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Research Collection Doctoral Thesis Ueber die Isolierung und die Konstitution einiger Anthocyane von Früchten und Beeren Author(s): Zollinger, Ernst H. Publication Date: 1915 Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000088705 Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection . For more information please consult the Terms of use . ETH Library

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Research Collection

Doctoral Thesis

Ueber die Isolierung und die Konstitution einiger Anthocyane vonFrüchten und Beeren

Author(s): Zollinger, Ernst H.

Publication Date: 1915

Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000088705

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Diss. E T H : s*& 3 -&

Über die Isolierung und die

Konstitution einiger Anthocyanevon Früchten und Beeren

Von der

Eidgenössischen Technischen Hochschule

in Zürich

zur Erlangung der Würde eines

Doktors der technischen Wissenschaften

genehmigte

Promotionsarbeit

vorgelegt von

Ernst H. Zollingeraus Zürich

143Referent: Herr Prof. Dr. H. StaudingerKorreferent: Herr Prof. Dr. M. Cérésole

'or. V

Berlin 1915

Üniversitäts-Buchdruckerei von Gustav Schade (Otto Francke)Linienstraße 158

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Curriculum vitae.

Geboren am 23. Februar 1891 in Zürich, besuchte ich

nach Absolvierung der Primarschule und zwei Klassen Gym¬nasium die kantonale Industrieschule in Zürich.

Nach der erfolgreichen Ablegung der Maturitätsprüfungdaselbst trat ich im Herbst 1909 an die ehem. Abteilungder Eidgenöss. technischen Hochschule in Zürich über. Im

Frühling 1913 erwarb ich mir auf Grund bestandener Vor¬

diplom-Prüfungen das Diplom eines techn. Chemikers. Im

Sommer 1913 trat ich als Mitarbeiter von Herrn Prof. Will-

stätter an das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin-

Dahlem ein, wo ich daselbst die Arbeit über die Anthocyaneausführte.

April 1915.

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An dieser Stelle sei es mir gestattet, meinem hochver¬

ehrten Lehrer

Herrn Geheimrat Prof. Dr. R. Willstätter

meinen herzlichsten Dank auzusprechen für sein stets gleich¬bleibendes Interesse, sowie die rege Unterstützung durch

Rat und Tat bei der Ausführung meiner Arbeit.

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Inhaltstibersicht.Seite

Geschichte 1—14

Theoretischer Teil 15—23

Experimenteller Teil: Weinfarbstoff 24—45

Heidelbeerfarbstoff 46—55

Über die Farbstoffe der Kirsche und Schlehe 56—68

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Über die Farbstoffe der Weintraube und

der Heidelbeere.

Geschichte.

Die Isolierung des Anthocyans der Weintraube ist oft¬

mals angestrebt worden. Die Versuche, soweit sie Erwähnungverdienen, sind in einer einzigen häufig variierten Methode

ausgeführt worden, nämlich durch Fällung des Farbstoffes

als Bleisalz.

G. I. Mulder1) hat in seiner Chemie des Weines zum

ersten Male ein solches Verfahren beschrieben. Er fällte

den Rotwein mit Bleiazetat und versuchte den Niederschlagmit Schwefelwasserstoff zu zersetzen, um aus dem Bleisulfid

mit Alkohol und Essigsäure den Farbstoff zu extrahieren.

Beim Verdampfen der Lösung blieb derselbe als alkoholun¬

lösliche, blauschwarze Masse zurück und zwar, wie spätererkannt worden ist, bleihaltig. E. I. Maumené2) hat das

von Mulder gewonnene Präparat „Oenocyanin" genannt.Auf die Arbeit von Mulder folgt bald eine Untersuchung

von A. Glénard3). Die Fällung des Farbstoffes aus dem

Wein wird mit basischem Bleiazetat ausgeführt, die Zer¬

setzung des Bleisalzes durch salzsäurehaltigen Äther. Dieses

Verfahren war für die nachfolgenden Untersuchungen vor¬

bildlich ; dabei ist es den Forschern, namentlich Heise, nicht

entgangen, wie hartnäckig der Chlorwasserstoff vom Farb¬

stoff zurückgehalten wird, aber es ist nicht erkannt worden,daß der Farbstoff ein chlorWasserstoffsaures Salz bildet.

Glénard erhält den Farbstoff als alkohollösliche amorphe

!) Chem. d. Weines S. 44 u. 228 (Leipzig 1856).2) Le travail des vins, Paris 1858, 2 éd., 1874.

3) Compt. rend. 47, 268 (1858).

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Substanz ; er nennt ihn Oenolin und schreibt ihm die Formel

C20H20O10 zu, von welcher die in folgendem begründeteFormel C23H24012 des Anthocyans nicht stark differiert.

Das Verfahren von Glénard liegt den späteren Arbeiten

von A. Gautier1) über den Farbstoff der Weintraube zu¬

grunde. Die Häute frischer Beeren und zwar von zwei Reben¬

sorten „Carignane" und „Grenache" wurden verarbeitet.

Aus dei ersten Sorte erhielt Gautier ein Oenolin von der

Zusammensetzung C21H20O10, aus der zweiten ein Präparatvon der Formel C22H22O10. Das nach Mulder gewonnene

Oenocyanin betrachtet A. Gautier als ein Salz einer stickstoff¬

haltigen Säure von der Zusammensetzung C^HgoO^NaFe.In einer zweiten Untersuchung isolierte Gautier unter be¬

sonderen Bedingungen aus den Blättern des Weinstockes

mit dem Oenolin verwandte farbige Gerbstoffe: <x-, ß- und y-

Ampelochroinsäure von der Zusammensetzung C19H16O10,

C26H21016 und C17H18O10.Mit der Analyse des Weinfarbstoffes hat sich A. Gautier2)

in seinen Arbeiten beschäftigt, deren Ergebnisse er haupt¬sächlich im Jahre 1878 veröffentlicht und 1911 von neuem

erörtert hat. Schon in der von Willstätter und mir vor

einem Jahre geschriebenen ersten Abhandlung haben wir

die Ansichten Gautiers gewürdigt, daß eine große Reihe von

Weinfarbstoffen existieren sollen, die als isolog bezeichnet

werden. Etwas später ist Prof. Willstätter nach seinem

Vortrage über Pflanzenfarbstoffe, den er auf Einladung der

französischen Chemischen Gesellschaft gehalten hat, von

Herrn Gautier über seine Gedanken eingehend unterrichtet

worden: „Sur les mécanismes de la variation des races et

les transformations moléculaires qui accompagnent ces

variations". Das Ergebnis dieser Unterredung hat Herr

Gautier im Juni 1914 in einem Briefe an Prof. Willstätter

folgendermaßen zusammengefaßt: J'y annonce, pour la

première fois, quelles se transforment non pas d'une façon

*) Compt. rend. 86, 1507 und 87, 64 (1878).2) Compt. rend. 114, 623 (1892), Compt. rend. 114, 625 (1892)

und Artikel ,,\in" im 3. Band d. Dictionairs v. Würtz S. 691 (1878).

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continue et comme le pensaient Lamarck et

Darwin, mais par sauts brusques correspondant à des varia¬

tions de leur molécules constitutives spécifiques. C'est

surtout sur les modifications observes dans la matière colo¬

rante des diverses races de vignes que je m'appuis.

Gautier1) erwähnt, daß man von der Art Vitis vinifera

europa, die alle französischen Reben umfasse, etwa 2000

Rassen oder „cépages" unterscheide. Bis zum Jahre 1878

habe man angenommen, daß alle jene Rassen aus denselben

Proteinen, Zellulosen, Farbstoffen, Stärkearten usw. auf¬

gebaut seien.

„Mais en examinant à cette époque très attentivement

le pigment du fruit de la vigne européenne, je constatais,

non sans nue grande surprise, que chaque race de vigne pro¬

duisait dans la pellicule ou la pulpe de son fruit un pigment

spécifique, chimiquement différencié, propre à chaume de

ces races. J'inscris ici, pour la comparaison, les formules

brutes de chacun de ces principaux pigments:

Formule du pigment

Cépage Aramon

Cépage Carignan .... • • • • C42rl40(J23

Cépage Grenache....

Cépage Teint

Cépage Gamay

Cépage Petit Bouchet. . • • • • C45H38(J2o

usw. usw. usw.

A chaque cépage repond donc son jugement spécifique.Die Sicherheit der Analysen, die diesen Formeln und den

daraus gezogenen weittragenden Folgerungen zugrundeliegen, wird durch die zweifelhafte Reinheit der amorphenPräparate beeinträchtigt, die duich Zersetzung der Blei¬

salze mit chlorwasserstoffhaltigem Äther nach Glénard

ohne weitere Reinigung erhalten worden war. Es ist die von

Gautier angenommene außerordentliche Variabilität des

*) Mécanisme de la variation des êtres vivants, en Hommagea M. Chrevreul, Paris 1886, Alcan éditeur; ferner Revue de Viti

culzure, VI, 573 (1901) und Compt. rend. 153, 531 (1911).

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Weinfarbstoffes zu bezweifeln, in Anbetracht der recht be¬

schränkten Möglichkeiten, welche die Abteilung des Oenins

von der Muttersubstanz Delphinidin

Ol

0 OHHO, ^ 1 / v

-/ >OH

OH

OH

HO

eröffnet. Nur geringfügige Differenzen waren zu erwarten,

entweder in der Methylierung des Delphinidins oder in der

Bindung des Anthocyanidins an Zucker.

Weitere Versuche zur Gewinnung des Weinfarbstoffes

sind vor 25 Jahren aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte

von R. Heise1) veröffentlicht worden. Auch diese eingehendeund sorgfältige Arbeit hat nur zu amorphen, unreinen und

verdorbenen Präparaten des Farbstoffes geführt; Analysensind nicht ausgeführt worden, weil der Beschaffung des

nötigen Materials erhebliche Schwierigkeiten entgegenstan¬

den2). Die Arbeitsweise von Heise beruhte auf der Methode

von Glénard. Das Produkt bestand aus zwei voneinander

verschiedenen Farbstoffen A und B, von denen A in abso¬

lutem Alkohol unlöslich, B dagegen löslich war.

An diese Arbeit schließen sich Untersuchungen von

Heise über die Farbstoffe der Heidelbeere3) und der Kermes-

beere4) an. Auch für die Isolierung des Anthocyans aus der

Heidelbeere dient das Verfahren von Glénard; die Ergeb¬nisse sind ähnlich wie beim Weinfarbstoff, die Versuche aber

weitergeführt als bei diesem. Heise erhält wieder zwei Farb¬

stoffe A und B in amorphem Zustand, deren Analysen er

mitteilt. B, die in säurehaltigem Wasser lösliche Verbindung,wird als Glucosid, das darin unlösliche A als sein zucker-

*) Arbeiten a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte 5, 618 (1889).2) R. Heise, Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte 9, 478 (1894).2) Arb. a. d. Kaiser!. Gesundheitsamte 9, 478 (1894).4) Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte 11, 513 (1895).

