verzeichnis der Autoren und Herausgeber ................ 101

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MICHAEL BÖHME, KLAUS OCKENFELD ABSCHNITT 1 DIE FLUTKATASTROPHE IM ELBE-EINZUGSGEBIET 2002 IM RÜCKBLICK

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1 Die Flutkatastrophe im Elbe-Einzugsgebiet 2002 im RückblickMichael Böhme, Klaus Ockenfeld

Im Zeitraum von nur zehn Jahren wurde Mitteleu-ropa von mehreren Jahrhunderthochwässern heim-gesucht: 1993 und 1995 am Rhein, 1997 an derOder, 1999 an der Donau und 2001 an der Weich-sel. Im August 2002 waren Moldau, Elbe undDonau betroffen. Im besonders in Mitleidenschaftgezogenen Elbe-Einzugsgebiet fielen den Wasser-massen allein in Sachsen 21 Menschen zum Opfer,Tschechien beklagte 17 Tote. Weit über 300.000Menschen wurden zeitweilig evakuiert. Der materi-elle Gesamtschaden wird für das Gebiet der Bun-desrepublik Deutschland auf 9,1 Mrd. Eurogeschätzt. Dieses Flutereignis ging als die bislangteuerste Überschwemmung in die Geschichte Mit-teleuropas ein und rückte die Hochwasserproble-matik kurzzeitig in den Mittelpunkt des Interessesvon Regierung, Behörden und Öffentlichkeit.

1.1 Wie kam es zu solch außergewöhnlichen Überschwemmungen?

Häufige Niederschläge im gesamten Elbe-Einzugs-gebiet hatten seit Anfang August 2002 zur fast flä-chendeckenden Wassersättigung des Bodensgeführt. In der ersten August-Dekade näherte sichdas Tiefdruckgebiet "Ilse" vom Atlantik und kam imweiten Bogen über Frankreich, Italien, Ungarn und

Tschechien nach Polen und Ostdeutschland. Dasbesondere an dieser ’Vb’ (sprich: ’fünf b’) genann-ten Zugbahn ist, dass das Tief während der Pas-sage des warmen Mittelmeeres noch einmal sehrviel warme Luft mit sehr hoher Luftfeuchtigkeit auf-nimmt, und diese dann im kühleren Norden mithoher Intensität und großflächig abregnen kann.

Vom 12.08. bis zum 14.08. fielen in Sachsen stel-lenweise bis zu einem Drittel des langjährig regi-strierten mittleren Jahresniederschlags. DieseWassermassen konnten nur in geringem Maße ver-sickern, da die Boden-Speicherkapazität bereitserschöpft war. Das Gros floss flächig die Hängeherab und sammelte sich sehr schnell in den Talla-gen. Talsperren und Rückhaltebecken konntensolange Wasser zurückhalten, bis sie überliefen.

1.2 Der Ablauf des Hochwassers

In vielen erzgebirgischen Flüssen wie Gottleuba,Müglitz, Weißeritz und Mulde, kam es fast zeit-gleich zu ’Strömungs-Hochwässern’ oder ’Sturzflu-ten’ mit außerordentlich zerstörerischen Folgen inden Tälern (Abb. 1-1). Ähnlich betroffenen warenzur selben Zeit der Oberlauf der Moldau und ihreNebenflüsse. Die extremen Niederschläge imAugust 2002 hätten in den zum Teil dicht besiedel-

Abb. 1-1 Die Müglitz rauscht als Sturzflut durch Weesenstein. Im Laufe einer Nacht wurden mehrere Häuser in derOrtsmitte zerstört. Die einzelne Wand mitten im Fluss erinnert an dramatische Stunden, als den eingeschlossenenBewohnern nachts nach und nach das Haus wegbrach und sie am Ende zu viert auf der Mauer ausharrten, bis sie amMorgen mit Hubschraubern gerettet wurden (Foto Lutz Hennig, 80).

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BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

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ten Erzgebirgstälern selbst bei Inanspruchnahmealler theoretisch verfügbaren Wasserrückhaltemög-lichkeiten zu einer Katastrophe geführt. Da, wonach zerstörerischen Hochwässern im letzten Jahr-hundert Systeme von großvolumigen Rückhalte-becken gebaut und in Betrieb waren, konnten dieHochwasserspitzen bedeutend abgesenkt und derAbfluss der Wassermassen zeitlich gestreckt wer-den. Das Hochwasserschutzsystem im Gottleuba-Gebiet führte zum Beispiel für die Stadt Pirna zueiner Scheitelreduzierung um 40% (134). Daskonnte die Katastrophe dort zwar auch nicht verhin-dern, das Ausmaß der Schäden jedoch etwas redu-zieren.

Die Wasserstände überstiegen entlang der Moldau,der Mulde und an den Erzgebirgsflüssen alle bisherjemals registrierten Wasserstandsmarken deutlich(Abb. 1-2).

Dagegen schwankte entlang des Oberen Elbtals inder Sächsischen Schweiz der Wasserstand nur umwenige Dezimeter sowohl über als auch unter denallerorten angebrachten Wasserstandsmarken vomgrößten bereits bekannten Hochwasser vom März1845 (Abb. 8-12 auf Seite 82). Unterhalb der Saalemündung waren die Höchst-stände 2002 i.d.R. sogar deutlich geringer als diehistorischen Höchststände. Das liegt daran, dassder größte deutsche Nebenfluss, die Saale, nurwenig zum Hochwassergeschehen beitrug. DiePegelkurven fast aller Schreibpegel entlang derElbe sind in Abb. 1-3 wiedergegeben. Im Gegensatz zu den schnell steigenden und durchihre reißende Strömung so gefährlichen ’Strö-mungshochwässern’ oder ’Sturzfluten’ versankendie Auengebiete entlang der Mittel- und Unterläufevon Moldau, Mulde und Elbe allmählich (im Ver-laufe mehrerer Tage) in sogenannnten ’Stauhoch-wässern’. Die Strömung ist hier nur noch stellen-weise an lokalen Gefällestrecken von Bedeutung,z.B. kurz nach Deichbrüchen. Die in den Auenangelegten Siedlungen wurden überschwemmt, dieFlüsse holten sich quasi einen Teil ihrer natürlichenÜberschwemmungsgebiete für kurze Zeit zurück(Abb. 1-4). Durch die Ausdeichungen in den ver-gangenen 500 Jahren wurde das natürliche Über-schwemmungsgebiet entlang der Elbe immerhinum 85% reduziert (143). Zahlreiche Deichbrüche entlang von Elbe undMulde zogen auch bisher geschützt geglaubte Ort-schaften in Mitleidenschaft. An der Elbe brachendie Deiche an 21 Stellen, an der Mulde gar 125mal. Alleine der Deichbruch bei Dautzschen unter-halb von Torgau setzte eine Auenfläche von 214km² unter Wasser. Der zeitweilige Wasserrückhaltnach den Deichbrüchen bewahrte andere, unter-halb gelegene Siedlungsgebiete vor Schlimme-rem. Sie wirkten oft wie ’gesteuerte Polder’, da die

Abb. 1-2 Wasserstandsmarken an der Großmühleim Einstrombereich zur Altstadt von Grimma. DerFlutscheitel übertraf den höchsten vorher bekanntenWasserstand aus dem Jahre 1771 um etwa 1,6 m(Foto Dagmar Haase, UFZ).

Das Sächsische Landesamt für Umwelt undGeologie konstatiert für die Situation im Osterz-gebirge: “Auch wenn dem Hochwasser vomAugust 2002 in den Einzugsgebieten statistischein Wiederkehrintervall in der Größenordnungvon 100 bis 500 Jahren zugeordnet wird, zeigtdie historische Auswertung, dass in allen Flüs-sen mit ähnlichen Ereignissen wie im Augustgerechnet werden muss. Die Analyse desHochwassers hat gezeigt, dass es sich beimAugusthochwasser nicht um ein Ereignis in derGrößenordnung eines maximal möglichenHochwassers gehandelt hat. Für die Zukunftkönnen größere Ereignisse als das Hochwasserim August 2002 nicht ausgeschlossen werden.”(144, S. 8)

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Schöna 8,00

Pirna 7,57

Dresden 7,67

Meissen 6,88

Riesa 6,43

Mühlberg 5,73

Torgau 6,34

Mauken 6,00

Wittenberg 5,41

Coswig 5,08

Vockerode 5,16

Dessau 5,00

Aken 4,91

Barby 4,70

MD-Strombrücke 4,73

Rothensee 3,48

Niegripp 2,23

Rogaetz 3,88

Storkau 2,05

Sandau 1,69

Werben AP 1,48

Gnevsdorf AP 1,77

Scharleuk 1,39

Wittenberge 1,32

Mueggendorf 0,88

Schnackenburg 0,70

Lenzen 0,54

Gorleben 0,36

Doemitz 0,66

Damnatz -0,48

Hitzacker -0,48

Neu Darchau -0,77

Bleckede -5,10

Boizenburg -0,36

Hohnstorf -3,42

Artlenburg -3,24

Geesthacht -3,05

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Abb. 1-3 Wasserstände von 37 Schreibpegeln entlang der deutschen Elbe. Die Originaldaten wurden um einen BetragX verändert, damit benachbarte Pegel überschneidungsarm dicht beieinander liegen. Die Pfeile weisen auf besondereUrsachen für Knicks in den Kurven: 1. Moldau erste Welle, 2. Erzgebirgsflüsse im Oberen Elbtal, 3. Mulde (Vockerode imRückstau), 4. Moldau zweite Welle, 5. Deichbruch bei Prettin, 6. Flutung der Havelpolder. Man erkennt, wie die Wellenentlang der Elbe wandern und sich dabei verflachen und verbreitern (Daten WSÄ Dresden, Magdeburg und Lauenburg).

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Deiche ziemlich genau zu dem Zeitpunkt brachen,als der Pegelscheitel in etwa erreicht war. Damitwurde der Scheitel für die Unterlieger besonderseffektiv abgesenkt (Beispiel siehe Pfeil 5 in Abb. 1-3).

Im Bereich der Havelmündung wurden Polderge-biete gezielt geflutet, die in den 1930er Jahrenextra für den Zweck der Hochwasserabsenkungangelegt wurden. Das führte zu einer Absenkungdes Spitzenwasserstandes im Unterlauf der Elbeum fast einen halben Meter (siehe Pfeil 6 in Abb. 1-3)! Die Stadt Wittenberge und weitere Ortschaftenwurden damit vor Überschwemmung bewahrt undweitere Deichbrüche höchstwahrscheinlich verhin-dert.

1.3 Nach dem Hochwasser

Erst mit dem Rückgang des Wassers, wurde dergrößte Teil der Schäden erkennbar. Über 25.000Wohngebäude wurden beschädigt, 200 ganz zer-stört. Unmengen von Sperrmüll mussten in kürze-ster Zeit beseitigt, die Häuser, Gärten, Straßen vomSchlamm gesäubert werden (Abb. 1-5). Allein imFreistaat Sachsen mussten 406.148 t Sperrmüllund 270.955 t Schlamm (Abb. 1-6) entsorgt wer-den.

Während der Aufräumarbeiten kamen Helfer undandere Betroffene unweigerlich mit dem Schlammund seinen Inhaltsstoffen in Kontakt. DieserFlussschlamm ist eine ernstzunehmende Quelle

Abb. 1-4 Neubau-gebiet in der überflu-teten Aue von Dres-den-Cossebaude. Zum Teil steht dasWasser bis ansDach. Ähnlich wiehier in Cossebaudewurde in den 1990erJahren auch inRöderau-Südbedenkenlos in dieAue gebaut. Röde-rau-Süd wird jetztals Siedlungsstand-ort wieder aufgege-ben. Abriß derHäuser, Umsied-lung der Bewohnerund Renaturierungkosteten Bund undFreistaat rund 40Mio. € (Foto Umwelt-amt Dresden).

Abb. 1-5 Sperrmüll in Pirna (Foto Stephanie Pilick).“Das Hochwasser im August bescherte [allein] der Stadt[Dresden] Abfallmengen, deren Ausmaße nur im Vergleichkonkret werden. So wurde im Zeitraum von August bisOktober 2002 über 64.995 Tonnen Sperrmüll entsorgt. Imganzen Jahr 2001 betrug die Menge 15.500 t und von 1998bis 2001, in drei Jahren insgesamt 64.000 t. Schlamm wur-den 25.231 t beseitigt, Sand und Boden 25.282 t. DieSchadstoffentsorgung in den Monaten August 2002 bisOktober 2002 betrug 219 t. Im Jahr 2001 waren es 332 t.Die Kosten für die Entsorgung der Hinterlassenschaft vonElbe und Weißeritz betragen per 31. Oktober 2002 aktuell6.037.000 EUR, ein Ansteigen auf 8.000.000 EUR wird ein-geschätzt.” (Quelle: Dresdner Presseamt in 79)

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infektiöser Keime. Der offensichtlich ausreichendhygienische Umgang mit dieser Gefahr führte dazu,dass keine auffällige Häufung von Infektionskrank-heiten in Zusammenhang mit dem Hochwasserbekannt wurde.

Beschädigte Gebäude wurden repariert oder abge-rissen. Das betraf nicht nur die so heftig von denSturzfluten in den Erzgebirgstälern betroffenenGemeinden, sondern auch einzelne Häuser in dengroßen Flussniederungen, in denen ausgelaufe-

Abb. 1-6 Getrockneter Schlamm auf den Elbwiesen in Dresden (25.8.2002, Foto Ralf Hirschberger).

Von Heizölschäden und Nachbarschaftshilfe... Wenn sich auch hier [in Pötzscha] die Menschen durchdas Zusammenrücken gegenseitig den Rücken stärken, isthier noch lange nicht alles ausgestanden. Sieben Häusermüssen abgerissen werden. Erst Monate, nachdem dieBewohner wieder eingezogen waren, haben sich Ölschä-den gezeigt, die irreparabel und vor allem gesundheits-schädlich sind. 20.000-fach über dem Normalwert seien in dem von ihmeinst bewohnten Haus die Belastungen durch das ausge-tretene Heizöl, erzählt Martin Kupke. Der ehemaligeOschatzer Superintendent hat sich hier seinen Ruhe-standssitz gewählt. Der bereits eingelagerte Wintervorratvon 4.500 Litern Öl hatte sich bei Kupkes aus den hochge-schwemmten Tanks in Haus und Garten ergossen. VierTage stand diese »Brühe«. Nun muss das Haus abgerissenwerden. »Bei der Ölproblematik ist staatlicherseits nichtsunternommen worden«, beklagt er. Untersuchungen undProbebohrungen seien sehr spät und meist auf Privatinitiative erfolgt. Allein das Schwimmbad werde aus hygieni-schen Gründen jetzt abgetragen. Die Kontaminierung sei zu groß. Um die privaten Böden kümmere sich niemand,so Martin Kupke (Quelle: Glaube und Heimat Nr. 32, 10. Aug. 2003, S. 3 in 78)

Abb. 1-7 Ausgelaufene Öltanks in einem Keller inRöderau-Süd. (Foto Lars Stukenbrock, FW Teningen).

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nes Heizöl so tief in das Mauerwerk eindrang, dasses nicht mehr entfernt werden konnte. Da, wo eineSanierung keinen Erfolg brachte, mussten ganzeHäuser abgerissen und von Grund auf neu gebautwerden. In etlichen Gemeinden wie z.B. in Teilen Dresdensoder Bitterfelds liefen die Keller bereits währenddes Hochwassers durch ungewöhnlich hoheGrundwasserstände voll. Die Grundwasserständeblieben z.T. lange Zeit, über Wochen und Monate,so hoch und sanken erst im extrem trockenen Som-mer 2003 wieder auf die Normalwerte ab. MancheGebäude waren während dieser Zeit durch ’Auf-schwimmen’ in ihrer Standfestigkeit bedroht. Doch dies ist nicht alles. Ein Großteil der währendder Katastrophe deutlich gewordenen Problemewirkt bis in die Gegenwart. Dies betrifft vor allemden Umgang mit und die Vorsorge für zukünftigeHochwasserereignisse.Initiativen zur Verbesserung der Hochwasservor-sorge fanden bereits nach den Rheinhochwässernder 1990er Jahre statt (LAWA-Leitlinien für einenzukunftsweisenden Hochwasserschutz, 106),Novellen des Wasserhaushaltsgesetztes 170).

Umfangreiche Hochwasserschutzmaßnahmen wur-den mittlerweile für das Einzugsgebiet der Elbebeschlossen (Internationale Kommission zumSchutz der Elbe, 94). Auf nationaler Ebene ist nacherneuter Aufbereitung des Wasserhaushaltsgeset-zes (170) und der Erstellung des 5-Punkte Pro-grammes der Bundesregierung (1) das Gesetz derBundesregierung zum vorbeugenden Hochwasser-schutz (54, siehe Abschnitt 8.6) in Kraft getreten.Die hierin angezeigte Verpflichtung zur flächendek-kenden Ausweisung von Überschwemmungsgebie-ten in Raumordnungs-, Flächennutzungs- undBebauungsplänen sorgt bis in die Gegenwart fürpolitische Diskussionen.

Die Besiedlungs- und Nutzungspolitik für die Über-schwemmungsgebiete muss die Vielfalt sozioöko-nomischer Erfordernisse an die vorhandenen undin Wandlung befindlichen klimatischen und hydrolo-gischen Rahmenbedingungen anpassen. Für dieZukunft bleibt zu wünschen, dass die Abhängigkeitdes Menschen von Naturgegebenheiten imBewusstsein bleibt und sich die Fehler der Vergan-genheit nicht wiederholen.

Abb. 1-8 Herausgerissene Öltanks in der Landschaft (Foto Egli Engineering).

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FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2 SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?

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2 Schadstoff - Definition, Herkunft?Frank Krüger, Werner Klemm, Annegret Thieken, Holger Weiss, Peter Wycisk

Unter dem Überbegriff Schadstoff werden im Allge-meinen all jene Stoffe oder Stoffgemische verstan-den, welche die belebte Umwelt, also Menschen,Tiere und Pflanzen ja sogar ganze Ökosysteme,negativ beeinträchtigen können. Sie können sichschädlich auf das Wachstum, die Reproduktion undden Gesundheitsstatus von Organismen auswir-ken. Bei dem Begriff "Schadstoff" handelt es sichum eine Sammelbezeichnung. Eine eindeutigeDefinition gibt es nicht.

Schon der Arzt und Naturforscher Paracelsus(1493-1541) erkannte: "Alle Dinge sind Gift undnichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, dassein Ding kein Gift ist." Er beschreibt damit die Tat-sache, dass viele Stoffe bis zu einem gewissenGrad keine oder sogar positive Wirkungen habenkönnen, bei Überschreiten eines Schwellenwertesjedoch negative Folgen auftreten können. Ein ein-

faches Bespiel dafür ist Nitrat. Nitrat ist ein essenti-eller Pflanzennährstoff. Ein Überangebot führtjedoch zur Eutrophierung mit allen negativen Fol-gen für Böden und Gewässer. Selbst das gewöhn-lich eindeutig als Schadstoff bekannte Schwerme-tall Quecksilber hat in verschiedenen Variantensowohl positive als auch negative Wirkungen.Paracelsus mischte seinerzeit Quecksilberoxid inSalben, um damit Syphilis zu heilen. Andererseitssind Methyl-Quecksilber-Verbindungen schon ingeringsten Konzentrationen hochgiftig für Menschund Tier.

Die gesundheitsrelevante Wirkung von Schadstof-fen ist von zahlreichen Faktoren abhängig, z.B.vom Aufnahmepfad (Aufnahme über die Haut, Nah-rung oder Atemluft), von der chemischen Bindungs-form und der Konzentration des Stoffes, vom auf-nehmenden Organismus etc. Sie wird in den

Abb. 2-1 Abwassereinleitung in die Elbe bei Pirna/Heidenau 1984. Die Schadstoffbelastung der Elbe nahm bis Mitteder 1980er Jahre beständig zu. Die hohe Gesamtfracht an organischen Schadstoffen, die bereits aus der ČSSR in dieDDR hereintrieb, wurde allein im Ballungsraum Dresden auf wenigen Kilometern Fließstrecke verdoppelt! Hier Abwäs-ser der Papierindustrie, im Hintergrund der Schaufelraddampfer ’Karl-Marx’ (Foto Michael Böhme).

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Forschungszweigen der Toxikologie, der Umwelt-chemie und der Ökologie untersucht und in derWissenschaft unter dem Begriff Ökotoxikologiezusammengefasst. Schadstoffe sind ökotoxikolo-gisch wirksam. Sie sind biologisch aktiv und für ein-zelne oder viele Organismengruppen akut oderchronisch toxisch. Besonders relevant sind zumeinen persistente Schadstoffe, welche schlecht bio-logisch abbaubar sind und eine Langzeitgefahr fürdie Biospäre darstellen können, und zum andernsolche Schadstoffe, die in der Nahrungskette ange-

reichert werden können. Die gefährlichsten Schad-stoffe zeigen alle der oben genannten Eigenschaf-ten (siehe Box DDT).

"Schadstoffe" treten in unseren Ökosystemen auchnatürlicherweise auf. Geogen natürlich erhöhteKonzentrationen von Schwermetallen und Arsen inErzen beeinflussen Böden und Vegetation. Einzel-nen Organismengruppen scheiden biologisch wirk-same Substanzen aus, wie z.B. das von Blaualgensynthetisierte Microcystin, das für Warmblüter ein

Das klassische Beispiel: DDT - toxisch, persistent, akkumulierendDDT ist ein Breitbandinsektizid, d.h. es wirkt gegenfast alle Insekten und weitere Gliedertiere tödlich,hat aber gleichzeitig eine relativ geringe akute Toxi-zität gegen andere Tiergruppen wie wir Warmblüterund Pflanzen. Seit den 1940er Jahren wurde DDTsehr erfolgreich eingesetzt zur Bekämpfung vonMalaria übertragenden Mücken, Läusen (Soldatenund Schulkinder wurden mit DDT gepudert) undspäter ganz allgemein in der Landwirtschaft und imWohnbereich zum umfassenden Kampf gegenalles, was sechs Beine hat („Walliser Maikäfer-kriege“). Weltweit wurden riesige Mengen desInsektizids in der Umwelt verteilt. Nach Plänen derUNO sollte jedes Land seine eigene DDT-Produk-tion bekommen. Aufkommende Resistenzen bereits Anfang der1950er Jahre führten zur weiteren Erhöhung derausgebrachten Mengen. Nun häuften sich jedochBeobachtungen, dass Vögel vom Himmel fielenund am Boden unter Zuckungen verendeten. Zwarwar die Giftwirkung auf Warmblüter zunächst nurgering, aber Insektenfresser nahmen über ihreNahrung derart große Mengen an Gift auf, dass siedoch an akuter Vergiftung starben. Da sich DDT bevorzugt im Fettgewebe anreichert,akkumulierten die fleischfressenden Glieder derNahrungskette immer höhere DDT-Konzentratio-nen. Selbst die Pinguine in der Antarktis, wo garkein DDT eingesetzt wurde, akkumulierten dasDDT ihrer Nahrungsfische. Greifvögel zertratenbeim Versuch zu brüten ihre Eier, da schon einegeringe Menge DDT eine hormonähnliche Wirkunghat, welche die Dicke der Eierschalen verringerte.Der Wanderfalke stand deswegen kurz vor seinerAusrottung. DDT ließ sich auch in der menschli-chen Muttermilch nachweisen. Schweizer Emmen-talerkäse war zeitweise für den Export gesperrt,weil er zuviel DDT enthielt. Die Chemikalie warüber die Nahrungskette fast überallhin gelangt!

Rachel Carson machte mit ihrem Buch „The SilentSpring“ 1962 erstmals breitenwirksam auf dieseZustände aufmerksam. Die immer klarer werden-den schädlichen Wirkungen von DDT führtenschließlich dazu, dass seine Anwendung 1972 inden USA und Kanada und wenig später in den mei-sten westlichen Industrienationen verboten wurde.Dies war ein erster großer Erfolg der aufkommen-den Umweltbewegung. In der DDR wurde DDTnoch bis 1989, in Entwicklungsländern heute immernoch eingesetzt. Am Chemiestandort Bitterfeld-Wolfen wurde DDT bis 1973 mit ca. 2500 t/a produ-ziert (60). Es ist dort heute noch im Grundwassernachweisbar (151). DDT wird nicht nur im Fettgewebe von Organismenakkumuliert, sondern ist gleichzeitig nur schwerabbaubar. Die Halbwertzeit beträgt 10 bis 20 Jahre,d.h. nach dieser Zeitspanne sind immer noch 50%der Ausgangsmenge vorhanden. So ging die Kon-zentration in der Umwelt nur sehr langsam zurück.Immerhin wurden die Schalen der Greifvogeleierwieder fester. Die Bestände der vom Aussterbenbedrohten Adler- und Falkenarten erholten sichwieder. Die Geschichte des DDT lehrt, was für synthetischeWirkstoffe ganz allgemein Gültigkeit hat: DerGebrauch einer Substanz sollte schon dann einge-schränkt werden, wenn erste Hinweise auf eineUmweltschädigung vorliegen. Wird gewartet, bisder Nachweis für die negative Wirkung erbracht ist,kann schon sehr viel Schaden angerichtet sein.Deshalb werden Chemikalien heute vor ihrer Zulas-sung zur Vermarktung mehr oder weniger umfas-send auf mögliche schädliche Wirkungen getestetund der Gebrauch gefährlicher Substanzen anstrenge Regeln gebunden. Länger bekannte Sub-stanzen unterliegen dagegen keiner Zulassungs-pflicht (vgl. Box Schadstoffe in Muttermilch aufSeite 36) (nach 64).

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FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2 SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?

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gefährliches Nerven- und Lebergift darstellt. Das istein Grund, weshalb Blaualgenblüten Jahr für Jahrzu Badeverboten an unseren Gewässern führen.Schadstoffe werden nach verschiedenen Kriterieneingeteilt. Zum einen kann man, wie oben erwähnt,eine natürliche und im Gegensatz dazu die künstli-che, vom Menschen verursachte (=anthropogene)Schadstoffbelastung unterscheiden. Zum andernkann man auch die Schadstoffe selbst in natürliche,also in der Natur vorkommende, und künstliche,xenobiotische Schadstoffe unterteilen. Beide Grup-pen können chemisch verwandte Stoffe enthalten.Manche künstliche Schadstoffe können jedochauch völlig andere Strukturen und Wirkmechanis-men aufweisen. Auf diese ist die Natur nicht vorbe-reitet, weshalb solche Xenobiotika teilweise extremwirksam und sehr langlebig sein können (fehlenderbiologischer Abbau, da kein Bakterium mit diesenStoffen etwas anfangen kann). Eine andere Unterteilung der Schadstoffe beziehtsich auf ihren Chemismus und teilt sie in anorgani-sche und organische Schadstoffe ein:

• Anorganische Schadstoffe:

- Natürlichen Ursprungs - z.B. Erze oder vulka-nische Stoffe, Gesteinsstäube usw.

- Anthropogen - wie z.B. viele Anteile am Fein-staub, Kunstdünger oder diverse Stickoxide und Schwermetalle.

• Organische Stoffe besitzen fast immer ein chemi-sches Gerüst aus Kohlenstoff- und Wasserstoffa-tomen, in das oft andere Elemente eingebautsind. Sie werden ihrerseits oft in die o.g. Katego-rien natürlich und künstlich klassifiziert:

- Natürlich-organische Schadstoffe - z.B. Gift-stoffe von Pilzen, Algen und anderen biologi-schen Quellen

- Anthropogen-organische Gifte wie beispiels-weise PCB (Poly-Chlorierte Biphenyle) und HCH (Hexa-Chlor Cyclohexan, Lindan)

Im Folgenden werden typische anorganische undorganische Schadstoffvorkommen im Elbeeinzugs-gebiet diskutiert, die eine anthropogen (d.h. durchmenschliche Tätigkeit) bedingte Anreicherung imFlussökosystem Elbe erfahren haben.

2.1 Herkunft anorganischer Schadstoffe/Schwermetalle und Arsen

In der Elbe treten zahlreiche natürliche und anthro-pogene, organische und anorganische Schad-stoffe auf, deren Herkunft vielfältig ist. Natürlich vorkommende und ab bestimmten Kon-zentrationen toxisch wirksame Elemente, wie bei-spielsweise Arsen oder Schwermetalle wie Queck-silber, Blei, Cadmium, Uran und Kupfer, finden sich

im gesamten Elbe-Einzugsgebiet. Sie wurden ausden Elbe-begleitenden Mittelgebirgsregionen (Rie-sengebirge, Böhmerwald, Adlergebirge, Iserge-birge, Erzgebirge, Harz) schon immer durch Wind-und Wassererosion abgetragen. Die Stoffe gelan-gen zunächst in die Nebenflüsse und anschließendin die Elbe selbst. Sie werden entsprechend derjeweiligen Flussdynamik teils abgelagert, teils wei-tergespült und verursachen auch ohne menschli-che Aktivität die sogenannte geogene Hinter-grundbelastung im Gewässer. Aber auch dieanthropogen bedingten Schadstoffeinträge wirkenteilweise schon über Jahrhunderte. Seit derMensch gezielt Metalle verwendet, wurden Erzebergbaulich gefördert und oftmals schon amGewinnungsort verarbeitet. Die entsprechendenSpülwässer, der anfallende Abraum, sowie dieAbfallprodukte der Verhüttung stellen bedeutendeQuellen für Schwermetalle und Arsen dar. Diesführt dazu, dass sich zur oben genannten geoge-nen Hintergrundbelastung anthropogen freige-setzte Metallbelastungen addieren. Auch heutenoch wirken sie als weit verbreitete diffuse Schad-stoffquellen in den Mittelgebirgsregionen des Elbe-Einzugsgebietes.

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Magdeburg

Abb. 2-2 Zeitliche Entwicklung der Quecksilbergehalte inGewässersedimenten der Elbe bei Schnackenburg undMagdeburg (Daten 18).

Abb. 2-3 Zeitliche Entwicklung der Cadmiumgehalte inGewässersedimenten der Elbe bei Schnackenburg undMagdeburg (Daten 18).

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Diffuse Schadstoffquellen für Schwermetalle sindneben alten Halden und Tailings (zur Ablagerungund Trocknung schlammartiger Rückstände) desBergbaus auch Straßenabläufe, Mischwasserka-näle, Grundwasserzuströme, Luftdepositionen undErosionen von landwirtschaftlichen Flächen. Sie

sind in ihrer Summe derzeit weit größer als diedirekten Einleitungen von Schwermetallen undArsen aus Punktquellen (156). Tab. 2-1 verdeutlichtden Anteil diffuser Schwermetall- und Arsenein-träge in Oberflächengewässer des deutschen Elbe-einzugsgebietes.

Tab. 2-1 Schwermetall- und Arseneinträge in Oberflächengewässer des deutschen Elbeeinzugsgebietes (156).

Schadstoff Eintrag in die Gewässer in

t/a

davon (alle Angaben in %):Summe aller

diffusen Quellen Erosion

Urbane Flächen Weitere diffuse Quellen

Arsen 25 96 33 7 Grundwasser (49%)Blei 75 86 40 37Cadmium 3 72 17 31 Historischer Bergbau (16%)Chrom 60 92 53 17 Dränage (15%)Kupfer 180 85 37 33Quecksilber 1 84 17 33 Atmosphärische Deposition (15%)Nickel 120 88 18 11 Grundwasser (43%)Zink 700 90 19 52

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Ag Co U

U Zn Sn

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Ag Co U

Ag U Sn

Ag Pb Zn As Cd

Sn W

Fe Mn Sn

km

20151050

Bergbaureviere und Erzgängeim Erzgebirge

TU Bergakademie FreibergInstitut für Mineralogie

Legende

Bergbaureviere

Fluorit-Quarz-Assoziation

Hämatit-Baryt-Assoziation

Karbonat-Antimonit-Assoziation

Karbonat-Antimonit/Quarz-Arsenid-Assoziation

Karbonat-Sulfid-Assoziation

Kassiterit-Sulfid-Assoziation

Quarz-Hämatit-Assoziation

Quarz-Sulfid-Assoziation

Quarz-Wolframit-Assoziation

Wasserscheide

Zwicka

uer Muld

e

Freiberger Mulde

Baryt-Fluorit-Assoziation

N

Abb. 2-4 Übersicht über Mineralisationen, Bergbaureviere und deren umweltrelevanten Elementinhalte im Erzgebirge(26).

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Aufgrund der regional unterschiedlichen Erzvor-kommen liegen die erosionsbedingten Einträge beiArsen, Blei und Cadmium im Erzgebirge aktuell amhöchsten und werden v.a. über die Mulde in dieElbe geschwemmt. Chrom, Kupfer, Quecksilber,Nickel und Zink stammen dagegen zu größerenAnteilen aus der Region des Thüringer Waldes undwerden überwiegend über die Saale eingetragen.

Die Einleitungen von Schwermetallen industriellerDirekteinleiter sind überwiegend produktionsspezi-fisch. Beispielsweise dominieren Chromeinleitun-

gen in der Lederindustrie, Bleieinleitungen in derGlasindustrie. Kupfer- und Zinkeinleitungen fallenzu großen Anteilen in der Metallindustrie sowie imBergbau und der Kohleverarbeitung an. Quecksil-beremissionen stammten früher aus Prozessen derChloralkalielektrolyse. Darüber hinaus sindSchwermetalleinleitungen aus kommunalen Kläran-lagen bedeutungsvoll. Die höchsten Metallemissio-nen punktueller Direkteinleiter stammen jedoch ausder chemischen und pharmazeutischen Chemie.

Wenn auch heutzutage die diffusen Quellen in ihrerBedeutung die industriellen Direkteinleitungenübertreffen, so ist doch am Beispiel der Quecksil-bergehalte von Sedimenten der Elbe ein bedeutsa-mer Rückgang industrieller Quecksilberimissionendurch Produktionsumstellungen und Abwasserrei-nigung während der letzten 25 Jahre nachzuvollzie-hen (Abb. 2-2 auf Seite 12).

Die zeitliche Entwicklung der Cadmiumgehalte inGewässersedimenten verlief im Vergleich zuQuecksilber deutlich anders (Abb. 2-3). Hier sinderst seit Beginn der 1990er Jahre sinkende Gehaltein den Sedimenten bei Magdeburg und Schnacken-burg zu verzeichnen. Gegenüber den Gehalten ausden 1980er Jahren wurde bis Ende 2003 keinewesentliche Verbesserung der Sedimentqualitäterreicht. Der unterschiedliche Verlauf der Quecksil-ber und Cadmiumgehalte an den o.g. Messstatio-nen verdeutlicht, dass unterschiedliche Quellen fürbeide Schwermetalle bedeutsam sind.

In den folgenden Abschnitten geben wir einenÜberblick über die besondere Belastungssituationan der Mulde. Im Abschnitt 2.1.1 wird auf dieSchwermetall- und Arsenbelastungen durch denErzbergbau im Einzugsgebiet der Freiberger undZwickauer Mulde eingegangen, im Abschnitt 2.2.1wird vor allem auf die Entwicklung der chemischenIndustrie am Standort Mitteldeutschland fokussiert.Damit werden zwei besondere Beispiele aufge-führt, wie die ’Sünden der Vergangenheit’ zubesonders starken Kontaminationen im Elbe-Ein-zugsgebiet geführt haben.

2.1.1 Das Muldesystem - Arsen- und Schwermetallbelastungen durch den Erzbergbau

Für die Elbe ist die Mulde die bedeutendste Punkt-quelle von Schadstoffen, obwohl sie nur drittgrößterZufluss ist. Ursache sind die teilweise sehr hohenSchadstoffkonzentrationen, die im Einzugsgebietder Mulde, vor allem im Erzgebirge und in denIndustriegebieten um Bitterfeld, eingetragen wer-den. In diesem Abschnitt wird auf das Erzgebirgeals Immissionsquelle von Schadstoffen für dasFließgewässersystem eingegangen. Das Erzge-birge war aufgrund seiner vielfältigen Erzlagerstät-

100 80 60 40 20 02

10

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Flusskilometer

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Arsen

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Oberlauf

Flusskilometer

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Oberlauf

Abb. 2-5 Konzentrationsänderungen von Arsen undSchwermetallen in Hochflutsedimenten entlang derFreiberger und Zwickauer Mulde im Oktober 2002,Feinfraktion (<20 µm). Die Freiberger Mulde ist oftum ein bis zwei Größenordnungen stärker belastetals die Zwickauer Mulde, mit Ausnahme des Urans.Muldekilometrierungen mit km 0 am Zusammenfluss.Man erkennt deutlich den Belastungsschwerpunkt imRaum Freiberg und die darauf folgende, nahezuexponentielle Abnahme der Belastung. Entlang derZwickauer Mulde liegt nur Uran höher als in der Frei-berger Mulde (Daten 97).

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ten über Jahrhunderte ein Zentrum des Erzberg-baus, der Erzaufbereitung und -verhüttung sowieder Metallverarbeitung.

Im Verlauf von 800 Jahren wechselten die Ele-mente, nach denen gesucht wurde. Waren eszunächst Silber und Zinn, wurden später auch Blei,Zink, Kobalt, Arsen, Nickel, Wolfram, Molybdän,Uran sowie die Verbindungen Fluorit und Barytabgebaut (Abb. 2-4 auf Seite 13, Tab. 2-2).

Eine Begleiterscheinung all dieser Aktivitätenwaren Umweltkontaminationen durch Schwerme-talle und Arsen. Die Dimension und die Intensitätdieser Umweltbelastungen waren eng mit der Ent-wicklung der Technologien im Bergbau, in der Erz-aufbereitung und Verhüttung verbunden (2, 167,168). Durch den Bergbau entstanden offene unduntertägige Grubenhohlräume sowie Berge- undAufbereitungshalden, die den Zutritt von Luft undFeuchtigkeit zu den verbliebenen Erzresten sowieeine z.T. verbesserte Wegsamkeit für Wässerbewirkten. Unter diesen Bedingungen erfolgt dieOxidation der vorwiegend sulfidischen Erze unterBildung von Schwefelsäure und wasserlöslichenKomponenten der Erzbestandteile, die mit den Gru-ben bzw. Haldensickerwässern in die Oberflächen-

gewässer ausgetragen werden. Besonders hoheGehalte an Begleitmineralen enthalten die Rück-stände der Erzaufbereitung, die infolge ihrer Fein-körnigkeit leicht oxidierbar sind. Abhängig von dermineralischen Zusammensetzung der Erze undassoziierten Begleitminerale enthalten die aus dengefluteten Gruben oder den Tailinghalden ausflie-ßenden Wässer jeweils typische Elementassozia-tionen (Tab. 2-3).

Hinzu kommt eine in der Vergangenheit bedeut-same Belastung der Atmosphäre. Diese wurdedurch den Hüttenrauch verursacht. Der Hütten-rauch enthielt Stäube mit hoher Schadstoffkonzen-tration, welche in der Umgebung der Hütten wiederauf den Boden absank. Dies spiegelt sich heutedurch großflächig erhöhte Schadstoffgehalte imOberboden der Landschaft wider (128, 163, 164).Zunächst lagerten sich die Erz- und Begleitele-mente durch den Hüttenrauch auf kleinen Gebietenin sehr hoher Konzentration ab. Mit der Zunahmeder Produktion und der Zentralisierung der Verhüt-tung in verschiedenen Orten, vor allem im Freiber-ger Gebiet, wurde der Hüttenrauch zusammen mitdem im Produktionsprozess nicht abgeschiedenenStaub über immer höhere, nun auf den Anhöhengebaute Schornsteine (z.B. Ziegelschornstein Hals-brücke, Hütte Freiberg, Muldenhütten), auf immergrößere Flächen verteilt. Dies führte zu einererheblichen Vergrößerung der belasteten Areale.Tab. 2-4 auf Seite 17 enthält einen Überblick überStaubemissionen der Freiberger Hüttenbetriebe,die das Ausmaß der atmosphärischen Belastungvor der Wende verdeutlicht.

Starkregenereignisse erodieren in erheblichemAusmaß belastetes Bodenmaterial und tragenebenfalls maßgeblich zur Belastung der Sedimentein den Fließgewässern bei. Dabei sind, entspre-chend der geförderten Minerale und deren Begleit-stoffe regionale Unterschiede der Belastung vonBöden und Sedimenten festzustellen (27, 29, 127).

Tab. 2-2 Übersicht über die gewonnenen Mengen ver-schiedener Wertelemente und ihre noch vorhandenenVorräte im sächsischen Teil des Erzgebirges (62).

Wertelement gefördert in kt

erkundete u. prognostische

Vorräte in ktSilber 7,97 0,8Zinn 202 830Blei 270,8 405Uran 121,2 66Zink 117,3 865

Arsen 165 21,4

Tab. 2-3 Wichtige Wertelemente, ihre Erzminerale und umweltrelevante Begleitminerale (20) des Bergbaus im Erzgebirgeund ihre Belastungen für den Wasser- und Luftpfad.

Wertkom-ponente Ag Sn (W) Pb UErzminerale Ag, PbS(Ag), Ag2S,

Ag3AsS3, Ag3SbS3

SnO2, (Fe,Mn)WO4 PbS U3O8, UO2

umweltrelevante Begleitminerale

CoNi-Arsenide, Pyrit, Chalkopyrit, Sphalerit,

CoNiFe-Arsenide

FeAsS, FeAs2, CaF2, CoNi-Arsenide

ZnS (Cd), Pyrit, Arse-nopyrit, Chalkopyrit,

CoNi- Arsenide

As, Bi, CoNi-Arsenide

Belastung Gewässer Pb, Zn, Cd, As, Fe SO4 2-, F¯, As, Al, Fe,

Mn, Ni, Co, CdSO4

2-, Pb, Zn, Cd, As, Fe, Mn

SO4 2-, F¯, U, As, Fe,

Ra,Belastung Atmos-phäre, Boden

SO2, Pb, Zn, Cd, As, As2O3, SO2 SO2, Pb, Zn, Cd, As lokal begrenzt U, As, Ra,

Beispiele Freiberg, Annaberg, Schneeberg

Ehrenfriedersdorf, Altenberg

Freiberg Schlema - Alberoda -Hartenstein, Pöhla,

Johanngeorgenstadt

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FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2 SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?

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Abb. 2-6 Schlackenhaldenaus hunderten Jahren Berg-bau in Muldenhütten beiFreiberg. Hier wurden wäh-rend des Hochwassers 2002ca. 9000 Tonnen hochgradigBlei- und Arsen-belastetesMaterial erodiert (Bilder obenund mitte). Diese Quelleführte zu den extremen Kon-zentrationsspitzen in denSedimenten und Bödenunterhalb von Freiberg, wiesie für das Beispiel Blei inAbb. 5-14 dargestellt ist.

Auf dem mittleren Bilderkennt man eine Linie amHang. Bis dorthin ’stand’ dasWasser und spülte alle feine-ren Bestandteile aus derSchüttung in den Fluß. Vonoben rutschte weiteres Mate-rial nach.

2004 wurde der Haldenfußam Prallhang gesichert. (Fotos Werner Klemm, Günther Rank).

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Im Gebiet von Ehrenfriedersdorf, wo das im Zinn-erz enthaltene Arsen (Arsenopyrit) vor der eigentli-chen Verhüttung in sogenannten Gifthütten durchAbrösten als As2O3 entfernt und gewonnen wurde,werden im Oberboden stellenweise Arsen-Konzen-trationen >2000 mg/kg nachgewiesen. Abb. 2-5 aufSeite 14 zeigt dies und den Konzentrationsverlaufanderer Schwermetalle in den Hochflutsedimentenauf Überflutungsflächen entlang der beiden Mul-den-Oberläufe. Abb. 5-14 auf Seite 54 zeigt dieBleibelastung der Mulde- im Vergleich zu denElbauenböden und verdeutlicht die zunehmende

Verdünnung der aus dem Raum Freiberg kommen-den Kontamination im Verlauf der Fließstrecke.

Nach dem Hochwasser 2002 wurden besondershohe Konzentrationen von As, Pb, Sb und Sn inden Flutsedimenten gemessen (Abb. 2-5). Haupt-ursache hierfür war der Abtrag von ca. 9.000 Ton-nen aus einer Schlackenhalde im Abschnitt Mul-denhütten (nahe Freiberg, Abb. 2-6). Dieflussabwärts zunehmende "Verdünnung" mit unbe-lastetem Material zeigt sich für beide Flüsse in denabnehmenden Konzentrationen für alle Elemente,so dass im Bereich der Vereinten Mulde z.T. nurnoch moderat erhöhte Werte auftreten.

Der extreme Austrag an belasteten Sedimentendurch das Hochwasser 2002 aus den Belastungs-abschnitten der Freiberger und Zwickauer Muldeweckte die Erwartung nach einem "Reinigungsef-fekt". Vergleiche der Belastung in den Teilsystemender Mulde zwischen 1992 und 2003 weisen in denUnterläufen von Freiberger und Zwickauer sowieder Vereinten Mulde auf eine tendenzielle Verringe-rung der Kontamination hin. In den primären Haupt-belastungsabschnitten von Freiberger und Zwik-kauer Mulde erfolgt jedoch weiterhin eine deutlicher

Tab. 2-4 Staubemission der Freiberger Hüttenbetriebevor 1990 (Angaben in Tonnen/Jahr, zusammengestelltaus betriebsinternen Unterlagen).

Komponente t/aStaub 405 - 875darin

Blei (Pb) 84 - 170Zink (Zn) 9 - 44

Cadmium (Cd) 1,5 - 3Arsen (As) 1 - 22Zinn (Sb) 0,8 - 9,8

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Zwickau Zwickau

Bitterfeld Bitterfeld

Dessau Dessau

Freiberg Freiberg

Chemnitz Chemnitz

Döbeln Döbeln

Dresden Dresden

Aue Aue

Glauchau Glauchau

Schneeberg Schneeberg

Delitzsch Delitzsch

Wolfen Wolfen

Raguhn Raguhn

Eilenburg Eilenburg

Bad Düben Bad Düben

Flöha Flöha

Schwarzenberg Schwarzenberg

Johanngeorgenstadt Johanngeorgenstadt

Annaberg-Buchholz Annaberg-Buchholz

Marienberg Marienberg

Sermuth Sermuth

Grimma Grimma

Wurzen Wurzen

Nossen Nossen

Darstellung der Geoindizes Darstellung der Geoindizes

E E

keine Angaben keine Angaben

I Igeo geo- -

Klasse Klasse

bis bis[mg/kg] [mg/kg]

0 015 151 130 302 260 603 3120 1204 4240 2405 5480 4806 6960 9607 7> 960 > 960

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20151050

Herbst 1992 Mai 2003

Arsenim Flusss r Mulde

und ihrer Nebenflüsseediment de

Arsenim Flusss r Muldeediment de

Elbe Elbe

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Geoindex nach MÜLLER(bezogen auf 10 mg/kg)

Geoindex nach MÜLLER(bezogen auf 10 mg/kg)

BMBF - Verbundprojekt 1991-1993:TU Bergakademie Freiberg,Institut für MineralogieUniversität Hamburg,Institut für Anorganische und Angewandte Chemie

BMBF - Verbundprojekt 2003:TU Bergakademie Freiberg, Institut für Mineralogie(Daten Freiberger und Zwickauer Mulde)Universität Hamburg, Institut für Anorganische undAngewandte Chemie (Daten Vereinigte Mulde)

Abb. 2-7 Vergleich der Arsen-Belastung im Sediment der Mulde für 1992 und 2003.