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freies Spaltungsprodukt betrachtet, und die Beziehungzwischen ihnen durch folgende Formeln ausgedrückt:

C^H^iOj H20 CßH190B C14H140;

Die Frage, ob die Farbstoffe aus der Heidelbeere und

der Weintraube identisch oder verschieden sind, konnte

nicht beantwortet werden (siehe hierzu den Abschnitt „Unter¬

scheidung des Weinfarbstoffes von ähnlichen Anthocyanen"im experimentellen Teil).

Daß die Anthocyane dieser Beerenfrüchte Glykosidesind, hat sich bestätigt, aber es hat sich gezeigt, daß ihre

zuckerfreien Derivate in den Extrakten der Früchte im all¬

gemeinen nur spurenweise auftreten. Es ist schwer zu er¬

klären, durch welche von den Operationen Heises ein größererTeil der Substanz den Zucker verloren hat. Indessen handelt

es sich auch garnicht um eine einfache Spaltung der Gluco-

side, denn die Farbstoffe A und B von Heise entsprechenin ihren Merkmalen nicht, wie die aufgestellten Gleichungerwarten lassen sollte, den Anthocyanen und ihren zucker¬

freien Derivaten, welche ich isoliert habe. Besonders auf¬

fallend sind die Unterschiede zwischen Heises Farbstoffen

A und meinen zuckerfreien Farbstoffkomponenten; die

Unlöslichkeit der ersteren in Amylalkohol kann nur durch

eine weitgehende Veränderung erklärt werden.

Heises Farbstoff

A aus der

Weintraube

Heises Farbstoff

A aus der

Heidelbeere

Oenidin Myrtillidin

Ammoniak schwärzlich

grünlichblaue

Färbung

bläulich

schwarzgrüne

Färbung

blaue Lösung

Bleiazetat schwarzbräun¬

liche Flocken

schwarzgrüneFlocken

blauvioletter Nieder¬

schlag

Eisensalz mit Eisenazetat schwarze

flockige Fällung

mit FeCl3keine Reak¬

tion in wä߬

riger Lösung

mit FeCljintensiv

violette

Lösung

Amylalkohol nimmt frisch

saurem Wasser

Farbstoff

gefällten, in

suspendiertennicht auf.

nimmt den '.

fort und qu

Farbstoff so-

atitativ auf

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Es ist somit das Anthocyan der Heidelbeere ebenso un¬

zulänglich bekannt wie das der Weintraube. Es ist aus

den Ergebnissen der angeführten Arbeiten zu erkennen,daß die Fällung der Bleisalze zur Trennung der Anthoeyanevon ihren Begleitstoffen nicht hinreichte, und daß die Arbeits¬

weise für die Gewinnung der leicht veränderlichen Farbstoffe

nicht genügend schonend war.

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Theoretischer Teil.

In dieser Arbeit beruht meine Methode auf der Beob¬

achtung, daß die Anthocyane basische Farbstoffe sind,

welche beständige und gut kristallisierte Oxoniumsalze liefern.

Für die Isolierung des Farbstoffes der Heidelbeere (Vacci-nium Myrtillus L.) war wie bei mehreren anderen Antho-

cyanen das chlorwasserstoffsaure Salz anwendbar; es gelangdie Fällung, die ein alkoholischer Extrakt mit Äther liefert,

durch Umfallen aus verdünnter Salzsäure mit konzentrier-

terer und durch Kristallisieren aus alkoholisch-wäßrigerSalzsäure in das reine Anthocyan überzuführen. Im allge¬meinen ist für die Anwendung der Salzsäureverbindungzur Isolierung der Farbstoffe schon ein gewisser Reinheits¬

grad der Rohprodukte erforderlich; er läßt sich am einfach¬

sten erzielen, indem man die Farbstofflösung statt aus der

ganzen Beere nur aus den Beerenhäuten extrahiert.

Für die Gewinnung des Weinfarbstoffes (von Vitis vinifera

L.) habe ich nicht wie Heise Rotwein angewandt, worin der

Farbstoff zum mindesten teilweise verdorben ist, sondern

die Häute dunkelblauer norditalienischer Weintrauben.

Der Farbstoff wurde mit Eisessig extrahiert und — sehr

unrein natürlich — mit Äther gefällt. Dieses Rohproduktlieferte mit wäßriger Pikrinsäure ein schwer lösliches

ausgezeichnet kristallisierendes Pikrat, das von methyl¬alkoholischer Salzsäure zerlegt und leicht in das schön kristalli¬

sierende chlorwasserstoffsaure Salz verwandelt wurde.

Die hier zuerst angewandte Pikratmethode hat sich

in der Folge auch bei den Farbstoffen anderer Beeren und

mehrerer Blüten gut bewährt, nähmlich bei den Antho-

cyanen der Heidelbeere, der Preißelbeere, der Stockrose und

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der Waldmalve. Es. gibt aber auch eine Anzahl von Antho-

cyanen (z. B. Cyanin und Pelargonin), deren Pikrate sehr

leicht löslich und zur Isolierung ungeeignet sind.

Die Analyse der so in kristallisiertem Zustand gewonne¬

nen Beerenfarbstoffe ist durch die gleichzeitigen Arbeiten

über andere Anthocyane erleichtert worden, die als Glucoside

von drei Stammsubstanzen: Pelargonidin, Cyanidin und

Delphinidin erkannt worden sind. Die Anthocyanidine der

Heidelbeere und der Weintraube treten wie die Flavo-

nole, mit welchen sie konstitutionell ja verwandt sind, in

Form ihrer Methylverbindungen auf.

Bei meinen Versuchen stellen die schönen Chloride die

Form dar, in der ich die Anthocyane hauptsächlich be¬

schrieben und analysiert habe. Die violetten Farbbasen

sind dafür weniger geeignet, weil sie in ihren Lösungenleicht die bei fast allen Verbindungen dieser Reihe beob¬

achtete Umwandlung in die farblosen Pseudobasen erleiden.

Für die Anthocyane der Weintraube und der Heidelbeere

schlage ich die Bezeichnungen Oenin und Myrtillin vor, für

ihre zuckerfreien Derivate demgemäß Oenidin und Myrtil¬lidin.

Ein dem Myrtillin sehr ähnliches Glucosid haben Will¬

stätter und Martin1) aus der Stockrose (Althaea rosea)

isoliert; der daraus erhaltene zuckerfreie Farbstoff ist mit

dem Myrtillidin identisch.

Oenin ist ein Monoglueosid von der Zusammensetzung

C23H25012C1 in der Form des Chlorides; es besteht aus einem

Mol. Glucose und dem Oenidin von der Formel C17H16012C1.

Analog ist die Beziehung zwischen Myrtillin und Myrtil¬lidin. Myrtillin C22H23012C1 und Myrtillidin C16H1307C1. Beim

Heidelbeerfarbstoff ist das Myrtillidin an ein Mol. Galaktose

gebunden, ebenso wie das Cyanidin im Farbstoff der Preißel-

beere. Daß diese Vacciniumarten in ihren Früchten ver¬

schiedene Anthocyane führen, ist nicht auffallend, nach¬

dem Willstätter und Mallison2) gefunden haben, daß auch

») Ann. d. Chem. 408, 110.

2) Willstätter und Mallison, Ann. d. Chem. 408, 83 (1914/1915).

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in einer Pflanzenart und sogar in einer Varietät Blütenfarb¬

stoffe auftreten, die hinsichtlich der Oxydationsstufe des

Phenobenzopyryliums differieren, z. B. Glucoside des Pelar-

gonidins und Cyanidins in Pelargonium zonale und in der

Grartendahlie.

Der Farbstoff des Weines, Oenin, und der Farbstolf der

Heidelbeere, Myrtillin, sind als ähnliche und doch wohl¬

unterschiedene Monoglucoside methylierter Delphinidine er¬

kannt worden. Myrtillin und Myrtillidin geben in alkoho¬

lischer Lösung mit Eisenchlorid ein intensives Blau, beim

Verdünnen mit Wasser blauviolett. Oenin und Oenidin zeigenmit Eisenchlorid in wäßriger Lösung gar nichts, in Alkohol

geben sie ein wenig charakteristisches Rotviolett.

Der Unterschied wird durch die konstitutionelle Beziehungzwischen beiden Farbstoffen erklärt.

Bei der Methoxylbestimmung nach der Methode von

Zeisel verliert nämlich Myrtillidin eine Methylgruppe, Oenidinaber zwei Methyle. Ebenso wie Oenidin verhält sich das

isomere Malvidin (aus dem Anthocyan der Malva silvestris).Die drei Anthocyanidine gehen beim Erhitzen mit Jod¬

wasserstoff unter den Bedingungen der Methoxylbestimmungin Delphinidin über, sie sind also Methyläther desselben.

Damit steht im Einklang, daß beim Erhitzen mit Ätzkali

aus dem Myrtillidin Gallussäure hervorgeht, während Oenidin

und Malvidin in der Alkalischmelze methylierte Gallussäure

liefern, die auf diese Weise allerdings nicht in reinem Zustande

erhalten wird.

Als zweite aromatische Komponente wird aus den ver¬

schiedenen Farbstoffen Phloroglucin gebildet, aus Oenidin

schon beim Erhitzen mit konz. Kalilauge auf 110°, während

Malvidin unter gleichen Umständen Phloroglucinmethyl-äther liefert. Der Ort der zwei Methoxyle ist also für Malvidin

ziemlich genau bekannt; weitere Untersuchungen sind in¬

dessen erforderlich, um bei diesen Farbstoffen die Einzel¬

heiten der Struktur festzustellen. Bis jetzt ist vom Oenidin

bekannt, daß es im Phloroglucinkern kein Methoxyl enthält.

z. 2

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— 18 —

Es kann daher zwei Methyle im Pyrogallolrest oder jeeines in diesem und im Pyryliumkern enthalten. Durch die

Methylierung eines Pyrogallolhydroxyls hat das Delphi-nidin seine Eisenchloridreaktion verloren; daraus läßt sich

schließen, daß die mittlere Hydroxylgruppe methyliert ist.

Für die Stellung des Methyls im Myrtillidin gibt die vor¬

sichtige Zersetzung durch Alkali einen Anhaltspunkt. Aus

der Tatsache, daß hieraus Phloroglucin entsteht, und gemäßder intensiven Eisenreaktion des Farbstoffes kommt von

den fünf Formeln eines Monomethyldelphinidins

HO

Cl

0 OH

)0HH0~OH

Cl

I0

wHO

OCH,vv

HO

OH

II

OCH,

>OH HO

Cl

I0 OH

OH

OCH,

OH

HO

OH

III

H3cor\^

HO

IV

HO

OCH,

nurmehr eine der Formeln 1 und 2 für Myrtillidin in Betracht.

Das beschriebene Oenin ist die Verbindung des Oenidin

mit einem Mol. Glucose. In den dunkelblauen Weintrauben

aus Norditalien, die ich hauptsächlich bearbeitet habe,

findet sich die weitaus überwiegende Menge des Weinfarb¬

stoffes als Monoglucosid. Das gleiche habe ich bei ver¬

schiedenen einheimischen Gewächshaustrauben festgestellt.Das Oenin ist aber von einer kleinen Menge des zuckerfreien

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— id —

Farbstoffes (Oenidin) begleitet, im allgemeinen von höch¬

stens ein paar Prozent desselben, nämlich in der italienischen

Traube, die ich geprüft habe, und in der hiesigen Gewächs¬

haustraube. Nur bei einer Sorte der letzteren habe ich eine

Ausnahme gefunden, nämlich über 10 Prozent des Farb¬

stoffes in der zuckerfreien Form.

Andererseits läßt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit

zeigen, daß das Monoglucosid von einer kleinen Menge und

zwar wieder im allgemeinen nur einigen Prozenten des ent¬

sprechenden Diglucosides begleitet wird. Dieses im präpa-rativen Maßstab zu isolieren, wird erst gelingen, wenn ein

besonders günstiges Ausgangsmaterial oder aber eine ge¬

eignete Methode gefunden wird, die die Trennung von Mono-

und Diglucosid gestattet.

Für die analytische Untersuchung der Farbstoffglucosideist ihre Verteilung zwischen verdünnter Mineralsäure und

Amylalkohol von großer Bedeutung. Hierauf haben Will-

stätter und Everest schon in ihrer ersten Abhandlung bei

der Beschreibung von Anthocyan und Anthocyanidin hin¬

gewiesen. Eine Mittelstellung zwischen dem in Amylalkoholsehr leicht löslichen Cyanidin und seinem sehr wenig lös¬

lichen Diglucosid nehmen die Monoglucoside ein. Im folgen¬

den mache ich quantitative Angaben über die Verteilungdieser Farbstoffe zwischen Säure und Amylalkohol und

setze für den Vergleich zweckmäßige Bedingungen fest.

Durch die quantitave Bestimmnug der Verteilung prüfe ich

die Reinheit der Anthocyane. Enthält ein Diglucosid oder

ein Monoglucosid eine Beimengung von Anthocyanidin,selbst Spuren, so erfolgt von der ersten zur zweiten Aus-

schüttelung mit Amylalkohol ein sprungweises Sinken der Ver¬

teilungszahl. .Dies ist bei dem ersten Oeninpräparat der Fall.

Die Verschiedenheiten in der Verteilung werden durch

folgende Beispiele ersichtlich:

Diglucosid Malvin, Verteilungszahl . . 1,6

Monoglucosid Oenin, ,,. . 10,2

Oenidin, „. . 100,0

9*

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_ 20 —

Es lag nahe, aus diesem Verhalten eine Methode zur Isolierungder Monoglucoside mit Amylalkohol aus der Lösung in

säurehaltigem Wasser zu gründen.

Bei vielen Versuchen in dieser Richtung war es aber

hinderlich, daß die Löslichkeit auch der Monoglucoside in

Amylalkohol klein ist, so daß beim Arbeiten im präparativenMaßstab, in mäßiger Verdünnung also, zu geringe Mengendes Farbstoffes sich extrahieren lassen. Dazu kommt, daß

die empfindlichen Farbsalze bei längerer Dauer des Ver¬

suches leiden, wenn sich z. B. der Amylalkohol beim Durch¬

schütteln der viele kolloidale Stoffe enthaltenden Lösung

träge absetzt. Es ist dennoch gelungen, die fraktionierte

Ausschüttelung mit Amylalkohol der Isolierung des Farb¬

stoffes dienstbar zu machen, denn auf diese Weise bin ich

zum reinsten Oenin gelangt. Auch bei der Gewinnung von

Salvin und Chrysantemin ist die Methode angewandt worden.

Leichter ist es, bei der Isolierung von Oenin nur zur Beseiti¬

gung von beigemischtem Oenidin den Amylalkohol zu ver¬

wenden, indem man vor der Fällung des Pikrates die saure

Farbstofflösung mit Amylalkohol wäscht.

Der Vergleich des Weinfarbstoffes aus verschiedenen

Rebensorten betraf in zweiter Linie die Natur des Oenidins

selbst. Ich bin bei Versuchen mit anderen als norditalienischen

Trauben Unterschieden in den Eigenschaften des Oenin

noch nicht begegnet, soweit ich nach der Prüfung der Roh¬

produkte urteilen konnte, welche die Extrakte der Beeren¬

häute beim Fällen mit Äther lieferten. Um die größten Unter¬

schiede aufzusuchen, wurden die Fruchtfarbstoffe einer

anderen Vitisart, nämlich Vitis riparia Michx. (odoratssimaI Don.) und einer Art aus der nahe verwandten Gattung

Ampélopsis, nämlich A. quinquefolia Michx. (Vitis hede-

racea Ehr.) herangezogen. Das Anthocyan aus dem wilden

Wein soll Ampelopsin, der zuckerfreie Farbstoff Ampelopsidingenannt werden. Die Farbstoffe aus Vitis riparia sollen

noch nicht mit Namen eingeführt werden, da ich noch keine

Analysen mit ihnen ausgeführt habe.

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— 21 —

Die Rohfällungen dieser Farbstoffe, die für den ersten

Vergleich mit Oenin dienten, unterschieden sich von ihm

erheblich; bei der Reinigung sind die Unterschiede aber

zusammengeschrumpft. Sie waren in den Rohproduktenzum Teil durch die Beimischung von Gerbstoffen bedingt,welche die Eisenchloridreaktion und die Farbe in soda¬

alkalischer Lösung beeinflussen. Diese Anthocyane sind

dem Oenin sehr ähnliche Monoglucoside, die sich von ihm

im Reagensglas nur durch die Eisenreaktion unterscheiden

lassen. Die entsprechenden Anthocyanidine differieren

vom Oenidin darin, daß ihr Methoxylgehalt niedriger ist.

Dieser Vergleich trägt dazu bei, die hinsichtlich des Gehaltes

an Methoxylgruppen obwaltenden Verhältnisse klarzulegen,die nicht einfach sind und nicht einfacher dargestellt werden

dürfen als sie sind.

Oenidin wird die Dimethylverbindung genannt. Die

Werte der Methoxylbestimmung sind aber zu niedrig, näm¬

lich 15,18; 13,59 und 13,78 anstatt 16,91, während das Mal-

vidin gute Zahlen (für 2 OCH3) gegeben hat. Die treffliche

Bestimmung nach Zeisel läßt sich auch bei den Glucosiden

anwenden, und so wurde bei Malvidin wieder der richtige, bei

Oenin ein viel zu niedriger Wert erhalten.

Die Anthocyanidine aus Vitis riparia und Ampelopsinsind Monomethyläther des Delphinidins ; hier haben indessen

die Methylbestimmungen zu hohe Werte ergeben. Hieraus

folgt, daß der Dimethylverbindung Oenin viel Monomethyl-derivat beigemischt ist, während in den MonomethylVer¬

bindungen aus den zwei anderen Früchten Dimethylver¬bindung enthalten ist.

Die Unterschiede in der Eisenchloridreaktion, die in der

Tabelle zusammengesetzt sind, erlauben noch etwas tiefer

auf die Konstitutionsfragen einzugehen.

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22 —

Eisen¬

chlorid¬

reaktion

Oenin Ampélop¬sis

Antho-

cyan aus

Vitis

riparia

Oenidin Ampelop¬sidin

Antho-

cyanidinaus Vitis

riparia

in wä߬ keine schwache kräftige keine rot- intensiv

riger Reaktion Reaktion, Reaktion, Reaktion violett, blau¬

Lösung Farbe

geg. vio¬

lett ver¬

schoben

violett nicht

intensiv

violett

in Äthyl¬ rotviolett violett intensiv rotviolett blau¬ intensiv

alkohol blau violett blau

Ampelopsidin ist hiernach von dem früher beschriebenen

Myrtillidin verschieden, dessen Eisenreaktion intensiv und

rein blau ist; auch zeigt es andere Löslichkeit in verdünnter

Säure. Der Hauptbestandteil des, so wie es bisher vorliegt,noch nicht einheitlichen Präparates, das eigentliche Ampelosip-din, ist ein neues Anthocyanidin, ein isomeres Monomethyl-

delphinidin, dem wahrscheinlich die folgende, oben als III

angeführte Formel zukommt.

Cl

0 OH

HO^ _/" >OCH„

OH

OH

HO

Die Abschwächung der Eisenchloridreaktion deutet auf Be¬

setzung des mittleren Hydroxyls hin.

Das Anthocyanidin aus Vitis riparia ist ein anderes als

Ampelopsidin; es kann mit Myrtillidin identisch sein. Das

Glucosid ist aber vom Myrtillin in derFarbe seiner Lösungenverschieden, die blaustichiger ist ; ähnlicher ist dem Althaein.

Die im Oenidin enthaltene methylärmere Verbindungist Ampelopsidin, nicht der Farbstoff aus Vitis riparia, der

sich mit Eisenchlorid verraten würde.

Dem Oenidin selbst ist eine der beiden folgenden Formeln

I und II zuzuschreiben, während dem isomeren Malvidin,

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— 23 —

das Willstätter und Mieg beschrieben haben, eine der For¬

meln III und IV zukommt, da es bei vorsichtiger Zersetzungmit Alkali methyliertes Phloroglucin liefert. Außerdem

sind noch sieben andere isomere Dimethoxydelphinidinemöglich (also im ganzen 11).

CI Cl

HO

HO

0 OCH,/"

OH

I

)OCH3 HO

OH

HO

O OH

\>OCH„

OH

;OCH,

II

HO

Cl

I0

\/\/H3C0

OH

III

>OH

OCH3 H3CO

Cl

I0

OH

OH

IV

OH

>OCH„

OH

Die gemachten Beobachtungen ergeben also, daß die

dem Wein nahe verwandten Pflanzen in ihren Beeren dem

Oenidin ähnliche Methylverbindungen des Delphinidins in

Form von Glucosiden hervorbringen. Es ist unwahrschein¬

lich, daß man bei der Weintraube selbst größeren Differen¬

zen begegnen wird. Ein anderes Anthocyan als in den Früch¬

ten wurde indessen in den Blättern dieser Pflanze angetroffen.Das schöne, herbstliche Rot von Ampélopsis wird nicht

durch eine Verbindung des Delphinidins, sondern durch ein

Glucosid des Cyanidins bedingt.

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Experimenteller Teil.