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Eintrag. Es ist keine Verringerung der Gehalte inden Sedimenten festzustellen. Für Arsen wird inder Freiberger Mulde sogar eine Erhöhung derBelastung registriert (Abb. 2-7).

Ein weiteres Hochwasser wird die neuen Sedi-mente wiederum flussabwärts transportieren. Fürdie notwendige Reduzierung dieser Emissionenaus Bergbauanlagen müssen bauliche und geo-chemische Barrieresysteme installiert und genutztwerden. Der Erosion von belasteten Böden kanndurch Flächenstilllegung und Begrünung deutlichentgegnet werden. Die Sanierung von Halden inUfernähe sollte den Abtrag von belastetem Materialbei Hochwasser verhindern.

Nachdem hier etwas tiefer eine Quelle hoher anor-ganischer Schadstoffeinträge im Elbe-Einzugsge-biet betrachtet wurde, wenden wir uns jetzt der Her-kunft der zweiten Hauptgruppe von Schadstoffenzu, den organischen Schadstoffe.

2.2 Herkunft organischer Schadstoffe

Die organischen Gewässerverunreinigungen stam-men ebenfalls sowohl aus diffusen Quellen alsauch aus Punktquellen industrieller Direkteinleiterund kommunaler Kläranlagen. Im Gegensatz zuden Schwermetallen gibt es jedoch keine geogenbedingte Grundbelastung. Alle hier behandeltenorganischen Schadstoffe sind anthropogenenUrsprungs.

Ein weiterer Unterschied zu den anorganischenSchadstoffen liegt im Belastungszeitraum. Wäh-rend die Schwermetalle im Zuge des Erzbergbausbereits seit Jahrhunderten in das Gewässersystemeingetragen werden, ist die Beeinträchtigung mitder überwiegenden Anzahl organischer Schad-stoffe wesentlich jünger und an die Entwicklung derchemischen Industrie z.B. für die Produktion vonKunststoffen, Biozide und Arzneimittel gekoppelt.Als Beispiel sei hier die Lindanproduktion aus demBereich Bitterfeld/Wolfen an der Mulde und Fahl-

Möglichkeiten zur Reduzierung der Schadstoffbelastung im MuldesystemDie Nachhaltigkeit der Einträge von Schwermetal-len und Arsen auf zwar erhöhtem, Grenzwerteüberschreitenden, jedoch für industrielle Reini-gungsanlagen uneffektiven teurem Niveau, erfor-dert neben Maßnahmen zur Reduzierung der Quel-len den Einsatz passiver, kostengünstigerSanierungsverfahren. Grubenwässer und Halden-sickerwässer verfügen häufig über hohe Gehaltean Eisen und Aluminium, und damit über ein erheb-liches "Selbstreinigungspotenzial" (26, 28). Es ist nämlich möglich, Eisen und Aluminium zurAusfällung zu bringen. Bei diesen Ausfällungsreak-tionen kommt es, abhängig von den konkreten geo-chemischen Bedingungen zur Entfernung vonSchadstoffen aus der gelösten Phase und zur Fest-legung im Gewässersediment. Vor allem Arsen,Blei und Zink lassen sich in hohen Konzentrationenan diesen eisen- und aluminiumhaltigen Nieder-schlägen stabil fixieren und durch Sedimentationaus dem Grubenwasser entfernen.Für die Oxidation des zunächst im Gruben- undHaldensickerwasser anfallenden Fe II sowie für dieSedimentation der Eisen- und Aluminium-Hydro-xide sind im jeweiligen Bereich geeignete Bedin-gungen zu schaffen, so daß dieser Prozeß ohneweiteren Aufwand "natürlich" ablaufen kann. In belasteten Fließgewässsern kann bei ausrei-chenden Schwebgehalten ebenfalls eine Verringe-rung der Schwermetall- und As-Konzentrationenerreicht werden. Ein Beispiel für eine natürliche

Sedimentationsfalle liefert der Muldenstausee beiBitterfeld. Tab. 2-5 gibt eine Bilanzübersicht überden Zeitraum 1992 - 1994 für den Ein- und Austragder Schwermetalle und As (173). Die Elemente Fe,Pb, Cd, Cu, Cr, As, Zn und Co werden zu mehr als50% aus dem Wasser entfernt und in das Sedimentdes Stausees eingelagert.

Von Beuge et al. (28) wurde deshalb vorgeschla-gen, diesen natürlichen Reinigungsprozess durchUmleitung der Mulde durch ein als geochemischeSedimentationsfalle vorzubereitendes Tagebau-restloch zu nutzen.

Tab. 2-5 Elementbilanz für den Muldestausee im Zeit-raum 08.1992 - 03.10.1994 (173).

Element Eintrag t/a Austrag t/aVerbleib im Stausee %

As 28 12 57Pb 43 7 84Cd 6,1 1,4 77Co 4,5 2,2 51Cr 18 5 72Cu 29 8 72Ni 33 22 33U 8,4 4,3 49Zn 362 175 52Fe 4871 802 84Mn 398 265 33

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berg-List bei Magdeburg an der Elbe genannt, dieerst in den 1950er Jahren begann und bereits inden 1980er Jahren wieder eingestellt wurde (vgl.Abb. 2-13 und Seite 24). Als Stoffquellen kommennicht nur die Produktionsstätten in Betracht. Bio-zide sind als biologisch aktive Stoffgruppe nahezuflächendeckend im Einzugsgebiet der Elbe einge-setzt worden, vor allem in der Landwirtschaft. DieseSchadstoffe bzw. ihre Umwandlungs- und Abbau-produkte gelangten zum einen über Produktionsab-wässer direkt ins Gewässernetz. Zum anderen wer-den Sie aktuell über Erosionsvorgänge imEinzugsgebiet oder auch über den Austrag mit demSickerwasser dem Fließgewässer wieder zuge-führt, wie es in Abb. 2-8 zu erkennen ist. Gleichzei-tig ist anzumerken, dass die verschiedenen Ein-tragspfade unterschiedlich lange wirken. Es isteinsichtig, dass eine industrielle Direkteinleitungsofort im Gewässer wirksam werden kann. Überdie Möglichkeit der Festlegung von Stoffen im Sedi-ment ist aber eine viel längere Wirkungszeit vorpro-grammiert. Ähnliches gilt für erosive Vorgänge imEinzugsgebiet. Es kann Jahrzehnte und längerdauern, bis ein erodierter Schadstoff oder dessenUmwandlungsprodukt das Hauptgewässer erreicht.

Ein weiterer zu bedenkender Eintrag von Schad-stoffen erfolgt über das Grundwasser, wobei auchhier größere, schwer zu kalkulierende Zeiträumeveranschlagt werden müssen. Bereits für die sehrmobile Verbindung Nitrat wird mit einer Verweilzeitvon 1 bis 100 Jahren im Grundwasserleiter gerech-net, bis es in einem Vorfluter erneut austritt undanschließend deutlich schneller dem Hauptgewäs-ser zugeführt wird. Und so verwundert es auchnicht, dass Lindanverbindungen (hier β-Hexachlor-cyclohexan) immer noch in den Sedimenten derElbe anzutreffen sind (Abb. 2-9), obwohl die Lin-

dan-Produktion schon vor 23 Jahren eingestelltwurde.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von organi-schen Schadstoffen, die lediglich als Begleitproduktvon Produktionsprozessen entstanden sind, derenHerstellung also weder geplant noch gewollt war.Die Entstehung der Dioxine und Furane ist hier ein-zugruppieren.

Dioxine und Furane stellen ungewollte Nebenpro-dukte bei chemischen Chlorierungsreaktionen undmetallurgischen Prozessen dar. Typische Quellenvon Dioxinen, die sich in den Sedimenten der Fließ-gewässer im Einzugsgebiet der Elbe niederge-schlagen haben, waren z.B. die Magnesium-Pro-duktionsstätten in Bitterfeld an der Mulde undStaßfurt an der Bode/Saale, die bis 1945 in Betriebwaren (103). Diese Belastungen sind bis heute inSedimenten der Nebenflüsse und der Elbe wirk-sam. Aufgrund der hohen Persistenz dieser Stoffeist nicht damit zu rechnen, dass sich die Belastungder Umwelt in naher Zukunft verringern wird.

Im folgenden Abschnitt geben wir einen Überblicküber die Entwicklung der Bergbau- und Industriere-gion Bitterfeld/Wolfen. Sie steht als Beispiel für dieEntstehung einer bedeutenden industriellen Konta-minationsquelle im Elbe-Einzugsgebiet.

2.2.1 Industriehistorische Entwicklung der Region Bitterfeld–Wolfen

Die Industrieregion Bitterfeld-Wolfen ist Teil desMitteldeutschen Industriedreiecks, das die ZentrenLeipzig, Halle und Bitterfeld einschließt. In Bitterfeldwurden Braunkohlenflöze seit Mitte des 19. Jahr-hunderts abgebaut. Dies war ausschlaggebend fürdie Ansiedlung chemischer Industrie am Ende des19. Jahrhunderts, die sich in den folgenden Jahr-zehnten zur Großindustrie entwickelte (Abb. 2-10).

Diffuse Quellen

Industrielle und kommunale Direkteinleiter

Grundwasserleiter

Versickerung

Erosio

n

Jahrzehnte-Jahrhunderte

Jahre-Jahrhunderte Sofort-Jahrzehnte

Niederschlag

Abb. 2-8 Eintragspfade und Eintragszeiträume für Schad-stoffe in Gewässer.

1984

1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

-HC

H i

n µ

g/k

g

Abb. 2-9 Zeitliche Entwicklung der ß-Hexachlorcyclohe-xangehalte in Gewässersedimenten der Elbe bei Schna-ckenburg und Magdeburg (Daten 18).

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Bergbau und Chemieindustrie hinterließen schwer-wiegende Veränderungen des Landschaftsraumessowie Verunreinigungen von Luft und Boden wieauch von Oberflächen- und Grundwasser. DieseSchadstoffe können während eines Hochwassersremobilisiert werden. Während des Hochwassers2002 flossen nach zahlreichen Deichbrüchen ober-halb von Bitterfeld große Wassermengen unkon-trolliert in das bereits zur Flutung vorbereitete Tage-baurestloch Goitzsche. Dies trug wesentlich zurHochwasserentlastung der Gebiete im Unterstrom,z.B. des Chemieparks Bitterfeld und der Stadt Des-sau, bei. Jedoch ergaben sich mit den drastischveränderten Grundwasserständen Änderungen derAusbreitungsrichtung und -geschwindigkeit derausgedehnten Schadstoffblasen im Bitterfelder

Untergrund. Um die Komplexität der Schadstoffbe-lastung in der Region Bitterfeld-Wolfen besser zuverstehen, soll die historische Entwicklung derRegion im Folgenden kurz dargestellt werden.

2.2.1.1 Ansiedlung und Entwicklung von Chemiebetrieben von 1890 bis heute

Nachdem Dampfmaschinen und Pumpen erfolg-reich zur Senkung des Grundwasserspiegels ein-gesetzt werden konnten, wurde in der Region Bit-terfeld-Wolfen ab 1839 Braunkohle gefördert. Siewurde bis 1993 in großen Mengen über Tage abge-baut und industriell verwendet (Abb. 2-11).

Abb. 2-10 Wolfen-Ost im Jahre 1970, etwa zu der Zeit maximaler Emissionen (aus 33, Foto Seite 207).

1840 1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 20000

5

10

15

20

25

Jah

resf

örd

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ng

in

Mio

. t/

a

Abb. 2-11 Braunkohlenförderungim Bitterfelder Revier (zusammengestellt aus 108, 110).

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Zunächst wurden Braunkohlenbriketts hergestellt,die einen geringeren Wassergehalt, eine höhereDichte und damit einen wesentlich höheren Heiz-wert als die Rohbraunkohle aufwiesen. Um 1890begann die chemische Industrie, sich in Deutsch-land rasant zu entwickeln, weil Seifen, Papier, Far-ben und Textilien sehr gefragt waren. Die Braun-kohlevorkommen und die gute Verkehrsanbindung(Eisenbahnstrecken Halle-Wittenberg und Leipzig-Dessau) führten zur Ansiedlung der Elektrochemi-schen Werke, Berlin (1893) und der ChemischenFabrik Griesheim-Elektron (CFGE, 1894) in Bitter-feld sowie der Aktiengesellschaft für Anilinfarben,Berlin (AGFA) in Greppin (1895) und Wolfen(1909). Die Braunkohle war die wichtigste Energie-quelle für die Chemiebetriebe und wurde überwie-gend in Kraftwerken verfeuert. Im Gegenzug wur-den die großen Aschemengen, aber auchProduktionsrückstände in ausgekohlte Grubenohne Abdichtungsmaßmahmen deponiert (Tab. 2-7, 61). Die Produktionsbereiche der Betriebe sindin Tab. 2-6 zusammengestellt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erweiterten die inder Region angesiedelten Betriebe ihre Produktionsowohl horizontal in der Angebotsbreite als auchvertikal durch Einbeziehung aller Schritte von derHerstellung der Grundchemikalien (z.B. Lösemittel)bis zu Handelswaren (z.B. Farben, Filme, Wasch-mittel, Kunststoffe, Klebstoffe). Durch diesen Pro-zess blieben in ganz Deutschland innerhalb von 30Jahren nur wenige große und kapitalkräftige Che-mieunternehmen übrig, aus denen 1925 der Groß-

konzern IG Farben hervorging. Darin übernahm dieBASF die Firmenvermögen von BAYER,HOECHST, AGFA, Weiler-ter-Meer sowie derCFGE und änderte ihren Namen in Interessenge-meinschaft Farbenindustrie Aktiengesellschaft (IGFarben) (149). Zu den acht Werken der IG Farbengehörten auch die Werke Wolfen-Film, Bitterfeldund Wolfen-Farben. In der IG Farben blieben dieFirmennamen erhalten, aber die Werke wurdengemeinsam organisiert, Forschung, Produktion undVerkauf rationalisiert und konzentriert (149).Dadurch konnte die IG Farben auf diversen Gebie-ten Innovationen vorweisen (137, 125). Für Bitter-feld-Wolfen sind die Bereiche der Leichtmetalle,Kunststoffe und Kunstfasern sowie die Fotoindu-strie relevant.

So wurde zum Beispiel als erste Synthesefaser diePolyvinylchloridfaser (PVC) aus Vinylchlorid ent-wickelt. Ab 1930 wurde PVC unter dem Markenna-men Igelit (für weiches PVC) und Vinidur (für hartesPVC) in Bitterfeld produziert. PVC eignete sich auf-grund des niedrigen Schmelzpunktes nicht als Tex-tilfaser. Wegen der hohen Säure- und Alkalibestän-digkeit und der Quellfestigkeit gegenüber Wasserwurde es vor allem als technische Faser, z.B. alsFilterfaser in der chemischen Industrie, eingesetzt(125). PVC-Kunststoffe wurden vielseitig verwen-det: als harte Pressmassen, weiche, gummiartigeWerkstoffe, Folien und Fasergrundstoffe. 1934gelang es, Rohre aus PVC herzustellen. PVCwurde mit Anteilen von 30-40% an der Produktionsynthetischer Kunststoffe der wichtigste Kunststoff

Tab. 2-6 Produktionsschwerpunkte der Chemischen Betriebe vor 1945 (125, 4, 61, 47).

Werk Standort Schwerpunkte

CFGE Bitterfeld-Süd anorganische Produkte: z.B. Chlor, Natronlauge, Kalilauge, PhosphorSchwermetalleLeichtmetalle: u.a. Aluminium, MagnesiumStahlveredler: Chrom, Wolfram, Molybdän, etc.Kunststoffe: vor allem Polyvinylchlorid (PVC)

Elektrochemische Werke (ab 1920/21 zur CFGE)

Bitterfeld-Nord anorganische Produkte: u.a. Chlor, Phosphororganische Stoffe: u.a. Monochlorbenzen, Monochloressigsäure

AGFA, Wolfen-Farben Greppin / Wolfen

Azo- und Anilinfarbenorganische Stoffe: u.a. Nitrobenzol, Anilin, NaphtolSäuren: z.B. Naphtyl-aminsulfonsäuren, Salpetersäure

AGFA, Wolfen-Film Wolfen Filme: Schwarz-Weiß-Filme, Farbfilme, TonfilmeMagnetbänderKunstfasern: Nitrozellulose, Viskose, AcetatseideKunststoffe: PVC, Polyamid (PA, Nylon, Perlon, Dederon), Polyacrylnitril (PAN, Dralon)

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der IG Farben und Bitterfeld mit einem Anteil von75% der wichtigste Produktionsstandort (125). Alsweitere Faser kam Polyamid als Nylon oder Perlonsowie später als Dederon auf den Markt. 1941 kameine weitere Textilfaser mit dem HandelsnamenDralon hinzu (125).

Die Exportorientierung und der wirtschaftlicheErfolg der chemischen Industrie hatte bis 1945, ins-besondere in den beiden Weltkriegen, großeBedeutung (vgl. 149, 137, 112). Die Chemie konntedie wenigen Rohstoffe in viele verkaufsfähige Sub-stanzen verwandeln und damit die schmale Roh-stoffbasis in Deutschland ausgleichen (149). Diesermöglichte nicht nur, unabhängiger von ausländi-schen Rohstoffen zu werden, sondern auch dennatürlichen Rohstoffmarkt mit synthetischen Pro-dukten zu verändern.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Auslands-besitz der IG Farben eingezogen, die Patente ver-öffentlicht und das Unternehmen liquidiert. Die Pro-duktionseinheiten der IG Farben unterstanden denBesatzern der jeweiligen Zone, Bitterfeld-Wolfensomit vom 14./15.04.1945 bis 30.06.1945 der ame-rikanischen, ab 01.07.1945 der sowjetischenMacht.

In der sowjetischen Besatzungszone wurden dieIG-Farben-Werke entweder demontiert oder in"Sowjetaktiengesellschaften" (SAG) eingebracht.(137). 1952 wurden die ehemaligen Werke derCFGE als VEB Elektrochemisches Kombinat Bitter-feld (EKB) und die ehemalige AGFA-Farbenfabrikals VEB Farbenfabrik Wolfen an die DDR überge-

ben. Das EKB wurde 1969 mit der FarbenfabrikWolfen zum VEB Chemiekombinat Bitterfeld (CKB)vereinigt. Die Filmfabrik wurde 1954 als VEB Film-und Chemiefaserwerk AGFA Wolfen Staatsbetrieb.Unter Druck der DDR-Regierung kündigte die Film-fabrik 1963 das Warenzeichen-Abkommen mit demAGFA-Werk in Leverkusen und führte das Waren-zeichen ORWO (ORriginal WOlfen) ein.

Die Produktion entwickelte sich zunächst nur lang-sam, da es Rohstoffprobleme, Absatzschwierigkei-ten, technische Störungen und Stromeinschränkun-gen gab (61). Dies änderte sich mit demChemieprogramm von 1958, das eine Verdopplungder chemischen Produktion bis 1965 und eine wirt-schaftliche Vernetzung mit den Ostblockstaatenvorsah. In diesem Zuge wurde die traditionelle,aber besonders umweltbelastende Karbochemie(auf Braunkohle basierend) ausgebaut und diePetrochemie (auf Erdöl basierend) in den BezirkenHalle und Leipzig aufgebaut.

Nach 1970 wurden in Bitterfeld-Wolfen die Stand-orte der Vorkriegszeit um Flächen westlich vonGreppin mit neuen Industrieanlagen erweitert, sodass eine geschlossene industrielle Zone zwischenBitterfeld und Wolfen entstand. 1989 nahm dasCKB 849 ha mit 115 km Gleisanlagen und über 50km Rohrbrücken, die Filmfabrik 339 ha ein (39).

Nach und nach wirkte sich das Alter der Anlagennegativ auf die Effizienz der Produktion und auf dieBelastung der Umwelt aus. Bei zu hohen Kostenund mit großem Personalaufwand wurde trotzdemein breites Produktspektrum angeboten: anorgani-

Abb. 2-12 Altdeponienund Altbergbau im RaumBitterfeld.

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sche und organische Grundstoffe, Metalle, Ionen-austauscher, Pflanzenschutzmittel (Biozide), Farb-stoffe, Kunststoffe, Waschmittel undSynthesefasern sowie andere Konsumgüter. Insge-samt wurden im CKB über 4500 verkaufsfähigeProdukte hergestellt (61).

Mit der politischen Wende 1989/90 wurden dieChemiekombinate aufgelöst; man bildete die Che-mie AG Bitterfeld-Wolfen (CAG) und die FilmfabrikWolfen AG (115). Die Liquidation der FilmfabrikWolfen wird seit 1994 von der Wolfener Vermö-gensverwaltung i.L. AG (WVV) durchgeführt. Dane-

Tab. 2-7 Aufschluss, Ende und umweltrelevante Folgenutzung einiger Braunkohlengruben um Bitterfeld und Wolfen(zusammengestellt aus 109, 108, 32).

Grube/TagebauAuf-schluß

Förder-ende Folgenutzung

Grube Auguste (später Freiheit III und IV) 1839 1950 /1954

von 1957/58 bis 1991 (Sondermüll-) Deponie für Bau-schutt und Fabrikationsreste des Chemischen Kombinats Bitterfeld (im Liegenden der Deponie ist z.T. Ton vorhan-den), Grubenwassereinigung; kleine Restseen

Grube Richard 1842 1944 im Restloch zwischen Ramsiner Str. und Pfingstanger zeitweise Verspülung von Kohletrübe aus Brikettfabrik, heute Baumbewuchs

Grube Johannes bei Wolfen (Nr. 6), ab 1871 Greppiner Werke

1845 1871 / 1931

Feststoff- und Flüssigkeitsdeponie der Filmfabrik, seit 1935 Abwassereinleitungen (Silbersee)

Grube Greppin (Nr. 79), ab 1871 Greppi-ner Werke

1850 1859 / 1931

Deponie der Farbenfabrik, Aschedeponie des Kraftwerks der Farbenfabrik (1918-1955)

Grube Antonie, ab 1916 Zusammen-schluss mit Marie

1870 1935 HCH-Deponie des Chemischen Kombinats Bitterfeld

Grube Marie, ab 1916 Zusammenschluss mit Antonie

1871 1935 Ascheverspülung aus dem Kraftwerk Süd, Absetzbecken für wassergetragene Schwebstoffe

Grube Louise 1872 1930 / 1944

Ascheverspülung aus dem Kraftwerk Süd, möglicher-weise Fabrikationsreste aus der chemischen Produktion

Grube Hermine 1874 /1875

1941 Ascheverspülung aus dem Kraftwerk Thalheim und dem Kraftwerk der Filmfabrik Wolfen; Ablagerung von Produk-tionsrückständen aus der Filmfabrik Wolfen

Grube Friedrich III, später Auguste-Süd, 1930 Markscheidung mit Auguste, ab 1948 Neuaufschluß als Tagebau Freiheit IV (1948-1954) mit Großraumförderung

1888 1930 / 1954

Aschedeponie des Kraftwerks Süd (1955-1990) über Aschefernleitung, Restseen

Grube Theodor: ab 1948 Freiheit II. 1907 1951 Verkippung aus dem Tagebau Pistor & Freiheit IV; Rekul-tivierung; wild abgelagerte Hausmüllkippe

Grube Stakendorf 1923 1943 Restsee von 12 ha, teilweise Verspülung von Abraum aus dem Tagebau Thalheim-West, nach 1945 Asche- und Bauschuttdeponie der deutschen Reichsbahn an der Ostseite, an der Westseite bis 1991 Strandbad

Grube Karl Ferdinand Nord, ab 1948 Her-mann Fahlke

1946 1951 bis 1967 Deponie der Deutschen Reichbahn für Asche und Bauschutt, nach 1970 Gargen des 1. Sandersdorfer Neubaugebietes, nach 1990 Gewerbegebiet, bis 1990 Ascheverspülung im Restloch aus dem Kraftwerk der Filmfabrik Wolfen

Tagebaue Goitsche und Rösa 1949 1991/1993

Rekultivierung mit den Tagebauen Holzweißig Ost und West zum Erholungs- und Naturschutzgebiet Goitzsche; Restsee von 24 km²

Tagebau Muldenstein 1951 1975 Rekultivierung zum Muldestausee, Flutung durch Mulde nach ihrer Verlegung (6,1 km²), Sedimentfalle zum Rück-halt eines Teils der Schwermetalle aus dem Erzgebirge

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ben entstand 1994 die Bitterfelder Vermögensver-waltung Chemie GmbH (BVV).

Durch die Währungsumstellung und den Wegfalltraditioneller Märkte bei gleichzeitiger Konfrontationmit dem Weltmarkt waren viele Betriebe nicht mehrwettbewerbsfähig. Die fehlende Konkurrenzfähig-keit vieler Ostprodukte und die Privatisierungkamen erschwerend hinzu (39). So wurden in Bit-terfeld-Wolfen flächenhaft veraltete Anlagen stillge-legt und abgebrochen: Von den ursprünglich 90Anlagen waren 1991 bereits 40 stillgelegt (93).

Nachdem belastete Betriebsflächen saniert waren(vgl. 111), versuchte man, chemische Industrie mitmodernen Anlagen sowie Gewerbe- und Dienstlei-stungsbetriebe im Chemiepark Bitterfeld und imIndustriepark Wolfen-Thalheim (seit 1997/98 Che-miePark Bitterfeld-Wolfen) neu anzusiedeln (vgl.39). Die gute Infrastruktur in Bitterfeld (Vernetzungder Betriebe, Anlagen zur Produktion von Chlorund Phosphor) und die Chemieakzeptanz sorgtendafür, dass sich bis 1999 schon 200 neue Firmenniedergelassen hatten (Abb. 2-15).

2.2.1.2 Standortkennzeichen: Chlorchemie

Bestimmend für die Region Bitterfeld-Wolfen ist dieChlorchemie. Die Elektrochemischen Werke unddie CFGE bauten bereits 1894 Anlagen zur Chlor-alkali-Elektrolyse. Darin werden Natronlauge undChlorgas erzeugt. Natronlauge wurde vor allem inder Seifenproduktion gebraucht. War das Chlorgaszu Beginn des 20. Jahrhunderts noch ein Abfallpro-dukt, hingen am Ende des 20. Jahrhunderts über60% der chemischen Industrie (bezogen auf denUmsatz) direkt oder indirekt vom Chlor ab. ZweiDrittel der Produkte sind letztlich nicht mehr chlo-riert, werden aber über chlorierte Zwischenpro-dukte hergestellt (158). Mittlerweile hat sich dieAbsatzlage umgedreht: Der Markt und Absatzchlororganischer Produkte ist weltweit so groß,

dass die riesigen Mengen an Natronlauge kaum zuverwerten sind (166).

Das EKB/CKB war der größte Chlor- und Chlorpro-dukterzeuger der DDR. Dort produzierte man etwadie Hälfte des Chlorgases. Mit dem größten Teildes Chlorgases wurden in Bitterfeld-Wolfen leicht-flüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (LHKW)hergestellt, während die Produktion von Chloraro-maten stetig abnahm (60). Diese Substanzen wer-den z.B. als Lösemittel eingesetzt, sind aber auchZwischenprodukte bei der Herstellung andererStoffe, wie Farbstoffe oder Pestizide. Aufgrund derStoffvielfalt ist es unmöglich, alle möglichen Aus-gangs-, Zwischen- und Endprodukte und derenProduktionsmengen zu erfassen. Besondere Auf-merksamkeit soll jedoch das Pestizid Lindan(Hexachlorcyclohexan, HCH) erhalten, da es in Bit-terfeld in großen Mengen produziert wurde und auf-grund seiner schlechten Abbaubarkeit und großerMengen Produktionsabfälle eine hohe Umweltrele-vanz besitzt.

Hexachlorcyclohexan wurde von Michael Faraday1825 erstmals hergestellt und kann in acht ver-schiedenen Isomeren vorliegen. Eine insektizideWirkung hat jedoch nur das gamma-Isomer(γ-HCH). Dies wurde nach von der Linden, der es1912 aus einem technischen Gemisch isolierte,Lindan genannt. Hergestellt wird HCH aus Benzen,das unter UV-Strahlung chloriert wird. Da dabei fünfder acht möglichen Isomere entstehen, enthälttechnisches HCH nur zu 9-18% das gamma-Iso-mer. Die anderen Isomere wurden fast ausschließ-lich deponiert, in Bitterfeld zum größten Teil in derGrube Antonie (vgl. Abb. 2-12). Die Produktion vontechnischem HCH und Lindan erfolgte im CKB bis1982, die Mengen sind Abb. 2-13 zu entnehmen.Aufgrund der hohen Produktionsrückstände ist derVerunreinigung von Boden und Grundwasser mitHCH besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 19820

2000

4000

6000

8000

10000

12000P

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uk

tio

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n t

/a technisches HCH (DDR)

technisches HCH (CKB)

Lindan (DDR)

Lindan (CKB)

Abb. 2-13 Produktion von techni-schem HCH und Lindan im Chemie-kombinat Bitterfeld (CKB) und in derDDR insgesamt (Daten 60).

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2.2.1.3 Umweltbelastungen

Nach 1989/90 wurde die Region Bitterfeld-Wolfenerstmalig umfassend hinsichtlich ihrer stofflichenBelastungen untersucht. Während sich die Qualitätder Luft und der Fließgewässer in wenigen Jahrendeutlich verbessert hat, ist die Erfassung undBeseitigung von Schadstoffen in Boden und Grund-wasser weitaus komplexer und von größererDauer. Ein Großteil der im Produktionsprozessangefallenen Abwässer wurden über den Schacht-graben und das Spittelwasser der Mulde zugeführt(Abb. 2-14). Regelmäßige Überflutungen habeneine erhebliche Belastung der Niederungen inAbhängigkeit von ihrer Überschwemmungshäufig-keit (133) verursacht. So sind die erheblichen aktu-ellen DDT- und HCH-Befunde in der Spittelwasser-niederung eindeutig Altablagerungen der Pestizid-produktion des Chemiekombinates Bitterfeldzuzuordnen (141).

Weiterhin sind die natürlichen Grundwasserverhält-nisse durch mit Innenkippen gefüllte Tagebaurest-löcher, vorhandene Abbauhohlformen (v.a. Goitz-sche) sowie ein sich ständig änderndesWasserhaltungsregime in den verschiedenen Rest-löchern und Restlochdeponien stark gestört. EinenEindruck über das Ausmaß vermittelt Abb. 2-12.

Die über mehr als 100 Jahre andauernden Einträgevon Stoffen aus Produktionsbetrieben, unabgedich-teten Deponien, Produktleitungs- und Umschlag-verlusten sowie Havarien haben eine komplexeVerunreinigung der Böden und des Grundwassersbewirkt. Aus den recherchierten Produktionspalet-ten, Rohstoff- und Zwischenproduktlisten, denGenehmigungsunterlagen für die Verbringung von

Abb. 2-15 Bitterfelder Revier heute: Industriebrachen, Sanierungsgebiete und neue Produktionsanlagen Das Luftbild ist aus dem Jahr 1999 (Foto Bertram Kober, Punctum).

Abb. 2-14 Die Spittelwasserniederung bei Jeßnitz.Hochgradig belastet mit Rückständen der Pflanzen-schutzmittelproduktion, gilt es in dieser Gegend dennochals Kleinod der Natur (Foto Frank Krüger).

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FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2 SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?

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Abfällen der DDR-Bezirksämter sowie aus den pla-kativen Bezeichnungen für produktions- oder ent-sorgungstechnische Standorte wie das "Säureeck",die "Säurekreuzung", der "Silbersee" (ohne Silber-gehalt), der "Titansee", die "Phosphorgruben" oderder "Chromteich" ließen sich verlässliche Parame-terlisten für Grundwasser- und Bodenuntersuchun-gen ableiten. Die Grundwasseruntersuchungenhaben ergeben, dass über 200 Mio. m³ Grundwas-ser auf einer Fläche von ca. 25 km² mit einem wei-ten Spektrum von Schadstoffen verunreinigt sindund als eigenständiger Schadensherd betrachtetwerden müssen (120). Da herkömmliche Verfahren zur Grundwassersa-nierung bei solchen großräumigen Verunreinigun-gen leider nur einen geringen Wirkungsgrad errei-chen, entwickelt das Forschungsprojekt SAFIRA(Sanierungsforschung in regional kontaminiertenAquiferen) neue passive In-situ-Verfahren zurGrundwasserreinigung und untersucht in einemTeilprojekt die Möglichkeiten ihrer ökologisch ver-träglichen Implementierung.

2.2.1.4 Ausblick

Die Betrachtung der Entwicklungsgeschichte derIndustrieregion Bitterfeld/Wolfen verdeutlicht, dassim Laufe der Zeit eine schier unübersichtlicheAnzahl verschiedenster Stoffe produziert und auchin die Gewässer eingeleitet worden sind. Dem tra-

gen heute amtliche Überwachungsorgane miteinem umfangreichen Monitoringprogramm zurÜberwachung der Gewässergüte Rechnung. Abernoch längst sind nicht alle umweltrelevanten Stoffeerkannt und lokalisiert (siehe Box ’Non-targetScreening’). Innerhalb des Ad-hoc Hochwasserprojektes wur-den seit August 2002 über 40.000 Einzelanalysenvon mehr als 300 verschiedenen Stoffen undEigenschaften des Wassers sowie der Sedimenteund Böden analysiert. Einen Überblick über Analy-senergebnisse des Forschungsvorhabens "Schad-stoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002 -Ermittlung der Gefährdungspotenziale an Elbe undMulde" ist unter www.halle.ufz.de/hochwasser ein-sehbar.Die hohe Anzahl der Analysenergebnisse und deruntersuchten Stoffgruppen verdeutlicht, dass fürdie weitere Darstellung der Belastungssituation vor,während und nach dem extremen Hochwasser vomAugust 2002 an dieser Stelle nur eine kleine Aus-wahl an Ergebnissen präsentiert werden kann. ZurBeurteilung der Situation werden drei Betroffen-heitskategorien unterschieden:

• Die Situation während der Flut, Schadstoffe imWasser

• Die Situation unmittelbar nach der Flut, Schad-stoffe im Schlamm

• Die langfristigen Folgen der Gewässerbelastung

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BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

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Die Suche nach unbekannten Wirkstoffen: Non Target Screening Umweltanalysen sind in ihrer überwiegendenAnzahl darauf ausgerichtet spezielle, begründetausgewählte Substanzen, wie die hier vorgestelltenMineralölkohlenwasserstoffe, PCB, Dioxine oderDDT in verschiedenen Medien, wie Wasser,Schlamm oder Boden zu quantifizieren. DieseAnalysen werden auch Target-Analysen genannt,weil sie mit selektiven, zielgerichteten analytischenMethoden geeignet sind, jeweils nur spezielle Stoff-gruppen zu erfassen. Das Ergebnis dieser Messun-gen sind sehr genaue Mengenangaben bzw. Kon-zentrationen. Aber die Anzahl der Problemstoffe inder Umwelt übersteigt die zur Verfügung stehendenAnalysenverfahren um ein Vielfaches. Dies wie-derum bedeutet, dass mit allgemein gängigen Ana-lysenverfahren eine große Anzahl von Kontaminan-ten gar nicht gemessen werden kann. Außerdemist ja oft nicht bekannt, nach welchen Stoffengesucht werden muss (vgl. Box Schadstoffe in Mut-termilch auf Seite 36). Um diesen Soffen auf dieSpur zu kommen, müssen weniger stark selektiveAnalysenmethoden angewandt werden: das NonTarget Screening (59, 44, 142).Dieses auf die detaillierte qualitative Analyse derEinzelprobe ausgerichtete Vorgehen lieferte nebeneiner Übersicht vorhandener Schadstoffe im Mulde-system neue Kenntnisse über bisher unerkannte,von Monitoring-Routinen nicht erfasste organischeProblemstoffe. Diese können unbewertete Risikenbeinhalten und auch als Markersubstanzen fürinfolge der Flut veränderte Ausbreitungspfade die-nen.Das wegen der in der Industrieregion Bitterfeld-Wolfen akkumulierten Schadstoffe und Altlastenbesonders kritisch zu bewertende Gebiet der Unte-ren Mulde wurde stichprobenartig durch ein NonTarget Screening auf organische Substanzen in

Grundwasser, Flusswasser und Flusssedimentuntersucht (48). Sedimentbeprobungen ergaben, dass als unmittel-bare Flutfolge organisch hochbelastetes Sedimentaus der Vereinigten Mulde und dem Spittelwasserweitgehend ausgeräumt und auf umliegende Flä-chen sowie elbabwärts verfrachtet worden ist. DieSediment- und Wasserbelastung war zunächstunterhalb des Muldestausees vergleichsweisegering. Flussabwärts stieg die Organika-Kontami-nation des Wassers und des Sediments noch vordem Zusammenfluss mit dem Spittelwasser starkan und nahm in größerer Entfernung von Bitterfeld-Wolfen zwischen Raghun und Dessau weiter zu.Demnach kann die drastische Verschlechterungder Wasser- und Sedimentqualität der Mulde nichtallein auf den Zufluss des hochbelasteten Spittel-wassers zurückgeführt werden. Das Grundwasserwies teilweise außerordentlich hohe Belastungenmit nur wenigen, regional sehr unterschiedlich auf-tretenden organischen Schadstoffen auf. Die aus-geprägte Zunahme der Kontamination von Muldeund Spittelwasser zwischen Jessnitz und Raghunlassen hier den Austritt von Süden aus Wolfenanströmender, belasteter Grundwässer vermuten.Die Beurteilung von Ausbreitungspfaden im Grund-wasser wird durch die komplexe Hydrogeologieund die Überlagerung teils sehr unterschiedlicher,teils identischer Belastungsprofile vieler Quellenerheblich erschwert. Geeignete Leitsubstanzenmüssen hier in Detailuntersuchungen aus der auf-gezeigten großen Zahl identifizierter organischerSubstanzen ermittelt werden. In diesem Zusam-menhang sind u.a. industrielle Problemstoffe her-vorzuheben, die aus der Umsetzung von Styrol(Polystyrol ist unter dem Handelsnamen Styroporbekannt) mit Formaldehyd stammen.

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 3 SCHADSTOFFE IN DER HOCHWASSERWELLE

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3 Schadstoffe in der Hochwasserwelle

Frank Krüger

Hochwässer sind charakterisiert durch eine oftschnelle Änderung von Durchfluß und Wasser-stand. Das hat bezüglich der Stoffqualität desGewässers zweierlei Dinge zur Folge. Erstens wer-den bereits abgelagerte Sedimente mobilisiert, undzweitens können weitere Schadstoffquellen akti-viert werden.

Mit der Zunahme der Durchflussmenge im Fließge-wässer steigt die Fließgeschwindigkeit des Was-sers an. Dabei kommt es zu einer Mobilisierungvon Sedimenten, die zuvor in Stillwasserbereichenaussinken konnten. Da diese Sedimente an derElbe und Mulde, aber auch an der Saale und ande-ren Nebenflüssen, schadstoffbehaftet sind, führtihre Aufwirbelung zu höheren Schadstoffgehaltenin der Flutwelle. Dies geschieht in z.B. Magdeburgalljährlich bei Überschreiten eines Durchflussesvon ca. 800 m³/s (146) und entspricht einem Was-serstand von ca. 290 cm am Pegel Magdeburg-Strombrücke (km 326,6). In Abb. 3-4 auf Seite 34ist zu erkennen, dass die größten Schwebstoffge-halte deutlich vor Erreichen des Hochwasserschei-tels aufgetreten sind (19). Da ein großer Teil vonSchadstoffen an diese Schwebstoffe gekoppelt ist,

steigt gleichzeitig der Schadstoffgehalt im Wasseran, wie das Beispiel Quecksilber zeigt (Abb. 3-5 aufSeite 34, 19).

Der Name Quecksilber (Hg) leitet sich aus dem Alt-hochdeutschen ("Quecksilabar" - "lebendiges Sil-ber") ab. Es findet sich in geringen Mengen überallauf unserem Planeten, wobei die Reinmetallformnur sehr selten vorkommt. Weit bedeutsamer sindeinige Verbindungen, von denen an erster StelleQuecksilbersulfid (HgS), auch als Zinnoberbekannt, zu nennen ist (89). Die mittelalterlicheVerwendung von Quecksilberoxid zur Heilung vonSyphilis und Augenpatienten wurde bereitserwähnt. Heutzutage sind als industriell odergewerblich bedeutsame Verwendungsformen vorallem Amalgame zu nennen, welche als Gemischemit anderen Metallen zur Gold- und Silbergewin-nung genutzt werden oder in der Zahnmedizin Ver-wendung finden. In der elektrochemischen Produk-tion fungierte Quecksilber als Kathodenbestandteilin der Chloralkalielektrolyse, Bestandteil von Lam-pen (Quecksilberdampflampen) oder Batterien(84). Messinstrumente im naturwissenschaftlichenund medizinischen Bereich basieren oftmals

Abb. 3-1 Ölschlieren auf der Elbe bei Pilnitz während des Hochwassers am 16.08.2002 (Foto Andreas Prange).

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ebenso auf den besonderen physiko-chemischenEigenschaften des Quecksilbers wie bestimmteFarbkompositionen (Zinnober). Die Verwendung inBioziden, Anti-Fouling-Farben, Imprägnierungslö-sungen und der Wasseraufbereitung sind mittler-weile weitestgehend eingeschränkt (84).

Natürliche und durch den Menschen verursachteProzesse bringen Quecksilber in die Umwelt. DasSchwermetall wird beispielsweise bei vulkanischenAktivitäten, bei der Kohle- und Heizölverbrennung,bei der Verhüttung und auch bei der Müllverbren-nung freigesetzt. Die bedeutsamsten natürlichen

und zeitgleich anthropogen beeinflussten Quellenfür das Elbe-Einzugsgebiet sind die ehemaligenBergbauregionen und die Standorte der früherenChloralkalielektrolyse an der Mulde und der Saale.

Der zweite wesentliche Punkt bezüglich extremenWasserspiegelanstiegs ist, dass auch weitereSchadstoffquellen, die von normalen bzw. mittlerenHochwässern gar nicht überflutet werden, aktiviertwerden können. Dies war während des extremenHochwassers im Jahr 2002 für viele Wohn- undIndustriegebiete der Fall. Ein Beispiel dafür stellendie erhöhten Gehalte an Mineralölkohlenwasser-

QuecksilberQuecksilber (Elementsymbol Hg) stellt keinenessenziellen Bestandteil des Körpers dar. Vergif-tungen sind vielfach bekannt geworden. In diesemZusammenhang symbolisiert das Dorf Minamataauf der japanischen Insel Kyushu stellvertretenddie negativen Auswirkungen unkontrollierter "Ent-sorgung" von Produktionsabfällen in die Umwelt.Hg hatte seit Mitte des 20. Jahrhunderts zu starkenSchädigungen am zentralen Nervensystem vonTieren und Menschen geführt ("Minamata-Krank-heit"). Zwischen 1953 und 1969 erkrankten schät-zungsweise 15.000 Menschen. Ursache waren Hg-Anreicherungen in Meeresfischen, die als Haupt-nahrungsquelle dienten. Methylquecksilberjodidwar im Zusammenhang mit industrieller Acetalde-hyd-Produktion in großen Mengen ins Meer gelangt(63). Darüber hinaus können Hg und seine Verbin-dungen das Erbgut schädigen. In flüssiger Formwird Hg weit weniger effektiv über Schleimhäuteaufgenommen als Hg-Dämpfe. Diese entstehenbereits bei Zimmertemperatur und sind extrem gif-tig. In Deutschland ist von einer Hg-Aufnahme von8 bis 27 µg pro Tag über die Nahrung auszugehen,wobei der Konsum von Fisch und Fischproduktendie wichtigste Quelle darstellt. Organische Hg-Ver-bindungen (z.B. Methyl-Hg) werden im Magen-Darm-Trakt gut aufgenommen und über das Blut imKörper verteilt. Sie können die Plazentaschrankesowie die Blut-Hirnschranke problemlos passieren.In seiner Entwicklungsphase reagiert der Menschum ein Vielfaches empfindlicher auf das toxischeSchwermetall. Aus diesem Grund gelten Kinderund Schwangere als besonders gefährdet. Anorga-nische Hg-Verbindungen sind viel seltener und wer-den vom Körper auch schlechter resorbiert. DasMetall reichert sich in den Nieren, in der Leber,Schilddrüse, im Gehirn und Rückenmark sowie inden Hoden an. Eine weitere Belastungsquelle kön-nen Zahn-Amalgame darstellen; behandelte Perso-nen nehmen zwischen 2,5 und 17,5 µg Hg pro Tag

zusätzlich auf (76). Die Weltgesundheitsorganisa-tion (WHO) gibt für Hg einen PTWI-Wert (Provisio-nal Tolerable Weekly Intake) von 5 µg pro kg Kör-pergewicht an. Dieser Wert beschreibt die vorläufigduldbare wöchentliche Aufnahmemenge. FürMethyl-Hg liegt dieser Wert bei 3,3 µg pro kg Kör-pergewicht. Es wird allerdings von einem gemein-samen Expertengremium (JECFA; Joint ExpertCommittee on Food Additives) der FAO (Ernäh-rungs- und Landwirtschaftsorganisation der Verein-ten Nationen) und der WHO eine Senkung diesesWertes auf 1,6 µg pro kg Körpergewicht gefordert(74).Wichtige Grenzwerte:Boden (25):• Prüfwerte für den Transferpfad Boden-Mensch-

Direktaufnahme: Kinderspielflächen 10 mg/kg,Wohngebiete 20 mg/kg, Park- und Freizeitanlagen50 mg/kg, Industrie und Gewerbeflächen mg/kg

• Prüfwerte für den Transferpfad Boden-Nutz-pflanze bei Ackerbau und Nutzgärten im Hinblickauf die Pflanzenqualität: 5 mg/kg

• Maßnahmenwert für den Transferpfad Boden-Nutzpflanze bei Grünlandnutzung im Hinblickauf die Pflanzenqualität: 2 mg/kg

• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Grundwas-ser: 1 µg/l

Trinkwasser (40): 1 µg/lFuttermittel (52): Alleinfuttermittel 0,1 mg/kgLebensmittel (160, 161): Muskelfleisch Süßwas-serfische 0,5 mg/kg, bei Aal, Hecht, Stör 1 mg/kgGefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):Die Maximale-Arbeitsplatz-Konzentration (MAK-Wert) in Deutschland für gasförmiges Hg-Metallwurde mit 0,1 mg/m³ und der für organische Hg-Verbindungen mit 0,01 mg/m³ festgelegt.