Als Ausgangsmaterial dienten mir die Häute norditalie¬

nischer dunkelblauer Weintrauben. Diese wurden in mög¬lichst frischem Zustand verarbeitet, weil bei zu langemLagern Farbstoff aus der Haut in den Beerensaft übergeht.Die Beeren wurden von den Kämmen getrennt und zuerst

in einer Saftpresse ausgequetscht, sodann mit der hydrau¬lischen Presse noch weiter von Flüssigkeit befreit. Der

Preßsaft war so farbarm, daß sein Anthocyangehalt nicht

berücksichtigt zu werden brauchte.

1 kg norditalienischer Trauben gaben 200 bis 300 g ab¬

gepreßter Häute, deren Gewicht nach dem Trocknen 20,5 g

betrug. Der Farbstoffgehalt entsprach 1,4 g lufttrockenem

Oeninchlorid.

Der Farbstoff wird am besten mit Eisessig extrahiert;

methyl- oder äthylalkoholische Salzsäure sind auch anwend¬

bar, doch wird beim Fällen der alkoholischen Extrakte durch

Äther eine größere Menge von Beimischungen niederge¬

schlagen.Der Auszug, den man mit der Schale schon von einer

Weinbeere mit siedenden Holzgeist erhält, eignet sich zu

folgendem Vorlesungsversuche : Die entstehende methyl¬alkoholische Lösung ist farblos und sie färbt sich beim Ver¬

setzen mit Salzsäure sofort tiefrot; die gebildete Pseudobase

verwandelt sich wieder in Farbsalz.

Um die Amylalkoholprobe von Willstätter und Everest

mit dem Extrakte auszuführen, fälle ich einige Tropfen mit

Äther und prüfe mit dem Niederschlag nach dem Abgießender Flüssigkeit die Verteilung. Der Farbstoff geht zum

kleineren, aber beträchtlicheren Teil in den Amylalkohol und

wird diesem erst bei wiederholtem Ausschütteln mit ver-

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— 25 —

dünnter Säure beinahe ganz entzogen. Ein kleiner Anteil,

einige Prozente, bleiben aber bei dieser Probe im Amylalkoholzurück. Bei der Heidelbeere habe ich dasselbe beobachtet.

Es ergibt sich daraus, daß der im Extrakt enthaltene Farb¬

stoff nicht ganz quantitativ an Zucker gebunden ist. (Genaue

Angaben im Kapitel „Verteilung".)Die Beerenhäute wurden ungetrocknet in das doppelte

bis zweieinhalbfache Gewicht Eisessig eingelegt und in

Stöpselflaschen mindestens eine Woche unter zeitweisem

Umschütteln ausgezogen; zwischen 10 bis 20% des Antho-

cyans blieben in den Häuten zurück. Der Extrakt war tiefrot.

Nach dem Filtrieren wurde er mit dem dreifachen Volumen

Äther gefällt. Im Laufe eines Tages schied sich am Boden

des Gefäßes ein dunkelroter sirupöser Niederschlag ab, der

die ganze Menge des Farbstoffes enthielt. Die Flüssigkeitwurde dekantiert, die Fällung mehrmals mit Äther gründlichgewaschen und mittels Druckluft vom Äther befreit.

Ahscheidung des Pikrates.

Die Rohfällung des Farbstoffes aus dem Extrakte von

8 kg feuchten Beerenhäuten wurde mit 5 L. Wasser ange¬

rührt und die Oeninlösung von unlöslichen farblosen Sub¬

stanzen abfiltriert, dann fällte ich sie mit der kalten wäßrigen

Lösung von überschüssiger Pikrinsäure (80 g). Das Pikrat

schied sich in voluminösen, karminroten Flocken ab, das

durch rasches Erhitzen der Flüssigkeit in einzelnen Portio¬

nen wieder in Lösung gebracht wurde, um beim Erkalten

eine schöne, einheitliche Kristallisation des Oeninpikrateszu erzielen. Die Ausbeute an dem Salze, das auf dem Filter

mit Äther gewaschen wurde, betrug 17 g. Die Mutterlaugewar noch von intensiv braunroter Farbe, aber es gelangnicht, eine weitere wertvolle Fraktion daraus zu isolieren.

Durch Abänderung dieses Verfahrens nämlich durch

Anreiben und Erwärmen der Rohfällung mit kalt- oder

warmgesättigter Pikrinsäure, ließ sich die Ausbeute an Oenin-

pikrat wesentlich erhöhen, aber die Substanz erwies sich dann

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— 26 —

als weniger rein und die Reinigung des daraus gewonnenen

Oeninchlorids gestaltete sich verlustreich.

Bei der Gewinnung des Pikrates ist zu beachten, daß

keine Essigsäure in der Oeninfällung enthalten sein darf;

das Erwärmen des Oenins mit Wasser oder Pikrinsäure¬

lösung soll wegen der Isomerisation des Farbstoffes be¬

schleunigt werden. Um sie zu verhüten, wird es nützlich sein,

zum Eisessigextrakte vor der Fällung mit Äther etwas

Chlorwasserstoff hinzuzufügen und eine weitere kleine Mengebeim Auflösen der Rohfällung in Wasser.

Das Oeninpikrat kristallisiert in Büscheln langer karmin¬

roter Nadeln; es ist in heißem Wasser leicht, in kaltem recht

schwer löslich, leicht in Äthylalkohol, sehr leicht in Holz¬

geist.

Da das Anthocyan eine Beimischung von Oenidin ent¬

hält, empfiehlt es sich, die Rohfällung aus dem Eisessig¬extrakt der Beerenhäute in 0,5-prozentiger Salzsäure aufzu¬

lösen und mit Amylalkohol zu waschen. Dann beseitigt man

den gelösten Amylalkohol durch Ausäthern und trägt in die

saure Farbstofflösung feingepulverte Pikrinsäure ein oder

verfährt nach obiger Vorschrift.

Oeninchlorid, C23H25012C1.

Aus dem krystallisierten Oeninpikrat ist das Chlorid

amorph, aber in reinem Zustande erhalten worden. Ich nahm

z. B. 8,5 g Pikrat in 200 ccm Methylalkohol auf und fügte50 ccm 17prozentige methylalkoholische Chlorwasserstoff¬

säure hinzu. Aus der intensiv violettroten Lösung ist mit viel

Äther etwa der 8-fachen Mengedas Chlorid in braunroten Floken

gefällt worden. Da die Flüssigkeit noch beträchtlich gefärbtblieb, vervollständigte ich die Abscheidung mit Petroläther ;

das Chlorid wurde auf dem Filter solange mit Äther gewaschenbis das Filtrat mit Alkalilauge keine Gelbfärbung mehr

zeigte. Die Ausbeute betrug nach dem Trocknen 6 g.

Das Farbsalz war sogleich zur Kristallisation geeignet, die

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— 27 —

unter ähnlichen Bedingungen, wie bei dem Cyanin nach

Willstätter und Everest, erfolgte.Das amorphe Produkt löst man in der Kälte oder unter

gelindem Erwärmen mit Methylalkohol (3 g in 10 ccm), ver¬

dünnt die Lösung mit Äthylalkohol (25 ccm) und vermischt

sie mit 10 prozentiger Salzsäure (10 ccm); beim Stehen in

einem lose bedeckten Becherglas kristallisiert in zwei Tagendas Chlorid in dem Maße aus, als der Alkohol verdunstet.

Die erste Kristallisation betrug 1,6 g oder ein wenig mehr.

Die Mutterlauge lieferte beim längerem Stehen Anteile von

geringerer Reinheit. Für die Analyse wurde die Umkristalli-

sation in derselben Weise wiederhohlt, nur war es dabei

etwas schwieriger, die Substanz in Methylalkohol wieder

aufzulösen; sie erforderte mehr Methylalkohol und ging erst

in der Wärme in Lösung.Das Oenin-Chlorid bildet schöne käfergrün glänzende

Kristalle, die aus einzelnen oder zu Drusen vereinigtenderben Prismen von dunkelroter oder braunroter Farbe be¬

stehen. Aus den Mutterlaugen kristallisiert das Salz öfters in

dünnen Prismen. Die Farbe des feinen Pulvers ist violettrot.

Das Oenin-Chlorid enthält wechselnde Mengen von Kristall¬

wasser, das im Exsiccator fast vollständig abgegeben wird.

I. 0,8859 g, lufttrocken verloren im Exsicc. 0,1380 g.

II. 0,7788 g, „ „ „ „ 0,0964 g.

III. 0,3987 g, „ „ „ „ 0,0481 g.

Berechnet für Gefunden

C23H25012C1 • 4 H20 • C23H25012C1 • 6 H20 I II III

4 HO 11,88 — — 12,37 12,06

6 HO — 16,96 16,11 — -—

Im Hochvakuum erfolgt bei 50° keine weitere Gewichts¬

abnahme und bei 105° nur ein kleiner Verlust (0,7800 g im

Acetonbad getrocknete Substanz verloren bei 105° 0,0052 g,

d. i. 0,67 Proz.) Die Analysen sind mit der bei 50° getrock¬neten Substanz ausgeführt worden, deren kleiner Wasser¬

gehalt keinen erheblichen Fehler bedingt,

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— 28 —

Berechnet für Gefunden

C23H25O12CI I II III IV V

c. . . 52,21 52,02 5216 — — 52,01

H. . . 4,77 4,76 — — — 4,61

Cl. . . 6,71 — — 6,70 6,79 —

Einmal umkristallisierte Substanz :

I. 0,1876 g gaben 0,3578 g C02.II. 0,1667 g „ 0,1667 g C02 und 0,0709 g H20.

III. 0,1133 g „ 0,0307 g AgCl (im offenen Gefäß gefällt).IV. 0,1490 g „ 0,0409 g AgCl (nach Carius),

Zweimal umkristallisierte Substanz:

V. 0,2033 g gaben 0,3877 g C02 und 0,0837 g H20.VI. 0,1124g „ 0,0307 g AgCl (nach Carius).

VI

6,76

Oeninchlorid löst sich in kaltem Wasser leicht, in heißem

sehr leicht; die Farbe ist braunrot, beim Verdünnen schlägtsie infolge hydrolytischer Dissoziation in das Violett des

freien Oenins um, weiterhin erfolgt rasch die Isomerisation

der in wäßriger Lösung unbeständigen Farbbase zur farb¬

losen Pseudobase. Diese Umwandlung wird durch starke

organische Säuren hintangehalten; in 0,2prozentiger Wein¬

säurelösung ist z. B. die Farbe des Oenins beständig.In verdünnter Salzsäure ist Oenin leichter löslich als

Delphinin, es steht in der Mitte zwischen dem noch leichter

löslichen Althaein und dem schwerer löslichen Myrtillin,es ist nämlich in 2prozentiger Salzsäure sehr leicht, in

öprozentiger noch beträchtlich, in lOprozentiger wenig löslich,

in 20prozentiger Salzsäure fast unlöslich. In Schwefelsäure

ist Oenin etwas weniger löslich als Myrtillin, nämlich in kon¬

zentrierter mäßig, in 7- bis lOprozentiger leicht. Die Farbe

in der letzteren ist gelblichrot, blauer in der Nuance als die

des Myrtillins, aber viel weniger blau als die Delphininfarbe.In Methylalkohol sind die lufttrockenen Kristalle leicht,

in absolutem Äthylalkohol ziemlich leicht löslich, viel leichter

als Myrtillinchlorid ; größer ist die Löslichkeit in wasser-

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haltigem z.B. 50prozentigem Alkohol. Die äthylalkoholischeOenüüösung ist in der Farbe von der wäßrigen ganz verschie¬

den, nämlich prächtig blaustichig rot, in größerer Verdün¬

nung tritt der blaue Ton mehr hervor, beim Ansäuern wird

das Rot mehr gelbstichig. Die Lösung in Holzgeist tingiert

weniger blau, in Eisessig am wenigsten.Mit Soda wird die Lösung des Oenins in angesäuertem

Wasser blauviolett bis violettblau; die Farbe erscheint schon

in mäßiger Schicht violettrot, beim Verdünnen bleibt sie

sehr beständig. Natronlauge bewirkt auch nur Farbumschlagin ein violettstichiges Blau (nicht in reines Blau), das beim

Verdünnen violetter wird und einigermaßen beständig ist.

(Unterschied von dem in alkalischer Lösung sehr viel unbe¬

ständigeren Myrtillin.)In der Verteilung zwischen verdünnter Säure und Amyl¬

alkohol gleichen Oenin und Myrtillin dem Idaein ; die wäßrigeSchicht gibt nämlich einen Teil dieser Monoglucoside am

Amylalkohol ab und der Farbstoff wird diesem beim Waschen

mit säurehaltigem Wasser schwerer entzogen als Cyanin.

Einige Prozente bleiben im Amylalkohol zurück; die ge¬

prüften Präparate sind nicht ganz frei von den Anthocya-nidinen.

Einfluß der Gerbsäure auf die Farbreaktionen.

Die Farbe und die Farbreaktionen von Oenin und ähn¬

lichen Anthocyanen werden durch Gerbstoffe beeinflußt,nicht die des Cyanins. Die Entfärbung verdünnter Oenin-

chloridlösungen durch Bildung der Pseudobase wird durch

Tannin nicht verhindert.

Beim Versetzen einer Oeninlösung in verdünnter Salz¬

säure mit Tannin tritt Verstärkung der Farbe und auffallender

Umschlag derselben in hoch blaustichigeres Rot ein. Gallus¬

säure bewirkt nur eine geringere Veränderung der Farbe

gegen Blau hin. Auch bei der mehr gelbstichigen Lösungvon Myrtillin in Salzsäure erfolgt auf Zusatz von Tannin

eine wesentliche Farbänderung; sie verliert den bräunlichen

Ton und wird blaustichig rot. Während die saure Oenin-

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— 30

lösung mit Soda in Violett umschlägt, gibt die tanninhaltigeein allerdings unbeständiges Blau. Oeninchlorid in tannin-

haltiger wäßriger Lösung gibt mit Eisenchlorid ein inten¬

sives Violettrot, Myrtillin ein Blauviolett (während es ohne

Tannin Blau gibt). Mit Gerbsäure und Alaun liefert Myr¬tillin gleichfalls intensive Violettfärbung, Oenin eine wenigercharakteristische rotviolette Reaktion. Die mit Tannin und

Ferrisalz versetzte Oenin- und Myrtillin-Lösung scheidet

beim Stehen den Farbstoff fast ganz aus in blauvioletten

bzw. violetten Flocken.

Es ist erwähnenswert, daß auch beim Versetzen der

Lösung, z. B. des Myrtillidins, in 0,5prozentige Salzsäure

mit viel Glucose die Farbe beträchtlich blaustichiger wird.

Beim Kochen mit Glucose oder mit Stärke erleidet der Farb¬

stoff Zersetzung.

Vorkommen von Oenidin und Oenidinglucosid neben

Monoglucosid.

Es wurden noch Proben von verschiedenen Weintrauben

untersucht, zu diesem Zweck wurden die Beeren mit der

Hand ausgepreßt und die Häute kurze Zeit in siedendes

Wasser eingetragen. Unter Zerreiben mit Sand extrahierte

die Beerenhäute rasch mit verdünnter wäßriger Salzsäure.

Aus der erhaltenen Lösung ging ein beträchtlicher Teil des

Farbstoffes beim Ausschütteln im Amylalkohol über. In der

amylalkoholischen Schicht blieb bei häufigem Waschen mit

verdünnter Säure ein kleiner Teil, des Farbstoffes zurück,

der sich zwischen Amylalkohol und angesäuertem Wasser nicht

verteilte, also Anthocyanidin. Dies war außer bei norditalie¬

nischen Trauben auch der Fall bei dem Anthocyan mehrerer

Sorten von Weintrauben aus hiesigen Gewächshäusern; die

Verteilungsverhältnisse waren dieselben. Eine Sorte indessen

aus der Gärtnerlehranstalt in Dahlem, eine Mitte bis Ende

November gereifte farbarme Gewächshaustraube (black

alicanthe) mit großen hell bräunlichvioletten Beeren, lieferte

einen amylalkoholischen Auszug mit größerem Anthocya-

nidingehalt. Um den nach gründlichem Wachsen in der amyl-

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alkoholischen Schicht hinterbliebenen Farbstoff kolori-

metrisch mit dem in wäßriger Säure löslichen Anteil zu ver¬

gleichen, wurde dieser durch Erhitzen unter Zusatz von

starker Säure gespalten und das gebildete Oenidin auch

in Amylalkohol übergeführt. Es ergab sich, daß etwa 12

Prozent des Anthocyans in der Beere in Form von Oenidin

enthalten war.

Der Nachweis von diglucosidischem Anthocyan ist auf

folgende Weise erbracht worden. Die Häute von 300 g

dunkelblauen Trauben wurden mit Sand verrieben und mit

salzsäurehaltigem Holzgeist extrahiert. Der Auszug wurde

mit Äther gefällt, der Niederschlag in 100 ccm 0,5prozentigerSchwefelsäure, die mit Amylalkohol gesättigt war, aufgelöst.Die Hälfte der Flüssigkeit blieb für den kolorimetrischen

Vergleich aufbewahrt, die andere Hälfte ist mit dem gleichenVolumen Amylalkohol 7mal ausgeschüttelt worden. Da¬

nach enthielt sie noch ein Viertel des ursprünglichen Farb¬

stoffes. Mit dem kristallisierten Oenin wurde eine Lösung

hergestellt, die ähnlich farbstaik war, wie die Versuchs¬

lösung (nämlich 2/3 so stark), um die Verteilung der in beiden

enthaltenen Farbstoffe zu vergleichen. Der Farbstoff in der

Versuchslösung gab eine 3 mal niedrigere Verteilungszahlals Oenin.

Ich fuhr fort, die Versuchslösung mit Amylalkohol zu

extrahieren; nach sechs weiteren Malen war die wäßrigeSchicht noch intensiv gefärbt, doch gab sie an Amylalkoholnur noch sehr wenig ab. Ein solcher amylalkoholischer Aus¬

zug ist bei einmaligem Durchschütteln mit 0,lprozentigerSäure quantitativ entfärbt worden. Bei Versuchen in großemMaßstabe ist wegen der ziemlich geringen Löslichkeit des

Monuglocosides eine viel größere Zahl von Extraktionen

mit Amylalkohol erforderlich, bis eine Farbstofflösung

hinterbleibt, die nur annähernd die glucosidische Verteilung

zeigt. Erschwerend wirkt auch der Umstand, daß bei diesen

Ausschüttelungen das Diglucosid, wenn auch infolge seiner

kleinen Löslichkeit in geringem Maße, fortwährend der

wäßrigen Lösung entzogen wird.

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Isolierung yon Oenin mit Amylalkohol.

Auf die oben angegebene Verteilung des Oenins zwischen

Säure und Amylalkohol gründet sich auch folgender präpa-rative Versuch mit 75 kg italienischen Trauben. Die Beeren¬

häute (1,6 kg) wurden mit 10 L. Eisessig ausgezogen und

der Farbstoff mit einem Gemisch von Äther — Petroläther —

gefällt. Das Rohprodukt löste ich in 1 L. verdünnter Salz¬

säure auf und schüttelte die Lösung, deren Volumen durch

Zufügen von öprozentiger Säure konstant gehalten wurde,

oftmals mit demselbenVolumen Amylalkohol aus. Die ersten

Auszüge, die neben Oenin eine erhebliche Menge von Oenidin

enthielten, wurden verworfen. Aus etwa zwanzig weiteren

amylalkoholischen Auszügen führte ich den Farbstoff in ein

Viertel ihres Volumens 0,lprozentiger Salzsäure über; die

saure Lösung wurde nochmals mit wenig Amylalkohol,dann mit Äther gewaschen. Durch Fällen der sauren Oenin-

lösung mit Pikrinsäure und Umwandlung des Pikrates in

Chlorid gemäß den früheren Angaben wurde ein sehr reines

Oeninchlorid erhalten. Es kristallisierte aus einem Gemisch

von Alkohol und 7prozentiger Salzsäure in dunklen

Prismen (Fig. 1) mit grünem metallischen Glanz; sie ent¬

hielten 4 Mol. Wasser.

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0,3972 g Oeninchlorid (lufttr.) verloren im Exsiccator

0,0434 g; 0,3506 g (exsiccatr.) verloren im Vakuum bei 105°

0,0063 g.

Berechnet für C23H26012C1 4 H20 Gefunden

4H20 11,88 12,52

Unterscheidung des Weinfarbstoffes von ähnlichen

Anthocyanen.

Im Rotwein ist der Farbstoff nur noch teilweise oder

gar nicht mehr in unversehrtem Zustande. Die Veränderungbetrifft sowohl die Farbstoffkomponente, welche mehr oder

weniger verdorben ist, wie die Bindung des Zuckers. Jungernorditalienischer Rotwein (vom Jahre 1913) hat eine stumpfe,mehr braunstichige Farbe, als die reine Anthocyanlösung.Nach dem Abdestillieren des Alkohols liefert dieser Wein

mit Pikrinsäure keine Ausscheidung von Oeninpikrat; das

Aussehen und Verhalten verschiedener Bordeauxweine vom

Jahre 1911 finde ich im wesentlichen damit übereinstimmend;

sie sind aber noch 2- bis 3mal ärmer an Farbstoff und ihre

Farbe noch weniger blaustichig. Durch die Amylalkohol¬

probe finde ich bei italienischen, spanischen und französischen

Rotweinen, daß beispielsweise ein Viertel bis ein Fünftel

des Farbstoffes in der zuckerfreien Foim vorhanden ist.

Ein Zusatz von Oeninchlorid gibt den mißfarbigen Weinen

eine schön blaustichig lote Farbe.