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 3 SCHADSTOFFE IN DER HOCHWASSERWELLE

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stoffen (MKW) dar. Die Nutzung von Mineralölpro-dukte als Brenn-, Treib- und Schmierstoff ist heuteauch in Auengebieten allgegenwärtig. Jeder Heiz-öltank, jede Tankstelle, jedes industrielle Tanklagerstellt eine potenzielle Quelle für MKW dar. Dazukommen ölverunreinigte Abfälle wie Bodenmaterial,Bohrschlämme, Baggergut, Bearbeitungs-schlämme, Metallspäne, Öl- und Benzinabschei-derinhalte sowie Tankreinigungsrückstände. Mine-ralölkohlenwasserstoffe gehören zu den häufigstenVerunreinigungen auf Altlastenflächen von Indu-striestandorten.

Für die Umweltanalytik ist u.a. eine Eigenschaft vonihnen bedeutsam: Sie sind nicht mit Wasser misch-bar, lediglich in einem geringen Umfang löslich. DieDichte der MKW liegt unter der des Wassers, wes-halb sie aufschwimmen und im Schadensfall oft als"Ölschlieren" auf der Gewässeroberfläche schwim-men (Abb. 3-1, Abb. 3-2). Leichtflüchtige Bestand-teile der MKW verdunsten in die Luft, so dass sieschon nach kurzer Zeit kein Problem mehr für dieGewässer darstellen.

3.1 Wie werden Schadstoffe transportiert?

Die Vielzahl der Schadstoffe, die zur Gewässerbe-lastung beitragen können, wurde im Abschnitt 2bereits vorgestellt. So groß wie die Anzahl derSchadstoffe, so vielfältig und komplex sind ihrechemischen Reaktionen und Bindungsmöglichkei-ten. Zur Beurteilung einer Gewässerbelastung wer-den in der Regel nur die gelöst transportiertenStoffmengen von den partikulär transportiertenunterschieden. Studien an der Elbe haben diesbe-

züglich für Schwermetalle typische Verhältnissevon gelösten Anteilen zu partikulären Anteilen her-ausgearbeitet. In Abb. 3-3 ist zu erkennen, dassbeispielsweise Arsen und Uran zu überwiegendenAnteilen gelöst transportiert werden. Blei undQuecksilber dagegen, sind zu mehr als 80% amSchwebstoff gebunden (8).

Es wurde in Abb. 3-5 am Beispiel des Quecksilbersbereits verdeutlicht, dass mit der Zunahme der par-tikulären Anteile in der Wasserphase auch dieSchadstoffgehalte im Wasser zunehmen. Die höch-sten Quecksilbergehalte wurden an der Messstellein Magdeburg am 15.08.2002 gemessen. Obwohldie Elbepegel noch weiter stiegen, sank die Schad-

Abb. 3-2 Große Öllachen trei-ben am 15.8.2002 im schlam-migen Wasser der Elbe nahedem evakuierten DresdnerStadtteil Laubegast. Das hiergezeigte Beispiel ist keinHeizöl, sondern eine illegaleLagerung großer MengenAltöl. Probleme bereiteten die Mine-ralöle vor allem da, wo siehochkonzentriert in das Mau-erwerk von Innenräumen ein-dringen konnten. Zumeistbetraf das die Besitzer derÖlheizungen selbst, die keineVorsorge gegen das Auf-schwimmen ihrer Öltanksgetroffen hatten (Foto Ralf Hirschberger).

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gelöst partikulär

Abb. 3-3 Anteile der gelösten und partikulären Fraktionvon Schwermetallen und Arsen an ihren Gesamtgehaltenin der Wasserphase (8).

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stoffkonzentration, weil der maximal mobilisierbareschadstoffbehaftete Sedimentanteil zu diesem Zeit-punkt bereits stromabwärts transportiert war. Aller-dings wurde das Schadstoffmaximum für partikulä-res Blei (Abb. 3-6 auf Seite 34) und partikuläresArsen erst am 16.08.2002 gemessen. Dies ist alsIndiz für die "Ankunft der Muldewelle" in Magde-burg zu interpretieren. Blei und Arsen gelten alstypische "Muldeschadstoffe". Gleichzeitig ist inAbb. 3-7 auf Seite 34 zu erkennen, dass die höch-sten Gehalte an gelöstem Arsen wiederum miteinem Tag Verzögerung Magdeburg passierten. Beisinkenden Schwebstoffanteilen überwiegt schließ-lich der Arsentransport in der gelösten Form diepartikuläre Fracht.

Blei (Pb) ist mit einem durchschnittlichen Anteil von0,002 Gewichtsprozent ubiquitär in der Erdkrusteverteilt. Als wichtigstes Erz zur Herstellung elemen-taren Bleis gilt Bleisulfid (Bleiglanz - PbS). Bleierzesind häufig mit anderen Metallen wie Zink, Kupfer

oder Antimon vergesellschaftet. In Deutschlandspielt die Bleigewinnung aktuell eine untergeord-nete Rolle, ehemals bedeutsame Regionen warendie Eifel, der Harz, das Erzgebirge und das Ruhr-gebiet.

Die Nutzung von Blei ist schon für die antike Weltbelegt, beispielsweise in Form von Topfglasuren imvorchristlichen Ägypten sowie römischen Wasser-leitungen und Tafelgeschirr. Darüber hinaus dien-ten Pb-Verbindungen als Arznei, Farbe undBestandteil von Schminke. Später wurden dieDächer von Kirchen und Verwaltungsgebäuden mitBleiplatten ausgestattet. Tetraethylblei wurde alsAntiklopfmittel dem Ottokraftstoff zugesetzt und mitdem Straßenverkehr flächenhaft verbreitet. Dieheute relevantesten Nutzungen sind Legierungenzur Herstellung von Akkumulatoren, Lagermetall inder Eisenbahnproduktion, Blei-Kupfer-Legierun-gen für Kabelummantelungen, Dichtungen, Isolie-rungen und Rohrleitungen. Des Weiteren werden

MineralölkohlenwasserstoffeMineralölkohlenwasserstoff (MKW) ist eine Sam-melbezeichnung für organische Verbindungen ausKohlenstoff- und Wasserstoffatomen. MKW werdenüberwiegend durch Raffination als Fraktion unter-schiedlicher Siedebereiche aus dem Erdöl isoliert.Die gewonnenen Fraktionen sind als Benzine,Kerosin, Dieselöle, Heizöle, Schmieröle, Paraffineund Ceresin im Handel. Die Kettenlänge bzw. dieAnzahl der Kohlenstoffatome, d.h. die Größe derKohlenwasserstoffmoleküle nimmt von den Ben-zinen über die Dieselöle zu den Paraffinen zu (23).Darüber hinaus kommen MKW in bituminösen Bau-stoffen, in dunklem Fußbodenestrich und Boden-platten sowie vereinzelt in Holzschutzanstrichenvor. Sie dienen als Lösemittel in Farben, Lacken,Klebern und sind auch in Kunststoffen enthalten. Imreinen Zustand sind Kohlenwasserstoffe farblos. Die Palette der MKW reicht von leichtflüchtigen undgut abbaubaren Benzinkohlenwasserstoffen bis zuden schwerlöslichen, schwerflüchtigen und schwerabbaubaren hochmolekularen Verbindungen ausSchmierfetten und -ölen. Zu den biologisch nursehr schwer abbaubaren MKW gehören beispiels-weise die Maschinenöle.Wie schon erwähnt handelt es sich bei den MKWum eine Gruppenbezeichnung, der keine einheitli-che Gefahrenkennzeichnung zugeordnet werdenkann. Unter normalen Arbeitsbedingungen wurdenam Menschen keine gesundheitlichen schadstoff-bedingten Veränderungen festgestellt. Wenn auchkeine akuten Toxizitäten bekannt sind, so könnendoch häufiger und langzeitiger Hautkontakt Reizun-

gen und Entzündungen hervorrufen (23). Im Allge-meinen kann von einer geringen toxikologischeRelevanz der MKW ausgegangen werden. Für ein-zelne Substanzen, wie das nervenschädigende n-Hexan, sollte unter Umständen eine separateBewertung durchgeführt werden. Bezüglich derHumantoxizität sind aromatische Begleitstoffe(Benzol, Toluol u.a.) in den Mineralölprodukten vongrößerer Bedeutung als die MKW selbst. Diesekönnen beispielsweise in Benzin und Kerosin einenAnteil von bis zu 40% ausmachen.

Wichtige Grenzwerte: Im Allgemeinen kanngesagt werden, dass ein Liter Öl eine Million LiterGrundwasser verseuchen kann. Gelöste oderemulgierte Kohlenwasserstoffe können dem Trink-wasser noch in sehr großer Verdünnung einenunangenehmen Geruch und Geschmack verleihen.Die alte Trinkwasserverordnung sah für MKWeinen Grenzwert von 0,01 mg/l vor. Aber auch beiniedrigeren Gehalten kann ein Trinkwasser alsungenießbar gelten, wenn es nach Öl riecht. Des-halb sieht die aktuelle Trinkwasserverordnung kei-nen Grenzwert für MKW vor, da das Erkenneneiner MKW-Belastung über den Geruchsschwellen-wert und Geschmack ausreichend ist.

Boden (25)• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Grundwas-

ser: 200 µg/l

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 3 SCHADSTOFFE IN DER HOCHWASSERWELLE

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Bleischirme zur Absorption von Gamma- und Rönt-genstrahlen verwendet. Als Material hoher Dichtefindet Blei Verwendung als Beschwerung in derFischerei und im Bootsbau sowie bei derGeschossherstellung von Munition. Hauptemitten-ten elementaren oder anorganisch gebundenenBleis sind Bleihütten und Anlagen zur Bleiverarbei-tung. Für das Elbeeinzugsgebiet sind insbesonderedas Erzgebirge, das Mansfelder Land und der Harzals Quellen für geogenes oder durch Verhüttunggewonnenes Blei bekannt. Diese Gebiete entwäs-sern hauptsächlich über die Nebenflüsse Mulde

(Erzgebirge), Saale (Mansfelder Land) und Bode(Harz) in die Elbe.

Arsen (As) ist ein Halbmetall, es ist ubiquitär ver-breitet und kann in der Luft, in Böden, Gewässernaber auch in Nahrungsmitteln, Futtermitteln oderTrinkwasser nachgewiesen werden. Vermutlich istes für viele Tiere und den Menschen essenziell - imBlut nicht belasteter Menschen finden sich ca. 4 µg/kg As. In der Vergangenheit wurden arsenhaltigeSubstanzen breitgefächert und sehr freizügig ange-wendet. So wurden Arsenverbindungen als Arznei-

BleiDie akute Toxizität von Blei scheint relativ gering.Vergiftungen sind überwiegend das Resultat chro-nischer Aufnahme und Akkumulation. Schongeringe Mengen können bei dauerhafter Aufnahmeschädigend wirken. Insbesondere bleihaltige Indu-striestäube gelten als sehr giftig. Meist werden Bleiund Bleisalze jedoch über Nahrungsmittel oder mitdem Trinkwasser (z.B. durch Bleirohre) aufgenom-men. Je nach Produktions- und Transport- undLagerungsgeschichte sind Nahrungsmittel indirektdurch Luftstäube (Obst, Gemüse) oder direkt überdie Nahrungsketten (Fisch, Fleisch) belastet. Fürerwachsene Personen geht man von einer Auf-nahme über den Verdauungstrakt von ca. 10% desSchwermetalls aus, für Kinder werden bis zu 50%angenommen. Wie beim Quecksilber sind Ungebo-rene durch die mögliche Passage der Plazentabesonders bedroht. Das Schwermetall lagert sichvor allem in den als "Sammelstellen" erkanntenKnochen und Zähnen ein. Zumindest für Knochengeht man von einer sehr langsamen Ausscheidungaus; die biologische Halbwertszeit (BHWZ), d.h. dieZeit, in der der Vorrat des Schadstoffes halbiertwird, beträgt im Mittel ca. 10 Jahre. Für Blut sindBHWZ von nur 20 - 30 Tagen bekannt, für den rest-lichen Organismus vermutet man einige Jahre. VonBedeutung sind neben anorganisch gebundenemBlei auch organische Bleiverbindungen wie Tetrae-thylblei. Diese können auch über die Haut aufge-nommen werden. Die Auswirkungen chronischerBleivergiftungen sind noch unzureichend bekannt.Erwiesen scheint aber eine Beeinträchtigung desGehirns bei einem Pb-Spiegel von mehr als 0,1 µgPb/ml. Des Weiteren schädigt Pb vor allem dasNervensystem, die Nieren und beim Erwachsenenauch das Herz-Kreislaufsystem. Die Einlagerungenim Knochen führen zur Beeinträchtigung des blut-bildenden Systems, Plazentakontaminationen kön-nen zu Früh-, Fehl- und Totgeburten führen. Einekrebserzeugende Wirkung wird vermutet. Die WHOgibt für Blei einen PTWI-Wert (Provisional Tolerable

Weekly Intake) von 25 µg pro kg Körpergewichtund Woche an (91).Wichtige Grenzwerte: Boden (25):• Prüfwerte für den Transferpfad Boden-Mensch-

Direktaufnahme: Kinderspielflächen 200 mg/kg,Wohngebiete 400 mg/kg, Park- und Freizeitanal-gen 1000 mg/kg, Industrie- und Gewerbegrund-stücke 2000 mg/kg.

• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Nutz-pflanze bei Ackerbau und Nutzgärten im Hinblickauf die Pflanzenqualität 0,1 mg/kg bei Ammoni-umnitratextrakt.

• Maßnahmenwert für den Transferpfad Boden-Nutzpflanze bei Grünlandnutzung im Hinblickauf die Pflanzenqualität 1200 mg/kg.

• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Grundwas-ser 25 m/l.

Trinkwasser (40): 0,01 mg/l. Dieser Wert gilt seitDezember 2003. Während einer Übergangsfrist biszum Beginn des Jahres 2013 sind allerdings noch0,025 mg/l erlaubt. Große Probleme gibt es vorallem in Altbauten, in denen viele Wasserleitungenaus Blei bestehen. Hauseigentümer haben bisEnde 2012 Zeit, Bleileitungen gegen solche ausKupfer, innenverzinntes Kupfer, Edelstahl, verzink-ten Stahl sowie Kunststoffe und kunststoffbasierteVerbundmaterialien auszutauschen. Futtermittel (52): Alleinfuttermittel 5 mg/kg, Grün-futter 40 mg/kgLebensmittel (135, 160, 161): Milch 0,02 mg/kg;Fleisch 0,1 mg/kg; Fisch 0,2 mg/kg; bei Aal 0,4 mg/kg.Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):Der MAK-Wert in Deutschland für Blei in der Luftwurde mit 0,1 mg/m³ und der für Tetraethylblei mit0,075 mg/m³ festgelegt.

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mittel, als Tier- und Pflanzengifte, als Enthaarungs-mittel (Gerbereien), Holzschutz- und Konservie-rungsmittel sowie als Wachstums- undLeistungsförderer eingesetzt. Heute noch werdenArsenverbindungen als Antiprotozoika beim Hundoder für die Warzenbehandlung beim Pferdgenutzt.

Industriell wird Arsen als Legierungsbestandteil zurErhöhung der Härte z.B. von Bleilegierungen fürFlintenschrot, von Kupfer-Zinn-Legierungen fürSpiegel oder von Kupfer für Hochtemperatur-Bean-spruchung eingesetzt. Hochreines Arsen dient zurHerstellung von Halbleitern. Als Hilfsstoffe in der

Glasindustrie werden Arsenverbindungen z.B. zumEntfärben verwendet. Im Einzugsgebiet der Elbestellt u.a. das Erzgebirge eine sehr bedeutsameQuelle dar, wie bereits im Abschnitt 2.1.1 darge-stellt wurde.

Entsprechend der hohen Schwebstoffführung sindauch im tschechischen und sächsischen Elbeab-schnitt sehr hohe Schadstoffgehalte ermittelt wor-den, wie ebenfalls am Beispiel von Arsen gezeigtwerden kann (Abb. 3-8 und 3-9 auf Seite 35, 119).Auch hier wurden die höchsten Belastungen am16.08.2002 ermittelt, vor Ankunft des Hochwasser-scheitels. Der große Schwebstoffgehalt (mehr als

Arsen "Arsen und Spitzenhäubchen" ist vielen Lesern alsTheatervorlage Joseph Kesselrings (1902-1967)bekannt. Tatsächlich jedoch gilt elementares Arsen(As) als ungiftig, kann aber leicht in toxische Ver-bindungen überführt werden. So war dann auchArsentrioxid (Arsenik, As2O3) über Jahrhunderteein beliebtes und nahezu nicht nachweisbaresMordgift. Die Kampfstoffe Phenarsazinchlorid undDiphenylarsinchlorid gehören zu den organischenVerbindungen. Besonders Meeresfrüchte enthal-ten andere organische As-Verbindungen (Arseno-betain, Arsenocholin), die allerdings ungiftig sind.As-Wasserstoff (Arsin, AsH3) ist ein farbloses,brennbares, explosives und unangenehm nachKnoblauch riechendes Gas, welches noch bei star-ken Verdünnungen zu schwersten Vergiftungenführt. Der Geruch von As-Wasserstoff wird ab einerKonzentration in der Luft von 0,5 ppm (parts permillion) wahrgenommen (90).As wird zumeist über Meeresfrüchte in der mensch-lichen Nahrungskette angereichert. Für fischfreienVerzehr werden tägliche As-Aufnahmemengen zwi-schen 1 und 10 µg/Tag angegeben, während dieWerte bei regelmäßigem Fischverzehr auf 100 bis300 µg/Tag ansteigen können. As-Vergiftungen füh-ren zur Denaturierung von Proteinen. Vorwiegendsind lebenswichtige Enzymsysteme des Fett- undKohlehydratstoffwechsel betroffen. Arsen verur-sacht wahrscheinlich keinen Krebs, unterstütztaber die mutagene Wirkung von Zigarettenrauchoder UV-Licht. Weitaus häufiger als eine akute, trittdie chronische Vergiftung ein. Beispielsweise wirdin Teilen Südamerikas, der USA oder Südostasiensdurch stark As-verunreinigtes Trinkwasser einGroßteil der Menschen in Mitleidenschaft gezogen.Wasserlösliche Arsenverbindungen (zum BeispielArsenik oder Natriumarsenit) werden oral, durchEinatmung oder über die Haut sehr gut aufgenom-men. Im Körper findet eine Speicherung in Leber,

Niere und Darmwand statt. Aufgrund seiner Bin-dungsfähigkeit an Keratin kann As noch mehrereWochen nach einer Exposition in Haut, Horn undHaaren nachgewiesen werden (75).

Wichtige Grenzwerte: Boden (25):• Prüfwerte für den Transferpfad Boden-Mensch-

Direktaufnahme: Kinderspielflächen 25 mg/kg,Wohngebiete 50 mg/kg, Park- und Freizeitanlagen125 mg/kg, Industrie- und Gewerbegrundstücke140 mg/kg.

• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Nutz-pflanze bei Ackerbau und Nutzgärten im Hinblickauf die Pflanzenqualität 200 mg/kg. Bei Böden mitzeitweise reduzierenden Bedingungen (z.B. Über-flutungsböden) gilt ein Prüfwert von 50 mg/kg.

• Maßnahmenwert für den Transferpfad Boden-Nutzpflanze bei Grünlandnutzung im Hinblickauf die Pflanzenqualität 50 mg/kg.

• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Grundwas-ser 10 µg/l.

Trinkwasser (40): 10 µg/l.Futtermittel (52): Alleinfuttermittel 2 mg/kgLebensmittel: keine Höchstmenge festgelegtGefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):Der MAK-Wert in Deutschland für Arsensäure, ihreSalze sowie die arsenige Säure und ihre Salze inder Luft wurde mit 0,1 mg/m³ festgelegt. Für Arsen-trioxid gelten die Biologischen Arbeitsplatztoleranz-werte (BAT-Werte) von 0,01 mg/m³ As in der Luftund 0,05 mg/l As im Urin bei Expositionsende (d.h.z.B. am Ende der Schicht), bzw. 0,05 mg/m³ in derLuft und 0,09 mg/l im Urin.

Page 36: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

FRANK KRÜGER ABSCHNITT 3 SCHADSTOFFE IN DER HOCHWASSERWELLE

34

300 mg/l), der aus der Tschechischen Republik unddem sächsischen Elbeabschnitt stammte, ist aller-dings gar nicht in Magdeburg angekommen, son-dern größtenteils in den weitläufigen Auen der mitt-leren Elbe ausgesunken.

Weiterhin ist Abb. 3-9 zu entnehmen, dass diehohe Belastung des Wasser zeitlich eng begrenztwar. Bereits im Oktober des Hochwasserjahres2002 wurden Arsengehalte im Elbwasser ermittelt,die den geringen Konzentrationen der Vorjahre unddem Folgejahr entsprachen.

3.2 Welche Bedeutung haben hohe Schadstoffgehalte in der Hochwasserwelle?

Dass in der Welle Schadstoffe in erhöhten Konzen-trationen vorlagen, wurde in Abschnitt 3.1 gezeigt.

Entscheidend ist auch hier, dass nicht alle Schad-stoffe in ihrer Wirkung und Bedeutung für dieUmwelt gleichbedeutend sind. Am Beispiel desArsens soll dies verdeutlicht werden.

Die gemessenen Arsengehalte im Elbwasser bei"normaler" Wasserführung liegen beispielsweiseunterhalb der Mindestanforderungen des DVGWfür Trinkwasser von 10 µg/l (40) bzw. 50 µg/l (96).Die Mindestanforderung von 10 µg/l wird nur wäh-rend des Hochwasserereignisses selbst überschrit-ten. Zu diesem Zeitpunkt liegt außerdem ein erheb-licher Anteil in partikulärer (d.h. in weniger biover-fügbarer) Form vor. Darüber hinaus ist zuberücksichtigen, dass ein Trinkwassergrenzwert fürWässer gilt, die täglich, also für die dauerhafte undnachhaltige Trinkwassernutzung zur Verfügung ste-hen. Der kurzzeitige Kontakt oder auch das Ver-schlucken von "belastetem" Wasser ist hinsichtlichder humantoxischen Wirkung eher unproblema-

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Abb. 3-4 Ganglinie von Durchfluss und Konzentrationder abfiltrierbaren Stoffe während des Hochwassers 2002an der Messstelle in Magdeburg unterhalb der Einleitungvon Fahlberg-List, km 321 (Daten 19).

Abb. 3-5 Konzentration von abfiltrierbaren Stoffen (AFS)und Quecksilber (Hg) während des Hochwassers 2002 inMagdeburg (Daten 19).

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Abb. 3-6 Konzentration von abfiltrierbaren Stoffen (AFS)und Blei (Pb) während des Hochwassers 2002 in Magde-burg (Daten 19).

Abb. 3-7 Konzentration von abfiltrierbaren Stoffen (AFS)sowie partikulären und gelösten Arsens (As) während desHochwassers 2002 in Magdeburg (Daten 19).

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BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

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tisch. Darf deshalb Entwarnung gegeben werden?Mit nichten! Auch wenn, und dies gilt ebenfalls fürsehr viele Stoffe, nur sehr kurze Zeiträume mit "pro-blematisch hohen" Schadstoffgehalten im Wasserauftraten. Diese Schadstoffe werden stromabwärtsbis in die Nordsee transportiert und gefährden diesensiblen Lebensgemeinschaften des Meeressowie der Watten. Darüber hinaus sinken schad-stoffbelastete Schwebstoffe aus und bilden einSediment, das über längere Zeit im Fließgewässerverbleibt.

Des Weiteren gibt es eine ganze Reihe unter-schiedlicher Qualitätsziele für verschiedeneSchutzgüter. Das Schutzgut Trinkwasser wurdebereits diskutiert. Die Internationale Kommissionzum Schutz der Elbe (IKSE) hat bezüglich unter-schiedlicher Schutzgüter unterschiedliche Zielvor-gaben formuliert. Diese sind in Tab. 3-1 zusam-mengetragen und gegenüber durchschnittlichenGehalten ausgewählter anorganischer Stoffe imWasser an verschiedenen Messstationen der Jahre2001 und 2003 dargestellt. Diese Werte demon-strieren nicht den kurzzeitigen Gewässerzustandsondern die langfristige, permanente Gewässer-güte.

Deutlich wird, dass das Qualitätsziel "Schutz derAquatischen Lebensgemeinschaft" bezüglich derim Wasser transportierten Schadstoffe auch unter"normaler" Wasserführung nicht erreicht wird.Schadwirkungen auf Wasserlebewesen könnensomit nicht ausgeschlossen werden.

Eine umfassende Darstellung toxischer Wirk-schwellen sowohl für anorganische als auch fürorganische Schadstoffe enthält der ARGE-ElbeBericht von Krinitz (15): Stoffkonzentrationen in mit-tels Hubschrauber entnommenen Elbewasserpro-ben.

-364 -200 0 200 400 600 8000

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Abb. 3-8 Schwebstoffgehalte im August 2002 sowie inden Jahren 1998, 2002 und 2003 entlang der gesamtenElbe (Daten 119).

Abb. 3-9 Arsengehalte im August 2002 sowie in denJahren 1998, 2002 und 2003 entlang der gesamten Elbe(Daten 119).

Tab. 3-1 Zielvorgaben der IKSE für unterschiedliche Schutzgüter und durchschnittliche Schadstoffgehalte im Wasser anden ARGE-Elbe Messstationen in Schmilka und Magdeburg an der Elbe und in Dessau an der Mulde. Überschreitungeneinzelner Zielvorgaben sind rot markiert, alle Angaben in µg/L.

Stoff Zielvorgaben der IKSE Schmilka Dessau MagdeburgSchutzgut

„Trinkwasser, Berufsfi-scherei, Bewässerung“

Schutzgut„Aquatische Lebensge-

meinschaften“

Medianwerte Medianwerte Medianwerte2001 2003 2001 2003 2001 2003

Arsen 50 1 2,8 3,3 6,2 9,3 2,6 2,9Blei 50 3,5 1,95 1,2 1,5 1,3 3,3 3,8Cadmium 1 0,07 0,08 0,08 0,3 0,4 0,2 0,3Chrom 50 10 2,4 1,6 0,6 0,7 1,7 1,8Kupfer 30 4 9,2 4,5 3,7 4,3 6,6 6,5Quecksilber 0,1 0,04 0,04 0,02 <0,05 0,05 0,07 0,07Nickel 50 4,5 3,3 3,4 4,6 5,1 3,6 4,5Zink 500 14 38 30 31 29 54 86

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 3 SCHADSTOFFE IN DER HOCHWASSERWELLE

36

Schadstoffe in Muttermilch - Reform der Chemikalienpolitik Nach einer Studie des BUND lassen sich in derMuttermilch über 300 synthetische Chemikaliennachweisen. Zwar sind die Belastungen mit gifti-gem PCB, DDT und Dioxinen aufgrund weit rei-chender Verbote rückläufig. Jedoch werden immermehr neue gefährliche Stoffgruppen wie Weichma-cher, Flammschutzmittel und Duftstoffe gefunden.Synthetische Chemikalien sind besonders fürSäuglinge und Kleinkinder extrem gefährlich, dawichtige Entwicklungsphasen gestört werden kön-nen. Schädigungen des Immunsystems, Krebser-krankungen und sogar Beeinträchtigungen derGehirnentwicklung können die Folge sein. Gegensteuern könnte die Gesellschaft mit Umset-zung des seit längerem diskutierten europäischenChemikalienrechts mit dem Kürzel REACH (Regi-strierung, Evaluierung und Autorisierung von Che-mikalien). Nur eine konsequent am Vorsorgeprinzipausgerichtete Chemikalienpolitik kann dazu beitra-gen, dass Muttermilch künftig weniger belastet seinwird.

Von den mehr als 100.000 in der EU hergestelltenChemikalien sind 97 Prozent niemals auf ihr Gefah-renpotenzial untersucht worden, weil sie bereits vor1981 in Verkehr kamen. Erst seit diesem Zeitpunkttrat ein Gesetz in Kraft, das eine Risiko-Bewertungneu entwickelter Substanzen verlangt. Alle zuvor inVerkehr gebrachten Substanzen mussten jedochnie eine Risikoprüfung durchlaufen. Viele dieserSubstanzen seien in Alltagsprodukten enthalten,dort nicht fest eingebunden und gelangten überHaut, Atmung und Nahrung in den Körper derFrauen. Mit REACH will die EU-Kommission erreichen,dass die Industrie bis 2017 etwa 30.000 bisherungeprüfte Chemikalien auf ihr Gefährdungspoten-zial untersucht. Nur unschädliche Substanzen sol-len künftig noch eingesetzt werden dürfen. Für dieweitere Nutzung bedenklicher Stoffe müssen Son-dergenehmigungen beantragt werden. Bis zumOktober 2005 muss das EU-Parlament überREACH entscheiden (Quelle: 37).

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BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

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4 Schadstoffe im SchlammFrank Krüger

4.1 Was ist Schlamm und wo kommt er her?

Ist das Wasser nach einer Überschwemmung insFlussbett zurückgekehrt, bleibt Schlamm zurück(Abb. 4-1).

Schlämme oder Sedimente (ihre wissenschaftlicheBezeichnung) bestehen aus ausgesunkenenSchwebstoffen. Die Schwebstoffe sinken in Zonengeringer Fließgeschwindigkeit zu Boden und bildenam Gewässergrund eine Schicht frischen Sedimen-tes. Dies geschieht in den Stillwasserbereichenunserer Gewässer permanent. Typische Sedimen-tationszonen sind an Fließgewässern z.B. Altarme,Bracks, Wehle, aber natürlich auch Buhnen undHafenbecken. Im Hochwasserfall sind die ausge-dehnten Überflutungsbereiche die Zonen mitgeringster Fließgeschwindigkeit.

Die Schlämme, die sich in diesen Zonen sammelnwerden auch von Wissenschaftlern (z.B. Klös undSchoch, 98) das "Gedächtnis einer Industrieregion"genannt. Denn sämtliche am Schwebstoff haften-den Schadstoffe sinken in diesen Zonen geringerFließgeschwindigkeit mit aus. Damit stellen siequasi ein Archiv der Gewässerbelastung dar. Diesgeschieht so lange, bis ein extremes Ereignissoviel Energie aufbringt, dass das gebildete Sedi-ment aufgewirbelt und weiter stromabwärts trans-portiert wird. Im Falle des Hochwassers im Jahre2002 ist dies an vielen Stellen der Fall gewesen(140). Abb. 4-2 zeigt das Ausmaß einer belastetenSedimentablagerung in einem Buhnenfeld beiHavelberg vor und nach dem Hochwasser. Dieschlammbedeckte Fläche und das Volumen derAblagerung gingen stark zurück

Dies wiederum bedeutet, dass der vorgefundeneSchlamm immer eine Mischung aus aktuell ins

Abb. 4-1 In den Oberläufen der Elbe und ihren Nebenflüssen wurden gebietsweise zentimeterdicke feinkörnige Sedi-mentschichten flächenhaft abgelagert. Entlang des Mittel- und Unterlaufs der Elbe blieben die Sedimentablagerungenmeist im Millimeterbereich oder darunter (Foto Dagmar Haase).

Page 40: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

FRANK KRÜGER ABSCHNITT 4 SCHADSTOFFE IM SCHLAMM

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Gewässer eingetragen Schadstoffen und vonSchadstoffen alter, remobilisierter Sedimente ent-hält. Dazu kommen während des Hochwassers2002 erhebliche Mengen wenig belasteten Boden-materials, welches vom strömenden Wasser vieler-orts großflächig abgespült wurde und zu einererheblichen Verdünnung des belasteten Materialsgeführt hat.

Während des Hochwassers sind von verschiede-nen Institutionen Schwebstoffgehalte, also dieMenge der im Wasser transportierten Partikel,quantifiziert worden. Die Ergebnisse sind denAbb. 3-4 und Abb. 3-8 zu entnehmen. Zu erkennenist, dass die Schwebstoffmengen, die die sächsi-sche Elbe noch passiert haben, in Magdeburg nurzu einem geringen Teil angekommen sind. Diesliegt daran, dass die Elbe beim Übergang vomFestgestein ins Tiefland unterstromig von Riesaihren Fließquerschnitt im Hochwasserfall erheblichverbreitert. Das Wasser kann in die weiten Auender mittleren Elbe ausweichen, verliert dabei erheb-lich an Fließgeschwindigkeit und läßt einen großenTeil der Schwebstoffe zurück.

Als Folge des Extremhochwassers gab es in säch-sischen Elbabschnitten und auch in einigen Neben-flussabschnitten mit geringem Fließquerschnitt teil-weise Schlammmächtigkeiten von mehreren Zenti-metern bis Dezimetern (Abb. 1-6 auf Seite 8,Abb. 4-1). Je mehr Schwebstoffe in den Auen lie-genblieben, desto sauberer wurde das Wasser. ImRaum Magdeburg betrugen die Schlammablage-rungen im Überflutungsbereich nur noch seltenmehr als einen Millimeter, und an der unteren Mit-telelbe bei Wittenberge blieb gerade noch einschleierartiger Belag übrig, nur Bruchteile einesMillimeters mächtig (Abb. 4-3).

4.2 Welche Belastung tragen die Schlämme?

Die Schlämme oder besser Sedimente sind abge-setzte Schwebstoffe und deshalb mit den gleichenInhaltsstoffen behaftet. Die Bestimmung der Sedi-mentqualität lässt in vielen Fällen einen besserenRückschluss auf den über längere Zeit integriertenBelastungszustand eines Gewässers zu, als Was-seranalysen, da Sedimente eine längere Entste-hungs- und Verweilzeit im Gewässer haben.

Zur Belastungssituation der Elbe ist zu betonen,dass es im Einzugsgebiet keine einheitliche Bela-stung gibt. Abb. 4-4 zeigt die Benzo(a)pyren- und

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Fläche: 972 m² Volumen: 337 m³

Abb. 4-2 Ausdehnung und Volumen des schwebstoffbürtigen Sedimentdepots im linksseitigen Buhnenfeld am Strom-km420,9 im Juli 2002 (links) und seine Veränderung durch Erosion während des Extremhochwassers 2002 (rechts, gemes-sen am 12.05.2003, 140).

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Elbe

Fläche: 616 m² Volumen: 131 m³

Abb. 4-3 Schleierartige Schlammauflage im Auenvor-land bei Elbe-Stromkilometer 435 (Foto Frank Krüger).

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BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

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Fluoranthengehalte von Sedimenten im Septemberdes Jahres 2002 entlang der Elbe (148). Es sindtypische Längsprofile für Polyzyklische Aromati-sche Kohlenwasserstoffe (PAK).

PAK sind ringförmige Kohlenwasserstoff-Verbin-dungen, deren Molekülgerüst aus mehreren mitein-ander verbundenen Benzolringen besteht. Leitsub-stanzen sind Benzo(a)pyren und Fluoranthen. Dasbisher am besten untersuchte Benzo(a)pyren kannals Maßstab für die karzinogene Belastung durchdie gesamte PAK-Gruppe angesehen werden.

PAK sind meist Bestandteil von Kohle und Teer. Sieentstehen bei der unvollständigen Verbrennungvon organischen Materialien oder auch bei derAbfallverbrennung. PAK werden in Tabakteer undTabakrauch, ebenso in Autoabgasen (insbeson-dere Dieselruß), Kokereirohgasen, Räucher- undGrillrauch, den Abgasen von Kaminfeuern sowie inSchwelstoffen von Räucherkerzen oder Weihrauchgefunden. Je weniger Sauerstoff bei der Verbren-nung vorhanden ist, um so mehr ist die PAK-Bil-dung begünstigt. Bei Untersuchungen der PAK-Belastung in Böden wurden nach dem Hochwasser2002 die allerhöchsten PAK-Belastungen in nichtüberfluteten Gärten gefunden, in denen aber häufiggegrillt wurde (126).

PAK werden hauptsächlich mit der Luft verbreitet.Aufgrund ihrer außerordentlich geringen Flüchtig-keit ist ihre Verbreitung an das Vorkommen vonPartikeln wie Staub, Ruß und Pollen gebunden. Siesind in der Umwelt weit verbreitet. Sie wurden inder Luft von Städten und Industriegebieten, imAbwasser, Klärschlamm und Kompost sowie inOberflächengewässern, Bodenproben, Sedimentenund verschiedenen Nahrungsmitteln nachgewie-sen.

Es gibt vergleichsweise hohe PAK-Gehalte in denSedimenten der Tschechischen Republik, die nied-rigsten Gehalte treten in den Sedimenten der Tide-elbe auf. Die höchsten Gehalte wurden in einemSportboothafen bei Lostau ermittelt, wobei dieseKonzentrationen von lokaler Bedeutung sind undmöglicherweise durch alte Ablagerungen desKokereistandortes Magdeburg-Rothensee, diedurch das Hochwasser 2002 freigelegt wurden,bedingt sind. Die Darstellung der zeitlichen Bela-stungsentwicklung von Fluoranthen an den Mess-stellen in Schmilka (hier werden Schadstoffegemessen, die aus der Tschechischen Republikstammen), der Mulde und Magdeburg erfolgt inAbb. 4-5. Es ist ersichtlich, dass im langjährigenTrend an den Messstellen vergleichbare Fluorant-hengehalte auftreten. In den Jahren 2000 und 2001sind an der Mulde deutlich höhere Konzentrationenermittelt worden als an den anderen Stationen. ImJahr 2002 liegen allerdings die Gehalte an derMulde deutlich unter denen bei Schmilka und Mag-

deburg. An der Staatsgrenze in Schmilka ist zuerkennen, dass nach dem Extremereignis 2002(rote Linie in Abb. 4-4) deutlich höhere Fluoran-then-Gehalte aufgetreten sind als im langjährigenTrend (schwarze Linie in Abb. 4-5). Dies ist alsIndiz dafür zu werten, dass das Hochwasser 2002kurzfristig zusätzliche PAK-Quellen mobilisiert hat.

Ein anderes Längsprofil der Sedimentbelastungnach dem Hochwasser 2002 ergibt sich bezüglichder Polychlorierten Biphenyle (PCB, Abb. 4-6 aufSeite 41). Hier wird die besondere Betroffenheit derStandorte in der Tschechischen Republik offenkun-dig. Dabei entspricht die vorgefundene Belastungs-höhe während und nach dem Hochwasser im Jahr2002, sowohl an der Deutsch-TschechischenGrenze (Messstation Schmilka) als auch an derMulde und in Magdeburg der Belastungssituationim langjährigen Trend (Abb. 4-7).

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Abb. 4-4 Benzo(a)pyren und Fluoranthen in Oberflä-chensedimenten der Elbe im Längsprofil von der Tsche-chischen Republik bis zur Nordsee, September 2002(148).

Abb. 4-5 Zeitliche Belastungsentwicklung von Fluoran-then in der Elbe bei Schmilka und Magdeburg, und inder Mulde bei Dessau (Daten 18).

Page 42: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

FRANK KRÜGER ABSCHNITT 4 SCHADSTOFFE IM SCHLAMM

40

PCB stellen eine Gruppe von über 200 Organo-chlorverbindungen dar, die in ihrer Grundstrukturzwar sehr ähnlich sind, sich aber durch die Anzahlund Stellung der Chloratome am Biphenylringunterscheiden. Damit gehen sehr unterschiedlicheEigenschaften einher. So nimmt die Wasserlöslich-keit und die Reaktivität mit steigendem Chlorie-rungsrad ab, während gleichzeitig die Fettlöslich-keit und die Anreicherungstendenz im Organismuszunimmt. Handelsprodukte stellten meist Gemischeunterschiedlicher PCB dar, deren Chlorgehalt zwi-schen 30-60% liegt (65).

In der Bundesrepublik Deutschland wurden etwaseit 1930 rund 23.000 Tonnen Polychlorierte Biphe-nyle (PCB) in "offenen Systemen", d.h. umweltzu-gänglich, eingesetzt (Schmiermittel in Getriebe-ölen und Schraubenfetten, in Imprägnier- undFlammschutzmitteln, in Klebstoffen und als Weich-macher in Dichtungsmassen und Fugenkitten). Esist davon auszugehen, dass diese größtenteils indie Umwelt entweichen konnten. Seit 1978beschränkt die Bundesrepublik Deutschland diePCB-Anwendung ausschließlich auf "geschlosseneSysteme" wie Transformatoren, Hydrauliköle und

Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)PAK sind als Dauergift weit verbreitet, sie sindschwer abbaubar und kaum in Wasser löslich. PAKbesitzen einen dumpf-muffigen Geruch, der oftmalsbelästigend wirkt. Zahlreiche Verbindungen sindkrebserzeugend.Die Aufnahme der Stoffe erfolgt durch die Atmungder belasteten Luft über die Lunge, wobei Autoab-gase und Tabakrauch für die allgemeine Bevölke-rung am bedeutendsten sind. Die Aufnahme kannaber auch durch die Nahrung und das Trinkwassersowie durch die Haut geschehen. Die den kleinstenRußteilchen in der Luft anhaftenden PAK könnenbis in die Alveolen der Lunge vordringen. Esbesteht die Möglichkeit, dass sie über die Lunge indie Blutbahn und Lymphwege gelangen, und vondort zu weiteren Organen transportiert werden. Inder Lunge selbst bzw. an anderen Orten im Körperkönnen sie dann chemisch umgewandelt werden.Erst durch diese Umwandlung (Metabolisierung)entstehen aus den PAK die eigentlichen krebser-zeugenden Stoffe (70). Bei einer durchschnittlichen inhalativen Aufnahmedes Benzo(a)pyrens (der Leitsubstanz) von 9 ngbzw. 37 ng eines Nichtrauchers im ländlichen bzw.Ballungsgebiet ergibt sich ein Risiko von 1 : 25.000bzw. 1 : 6.000 an Bronchialkrebs oder Lungenkrebszu erkranken. Bei einem Raucher, der 20 Zigaret-ten pro Tag verbraucht und somit etwa 400 ng desSchadstoffs zusätzlich aufnimmt, steigt das Krebs-risiko dramatisch an.Über die Luft und den Boden gelangen die Schad-stoffe auf zahlreiche Lebensmittel, insbesondereauf Blattgemüse und Obst sowie ins Trinkwasser.Die höchsten PAK-Gehalte befinden sich jedoch inRäucherwaren (86) und ggf. auf Grillgut. Da mangewöhnlich mehr Gemüse als geräucherte Lebens-mittel zu sich nimmt, kann die PAK-Aufnahme überGemüse die größere Rolle spielen. Bei kontinuierli-cher Aufnahme kann Benzo(a)pyren in bestimmter

Dosis zu Magen-/Darmkrebs bzw. Blasenkrebs füh-ren.Auch nach intensivem Hautkontakt mit PAK-Gemi-schen wurden beim Menschen kanzerogene Wir-kungen beobachtet. So wird das stark krebserre-gende Benzo(a)pyren für verschiedene Berufs-krankheiten wie den Hautkrebs beiSchornsteinfegern verantwortlich gemacht (85).

Wichtige Grenzwerte:Boden (25)• Prüfwerte für Benzo(a)pyren für den Transferpfad

Boden-Mensch-Direktaufnahme: Kinderspielflä-chen 2 mg/kg, Wohngebiete 4 mg/kg, Park- undFreizeitanlagen 10 mg/kg, Industrie- und Gewer-begrundstücke 12 mg/kg.

• Prüfwert für Benzo(a)pyren für den TransferpfadBoden-Nutzpflanze bei Ackerbau und Nutzgär-ten im Hinblick auf die Pflanzenqualität 1 mg/kg.

• Prüfwert für die Summe der PAK ohne Naphthalinund Methylnaphthalin für den TransferpfadBoden-Grundwasser 0,2 µg/l.

Trinkwasser (40): Summe der PAK 0,1 µg/l; Benzo(a)pyren 0,01 µg/l.Futtermittel (52): -Lebensmittel (159): Höchstmengen für Benzo(a)-pyren: Geräuchertes Fleisch 5 µg/kg; Muskelfleischvon geräuchertem Fisch 5 µg/kg, Muskelfleisch vonanderem Fisch 2 µg/kg.Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):Der MAK-Wert in Deutschland für Benzo(a)pyren inder Luft wurde mit 0,005 mg/m³ für die Strangpech-herstellung und den Ofenbereich von Kokereiensowie für übrige Arbeitsplätze mit 0,002 mg/m³ fest-gelegt.

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Kondensatoren. Seit 1983 ist die Herstellung vonPCB in Deutschland vollständig eingestellt; seit1989 dürfen in Deutschland auch keine PCB-halti-gen Stoffe mehr in den Verkehr gebracht oder ver-wendet werden.

Trotzdem bleibt ein weiterer PCB-Eintrag nicht aus-geschlossen, da große Anteile der PCB in "offenen"und "geschlossenen Systemen" noch vorhandensind und eine Emission aus diesen Quellen durchlangsamen Zerfall und Freisetzung (Hausmüllver-brennung, Mülldeponien, nicht sachgemäße Ent-sorgung) nur schwer verhindert werden kann (69).

Während die Darstellung der PAK und PCB-Gehalte von Schlämmen die besondere Bela-stungssituation in der Tschechischen Republik ver-deutlichen, zeigt das Längsprofil der Organozinn-verbindungen, dass die Mulde, insbesondere der

Industriepark Bitterfeld-Wolfen und seine Altablage-rungen, eine bedeutsame Schadstoffquelle für dieElbe darstellen. Darüber hinaus ist erkennbar, dasshöchste Belastungen mit Tributylzinn (TBT) imHamburger Hafen auftreten.

Tributylzinn wird nach wie vor in Antifoulinganstri-chen an Schiffsrümpfen aufgetragen. TBT unterbin-det das Wachstum von Süß- und Seewasserorga-nismen auf der Schiffshaut und ermöglicht damitden Schiffen eine schnellere Fahrt. Monobutyl- undDibutylzinnverbindungen sind u.a. Abbauproduktedes Tributylzinns. Tetrabutylzinn ist die Ausgangs-substanz für die Tributylzinnherstellung. Die hohenGehalte in der mittleren Elbe unterstromig der Mul-demündung stammen aus der ehemaligen Antifou-ling-Produktion in Bitterfeld-Wolfen, die bis heute inden Sedimenten von Mulde und Elbe nachweisbarist (Abb. 4-8).