Wichtig ist das Verhalten des Weinfarbstoffes und der

ähnlichen Anthocyane in wäßriger Lösung gegen Eisen¬

chlorid und Alaun : Bei Oenin und Malvin bleibt eine charak¬

teristische Reaktion aus, während Myrtillin und Althaein

schöne Farbenreaktionen geben, nämlich in wäßriger Lösungintensives Violett. Nun sind alle diese Farbstoffe nahe ver¬

wandt. Ihre zuckerfreien Derivate sind Methylverbindungendes Delphinidins. Daß sie dennoch einen so auffallenden

Unterschied zeigen, wird dadurch bedingt, daß in den einen

— Oenin und Malvin — ein Hydroxyl des Pyrogallolrestes

methyliert ist. Dem Farbstoff mit der Gruppe

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— 34 —

/0H-/ \-0H

kommt gleich den Verbindungen mit dem Brenzcatechin-

reste die Fähigkeit zu, komplexe Metallverbindungen zu

bilden, aber nicht, oder in geringerem Maße, den Verbindungenmit der Gruppe

70H—/ N>—OCH,\ /

^OH.

An dem reinen Anthocyan erklärt sich und bestätigtsich also ein Unterschied, auf den schon vor längerer Zeit

H. W. Vogel1) aufmerksam gemacht hat. Vogel hat die

Verschiedenheit von Heidelbeer- und Weinfarbstoff mit

spektroskopischen Methoden erkannt und im Streite mit an¬

deren Forschern betont; für die Unterscheidung hat er be¬

sonders eine Probe vorgeschlagen, die im Versetzen mit

wenig Alaun und Ammoniak besteht. „Hierbei bildet Heidel¬

beerfarbstoff einen dauernden Absorptionsstreifen auf D

unter Lackbildung, während Weinfarbstoff unter gedachtenBedingungen nur dieselbe Reaktion liefert als mit Ammoniak

allein". In der zitierten späteren Untersuchung von Heise

aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt ist die Frage, ob

Wein- und Heidelbeer-Farbstoff identisch seien, wieder

aufgeworfen, aber nicht beantwortet worden.

Es bedarf zur Unterscheidung, solange das Anthocyannoch einigermaßen unversehrt ist, nicht einmal des Spektro-

skopes; eine Beimischung des Farbstoffes der Heidelbeere

oder der Stockrose wird schon im Reagensglas erkannt durch

Zufügen einer Spur Eisenchlorid; die Farbe des Rotweines

wird dadurch nicht oder wenig verändert, der Zusatz von

Myrtillin oder Althein verrät sich durch die eintretende

M Ber. d. d. Chem. Ges. 8. 1246 (1875); 9, 1906 (1876); 21, 1746

(1888).

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— 35 —

Violettfärbung. Eine Beimischung des Waldmalven-Farb-

stoffes kann durch Farbreaktionen nicht verkannt werden.

Spezifische Drehungen.

Oenin ist starklinksdrehend, so daß im monochromatischen

(roten) Licht das Drehungsvermögen bestimmt werden

konnte; der Farbstoff zeigt, wie die anderen Anthocyane,Rotationsdispersion.

c= 0,0166, wasserfreies Oeninchlorid in 0,1 prozentiger

Salzsäure, e = 1. Bei 627 [X[a; a = — 0,09°;

[oc]627 = - 542 (± 60), [M]627 = - 2867.

c = 0,0332; e = 1. Bei 656,3 jjijx; a = — 0,14;

[a]e = - 421 (± 30), [M]0 = - 2227.

Absorptionsspektrum.

Oenin, gelöst in verdünnter Mineralsäure, weist ein breites

Absorptionsband auf, welches weniger weit in das blaue

Gebiet hineinreicht als das blaue Band des Cyanins. Die

blaue und violette Region erscheint bei größerer Schicht¬

dicke der Farbstofflösung verschleiert. Im weniger gebroche¬nen Teil des Spektrums läuft die Absorption ganz all¬

mählich aus.

0,0151 g Chlorid (wasserfrei) in 50 ccm 7 prozentigerSchwefelsäure, d. i. 1 Mol. in 1760 Litern.

2,5-mm-Schicht: 559 • 551 • • • 544—491 • 480

5„

585-576-• 563—466 • •

Die alkoholische Lösung von Oeninchlorid ist schön rot¬

violett und stark violett tingierend; sie zeigt ein breites

Band vom Orange (bei höherer Wellenlänge beginnend als

die Absorption des Cyanidins) bis zum Blau; das nachfolgendeblaue und violette Gebiet ist noch merklich verdunkelt.

0,015 g Chlorid in 50 ccm Alkohol, d. i. 1 Mol. in 2500

Litern.

2,5-mm-Schicht: 593 • • 588—518 • • 506

5„

601 •• 597—494-• 488 —459-•

10„

605-• 602—479-•

3*

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— 36 —

Die Absorptionsspektia von Myrtillin und Myrtillidinsind sehr ähnlich.

Hydrolyse des Oenins.

Das kristallisierte Oeoninchlorid (1 g) wird unter ge¬

lindem Erwärmen in Wasser (10 ccm) gelöst und mit 25pro-

zentiger Salzsäure (50 ccm) versetzt. Ich erhitzte rasch

über freier Flamme und hielt die Flüssigkeit 3—4 Minuten

im Sieden. Das Oenidin scheidet sich schon in der Hitze in

graubraunen Kristallen ziemlich vollständig aus; nur etwa

2% Prozent blieben gelöst und gaben der Flüssigkeit dunkel¬

rote Farbe. Für die quantitative Bestimmung wird dieser

kleine Anteil nach dem Abfiltrieren der Hauptmenge und

Nachwaschen mit 20 prozentiger Salzsäure durch Amyl¬alkohol extrahiert und kolorimetrisch bestimmt (4—5 mg in

den unten angegebenen Versuchen). Vor der Zuckerbestim¬

mung wurde die Lösung mit reinem Äther vom Amylalkoholbefreit.

Das angewandte Oenin war wasserfrei, das Oenidinchlorid

wurde exsiccatortrocken gewogen.

0,2056 g Oeninchl. gaben 0,1507 g Oenidinsalz,

0,2056 g ,, ,, 0,0594 g Glucose (nach Sonntag und

Bertrand),

0,2737 g ,, ,, 0,2022 g Oenidinsalz,

0,2737 g „ „ a) 0,0759 g, b) 0,0765 g Glucose

(nach Sonntag und Bertrand),

0,3263 g „ „ 0,092 g Glucose (50 ccm, 1=4,

a 0,38»).

Berechnet für Gefunden

C23Hä5012Cl I II III IV V

C17H1507C1 • H20 72,7 73,3 — 73,9 — —

C6H1206 34,1 — 28,9 — 27,8 28,2

Die Bestimmungen mit Hilfe von Kupferlösungen sowie

mittels der Polarisation beweisen dusch ihre Überein¬

stimmung das Vorliegen von Glucose.

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— 37 —

Oenidinchlorid, C17H1607C1.

Das zuckerfreie Derivat ist bei der Spaltung des Gluco-

sides analysenrein erhalten worden. Es enthielt in luft-

trocknem Zustand 1 y2 Mol. Kristallwasser, wovon % Mol.

beim Trocknen im Acetonbad an der Quecksilberpumpenoch zurückgehalten wurde.

0,2286 g lufttr., verloren im Vakuum bei 55° 0,0093 g, bei

135° 0,0168 g,

0,9339 g lufttr., verloren im Vakuum bei 135° 0,0660 g.

Berechnet für Gefunden

C17H1507C1- iy2H20 I II

1H20 4,07 —

1%H20 7,35 7,07

Bei 55° getrocknete Präparate:

0,1738 g gaben 0,3477 g C02 und 0,0651g H20,0,2031 g „ 0,3063 g C02 „ 0,0748 g H20.

Berechnet für Gefunden

C17H1507CI • % H20 I II

C 54,31 54,56 54,56H 4,29 4,19 4,12

Bei 135° getrocknete Präparate:

0,1933 g gaben 0,3961g C02 und 0,0660 g H20,

0,1786 g „ 0,3611g C02 „ 0,0659 g H20,

0,1424 g „ 0,0525 g AgCl (nach Carius).

Berechnet für Gefunden

C17H1507C1 I II III

C 55,65 55,88 55,14 —

H 4,12 3,82 4,13 —

Cl 9,67 — — 9,12

Oenidinchlorid kristallisiert in dunkelbraunen Prismen

und Nadeln mit matten, dunklen Bronzeglanz; das Pulver

ist von braunschwarzer Farbe.

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— 38 —

Beim Übergießen mit wenig Wasser löst sich die Sub¬

stanz reichlich mit braunroter Farbe, beim Vei dünnen mit

mehr Wasser pflegt die Lösung etwas trübe zu erscheinen.

In der Wärme isomerisiert sich der Farbstoff sehr rasch

zur farblosen Pseudobase, leichter als Cyanidin. Infolgedessen

gibt die alkoholische Lösung des Oenidinchlorides mit heißem

Wasser nicht wie Cyanidin eine Ausscheidung violetter

Flocken. Beim Erhitzen mit Salzsäure kehrt die Farbe zu¬

rück. In Äthyl- und Methylalkohol löst sich das Farbsalz

sehr leicht, die Farbe ist prächtig violettrot.

In 0,01prozentiger Salzsäure ist Oenidin in der Kälte

sehr leicht löslich, mit tiefbraunroter Farbe in 0,1 prozentigerSäure leicht, in 1 prozentiger schon schwer löslich, heiß ziem¬

lich leicht; die Farbe in dieser Säure ist schön rot, in

3 prozentiger Säure kalt sehr schwer (etwas schwerer als

Myrtillidin), auch in der Hitze schwer löslich, es läßt sich da¬

raus Umkristallisieren und scheidet sich in rötlich grau¬

braunen Prismen ab. 20prozentige Salzsäure löst 0,02 Proz.

Oenidin. Niedrigprozentige Schwefelsäure, auch noch 7pro-

zentige löst Oenidin leicht.

Mit Pikrinsäure gibt die Substanz einen sofort ausfallen¬

den, sehr schwer löslichen Niederschlag, der aus feinen

dunkelroten Prismen besteht.

Beim Neutralisieren mit Soda wird die Oenidinlösungviolett, mit Natronlauge schön blau, aber rasch verderbend.

Bleiazetat gibt eine blauviolette Fällung, die beim Er¬

hitzen blau wird. Eisenchlorid beeinträchtigt die Farbe der

Oenidinlösung einen Augenblick, ohne eine charakteristische

Färbung hervorzurufen, sodann wird die Substanz zerstört

(Unterschied von Myrtillidin).

Umwandlung in Delphinidin.

Bei der Bestimmung nach Zeisel verliert Oenidin zwei

Methyle.

0,1895 g gaben 0,2178 g AgJ (Zusatz von 3 ccm Essigsäure¬anhydrid),

0,1837 g gaben 0,1889 g AgJ (Zusatz von 3 ccm Phenol).

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— 39 —

Berechnet für Gefunden

C17H1507C1 I II

2 0CH3 16,91 15,18 13,59

Aus der mit Essigsäureanhydrid oder Phenol vermischten

Jodwasserstoffsäure kristallisiert beim Erkalten ein Jodid

in derben rotbraunen Prismen. Die Säure wird mit etwas

Äther verdünnt und die Kristalle abfiltriert. Sie wurden

mit Alkohol, worin sie sehr leicht löslich waren, aufgenommenund mit einigen Tropfen konz. Salzsäure und gefälltemChlorsilber in chlorwasserstoffsaures Salz übergeführt.Dieses kristallisierte nach dem Versetzen der alkoholischen

Lösung mit dem halben Volumen 20 prozentiger Salz¬

säure beim Verdampfen des Alkohols auf dem Wasser¬

bade in schönen Prismen mit lebhaftem grünen Metall¬

glanz aus. Das Produkt war identisch mit Delphinidin-chlorid. In 7 prozentiger Schwefelsäure war es in der Hitze

merklich löslich, in der Kälte kristallisierte es vollständigaus in dunklen Drusen spitzer Prismen. In 3 prozentiger Salz¬

säure war die entmethylierte Verbindung leicht löslich mit

braunroter, in der Hitze mehr blaustichiger Farbe. Über¬

einstimmend mit Delphinidin war auch die Kristallisation

(farblos zugespitzte Prismen) der Pseudobase, die man beim

Erwärmen des Chlorides mit 50 prozentigem Alkohol und

Einengen auf dem Uhrglase leicht erhielt.

Spaltung des Oenidins durch Alkali.

Beim Erwärmen mit viel konz. Kalilauge erfolgt die Zer¬

setzung des Farbstoffes so leicht, daß die Flüssigkeit sich

entfärbt, noch ehe sie siedet.

Auch bei der vorsichtigen Ausführung des Versuches

liefert Oenidin nicht Phloroglucinmethyläther, sondern

Phloroglucin selbst. 0,6 g Oenidinchlorid wurden in 40 g

75proz. Kalilauge eingetragen und 4 Min. lang auf 110°

erhitzt. Die mit Natriumbicarbonat gewaschene ätherische

Lösung des Reaktionsproduktes hinterließ beim Verdampfen

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— 40 -

0,085 g Phloroglucin das zufolge der Best'mmung nach

Zeisel kein Methoxyl enthielt.

In anderen Verbuchen habe ich die Temperatur auf 220°

bis 240° gesteigert, um den Abbau zu einer Phenolcarbon¬

säure zu vervollständigen. Die mit Bicarbonatlösung vom

Phloroglucin getrennte Oxysäure enthielt Methoxyl, aber

nicht in stöchiometrischer Menge, da das Alkali bei der

hohen Temperatur auf den Methyläther destruktiv wirkt.

0,6456 g gaben 0,0348 g AgJ (nach Zeisel).

Berechnet für C8H805 Gefunden

OCH3 16,85 10,08

Auch nach der Löslichkeit und nach den Reaktionen

war das saure Spaltungsprodukt nicht einheitlich. Es be¬

stand wahrscheinlich aus einem Gemenge von Gallussäure,einem Monomethyläther derselben und von Pyrogallol,welches bei der Trennung vom Phloroglucin leicht mit der

Säure in die Bicarbonatlösung übergeht.Das Produkt gab eine Fällung mit Bleiazetat, Rosafärbung

mit Cyankalium, mit oxydhaltigem Ferrosalz blauviolette,dann schwarzblaue Färbung, auch mit Eisenchlorid allein

eine blauschwarze Lösung. Von den beiden Monomethyl-äthern der Gallussäure gibt nur die meta-Verbindung1) eine

solche Eisenreaktion. Da aber hier mit einer Beimischungvon Gallussäure zu rechnen ist, so kann ebensowohl der von

I. Herzig und I. Pollak2) sowie von E. Fischer und O. Pfef¬

fer3) beschriebene para-Methylyäther vorliegen.

Die Anthocyane von Ampélopsis und Vitis riparia.

Die Beeren des wilden Weines enthalten das Anthocyannicht so vollständig in der Haut wie die Weintraube, aber

auch zum größten Teile. Man erhält beim Verarbeiten von

ein paar Beeren durch Extrahieren der Haut mit säurehaltigem

*) W. Vogel, Monatsh. 20, 397 (1899).2) W. Vogel, Monatsh. 23, 702 (1902).3) Ann. d. Chem. 389, 212 (1912).

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— 41 —

Alkohol und Fällen mit Äther das Anthocyanpikrat wie

bei der Isolierung des Oenins, sogar noch schöner, und es

ist dem Oeninpikrat zum Verwechseln ähnlich. Aus diesem

Reagensglasversuch lehnte sich die Verarbeitung einer

großen Menge an. Das Ergebnis war infolge zu langen Stehens

der Extrakte ungünstig.Aus 16,5 kg Ampelopsisbeeren erhielt ich 5,1 kg der

zwischen Filtrierpapier abgepreßten Häute, die mit Eisessigextrahiert wurden; durch Äther wurde der Farbstoff als

violettes Pulver gefällt, natürlich sehr unrein; aus 1 kgBeerenhäuten 53 g. Diese Menge des noch etwas Eisessigenthaltenden Rohproduktes ist vor der Überführung in Pikrat

aus chlorwasserstoffhaltigem Methylalkohol mit Äther um¬

gefällt worden. Das Farbsalz wurde in 1—1,5 L. 0,lproz.Salzsäure aufgenommen, von farblosen Substanzen filtriert,und die Lösung mit gepulverter Pikrinsäure versetzt. Die

Flüssigkeit wurde, um die Dauer des Erwärmens abzu¬

kürzen, in einzelnen Portionen kurz erhitzt und sofort ab¬

gekühlt. Dann kristallisierte das Pikrat in verfilzten karmin¬

roten Nadeln aus. Durch Auflösen in 100 com 3—4proz.

methylalkoholischer Salzsäure und Fällen mit Äther erhielt

ich daraus das Chlorid, 1,8 g, amorph, aber annähernd rein.

Es gelang mir nur aus stark salzsäurehaltigem Alkohol

das Ampelopsinchlorid und das Anthocyan von vitis ripariaschön kristallisiert zu erhalten.

Es wäre eigentlich naheliegend, anzunehmen, daß unter

diesen Bedingungen das Monoglucosid aus einem Diglucosid

hervorgegangen ist; doch ist die Wahrscheinlichkeit dafür

gering, da ich ähnliche Beobachtungen bei anderen Vertretern

der Oeningruppe nicht gemacht habe. Es ist fernerhin aus¬

geschlossen, daß ein Mol. Zucker abgespalten wurde, ohne

daß nur eine Spur einer weitergehenden Zersetzung zum

Anthocyanidin erfolgt wäre. Aus den Verteilungszahlen

ergibt sich, daß hier ein reines Monoglucosid vorliegt. Die

schlechten Ausbeuten an Pikrat führe ich darauf zurück,daß auch, wie beim Idaein von Willstätter und Mallison,

das Ampelopsin von Diglucosid begleitet ist, deren Pikrate

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— 42 —

sehr leicht löslich sind. Die Bestätigung dieser Annahme

bleibt einer weiteren Arbeit vorbehalten.

Die amorphe Substanz löste ich in 20 ccm ganz verdünnter

Säure, 10 ccm Alkohol und 7 ccm 25proz. Salzsäure und

fügte nach mehreren Tagen nochmals 10 ccm Alkohol hinzu.

Das Ampelopsinchlorid kristallisierte langsam in dunklen

bräunlichgrün glänzenden Prismen von der Form des Oenins.

0,9518 g (lufttr.) verloren im Exsiccator 0,0917 g,

0,8425 g (exsikkatortr.) verloren bei 105° 0,0220 g.

Berechnet für C22H23012C1 • 4 H20 Gefunden

4H20 12,28 11,99

Dieser Kristallwassergehalt wurde bei umkristallisiertem

Ampelopsinchlorid gefunden.

0,1817 g (bei 105° getr.) gaben 0,3434 g C02 und

0,0739 g H20,

0,1228 g (bei 105° getr.) gaben 0,2354 g C02 und

0,0483 g H20.

Berechnet für Gefunden

C22H23012C1 I II

C 51,30 51,54 52,28

H 4,50 4,55 4,40

Hydrolyse.

Der beim Kochen mit 20proz. Salzsäure abgespalteneZucker erwies sich als Glucose, wovon ein Mol. mit Ampe-lopsidin verbunden ist.

0,2221 g (bei 105° getr.) gaben 0,1566 g Ampelopsidin(exsiccatortr.),

0,2221 g (bei 105° getr.) gaben 0,0696 g Glucose nach

Sonntag und Bertrand,

0,2221 g (bei 105° getr.) gaben 0,07025 g durch Polari¬

sation (50 ccm 1 = 4, oc 0,298)

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— 43 —

Gefunden

Berechnet für C22H23012C1 I II

C16H1307C1 • 1 H20; C16H1307C1 • y2 H2072,01 70,26 — 70,5

C6H1206 34,98 — a) 31,3 b) 31,6

Die Beeren von Vitis riparia sind nach dem gleichen Ver¬

fahren wie der wilde Wein verarbeitet und das aus dem

Pikrat erhaltene Chlorid umkristallisiert worden; es war

gleichfalls ein Monoglucosid.

0,1152 g (bei 105° getr.) gaben 0,0787 g Anthocyanidin-chlorid und 0,0361 g Zucker nach Sonntag und Bertrand.

Berechnet für C22H23012C1. Gefunden

C]6H1307C1 • y2H20 70,26 68,3

C6H1206 34,98 31,4

Vergleich der Anthocyane aus Vitis und Ampélopsis.

Methoxylgehalt.

Die Bestimmung nach Zeisel ergab beim Malvin den er¬

warteten Wert für 2 OCH3-Gruppen beim Oenin und ebenso

die in den früheren Analysen beim Oenidin zu niedrigenWerte. Die Farbstoffe aus Ampélopsis und Vitis riparialiefern Zahlen, die für 1 OCH3 zu hoch sind.

I. Malvin 0,1566g Chlorid (wasserhaltig) gaben 0,0871 g AgJ.II. Oenin 0,1132g Chlorid (bei 105°getr.) gaben 0,0773g AgJ.

III. Ampélopsis 0,1519 g Chlorid (bei 105° getr.) gaben

0,0885 g AgJ.Berechnet für:

C2SH36017C1 • 8H20; C23H25012C1; .C22H2j012Cl.

2 0CH3 7,66 11,73 —

10CH3 — — 6,02

Gefunden :

I II III

2 0CH3 7,35 9,02 —

1 OCH3 — — 7,69

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— 44 —

IV. Oenidin 0,1286 g (bei 1050 getr.) gaben 0,1341 g AgJ.V. Ampelopsidin 0,1377 g (bei 1050 getr.) gaben 0 1023g AgJ.

VI. Anthocyanidin aus Vitis riparia 0,1347 g (bei 105° getr.)

gaben 0,0984 g AgJ.