-364 -200 0 200 400 600 8000

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100

150

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1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 20030

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Schmilka

Dessau (Mulde)

Magdeburg

Abb. 4-6 Polychlorierte Biphenyle in Oberflächensedi-menten der Elbe im Längsprofil von der TschechischenRepublik bis zur Nordsee (September 2002, Summeaus 6 PCB; Daten 148).

Abb. 4-7 Zeitliche Belastungsentwicklung von Polychlo-rierten Biphenylen in der Elbe bei Schmilka und Magde-burg, und in der Mulde bei Dessau (Summe aus 6 PCB,Daten 18).

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 20030

200

400

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1400

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Schmilka

Dessau (Mulde)

Magdeburg

Abb. 4-8 Organozinnverbindungen in Oberflächensedi-menten der Elbe im Längsprofil von der TschechischenRepublik bis zur Nordsee (September 2002, MBT:Monobutylzinn, DBT: Dibutylzinn, TBT: Tributylzinn,TeBT: Tetrabutylzinn; Daten 148).

Abb. 4-9 Zeitliche Belastungsentwicklung von Dibu-tylzinn in der Elbe bei Schmilka und Magdeburg, und inder Mulde bei Dessau (Daten 18).

-364 -200 0 200 400 600 8000

200

400

600

800

1000

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2600

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CZ | D

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Polychlorierte Biphenyle (PCB) Die Toxizität von PCB wurde erstmals 1968 beieinem Unglücksfall in Japan deutlich, bei dem PCBaus einer undichten Verarbeitungsanlage in Reisölgelangten und Massenvergiftungen bei über 1500Menschen auslöste. Dieser Unglücksfall, der als"Yusho-Krankheit" in die Geschichte einging, rüt-telte erstmals die Öffentlichkeit hinsichtlich derPCB-Problematik wach (88). Es wurden Sym-ptome, wie Lidschwellungen, Chlorakne, Hautver-färbungen, Sehstörungen sowie Schwäche undMüdigkeit festgestellt. Im weiteren Verlauf kamenBlindheit, Gelbsucht, Diarrhoe, Veränderungen desMenstruationszyklus (92), Kopfschmerz und Haar-ausfall u.a. hinzu. Bei einer chronischen Belastungdurch PCB stehen Enzyminduktion, reproduktions-,neuro- und immuntoxische Effekte im Vordergrund(82). Die WHO hält die Humankanzerogenität derPCB für begrenzt bewiesen und sieht die Kanzero-genität in Tieren als belegt an. Die Aufnahmeerfolgt in erster Linie über die Nahrung. Der größteAnteil wird im Fettgewebe deponiert. PCB könnendarüber hinaus die Placenta-Schranke passieren,so dass der Fötus sowie der durch Muttermilchgestillte Säugling höher belastet sind als die Mutter. Hinsichtlich ihrer enzymatischen Wirkung spielendie koplanaren PCB eine besondere Rolle. Sieähneln in ihrer Molekülstruktur dem "Seveso-Dioxin" und werden in der Infobox der Dioxinebehandelt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eineHöchstmenge für die tägliche Aufnahme von PCBerarbeitet, den ADI-Wert (Acceptable Daily Intake).Dieser Wert wird mit Tierversuchen erarbeitet,indem die maximale Schadstoffdosis, die das Tierohne erkennbare Wirkung absorbieren kann, ermit-telt wird. Dieser Wert heißt NOEL-Wert (No Obser-ved Effect Level) und beträgt 16 µg/kg Körperge-wicht (als Testorganismus dienten Rhesusaffen).Aus diesem Wert wurde unter der Annahme einesSicherheitsfaktors von 16 ein ADI-Wert für denMenschen entwickelt, der bei 1 µg/kg Körperge-wicht liegt (83). Die annehmbare Tagesdosis füreinen 70 kg schweren Erwachsenen beträgt dem-nach 70 µg PCB. Bei maximalen PCB-Konzentra-tionen von über 200 µg/kg im Schlamm bedeutetdies, dass ca. 300 g Schlamm die annehmbareTagesdosis enthielten.

Wichtige Grenzwerte: Anmerkung: die hier aufgezeigten Werte gelten fürsogenannte Leit-oder auch Indikatorkongenere derPolychlorierten Biphenyle (PCB), nicht für diedioxinähnlichen PCB.

Boden (25):• Prüfwerte für PCB* für den Transferpfad Boden-

Mensch-Direktaufnahme: Kinderspielflächen 0,4mg/kg, Wohngebiete 0,8 mg/kg, Park- und Frei-zeitanlagen 2 mg/kg, Industrie- und Gewerbe-grundstücke 40 mg/kg.

• Maßnahmenwert für PCB* für den TransferpfadBoden-Nutzpflanze bei Grünlandflächen im Hin-blick auf die Pflanzenqualität 0,2 mg/kg.

• Prüfwert für PCB gesamt für den TransferpfadBoden-Grundwasser 0,05 µg/l.

*Werden PCB-Gesamtgehalte ermittelt, sind diesedurch den Faktor 5 zu dividieren, da sich die Werteder Bodenschutzverordnung lediglich auf sechsspezifische PCB beziehen.

Trinkwasser (40): -Futtermittel (52): -

Lebensmittel (135): Für die PCB Nr. 28, 52, 101und 180 (IUPAC-Nummer, Systematische Numme-rierung der PCB-Komponenten nach den Regelnder Internationalen Union für reine und angewandteChemie) gelten: Fleisch (1) vom Kalb, Pferd,Kaninchen, Hähnchen, Puten und Federwild sowieHaarwild mit Ausnahme von Wildschweinen; son-stiges Fleisch von warmblütigen Schlachttieren undWildschweinen mit einem Fettgehalt bis 10%:0,008 mg/kg. Fleisch (2) von warmblütigenSchlachttieren mit einem Fettgehalt von >10%:0,08 mg/kg, wobei sich die Höchstmenge auf dieAnalyse des Fettes bezieht. Süßwasserfisch: 0,2mg/kg, der Wert bezieht sich auf die essbarenTeile. Seefisch: 0,08 mg/kg. Milch: 0,04 mg/kg, derWert gilt für das in der Milch enthaltene Fett. Eier:0,02 mg/kg. Der Wert gilt für Eier ohne Schale. Fürdie PCB 138 und 153 gelten folgende Werte:Fleisch (1): 0,01 mg/kg, Fleisch (2): 0,1 mg/kg,Süßwasserfisch: 0,3 mg/kg, Seefisch: 0,1 mg/kg,Milch: 0,05 mg/kg, Eier: 0,02 mg/kg.

Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):Der MAK-Wert in Deutschland für PCB mit einemChlorgehalt von bis zu 42% in der Luft wurde mit 1mg/m³ ,für PCB mit einem Chlorgehalt von bis zu54% mit 0,5 mg/m³ festgelegt.

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Rund 80 Prozent der weltweiten Produktion vonTBT wird in Schiffsanstrichen verwendet. Allein inder Nordsee werden jährlich durch die Schifffahrt90 bis 100 Tonnen TBT freigesetzt, das sich beson-ders in Sedimenten anreichert. Für Boote unter25 m Länge ist die Anwendung in Deutschland seit1989 verboten. EU weit ist seit 2003 der Verkaufund die Anwendung von TBT untersagt.

Darüber hinaus dienen Organozinnverbindungen insteigendem Maße als Stabilisatoren für Kunststoffe.Sie werden außerdem in textilen Produkten wieTeppichen und Kleidung eingesetzt, in denen die

Chemikalien durch ihre "antibakteriellen Eigen-schaften" der Geruchsbildung entgegen wirken sol-len. Außerdem wird TBT als Desinfektions- undpilzabtötendes Mittel in Leder, Papier und Holz ver-wendet. Auch in industriellen Wassersystemen wieKühltürmen wird TBT verwendet. Das TBT-ähnlicheTriphenylzinn (TPhT) ist zudem Bestandteil in eini-gen Bioziden.

Aber zurück zur Elbe: Auch die Betrachtung derzeitlichen Belastungsentwicklung, hier am Beispieldes Dibutylzinns (Abb. 4-9), verdeutlicht die her-ausragende Bedeutung der Mulde für die Bela-

OrganozinnverbindungenTributylzinn (TBT) gilt als Leitverbindung der Orga-nozinnverbindungen. Tierexperimentelle Untersu-chungen zeigten Wirkungen von TBT auf Leber,Nieren, Nerven- und Blutsystem. Außerdem gilt esals endokrin wirksame Substanz, d.h. sie kann dasHormonsystem beeinflussen. Sie ist die einzigeSubstanz, die androgen, d.h. vermännlichend wirkt(72). Beim Menschen stehen allerdings die Wirkun-gen auf das Immunsystem im Vordergrund. Derdiesbezügliche NOEL-Wert (no observed effectlevel), also die Schadstoffmenge, die noch keineWirkung im Organismus zeigt (ermittelt an Ratten),liegt bei 0,025 mg/kg Körpergewicht (71). Von derWeltgesundheitsorganisation wurde eine tolerier-bare tägliche Aufnahme (TDI, Tolerable DailyIntake) von 0,00025 mg/kg (=0,25 µg/kg) Körperge-wicht formuliert. Für ein 30 kg schweres Kindbedeutet dies eine tolerierbare tägliche Auf-nahme von 7,5 µg Tributylzinn bzw. 3 µg Zinn ausTBT. TBT wird im Menschen (und anderen Säugetieren)zu Dibutyl- und Monobutylzinn-Verbindungenumgewandelt. Dibutylzinn wird eine dem Tributyl-zinn ähnliche Wirkung nachgesagt, bei Monobutyl-zinn spielt die Immuntoxizität nur eine untergeord-nete Rolle. Bei Konzentrationen von über 500 µg/kg Zinn ausTri- und Monobutylzinn, wie sie beispielsweisegleich nach dem Hochwasser an der Mulde und derunterstromigen Elbe auftraten, enthalten ca. 5 gSchlamm (also ca. ein kräftiger Schluck) die täglichtolerierbare Organozinnmenge. Bei dermaler Auf-nahme werden TBT-Verbindungen als nur moderattoxisch eingestuft. Bei Dockarbeitern wurden nachExposition mit TBT- haltigen Dämpfen und StäubenHautirritationen, Schwindel, Atemschwierigkeitenund grippeähnliche Symptome beobachtet. Augen-und nasale Schleimhautreizungen können eben-falls auftreten.

Die androgene Wirkung des TBT wurde bereitsangesprochen. Sie wurde vor allem an Wasser-schnecken beobachtet und erforscht (5). Die Wir-kungsweise des TBT basiert auf einer Blockierungder Östrogen- und einer Erhöhung der Testosteron-produktion, was bei vielen Tierarten zu Missbildun-gen führt und das Aussterben von ganzen Popula-tionen mit noch unvorhersehbaren Konsequenzenfür das Ökosystem zur Folge haben kann. Entlangder Schiffsrouten der Nordsee starben Meeres-schnecken aus, da nur noch Tiere mit männlichenGeschlechtsmerkmalen vorkamen. Im Kieler Olym-piahafen sind laut einer Studie der Universität Mün-ster mittlerweile fast alle Weibchen der dort leben-den Strandschnecke unfruchtbar (72). Beim Nachweis von Schädigungen steht die For-schung zum großen Teil noch am Anfang, bei Was-serlebewesen allerdings wurden bereits deutlicheVeränderungen nachgewiesen. Um den derzeitigenWissensstand zusammenzufassen, erstellte dasInstitut für Toxikologie der Christian-Albrechts-Uni-versität Kiel im Auftrag des Umweltbundesamteseine Literaturstudie über "Substanzen mit endokri-ner Wirkung in Oberflächengewässern". Diese Stu-die kann auch beim Umweltbundesamt bestelltwerden (www.uba.de).

Wichtige Grenzwerte:Boden (25): -Trinkwasser (40): -Futtermittel (52): -Lebensmittel: - Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150): Der MAK-Wert in Deutschland für Tributylzinn inder Luft wurde mit 0,05 mg/m³ festgelegt.

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 4 SCHADSTOFFE IM SCHLAMM

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stung der Elbsedimente. Die Entwicklung der Sedi-mentqualität in der Mulde, wirkt sich unterstromigauch in Magdeburg aus, indem die Dibutylzinnge-halte seit den 1990er Jahren sinken. Die Gehalte inden Elbesedimenten sind erwartungsgemäß niedri-ger als in der Mulde, werden sie ja durch nahezuorganozinnfreie Schwebstoffe aus dem oberstromi-gen Elbabschnitt verdünnt (Ausnahme HamburgerHafen).

Die hohen Organozinnbefunde in den Schlämmendes Augusthochwassers 2002 finden jedoch nichtihren Niederschlag in den Befunden der langjähri-gen Trendentwicklung (Abb. 4-9).

Ein den Organozinnverbindungen vergleichbaresLängsprofil zeigen die Dioxinbelastungen (Abb. 4-10). Bei der Darstellung der Dioxinbelastung wer-den nicht, wie bei anderen Schadstoffen, normaleKonzentrationsangaben vorgenommen. Die Bela-stung wird in Toxizitätsäquivalenten ausgedrückt(siehe Box Dioxine, Furane und dioxinähnlichePCBs).

Das Längsprofil zeigt eindeutig die Mulde alsbedeutende Quelle für die Elbe. Dabei ist bekannt,dass auch in der Tschechischen Republik potenzi-elle Emittenten für Dioxine oder dioxinähnlicheSubstanzen vorhanden sind. In den Medien wurdewährend des Hochwassers z.B. die Spolchemie inNeratovice als gefährlicher Ort bewertet. DieseDioxine sind jedoch während des Extremhochwas-sers entweder in einem sehr hohen Maße durchunbelastetes Sediment verdünnt worden, oder siehaben, eher wahrscheinlich, das Betriebsgeländegar nicht erst verlassen. Messungen ergaben keineerhöhten Werte in der Oberen Elbe.

Leider sind für Dioxine keine lückenlosen Zeitrei-hen aus der jüngeren Vergangenheit (10 Jahre)verfügbar, aus denen ein Trend ablesbar wäre. Esist aber bekannt, dass die Dioxinbelastungen in derElbe vor ca. 50 Jahren um ein Vielfaches höhergelegen haben müssen (49). Dies ist allerdingskein Grund zur Entwarnung, denn unterstromig desMuldezuflusses wird, mit Ausnahme der durchmarine Sedimente beeinflussten Elbemündung indie Nordsee, der Safe Sediment Value (46) fürFische und Seevögel überschritten.

4.3 Welche Bedeutung haben die Belastungen im Schlamm für Mensch und Tier?

Im vorhergehenden Abschnitt 4.2 wurde darge-stellt, dass es keine einheitlich Belastung desSchlammes gibt, weder räumlich noch zeitlich. Dar-über hinaus steht fest, dass es keine verbindlichenGrenzwerte für Schadstoffe im Hinblick auf denTransferpfad "Hautkontakt im Hochwasserfall" mitbelasteten Schlämmen gibt. In diesem Zusammen-hang muss angemerkt werden, dass es währenddes Hochwassers nicht in jedem Fall zu einer Erhö-hung der Schadstoffgehalte im Schwebstoff undSchlamm gekommen ist. In Magdeburg wurden inder zweiten Augusthälfte 2002 Verdünnungsef-fekte, also niedrigere Schadstoffgehalte beispiels-weise für Quecksilber, PAKs und PCBs gemessen.Höhere Stoffkonzentrationen wurden dagegen fürArsen, Blei und HCH-Verbindungen gefunden (7).Es ist davon auszugehen, dass der kurzzeitigeKontakt mit belastetem Schlamm keine nachhalti-gen Folgen hat. Anders sieht es beispielsweise mitOrganismen aus, deren Lebensraum vomSchlamm geprägt ist, bzw. deren Lebensraum mitdem Schlamm im Stoffaustausch steht.

Daher gibt es auch von der Internationalen Kom-mission zum Schutz der Elbe (IKSE) Zielvorgabenzur Beurteilung der Gewässergüte hinsichtlich derin ihnen vorkommenden Lebensgemeinschaften.Des Weiteren wurden Zielvorgaben für Sedimenteformuliert, die eine landwirtschaftliche Verwendungfinden können. Tab. 4-1 enthält die Zielvorgabender IKSE für Sedimente bezüglich der Schutzgüter"Aquatische Lebensgemeinschaft" und "Landwirt-schaftliche Verwertung" und stellt sie den gemesse-nen Sedimentqualitäten der Jahre 2001 und 2003an den ARGE-Elbe Messstationen Schmilka, Des-sau (Mulde) und Magdeburg gegenüber.

Aus Tab. 4-1 wird ersichtlich, dass die Sediment-qualität auch bei "normaler" Wasserführung alsäußerst unbefriedigend einzustufen ist. Sowohl hin-sichtlich des Schutzgutes "Aquatische Lebensge-meinschaft" als auch hinsichtlich der "landwirt-schaftlichen Verwertung" ist die Sedimentbelastung

Abb. 4-10 Verteilung der Dioxin- und Furan-Toxizitätsä-quivalente in Oberflächensedimenten der Elbe im Längs-profil von der Tschechischen Republik bis zur Nordsee(September 2002; Daten 148).

-364 -200 0 200 400 600 8000

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Dioxine, Furane und dioxinähnliche PCBs Herkunft und Verbreitung: Dioxine und Furane,genauer gesagt, die polychlorierten Dibenzo-p-dioxine (PCDD) und Dibenzofurane (PCDF) stelleneine Substanzgruppe dar, die aus 75 bzw. 135 Ein-zelverbindungen bestehen. Es handelt sich umfarb- und geruchlose organische Verbindungen, dieaus Kohlenstoff, Chlor und Wasserstoff aufgebautsind. Dioxine sind niemals vorsätzlich erzeugt wor-den, sondern sie stellen Nebenprodukte chemi-scher Reaktionen dar. Dioxine und Furane, der Ein-fachheit halber werden sie im Folgenden nur nochDioxine genannt, entstehen bei der Herstellung vonChemikalien, Pestiziden, Anstrichfarben, beim Blei-chen von Zellstoff und Papier mit Hilfe von Chloroder auch bei Müllverbrennungsprozessen. Einenatürliche Quelle sind Waldbrände. Temperaturenüber 300°C und die Anwesenheit von Chlor führenzur Entstehung von Dioxinen. Bei Temperaturen ab900°C werden sie wieder zerstört (87). Dioxine lie-gen immer als Gemische von Einzelverbindungen(Kongenere) mit unterschiedlicher Zusammenset-zung vor. Von den insgesamt 210 Dioxinen sindallerdings nur 17 toxikologisch relevant. Die Leit-substanz stellt das "Seveso-Dioxin", das 2,3,7,8Tetrachlor-Dibenzo-p-Dioxin (2,3,7,8 TCDD) dar,das 1976 bei einem Chemieunfall in der oberitalie-nischen Stadt Seveso in die Umwelt gelangte.Lediglich 135 g des starken Giftes entwichen undtöteten zahlreiche Tiere, 193 Menschen erlittenHautverletzungen. Die 17 toxischen Verbindungensetzten sich aus 7 Dioxinen und 10 Furanenzusammen. Nur diese werden zur Beurteilung derToxizität herangezogen. Dabei wird die giftige Wir-kung als Toxizitätsäquivalent (TEQ) im Verhältniszu der von 2,3,7,8 TCDD ausgedrückt. Problematisch ist, dass unterschiedliche Faktorenzur Berechnung der Toxizitätsäquivalente (TEQ)herangezogen werden. In der Folge gibt es unter-

schiedliche Bewertungen für die gleichen Substan-zen. Es gibt die I-TEQ, die international akzeptiertsind und die auch in der 17. BImSchV und der TALuft sowie der BBodSchV verwendet werden. Siewurden von der North Atlantic Treaty Organization,Committee on Challenges of modern Society(NATO/CCMS) eingeführt. Von diesen weichen dieWHO-TEQ, die Toxizitätsäquivalente der Weltge-sundheitsorganisation, etwas ab. Prinzipiell wurdein beiden Systemen der giftigsten Substanz, dem2,3,7,8 TCDD der Toxizitätsfaktor 1 zugewiesen,allen anderen Dioxinen, entsprechend ihrer toxiko-logischen Bedeutung ein Faktor kleiner als 1. LautUmweltbundesamt (87) haben sich die Dioxinemis-sionen in die Luft zwischen 1990 und 2000 von1200 g I-TEQ pro Jahr auf weniger als 70 g I-TEQreduziert. Die Metallverarbeitung und die Müllver-brennung stellen danach die größten Emissionsbe-reiche dar. Lahl (2005), aus dem Bundesministe-rium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit, veröffentlicht dagegen für die Jahre 1985 bis1990 rund 1000 g I-TEQ höhere luftseitige Dioxi-nemissionen, die durch die Herstellung chemischerProdukte begründet sind. Darüber hinausbeschreibt Lahl, dass im gleichen Zeitraum die glei-che Größenordnung an Dioxinen in die Gewässeremittiert worden sind (102). Im Gegensatz zu den Dioxinen, sind die Polychlo-rierten Biphenyle synthetisierte, d.h. absichtlichhergestellte Produkte (siehe Infobox PCBs). Siewurden durch die Chlorierung von Biphenylen her-gestellt und einige von ihnen, die dioxinähnlichenPCB, sind besonders giftig. Von den insgesamt 209PCB sind es 12, die mit dem Dioxin vergleichbareEigenschaften aufweisen. Auch ihnen wurden vonder WHO Toxizitätsfaktoren zugeordnet (22). Die in den Feinsedimenten der Elbe vorgefundenenDioxine und Furane zeigen ein typisches Kongene-renmuster der metallverarbeitenden Industrie. Götzet al. (56) verweisen auf die Ähnlichkeit der Konge-nerenzusammensetzung zum Kieselrot, einer Alt-last der Kupfergewinnung und der Magnesiumpro-duktion, wie sie im Bitterfelder Raum und in Staß-furt an der Bode erfolgte.

2,3,7,8 Tetrachlor-Dibenzo-p-Dioxin

2,3,7,8 Tetrachlor-Dibenzofuran

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Abb. 4-11 Strukturformel von Dioxinen und Furanen

2,4,4` Trichlorbiphenyl

Cl

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2

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Cl

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Cl

Abb. 4-12 Strukturformel eines Polychlorierten Biphenyls

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 4 SCHADSTOFFE IM SCHLAMM

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Aufnahme und humantoxische Wirkweise:Dioxine sind praktisch wasserunlöslich, jedoch sehrgut fettlöslich. Dies wiederum bedeutet, dass siemit dem Sediment und mit organischen Stoffen inder Umwelt Bindungen eingehen und im tierischenund menschlichen Fettgewebe angereichert wer-den. Die Bioakkumulation der PCB übersteigt dabeidiejenige der Dioxine. Da sie in der Umwelt nursehr langsam abgebaut werden (sie gehören zuden POPs: Persistent Organic Pollutants), reichernsie sich in der Nahrungskette an. Die Aufnahme der Dioxine geschieht im Wesentli-chen über den Verzehr von dioxinhaltigen Lebens-mitteln. Die größten Dioxinmengen nehmen wirüber den Verzehr von Fleisch und Milch zu uns.Auch wenn die Konzentrationen in fetthaltigenFischen deutlich höher sind, Fischprodukte werdenin Deutschland im Allgemeinen weniger konsu-miert. Die Halbwertszeit des 2,3,7,8 TCDD beträgtim menschlichen Fettgewebe 7 Jahre, andereDioxine werden wesentlich langsamer abgebaut(längste Halbwertszeit: 20 Jahre bei 2,3,4,7,8 Pen-tachlordibenzofuran). Da Dioxine die Plazenta-schranke überwinden, ist bereits der Fötus demSchadstoff ausgesetzt. Auch das Stillen von Säug-lingen mit fettreicher Muttermilch führt zu einerbedeutenden Dioxinaufnahme des Kindes. Nachwie vor wird aber das Stillen auch von der Weltge-sundheitsorganisation aufgrund der überwiegen-den positiven Wirkungen empfohlen. Aufgrundunterschiedlicher Essgewohnheiten nehmen Kin-der, sie konsumieren z.B. deutlich mehr Milchpro-dukte, mehr Dioxine auf als Erwachsene. Ein Erwachsener nimmt in Deutschland täglichdurch Dioxine und dioxinähnliche PCBs ca. 2 pg(ein Pikogramm = ein Billionstel Gramm) WHO-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht auf (87). Dievon der WHO formulierte tolerierbare tägliche Auf-nahme liegt zwischen 1 bis 4 pg WHO-TEQ proKilogramm Körpergewicht, wobei aus Vorsorge-gründen ein Wert unter 1 pg WHO-TEQ angestrebtwerden soll. Bei einer durchschnittlichen Dioxinbelastung von50 ng/kg WHO-TEQ = 50.000 pg/kg WHO-TEQ desSedimentes, wäre bereits in 1 Gramm Schlamm dietäglich akzeptable Dioxinmenge für einen 70 kgschweren Erwachsenen enthalten.Eine akute Toxizität ist nur bei sehr hoher Schad-stoffaufnahme, wie im Vergiftungsfall, zu erwarten.Die humankarzinogene Wirkung von 2,3,7,8 TCDDist bekannt. Bei Tierversuchen wurden auch frucht-schädigende, Entwicklungs- und neurologischbedingte Verhaltensstörungen, Wirkungen auf Ent-wicklung, Reproduktion, den Enzymhaushalt sowieimmunotoxische Reaktionen beobachtet. Außer-dem können Dioxine Chlorakne verursachen.

In Seveso hat sich nach der Katastrophe dasGeschlechterverhältnis bei den Geburten verscho-ben. Männer, die zum Zeitpunkt der Dioxinkatastro-phe noch jung waren, zeugten mehr Mädchen (87).Wichtige Grenzwerte:Boden (25):• Maßnahmenwerte für Dioxine/Furane in I-TEQ

(nach NATO/CCMS) für den Transferpfad Boden-Mensch-Direktaufnahme: Kinderspielflächen100 ng/kg, Wohngebiete 1.000 ng/kg, Park- undFreizeitanlagen 1.000 ng/kg, Industrie- undGewerbegrundstücke 10.000 ng/kg. Anmerkung:Beim Vorliegen dioxinhaltiger Laugenrückständeaus Kupferschiefer (Kieselrot) erfolgt eine Anwen-dung der Maßnahmenwerte aufgrund der gerin-gen Resorption im menschlichen Organismusnicht unmittelbar zum Schutz der menschlichenGesundheit, als vielmehr zum Zweck der nachhal-tigen Gefahrenabwehr.

Die Bund/Länder Arbeitsgruppe Dioxine hat inihrem 2. Bericht 1993 Richtwerte und Handlungs-empfehlungen zur Bodennutzung vorgeschlagen,wobei bei mehr als 40 ng/kg I-TEQ, Einschränkun-gen der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Nut-zung empfohlen werden.Trinkwasser (40): -Futtermittel (129): Höchstmengen, ausgedrücktals Summen WHO-TEQ für PCDD/F: 0,75 ng/kg fürsämtliche Einzelfuttermittel pflanzlichen Ursprungs.Lebensmittel (162): Höchstmengen, ausgedrücktals Summen WHO-TEQ in Fett für PCDD/F:Fleisch: Wiederkäuer 3 ng/kg, Geflügel und Zucht-wild 2 ng/kg, Schweine 1 ng/kg; Fisch 4 ng/kg;Milch 3 ng/kg; Eier 3 ng/kg.Die vorliegenden Höchstmengen als rechtsverbind-liche Grundlage zur Beurteilung von Lebensmittelnunterliegen momentan einem dynamischen Wan-del. Beispielsweise wird bereits in geltenden EU-Verordnungen (EG) Nr. 2375/2001 die Festlegungneuer Höchstmengen bis zum 31.12.2006 voraus-gesetzt. Außerdem sollen zukünftig die Toxizitätender dioxinähnlichen PCB Berücksichtigung finden(2002/201/EG; EG-Amtsblatt Nr. L 67 S. 69). Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):Der MAK-Wert in Deutschland für Dibenzodioxineund -furane in der Luft wurde mit 50 pg/m³ festge-legt.

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bei einzelnen Stoffen zu hoch. Und zwar an allendrei ausgewählten Messstellen. Die Belastung desSedimentes bezüglich der Arsen-, Blei- und Cad-mium-, HCH- und Tributylzinngehalte bei Dessauan der Mulde übersteigt die Konzentrationen an derDeutsch-Tschechischen Grenze und in Magdeburgum ein Mehrfaches. Die Hexachlorbenzengehalteim Sediment bei Schmilka sowie die Quecksilber-und AOX-Gehalte bei Magdeburg sind jedochimmer noch "herausragend". Somit gibt es keinunbelastetes Sediment, wohl aber deutliche regio-nale Unterschiede, wie sie auch in Abb. 4-10, Ver-teilung der Dioxin-Toxizitätsäquivalente (TEQ) nachdem Hochwasser 2002, zu erkennen sind. Insbe-sondere bei den Dioxinen ist unterstromig derMulde bis unterhalb Hamburg an sämtlichen Stand-orten mit einer Überschreitung des "Safe SedimentValue" von 20 TEQ ng/kg mit Folgen für die

Lebensgemeinschaft zu rechnen. Schulte-Oehl-mann et al. (5) wiesen in Sedimenten der Elbe einandrogenes Wirkpotenzial nach, das hauptsäch-lich, aber nicht ausschließlich, auf die Wirkung vonTributylzinn zurückzuführen ist. Tributylzinn wirktz.B. bei der Netzreusenschnecke androgen, wassoviel wie vermännlichend bedeutet. In der Folgedes Einwirkens verändern die weiblichen Schnek-ken ihr Geschlecht. Sie werden männlich. In derKonsequenz können Populationen lokal ausster-ben, da die getrenntgeschlechtliche Fortpflanzungnicht mehr möglich ist. Dies sei nur beispielhaft erwähnt, um zu verdeutli-chen, dass die langfristigen Wirkungen der Gewäs-serbelastung von größerer Bedeutung sind alskurzzeitige Belastungsspitzen.

Tab. 4-1 Zielvorgaben der IKSE für unterschiedliche Schutzgüter und durchschnittliche Schadstoffgehalte in schweb-stoffbürtigen Sedimenten an den ARGE-Elbe Messstationen in Schmilka, in Dessau (Mulde) und in Magdeburg. Über-schreitungen einzelner Zielvorgaben sind rot markiert.

Stoff Zielvorgaben der IKSE Schmilka Dessau (Mulde) MagdeburgSchutzgut

„Landwirtschaftliche Verwertung“

Schutzgut„Aquatische Lebens-

gemeinschaften“

Medianwerte Medianwerte Medianwerte2001 2003 2001 2003 2001 2003

Anorganische Schadstoffe, Fraktion < 20 µm, alle Angaben in mg/kgArsen 30 40 24 27 188 252 27,2 27Blei 100 100 90 83 249 307 124 93Cadmium 1,5 1,2 3,2 3,7 27 18 6,0 5,2Chrom 150 320 99 87 90 109 105 84Kupfer 80 80 87 82 113 111 106 87Quecksilber 0,8 0,8 1,8 1,6 2,4 2,7 3,6 3,2Nickel 60 120 58 48 142 119 54 47Zink 200 400 895 1250 2355 1915 1135 1090

Organische Schadstoffe, Gesamtprobe, alle Angaben in µg/kgγ-HCH 10 <3 <3 10,5 32 2,3 8HCB 40 380 215 115 110 170 78AOX 50.000 107.500 110.000 120.000 120.000 170.000 150.000TBT-Zinn 10 10 6,85 - 27,3 15,5 12,3 5,7

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 5 WELCHES SIND DIE LANGFRISTIGEN FOLGEN DER GEWÄSSERBELASTUNG?

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5 Welches sind die langfristigen Folgen der Gewässerbelastung?In den vorangegangenen Kapiteln wurde über dasVorkommen, die Herkunft und den Transport vonausgewählten Schadstoffen und ihren Konzentra-tionen im Wasser und Schlamm der Elbe undMulde berichtet. Dabei wurde deutlich, dass diekurzzeitigen Belastungsschwankungen sowohl fürden Mensch als auch für die Tiere im Gewässersy-stem von untergeordneter Bedeutung sind. Das giltauch für die Hochwassersituation im August 2002.Viel bedeutender ist in diesem Ökosystem die lang-fristige Belastung mit einer Vielzahl von anorgani-schen und organischen Schadstoffen, derenZusammenwirken noch weitgehend unbekannt ist.Hierbei stehen toxische Langzeiteffekte (z.B.androgene Wirkung von Tributylzinn, hormonelleWirkung von Polychlorierten Biphenylen, immunto-xische Effekte von Dioxinen) oder aber auch dieAnreicherung von Schadstoffen in der Nahrungs-kette und die nachhaltige Beeinträchtigung desGrundwassers im Vordergrund.

5.1 Welche Transferpfade für Schadstoffe sind für den Menschen von Bedeutung?

Es gibt mehrere Pfade über die der Mensch mitSchadstoffen belastet werden kann. Beispielsweiseist es möglich, gasförmige Stoffe mit der Atemluftaufzunehmen, genauso wie es möglich ist, überden direkten Hautkontakt mit Umweltkontaminan-ten belastet zu werden. Im Allgemeinen ist aber fürden Menschen die Schadstoffaufnahme mit dertäglichen Nahrung am bedeutungsvollsten, wes-halb der Transfer der einzelnen Kontaminanten indie Nahrungskette möglichst vermieden werdensollte.

Der Schadstofftransfer in die Nahrungskette istkompliziert. Im Falle eines Flussökosystems stehenzwei Transferpfade im Vordergrund: Die Anreiche-rung toxischer Substanzen in Fischen, sowie dieAnreicherung toxischer Substanzen im Nutztier undWild bzw. deren Produkten, wie z.B. Fleisch undMilch. Diese Lebensmittel sind betroffen, da Schad-stoffe im Hochwasserfall auch in den Auen sedi-mentieren, die ihrerseits Lebensraum für bestimmteNutz- und Wildtiere darstellen. Die Abb. 5-1 und 5-2verdeutlichen die unterschiedlichen Transferpfade.

Kompliziert wird es dadurch, dass viele Schadstoffemit unterschiedlichen chemischen und physikali-schen Eigenschaften zu berücksichtigen sind. Kon-taminanten werden von verschiedenen Organis-men in unterschiedlicher Art und Weise aufgenom-men und angereichert (Direktaufnahme aus demSchlamm/Sediment, Aufnahme über die Nahrung,Aufnahme über die Haut sowie die Kiemen oderLungen, unterschiedliche Anreicherungsraten in

Geweben). Darüber hinaus muss zur Darstellungdes Beziehungsgeflechtes zwischen den Lebewe-sen im Flussökosystem eigentlich von einem Nah-rungsnetz gesprochen werden, denn die Fressbe-ziehungen sind vielfältig.

5.1.1 Der aquatische Transferpfad - Wie hoch sind Elbfische belastet?

Die Schadstoffaufnahme von Fischen kann, wie inAbb. 5-1 dargestellt, über mehrere Pfade erfolgen.Zum einen ist die Aufnahme über die Nahrung(planktische Lebenwesen oder kleinere Fische undKrebse) möglich. Zum anderen kann es zu einerDirektaufnahme von Kontaminanten aus dem Was-ser über die Haut bzw. über die Kiemen bei derAtmung kommen. Letzterer Pfad kann sogar derbedeutsamere sein. Die ARGE-Elbe und das Umweltbundesamt betrei-ben schon seit mehreren Jahrzehnten ein umfas-sendes Schadstoffmonitoring mit verschiedenenFischarten aus der Elbe (www.arge-elbe.de,www.umweltprobenbank.de; 6, 9, 14) und einigen

Sediment

Wasser

Phytoplankton

Zooplankton

Friedfisch

Raubfisch

Mensch

Abb. 5-1 Aquatische Schadstoff-Transferpfade. Das Wasser und das Sediment stehen in einem(schad)stofflichen Austausch. Dabei werden von denFischen gelöste und partikulär transportierte Schadstoffeüber die Kiemen und beim Schlucken direkt aufgenom-men. Vor allem bei grundlebenden Arten ist auch einedirekte Beeinflussung aus dem Sediment vorhanden.Dazu kommt die Anreicherung von Schadstoffen im Nah-rungsgeflecht der Gewässerbiozönose. Denn auch dieplanktisch bzw. am Gewässergrund lebenden Tiere undPflanzen sowie die abgestorbene organische Materie,die zusammen die Ernährungsgrundlage für Fried- undRaubfische darstellen, sind mit Schadstoffen belastet.

Page 51: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

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Nebenflüssen (13, 12, 16). Als besonders für einMonitoring geeigneter Fisch hat sich der Brassen(Abramis brama L.) erwiesen, da er im Gegensatzzu den Wanderfischen (Meerforelle, Aal u.a.) alsstandorttreu gilt (11). Darüber hinaus gibt es Unter-suchungsbefunde von Zandern und Aalen. DieseFischarten weisen unterschiedliche Nahrungsspek-tren auf. Der Brassen ist ein Friedfisch und lebtvom Benthos am Gewässergrund. Der Aal dage-gen lebt sowohl als Friedfisch als auch in älterenEntwicklungsstadien als Raubfisch. Der Zander lebtrein räuberisch. Außerdem unterscheiden sich dieArten im Fettgehalt ihrer Muskulatur, wobei der Aalmit 35 bis 50% die höchsten Fettanteile besitzt.Dies ist insofern bedeutsam, da eine Vielzahl lipo-philer (fettliebender, organischer) Schadstoffe imFettgewebe angereichert werden. Brassen habenFettgehalte bis maximal 10%. Zander sind mit Fett-gehalten unter 1% mager und insbesondere für dasMonitoring von Schwermetallen im Fischgewebegeeignet.

5.1.1.1 Schwermetalle in Fischen

Von den untersuchten Schwermetallen Blei, Cad-mium, Kupfer und Quecksilber wird Quecksilber amstärksten im Muskelfleisch des Brassen angerei-chert. Anorganisches Quecksilber wird am stärk-sten über die Kiemen aufgenommen, organischesQuecksilber dagegen über die Nahrung angerei-

chert (9). Die Anreicherung von Methylquecksilbererfolgt aufgrund dessen lipophiler Eigenschaftebenfalls vor allem im Fettgewebe der Fische. Leider kann bezüglich der Belastungssituation derFische mit Schwermetallen in der Elbe noch keineEntwarnung gegeben werden, auch wenn sich dieGesamtsituation, abgeleitet vom Datenbestand1999, gegenüber den Vorjahren verbessert hat. Abb. 5-3 zeigt die mittleren Quecksilbergehalte vonBrassen an Fangplätzen entlang der deutschenElbe von den Jahren 1994 und 1999. Zu erkennenist, dass im Jahr 1999 im Mittel von 15 Fischen proFangplatz keine Beanstandungen bezüglich derEG-Verordnung 466/2001 (161) festzustellen sind. Bei alleiniger Betrachtung der Spannbreite der Ein-zelergebnisse muss allerdings vor einem unkontrol-lierten Verzehr gewarnt werden, da doch immerhininsgesamt 27% der Einzelbefunde an Brassen dieHöchstgehalte an Schwermetallen der EG-Verord-nung 466/2001 (161) überschritten. Viel ungünstiger sieht die Situation bei Zandernaus. Im Bereich der oberen und mittleren Elbe (km13 - Prossen bis km 492 - Gorleben) wurden dieHöchstmengen an Quecksilber an 80 bis 100%aller Individuen überschritten. Deutlich wenigerHöchstgehaltsüberschreitungen gab es in denunterstromigen Flussbereichen. Dabei ist bei Zan-dern eine gewichts- und größenabhängige Bela-stung mit Quecksilber festzustellen. Allgemein gilt:Je größer und schwerer der Zander ist, desto mehrQuecksilber findet sich in seinem Muskelfleisch.“Pauschal kann gesagt werden, dass Zander abeiner Länge von rund >=50 cm und einem Gewichtvon rund 1.500 g über der Höchstmenge von0,5 mgHg/kg Frischgewicht liegen (10).

Fluss BodenBrack

Mensch

1

2

3

4

56

Abb. 5-2 Terrestrische Schadstoff-Transferpfade, 1: bei Hochwasser sedimentieren Schadstoffe auf Bödenund Pflanzen; 2: Pflanzen können Schadstoffe über ihreWurzeln aufnehmen; 3: Pflanzen können mit schadstoff-haltigen Stäuben oder auch mit Ausgasungen aus demBoden kontaminiert werden; 4: Weidevieh kann durch diebelastete Vegetation Schadstoffe aufnehmen; 5: Weide-vieh kann beim Äsen Stäube inhalieren oder beim Abrei-ßen der Pflanzen anhaftende Bodenpartikel fressen; 6:Weidevieh kann über das Tränken in Altarmen, Buhnen-feldern und Bracks Schadstoffe aufnehmen.

0 100 200 300 400 500 600 7000,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

Hg

in

mg

/kg

Fri

sch

gew

ich

t

deutsche Elbe-km

1994

1999

Abb. 5-3 Durchschnittliche Quecksilbergehalte in Bras-sen entlang der Elbe in den Jahren 1999 (grün senk-recht: Spannbreite der Einzelergebnisse 1999, rot gestri-chelt: Höchstgehalte in Süßwasserfischen nach EGVerordnung 466/2001). Zum Vergleich sind zusätzlich dieDaten von 1994 dargestellt. Man beachte die starkeStreuung der Messergebnisse.

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 5 WELCHES SIND DIE LANGFRISTIGEN FOLGEN DER GEWÄSSERBELASTUNG?

50

Auch in einzelnen Nebenflüssen der Elbe wurdenBrassen, Aale und Zander auf ihre Schadstoffge-halte untersucht (13, 12, 16). Dabei stellte sich fürdie Sude, die Havel und den Aland heraus, dassorganische Kontaminaten in keinem Fall die zuläs-sigen Höchstwerte überschritten. Lediglich die Zan-derbefunde aus dem unteren Aland, zwischen derMündung und der Ortschaft Wanzer, belegen eineBelastung mit Quecksilber.

Die Wiederholungsbeprobungen von Fischen derJahre 1997 und 2002 an der Schwarzen Elster, derMulde und der Saale zeigen, dass es kaum Verän-derungen im Belastungszustand der Fische gege-ben hat. Abb. 5-4 belegt am Beispiel der Quecksil-berbelastung von Brassen, Aalen und Zandern inder unteren Saale der Jahre 1997 und 2002 dienachhaltige Beeinträchtigung von Fischen als Nah-rungsmittel in dieser Region. Hingewiesen werdenmuss darauf, dass als Bewertungsgrundlage stetsdie gemittelten Ergebnisse herangezogen werdenmüssen. Bezogen auf Abb. 5-4 bedeutet dies:Brassen und Aale wären aufgrund der Quecksilber-befunde vermarktungsfähig; Zander jedoch nicht.Beachtenswert ist auch, dass einzelne Individuender Probenserien über den Höchstmengen von 0,5mg/kg beim Brassen und Zander sowie 1 mg/kg beiAal liegen.

5.1.1.2 Organische Schadstoffe in Fischen

Fische können in der gesamten Elbe mit organi-schen Schadstoffen belastet sein. Das Ausmaß der

Belastung ist je nach Schadstoff und Fischart regio-nal und zeitlich sehr unterschiedlich.

Jüngste Messergebnisse des Umweltbundesam-tes (UBA) zeigen z.B. eine starke Steigerung derHCH-Gehalte in Fleisch von Fischen in der unterenMulde. Nach Jahren stetigen Rückgangs der HCH-Belastung wurde ein Jahr nach dem Hochwasserdoppelt so viel β-HCH gefunden, im Jahr 2004bereits 18 mal soviel wie im Jahr 2002 (Abb. 5-5).Diese Erhöhung wird als direkte Folge des Hoch-wassers 2002 interpretiert (157, 66).

Es ist bekannt, dass durch Verklappung von Lin-dan-Produktionsrückständen im Bitterfelder Raumin der Vergangenheit Boden und Grundwasser ingroßem Ausmaß HCH-belastet wurden (vgl.Seite 25). Die Schadstoffe werden über Grund- undOberflächenwasser, insbesondere das Spittelwas-ser, in die Mulde transportiert. Nach dem Hochwas-ser 2002 war die HCH-Belastung des Wassers inMulde (unterhalb der Spittelwassermündung) undElbe (unterhalb der Muldemündung) zeitweise starkerhöht (17).

Die hohe HCH-Belastung findet sich 2004 erstmalsauch in Brassen der Elbe wieder, wie die Untersu-chungsbefunde bei Barby zeigen. In den fettreiche-ren Aalen wurden auch in den Vorjahren (1999)entlang der gesamten Elbe Höchstmengen-Über-schreitungen festgestellt; insbesondere bei Hexa-chlorbenzol und β-HCH und DDT (10), wobei sichdie DDT-Belastungen in Aalen auf den Festge-steinsabschnitt der Elbe beschränkten.

Ein weiteres Besorgnis erregendes Detail ergibtsich aus den Befunden über die Dioxin- und dioxin-ähnlichen PCB-Gehalte in Aalen an der Mittelelbe(Abb. 5-6; 147). Es wurden im September nach derFlut 2002 bei Gorleben 24 Aale gefangen und hin-sichtlich ihrer Belastung analysiert. Das Ergebniswar, dass in 13 untersuchten Individuen die

Bra

ssen

1997

Bra

ssen

2002

Zande

r 199

7

Zande

r 200

2

Aal

199

7

Aal

200

20,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5H

g i

n m

g/k

g F

risc

hg

ewic

ht

Fischart und Beprobungsjahr

Abb. 5-4 Quecksilberbefunde in Brassen, Zandern undAalen der unteren Saale aus den Jahren 1997 und April/Mai 2002 (Daten der ARGE-Elbe, 13, grün senkrecht:Spannbreite der Einzelergebnisse, rot gestrichelt:Höchstgehalte in Süßwasserfischen nach EG Verord-nung 466/2001).

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

0

50

100

150

200

-HC

H,

µg

/kg

Fri

sch

gew

ich

t

Dessau (Mulde)

Barby (Elbe)

Ho

chw

asse

r A

ug

ust

20

02

Abb. 5-5 Rückstände der Lindanproduktion (β-HCH) inBrassen der unteren Mulde und bei Barby an der Elbezwischen 1995 und 2004 (157).

Page 53: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

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Höchstmenge von WHO-TEQ 4 ng/kg für Dioxineund Furane aus der EG Verordnung 2375/2001überschritten wurde. Unter Berücksichtigung derToxizitätsäquivalente der dioxinähnlichen PCB(Polychlorierten Biphenyle), wie von der EUgeplant, ergäbe sich ein noch schlechteres Bild:Der WHO-TEQ steigt in diesem Fall auf Werte zwi-schen 11 und 56 ng/kg. Dabei muss berücksichtigtwerden, dass Aale wandernde Fische sind. Diesbedeutet, dass die Anreicherung der Schadstoffenicht zwangsläufig allein am Fangort stattgefundenhat. Die Tatsache jedoch, dass die PCB-Kongenerestärker akkumuliert werden als Dioxine, lässt ver-muten, dass zukünftig wesentlich mehr Höchstge-halts-Überschreitungen auftreten werden als bis-her. Die ARGE-Elbe (11) stellt aufgrund der mehrfachenHöchstmengenüberschreitungen für Elbefischefest, dass diese nicht in vollem Umfang vermark-tungsfähig sind. Sie geht aber aufgrund der vorge-fundenen Belastungshöhe der untersuchten undgeregelten Schadstoffe bei gelegentlichem Verzehrvon 1 - 2 kg Elbefisch pro Monat nicht von unmittel-baren Gesundheitsbeeinträchtigungen aus.

5.1.2 Der terrestrische Transferpfad - Wie hoch sind Fleisch und Milch belastet?

5.1.2.1 Wie hoch ist der aktuelle Schadstoffeintrag in die Auen?

Wie bereits im Abschnitt 4.1 über die Mobilisierungvon Sedimenten berichtet wurde, ist das Hochwas-sergeschehen der Motor bzw. die antreibende Kraftfür den Schadstoffeintrag in die Auen. Sie werden

überwiegend als Grünland genutzt, also letztlich fürdie Ernährung der Nutztiere, die später auf unse-rem Teller landen. Heutzutage sind ca. zwei Drittelder aktuell überflutbaren Elbaue zwischen derDeutsch-Tschechischen Grenze und dem Wehr inGeesthacht Grünland. Abb. 5-7 zeigt einen typi-schen Landschaftsausschnitt mit einer Mäander-schleife an der Elbe zwischen den Stromkilometern435 und 440, zwischen den Ortschaften Havelbergund Wittenberge.

In der in Abb. 5-7 präsentierten Landschaft wirdvom Umweltforschungszentrum Leipzig Halle seit1997 in Hochwasserphasen der partikuläre Schad-stoffeintrag gemessen. Dabei wird die Sediment-fracht mit Hilfe von Kunstrasenfallen ermittelt(Abb. 5-8). Diese Fallen werden an typischen Posi-tionen im Überschwemmungsbereich vor einemHochwasser ausgelegt. Solche typischen Positio-nen sind Flutrinnen, Plateauflächen, abflussloseSenken bzw. Uferrandbereiche. Natürlich hat auchder lokale Bewuchs einen Einfluß auf die Sedimen-tation (Abb. 5-9). Es wurde festgestellt, dass dieBelastung der eingetragenen Sedimente nichtmehr so hoch ist, wie noch vor 25 Jahren. Im Hin-blick auf die geltende Rechtsvorschrift für die Nut-zung von Grünlandböden, in diesem Fall die Bun-des-Bodenschutzverordnung, sind die Konzentra-tionen im Sediment jedoch immer noch zu hoch.Mit einer relevanten Bodenverbesserung durchAufsedimentation von weniger belastetem Materialkann zumindest an der mittleren Elbe in den kom-menden Jahren nicht gerechnet werden. Tab. 5-1zeigt am Beispiel von Quecksilber die Belastungs-entwicklung der Hochflutsedimente zwischen denStromkilometern 435 und 440 seit 1997.

5.1.2.2 Wie hoch ist die Bodenbelastung?

Die Belastung der Elbauenböden mit Schwermetal-len ist seit vielen Jahren bekannt. Erste Veröffentli-chungen stammen aus den Jahren 1983 (114) und1985 (99). Auch zahlreiche nachfolgende Untersu-

0 3 6 9 12 15 18 21 240

10

20

30

40

50

60

WH

O-T

EQ

ng

/kg

Individuen - Aale

WHO-PCB

WHO-PCDD/F

Abb. 5-6 Toxizitätsäquivalente von Dioxinen und Fura-nen sowie dioxinähnlichen PCB in Aalen bei Gorlebenim September 2002. *: Der Höchstgehalt nach der Ver-ordnung (EG) 2375/2001 für Dioxine und Furane liegt bei4 WHO-TEQ ng/kg Frischgewicht (rot).

Tab. 5-1 Quecksilbergehalte von Hochflutsedimentenaus Kunstrasenfallen (100). *Maßnahmenwert der Bun-desbodenschutz- und Altlastenverordnung für die Grün-landnutzung (25).

Standort 19971998/1999 2002 2003

Buhnenfeldrand 3,9 4,4 4,2 3,8Flutrinne 4,9 5,6 6,8 6,3Senke 6,2 4,5 4,6 3,7Plateau Kein

EintragKein

Eintrag6,8 Kein

Eintrag

BBodSchV* ----------------- 2 -----------------

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 5 WELCHES SIND DIE LANGFRISTIGEN FOLGEN DER GEWÄSSERBELASTUNG?

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Abb. 5-7 Regelmäßig überschwemmte Auenlandschaft an der Mittelelbe zwischen den Stromkilometern 435 und 440.Der größte Teil der Fläche wird als Grünland genutzt. Baumgruppen und zahlreiche Bracks (Altwässer) bietenabwechslungsreiche Habitate (Foto Olaf Büttner, UFZ).

Abb. 5-8 Kunstrasenfalle zur Gewinnung von Sedimen-ten bei Hochwasser, hier vor dem Februarhochwasser2005 (Foto Frank Krüger, ELANA).

Abb. 5-9 Überströmte Aue. Der Bewuchs verstärktsehr effektiv die Sedimentation der Schwebstoffe ausdem Wasser (Foto Michael Böhme, UFZ).

Page 55: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

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chungen belegten die deutliche Belastung derÜberflutungsböden mit Schwermetallen und organi-schen Schadstoffen. Die einzelnen Untersuchun-gen waren jedoch nicht dahingehend angelegt wor-den, die Belastungverteilung der Böden entlang dergesamten Elbe zwischen der deutsch-tschechi-schen Grenze und Geesthacht zu vergleichen. Ent-weder wurden unterschiedliche morphologischeEinheiten verglichen oder es wurden spezifischeMesswerte erhoben, die an anderen Standortennicht zum Vergleich vorlagen. Um diesenMissstand zu beheben, wurde im Rahmen desAdhoc-Hochwasserprojektes ein einheitlichesMonitoringprogramm für Böden entlang der Elbeorganisiert (100). Dieses Bodenmonitoring berück-sichtigt die unterschiedliche Überflutungshäufigkeit(und damit die Häufigkeit des Schadstoffeintrags)morphologischer Einheiten ebenso, wie die unter-schiedlichen Belastungsquellen entlang des Flus-ses. So wurden von Sachsen bis nach Niedersach-sen an 18 Orten Böden in unterschiedlicher Entfer-nung zum Fluss und mit unterschiedlicherÜberflutungshäufigkeit mit einheitlichen Methodenuntersucht. Beispielhaft wird die Lage der Untersu-chungsstandorte im Vorland von Glinde (km 301) inAbb. 5-10 vorgestellt.

Als Ergebnis zeigt sich, dass entlang der gesamtenElbestrecke Schwermetallbelastungen festgestelltwurden. Eine ähnliche Spannweite der Belastungwurde auch vom Landesamt für UmweltschutzSachsen-Anhalt festgestellt (104). Die Schwer-punkte befinden sich unterstromig von Mulde undSaale, wie am Beispiel von Quecksilber (Abb. 5-11)und Cadmium (Abb. 5-12) gezeigt werden kann.

Auffällig ist, dass die Streuung der Cadmiumbela-stung der Böden im Verlauf der Fließstrecke derElbe mehr oder weniger gleichmäßig zunimmt. ImGegensatz dazu steigt die Quecksilberbelastungder Böden unterstromig der Saale sprunghaft an,womit die Saale, zumindest historisch betrachtet,eine größere Quecksilberquelle für die Elbe dar-stellte, als andere oberstromige Nebenflüsse. Ver-mutet wird als Quelle für die historische Quecksil-berbelastung die industrielle Chloralkalielektrolyse,z.B. in Aschersleben und Schkopau (BUNA).

Dass der Einfluss der Mulde auf die Schwermetall-qualität der Böden an der Elbe von untergeordneter

Schlamm

Schluffe und -tone

Lehme

Sande und Kiese

1760 m

N

Elbe

NW SO

289 m

G r ü n l a n d

Uferwall Flutrinne Plateau Flutrinne

Abb. 5-10 Lage der Untersu-chungsstandorte auf der Unter-suchungsfläche Glinde bei km301.

0 100 200 300 400 5000

5

10

15

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lde

Saa

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Hg i

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deutsche Elbe-km

Abb. 5-11 Quecksilberbelastung von Böden entlang derdeutschen Elbe (rot gestrichelt: Maßnahmewert nachBodenschutzverordnung, 2mg/kg). Unterhalb vonMulde- und Saalemündung steigt die Belastung derBöden in den Elbauen sprunghaft an.

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 5 WELCHES SIND DIE LANGFRISTIGEN FOLGEN DER GEWÄSSERBELASTUNG?

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Bedeutung ist, kann auch durch den Vergleich vonflusstypischen Elementverhältnissen gezeigt wer-den (Abb. 5-13). Erkennbar ist, dass sich das Ele-mentverhältnis von Blei zu Zink in den Elbauenbö-den unterstromig des Muldezuflusses nicht wesent-lich aufweitet, obwohl die Muldesedimente undBöden deutlich höher mit Blei belastet sind als Elb-sedimente und Böden (Abb. 5-14). Der Grunddafür, dass sich das Muldemuster nicht in denElbauenböden durchpaust, liegt in der relativ gerin-gen Schadstofffracht im Vergleich zur Elbe undauch zur Saale (diese führt z.B. eine zehnfachhöhere Schwebstofffracht als die Mulde, 30), derenQuecksilberfrachten deutlich das Schadstoffmu-ster der Elbauenböden geprägt haben.

Die Quecksilberbelastung der Elbauenböden istaktuell noch derartig hoch, dass auf 40% allerUntersuchungsflächen der Maßnahmenwert für

Grünland von 2 mg/kg überschritten wird. Unter-stromig der Mulde wird der Maßnahmenwert fürQuecksilber an 85% aller beprobten Messflächennicht eingehalten. Dies bedeutet, dass solange dieQualität der frischen Sedimente, die bei Hochwas-ser eingetragen werden, nicht wesentlich besserwird, mit einer nennenswerten Verbesserung derBodenqualität nicht zu rechnen ist. Auch für Arsenwurden in den Böden der Elbe Überschreitungendes Maßnahmenwertes der BBodSchV von 50 mg/kg an 50% der Standorte überschritten.

Ganz anders sieht es für Cadmium aus. Hier wirdentlang der gesamten Elbe keine einzige Über-schreitung der Maßnahmewerte ermittelt. Dochdies ist leider noch kein Grund zur Entwarnung,denn Cadmium stellt unter den Schwermetallen

0 100 200 300 400 5000

5

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15

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deutsche Elbe-km

Abb. 5-12 Cadmiumbelastung von Böden entlang derdeutschen Elbe. Auch hier finden sich die höchsten Kon-zentrationen unterhalb von Mulde und Saale.

-200 -100 0 100 200 300 400 5000

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Elbe-km

Blei entlang der Mulde ( Altdaten vor 08/2002)

Blei entlang der Elbe Maßnahmewert BBodSchVO

Freiberg

MündungQuelle

Abb. 5-14 Blei-Kon-zentration in vomHochwasser abgela-gerten Sedimentenim Elbe- und Mulde-Längsschnitt. DieAltdaten sind Unter-suchungsergeb-nisse von Aueböden(Daten Povodí Labe,LFUG Sachsen undLAU LSA, Freiber-ger und VereinigteMulde).

0 500 1000 15000

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Zn-Konzentration in mg/kg

Abb. 5-13 Flusstypische Elementverhältnisse. Wäh-rend das Verhältnis von Blei zu Zink entlang der Elbeannähernd gleich bleibt, ist die spezifische Bleibelas-tung in Muldesedimenten stark erhöht.

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BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

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und Arsen den mobilsten Schadstoff dar und eineAnreicherung in der Vegetation ist trotz Einhaltungder Maßnahmenwerte der BBodSchV möglich(100). Folgende Reihe der abnehmenden Mobilität vonSpurenmetallen wurde an Überflutungsböden derElbe gefunden (100): Cadmium >> Zink > Kupfer > Blei und Arsen. Dabei stellt der pH-Wert des Bodens die entschei-dende Steuergröße zur Mobilisierung von Cad-mium dar. Die Abbildung Abb. 5-15 verdeutlicht,dass mit zunehmender Versauerung des Bodens(bei sinkendem pH-Wert; < 6,0) mit einer Zunahmeder Verfügbarkeit des Schadstoffes gerechnet wer-den kann. Gerade hochgelegene Standorte inAuen, die nicht in jedem Jahr überflutet werden,bzw., die keinen nennenswerten basisch wirkendenStoffeintrag erfahren, können Standorte mit hoherCadmium-Anlieferung für die Vegetation darstellen,auch wenn sie nicht hochgradig belastet sind. Im Rahmen des Adhoc-Hochwasserprojektes wur-den umfangreiche Untersuchungen zur Dioxinbela-stung von Böden entlang der Elbe und an ausge-wählten Standorten der Mulde durchgeführt(Abb. 5-16). Der Vergleich von Böden und Sedi-menten hinsichtlich ihrer Dioxinkonzentrationenzeigt, dass Böden bei weitem höher kontaminiertsind als Sedimente (vgl. Abschnitt 2.2). Dies ist einIndiz für lange zurückliegende Dioxinemissionen,die zwar heute nicht mehr in diesem Ausmaß in fri-schen Sedimenten vorkommen, aber noch in denBöden nachweisbar sind. Erkennbar ist auch, dass

die einmalig überfluteten Böden hinter Deichbruch-stellen, bzw. mit Elbwasser gefluteten Poldernusw., sowohl ober- als auch unterstromig derMulde, als nicht belastet einzustufen sind. Wieschon die Dioxinbefunde in den Sedimenten ver-muten ließen, sind auch die Böden unterstromigder Mulde und der Saale in viel stärkerem Maßebeeinträchtigt, als die Böden aus dem oberstromi-gen Elbtal. Diese Befunde decken sich mit Untersu-chungsergebnissen des Landesumweltamtes Bran-denburgs (105). Dabei wird in der Muldeaue (dieSaaleauen wurden bis dato nicht derartig unter-sucht) und den Elbauen der Bund-Länder Richtwertvon 40 I-TEQ ng/kg (36) an den meisten Standor-ten überschritten, so dass eine Prüfung des Dioxin-transfers in die Futter- und produzierten Nahrungs-mittel geboten erscheint.

5.1.2.3 Wie sieht es mit dem Schadstofftransfer in die Vegetation aus?

Der Schwermetalltransfer ins Pflanzengewebekann vielfältiger Natur sein (Abb. 5-2). Er hängtmaßgeblich von den Eigenschaften der Metalleselbst ab. Dabei gelten Quecksilber, Blei und Arsenals sehr immobil, d.h. die Aufnahme über die Wur-zeln kann vernachlässigt werden. Im Gegensatzdazu stehen Cadmium und Zink, sowie mit Ein-schränkung noch Nickel und Kupfer, die leicht überdas Wurzelsystem in die Pflanze gelangen können.Nach der Futtermittelverordnung (52) sind insbe-

4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,00

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Bodenreaktion pH (CaCl2)

Abb. 5-15 Cadmiummobilität von Auenböden in Abhän-gigkeit der Bodenreaktion. Bei hohen pH-Werten ist dasCadmium im Boden kaum pflanzenverfügbar. Sinkt derpH-Wert, z.B. durch Auswaschen von Basen oder durchEinwirkung sauren Regens, dann kann viel Cadmiumvon den Pflanzen aufgenommen werden.

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deutsche Elbe-km

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Abb. 5-16 Dioxine in den Böden und Sedimenten derElbe und den Böden der unteren Mulde. 5*: Die Bund-Länder Arbeitsgruppe DIOXINE hat 1992 Richtwerte fürdie Nutzung von Böden empfohlen. Unter 5 I-TEQ ng/kgsei eine unbeschränkte Nutzung möglich, zwischen 5und 40** I-TEQ ng/kg sei eine eingeschränkte landwirt-schaftliche Nutzung möglich. Über 40** I-TEQ ng/kgsollte die landwirtschaftliche Nutzung nur zulässig sein,wenn ein bewiesenermaßen vernachlässigbarer Dioxin-transfer stattfindet.

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 5 WELCHES SIND DIE LANGFRISTIGEN FOLGEN DER GEWÄSSERBELASTUNG?

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sondere die Gehalte in den Pflanzen von Arsen,Blei, Cadmium und Quecksilber gesetzlich gere-gelt. Die Untersuchungsergebnisse aus dem Jahr2003 haben aber gezeigt, dass Futtermittelüber-schreitungen sowohl für immobile (Beispiel Queck-silber) als auch für mobile (Beispiel Cadmium)Schadstoffe auftreten können. Woran liegt das?Der Haupt-Aufnahmepfad bezüglich der ElementeQuecksilber und Cadmium ist unterschiedlich. Eskann angenommen werden, dass Quecksilber inForm von anhaftenden Partikeln durch das Sedi-ment oder Staub die Pflanze belastet. Auch dieAusgasung von organischem Quecksilber und dieAnhaftung an lipophiler Pflanzenoberfläche istdenkbar. Abb. 5-17 zeigt das Überflutungsgebietbei Stromkilometer 435 (zwischen Havelberg undWittenberge). Deutlich sind die schleierartigensedimentären Überzüge an der Vegetation nachdem Hochwasser im Frühjahr 2005 zu erkennen.Für den partikulären Schadstofftransfer spricht,dass Quecksilberbelastungen an der Vegetationhauptsächlich im ersten Erntedurchgang des Jah-res 2003 auftraten (Abb. 5-18). Gleiches gilt fürArsen. Dagegen ist die Cadmiumbelastung der Pflanzenwährend des zweiten Erntetermins durchschnittlichhöher. Die Ursache hierfür ist die höhere Mobilitätdes Cadmiums im Vergleich zu Quecksilber (sieheBox Cadmium). Cadmium wird von den Pflanzenüberwiegend über den Wurzelpfad aufgenommen.Dabei wird das Schwermetall offensichtlich um soleichter für die Pflanze verfügbar, je trockener derBoden ist. Denn bei der Austrocknung des Bodenserhöht sich die Ionenkonzentration in der verbliebe-nen Bodenlösung. Der Schadstoff wird sozusageneingedampft. Das für die Auswertung zugrundegelegte Jahr 2003 war ungewöhnlich trocken.

Gleichzeitig geht Cadmium vorzugsweise mit Chloreine mobile Verbindung ein, es bilden sich soge-nannte Chlorokomplexe. Darüber hinaus weisengerade weniger belastete Böden (z.B. von hochge-legenen und weniger überfluteten Plateauflächen)derart niedrige pH-Werte auf, dass Cadmium hoch-gradig pflanzenverfügbar ist. Dies alles kann dazuführen, dass die Pflanzen Cadmium in einem Aus-maß anreichern, dass Futtermittelwertüberschrei-tungen auftreten, obwohl die diesbezüglichen Maß-nahmenwerte der BBodSchV für den WirkungspfadBoden-Nutzpflanze eingehalten werden. An einemProbenahmepunkt lagen saisonal unterschiedlicheMetallanreicherungen vor. Sowohl während desersten Mahdtermins im Mai, als auch zum zweitenErntezeitpunkt im Juli waren jeweils ca. 50% derProben futtermittelkritisch zu bewerten (52).

Aufgrund der offensichtlich durch Verschmutzungbedingten Belastung der Futtermittel nach demHochwasser im Jahre 2002 wurden in SachsenAnhalt für zahlreiche Landwirte Weideverbote imÜberflutungsbereich der Flussauen ausgesprochenund ein Hochwasser-Futtermittel-Monitoringpro-gramm durchgeführt (3, Seite 10):

“Im Rahmen von 5 Landessonderprogrammen wur-den

• 310 Futtermittelproben aus den Hochwasser-/Überflutungsgebieten des Jahres 2002 auf dasVorhandensein relevanter unerwünschter Stoffegem. Anlage 5 der Futtermittelverordnung,

• 60/84 Proben auf Dioxine/PCBs,

und vieles mehr untersucht.

Anhand des flächendeckenden Futtermittelmonito-rings 2003 wurde in den vom Hochwasser betroffe-nen Regionen gegenüber 2002 ein deutlicherRückgang der Belastung (quantitativ und qualitativ)

Abb. 5-17 Sedimentschleier auf der Vegetation nachdem Hochwasser im März/April 2005 bei Elbekilometer435 (Foto Frank Krüger).

0 100 200 300 400 500 6000,0

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Abb. 5-18 Quecksilberbelastung der Grünlandvegetationentlang der Elbe im Frühling und im Sommer 2003.

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mit den unerwünschten Stoffen Blei, Quecksilber,Arsen und ß-HCH festgestellt. Im Ergebnis dessen konnten die nach dem Hoch-wasserereignis 2002 angeordneten Weideverbotewieder aufgehoben werden. Das Hochwasser-Fut-termittelmonitoring wurde 2003 beendet. Ab 2004folgte ein unbefristetes Flussauen-Futtermittel-Monitoringprogramm.

Bei den Untersuchungen auf Dioxine/PCB lagenNachweise von Dioxinen vor, wobei die zulässigenHöchstgehalte für Futtermittel nicht überschrittenwurden. Die 84 Untersuchungen auf PCB verliefenohne deren Nachweis ....".

CadmiumCadmiumemissionen stammen aus dem Altberg-bau, der metallverarbeitenden, der chemischen-und pharmazeutischen Industrie, dem KfZ-Verkehr(Reifenabrieb und Verbrennungsrückstände vomDieselöl), werden aber auch über phosphorhaltigeDünger in der Umwelt verbreitet. Des weiteren fin-det Cadmium in Batterien (Ni-Cd-Batterien) Ver-wendung. Vor dem Inkrafttreten der Klärschlamm-verordnung wurden auch Cd-reiche Schlämme zuDüngungszwecken ausgebracht, die auch heutenoch als diffuse Quellen wirken. Cadmium ist ein für Tier und Mensch bereits in sehrgeringen Konzentrationen toxischer Schadstoff.Bekannt wurde zwischen 1947 bis 1965 die soge-nannte Itai-Itai Krankheit, bei der durch Cadmium-aufnahme, wahrscheinlich in Kombination mitEiweiß- und Calziummangel, Knochendeformatio-nen und Skelettschrumpfungen auftraten. Beierhöhter Aufnahme mit der Atemluft können auchLungenemphyseme entstehen, darüber hinaus gibtes Hinweise auf eine canzerogene Wirkung (136).Für den Menschen ist heute im Allgemeinen dieCadmiumaufnahme mit der Nahrung von Bedeu-tung. Zwischen 3 bis 8% der aufgenommenen Cad-miummenge werden beim Menschen resorbiertund vor allem in Leber und Nieren angereichert. Indiesen Organen werden ca. 50% des gesamten imKörper gespeicherten Cadmiums eingelagert. BeimÜberschreiten einen kritischen Gehaltes von 200µg/g Frischgewicht in der Nierenrinde kann es zuProteinurie kommen. Die biologische Halbwertszeitvon Cadmium im Menschen ist sehr hoch (19-38Jahre), weshalb die Belastung von Leber und Nieremit dem Alter des Menschen zunimmt und cadmi-uminduzierte Nierenstörungen hauptsächlich beiüber Fünfzigjährigen auftreten (136).

Wichtige Grenzwerte:Boden (25):• Prüfwertefür den Transferpfad Boden-Mensch-

Direktaufnahme: Kinderspielflächen 10 mg/kg (inHaus- und Kleingärten 2 mg/kg), Wohngebiete 20mg/kg (in Haus- und Kleingärten 2 mg/kg) , Park-und Freizeitanlagen 50 mg/kg, Industrie undGewerbeflächen 60 mg/kg

• Maßnahmenwert für den Transferpfad Boden-Nutzpflanze bei Ackerbau und Nutzgärten imHinblick auf die Pflanzenqualität: 0,04 mg/kg(Ammoniumnitratextrakt; Flächen mit Brotweizen-anbau bzw. stark anreichernder Gemüsearten),ansonsten 0,1 mg/kg (Ammoniumnitratextrakt).

• Maßnahmenwert für den Transferpfad Boden-Nutzpflanze bei Grünlandnutzung im Hinblickauf die Pflanzenqualität: 20 mg/kg

• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Grundwas-ser: 5 µg/l

Trinkwasser (40): 5 µg/lFuttermittel (52): Alleinfuttermittel 1 mg/kgLebensmittel (135, 160, 161): Fleisch von Rin-dern, Schafen, Schweinen und Geflügel 0,05 mg/kg, Pferdefleisch 0,2 mg/kg, Leber von Rindern,Schafen, Schweinen und Geflügel 0,5 mg/kg, Nie-ren von Rindern, Schafen, Schweinen und Geflügel1 mg/kg; Fisch: 0,05 mg/kg, bei Aal 0,1 mg/kg;Getreide (außer Kleie, Keime, Weizengetreide undReis: 0,2 mg/kg) 0,1 mg/kg.Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):Die Maximale-Arbeitsplatz-Konzentration (MAK-Wert) in Deutschland für Cadmium in Stäuben undAerosolen wurde bei der Batterieherstellung, ther-mische Zink-, Blei- und Kupfergewinnung und fürdas schweißen cadmiumhaltiger Legierungen mit0,03 mg/m³ und der für die übrigen Arbeitsplätzemit 0,015 mg/m³ festgelegt. Die Angaben gelten fürden einatembaren Anteil der Luft des Arbeitsberei-ches.

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 5 WELCHES SIND DIE LANGFRISTIGEN FOLGEN DER GEWÄSSERBELASTUNG?

58

5.1.2.4 Wie verhält es sich mit der Schadstoffanreicherung im Weidevieh?

Aufgrund der besorgniserregenden Befunde überdie Belastung des Bodens in den Überflutungsflä-chen wurde von der Tierärztlichen HochschuleHannover an der niedersächsischen Elbe bei Sas-sendorf eine detaillierte und systematische Unter-suchung über den Transfer von Dioxinen in diemenschliche Nahrungskette durchgeführt (138,139).

Auch in dieser Studie wird angemerkt, dass die Auf-nahme von Schadstoffen nicht alleine über dieVegetation erfolgt, die Kühe fressen vielmehr auchBoden (113, 152), der an den Pflanzenteilen anhaf-tet (bis zu 1,5 kg am Tag). Sie inhalieren aber auchbelastete Stäube und sie saufen aus belasteten Alt-gewässern (Abb. 5-19). In der niedersächsischenStudie wird belegt, dass es auf Böden mit Dioxinge-halten weit über den Richtlinien der AG "Dioxine"(siehe Abschnitt 5.1.2.2 und Abb. 5-16) zu Höchst-mengenüberschreitungen nach Futtermittelverord-nung kommen kann (138, 139). Dabei ist anzumer-ken, dass auch die angewandten Erntetechnikenzu einer Belastung beitragen können, wenn sie zueiner Verschmutzung der Vegetation führen.Außerdem wird gezeigt, dass mit zunehmenderBeweidungsdauer auch die Dioxingehalte in derMilch ansteigen, und Höchstgehaltsüberschreitun-gen auftreten. Abb. 5-20 zeigt den Verlauf derDioxingehalte in der Milch während des Versuchs-zeitraumes. Die Rinder waren vor dem Versuchunbelastet und nur während des Versuchszeit-raums der Dioxinbelastung ausgesetzt.

Die Ergebnisse belegen aber auch, dass dieDioxinbelastung der Milch rückläufig ist, wenn dieTiere in einer Stallungsperiode mit unbelastetemFutter gefüttert werden. Auch die Messergebnisse

nach der Schlachtung zeigten keine Belastung vonLeber, Muskel und Fettgewebe.

In einem weiteren Versuch wurden trächtige Kühewährend der Trockenstellungsperiode, genau vierWochen vor dem berechneten Kalbungstermin, mitGrassilage aus dem Überflutungsbereich der Elbegefüttert. Nach der Kalbung bekamen die Kühewieder unbelastetes Futter, sowie Kraftfutterzuga-ben. Erwartungsgemäß war die Erstmilch hochgra-dig belastet. Aber schon nach drei Tagen erreichtendie Dioxinkonzentrationen ein Niveau unterhalb derzulässigen Höchstgehalte (Abb. 5-21). Damit istman auf der sicheren Seite, wenn Milch bis zu fünfTagen nach der Kalbung nicht in den Verkehrgebracht werden darf. Die Reduktion der Kraftfut-terzugabe zwischen der 6. und der 8. Woche nach

Abb. 5-19 Weidevieh im Restwasser einer Flutrinne ander Mittelelbe (Foto Frank Krüger).

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Abb. 5-20 Dioxingehalte in der Milch von Weidevieh ausden Elbauen. Nach 10 Wochen wurden die Kühe aus-schließlich mit unbelastetem Futter gefüttert. Daten vonSchulz et al. (139); es handelt sich um Ergebnisse ausMilchmischproben sowie um Mittelwertbildungen aus dreiEinzelergebnissen.

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Abb. 5-21 Verlauf der Dioxingehalte in der Milch nachder Kalbung. KFR*: Kraftfutterreduktion (nach 139).

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der Kalbung, durchgeführt zur Fettmobilisierung,führte nicht zu einer weiteren Schadstofferhöhungin der Milch. Auch die Belastung von Leber, Muskelund Fettgewebe dieser Tiere war unterhalb derzulässigen Höchstgehalte nach der Verordnung(EG) 2375/2001 (139).

Beide Versuche legen nahe, dass die Nutzung desVorlandes als Grünland aus Gründen der Bela-stung und Schadstoffanreicherung in der Nah-rungskette nicht unterbleiben muss. Aber ein Nut-zungsmanagement scheint unerlässlich. Beruhi-gend wäre auch, wenn gleichartige Versuche überdie gesamte bzw. mehrere Beweidungsperiodendurchgeführt werden, wenn die Anreicherung inmännlichen Tieren, die die Schadstoffe ja nicht mitder Milch ausscheiden können, getestet werden.Darüber hinaus muss die Übertragbarkeit dieserErgebnisse auf andere Regionen an der Elbe über-prüft werden.

Zahlreiche Maßnahmen zur Minimierung desSchadstofftransfers von den Überflutungsflächen indie menschliche Nahrungskette wurden von Rit-schel und Dinkelberg bereits 2003 formuliert (130).Mögliche Maßnahmen sind u.a.:

• Ausgrenzung von Senken (Bereich höchster Bela-stung) und Wasserlöchern (Tränkstellen),

• Auftrieb erst nach niederschlagsbedingter Abwa-schung von Sedimentpartikeln vom Aufwuchs,

• Auftrieb bei hohem Bewuchs, geringe Viehdichte,

• Kurze Beweidungszeiten

• Zufütterung von "unbedenklichem" Futter beiStallhaltung

• Wiesen- statt Weidenutzung,

• Geeignete Erntetechnik zur Verringerung der Ver-schmutzung,

• Vermarktung nur nach analytischem Unbedenk-lichkeitsnachweis,

• Nur Nutzung von Pflanzen mit bekanntem gerin-gen Schadstoff-Transfer, kein Anbau bodennahwachsender Feldfrüchte

Dabei soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass esinsbesondere in den Muldeauen hochgradig bela-stete Bereiche gibt, die zur Vermeidung des Schad-stofftransfers in die Nahrungskette bereits 1994 ausder Nutzung genommen wurden (116). Auch dieAnreicherung von Schadstoffen in Wildtieren kannproblematisch sein, insbesondere bei bodenbre-chendem Schwarzwild.

5.1.3 Ist das Trinkwasser belastet?

Trinkwasser ist ein gut untersuchtes und überwach-tes Medium. Trinkwasser ist ja auch lebenswichtigund weltweit werden die Ressourcen knapper.Daher scheint rechtzeitige Vorsorge geboten.Umfangreiche Untersuchungen, auch aus demAdhoc-Hochwasserprojekt belegen für die histo-risch belastete Region Wolfen-Bitterfeld eine deutli-che Belastung des Grundwassers mit vielen Sub-stanzen, wie Chlorbenzole, leichtflüchtigen Chlor-kohlenwasserstoffen, Nitrochlorbenzene, Benzenu.v.m.. Aber dieses Grundwasser wird ja auch nichtfür die Trinkwassergewinnung genutzt, es wirdintensiv überwacht und es gibt Versuche, diese Alt-lasten zu sanieren. Ein weiteres Risikopotenzial wird für das oberflä-chennahe Grundwasser der Auen gesehen. Dieteilweise hohe Mobilisierbarkeit von Schwermetal-len und Arsen führte an mehreren Messstellen zurÜberschreitung der Prüfwerte für den TransferpfadBoden-Grundwasser der BBodSchV (25). Und dassowohl in den Elb- als auch in den Muldeauen. DieÜberschreitung der Prüfwerte sind als Auftrag fürweitere Untersuchungen zu verstehen, um einenachhaltige Sicherung des Trinkwassers zugewährleisten. Dabei müssen aber zunächst dieGrundwasserfließrichtungen geklärt und dasgesamte Mobilisierungspotenzial von Schadstoffenin den Auen aufgeklärt werden.

Page 62: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

WOLF-RAINER ABRAHAM, HEIKE PETZOLDT UND GERHARD STRAUCH ABSCHNITT 6 INFEKTIONSRISIKEN DURCH MIKROORGANISMEN IM FLUTWASSER

60

6 Infektionsrisiken durch Mikroorganismen im FlutwasserWolf-Rainer Abraham, Heike Petzoldt und Gerhard Strauch

Mikroorgansimen sind vorwiegend einzellige, nie-dere Organismen, die gewöhnlich nicht mit bloßemAuge sichtbar sind. Im engeren Sinne zählen dazuvor allem Bakterien, aber auch Pilze, niedere Algenund Protozoen. Einige Vertreter dieser Organis-mengruppen sind infektiös und/oder können Gifteproduzieren.

6.1 Bakterien und Pilze in Flüssen und deren Funktionen

Es gibt fast keinen Platz auf der Erde, der nicht vonBakterien besiedelt werden kann. Einige Speziali-sten können bei -20°C oder 106°C, in gesättigtenSalzlösungen, bei pH 0 (also in extrem sauremMilieu) oder pH 12 (in einem extrem alkalischenUmfeld), aber auch unter der starken radioaktivenStrahlung von Abklingbecken in Kernkraftwerkenwachsen. Viele können Sauerstoff zur Atmungbenutzen. Wenn der aber fehlt, müssen sie nicht,wie wir, ersticken. Sie sind in der Lage, ihren Stoff-wechsel umzustellen. Sie nutzen dann eine Reiheanderer Oxidationsmittel wie Nitrat, Sulfat oderauch Eisen-(III).

In unseren Flüssen sind Mikroorganismen allge-genwärtig. Oft wird man ihrer sogar mit dem bloßenAuge gewahr, wenn sie als schleimige Biofilme aufSteinen oder Holzstücken wachsen und manchervon uns ist schon auf solchen schleimigen Steinenbeim Baden ausgerutscht. Mikroorganismen erfül-len im ’Stoffwechsel’ der Gewässer eine wichtigeRolle, in dem sie organische Stoffe abbauen, dievorher vom Land in die Gewässer gespült oder vonden Algen und Wasserpflanzen im Gewässer selbstproduziert wurden. Einige Bakterien setzen denStickstoff aus organischen Verbindungen frei, stel-len ihn damit anderen Organismen zur Verfügungoder verringern die Nährstoffbelastung des Gewäs-sers, wenn im Zuge der Denitrifikation am Endemolekularer Stickstoff an die Luft ausgast. Nichtzuletzt bauen sie eine Fülle von Schadstoffen ab,die wir unbedacht in die Umwelt entlassen. So gibtes einige Bakterienstämme, die beispielsweisePestizide, Dieselöl oder Waschmittel abbauen kön-nen. In diesem Zusammenhang sprechen wir vonder ’Selbstreinigung’ der Gewässer. Die Masse derMikroorganismen in den Flüssen sind also generelletwas Natürliches und von großem Nutzen für denHaushalt der Natur und unsere industrialisierteGesellschaft.

Abb. 6-1 Mikroskopische Abbildung von Biofilm bildenden Bakterien aus Trinkwasser. Aufnahmen mit dem Rasterkraftmikroskop, Tapping Mode. Dieses kann in einer Aufnahme durch unterschiedliche Sig-nalverarbeitung mehrere Bilder gleichzeitig liefern. Links Höhensignal (hier können Strukturen in drei Richtungen ver-messen werden), rechts das Amplitudensignal. Hier wurde die beginnende Biofilmbildung auf unterschiedlichenMaterialoberflächen untersucht. AFM-Untersuchungen sind besonders für sehr frühe Stadien der Biofilmbildung geeig-net (Foto Brigitte Garske).

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6.2 Mikroorganismen als Krankheitserreger

Aus eigener, manchmal leidvoller, Erfahrung wis-sen wir, dass eine Reihe von Mikroorganismenauch Krankheitserreger sein können. In der Regelist unser Körper auf den Kontakt mit Mikroorganis-men eingerichtet und wehrt sich auf sehr unter-schiedliche Weise.

Die meisten Bakterien sind harmlos, werden vomImmunsystem in der Regel in Schach gehaltenoder haben im oder auf dem Körper Nischen gefun-den, wo sie uns nicht schaden oder unter Umstän-den sogar nützlich werden (Hautflora, Darmflora).Pathogene Bakterien, Pilze, Protozoen, Würmerund Viren sind dagegen darauf spezialisiert, sichals Parasiten im Menschen oder verwandten Artenzu entwickeln. Oft entbrennt sozusagen ein Kampfzwischen angreifenden Mikroorganismen und demImmunsystem des Menschen. Viele Pathogenehaben spezielle Mechanismen entwickelt, dasImmunsystem auszutricksen und können sich dannzunächst relativ ungestört vermehren. Geschwächtwird der Körper nicht nur durch heftige Immunreak-tionen, sondern auch durch die Zerstörung (Lyse)von Zellen in menschlichen Geweben und von gifti-gen Stoffwechselprodukten der Krankheitserreger.

Wenn sich der Körper einem Angriff durch patho-gene Mikroorganismen zu erwehren hat oderanderweitig, beispielsweise durch Operationen,Stress oder Verletzungen (Brandwunden),geschwächt ist, so kann diese Situation von weite-ren Mikroorganismen als Chance genutzt werden.Diese Anderen stellen für uns im Alltag normaler-weise keine nennenswerte Gefahr dar. Aber imMoment unserer Schwächung, und nur dann, sindsie gefährlich. Wir nennen solche Bakterien fakul-tativ pathogen, weil sie nur zusammen mit ande-ren, für uns ungünstigen Bedingungen gefährlichwerden können.

6.3 Wie kommen pathogene Mikroorganismen in die Flüsse?

Pathogene und auch fakultativ pathogene Mikroor-ganismen gelangen regelmäßig in Gewässer. DieQuellen dafür sind vielfältig: Ausscheidungen vonTier und Mensch, Kadaver (Abb. 6-2) oder Übertra-gung durch andere Tiere (Zwischenwirte). Entlangder Elbe bilden Viehweiden in der Aue als auch(ungeklärte) menschliche Abwässer die Hauptquel-len. Nach der Verbesserung der Reinigungslei-stung vieler Kläranlagen entlang der Elbe seit Mitteder 1990er Jahre ist die Konzentration der patho-genen Mikroorganismen gewöhnlich nicht großgenug, bei Hautkontakt Infektionen auszulösen.Wir können also normalerweise unbesorgt in derElbe baden, wenn dabei kein Wasser verschlucktwird. Unangenehm ist dagegen der durch dasstarke Algenwachstum oft extrem hohe pH-Wert,der die Haut und Augen reizt.

Diese Situation ändert sich grundlegend, wenn sichein Hochwasser anbahnt. Der starke Regen spült ingroßem Maße Erdreich und obere Bodenschichtenin die Flüsse. Teilweise wird damit die Schutzwir-kung des Bodens für den Grundwasserleiter ver-mindert. Ausscheidungen von Weidetieren (Abb. 6-3) sowie bereits ausgebrachter Mist und Gülle ausGroßviehhaltungen werden in die Gräben und Vor-fluter gespült, von denen aus sie auch die großenFlüsse erreichen. Wenn die Fluten landwirtschaftli-che Betrieben überschwemmen, können zusätz-lich Misthaufen und Jauche- und Güllegruben, diehöchste Keimzahlen enthalten, ins Wasser gelan-gen.

Nun sind aber die Bakterien meist hochgradig spe-zialisiert. Arten, die im Kot der Tiere vorkommensind nicht unbedingt gefährlich für den Menschen.Werden aber auch Kläranlagen überschwemmt,können Krankheitserreger ins Flusswasser gelan-gen, die direkt aus dem menschlichen Darm stam-men und die daher unmittelbar wieder auf denMenschen übergehen können. Sie stellen einepotenziell hochgradige Gefahr für Menschen dar,

Abb. 6-2 Kadaver als Infektionsquelle. In dem seitfünf Tagen von den Wassermassen eingeschlossenOrt Seegrehna bei Wittenberg zog am 22.8.2002 der62-jährige Dieter Krüger in seinem Garten einen totenHahn aus dem Wasser. Rund 180 Menschen lebtendamals in diesem Ort, der wie eine Insel rundum vonWasser bedroht war. Die Elbe hatte hier am 20.8.2002einen Damm durchbrochen und mehrere Orte überflu-tet (Foto Waltraud Grubitzsch).

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die mit ihnen in Kontakt kommen. Das gilt für alleBereiche, die von den Fluten betroffen werden:landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzte Flächenebenso wie Häuser und deren Einrichtungen.

6.4 Überleben pathogene Mikroorganismen im Wasser der Flut?

Vorteilhaft ist für uns die Spezialisierung der patho-genen Mikroorganismen, also die hochgradigeAnpassung an ihre Wirtsorganismen. Die meistenKrankheitserreger können nicht lange im Flusswas-ser, in dieser für sie ungewohnten Umgebung,überleben. Wo der Mensch ihnen 37°C bietet undim menschlichen Darm Nährstoffe im Überfluss zurVerfügung stehen, hat der Fluss je nach Jahreszeitnur maximal um die 20°C und auch das Angebot anNährstoffen ist um viele Größenordnungen gerin-ger. Die Folge ist, dass die meisten Fäkal-Bakterienin recht kurzer Zeit absterben. So konnte man wäh-rend der großen Augustflut im Jahre 2002 zwarhohe Konzentrationen an Escherichia coli Bakte-rien (Abb. 6-4) unmittelbar flussabwärts von über-fluteten Klärwerken nachweisen, aber bereits 50km weiter waren diese hohen Bakterienkonzentra-tionen verschwunden (Abb. 6-5). Andere Bakterienaber, insbesondere fakultativ pathogene Bakterien,sind nicht so empfindlich und können durchaus län-ger im Fluss überleben und damit auch eine Gefahrfür den Menschen darstellen.

Was bedeutet dies nun für die Trinkwasserversor-gung durch die ufernahen Wasserwerke? Als wäh-rend der Augustflut einige Wasserwerke samtderen Brunnen überflutet wurden, bestand unmit-telbar die Gefahr, dass pathogene Bakterien in dieTrinkwasseraufbereitung gelangen konnten. Siewurden daher sofort vorbeugend abgeschaltet. FürWasserwerke, deren Brunnen noch arbeiteten, dieaber aus einem mit pathogenen Keimen belastetenFluss versorgt wurden, bestand mittelfristig dieGefahr einer Kontamination über die Uferpassageund durch Versickerung durch die Bodenzone.Unsere Untersuchungen an überfluteten Wasser-schutzzonen von Elbe und Mulde haben gezeigt,dass es beispielsweise dem Darmbakterium E. colinicht gelingt, den Boden zu durchqueren und in die

0 100 200 300 400 500 60010

1

102

103

104

Vorland, jährlich überflutet

Hinterland, einmalig überflutet hinter Deichbruch

Hinterland, nie überflutet

Clo

stri

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ing

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(n/g

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deutsche Strom-km

Abb. 6-3 Anzahl (n) des Bakteriums Clostridium perfrin-gens in Bodenproben entlang der Elbe. Im jährlich über-fluteten Vorland vor den Deichen sind entlang desgesamten Stromes hohe Bakterienzahlen vorhanden.Das Vorland wird regelmäßig zur Viehweide genutzt. Auf den nur einmal, im Sommer 2002 überfluteten Flä-chen sind die Clostridium-Zahlen geringer. Aber auch inniemals überfluteten Böden kommen diese Bakterienvor.

Abb. 6-4 Escherichia coli, das Darmbakterium.imTrinkwasser. Die Breite des Ausschnitts beträgt 10 µm(Foto Brigitte Garske). E. coli ist nicht immer nur harmloser Fäkalindikator,sondern kann manchmal auch selber ein gefährlicherKrankheitserreger sein. Wochenlang hielt eine Epide-mie im Jahr 2000 die kanadische Gemeinde Walkertonin Atem. Nach heftigen Regenfällen (134 mm in 4Tagen) wurde eine Trinkwasserfassung mit Gülle auseinen Viehzuchtbetrieb verunreinigt. 2300 der 4800Einwohner erkrankten. Rund 1000 Opfer wurden ambu-lant, 68 mussten stationär im Krankenhaus behandeltwerden, und 7 Menschen starben an den Folgen derInfektion. E. coli O157:H7 (das ist die Bezeichnung desStammes) und ein weiteres Bakterium, Campylobacterjejuni, verursachten i.d.R. Magenschmerzen, später oftblutigen Durchfall und manchmal heftige Unterleibs-schmerzen. Für Kinder unter fünf Jahren und ältereMenschen können Infektionen mit E. coli O157:H7ernsthafte Folgen haben. Sie können nach fünf biszehn Tagen der Infektion das Hämolytische uremischeSyndrom (HUS, 68) verursachen, welches zu Anämie,verminderter Thrombozytenzahl, akutem Nierenversa-gen, und in manchen Fällen zum Tode führt (67).

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Brunnen zu gelangen. Die Uferfiltration und dieWirksamkeit der Bodenabdeckung als vertikaler Fil-ter funktionierten also auch bei dieser schwerenFlut noch reibungslos.

6.5 Sind Pathogene eine Gefahr im Flutwasser und wie kann man sie bekämpfen?

Welche Gefahr stellen nun die pathogenen Bakte-rien im Flutwasser wirklich dar? Wir haben gese-hen, dass die massenhaft eingeschwemmtengewöhnlichen Darmbakterien (Coliforme) im Flussinnerhalb kurzer Zeit absterben. Ähnlich verhält essich mit dem Teil der Coliformen, der mit Flutwas-ser und -schlamm auf landwirtschaftlich und gärt-nerisch genutzte Flächen und die darauf vorhan-dene Vegetation (Obst, Gemüse, Getreide undViehfutter) eingetragen wird. Langfristig, also überMonate bis Jahre gesehen, bilden sie keine blei-bende Gefahr für die Menschen.

Pirna

Dresden-Kaditz

Riesa

Torgau

Wittenberg

Wörlitz

100 1000 10000 100000 1000000

MPN/g TM

E. coli Coliforme

Wasser:

Sediment:

Abb. 6-5 Verteilung von Coliformen/E-Coli in der Elbeca. eine Woche nach Durchgang des Flutscheitels. DieBakterienzahlen sind im Oberen Elbtal (Pirna) sehr hochund nehmen durch die während des Hochwassers 2002ungeklärt eingeleiteten Abwässer des BallungsraumesDresden noch stark zu (beachte die logarithmische Dar-stellung). Unterhalb von Riesa ist dagegen eine starkeAbnahme der Koloniezahlen erkennbar. In Wörlitz konn-ten keine E. coli mehr nachgewiesen werden, und dieZahl der Coliformen nahm im Vergleich zu Riesa um99,8% ab.

Funktion der Uferfiltration In vielen Trinkwasserwerken entlang der Elbe wird dieUferfiltration erfolgreich zur Vorreinigung des Elbwas-sers eingesetzt.

Das Wasser fließt aus dem Fluss unterirdisch alsGrundwasser durch den Grundwasserleiter zu denBrunnen, die in einigen dutzend bis hundert Meternvom Flussufer entfernt gesetzt wurden. Das ist quasider entgegengesetzte Weg, den das Wasser natürli-cherweise nehmen würde (vgl. Abb. 2-8).

Im Grundwasserleiter, der meist aus feinen bis grobenSanden und Kiesen besteht, reinigt sich das infiltrierteFlusswasser mechanisch von groben Verunreinigun-gen. Mikroorganismen setzen einen großen Teil derSchadstoffe um. Dabei vermindern sie die Schadstoff-konzentration derart drastisch, dass das Flusswassernach der gesetzlich geforderter Mindestfließzeit von50 Tagen im Grundwasserleiter den Förderbrunnen inausreichender Rohwasserqualität erreicht.

Das Umfeld um die Brunnenfassungen wird durchAusweisung als Wasserschutzgebiet besondersgeschützt. Hier dürfen beispielsweise keine Chemika-lien oder andere Gefahrenstoffe sowie bakteriologi-sches Material, von welchem eine mikrobielleKontamination ausgehen könnte, gelagert, ausge-bracht oder gehandelt werden. Der Boden muss auchvon oben her als Abdichtung einen Schutz für denGrundwasserleiter gewähren.

Natürlich sollte Flusswasser, aus dem Uferfiltratgewonnen werden soll, nur gering von Schadstoffenbelastet sein. Elbwasser ist jedoch seit Jahrzehntensehr stark verschmutzt gewesen. Die Belastung mitinfektiösen Keimen (Bakterien, Viren und Wurmeiern)war extrem hoch, da viele Kläranlagen in der ČSSRund DDR keine biologische Reinigungsstufe aufwie-sen oder Abwässer gar direkt ungeklärt in den Flusseingeleitet wurden. Dass diese Keime ihren Weg bisins Trinkwasser fanden, zeigen diese Zahlen: Dresdenwies in den 1980er Jahren eine 3mal höhere Häufig-keit von Magen-Darm-Infektionen auf als der Durch-schnitt der DDR. Die Stadt bezog etwa die Hälfte ihresTrinkwassers aus Uferfiltrat aus der Elbe (die andereHälfte aus sauberem Talsperrenwasser). Meißen,wenige Kilometer stromab, hatte eine 7mal höhereInfektionsrate und bezog sein gesamtes Trinkwasseraus der Uferfiltration von Elbwasser (Daten R. Walter).

Seit Anfang der 1990er Jahre hat sich die Wasserqua-lität der Elbe bereits drastisch verbessert. Währenddes Hochwassers wiesen zwar einige Meßgrößendeutlich erhöhte Konzentrationen auf, jedoch wurdedas hohe Niveau von vor 1990 bei weitem nichterreicht. Die Qualität der Trinkwasseraufbereitung ausUferfiltrat ist ebenfalls stark gestiegen. Zudem wirdDresden nur noch zu 20% mit Uferfiltrat aus der Elbeversorgt.

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Jedoch sind die Coliformen nur ein leicht zu analy-sierender Indikator für Fäkalbelastung und nurfakultativ pathogen. Tatsächlich pathogene Bakte-rien sind im Flutwasser viel seltener und dazu oftschwieriger analytisch zu bestimmen. Untersuchungen in während der August-Flut über-schwemmten Kellern haben gezeigt, dass hierdurchaus längere Zeit Pathogene nachweisbarwaren (Abb. 6-6). Alarmierend waren hier beson-ders die Ergebnisse zur Resistenz der Bakteriengegen handelsübliche Antibiotika. Bakterielle Infek-tionen werden seit Ende des 2. Weltkrieges mitAntibiotika bekämpft. Heutzutage gibt es eineReihe hochwirksamer und oft auch recht spezifi-scher Antibiotika, die in der Medizin und in großemAusmaß auch in der Viehmast eingesetzt werden.Und genau gegen diese Antibiotika waren viele derBakterienstämme aus den überfluteten Kellernimmun. Das heißt, die Antibiotika wirkten nichtmehr keimtötend.

Flut-Isolate Elbe-Isolate Oker-Isolate

Resistent Grenzfall Sensibel

Abb. 6-6 Antibiotika-Resistenz von Bakterienstämmenvom Hochwasser 2002. Untersucht wurden Flut-Isolateaus Kellern in Bitterfeld und Hitzacker, Elbe-Isolate ausdem Fluss bei Hitzacker ein Jahr nach der Flut, und Iso-late aus der Oker zum Vergleich. Die vier Ringe stehenfür folgende Antibiotika (von außen nach innen):1. Ampicillin, 2. Erythromycin, 3. Gentamycin,4. Multiresistenz gegen alle drei Antibiotika.

Abb. 6-7 Verschlammter Obstgarten bei Elbe-Strom-km 97. Das verschlammmte Fallobst kann nur noch auf denKompost (Althirschstein, Foto René Schwartz).

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Resistenzen von Bakterien gegenüber Antibiotikasind seit langem bekannt. Die Mikroorganismenhaben Mechanismen entwickelt, sich der Wirkungder Antibiotika zu entziehen. Diese Mechanismenwerden vererbt. Teile des Erbguts können zwischenverschiedenen Bakterienarten übertragen werden.So kann sich eine Resistenz gegen ein bestimmtesAntibiotikum recht schnell unter verschiedenenBakterien verbreiten. Man entgegnet dem in derMedizin mit dem Einsatz immer neuer, für die mei-sten Bakterien bisher unbekannter Antibiotika.Auch werden zunehmend Kombinationen verschie-dener Antibiotika verabreicht. Seit einigen Jahrenist allerdings in Krankenhäusern festzustellen, dassBakterien Multiresistenzen aufweisen, also gegenverschiedene antibakterielle Wirkstoffe immun sind.Darunter gibt es Bakterienstämme, die sich mit kei-nem der heute verwendeten Antibiotika mehrbekämpfen lassen. Im Falle einer Erkrankung stehtder Arzt ohne wirksame Medikamente da.

Überraschend war nun, dass solche Multiresistenzauch bei Bakterien beobachtet wurde, die ausüberfluteten Kellern isoliert wurden. Nun lässt sichnicht mit Sicherheit sagen, ob diese Bakterienschon vor der Flut in den Kellern waren und garnicht aus dem Flutwasser stammen. Einiges sprichtjedoch dafür, dass sie mit der Flut in die Kellergebracht wurden. Ein Jahr nach dem Hochwasservon 2002 konnten solch hohe Anteile resistenterBakterien im Elbwasser selbst nicht mehr nachge-wiesen werden.

Was aber ist die Quelle für den hohen Anteil resi-stenter Bakterien? Wir vermuten sie in den wäh-rend des Hochwassers zerstörten Klärwerken,wodurch wochenlang der größte Teil der Abwässerz.B. des Dresdener Raumes ungeklärt in die Elbegelangten, und den Abschwemmungen von land-wirtschaftlichen Betrieben. Die meisten Antibiotikawerden nicht etwa in der Medizin, sondern in derlandwirtschaftlichen Tierproduktion eingesetzt(172). Hier können sich bevorzugt Multiresistenzenentwickeln und schnell unter den Bakterien verbrei-ten. Das ist ein allgemeines Problem, welches nichtunmittelbar mit der Flut zu tun hat, das aber, wiegezeigt, eine zusätzliche Gefahr für die Menschenin den Flutgebieten darstellt. Das extreme Hoch-wasser hat zu einer stärkeren Verbreitung dieserGefahr beigetragen. Der Pfad, über den die Krank-heitserreger das Gewässer erreichten, wurdebereits in Abschnitt 6.3 beschrieben.

6.6 Wie kann man sich gegen die pathogenen Keime schützen?

Der wirksamste Schutz gegen bakterielle Krank-heitserreger ist die Einhaltung von einfachenRegeln der Hygiene. So sollte man während derHilfseinsätze oder auch beim Baden kein Fluss-wasser und schon gar kein Flutwasser schlucken.Haut, Nahrungsmittel wie Obst (Abb. 6-7) und man-che Gemüsesorten mit fester Schale, sowie andereGegenstände, die mit Flutwasser oder Schlamm inBerührung waren, sollten selbstverständlich gründ-

Abb. 6-8 Schim-melbildung nachdem Rückgangdes Wassers. DieNährstoffe ausdem verschmutz-ten Wasser undder Polsterung,das gute Wasser-haltevermögenund die hohenTemperaturen las-sen auf diesemSofa eine ausge-dehnte Schimmel-kolonie gedeihen(Foto Wolf-RainerAbraham).

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lich gewaschen werden. Andere Nahrungsmittel,wie Getreide, Kohl u.a., die sich nicht gründlichwaschen lassen, können nur noch kompostiert wer-den. Ein großes Ärgernis war nach Rückgang des Hoch-wassers die Schimmelbildung an Wänden undHausrat. Die Schimmelbildung ist nahezu unver-meidbar, wenn im Sommer hohe Temperaturen unddurch das Hochwasser die allgegenwärtige, tiefsit-zende Feuchtigkeit und Nährstoffversorgung(Schlamm) zusammentreffen. Viele Möbel, Matrat-zen und Parkett konnten nur noch entsorgt werden,wenn sie durch Schlamm und Flutwasser ver-schmutzt worden waren (Abb. 6-8). Andere Gegenstände müssen gründlich gereinigtund ggf. desinfiziert werden. Dafür gibt es je nachAnwendung und zu behandelndem Material sehrverschiedene Präparate. Kann man beispielsweiseeine Kellerwand bedenkenlos mit Chlorbleiche des-infizieren, sollte Möbeln aber besser mit milderenDesinfektionsmitteln behandeln. Oft reicht auch eingründliches Abseifen aus, um Belastungen durchpathogene Bakterien zu beseitigen. Zusammenfassend kann man sagen, dass unsereUntersuchungen hohe Belastungen an fakultativpathogenen Bakterien im Flutwasser gezeigthaben. Diese gingen im Fluss aber schnell zurückund gefährdeten nicht das Trinkwasser, das überdie Uferfiltration gewonnen wurde. In den überflute-ten Kellern überlebten die Keime länger und eswurden zudem hohe Resistenzen gegen Antibiotikagefunden, die eine Behandlung von Erkrankungenerschweren würden. Die Ursache hierfür liegt aller-dings nicht in der Flut selbst, sondern in dem mas-senhaften Einsatz von Antibiotika in Deutschland.Glücklicherweise ist die Gefahr einer Erkrankungauch dank des umsichtigen Handelns der Betroffe-nen nur klein, denn während des Augusthochwas-sers 2002 wurden nirgends auffällig hohe Zahlenan Durchfall- oder anderen Infektionserkrankun-gen gemeldet.

Sind Trinkwasser Epidemien nach Hochwasser heute überhaupt noch ein Thema?Während und nach den großen Hochwässern anOder, Weichsel und Elbe ist nichts über gehäufteInfektionen bekannt geworden. Trotzdem birgtHochwasser überall auf der Welt ein potenziellesInfektionsrisiko, so dass im Hochwasserfall immererhöhte Vorsicht geboten ist. Die Trinkwasserver-sorgung arbeitet nicht immer und überall perfekt,wenn die Wasserfassungen von Hochwasserüberspült werden.

Viele Beispiele (alle aus 169) sind aus (Süd-)Asien und Südamerika bekannt. In Indienerkrankten z.B. 1955 während einer weltweit auf-sehenerregenden Epidemie in Neu Dehli 30.000Menschen an Hepatitis, als der stark abwasser-belastete Jamuna River bei Hochwasser die Was-serfassungen überspülte. Zeitweilig sollen 50%des geförderten Trinkwassers aus Abwasserbestanden haben. 73 Personen starben daran.

Aber auch in Ländern mit hoch entwickeltemHygiene-Bewusstsein können die Systeme versa-gen und nach Hochwässern Epidemien auftreten.Innerhalb einer Woche im April 1994 erkranktenz.B. 1500-3000 der 6300 Einwohner von Noorm-akku (Norwegen), als nach einem Rekordhoch-wasser fäkalkontaminiertes Flusswasser in dieFörderbrunnen gelangte. Bis zu 30% aller Schul-kinder der Gemeinde blieben krank zu Hause.Nachgewiesen wurde Fäkalbakterien, Adenovi-ren, Rotaviren und der Norwalk-Virus, der wahr-scheinliche Ursache für die meisten Infektionenwar.

Ein letztes Beispiel aus der DDR: Zur Jahres-wende 1981/82 überschwemmte eine Hochwas-ser die Trinkwasserfassungen des WasserwerksBeesen, welches zu 90% Uferfiltrat aus der Saalezog. Eine Woche nach Beginn der Überflutungerkrankten insgesamt 10.511 Einwohner der süd-lichen Stadtbezirke von Halle-Neustadt und Hallean Durchfall und Erbrechen. Im Wasser der über-schwemmten Brunnengalerie wurden enteraleViren nachgewiesen.

Es sollte also klar sein: es besteht eine realeInfektionsgefahr beim Umgang mit Flußwasser.Diese steigt im Hochwasserfall stark an. Nebenden oben erwähnten viralen Erkrankungenbesteht das Risiko von bakteriellen und Wurmin-fektionen. Besonders erwähnenswert sind Hepati-tis A, Typhus und Bakterielle Ruhr.

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7 Probleme mit dem Sauerstoff

Michael Böhme

7.1 Warum ist Sauerstoff wichtig?

Alle aeroben Organismen benötigen Sauerstoffzum Leben. An der Luft wird Sauerstoff seltenknapp, gewöhnlich sind 21% des Luftvolumens rei-ner Sauerstoff (O2). Wasser, also das Molekül H2O,besteht zwar an sich zu 94 Masse-% aus Sauer-stoff, aber dieser ist im Wassermolekül chemischgebunden und kann nicht für die Atmung verwen-det werden. Wasserorganismen benötigen denSauerstoff, der sich im Wasser physikalisch löst,ähnlich wie sich Salz im Wasser löst.

Der Sauerstoff aus der Luft diffundiert über dieWasseroberfläche so lange ins Wasser, bis einGleichgewicht erreicht ist. Dann ist das Wasser“sauerstoffgesättigt”. Die Sättigungskonzentrationist abhängig von Wassertemperatur, Luftdruck, undder Konzentration anderer im Wasser gelösterStoffe, z.B. Salzen. Am wichtigsten, weil, unternatürlichen Bedingungen am stärksten schwan-

Abb. 7-1 Überschwemmter Getreideacker bei Dessau am 20.8.2002. Die Strohballen treiben auf schwarzem Wasser,das völlig sauerstoffrei ist und entsprechend stinkt (Foto Ralf Hirschberger).

Abb. 7-2 Probenahme des UFZ am 29.08.02. Dieschillernde Oberfläche ist kein Ölfilm, sondern eineKahmhaut aus Bakterien, die hier an der Grenzflächezwischen Luft und sauerstofffreiem, aber nährstoffrei-chem Wasser beste Lebensbedingungen vorfinden(Foto André Künzelmann, UFZ).

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MICHAEL BÖHME ABSCHNITT 7 PROBLEME MIT DEM SAUERSTOFF

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kend, ist davon die Wassertemperatur. So lösensich in 0°C kaltem Wasser 14 mg O2 pro Liter Was-ser. In 25°C warmen Wasser lösen sich dagegennur noch 8 mg/l (121). Das ist ziemlich wenig. Ver-schärft wird die Situation von der Tatsache, dassalle Wasserlebewesen (außer Vögel und Säuge-tiere) bei hoher Wassertemperatur auch noch deut-lich mehr Sauerstoff verbrauchen. Pro 10 GradTemperaturzunahme verbrauchen sie in derselbenZeit etwa doppelt soviel Sauerstoff.

Wenn viele Wasserlebewesen in einem gegebenenWasservolumen leben, können sie den gelöstenSauerstoff innerhalb weniger Stunden aufzehren.Nur zwei Prozesse können verhindern, dass dieWasserlebewesen an Sauerstoffmangel eingehen:1. die ständige Nachlieferung aus der Luft, und 2.die Freisetzung von Sauerstoff bei der Photosyn-these der Algen.

Als Resultat der ’Belüftung’ aus der Atmosphäreund durch die Photosynthese der Algen sowiedurch den Sauerstoffverbrauch der Wasserorganis-men stellt sich ein Sauerstoffgehalt ein, der auchnatürlicherweise meist unterhalb der Sättigungs-konzentration liegt.

Problematisch wird es nur, wenn die Sauerstoff-Konzentration unter bestimmte Schwellenwerteabsinkt. Die verschiedenen Tierarten reagierenunterschiedlich. Bachforellen vertragen zum Bei-spiel nur Minima bis 6 mg/l, während die meistenElbfische bis zu 3 mg/l kurzzeitig ertragen können.Bei geringerer Sauerstoffkonzentration kommt eszum Fischsterben.

Die größten Sauerstoff-Konsumenten sind die Bak-terien im Wasser und im Boden. Sie verbrauchenauch weiter intensiv Sauerstoff, wenn die Konzen-tration unter 3 mg/l sinkt. Wenn der gelöste Sauer-stoff im Wasser vollständig verbraucht ist, sterbendie meisten aeroben Organismen. Wenige, vorallem Mikroorganismen, können in Überdauerungs-formen überleben. Anaerobe Bakterien überneh-men sämtliche Stoffwechsel. Diese hinterlassen

aber beim Abbau von organischen Stoffen, imGegensatz zu den aeroben Bakterien, nicht mehrnur Kohlendioxid und Wasser, sondern unter-schiedlichste Stoffwechselendprodukte, darunterSchwefelwasserstoff, organische Säuren, Alkoholeu.a.. Die Brühe sieht dann oft grau oder schwarzaus und beginnt zu stinken (Abb. 7-1, Abb. 7-2).

7.2 Wie hoch ist der Sauerstoffgehalt normalerweise?

Bei geringer bis normaler Wasserführung gibt eswährend der Vegetationsperiode in der Elbe meistein starkes Phytoplankton-Wachstum. Da die Algennur am Tage Sauerstoff freisetzen, kommt es zudeutlichen Tagesschwankungen der O2-Konzentra-tion. Am Morgen sind die O2-Gehalte am gering-sten, steigen den ganzen Tag über an und sinkenerst ab der Abenddämmerung und in der Nachtwieder ab (Abb. 7-3).

In der Regel wachsen die Algen schon im tschechi-schen Elblauf und vermehren sich weiter über dengesamten deutschen Längsverlauf. Das Algen-wachstum ist so stark, dass das Wasser im Som-mer gewöhnlich stark mit Sauerstoff übersättigtist! Erst am Ende der freifließenden Elbe, unterhalbvon Wittenberge, spätestens aber im Raum Ham-burg, gehen die Algen wieder ein (35).

Die extrem hohe O2-Konzentration im Unterlaufund die hohen Tagesschwankungen sind guterkennbar in Abb. 7-4 während der Tage vom 1.-12.8.2002 in Schnackenburg.

7.3 Wie reagierte der Sauerstoffgehalt während des Hochwassers?

Vom Himmel herunter regnet Wasser, welchesetwa zu 100% mit Sauerstoff gesättigt ist. Sobaldes über Boden fließt, lösen sich Mineralien undorganische Stoffe aus der (abgestorbenen) Vegeta-

00:00 06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 12:00 18:00 00:008

10

12

14

16 gemessene Sauerstoff-Konzentration

Sättigungskonzentration

O2 i

n m

g/l

Abb. 7-3 Tagesgang der Sauerstoff-Konzentration während der Tage 09.und 10.08.2002 vor dem Hochwasseran der Station Schnackenburg,Nachtstunden grau. Das starkeAlgenwachstum führt in der Elbe beigeringer bis mittlerer Wasserführunggewöhnlich zu sehr hoher Sauerstoff-übersättigung (Daten NLKW Lüne-burg).

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tion und aus dem Boden im Wasser. Zu Beginn desHochwassers erodierten die Wassermassenzudem in den betroffenen Mittelgebirgs- und Hügel-ländern allerorten die Böden und transportiertengroße Mengen Feststoffe fein verteilt in die Flüsse,darunter natürlich auch viele Boden- und Gewäs-serbakterien sowie andere Mikroorganismen. Diesefangen an, den Sauerstoff im Wasser zu veratmen.

Während die so zerstörerischen Strömungshoch-wässer in den Gebirgstälern auch schnell wiederabflossen, wurden die Auengebiete in den Tieflän-dern langsam überflutet und blieben für längereZeit unter Wasser. Die gesamte überflutete Flächebetrug entlang der Elbe mehrere hundert km²(Abb. 7-5).

Auf den überfluteten Aueflächen ernähren sich dieMikroorganismen von den organischen Stoffen imWasser, an den Schwebstoffen und vor allem imBoden. Sie wachsen gut und verbrauchen Sauer-stoff. Ein großer Teil der Mikroorganismen sinkt mitden Schwebstoffen auf den Grund und zehrt weiter-hin viel Sauerstoff, vor allem in langsam durch-strömten Überflutungsgebieten, wo sich Schlamm-schichten absetzen.

Am stärksten zehren überströmte Ackerflächen(Abb. 7-1). Ackerflächen sind durch regelmäßige

Düngung besonders reich an organischen Nähr-stoffen, sie tragen keine schützende Vegetationund die Bodenfauna ist im Gegensatz zu den regel-mäßig überschwemmten Aueflächen nicht an län-gere Zeit überstehendes Wasser angepasst. Sokommt es in der Sommerhitze innerhalb kurzer Zeitzu einem Massensterben der Bodenorganismen.Milliarden von Bakterien zersetzen die tote Bio-masse und tragen zu sehr hoher Sauerstoffzehrungbei.

Sobald der Sauerstoffgehalt unter etwa 3 mg/lgesunken war, suchten die Fische, soweit sie nochdazu in der Lage waren, Bereiche mit bessererSauerstoffversorgung auf oder begannen nach Luftzu schnappen. Augenzeuge Matthias Freude: „Die-ses „Luft schnappen“ abertausender Fische bleibteines der beeindruckendsten Erlebnisse auf demDeich, vor allem, wenn das Wasser knapp unterder Deichkrone steht” (50).

Darüber hinaus kam es an verschiedenen Ortenzur völligen Ausstickung von Auengewässern.Tagelang stand eine teils graue, teils schwarze stin-kende Brühe in den Senken, die sich mit zurückge-hendem Wasserstand nur langsam leerten. Fischeund viele Kleintiere erstickten und trieben zu tau-senden an der Wasseroberfläche (Abb. 7-6).

1 Aug 8 Aug 15 Aug 22 Aug 29 Aug 5 Sep 12 Sep 19 Sep 26 Sep 3 Okt

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10

15

O2-Sättigungskonz.

Wittenberg Schnackenburg

Magdeburg Bunthaus

Grenzwert für Fische

O2 i

n m

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minimaler O2-Gehalt auf überfluteten Flächen

Abb. 7-4 Sauerstoff-Konzentration an Meßstationen entlang der Elbe. Die Kreise bezeichnen Zeitpunkt und O2-Konzen-tration während des Flutscheitels. Im Verlaufe des Hochwassers sammelte sich das Wasser aus dem Einzugsgebietzunächst mit einem O2-Gehalt nahe der Sättigungskonzentration in der Elbe. Im Fließverlauf nahm der Sauerstoffgehaltab. In Sachsen war noch kein ausgeprägtes Sauerstoff-Defizit vorhanden. In Wittenberg und Magdeburg ist ein O2-Mini-mum kurz nach dem Hochwasserscheitel erkennbar. Dieses verstärkt sich stromab. In Schnackenburg lag das O2-Mini-mum im Hauptstrom über mehrere Tage unter 3 mg/l und damit bereits im fischkritischen Bereich! Im weiteren Verlauf derFließstrecke erholte sich der Sauerstoffhaushalt wieder etwas, so dass in Bunthaus kurz oberhalb von Hamburg (deut-sche Elbe-km 610) keine fischkritischen Werte mehr unterschritten wurden (Daten LAU LSA, NLKW Lüneburg, BUG HH).

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MICHAEL BÖHME ABSCHNITT 7 PROBLEME MIT DEM SAUERSTOFF

70

7.4 Fallbeispiel Havelpolder

Das Beispiel ’Ausstickung der Havelpolder’ istbemerkenswert zum einen wegen seiner interes-santen Vorgeschichte, zum zweiten durch das aus-gezeichnete gewollte Ergebnis der Flutung, dieerfolgreiche Wasserstandsabsenkung am Unterlaufder Elbe, und zum dritten durch das enorme Aus-maß des (ungewollten) Fischsterbens während deranschließenden Trockenlegung der Polder.

Im Bereich der Havelmündung wurde seit den1930er Jahren ein System aus Wehren und Pol-dern aufgebaut, welches bei Hochwasser der Elbeden Einstrom von Elbwasser in die Havel verhin-dert und bei Extremhochwassern zur Kappung desFlutscheitels eingesetzt werden kann.

Am 18.08.2002 wurden, wie bei jedem größerenElbehochwasser, die Wehre bei Quitzöbelgeschlossen. So konnte kein Elbwasser in dieHavelniederung einströmen. Das Havelwasserstaute sich natürlich hinter dem Wehr. Zusätzlichwurden im Oberlauf von Spree und Havel Maßnah-men ergriffen, die den Abfluss drosselten.

Am 20.08.2002, einen Tag vor Erreichen des pro-gnostizierten Flutscheitels, wurden die Wehregeöffnet. Bis zu 660 m³/s strömten aus der Elbe indie Havel. Zum ersten mal seit dem Bau in den1950er Jahren wurden auch die Polder geflutet.Nur wenige verfügten über ein Einlaufbauwerk.Andere Polder werden aufgegraben oder an den

Abb. 7-5 Die überschwemmten Gebiete entlang derElbe zwischen Belgern (rechts unten) und Wörlitz(links oben) umfassten am 20.8.2002 mehrere hun-dert km². Sie entsprechen fast schon den natürlichenÜberschwemmungsflächen, wie sie vor der Ausdei-chung existierten. Links unten ist die Muldeaue zuerkennen, aus der das Wasser jedoch bereits weitge-hend abgeflossen ist. Die Wasserflächen am Endedes sichtbaren Muldeabschnitts sind der Muldestau-see und das nach Deichbruch während des Hochwas-sers aufgefüllte Tagebaurestloch Goitzsche (QuelleLandsat, DLR).

20 km Abb. 7-6 Tote Fische im ausgestickten Wasser derüberfluteten Aue bei Dessau (Foto am 3.9.2002 vonWaltraud Grubitzsch).

Abb. 7-7 Sprengung am Polder "Flöthgraben" am 22.08.02. Die Bohrlöcher auf der Deichkrone werden mit Spreng-stoff gefüllt (links). Der Deich wird 18:45 Uhr auf einer Länge von 50 Metern gesprengt (mitte). Mit der Flutung erodiertdie verbliebene Bodenrippe des Deiches (Fotos LUA Brandenburg).

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beiden darauf folgenden Tagen durch Sprengungengeöffnet (Abb. 7-7).

Der Elbepegel reagierte sofort und der Pegel ander unterhalb gelegenen Stadt Wittenberge fing anzu fallen. Ohne die Flutung der Havelpolder wäreder Wasserstand in Wittenberge noch um einenhalben Meter gestiegen. Das hätte an verschiede-nen Stellen stromab zu Deichbrüchen führen kön-nen, die aber so zum Glück ausblieben.

Der Öffnungszeitpunkt wurde optimal gewählt, wasan dem leicht abfallenden bis ideal geraden Schei-telverlauf an den Pegeln unterhalb von Gnevsdorfin Abb. 1-3 auf Seite 6 erkennbar ist. So weit derpositive Teil der Geschichte.

Am Morgen des 23.08. wurden die Wehre wiedergeschlossen. Insgesamt wurden in der Havelniede-rung 75 Mio. m³ Elbwasser zurückgehalten. DerRückstau reichte mittlererweile 60 km stromauf bisRathenow.

Bereits am Nachmittag des selben Tages wurdedas Wehr Quitzöbel geöffnet, um Havelwasser wie-der in die Elbe zu entlassen, die jetzt, bei fallendemWasserstand, bereits tiefer lag als der Wasserstandin der voll gefluteten Havelniederung.

Eine sehr schöne Übersicht über das Ausmaß derÜberflutungsflächen im zeitlichen Ablauf ist mitSatelliten- und Luftbildern vom Potsdam-Institut fürKlimafolgenforschung, dem Institut für Geoökologieder Universität Potsdam und dem Naturpark West-havelland dokumentiert worden (77, Abb. 7-8 undAbb. 7-9).

In den folgenden warmen Tagen wurde der Sauer-stoff im stagnierenden Wasser auf den Polderflä-chen schnell aufgezehrt. Als dieses Wasser dann indie Havel zurückfloss, kam es zu den größtenFischsterben in Deutschland seit der Sandoz-Kata-strophe am Rhein 1986. Der NaturschutzbundDeutschland (NABU) schätzte am 6. September,dass in der Havel unterhalb von Rathenow minde-

Abb. 7-8 Flutung der Havelpolder am 21.08.2002. Die Schlitze wurden zunächst in den Deich gesprengt und anschlie-ßend erweitert. Den Rest erledigten die Wassermassen, die mit hoher Fließgeschwindigkeit in das Poldergebiet ström-ten (Foto Marc Zebisch, TUB/PIK).

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MICHAEL BÖHME ABSCHNITT 7 PROBLEME MIT DEM SAUERSTOFF

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stens 2 Millionen Fische und zahlreiche andereWasserorganismen an Sauerstoffmangel verendetsind. “Der Grund für das Sterben [lag] im fehlerhaf-ten Hochwassermanagement und in der falschenRücksichtnahme auf die Interessen weniger Agrar-unternehmen” schrieb NABU-Bundesgeschäftsfüh-rer Gerd Billen (81). Am 9. September mussten dieSchätzungen auf 10 Millionen Fische korrigiert wer-den. “Es könne zehn Jahre dauern, bis sich derehemalige Fischreichtum dieser Gewässer wiedereinstellt. Viele ortsansässige Fischer seien in ihrerExistenz bedroht. Mit der falschen Rücksichtnahmeauf wenige Agrarbetriebe muß endlich Schlusssein, so Billen. “Der ökologische und volkswirt-schaftliche Schaden beträgt ein Vielfaches vondem, was agrarindustriell hier erzeugt wird” (81).

7.5 Wie könnte man das Fischsterben verhindern?

Die hohe Sauerstoffzehrung ist Folge des rasantenBakterienwachstums auf den überfluteten Flächen.Die dafür verantwortlichen Bakterienarten sindzunächst praktisch überall vorhanden, in jedemOberflächengewässer, in jedem Boden. Die Animp-fung des Wassers mit Bakterien ist also unvermeid-bar.

Des weiteren sind die physikalisch bestimmtenLebensbedingungen für das Wachstum dieser Bak-terien bedeutsam. Sie lassen sich jedoch auch nurbegrenzt beeinflussen. So hat z.B. die Wassertem-peratur einen starken Einfluß auf das Bakterien-wachstum. Die Wachstumsrate verdoppelt sichi.d.R. je 10 Grad Temperaturzunahme. So ist esnicht verwunderlich, dass im Sommer das Risikoder Ausstickung viel höher ist als im Winter. ImWinter kann es höchstens unter einer geschlosse-nen Eisdecke mit viel Schnee zur Ausstickungkommen, da dadurch der Eintrag von Sauerstoffaus der Atmosphäre und die biologische Sauer-stoff-Freisetzung bei der Photosynthese der Pflan-zen unterbunden sind. Im Sommer reichen beihohem Nährstoffangebot schon wenige Tage ste-hendes Wasser, um den Sauerstoff restlos auszu-zehren.

Das Stichwort ’Nährstoffangebot’ führt uns zum ein-zigen Punkt in der gesamten Reaktionskette, derdurch entsprechende Maßnahmen wirkungsvollbeeinflusst werden kann. Die Bakterien benötigenorganische Substrate für die Energiegewinnungund zum Wachsen. Diese organischen Stoffe sindauf den verschiedenen Böden ungleich verteilt bzw.ungleich verfügbar. Humusreiche Ackerböden sindbesonders reich an organischen Stoffen undzugleich sind diese Stoffe wegen der fehlendenVegetation besonders leicht verfügbar. Hier ver-

Abb. 7-9 Ausmaß der Wasserflächen an der Havelmün-dung vor dem Hochwasser (oben, 11.08.02), zumBeginn der Polderflutung (mitte, 20.08.02) und währenddes höchsten Füllstandes (unten, am 27.08.02) (Bilder DLR, Sensor Enhanced Thematic Mapper ETM+auf Satellit Landsat 7).

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mehren sich die sauerstoffzehrenden Bakterienäusserst rasch.

Das Gegenteil wären sandige, humusarme Böden,z.B. Dünen oder Sandbänke, wie sie entlang vonFlachlandflüssen mit naturnaher Morphologie undhoher Sedimentdynamik häufig zu finden sind.

Relativ geringe Zehrungsraten findet man auch aufden regelmäßig von Hochwassern überströmtenGrünlandflächen. Hier ist der Boden zwar wie aufden Ackerflächen humusreich, aber durch dieVegetation gegen Erosion während des Ein- undAusströmens geschützt. Zum andern wird dieBodenfauna von Arten dominiert, die besser an dasRegime regelmäßiger Überflutung angepasst sindund so nicht gleich absterben, wenn es zum Über-stau kommt.

Will man die katastrophalen Sauerstoff-Mangelsi-tuationen und die Fischsterben in Zukunft vermei-

den, ist die Konsequenz aus diesen Erkenntnissen,in (potenziellen) Überflutungsgebieten den Acker-bau zurückzufahren und auf Grünlandnutzungumzustellen. Das Ausmaß und die genauen Umstände des mas-senhaften Fischsterbens sind nicht systematischwissenschaftlich untersucht worden. In der Situa-tion, wie sie Anfang September im Bereich derHavelmündung vorzufinden war, hätte es wahr-scheinlich ausgereicht, den Rückfluss des ausge-stickten Wassers von den Polderflächen in dieHavel so weit zu vermindern, dass der Sauerstoff-gehalt in der Havel nicht unter 3 mg/l O2 fällt. Statt-dessen wollte man aber die landwirtschaftlichgenutzten Flächen so schnell wie möglich trockenlegen und nahm dafür das Massensterben derFische in Kauf.

Abb. 7-10 Massenhaftes Fischsterben nach dem Elbehochwasser im Havelgebiet, hier am 6.9.2002 am Nordufer desGülper Sees (Foto Gerd Schumann).

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UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8 HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS

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8 Hochwasser als Natur-, Schadens- und PolitikereignisUwe Grünewald

8.1 Hochwasser - was ist das?

Hochwasser – auch extremer Art – waren und sind- wie Niedrigwasser übrigens auch – Teil des natür-lichen Kreislaufes. An natürlichen Fließgewässernlässt sich das Wechselspiel von (Niedrig-) Wasser-ständen und mehr oder minder regelmäßigen hoch-wasserverursachten Überschwemmungen erken-nen. Vor allem die Kraft des scheinbar ungebremstströmenden Wassers formte und formt Flussläufe,-täler und -auen. Die natürlichen Flussauen zählenzu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuro-pas, weil die periodisch auftretenden Überschwem-mungen nicht unwesentlich zur Ausbildung einergroßen Strukturvielfalt entlang eines Fließgewäs-sers mit seinen aquatischen, amphibischen und ter-restrischen Zonen beitragen (Abb. 8-1).

Allgemein wird "Hochwasser" definiert als "zeitlichbegrenzte Anschwellung des Wasserstandes unddes Durchflusses ..., die eine für jeden Durchfluss-querschnitt aus der Statistik oder den örtlichenGegebenheiten zu bestimmende Grenze (z.B. Aus-uferungsdurchfluss) überschreitet" (z.B. 43).

Gemessen werden Hochwasser an "Pegeln" vorallem durch die kontinuierliche Aufzeichnung desWasserstandes. An sogenannten Schreibpegeln istein Schwimmer- bzw. Pegelschacht mit dem Fließ-gewässer hydraulisch verbunden (Abb. 8-2, Abb. 8-3). Der steigende bzw. fallende Wasserstand imPegelschacht lässt einen Schwimmkörper, der miteinem Aufzeichnungsgerät im Pegelhaus mecha-nisch verbunden ist, nach dem Prinzip der kommu-nizierenden Röhren auf- und absteigen.

Abb. 8-1 Wisconsin River, USA. So oder ähnlich sieht ein morphologisch naturnaher Fluss aus, der bezüglich hydrau-lischem Regime und der Charakteristik des Einzugsgebietes mit dem Mittel- und Unterlauf der Elbe vergleichbar ist. DieÜberschwemmung der Auwälder bei Hochwasser hinterlässt keinen Schaden, sondern ist einfach Teil des natürlichenGeschehens. Die Pflanzen und Tiere in der Aue sind an die wechselnden Wasserstände angepasst(Foto Emily Stanley).

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BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

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Der Schreiber zeichnet eine Ganglinie des Wasser-standes über einer genau ausgemessenenBezugshöhe ("Pegelnull") auf (Abb. 8-4).

Die Wasserstands-Ganglinie ist über eine für jedenPegelstandort spezifische Beziehung zwischenWasserstand und Durchfluss ("Schlüsselkurven")umrechenbar in Durchflussganglinien.

Wasserstände verschiedener Pegel lassen sich nurbegrenzt vergleichen, weil sie auf unterschiedlichePegelnull-Werte bezogen sind und weil die unter-schiedlichen Querprofile an den Pegeln unter-schiedliche "Schlüsselkurven" zur Folge haben. Die"Schlüsselkurven" können sich z.B. nach großenHochwässern verändern, vor allem wenn die

Gewässerprofile durch Sohlabtrag oder -auflandun-gen, Seitenerosion o.ä. immer wieder verändertwerden (Abb. 8-4). Die stete Pflege der Pegelkostet viel Aufwand an Mitteln und Personal, sodass in der Praxis leider immer wieder große Pro-bleme bei der sachgerechten kontinuierlichenErmittlung der Wasserstände und der dazugehöri-gen Durchflüsse, vor allem bei extremen Hochwäs-sern auftreten.

Vergleichsweise wenige Hochwasserereignissesind technisch bedingt, wie z.B. Dammbrüche oderErdrutsche (hinein) in Talsperren, welche die Was-sermassen abrupt über das Sperrbauwerk heraus-drücken. Gewöhnlich sind (Extrem-) Hochwässerein zufallsbehaftetes Ergebnis der Überlagerungverschiedenartiger hydrometeorologischer Ereig-nisse (wie z.B. großflächige Starkniederschlägeoder kleinräumige Unwetter gebunden anbestimmte Wetterlagen) mit verschiedenartigenhydrologischen Zuständen der Einzugsgebiete, wiez.B. Wassersättigung des Bodens durch vorherigeNiederschläge oder Gefrornis des Bodens durchDauerfrost. Fehlt eine der Vorbedingungen, kommtes bei teilweise sonst ähnlichen Entwicklungennicht zu extremen Hochwässern.

Besonders bedeutsam für die Bildung von Hoch-wässern ist die Niederschlagsintensität und ihr Ver-hältnis zur Versickerungsintensität. Ist letzteredurch "Quasiversiegelung" der Einzugsge-bietsoberflächen durch Frost oder große Vor-feuchte nahe Null, sorgen z.B. langanhaltendegroßflächige Dauerregen mit nicht unbedingt extre-men Niederschlagsintensitäten zu hohenAbflussspenden. Diese können in den vielen, weit-

Gegengewicht

HHW

MW

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Verbindungsleitung

Schlammfang

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t

Messgerät

Pegelhäuschen

Datenübertragung

126

Abb. 8-2 Aufbau eines Schreibpegels.

Abb. 8-3 Pegel am Wehr Neuwerben bei Havelberg,kurz vor dem Anschlag (Foto Nestor Bachmann).

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Durchfluss in 1000 m³/s

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bis 25.10.98

bis 01.11.03

seit 31.10.03

Abb. 8-4 Schlüsselkurven für den Pegel Dresden. Die Schlüsselkurve ändert sich durch Veränderungenim Pegelprofil (z.B. Auflandungen) und durch Verwen-dung neuerer Meßergebnisse und besserer Auswerte-methoden (Quelle: WSA Dresden).

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UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8 HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS

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verzweigten Flusstälern hin zu den Hauptflüssenwie Rhein, Donau, Elbe oder Oder, zu großvolumi-gen Abflusswellen zusammenlaufen.

8.2 Hochwässer - wie häufig treten sie auf?

Hochwässer treten fast überall auf der Welt auf(Abb. 8-5). In unseren Klimabereichen können siezu jeder Jahreszeit auftreten (Abb. 8-14). Sommer-hochwässer traten z.B. im Oder- und Elbeeinzugs-gebiet am häufigsten in den Monaten Juni und Juliauf. Winterhochwässer sind meist durch Schnee-schmelze sowie oftmals gleichzeitige großflächigeRegenereignisse verursacht. Am Rhein z.B. sinddas häufig die Monate Dezember und Januar, dievon solchen Extremhochwässern geprägt werden.

Um Aussagen abzuleiten, wie häufig Hochwässeran einer Pegelstelle auftreten, bedient man sich dermathematischen Statistik. Im einfachsten Fall wirddazu aus der Beobachtungsreihe der jeweils höch-ste Abflusswert des Jahres verwendet. Indem mandiese Werte der Größe nach (vom größten zumkleinsten Wert) ordnet, ergeben sich entspre-chende Rangzahlen, die man durch die Anzahl derBeobachtungsjahre (aus methodischen Gründenerhöht um eins) dividiert. Diese so erhaltene "empi-rische Überschreitungswahrscheinlichkeit" Pü isteine um so bessere Schätzung für die "wahre", unsletztlich immer unbekannt bleibende, Wahrschein-lichkeit des Naturprozesses "Hochwasser", je"repräsentativer" (also z.B. auch lang genug) dieBeobachtungsreihe ist.

Da die Angabe einer Überschreitungswahrschein-lichkeit z.B. von Pü=0,01 oder "ein Prozent"zunächst wenig Aussagekraft hat, ist es üblich, denKehrwert 1/ Pü=T zu bilden. Er erhielt die Bezeich-nung "Wiederkehrintervall" und würde im FallPü=0,01 bedeuten, dass die Wahrscheinlichkeit 1Prozent beträgt, dass ein Hochwasser mit einemWiederkehrintervall von T=100 Jahren in einembeliebigen Jahr einer Beobachtungsreihe im stati-stischen Mittel einmal überschritten wird. Keines-wegs tritt es demnach "alle 100 Jahre" auf oder"mindestens einmal in hundert Jahren" o.ä., wieallzu häufig in den Medien zu hören und zu lesenist (Abb. 8-6). Problematisch ist die Ermittlung desWiederkehrintervalls eines bestimmten Ereignissesvor allem, wenn unterschiedlich lange Beobach-tungsreihen Verwendung finden. Die so definierteMaßzahl für die Wahrscheinlichkeit eines Hoch-wassers bezieht sich auf ein Jahr und suggeriertteilweise geringe Gefahrenpotenziale für das Auf-treten eines Hochwassers. Aus den Gesetzen derStatistik lässt sich aber auch die Wahrscheinlichkeitdes Auftretens eines Hochwassers in einembestimmten Zeitraum Z von mehreren zusammen-hängenden Jahren ableiten. So ergibt sich z.B. fürein Wiederkehrintervall von T=100 Jahren undeinen Zeitraum von Z=30a – ein Bereich, der sichwesentlich besser in ein menschliches Leben ein-ordnen lässt – eine Wahrscheinlichkeit von W=0,26(oder 26 Prozent), dass ein bestimmter "Hochwas-ser-Scheitelabfluss" mindestens einmal in diesen30 Jahren überschritten wird. Da diese Betrachtungfür jedes Flussgebiet getrennt vorzunehmen ist,wird deutlich, dass wir in unserem Leben eine sehrgroße Wahrscheinlichkeit haben, quasi als Zeit-

Abb. 8-5 Große Überschwemmungen gibt es jedes Jahr auf fast allen Kontinenten, hier als Beispiel das Jahr 2002 (73).

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zeuge verschiedene Jahrhunderthochwässer zuerleben.

Problematisch ist die Angabe von Wahrscheinlich-keiten oder Wiederkehrintervallen vor allem beisehr seltenen Ereignissen, da unsere Durch-flussbeobachtungsreihen meist zu kurz sind, um(z.B. vom Gesetzgeber geforderte) Extrapolationenim Bereich zum Beispiel von Tausenden von Jah-ren vornehmen zu können. Daher ist es außeror-dentlich wichtig, sich zu erinnern, dass Hochwässerauch früher, also "zu allen Zeiten" auftraten undsolche "historischen Hochwässer" in die statisti-sche Analyse einzubeziehen.

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Abb. 8-6 Häufigkeit der maximalen jährlichen Durch-flüsse am Pegel Dresden (von 1851 bis 2003, Datenwie in Abb. 8-14 ohne die Einzelereignisse vor 1851.Die Überschreitungswahrscheinlichkeit läßt sich an derroten Gerade ablesen (gestrichelt: Extrapolation). Ein100-jährliches Hochwasser tritt innerhalb eines Jahresmit 1% Überschreitungswahrscheinlichkeit (=99%Unterschreitungswahrscheinlichkeit) auf und hätte beidieser einfachen Berechnungsmethode einen Spitzen-durchfluss von ca. 5.565 m³/s (bei Annahme einerGaußschen Normalverteilung der logarithmiertenWerte). Normalerweise werden diese Wahrscheinlich-keiten auf der Basis von Extremwertverteilungsfunktio-nen ermittelt (vgl. Abb. 8-7).

14.06.2004 - Wissenschaft.de - Klima und Wetter

Forscher: Gefahr durch Über-schwemmungen wächst

Nach neuer Schätzung sind immer mehr Menschendurch Fluten bedrohtBis zum Jahr 2050 wird sich die Anzahl der vonÜberschwemmungen bedrohten Menschen mehrals verdoppeln: Während heute etwa eine MilliardeMenschen in Gebieten leben, die von Überschwem-mungen bedroht sind, wird sich diese Zahl inner-halb von nur zwei Generationen auf mehr als zweiMilliarden erhöhen. Das schätzt ein internationalesWissenschaftlerteam der Universität der VereintenNationen. Gründe für diese starke Zunahme sindnach Ansicht der Wissenschaftler die Klimaerwär-mung und der damit verbundene ansteigende Mee-resspiegel und die zunehmende Bevölkerungs-dichte in flutgefährdeten Gebieten. Die Wissen-schaftler veröffentlichten ihre Schätzung imZusammenhang mit der Eröffnung des Instituts fürUmwelt und menschliche Sicherheit UNU-EHS inBonn.Momentan seien weltweit jedes Jahr mehr als 520 Milli-onen Menschen direkt von den Folgen von Über-schwemmungen betroffen, berichten die Forscher. Biszu 25.000 Menschen sterben jedes Jahr durch die Flu-ten, viele werden obdachlos, die Bedrohung durchSeuchen wächst und ganze Ernten und Viehbeständewerden vernichtet. Besonders gefährdet ist Asien: Zwi-schen 1987 und 1997 war der Kontinent von 44 Pro-zent aller Flutkatastrophen betroffen und hatte 93Prozent aller Todesopfer zu beklagen. Nach Ansicht der Wissenschaftler wird sich die Situa-tion in den nächsten Jahren deutlich verschärfen: Diezunehmende Häufigkeit extremer Wetterphänomeneund die globale Erwärmung des Klimas wird die Mee-resspiegel ansteigen lassen, wodurch mehr Gebietevon Überschwemmungen bedroht werden als heute.Gleichzeitig wächst wegen der ansteigenden Weltbe-völkerung der Druck, auch flutgefährdete Landstrichezu besiedeln, da diese häufig fruchtbaren Boden, her-vorragende Wasserversorgung und guten Zugang zuTransportwegen bieten. "Das Interesse an Forschung auf dem Gebiet derNaturkatastrophen hat sich daher intensiviert", sagtJanos Bogardi, der Gründungsrektor des neuen Bon-ner Instituts. Das sei auch nötig, da heute zwar bereit-willig Geld für Opfer von Katastrophen gespendetwürde, die nötigen Mittel für eine Verbesserung derVorhersage jedoch fehlen. Das neue Bonner Institutsoll daher schwerpunktmäßig Überschwemmungsebe-nen und Flussdeltas, besonders im Zusammenhangmit Großstädten, untersuchen. Weitere Forschungsin-teressen werden auch Dürreperioden und ihre Folgen,die Klimaveränderung und die Veränderung von Roh-stoffqualität und -verfügbarkeit sein.ddp/wissenschaft.de Ilka Lehnen-Beyel

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UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8 HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS

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8.3 Hochwasser an Oder, Morava, Weichsel, Moldau, Elbe – immer häufiger, immer heftiger?

Wirft man einen Blick auf die physische Übersichts-karte Zentraleuropas, so fällt im zentraleuropäi-schen Raum eine Ballung von Quellgebieten bzw.oberen Einzugsgebietslagen verschiedener größe-rer Flüsse wie z.B. der Oder, der Elbe, der Moldau,der Weichsel und der Morava (March) – als links-seitiger Donaunebenfluss – auf.Schaut man darüber hinaus in entsprechende fach-spezifische meteorologische Übersichten – wie z.B.in den "Katalog der Großwetterlagen Europas(1881 - 1998)" (53) – so erfährt man andererseits,dass diese Mittelgebirgszüge nordöstlich der Alpenimmer wieder von spezifischen sommerlichen Tief-druckwetterlagen betroffen sind. Insbesondere sindes die Großwetterlagen TM "Tief Mitteleuropa" undTRM "Trog Mitteleuropa" die feuchtereiche, subtro-pische Warmluft aus dem Mittelmeerraum auf dieMittelgebirgszüge z.B. des Erzgebirges, der Sude-ten, der Beskiden oder eingelagerter Kaltluftbergeaufgleiten lassen (53).Eine gewisse Berühmtheit hat dabei die soge-nannte "Vb-Wetterlage" erreicht. Gemäß ihrer Zug-straße wird sie auch als "Adriatief" oder "Genuatief"bezeichnet (Abb. 8-8). Im Ergebnis dieser Großwetterlagen entstehenlanganhaltende und starke Flächenniederschläge,die im Laufe der Geschichte immer wieder extremeHochwässer in den jeweils schwerpunktmäßig

1 10 100 10001000

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1901-2002 1901-2001

1936-2002 1936-2001

HW 2002

Abb. 8-7 Wiederkehrintervall (T) der Scheitelabflüsseam Pegel Dresden, ermittelt für unterschiedlich langehydrologische Reihen, darunter jeweils mit und ohne Ein-schluß des Hochwassers 2002. Man sieht sofort, wiesensibel eine Angabe eines z.B. 100-jährlichen Hoch-wassers auf nur wenig unterschiedliche Ausgangsdatenreagiert (Quelle BfG in 95).

Abb. 8-8 Zugbahn des Vb-Tiefs“Ilse” vom 8.-12. Aug. 2002.

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betroffenen Flussgebieten hervorbrachten (z.B.145, 153). Die Häufigkeit solcher hochwasserträchtigen Groß-wetterlagen (TRM und TM) ist dabei zwar gerade inden Monaten Juni bis September relativ gering(Abb. 8-9), aber wenn sie in diesen Monaten auftre-ten, kommt es zu teilweise großräumigen und ver-heerenden Überschwemmungen. Die Ausprägungund Wirkung dieser Überschwemmungen variiert jenach räumlicher und zeitlicher Ausprägung der Nie-derschläge, deren vielfältiger Verknüpfung mithydrologischen Gebietszuständen und der imLaufe der menschlichen Zivilisation sich entwik-kelnden Siedlungs- und Landnutzungsstrukturensowie Landschaftsbeeinflussungen. So führten Anfang Juli 1997 riesige Überschwem-mungen an der Oder und der Morava zu schwerenSchäden (u.a. 114 Tote in Polen und Tschechien).Im Zeitraum von Ende Juli bis Anfang August 2001kam es an der Weichsel zu großräumigen Über-schwemmungen. Auch hier traten schwere Schä-den auf (u.a. 27 Tote). Und wie bekannt, führtenAnfang August 2002 Überschwemmungen an derElbe und in den Flusstälern des Osterzgebirgesund des mittleren Erzgebirges zu hohen Schäden(21 Tote in Deutschland). Relativ großräumige Hochwässer z.B. in den obe-ren Einzugsgebieten der Elbe traten darüber hin-aus z.B. Anfang September 1890, im August 1897,im Juni 1926, im Juli 1954, im Juli 1981 auf. Das Einzugsgebiet der Mulde war neben demAugust 1897 und dem Juli 1954 beispielsweiseauch im Juli 1958 stark betroffen usw. usf.Diese Aufzählung und Zuordnung ließe sich vielfäl-tig erweitern (siehe 145). Immer wieder gabendiese Ereignisse mit oft katastrophalen Folgen fürdie betroffenen Anlieger Grund zu detaillierten Ana-

lysen und Auswertungen. Für "Das Sommerhoch-wasser der Elbe im Juli 1954" lieferten dies W.Böer, H. Schubert und O. Wilser 1959 (34) sehrgründlich. Außerordentlich aufschlussreich ist ihre "Auswer-tung der Niederschlagsbeobachtungen ab 1901 füralle Messstellen im Gebiet der DDR", für die alsSchwelle 200 mm pro Monat zugrunde gelegtwurde."Fast in jedem dritten Jahr ist also in einem derSommermonate mit extrem hohen Monatssummendes Niederschlags ... zu rechnen. In jedem zehntenJahr sind sogar zwei der Sommermonate durchsolche hohen Niederschläge ausgezeichnet".Als im Juli 1997 nach über 10 Tagen Laufzeit eineHochwasserwelle den Bereich der deutsch/polni-schen Grenzoder erreichte, brachte sich nach einerruhigen, relativ hochwasserfreien Zeit seit 1985 dieOder nachdrücklich im nun vereinigten Deutsch-land in Erinnerung – in einer Zeit, in der aus derSicht der Öffentlichkeit Hochwässer nur am Rheinoder an der Mosel aufzutreten schienen. Extreme Niederschläge als Folge der skizziertenWetterlage betrafen diesmal die oberen Einzugsge-biete der Oder und der Morava in Polen und Tsche-chien. Die meteorologische und hydrologischeBetroffenheit war außerordentlich. In den Oberläu-fen der Flüsse stellten sich die höchsten jemals im20. Jahrhundert beobachteten Abflüsse ein.Aber auch die Schadensbetroffenheit mit 114 Totenund ca. 3,7 Mio. Euro Schaden in Tschechien undPolen war groß D.h. in beiden Ländern prägte sichdas "Naturereignis Hochwasser zu einer "Naturka-tastrophe Hochwasser" aus. Sind doch "Hochwäs-ser an sich" zunächst keine Katastrophe. Zu dieserwerden sie erst, wenn sie sich in ihren Merkmalen(z.B. Scheiteldurchfluss, Scheitelwasserstand,

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Abb. 8-9 Relative Häufigkeiten aus-gewählter Großwetterlagen in Europa(Zeitraum 1881-1997, Daten 53).

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Hochwasserdauer) so zu einem Ereignis im Raumkonzentrieren, bei dem eine Gesellschaft "einerschweren Gefährdung unterzogen" wird (123)."Dabei treten derartige Verluste an Menschenlebenoder materielle Schäden ein, dass die lokale gesell-schaftliche Struktur versagt und alle oder einigewesentliche Funktionen der Gesellschaft nichtmehr erfüllt werden" (ebenda). Dem SchweizerSchriftsteller und Philosophen Max Frisch wird indiesem Zusammenhang immer wieder die Formu-lierung zugesprochen: "Katastrophen kennt alleinder Mensch, sofern er sie überlebt. Die Natur kenntkeine Katastrophen" (51).

Deutschland kam damals recht glimpflich davon.Es gab keine Toten, die Gesamtschäden hieltensich mit ca. 330 Mio. € in Grenzen und "nur" ca.6.500 Menschen mussten evakuiert werden (diezehnfache Menge an Menschen war aber auf dieEvakuierung vorbereitet). Das "Oderhochwasser1997" nahm in Deutschland keinesfalls katastro-phale Ausmaße an. Zweifellos trugen dazu derunermüdlich Einsatz einer Vielzahl von Helfern undeiner Masse an Material und Technik dazu bei, dieSchäden in Deutschland einzugrenzen.

Bei aller Würdigung dieses personellen, materiel-len, technischen und menschlichen Einsatzesmuss jedoch nüchtern festgestellt werden, dass dieeigentlichen Ursachen für die vergleichsweisegeringen Schäden in Brandenburg in der großenAnzahl von Deichbrüchen in Polen lagen. 672.000ha Land wurden dadurch in Polen überflutet. Diemodellmäßige Rekonstruktion der Hochwasser-welle ohne Deichbrüche für den polnischen Oder-pegel Gozdowice im Bereich der deutsch-polni-schen Grenzoder unterhalb der Mündung derWarta liefert zwei ausgeprägte steile Hochwasser-scheitel, welchen zwei abgeflachte, relativ nahe

beieinander liegende gemessene Scheitel gegen-überstehen (Abb. 8-10, 132). Nicht auszudenken,was z.B. im mit über 20.000 Menschen besiedeltenOderbruch passiert wäre, wenn sich ein solcher,glücklicherweise nur simulierter, Scheitelwert vonüber 5.000 m³/s anstatt der gemessenen ca. 3.000m³/s eingestellt hätte. Dann hätten wir zweifellosauch in Deutschland eine "Hochwasserkatastro-phe" gehabt.

Die "Weichselflut 2001" trat zu exakt dem gleichenMonatszeitraum wie das Oderhochwasser 1997auf. Betroffen waren diesmal Gebiete in Südostpo-len im Einzugsgebiet der Weichsel, in denen estagelang intensiv regnete. Sie fließt in ihrem Verlaufdurch Zentralpolen, eine Region, die überwiegendlandwirtschaftlich genutzt wird. Auch hier bracheine Vielzahl von Deichen, wurden Brücken undInfrastruktur erheblich beschädigt. Mehr als 50.000Menschen waren direkt betroffen. 27 Toten warenzu beklagen und der Schaden in den agrarischgeprägten Woiwodschaften hielt sich mit 680 Millio-nen Euro in Grenzen.

Die "Augustfluten im Elbegebiet 2002" sowie dievorherigen Fluten z.B. in Bayern und Österreichgehen ebenfalls auf die Großwetterlage TRM bzw.den skizzierten "Wetterlagen-Typ V b" zurück. Vom06. bis 08.08.2002 fielen dabei die Extremnieder-schläge zunächst an den Oberläufen der Flüssenördlich von Salzburg und südlich von Prag insbe-sondere im Einzugsgebiet der Moldau. WenigeTage später, vom 09.08. bis 13.08.2002, kamenExtremniederschläge mit bis zu 312 mm in 24 Stun-den im Osterzgebirge herunter (Messstelle desDeutschen Wetterdienstes (DWD) Station Zinn-wald/ Georgenfeld). An den Stauanlagen der Lan-destalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsenwurden daneben Niederschlagsmengen registriert,

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Abb. 8-10 Gegenüberstellung gemesse-ner und mittels des Modelles SEROS simu-lierter Durchflussganglinien für den Oderpe-gel Gozdowice für das große Oder-Hochwasser 1997 (verändert nach 132),durchgezogene Linie = gemessen; gepunk-tete Linie = simuliert (ohne Deichbrüche).Die Retention des Wassers in den durch dieDeichbrüche wiedergewonnenen Auegebie-ten hatte den Spitzenabfluß bereits vor derdeutschen Grenze um mehr als ein Drittelvermindert!

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die im Raum Altenberg die DWD-Messwerte nochübersteigen und den sogenannten "MaximiertenGebietsniederschlagshöhen Deutschlands" (41)sehr nahe kommen.

Im sächsischen Osterzgebirge, im Einzugsgebietder Mulde und an der Elbe im Raum Dresden präg-ten sich im Resultat dieser extremen Nieder-schlags- und Abflussverhältnisse außergewöhnli-che Hochwassersituationen aus. Innerhalb wenigerStunden verursachten die riesigen Abflüsse derElb-Nebenflüsse in den betroffenen Erzgebirgstä-lern katastrophale Verhältnisse. Insbesondere diein ihr altes Flussbett durchbrechende VereinigteWeißeritz verheerte neben Orten wie Freital erheb-liche Teile der sächsischen Landeshauptstadt Dres-den bereits ab dem 12.08.2002 abends. Nebendem Dresdner Hauptbahnhof waren in den Folgeta-gen ca. 15 Prozent des Stadtgebietes von denWassermassen der Weißeritz und der Elbe überflu-tet. Diesmal kamen 21 Menschen zu Tode undallein in Dresden mussten 35.000 Menschen eva-kuiert werden.

In Tschechien war die personelle – mit 17 Toten –sowie die materielle und politische Betroffenheitebenfalls sehr hoch (101). Politisch ist besondersbrisant, dass alle drei Metrolinien – die für den Ver-teidigungsfall als atombombensichere Bunkeranla-gen vorbereitet waren – schwer beschädigt wur-den.

Am Elbpegel Dresden wurde mit einem Wasser-stand von 940 cm am 17.08.2002 der bisher ange-gebene Hochwasser-Höchststand von 877 cm vom31.03.1845 erheblich überschritten. Die Wasser-stands-Durchfluss(W-Q)-Beziehung war für diesenPegel in diesem Bereich nicht belegt. Die Landes-anstalt für Umwelt und Geologie (LfUG) des Frei-staates Sachsen gab Durchflusswerte an, die aufder bestehenden W-Q-Beziehung beruhten und bei

einem Wasserstand von 913 cm und einem Durch-fluss von 4.792 m³/s endeten. Sie gaben Anlass zuSpekulationen über Scheitelabflusswerte um 7.000m³/s (Abb. 8-11, vgl. auch Abb. 8-4).

Die Bundesanstalt für Gewässerkunde Koblenz(31) gibt dagegen als am "Blauen Wunder" gemes-senen Scheiteldurchfluss Q=4.700 m³/s an, was1000 m³/s weniger als beim Hochwasser vom31.03.1845 bei einem Wasserstand von 8,77 m inDresden wäre. Inzwischen bestätigt sich dieserzunächst hinsichtlich der angewandten Messver-fahren und deren Genauigkeit angezweifelte Wertimmer mehr und es wird dem Scheiteldurchfluss inDresden im August 2002 "nur noch" ein Wieder-kehrintervall von 150 bis 200 Jahren zugeordnet(155). Damit ordnen sich zumindest die Durch-flüsse vernünftig in das "Längsprofil von Prag,Dečin und Usti nach Dresden" ein. Der Wasser-stand von 9,40 m dagegen bleibt scheinbar ein Rät-sel, zumal kurz oberhalb des Stadtgebietes vonDresden im August 2002 fast die gleichen Wasser-stände wie an den historischen Hochwassermar-ken des Pillnitzer Schlosses vom März 1845 nochimmer ablesbar sind (Abb. 8-12). Hier gibt es nureine Erklärung: das Hochwasserabführungspoten-zial im Stadtgebiet von Dresden ist offensichtlich inden letzten Jahrzehnten drastisch vermindert wor-den. Sich immer stärker bestätigende Ursachensind starke Auflandungen - die Bundesanstalt fürWasserbau (BAW) nennt Zahlen von "1 m Höheüber mehr als 50 m Breite" im Bereich der Carola-,Augustus- und Marienbrücke - sowie "strömungs-verändernde Wirkungen des Bewuchses, dieneben der Widerstandserhöhung zu zusätzlichenWasserspiegelaufhöhungen und Strömungsbela-stungen führen" (21). Luftbilder während des Hoch-wassers aus dem Bereich der Ostraflutrinne undder Marienbrücke bestätigen dies eindringlich undweisen darüber hinaus auf die negativen Wirkun-

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Abb. 8-11 Pegel Dresden/ElbeDurchfluss vom 11.08.02 - 7.00 Uhrbis 22.08.02 - 7.00 Uhr (LfUGSachsen, Internetangaben)

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gen von Bauwerken in den zur Hochwasserentla-stung angelegten Flutrinnen hin (Abb. 8-13).

Demnach haben wir es also keinesfalls mit einemHochwasser nie dagewesenen Ausmaßes in derElbe zu tun, sondern die Überflutung war diesmalheftiger als jemals vorher, weil zu Ungunsten derHochwasservorsorge z.B. für Mensch, Kulturgüterund Infrastruktur andere Prioritätensetzungen, z.B.für Naturschutzbelange, Naherholung und Sporterfolgten bzw. über Jahrzehnte fehlende finanzielleMittel eine hochwassermindernde Gewässerunter-haltung nicht zuließen.

8.4 "Einstellen auf Hochwasser" ist nötig und möglich – verhindern kann man Hochwasser nicht!

Sowohl nach der "Oderflut 1997" und der "Weich-selflut 2001", als auch den "Augustfluten 2002 imElbegebiet", gab es auffällig viele monokausale

Erklärungsversuche, welche diese Hochwässerz.B. auf Zunahme der Flächenversiegelung, desFlussausbaus, des Waldsterbens oder auf anthro-pogen verursachte Klimaänderungen zurückführ-ten. Ohne Zweifel lassen sich die Wirkungen veränder-ter Klimabedingungen am vielhundertjährigenHochwassergeschehen des Pegels Dresden z.B.beim Vergleich des Auftretens von Sommer- undWinterhochwasser - in der Verlängerung der konti-nuierlichen Reihe der Jahreshöchstabflüsse seit1851 um historische Hochwässer bis zum Jahr1501 - erkennen (Abb. 8-14). Vor allem in der Peri-ode der kleinen Eiszeit im 18. und 19. Jahrhundertüberwiegen extreme Winterhochwässer. In derPeriode einer relativ kurzen ZwischenerwärmungEnde des 19. Jahrhunderts treten häufig extremeSommerhochwässer auf, die sich im 20. Jahrhun-dert fortzusetzen scheinen. Ohne Zweifel befindet sich unser Klima in einempermanenten Änderungsprozess (z.B. 122). Unter-suchungen des Deutschen Wetterdienstes an denWerten der DWD-Station Hohenpeißenberg in Bay-ern zeigen z.B. auf, dass sich der Erwartungswertder Anzahl der Tage mit mehr als 30 mm Nieder-schlag von 2,8 Tagen pro Jahr im Jahre 1880 auf5,2 Tage pro Jahr im Jahr 2000 erhöht hat. EinGrund ist sicherlich die Erhöhung der Mitteltempe-ratur in Deutschland im letzten Jahrhundert umetwa 0,6°C. Prognostiziert wird für das bevorste-hende Jahrhundert eine solche von 1,5°C – 5°C(42). Demzufolge wäre eine wärmere Atmosphäre,die mehr Energie zum Wasserumsatz zur Verfü-gung hätte und demzufolge auch stärkere(Extrem-) Niederschläge liefern könnte, zu erwar-ten. Diese Entwicklung gilt es nüchtern und sach-lich zu verfolgen und umsichtig durch notwendigesglobales und regionales Handeln entgegenzuwir-ken. Der scheinbar weitsichtige Ansatz "Hochwasser-schutz heißt Klimaschutz" z.B. in Platzeck und

Abb. 8-12 Hochwassermarken der Elbe in der Sächsischen Schweiz. Während der Flutscheitel in Bad Schandau (linkesBild) 30 cm höher war als 1845, war das in der 15 km stromab gelegenen Stadt Wehlen (mitte) genau umgekehrt. In Pill-nitz lagen beide Höchststände auf gleicher Höhe (rechts). In Dresden lag der Wasserstand 2002 gar 63 cm über dem von1845. Ursache sind unterschiedliche Ablagerungen und Bewuchs in den Auen und Gebäude, die seit 1845 neu in die Auegebaut wurden (Fotos Grundmann, Lehrstuhl Hydrologie TU Dresden, rechts Uwe Grünewald, BTU Cottbus).

Abb. 8-13 Die Flutrinnen Ostragehege (links) undKaditz (rechts oben) in Dresden am 16.08.2002, einenTag vor dem Flutscheitel der Elbe. 1969 wurde die Eis-sporthalle mitten in die Flutrinne gesetzt (Foto Andreas Prange, GKSS).

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Roßberg (124, 131) scheint plakativ, aber letztlichkurzsichtig und sogar gefährlich. Er vermittelt einer-seits das Alibi des "Verursachtseins durch höhereGewalt" und enthält dadurch Aspekte einer "Gene-ralamnestie" für jahrzehntelanges nicht erfolgtesHandeln. Insbesondere entlässt er Entscheidungs-träger all zu schnell aus der Verantwortung fürzukünftige Maßnahmen zum "Hochwasserschutz"bereits bei "unverändertem und verändertenKlima". "Nüchtern und sachlich" sollten die erkann-ten Defizite bei der Hochwasservorsorge, von derInformationsvorsorge, über die Verhaltensvorsorge,die Raum- und Bauvorsorge bis hin zur Risikovor-sorge - die ja alle sehr konsequent und richtig in

(106) aufgelistet sind - umgesetzt werden. Hoch-wässer, insbesondere Extremhochwässer, lassensich nicht verhindern. Wir können und müssen unsaber besser durch Vorsorgemaßnahmen auf sieeinstellen. Insbesondere gilt es, wesentlich stärkerund konsequenter als bisher Wasserressourcen-und Landressourcenbewirtschaftung gemeinsamzu bewältigen (58).

Betrachtet man z.B. den Verlauf der Hochwasser-welle vom Pegel Außig (Usti) über Dresden, Tor-gau, Wittenberg, Aken, Barby, Tangermünde undWittenberge nach Neu-Darchau (siehe 31 und vgl.Abb. 1-3), so fallen zwei Tatsachen besonders auf:

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Abb. 8-14 Jahres-Höchstabflüsse am Pegel Dresden/Elbe. HQ ab dem Abflussjahr 1851 kontinuierlich, ergänzt umeinige historische Hochwässer (grau hinterlegt). Sommerhochwasser rot, Winter blau.

Abb. 8-15 Ein Fernseh-Team bereitetsich am 20.08.2002 im Überschwem-mungsgebiet bei Klein Gübs unweitvon Magdeburg auf eine Direktsendungvor. Über Nacht mussten die Bewohnerdes Ortes in wenigen Minuten ihreHäuser verlassen, da bei Heyroths-berge ein Deich gebrochen war unddas Wasser aus dem Elbe-Umflutkanaldas Dorf überflutet hat (Foto Peter Förster).

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Neben den Oberläufen in Tschechien ist es nur dieVereinigte Mulde, die zu einem drastischen Anstiegdes Durchflusses in der Elbe beiträgt.

Im Bereich der Havel ist eine drastische Durch-flussminderung durch Polderflutung zu beobach-ten. Letzteres dürfte nicht zuletzt auf eine entschei-dende Erfahrung aus der "Oderflut 1997"zurückzuführen sein, wo 672.000 ha Überflutungs-flächen in Polen auf Grund einer Unzahl von (meistungewollten) Deichbrüchen zu einer deutlichenAbflachung der Hochwasserwelle insbesondere imBereich der deutsch-polnischen Grenzoder führten(Abb. 8-10). Die gezielte Nutzung der "Flutungspol-der Havelniederung" im August 2002 lieferte eineKappung der Hochwasserwelle an der Stadt Wit-tenberge um mehr als 0,5 Meter, wodurch dortpraktisch keine Hochwasserschäden auftraten(siehe Pfeil 6 in Abb. 1-3). Problematisch stelltesich dagegen die Situation beim Rücklauf der geflu-teten Polder dar, da es durch hohe Sauerstoffzeh-rung auf den landwirtschaftlich intensiv genutztenPolderflächen zu massenhaftem Fischsterben kam(vgl. Abschnitt 7.4 ’Flutung der Havelpolder’ abSeite 70).

8.5 Hochwasser in Medien und Politik

Hochwasser sind neben Naturereignissen auch“Politik- und Medienereignisse”. Während im Jahr1997 der hohe Einsatz an Menschen und Materialan der deutschen Grenzoder das "Gefühl desgesamtdeutschen Zusammenwachsens in derStunde der Gefahr", die "neue Verbundenheit derBevölkerung mit ihren Soldaten" usw. von über 500Journalisten von 12 TV-Stationen, 35 Radiosen-dern, 76 Printmedien und 12 Agenturen in denMedien vermittelt wurde, wird die Hochwasserkata-strophe im Elbeeinzugsgebiet im August 2002 nichtunwesentlich im Zusammenhang mit dem Wahler-folg des damals erneut kandidierenden Bundes-kanzlers in Verbindung gebracht. Weil das so ist,sollte aber konsequenter als bisher die Integrationder "Politikbereiche Hochwasservorsorge und derHochwasserabwehr" in die anderen Politikbereichewie Verkehrswesen, Städte-, Regional- und Raum-planung sowie insbesondere den Naturschutz - undumgekehrt - betrieben werden (Abb. 8-15).

Im Rahmen der Diskussion um die Umsetzung derEuropäischen Wasserrahmenrichtlinie (45) werdendie europäischen Länder, also auch die deutscheBundesregierung, aber auch die deutschen Bun-desländer, die ja nach deutscher Gesetzgebung fürden Hochwasserschutz zuständig sind, nicht darumherum kommen, den Hochwasserschutz, die Hoch-wasservorsorge und die Hochwasserabwehr indiese direkt einzubinden. Insbesondere in Deutsch-land müssen wir uns dazu stärker und konsequen-

ter als bisher fragen, ob es sinnvoll und richtig ist,die Zersplitterung in der Zuständigkeit für Hoch-wasserfragen in verschiedensten Ländern undBehörden bzw. Verantwortungsbereichen (z.B. vonden Wasserbehörden, den Umweltbehörden, überdie Schifffahrtsbehörden bis zu den Planungsbe-hörden) in einem Flussgebiet weiter (argwöhnisch)zu pflegen oder ob diese zu Gunsten einer länder-übergreifenden, integrativen und interdisziplinärenWasserbewirtschaftung im Flussgebietsmaßstabverändert wird.

8.6 Hochwasserrisikomanagement statt schnelles Verdrängen und Vergessen!

Das für viele Menschen und Medien "überra-schende Hochwasser" im Sommer 2002 im Elbe-gebiet hat einen deutlichen Verlust an "histori-schem Hochwasserbewusstsein" in den meistenbetroffenen Regionen offenbart. Scheinbar beden-kenlos wurden in hochwassergefährdeten Gebietenz.B. Häuser und Gewerbegebiete gebaut und (Ver-kehrs-) Infrastruktur hineingetragen (vgl. Abb. 1-4).Trotz vielfältiger Mahnungen und Lehren z.B. (57)aus der "Oderflut 1997" wurde nicht in die Entwick-lung leistungsfähiger Hochwasserfrühwarnsy-steme nach modernem Stand von Wissenschaftund Technik investiert. Das Bewusstsein um dieHochwassergefahren und den eingeschränktenAbfluss bei Verbauung bzw. sonstiger Verkleine-rung der vorhandenen Hochwasser-Abflussprofileund der Retentionsräume war zwar bei den Fach-leuten vorhanden. Offensichtlich stand es aberz.B. der politisch gewollten Entwicklung von Wirt-schaftsstandorten und der Umsetzung von Touris-mus- oder Naturschutzkonzepten hilflos gegen-über. Schnell wurden demzufolge noch währendder Katastrophe Klimawandel, Waldsterben oderLandnutzungswandel als eigentliche Ursachenausgemacht.

In den nach der "Elbeflut 2002" inzwischen auf viel-fältigen Ebenen und in unterschiedlichen Gremienerarbeiteten Analysen (z.B. 165, 95, 107, 154)zeichnen sich wesentlich sachlichere und nüchter-nere Schlussfolgerungen ab: Was in Deutschlandgebraucht wird, ist ein Hochwasserrisikomanage-ment, das alle Aspekte der Hochwasservorsorgeund -bewältigung einzugsgebietsbezogen umfasst.Dies wird insbesondere in einer Studie des Deut-schen Komitees für Katastrophenvorsorge e.V.(DKKV) ausführlich dargestellt.

Ziel der Studie (58) war es herauszuarbeiten, wases in Zukunft bei der Hochwasservorsorge undder Hochwasserbewältigung in Deutschland end-lich zu beherzigen gilt.

Die Facetten der Aussagen sind vielfältig. Siebeginnen beim Nachweis, dass weder bei der

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Hochwasservorsorge noch bei der Bewältigung vonHochwasserkatastrophen in Deutschland das erfor-derliche Maß an Kooperation, Kommunikation undFührung vorhanden ist. Bei beiden mangelt es anausreichendem Zusammenwirken über Fach- undRaumgrenzen sowie insbesondere über Bundes-ländergrenzen hinweg.

Anstatt "Hochwasserschutz" zu versprechen,sollte eine bewusste Auseinandersetzung und einbewusster "Umgang mit den Hochwasserrisiken"erfolgen. Grundlage dafür sind beispielsweise dieOffenlegungen von Gefahren und Verletzlichkeiten,aber auch von Warn- und Schutzmöglichkeiten.Letztlich gilt es, in Deutschland stärker als bisherdie Möglichkeiten der privaten Eigenvorsorge alsBestandteil der Hochwasservorsorge systematischzu entwickeln. Deutlich wird, dass ein solches"Hochwasserrisikomanagement" eine Quer-schnittaufgabe ist, die nicht sektoral bewältigt wer-den kann.

Es ist als Kreislauf zu sehen, so dass der Wieder-aufbau nach der Hochwasserkatastrophe bereitsdie Ansätze für eine verbesserte Vorsorge enthal-ten muss (Abb. 8-16).

Kritisch wird weiterhin der Stellenwert der einzelnenVorsorgemaßnahmen bezüglich der Minderung von(häufigen, seltenen und sehr seltenen) Hochwäs-sern hinterfragt und z.B. die häufig unkritischeÜberbewertung der Erhöhung des natürlichenWasserrückhaltes und die häufige Unterbewer-tung von Maßnahmen des technischen Hochwas-serschutzes gegenüber der Wirkung extremerHochwasserereignisse thematisiert (Tab. 8-1).

Demgegenüber kann die "Flächenvorsorge", alswirksamstes Instrument zur Reduktion des Scha-denpotenzials in den überflutungsgefährdeten Räu-men entlang der Flüsse, nach wie vor nicht umge-setzt werden. Sie ist ein "starkes Instrument inschwachen Händen", weil z.B. die Akteure und Ent-scheidungsträger zur Flächenvorsorge vor allemauf regionaler und kommunaler Ebene angesiedeltsind. Dort ist Hochwasserschutz "ein Punkt untervielen" und ihm wird im politischen und ökonomi-schen Abwägungsprozess meist eine geringe Prio-rität eingeräumt. Insofern tendiert die auf kommu-naler Ebene zu bewältigende Bauleitplanung unterden Gesichtspunkten von Hochwasservorsorgeund -bewältigung eher zur "Bauleidplanung". Ähnli-ches gilt national bei den Bundesländern ("jedermacht seins") und auf internationaler Ebene z.B.bei den internationalen Flusskommissionen ("guteArbeit doch kaum Wirkung"), weil ihre zweifellosvielfältigen Initiativen nur empfehlenden bzw. bera-tenden Charakter haben.

Das am 02. Juli 2004 im Bundestag verabschiedete"Hochwasserschutzgesetz" liefert die Chance zurverbesserten Raumplanung, indem Ansätze geför-dert werden, überschwemmungsgefährdeteGebiete nach bundeseinheitlichen Kriterien auszu-weisen. Andererseits "überzieht" es bei einigenForderungen wie "nach generellem Ackerverbot inÜberschwemmungsgebieten", offensichtlich ausNaturschutzgründen zum Teil erheblich, so dassam 24. September 2004 der Bundesrat das Gesetzzur "Nachbesserung in den Vermittlungsaus-schuss" (24) verwiesen hat. Anstatt dazu einen"föderalen Konsens" bezüglich der Beschränkung

Vo

rso

rge

Bew

ält

igu

ng

Wieder-aufbau

Bauvorsorge

Hochwasser

Katastrophen-abwehr

Informationsvorsorge

Technischer Hochwasserschutz

Erhöhung des natürlichen

Wasserrückhalts in den

Einzugsgebieten

Verhaltensvorsorge

Flächenvorsorge

Aufbauhilfe

Hilfe für dieBetroffenen

Abb. 8-16 Hochwasserrisi-komanagement - eine Querschnittsaufgabe, die nicht sektoral bewältigt wer-den kann.

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UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8 HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS

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Abb. 8-17 Das Einzugsgebiet der Elbe wird in sogenannte Koordinierungsräume unterteilt, denen je ein (Bundes-) Landfederführend zugeordnet ist. Was im föderalen System der Bundesrepublik noch chancenlos war, erreicht der Druck derEU-Wasserrahmenrichtlinie. Erstmals werden fließgewässerbezogene verwaltungstechnische Einheiten nicht mehr anStaats- oder Landesgrenzen, sondern an den natürlichen Einzugsgebietsgrenzen orientiert (Grafik UBA).

Kartengrundlage:Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA)Ministerium für Umwelt der tschechischen Republik,Umweltbundesamt (A)Bundesamt für Kartogra-phie und Geodäsie

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BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

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des Ackerverbotes nur auf einen "Überschwem-mungskernbereich mit den AusgangskriterienHQ(10)" – wie z.B. im Bundesland Baden-Württem-berg im dortigen neuen Landeswassergesetzumgesetzt – anzustreben, zeichnete sich zunächsteher eine Blockade zwischen der Bundesregierungund den Ländern ab.

Inzwischen ist am 09.05.2005 das modifizierte"Gesetz zur Verbesserung des vorbeugendenHochwasserschutzes" (54) verkündet und in Kraftgetreten. In Form eines sogenannten "Artikelgeset-zes" werden Änderungen des "Wasserhaushaltsge-setzes (Artikel 1)", des "Baugesetzbuches (Artikel2)", des "Raumordnungsgesetzes (Artikel 3)", des"Bundeswasserstraßengesetzes (Artikel 4)", des"DWD-Gesetzes (Artikel 5)" mit DWD-DeutscherWetterdienst, des "Gesetzes über die Umweltver-träglichkeitsprüfung (Artikel 6)" und des "Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (Artikel 7)" vorgenom-men. So müssen z.B. Überschwemmungsgebiete(auf der Basis eines 100-jährlichen Hochwassers)und überschwemmungsgefährdete Gebiete zukünf-tig auch in den Raumordnungsplänen, den Flä-chennutzungsplänen und in den Bebauungsplänengekennzeichnet werden. Die Zusammenarbeit der(Bundes-) Länder beim Hochwasser wird zukünftigauf der Basis sogenannter "Flussgebietseinheiten"der betroffenen Länder erfolgen (Abb. 8-17). Dort

sollen vor allem die bis spätestens zum 10. Mai2009 aufzustellenden Hochwasserschutzpläne ein-zugsgebietsbezogen abgestimmt werden.

Dort, wo bereits Siedlungen usw. in überschwem-mungsgefährdeten Bereichen bestehen, bietet dieBauvorsorge die größte Chance, das bereits vor-handene Schadenpotenzial kurzfristig und nachhal-tig zu verringern. Gerade in der Phase der Kata-strophenbewältigung, insbesondere demWiederaufbau, bestand hier in den z.T. schwergeschädigten Teilregionen der Elbe die Chance,nachhaltige Lösungen zu erreichen. Dass dies nurin wenigen Fällen gelang und gelingt, hat mit Män-geln bei der Verhaltensvorsorge auf allen Ebenen -von den Behörden über die Kommunen bis hin zuden potenziell betroffenen Anwohnern - zu tun. Umdiese zu fördern, gilt es, Hochwassergefahrenglaubhaft und erfahrungsnah zu vermitteln. Dasbeginnt z.B. bereits beim Anbringen neuer und demVervollständigen alter Hochwassermarken undreicht bis zur Vorbereitung von konkreten Zielgrup-pen durch Checklisten und Handlungsempfehlun-gen für den Überschwemmungsfall.

Einen größeren Raum als bisher muss in Deutsch-land die Risikovorsorge gegenüber Überschwem-mungen einnehmen. Umfangreiche Analysen undBefragungen dazu zeigten, dass durch die Versi-cherungen Verhaltens- oder (private) Bauvorsorgezur Schadensminderung zu wenig honoriert bzw.stimuliert werden. Erforderlich ist auch in Deutsch-land ein Konzept einer dauerhaften Risikovorsorgein Form einer Pflichtversicherung.

Die Vorbeugung von Extremabflüssen und -überflu-tungen durch natürlichen Rückhalt und technischenRückhalt verlangt eine stärkere Abstimmung undAusgewogenheit ("natürlicher Raum für Flüsse -ein Runder Tisch des Hochwasserschutzes"). Stär-ker als bisher gilt es, die Möglichkeiten und Gren-zen der einzelnen Maßnahmen nüchtern herauszu-stellen ("Sicherheit durch Deiche - ein brüchigerBund"). Insgesamt darf die griffige und programma-tische Formel "Mehr Raum für Flüsse" nicht zurParole für unterschiedliche Klientel konkurrierenderPolitikfelder degenerieren.

Der erhebliche Nachholbedarf bezüglich der Infor-mationsvorsorge wurde nicht nur bei den ausunterschiedlichen Gründen mangelhaften Hoch-wasservorhersagen direkt an der Elbe, sondern imAugust 2002 vor allem auch bei der rechtzeitigenWarnung und deren Weiterleitung an die Bevölke-rung z.B. in den Erzgebirgstälern deutlich. Ob dieWarnung erfolgreich ist, hängt in hohem Maße vonder Reaktion der Gewarnten ab. Hierfür ist wie-derum entscheidend, inwieweit bei den BetroffenenRisikowahrnehmung und Verhaltensvorsorge aus-gebildet sind.

Tab. 8-1 Beispiele für differenzierte Maßnahmen zurHochwasservorsorge bei unterschiedlichen Hochwasser-Wiederkehrintervallen (T in Jahren, 38, verändert).

häufige Über-schwemmungen(T < 10 a)

"weiche", strukturelle Maßnahmen

• Renaturierung

• verbesserte Infiltration, Entsiegelung

• dezentraler Rückhalt• Deichrückverlegung,

Querschnittsaufweitung• Deiche

seltene Über-schwemmungen(T=10 - 200 a)

technische Maßnahmen

• Rückhaltebecken, -flächen

• Deiche• Polder• Deichrückverlegung,

Querschnittsaufweitungsehr seltene Über-schwemmungen(T > 200 a)

organisatorische Maßnahmen

• Notentlastungen

• Katastrophenbewältigung• finanzielle Vorsorge

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UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8 HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS

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Überschreitet das Ereignis eine kritische Größen-ordnung, beginnt die Katastrophenabwehr alserstes Element der Katastrophenbewältigung.

In der Studie erfolgte eine "Analyse der Katastro-phenabwehr als Netzwerk und der Kommunika-tion". Zunächst wurde dazu diskutiert, was eigent-lich "die Lektion ist, und was, wie von wem, wannund warum (nicht) gelernt wurde". Schlussfolgerun-gen wie:

• im System "Katastrophenschutz" haben sich Ver-fassungswirklichkeit und Verfahrenswirklichkeitentkoppelt;..."

• das wirkliche Funktionsprinzip des bestehendenKatastrophenschutzes heißt "kleiner Dienstweg";"

• das größte Problem des bestehenden Katastro-phenschutzes ist seine Insulation in Meidungs-gruppen"

machen die Brisanz der Problematik deutlich.

Schließlich erfolgte unter diesen Gesichtspunkteneine Analyse der positionalen Sichtweisen der ver-schiedenen Akteursberichte zur Elbeflut sowie derStruktur der Gefahrenabwehr in Deutschland. ImErgebnis dessen wurden vier strukturelle Defiziteherausgearbeitet:

• “mangelnde Verbundenheit von kooperativenKatastrophenabwehrakteuren",

• “Selbstbezogenheit und mangelnde Orientierungam Ganzen",

• “Schwäche der wertsetzenden Instanzen derKatastrophenabwehr" und

• “strukturelle Zentralität des operativ-taktischenSubsystems".

Aus naturwissenschaftlicher Sicht ist in diesemZusammenhang auf (117) in der englischen Fach-zeitschrift NATURE (Bd. 425, S. 166 ff.) zu verwei-sen. Dort wird herausgearbeitet, dass die Häufig-keit großer Hochwasserdurchflüsse an Elbe undOder nicht zugenommen hat, auch wenn die "Jahr-hundertfluten" an diesen Flüssen in den vergange-nen Jahren das Gegenteil zu zeigen scheinen. ImSommer nimmt sie nicht zu und im Winter gehenZahl und Ausmaß großer Fluten sogar zurück(Abb. 8-18).

Die Autoren unterscheiden bei der Auswertung derBerichte, die bis in das 11. Jahrhundert zurückrei-chen, Fluten im Sommer, die durch starken Regenverursacht werden, und Überschwemmungen imWinter, zu denen hauptsächlich die Schnee-schmelze aber auch Eishochwasser beitragen.

re 2 Occurrence rates of heavy floods (magnitude classes 2–3) in central Europe.

Elbe, winter; c, d, Elbe, summer; e, f, Oder, winter; g, h, Oder, summer. Flood data

Weikinn’s sources10 (Supplementary Information) (b, d, f, h) were analysed using a

sian kernel, a bandwidth of 35 yr and bootstrap simulations (see Methods). This

ed (a, c, e, g) occurrence rates (solid lines) and 90% confidence bands (grey);

rrence rates using data from CLIMDAT16 (Supplementary Information) for 1500–

1799 are shown as dashed lines. Records before 1500 are probably not homogenous

confidence bands drawn). Arrows indicate the results (downward/no trend) from the

statistical test (90% level) for trend in the flood occurrence rate (Elbe, 1852–2002; O

1850–1920 and 1920–2002); results for uncorrected and reservoir-size-corrected d

are identical. For occurrence rates and trends including data on minor floods (class 1),

Supplementary Information.

URE |VOL 425 | 11 SEPTEMBER 2003 | www.nature.com/nature 1© 2003 NaturePublishing Group

Abb. 8-18 Auftrittshäufigkeit von schweren Hochwässern an Elbe und Oder. a, b, Elbe, Winter; c, d, Elbe, Sommer; e, f, Oder, Winter; g, h, Oder, Sommer. Hochwasserdaten aus 171. Dargestellt sindAuftrittswahrscheinlichkeiten (durchgezogene Linie) und 90% Vertrauensintervalle (grau); Auftrittswahrscheinlichkeitenmit Daten von CLIMDAT16 für 1500–1799 sind gestrichelt dargestellt. Aufzeichnungen vor 1500 sind wahrscheinlich nichthomogen (keine Verrtauensbänder dargestellt). Die Pfeile zeigen Ergebnisse (Abwärts- oder kein Trend) von statistischenTests (90% Wahrscheinlichkeit) für den Trend der Auftrittswahrscheinlichkeiten (Elbe, 1852–2002; Oder, 1850–1920 und1920–2002); Ergebnisse für nicht korrigierte und reservoir-size-corrected Daten sind identisch (aus 117).

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Danach traten weder an der Elbe noch an der Oderwährend der vergangenen achtzig bis einhundert-fünfzig Jahre häufiger extreme Abflüsse als in denJahrhunderten zuvor auf. Im Winter sind solcheÜberschwemmungen heute sogar seltener alsnoch vor etwa einhundert Jahren. Diese Abnahmeerklärt sich u.a. mit der Zunahme milder Winternach der sogenannten "kleinen Eiszeit" Ende des18. Jahrhunderts (siehe z.B. 55; 122), in denen sichdie gefährlichen Eisbarrieren in den Flüssen nursehr selten oder gar nicht ausbilden.Bezüglich der vor allem in den Medien und vonPolitikern verbreiteten These "Klimaschutz istHochwasserschutz" heißt das, dass die vergange-nen extremen Hochwässer an Elbe und Oder kaum"Resultat eines Klimawandels" sind. Insbesonderezeigt sich aber, dass die vielfältigen Defizite bei derHochwasservorsorge und bei der Bewältigung vonHochwasserkatastrophen eindeutig nicht "klimabe-dingt" sind. Vielmehr gilt es, die z.B. in der DKKV-Studie "Hochwasservorsorge in Deutschland - Ler-nen aus der Katastrophe 2002 im Elbegebiet" (38)dargestellten Handlungserfordernisse und Empfeh-lungen umzusetzen und unter dem Gesichtspunktdes sich zweifellos abzeichnenden Klimawandelsmit noch nicht absehbaren Konsequenzen für dasExtremabflussverhalten in unseren Flüssen nochzu erweitern.Mehr als bisher gilt es daher aber, vom "Hochwas-serschutzdenken und -versprechen" weg zumnüchternen und sachlichen "Umgang mit demRisiko" überzuleiten. Denn nur so gibt es eineChance gegen das bekannte schnelle "Verdrängenund Vergessen" von Naturgefahren wie Extrem-hochwässern anzukommen. Sehr ausführlichhaben das auch die "Wasserdirektoren der Euro-päischen Union" – erweitert um Vertreter aus Nor-

wegen, der Schweiz und einigen damaligen Bei-trittsländern bereits im November 2002 inKopenhagen – diskutiert und im Jahr 2004 ein"Best Practices on Flood Prevention, Protectionand Mitigation" Dokument veröffentlicht. Darin wirdeindeutig u.a. betont, dass wir "endlich lernen müs-sen, mit extremen Hochwässern zu leben". Dieskann aber nur auf interdisziplinärer Basis erreichtwerden. Dazu erforderlich ist u.a. die Erstellungvon Hochwasserrisiko-Bewältigungs-Plänen fürjedes (auch grenzüberschreitende) Fluss-Einzugs-gebiet. Solche Pläne müssen integrativer Art sein,d.h. sie müssen möglichst alle Aspekte der Was-serbewirtschaftung, der Raumplanung, der Land-nutzung, der Landwirtschaft, der Infrastrukturent-wicklung, des Naturschutzes usw. aufinternationaler, nationaler, regionaler und lokalerEbene umfassen. Auch sollten sie Politiker, Ent-scheidungsträger und Betroffene auf all diesengesellschaftlichen Ebenen einbinden, um beispiels-weise nicht lokale und regionale Überwachungs-probleme dadurch zu lösen, dass man das Problem– entgegen dem geforderten Solidarprinzip – ein-fach nur auf die Unterlieger im Flusseinzugsgebietverlagert.

Wie schwierig das umzusetzen ist, zeigt sich imföderalen Deutschland beim langen Weg, dieHochwassergesetzgebung bundesweit auf einegewässereinzugsgebietsbezogene Gesetzes-grundlage zu stellen. Die sachgerechte Umsetzungdieses Artikelgesetzes bedarf großer Anstrengun-gen u.a. bei der Entwicklung eines nachhaltigenHochwasserbewusstseins, eines Konsens überentsprechende (Schutz-, Versorgungs- und Bewäl-tigungs-) Ziele, des sachgerechten Umgangs mitunseren Gewässern usw. in allen Ebenen unsererGesellschaft (siehe z.B. 122).

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FRANK KRÜGER ABSCHNITT 9 WIE KANN MAN SICH VOR HOCHWASSERBEDINGTEN BELASTUNGEN SCHÜTZEN?

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9 Wie kann man sich vor hochwasserbedingten Belastungen schützen?

Der Schutz vor den hochwasserbedingten Bela-stungen ist facettenreich. Die Maßnahmen reichenvon der Beachtung einfacher Regeln der Hygieneim Hochwasserfall selbst bis zum langfristigen Nut-zungsmanagement belasteter Auen und zur vor-beugenden Sicherung und Vermeidung von poten-ziellen Schadstoffquellen im Überschwemmungs-bereich.

Das zukünftige Hochwassergeschehen ist naturge-mäß nicht hundertprozentig vorhersagbar. Beijedem Hochwasserereignis wird es erneut zurRemobilisierung von Schadstoffen kommen, dieallerdings mit Ausnahme der Keimbelastungenkeine akute Gefahr darstellen.

Maßnahmen zur akuten Gefahrenabwehr

• Der einzig wirksame Schutz vor schlammbesie-delnden Keimen ist das "normale" Waschen derHände und der Kleidung nach ungewollter Kon-taktnahme. Bei bewusster Kontaktnahme ist dasTragen von Schutzhandschuhen und die Verwen-dung von Desinfektionsmitteln zur Reinigung ver-schmutzter Gegenstände anzuraten.Grundsätzlich sollen natürlich auch Obst undGemüse vor dem Verzehr gründlich gewaschen,bzw. geschält werden, dies gilt nach einem Hoch-wasserereignis um so mehr. Für Hochwasserhel-fer wird darüber hinaus vorsorglich eineImmunisierung gegen Hepatitis A empfohlen.

• Die einmalige oder erstmalige Überflutung vonHaus- oder Kleingärten hat nachgewiesenerma-ßen zu keinem nennenswerten Schadstoffeintraggeführt. Wohl aber sind kurzfristige Keimbelastun-gen aufgetreten. Das Umgraben und Belüften desBodens hat geholfen, Keime absterben zu lassenund die nachhaltige Infektionsgefahr zu eleminie-ren. Das Umgraben des Bodens führt darüber hin-aus zu einer Verdünnung derOberbodenbelastung.

Maßnahmen zur Vermeidung des Schadstofftrans-fers in die menschliche Nahrungskette

• Die hochwasserbedingten Belastungen, bedingtdurch jahrhundertelangen Schadstoffeintrag in dieÜberflutungsbereiche der Flüsse, werden nach-haltig wirken. Für die größten Abschnitte der Elbeund Mulde kann gesagt werden, dass sich dieBelastungssituation der Auen durch das Hoch-wasser 2002 nicht verändert hat. Ein gezieltesManagement der Auenbewirtschaftung kann hel-fen, den Schadstofftransfer zu minimieren.

• Die Schadstoffbelastung in Fischen kann nachwie vor nicht ausgeschlossen werden. Insbeson-dere fettreiche Fische wie Aale oder aber räuberi-sche Fische wie Zander, reichern immer noch soviele Schadstoffe an, dass nur zu einem gelegent-

lichen Verzehr geraten werden kann. Es wirdempfohlen, nicht mehr als 1 - 2 kg Elbfisch proFrau/Mann und Monat zu verzehren.

Maßnahmen zur Vermeidung von Schadstoffquel-len im Überflutungsbereich

• Vorbeugend sollten Bebauungen im potenziellenÜberflutungsbereich der Flüsse zukünftig unter-bleiben. Das schützt das Eigentum auf der einenSeite, auf der anderen Seite können Retentions-flächen bereit gehalten werden. Diese helfen,Hochwasserscheitel zu kappen und die Gefahrvon ungewollten Deichbrüchen zu minimieren.

• Ist die Bebauung im Überschwemmungsbereichbereits erfolgt, so müssen die wichtigsten "Versor-gungseinheiten", wie Hauswasseranlage, Hei-zung, Öl- und Gastanks hochwassersicherinstalliert werden. Insbesondere bei Hauswasser-anlagen sollte die Keimbelastung des gewonne-nen Trinkwassers regelmäßig vorbeugenduntersucht werden.

Zahlreiche Berichte zu Ursachen, Verlauf, Katastro-phenmanagment, sozioökonomischen Auswirkun-gen und politischen Konsequenzen des Hochwas-sers an der Elbe und ihren Nebenflüssen sind dar-über hinaus frei verfügbar. Für die weitere intensiveAuseinandersetzung können die folgenden emp-fohlen werden:

• die Dokumentation des Hochwassers vom August2002 im Einzugsgebiet der Elbe (95),

• der Bericht des Deutschen Komitees für Katastro-phenvorsorge (38),

• der "Kirchbach"-Bericht der sächsischen Staatsre-gierung (165),

sowie die Hochwasserberichte:

• der Sächsischen Staatsregierung (134),

• des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt und des Ministeriums für Landwirtschaftund Umwelt (103, 104, 116),

• der Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Elbe(7),

• der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz(31),

sowie die Darstellung von Mudelsee u.a. im Fach-Magazin "Nature" (117).

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te zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasser-schutzes, http://www.bmvbw.de/Anlage12654/5-Punkte-Programm-der-Bundesregierung.pdf

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[9] ARGE-Elbe (1996): Schadstoffe in Elbefischen – Belas-tung und Vermarktungsfähigkeit. Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der Elbe, 120 S.

[10] ARGE-Elbe (2000): Schadstoffe in Elbefischen - Belas-tung und Vermarktungsfähigkeit - von der Grenze bis zur See 1999/2000 108 S. http://www.arge-elbe.de/wge/Download/Berichte/00SchadstFi.pdf

[11] ARGE-Elbe (2000): Schadstoffüberwachung der Elbe mit der Fischart Brassen – Ein Klassifizierungssystem. Ar-beitsgemeinschaft für die Reinhaltung der Elbe, 34 S. http://arge-elbe.de/wge/Download/Berichte/KlassBras-sen.pdf

[12] ARGE-Elbe (1998): Schwarze Elster, Mulde und Saale – Fischartenspektrum und Schadstoffbelastung von Bras-sen, Aal und Zander in den Unterläufen der Elbeneben-flüsse. Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der Elbe, 94 S. http://arge-elbe.de/wge/Download/Berichte/98SMS.pdf

[13] ARGE-Elbe (2003): Schwarze Elster, Mulde und Saale – Fischereibiologische Untersuchungen sowie Schadstoff-belastung von Brassen, Aal und Zander in den Unterläu-fen der Elbenebenflüsse. Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der Elbe, 118 S. http://www.arge-elbe.de/wge/Download/Berichte/03SMS.pdf

[14] ARGE-Elbe (1980): Schwermetalldaten der Elbe von Schnackenburg bis zur See – 1979/1980. Arbeitsgemein-schaft für die Reinhaltung der Elbe, 66 S.

[15] ARGE-Elbe (2000): Stoffkonzentrationen in mittels Hub-schrauber entnommenen Elbewasserproben (1979 bis 1998), 233 S. (http://www.arge-elbe.de/wge/Download/Berichte/00Hubschr.pdf)

[16] ARGE-Elbe (2001): Sude, Aland und Havel – Fischbe-standskundliche Untersuchungen sowie Schadstoffbelas-tung von Brassen, Aal und Zander in den Unterläufen der Elbenebenflüsse. Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der Elbe, 118 S. http://www.arge-elbe.de/wge/Download/Berichte/BefischSAH.pdf

[17] ARGE-Elbe (2004): Zahlentafeln (in Vorber.) Arbeitsge-meinschaft für die Reinhaltung der Elbe

[18] ARGE-Elbe (1984-2003): Zahlentafeln. Arbeitsgemein-schaft für die Reinhaltung der Elbe. http://arge-elbe.de/wge/Download/DDaten.html

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[23] Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (2004): Mine-ralölkohlenwasserstoffe (MKW). http://www.bayern.de/lfu/abfall/rueckbau/pdf/510.pdf

[24] Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (2004): Trittins Hochwasser-schutzgesetz ist handwerklich unsauber und verfassungs-widrig. Pressemitteilung Nr. 451. München, 24.09.2004, 1 S., http://www.stmugv.bayern.de/de/aktuell/presse/2004/451.pdf

[25] BBodSchV (1999): Bundes-Bodenschutz- und Altlasten-verordnung vom 16.07.1999, BGBl. I, S. 1554. http://www.umweltbundesamt.de/altlast/web1/deutsch/bboschv.pdf

[26] Beuge P, Degner Th (2000): Umweltgeochemische Belas-tungen durch den Bergbau im Erzgebirge - Bewertung und Lösungsansätze. Rundgspräche der Kommission für Ökologie, Bd. 20, 103-113, ISSN 0938-5851

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[28] Beuge P, Klemm W, Degner Th, Scheel M, Baacke D, Cal-mano W, Zoumis Th, De Arevalo M, Knöche, A, Cichon M (2002): Entwicklung geochemischer Methoden zur natur-nahen Schadstoffimmobilisierung im Muldesystem. Ab-schlußbericht zum BMBF-Forschungsprojekt, TU Bergakademie Freiberg, Universität Hamburg, TU Ham-burg-Harburg

[29] Beuge P, Ulique A (1997): Abschlußbericht zum " Stoffli-che Belastung von Aueböden". TU Bergakademie Frei-berg, Institut für Mineralogie, gefördert vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie

[30] BfG (2003): Bedeutung der Nebenflüsse für den Feststoff-haushalt der Elbe. BfG-1382, 204 S. http://elise.bafg.de/servlet/is/4506/

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Page 94: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

LITERATURVERZEICHNIS

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[151]Thieken AH (2001): Schadstoffmuster in der regionalen Grundwasserkontamination der mitteldeutschen Industrie- und Bergbauregion Bitterfeld-Wolfen. Dissertation. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. 154 S., http://sundoc.bibliothek.uni-halle.de/diss-online/01/02H175/in-dex.htm

[152]Thornton J, Abrahams P (1983): Soil Ingestion - A major pathway of heavy metals into livestock grazing contamina-ted land. The Science of the Total Environment 28, pp. 287-294.

[153]TMLNU (2002): Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt/Thüringer Landesanstalt für Um-welt und Geologie (Hrsg.): Hochwasserereignisse in Thü-ringen. Schriftreihe der TLUG Nr. 63, Jena, 99 S.

[154]Umweltamt Dresden (2004): Bericht der Projektgruppe Hochwasservorsorge zum Stand der Beseitigung der Hochwasserschäden an den Fließgewässern und der Ab-wasserkanalisation und zu Stand und weiterem Vorgehen bei der Planung, Finanzierung und Umsetzung von So-fortmaßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschut-zes (Plan Hochwasservorsorge Dresden), Dresden, 09. März 2004, 38 S.

[155]Umweltatlas (2002): Vorläufiges, fachlich ermitteltes Über-schwemmungsgebiet der Elbe für ein Hochwasser, das statistisch einmal in 100 Jahren auftritt, einschließlich des Abflussbereiches. Sonderdruck Umweltatlas Dresden 2002, 3 S.

[156]Umweltbundesamt (2002): Schwermetalleinträge in die Oberflächengewässer Deutschlands. UBA-Texte 54/02. http://osiris.uba.de/gisudienste/Herata/hmetal/

[157]Umweltbundesamt (2005): www.umweltprobenbank.de [158]van Embden ICM (1991): Thesen zu Chlororganika -

Überlegungen aus Sicht der Chemischen Industrie. In: Steger, U. (Hrsg.): Chemie und Umwelt. ESV, Berlin, S. 49-56.

[159]Verordnung (EG) Nr. 208/2005 der Kommission vom 4. Februar 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 466/2001 im Hinblick auf polyzyklische aromatische Kohlen-wasserstoffe. Amtsblatt der EU L 34/3-5. http://euro-pa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/oj/2005/l_034/l_03420050208de00030005.pdf

[160]Verordnung (EG) Nr. 78/2005 der Kommission vom 19. Januar 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 466/2001 hinsichtlich Schwermetallen. Amtsblatt der EU L 16/43-45. http://europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/oj/2005/l_016/l_01620050120de00430045.pdf

[161]Verordnung (EG) Nr. 466/2001 der Kommission vom 8. März 2001 zur Festsetzung der Höchstgehalte für be-stimmte Kontaminanten in Lebensmitteln. Amtsblatt der EU L 77/1-13. http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/2001/l_077/l_07720010316de00010013.pdf

[162]Verordnung (EG) Nr. 2375/2001 des Rates vom 29. No-vember 2001 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 466/2001 der Kommission zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln. Amtsblatt der EU L 321/1-7. http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-daten/archiv/Lebensmittel-Hoechstgehalte-EU-2375-2001de.pdf

[163]Voland B, Kuge A, Schlenker U, Hoppe Th, Metzner I, Klemm W, Bombach G (1994): Einschätzung der Schwer-metallbelastung der Böden im Freiberger Raum. In: Beur-teilung von Schwermetallen in Böden von Ballungsgebieten, DECHEMA, 79-104, ISBN 3-926959-50-9

[164]Voland B, Metzner I, Kluge A, Hoppe Th, Schlenker U, Klemm W, Bombach G (1990): Umweltgeochemische Un-tersuchungen an ausgewählten Böden Sachsens. Berga-kademie Freiberg, Institut für Mineralogie, Geochemie und Lagerstätenlehre

[165]von Kirchbach H-P, Franke S, Biele H, Minnich L, Epple M, Schäfer F, Unnasch F, Schuster M (2002): Bericht der Unabhängigen Kommission der Sächsischen Staatsregie-rung Flutkatastrophe 2002. Dresden, 250 S. http://ho-me.arcor.de/schlaudi/Kirchbachbericht.pdf

[166]von Osten W (1991): Chlororganika - Überlegungen aus Sicht der Umweltpolitik. In: Steger, U. (Hrsg.): Chemie und Umwelt. ESV, Berlin, S. 57-73.

[167]Wagenbreth O, Wächtler E (Hrsg., 1986) Bergbau im Erz-gebirge. Technische Denkmale und Geschichte. VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig

[168]Wagenbreth O, Wächtler E (Hrsg., 1990): Der Freiberger Bergbau. Technische Denkmale und Geschichte. VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig

[169]Walter R (Hrsg, 2000): Umweltvirologie. Vieren in Wasser und Boden. Springer-Verlag Wien, New York, 266 S., ISBN 3-211-83345

[170]Wasserhaushaltsgesetz (1996): Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) in der Fassung der Bekanntma-chung vom 12. November 1996 (BGBl. I Nr. 58 vom 18.11.1996 S. 1695), http://www.umweltdaten.de/down-d/whg.pdf

[171]Weikinn C (1958-2002): Quellentexte zur Witterungsge-schichte Europas von der Zeitwende bis zum Jahre 1850: Hydrographie, Teile 1–4 (Akademie, Berlin, 1958–1963); Parts 5–6 (Hrg. Börngen M, Tetzlaff G) (Gebrüder Borntra-eger, Berlin, 2000–2002).

[172]WHO (2004): Joint FAO/OIE/WHO Expert Workshop on Non-Human Antimicrobial Usage and Antimicrobial Resis-tance: Scientific assessment, Geneva, December 1 – 5, 2003 http://whqlibdoc.who.int/hq/2004/WHO_CDS_CPE_ZFK_2004.7.pdf

[173]Zerling L, Müller A, Jendryschek K, Hanisch Chr, Arnold A (2001): Der Bitterfelder Muldenstausee als Schadstoffsen-ke. Entwicklung der Schwermetallbelastung von 1992 bis 1997. Abh. Sächs. Akad. d. Wiss. zu Leipzig 59,4: 69S.

Page 98: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

GLOSSAR UND ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

96

Glossar und Abkürzungsverzeichnisa Jahrµg Mikrogrammµl, µL Mikroliterµm Mikrometerm Meterkm Kilometerkg Kilogramm, 1 kg enthält

1.000 g1.000.000 mg1.000.000.000 µg1.000.000.000.000 ng

L Liter, 1 L enthält1.000 ml1.000.000 µl

Acetale Molekülgruppe in der organischen Chemie, die sich durch zwei Alkoxylgruppen auszeichnet, die sich an einem Kohlenstoff-Atom befinden

ADI-Wert Acceptable Daily Intake, tolerierbare tägliche Auf-nahme

aerob Sauerstoff zum Leben brauchend, sauerstoffhaltigAerosol in der Luft fein verteilte feste und flüssige TeilchenAFS abfiltrierbare StoffeAg SilberAGFA Aktiengesellschaft für Anilinfarbenakkumulieren anhäufen, anreichern, speichernAl AluminiumAlveole Lungenbläßchenanaerob ohne Sauerstoff auskommend, sauerstofffreiandrogen männliche Geschlechtsmerkmale hervorrufendanthropogen durch den Menschen verursacht, das Gegenteil

von geogen (durch die natürliche Zusammenset-zung der Erdoberfläche/Gesteine verursacht)

AOX Adsorbierbare organisch gebundene Halogene, also der Chlor-, Brom- und Jodverbindungen

ARGE Elbe Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der ElbeAromaten Ringförmige organische Kohlenwasserstoffe mit ei-

ner spezifischen elektrochemischen StrukturAs ArsenAsgel Arsen gelöstAspart Arsen partikulärassoziiert zusammengesetzt, beigemischt ATV-DVWK Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwas-

ser und Abfall e.V., HennefAu GoldBBodSchV Bundes- Bodenschutz und AltlastenverordnungBa BariumBA BergakademieBfG Bundesanstalt für GewässerkundeBfS Bundesamt für StrahlenschutzBi BismutBiozide sind Gifte gegen bestimmte Organismengruppen,

z.B. Fungizide gegen Pilze, Herbizide gegen aus-gewählte Pflanzengruppen; oft werden Biozide als ’Pflanzenschutzmittel’ bezeichnet, wenn sie die (ei-ne) Nutzpflanze überleben lassen, darumherum aber Konkurrenten, Parasiten oder Frassfeinde nie-derhalten

BImSchV Bundes-ImmissionsschutzverordnungBMBF Bundesministerium für Bildung und ForschungBMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und

ReaktorsicherheitBTU Brandenburgische Technische UniversitätBUG Behörde für Umwelt und GesundheitBVV Bitterfelder Vermögensverwaltung Chemie GmbHbzw. beziehungsweisec KonzentrationC KohlenstoffC__

Mittelwert der Konzentration

Ca CalciumCCMS Committee on Challenges of modern SocietyCd CadmiumCFGE Chemische Fabrik Griesheim-ElectronChlor-Alkali-Elektrolyse Elektrochemischer Prozess zur Her-

stellung von Chlor und Natronlauge aus SteinsalzCl ChlorCKB Chemiekombinat Bitterfeldcmax Maximumwert der Konzentrationcmin Minimumwert der KonzentrationCo KobaltCr ChromCu KupferCZ Tschechische RepublikD DeutschlandDDT 1,1,1-Trichlor-2,2-bis(2 bzw. 4-chlorphenyl)ethan

(Dichlor-Diphenyl-Trichlorethan)Denitrifikation bakterieller Abbau des Nitrates unter Abwesen-

heit von Sauerstoff. Produkt der Denitrifikation sind gasförmiger Stickstoff und Wasser

Denaturierung Irreversible Veränderung Deposition NiederschlagDiarrhoe DurchfallDKKV Deutsches Komitee für KatastrophenvorsorgeDLR Deutsches Zentrum für Luft- und RaumfahrtDVGW Deutsche Vereinigung d. Gas- und WasserfachesDWD Deutscher WetterdienstEG Europäische GemeinschaftEKB Elektrochemisches Kombinat BitterfeldELANA Firma ELANA Wasser Boden MonitoringEmission das Ausstoßen, Austragen z.B. von Schadstoffen

in die UmweltEmphysem Luftansammlung im Gewebeemulgieren einen unlösbaren Stoff in einer Flüssigkeit verteilen

(z.B. Öl in Wasser)EN Europäische Normendokrin mit innerer Sekretion verbunden, endokrine Hor-

mondrüsen geben ihr Sekret direkt ons Blut ab, ver-fügen über keinen " Ausgang " z.B. Hoden, Eierstöcke, Schilddrüse

Enzym organische Verbindungen, die in der Zelle gebildet werden und den Stoffwechsel steuern

EU Europäische UnionEutrophierung Anstieg der Nährstoffzufuhr in Gewässer, ver-

bunden mit verstärktem AlgenwachstumExposition Gefährdung für den OrganismusExtrapolation HochrechnungF Fluorfakultativ beinhaltet die Möglichkeit, die Eventualität; fakulta-

tiv pathogen: unter entsprechenden Umständen pa-thogen

Fe EisenFötus heranwachsendes Kind im Mutterleib (ab dem 3.

Monat)g GrammGBF Gesellschaft für Biotechnologische Forschung mbHGC-MS Gaschromatographische Massenspectrometrie

(chemische Analysenmethode)GKSS GKSS (ursprünglich abgeleitet aus Gesellschaft für

Kernenergieverwertung in Schifffahrt und Schiff-bau) -Forschungszentrum Geesthacht GmbH

h hour, StundeHCB Hexachlorbenzol, HexachlorbenzenHCH Hexachlorcyclohexan, die Grundverbindung des In-

sektizids Lindanheterotroph griech.: sich von anderen ernährend (z.B. Tiere

und Pilze), im Gegensatz zu autotroph (sich selbst ernährend, wie z.B. Pflanzen)

Page 99: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

97

Hg QuecksilberHH Hansestadt HamburgHHW Höchstes gemessenes HochwasserHKW HalogenkohlenwasserstoffeHQ(10) Hochwasserabfluss mit zehnjähriger Wiederkehr-

wahrscheinlichkeitIgeo Geoindex nach Müller (118)IG Farben Interessengemeinschaft Farbenindustrie Aktienge-

sellschaftIKSE Internationale Kommission zum Schutz der ElbeImmission das Einwirken, EinleitenInduzieren auslösenIn-situ in der natürlichen UmgebungIsolat Abgetrennte, isolierte BakterienstämmeIsomere Chemische Verbindungen mit gleicher chemischer

Summenformel aber unterschiedlicher StrukturI-TEQ Internationale ToxizitätsäquivalenteIUPAC International Union of Pure and Applied Chemistry,

Internationale Union für reine und angewandte Chemie

Kanzerogenität Fähigkeit, Krebs zu verursachenkarzinogen krebserregendKeratin Hornstoff, schwefelhaltiger Eiweißkörper in Haut,

Haar und Nägelnkg KilogrammKongenere chemische Verbindungen mit einer ähnlichen

Grundstruktur, die meistens als Gemische auftretenkm Kilometerkm² Quadratkilometerl, L LiterLAF Landesamt für Altlastenfreistellung Sachsen-AnhaltLAU Landesamt für Umweltschutz LAWA Länderarbeitsgemeinschaft WasserLfUG Landesamt für Umwelt und Geologie des Freistaats

Sachsen, DresdenLHKW leichtflüchtige halogenierte KohlenwasserstoffeLHW Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasser-

wirtschaft Sachsen-Anhaltlipophil griech. für fettliebendLSA Land Sachsen-AnhaltLUA Landes Umweltamtm Meterm³ KubikmeterMedianwert Zentralwert einer Messreihe, eine Hälfte aller

Messwerte ist kleiner, die andere Hälfte aller Mess-werte ist größer als der Median

mg MilligrammMg MagnesiumMHW mittleres HochwasserMio. MillionenMKW Mineralöl-Kohlenwasserstoffeml, mL Millilitermm MillimeterMn ManganMo Molybdänmonokausal auf nur einen Grund zurückgehendMQ(a) mittlerer Jahresdurchflusswertmutagen Mutationen auslösendn AnzahlN Stickstoffn.b. nicht bestimmtNa NatriumNABU NaturschutzbundNATO North Atlantic Treaty Organisationng NanogrammNi NickelNLKW Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirt-

schaft und KüstenschutzNOEL-Wert No Observed Effect Level, Schadstoffdosis, bis zu

der keine erkennbare Wirkung auftrittNo. Number

O, O2 Sauerstoff, SauerstoffmolekülOxidation Chemische Reaktion unter Abgabe von Elektro-

nen, immer in Verbindung mit einer Reduktion (Auf-nahme von Elektronen)

PAK Polyzyklische Aromatische KohlenwasserstoffePathogene KrankheitserregerPb BleiPCB Polychlorierte BiphenylePCDD/F Polychlorierte Dibenzo-para-dioxine/-furanepg PicogrammPhytoplankton kleine, im Wasser schwebende AlgenPIK Potsdam-Institut für KlimafolgenforschungPlazenta MutterkuchenPOP Persistent Organic Pollutant, schwer abbaubare or-

ganische SchadstoffePräzipitat chemischer NiederschlagProtein EiweißProteinurie krankhafte Anreicherung von Eiweißen im HarnProtozoa Einzellige, mobile, heterotrophe Lebenwesen (Tie-

re), die keine Zellwand, aber einen Zellkern besit-zen. Nach neuerer Auffassung nicht mehr dem Tierreich zuzuordnen, sondern dem Reich der Pro-tista (Einzeller mit Zellkern).

PTWI-Wert Provisional Tolerable Weekly Intake, vorläufige to-lerierbare wöchentliche Aufnahme

PVC PolivinylchloridQ DurchflussRa RadiumResorption Aufnahme in die Blutbahns SekundeSAFIRA Sanierungsforschung in regional kontaminierten

AquiferenSb AntimonSn ZinnStyrol heißt auch Phenylethen und ist eine farblose, vis-

kose, süßlich riechende Flüssigkeit, die vor allem zur Herstellung von Kunststoffen dient

sulfidisch zweiwertige Verbindung mit Schwefel, stabil unter Abwesenheit von Sauerstoff

t TonneTA Luft Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, eine

Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissions-schutzgesetz

Tailing schlammartige Rückstände der ErzaufbereitungTBT TributylzinnTDI =ADI, Tolerable Daily IntakeTEQ ToxizitätsäquivalentTi TitanTl ThalliumTPhT TriphenylzinnTRM Trog MitteleuropaTU Technische UniversitätTUB Technische Universität BerlinTVO TrinkwasserverordnungTZW Technologiezentrum WasserU UranUBA Umweltbundesamt, www.uba.de ubiquitär überall verbreitetUFZ Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH,

www.ufz.de UV UltraviolettV VanadiumVEB Volkseigener BetriebW WolframWHG WasserhaushaltsgesetzWHO Weltgesundheitsorganisation, World Health Organi-

sationWSA Wasser- und SchifffahrtsamtWZW Wissenschaftszentrum WeihenstephanZn Zink

Page 100: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

98

Verzeichnis der AbbildungenAbb. 1-1 Die Müglitz rauscht als Sturzflut durch

Weesenstein ........................................................4

Abb. 1-2 Wasserstandsmarken an der Großmühle im Einstrombereich zur Altstadt von Grimma ...........5

Abb. 1-3 Wasserstände von 37 Schreibpegeln entlang der deutschen Elbe. ................................6

Abb. 1-4 Neubaugebiet in der überfluteten Aue von Dresden-Cossebaude. ..................................7

Abb. 1-5 Sperrmüll in Pirna .............................................7

Abb. 1-6 Getrockneter Schlamm auf den Elbwiesen in Dresden ...........................................................8

Abb. 1-7 Ausgelaufene Öltanks in einem Keller in Röderau-Süd. ......................................................8

Abb. 1-8 Herausgerissene Öltanks in der Landschaft.....9

Abb. 2-1 Abwassereinleitung in die Elbe bei Pirna/Heidenau 1984 ..................................................10

Abb. 2-2 Zeitliche Entwicklung der Quecksilbergehalte in Gewässersedimenten der Elbe......................12

Abb. 2-3 Zeitliche Entwicklung der Cadmiumgehalte in Gewässersedimenten der Elbe......................12

Abb. 2-4 Übersicht über Mineralisationen, Bergbaureviere und deren umweltrelevanten Elementinhalte im Erzgebirge.....................................................13

Abb. 2-5 Konzentrationsänderungen von Arsen und Schwermetallen in Hochflutsedimenten.............14

Abb. 2-6 Schlackenhalden aus hunderten Jahren Bergbau in Muldenhütten bei Freiberg ..............16

Abb. 2-7 Vergleich der Arsen-Belastung im Sediment der Mulde für 1992 und 2003.............................17

Abb. 2-8 Eintragspfade und Eintragszeiträume für Schadstoffe in Gewässer...................................19

Abb. 2-9 Zeitliche Entwicklung der ß-Hexachlorcyclo-hexangehalte in Gewässersedimenten der Elbe bei Schnackenburg und Magdeburg..................19

Abb. 2-10 Wolfen-Ost im Jahre 1970, etwa zu der Zeit maximaler Emissionen................................20

Abb. 2-11 Braunkohlenförderung im Bitterfelder Revier .........................................................................20

Abb. 2-12 Altdeponien und Altbergbau im Raum Bitterfeld.............................................................22

Abb. 2-13 Produktion von technischem HCH und Lindan im Chemiekombinat Bitterfeld (CKB) und in der DDR insgesamt ...........................................24

Abb. 2-14 Die Spittelwasserniederung bei Jeßnitz .......25

Abb. 2-15 Bitterfelder Revier heute: Industriebrachen, Sanierungsgebiete und neue Produktionsanlagen

......................................................................25

Abb. 3-1 Ölschlieren auf der Elbe bei Pilnitz während des Hochwassers am 16.08.2002 .....................28

Abb. 3-2 Große Öllachen treiben am 15.8.2002 im schlammigen Wasser der Elbe nahe dem evakuierten Dresdner Stadtteil Laubegast.........30

Abb. 3-3 Anteile der gelösten und partikulären Fraktion von Schwermetallen und Arsen an ihren Gesamtgehalten in der Wasserphase ...............30

Abb. 3-4 Ganglinie von Durchfluss und Konzentration der abfiltrierbaren Stoffe während des Hochwassers 2002 an der Messstelle in Magdeburg...............34

Abb. 3-5 Konzentration von abfiltrierbaren Stoffen und Quecksilber während des Hochwassers 2002 in Magdeburg.....................................................34

Abb. 3-6 Konzentration von abfiltrierbaren Stoffen und Blei (Pb) während des Hochwassers 2002 in Magdeburg ........................................................34

Abb. 3-7 Konzentration von abfiltrierbaren Stoffen sowie partikulären und gelösten Arsens während des Hochwassers 2002 in Magdeburg .....................34

Abb. 3-8 Schwebstoffgehalte im August 2002 sowie in den Jahren 1998, 2002 und 2003 entlang der gesamten Elbe ............................................35

Abb. 3-9 Arsengehalte im August 2002 sowie in den Jahren 1998, 2002 und 2003 entlang der gesamten Elbe...................................................35

Abb. 4-1 In den Oberläufen der Elbe und ihren Neben-flüssen wurden gebietsweise zentimeterdicke feinkörnige Sedimentschichten flächenhaft abgelagert..........................................................37

Abb. 4-2 Ausdehnung und Volumen des schweb-stoffbürtigen Sedimentdepots............................38

Abb. 4-3 Schleierartige Schlammauflage im Auen-vorland bei Elbe-Stromkilometer 435.................38

Abb. 4-4 Benzo(a)pyren und Fluoranthen in Ober-flächensedimenten der Elbe im Längsprofil.......39

Abb. 4-5 Zeitliche Belastungsentwicklung von Fluoranthen .......................................................39

Abb. 4-6 Polychlorierte Biphenyle in Oberflächen-sedimenten der Elbe im Längsprofil ..................41

Abb. 4-7 Zeitliche Belastungsentwicklung von Polychlorierten Biphenylen ................................41

Abb. 4-8 Organozinnverbindungen in Oberflächen-sedimenten der Elbe im Längsprofil ..................41

Abb. 4-9 Zeitliche Belastungsentwicklung von Dibutylzinn.......................................................................41

Abb. 4-10 Verteilung der Dioxin- und Furan-Toxizitäts-äquivalente in Oberflächensedimenten der Elbe im Längsprofil ............................................44

Abb. 4-11 Strukturformel von Dioxinen und Furanen....45

Abb. 4-12 Strukturformel eines Polychlorierten Biphenyls.....................................................................45

Abb. 5-1 Aquatische Schadstoff-Transferpfade ............48

Abb. 5-2 Terrestrische Schadstoff-Transferpfade.........49

Page 101: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

99

Abb. 5-3 Durchschnittliche Quecksilbergehalte in Brassen entlang der Elbe in den Jahren 1999 ................ 49

Abb. 5-4 Quecksilberbefunde in Brassen, Zandern und Aalen der unteren Saale aus den Jahren 1997 und April/Mai 2002 ............................................ 50

Abb. 5-5 Rückstände der Lindanproduktion (β-HCH) in Brassen der unteren Mulde und bei Barby an der Elbe............................................................. 50

Abb. 5-6 Toxizitätsäquivalente von Dioxinen und Furanen sowie dioxinähnlichen PCB in Aalen bei Gorleben

..................................................................... 51

Abb. 5-7 Regelmäßig überschwemmte Auen-landschaft an der Mittelelbe .............................. 52

Abb. 5-8 Kunstrasenfalle zur Gewinnung von Sedimenten bei Hochwasser ............................ 52

Abb. 5-9 Überströmte Aue............................................ 52

Abb. 5-10 Lage der Untersuchungsstandorte auf der Untersuchungsfläche Glinde bei km 301 .......... 53

Abb. 5-11 Quecksilberbelastung von Böden entlang der deutschen Elbe ........................................... 53

Abb. 5-12 Cadmiumbelastung von Böden entlang der deutschen Elbe ........................................... 54

Abb. 5-13 Flusstypische Elementverhältnisse.............. 54

Abb. 5-14 Blei-Konzentration in vom Hochwasser abgelagerten Sedimenten ................................. 54

Abb. 5-15 Cadmiummobilität von Auenböden in Abhängigkeit der Bodenreaktion ....................... 55

Abb. 5-16 Dioxine in den Böden und Sedimenten der Elbe und den Böden der unteren Mulde ........... 55

Abb. 5-17 Sedimentschleier auf der Vegetation nach dem Hochwasser .............................................. 56

Abb. 5-18 Quecksilberbelastung der Grünlandvegetation...................................................................... 56

Abb. 5-19 Weidevieh im Restwasser einer Flutrinne an der Mittelelbe..................................................... 58

Abb. 5-20 Dioxingehalte in der Milch von Weidevieh ... 58

Abb. 5-21 Verlauf der Dioxingehalte in der Milch nach der Kalbung.............................................. 58

Abb. 6-1 Mikroskopische Abbildung von Biofilm bildenden Bakterien .......................................... 60

Abb. 6-2 Kadaver als Infektionsquelle .......................... 61

Abb. 6-3 Anzahl (n) des Bakteriums Clostridium perfringens in Bodenproben entlang der Elbe... 62

Abb. 6-4 Escherichia coli, das Darmbakterium............. 62

Abb. 6-5 Verteilung von Coliformen/E-Coli in der Elbe. 63

Abb. 6-6 Antibiotika-Resistenz von Bakterienstämmen 64

Abb. 6-7 Verschlammter Obstgarten............................ 64

Abb. 6-8 Schimmelbildung nach dem Rückgang des Wassers ..................................................... 65

Abb. 7-1 Überschwemmter Getreideacker bei Dessau am 20.8.2002 .................................................... 67

Abb. 7-2 Probenahme des UFZ ................................... 67

Abb. 7-3 Tagesgang der Sauerstoff-Konzentration...... 68

Abb. 7-4 Sauerstoff-Konzentration an Meßstationen entlang der Elbe................................................ 69

Abb. 7-5 Die überschwemmten Gebiete entlang der Elbe...................................................................... 70

Abb. 7-6 Tote Fische im ausgestickten Wasser der überfluteten Aue................................................ 70

Abb. 7-7 Sprengung am Polder "Flöthgraben" ............. 70

Abb. 7-8 Flutung der Havelpolder am 21.08.2002 ....... 71

Abb. 7-9 Ausmaß der Wasserflächen .......................... 72

Abb. 7-10 Massenhaftes Fischsterben nach dem Elbehochwasser im Havelgebiet....................... 73

Abb. 8-1 Wisconsin River, USA.................................... 74

Abb. 8-2 Aufbau eines Schreibpegels .......................... 75

Abb. 8-3 Pegel am Wehr Neuwerben bei Havelberg, kurz vor dem Anschlag ..................................... 75

Abb. 8-4 Schlüsselkurven für den Pegel Dresden........ 75

Abb. 8-5 Große Überschwemmungen gibt es jedes Jahr auf fast allen Kontinenten, hier als Beispiel das Jahr 2002...................................... 76

Abb. 8-6 Häufigkeit der maximalen jährlichen Durchflüsse am Pegel Dresden ............................................ 77

Abb. 8-7 Wiederkehrintervall (T) der Scheitelabflüsse am Pegel Dresden ............................................ 78

Abb. 8-8 Zugbahn des Vb-Tiefs “Ilse” .......................... 78

Abb. 8-9 Relative Häufigkeiten ausgewählter Großwetterlagen in Europa............................... 79

Abb. 8-10 Gegenüberstellung gemessener und mittels des Modelles SEROS simulierter Durchfluss-ganglinien für den Oderpegel Gozdowice für das große Oder-Hochwasser 1997................... 80

Abb. 8-11 Pegel Dresden/Elbe Durchfluss vom 11.08.02 - 7.00 Uhr bis 22.08.02 - 7.00 Uhr....................... 81

Abb. 8-12 Hochwassermarken der Elbe in der Sächsischen Schweiz. ...................................... 82

Abb. 8-13 Die Flutrinnen Ostragehege und Kaditz ...... 82

Abb. 8-14 Jahres-Höchstabflüsse am Pegel Dresden/Elbe................................................................... 83

Abb. 8-15 Ein Fernseh-Team bereitet sich am 20.08.2002 im Überschwemmungsgebiet bei Klein Gübs auf eine Direktsendung vor ............................... 83

Abb. 8-16 Hochwasserrisikomanagement - eine Quer-schnittsaufgabe, die nicht sektoral bewältigt werden kann. .................................................... 85

Abb. 8-17 Das Einzugsgebiet der Elbe wird in sogenannte Koordinierungsräume unterteilt ......................... 86

Abb. 8-18 Auftrittshäufigkeit von schweren Hochwässern an Elbe und Oder ....................... 88

Page 102: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

VERZEICHNIS DER TABELLEN

100

Verzeichnis der TabellenTab. 2-1 Schwermetall- und Arseneinträge in

Oberflächengewässer des deutschen Elbeeinzugsgebietes..........................................13

Tab. 2-2 Übersicht über die gewonnenen Mengen verschiedener Wertelemente und ihre noch vorhandenen Vorräte im sächsischen Teil des Erzgebirges.................................................15

Tab. 2-3 Wichtige Wertelemente, ihre Erzminerale und umweltrelevante Begleitminerale des Bergbaus im Erzgebirge und ihre Belastungen für den Wasser- und Luftpfad.........................................15

Tab. 2-4 Staubemission der Freiberger Hüttenbetriebe vor 1990.............................................................17

Tab. 2-5 Elementbilanz für den Muldestausee ..............18

Tab. 2-6 Produktionsschwerpunkte der Chemischen Betriebe vor 1945 .............................................21

Tab. 2-7 Aufschluss, Ende und umweltrelevante Folgenutzung einiger Braunkohlengruben um Bitterfeld und Wolfen ...................................23

Tab. 3-1 Zielvorgaben der IKSE für unterschiedliche Schutzgüter und durchschnittliche Schadstoffgehalte im Wasser ...........................35

Tab. 4-1 Zielvorgaben der IKSE für unterschiedliche Schutzgüter und durchschnittliche Schad-stoffgehalte in schwebstoffbürtigen Sedimenten ......................................................47

Tab. 5-1 Quecksilbergehalte von Hochflutsedimenten aus Kunstrasenfallen .........................................51

Tab. 8-1 Beispiele für differenzierte Maßnahmen zur Hochwasservorsorge bei unterschiedlichen Hochwasser-Wiederkehrintervallen ...................87

Page 103: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002

BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER 2002

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Verzeichnis der Autoren und Herausgeber

Dr. Wolf-Rainer Abraham , GBF - Gesellschaft für Biotechnologische Forschung mbH, Umweltmikrobiologie, Mascheroder Weg 1, 38124 Braunschweig, Tel 0531-6181 419, Fax -411, [email protected]

Michael BöhmeUmweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH, Dept. Fließgewässerökologie, Brückstr. 3a, 39114 Magdeburg, Tel. 0391/810-9449, Fax -9150, [email protected]

Prof. Dr. Walter GellerUmweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH, Dept. Fließgewässerökologie, Brückstr. 3a, 39114 Magdeburg, Tel. 0391/810-9101, Fax -9111, [email protected]

Prof. Dr. Uwe GrünewaldBrandenburgische Technische Universität Cottbus (BTU), Lehrstuhl für Hydrologie und Wasserwirtschaft, Postfach 1013144, 03013 Cottbus, Tel. 0355/6942-34, Fax -35, [email protected]

Prof. Dr. Werner KlemmTU Bergakademie Freiberg, Institut für Mineralogie, Brennhausgasse 14, 09599 Freiberg, Tel. 03731/39-2600, Fax -3129, [email protected]

Frank KrügerELANA Boden Wasser Monitoring, Dorfstraße 55, 39615 Falkenberg, Tel. 039386/97121, Fax -97116, [email protected]

Dr. Klaus OckenfeldUmweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH, Dept. Fließgewässerökologie, jetzt Deutsches Kupferinstitut, Am Bonneshof 5, 40474 Düsseldorf, Tel. 0211-47 96 324, Fax -310, [email protected]

Dr. Heike PetzoldtDVGW-Technologiezentrum Wasser Karlsruhe, AS Dres-den, Scharfenberger Straße 152, 01139 Dresden, Tel. 0351/85211-33, Fax -10, [email protected]

Dr. Gerhard StrauchUmweltforschungszentrum Leipzig-Halle, Dept.Hydroge-ologie, Theodor-Lieser-Str. 4, 06120 Halle/Saale, Tel. 0345/5585-206, Fax -559, [email protected]

Dr. Annegret Thiekenaktuell: GeoForschungsZentrum Potsdam, Sektion 5.4 Ingenieurhydrologie, Telegrafenberg F227, 14473 Pots-dam, Tel. 0331 / 288 1513, Fax: -1570, [email protected]

Dr. Holger WeißUmweltforschungszentrum Leipzig-Halle, Dept.Grund-wassersanierung, Permoserstr. 15, 04138 Leipzig, Tel. 0341/235-2060, [email protected]

Prof. Dr. Peter WyciskMartin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Geologische Wissenschaften, FG Umwelt- und Hydroge-ologie, Von-Seckendorff-Platz 3, 06120 Halle / Saale, Tel. 0345/55-26134, Fax -27177, [email protected]

DankDie Autoren bedanken sich ganz herzlich bei Burk-hardt Stachel und René Schwartz für die kritischeund konstruktive Durchsicht der Broschüre sowieder Wassergütestelle Elbe sowie bei zahlreichenweiteren Kollegen für die Bereitstellung von Datenund vielen hilfreichen Anmerkungen. Ebenso gilt unser Dank Lutz Hennig, DagmarHaase, Lars Stukenbrock, Thomas Egli (Egli Engi-neering), Andreas Prange, Olaf Büttner, BrigitteGarske, Marc Zebisch, Gerd Schumann, EmilyStanley, Ute Hirsch (Unicepta) und RobertSchwarze (Lehrstuhl für Hydrologie TU Dresden)für die unkomplizierte Bereitstellung von Fotos.