Berechnet für Gefunden

C„H150,a C16H130,C1 IV V VI

2 OCH3 16,91 — 13,78 — —

1 OCH3 — 8,80 — 9,81 9,65

Eigenschaften der Anthocyane.

Die drei Weinfarbstoffe zeigen ähnliche Löslichkeit in

verdünnten Säuren und stimmen überein in der blaustichigbräunlichroten Farbe der sauren wäßrigen Lösung. Auch

Althaein hat sehr ähnliche Farbe, nur Myrtillin ist entschieden

gelbstichiger in verdünnter Säure. Die Lösungen der ver¬

schiedenen Weinfarbstoffe in Alkohol sind prächtig blaurot.

Ampelopsin und das Anthocyan von vitis riparia sind in

chlorwasserstoffhaltigem Methyl- und Äthylalkohol leicht

löslich, Oenin in letzterem ziemlich leicht löslich.

Die sauren Lösungen dieser Anthocyane schlagen mit Soda

in beständiges Blauviolett oder Violett um, je nach der Konzen¬

tration, mit Natronlauge in violettstichiges Blau, das auch

verhältnismäßig beständig ist. Myrtillin hingegen gibt mit

Soda Blauviolett bis Violett, das bald zu verderben beginnt,und mit Natronlauge ein sehr rasch verderbendes Blau.

Die violettblaue bis blaue Lösung von Althaein mit Soda

und die blaue, welche mit Natronlauge entsteht, sind auch

weniger beständig als die entspr. Oeninlösung, aber viel

beständiger als Myrtillin.Mit Eisenchlorid wird die Farbe einer wäßrigen Oenin¬

lösung rasch vorübergehend ein wenig gegen Violett ver¬

schoben, sie gibt also keine Farbreaktion. Unter gleichen

Bedingungen zeigt Ampelopsin eine schwache Reaktion die

Farbe wird mehr violett. Nur der Farbstoff aus V. riparia

gibt eine ausgeprägte violette Reaktion, die indessen auch

unbeständig ist. In alkoholischer Lösung wird durch Eisen-

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— 45 —

chlorid die Oeninfarbe in Rotviolett umgewandelt, Ampelopsin

gibt ein gutes Violett, das Anthocyan aus V. riparia eine be¬

beständige, reinblaue Lösung.

Die Anthocyanidine,

Das aus dem reinsten Oenin gewonnene Oenidin kristalli-

lisiert wie das schon früher beschriebene mit 1 y2 Mol. Wasser.

Trockenverlust, gefunden 7,8 Prozent. Es ist in 0,01 proz.

Salzsäure sehr leicht löslich, mit tief braunroter Farbe, in

0,1 proz. Säure leicht, in lproz. schon schwer löslich, heiß

ziemlich leicht; die Farbe in dieser Säure ist schön rot.

Ich habe gefunden daß die Dauer des Erhitzens bei der

Spaltung ohne Einfluß ist auf die Eigenschaften des ent¬

stehenden Oenidins. Die Löslichkeiten zweier Präparate,die aus Oenin durch 3 und 6 Minuten langes Kochen in

20proz. Salzsäure erhalten wurden, erwiesen sich als abso¬

lut identisch.

Für den Vergleich lagen Prismen von Ampelopsidin-chlorid vor mit einem Wassergehalt von 11,8 Prozent. Ge¬

funden wurden zwei verschiedene Hydrate; eines, von der

Zuckerspaltung herrührend, mit 8,2%, und eines, aus Al¬

kohol und mäßig konzentrierter Salzsäure umkristallisiert,

mit 11,8 Prozent. Die Kristalle, unter dem Mikroskop

betrachtet, stimmen mit denen des Oenidins überein.

Ampelopsidinchlorid ist in 1 proz. Salzsäure sehr leicht, so¬

gar leicht löslich in 3proz., beträchtlich, aber ziemlich schwer,

in 5 proz. Säure, etwa noch so, wie Oenidin in lproz.Das Anthocyanidin aus Vitis riparia (dünne Prismen mit

mit 8,2 Prozent Wasser, luftr.) ist in 1 proz. Salzsäure leicht,

indessen weniger löslich, wie Ampelopsidin in 5 proz. Säure.

In 7 proz. Schwefelsäure sind die drei Substanzen leicht

löslich.

Mit Eisenchlorid gibt die wäßrige Oenidinlösung keine

Reaktion, Ampelopsidin eine rotviolette Färbung ; das Antho¬

cyanidin aus Vitis riparia gibt Blauviolett, in Alkohol

Blau, während Ampelopsidin zwischen ihnen steht.

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Der Heidelbeerfarbstoff.

Gewinnung des Myrtillinchlorides, C22H23012C1.

Die getrockneten" Heidelbeeren des Handels sind als

Ausgangsmaterial ungeeignet, da der Farbstoff beim Dörren

der Beere leicht Veränderungen erleidet. Der chlorwasser-

stoffhaltige alkoholische Auszug der Beere darf nicht bräun¬

lichrot sein: ist der Farbstoff unversehrt, so zeigt die Lösungrein blaurote Farbe. Man gewinnt das Myrtillin aus frischen

Heidelbeeren, und zwar am besten nur aus den Häuten. Für

meine Versuche sind dieselben noch getrocknet und gemahlenworden, ich finde es aber ratsam, das Material ungetrocknetzu extrahieren.

Die frischen Beeren werden mit der Fruchtpresse zer¬

rieben und gequetscht, dann bedient man sich der hydrau¬lischen Presse, um die Häute noch scharf abzupressen; ihie

Trocknung geschah im heißen Luftstrom.

Das Trockengewicht der Häute beträgt 6 Proz. der Beere;

sie enthalten die Hälfte vom Farbstoff derselben.

Das beste Extraktionsmittel für die gepulverten Häute

st alkoholische Salzsäure. Aber in der Kälte wird der Farb¬

stoff zu träge gelöst, während beim Erhitzen das Glucosid

leicht angegriffen wird. Deshalb wurde die Extraktion mit

siedendem absoluten Äthylalkohol (Methylalkohol) ausge¬

führt, dem nur ein paar Tropfen alkoholischer Salzsäure zu¬

gesetzt waren. 500 g des gepulverten Materials werden mit

einem Liter Lösungsmittel 1 Stunde lang im Wasserbad am

Rückflußkühler erhitzt; nach dem Erkalten fügt man 125 ccm

2 proz. alkoholischer Salzsäure hinzu, saugt den Extrakt

ab, und wiederholt mit dem noch stark farbstoffhaltigenMaterial das Auskochen mit Alkohol ein oder zweimal.

Der alkoholische Extrakt wird mit Äther gefällt, und

zwar 1 Liter mit 2—3 Liter Äther. Einen großen Vorteil für

die Reinheit des Niederschlages bietet es, zu der Lösung vor

dem Fällen etwa das Doppelte ihres Volumens Eisessig hinzu¬

zufügen; dadurch wird viel von den lästigen Begleitstoffen

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— 47 —

des Anthocyans in Lösung gehalten. Auch unter diesen

günstigen Bedingungen ist der Niegerschlag (getr. etwa 17

bis 18 g) sirupös und noch sehr unrein.

Die Fällung in der Form des Bleisalzes war für die Reini¬

gung des Myrtillins ohne Nutzen, hingegen gelingt es auf

folgende Weise die Rohfällung in reinem kristallisierten

Farbstoff überzuführen.

1. Durch die Fällung mit Pikrinsäure, die mit

Myrtillin ein dem Oeninpikrat ähnliches Salz liefert.

Das aus über 50 kg Heidelbeeren gewonnene Rohproduktwurde mit 10 Litern kaltgesättigter Pikrinsäurelösung ange¬

rührt; das Pikrat fiel in feinen Nädelchen aus (133 g), aber

die Mutterlauge hielt viel Farbstoff zurück. Durch Behandeln

mit methylalkoholischer Salzsäure und Fällen mit Äther

gewann ich das Myrtillinchlorid amorph in roten Flocken;

es war in diesem Zustand noch nicht rein genug zur Kristal¬

lisation. Das Chlorid wurde in chlorwasserstoffhaltigem

Methylalkohol in der Wärme (30 g in 300 ccm) gelöst und

die Lösung mit konzentrierter Salzsäure (300 ccm) versetzt;

in einigen Stunden schied sich das Chlorid in bronzeglänzen¬den homogenen kugligkristallinischen Gebilden ab, die sich

nun gut aus Holzgeist mit 7proz. Salzsäure Umkristallisieren

ließen.

Das so gewonnene Myrtillinchlorid bildet dunkel bronze¬

braune Kristalle mit starkem gelblichgrünlichen Metallglanz ;

sie bestehen gewöhnlich in dreiseitigen Täfelchen und in

gerundeten, spitzwinklig rhombenförmigen Täfelchen, die

in der Durchsicht violettgrau, olivbraun und rotbraun sind,

je nach der Dicke. Im exsiccatortrockenen Zustand enthalten

sie noch % Mol. Wasser, das im Vakuum bei 105° entweicht.

(Gef. Trockenverl. 1,91, ber. 1,72 Proz.)

2. Durch Fällung mit Chlorwasserstoff aus wäßriger

Lösung.

Durch diese Reinigung erhält man das Myrtillinchloridzwar noch amorph, aber rein. Ein Merkmal der Reinheit

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— 48 —

ist der schöne Bronzeglanz der getrockneten Präparate;

solange die Fällungen grün trocknen, sind sie nicht rein genug

zur Kristallisation.

Die Fällung des Chlorides mit Salzsäure hat den Nach¬

teil großer Verluste; die Mutterlaugen sind von tiefer

Farbe. Da es kein Mittel gab, das Farbsalz daraus rein zu

gewinnen, wurde durch 3—4 Minuten langes Erhitzen die

Spaltung des Glucosides ausgeführt. Das Myrtillidinsalzfiel ziemlich vollständig aus, aber es war nicht kristallisierbar.

Die karminrote sirupöse Fällung aus 1 kg trockner

Beerenhäute wurde mit möglichst wenig Wasser (z. B. 300 ccm)verrieben und die Lösung von farblosen Flocken ab¬

filtriert; ich vermischte sie unter Eiskühlung mit 400 ccm

konz. Salzsäure, dabei schied sich das Chlorid ab als dichter,

flockiger Niederschlag von schön roter Farbe. Dieser wurde

ein zweites Mal mit Wasser angerieben und abermals etwas

farblose Substanz mit einem kleinen Teil des Farbstoffes

ungelöst gelassen; das Flitrat (230ccm) ist mit 320 ccm konz.

Salzsäure wieder gefällt worden. Das gefällte Myrtillinchloridwurde in 2proz. methylalkoholischer Chlorwasserstoffsäure

gelöst und in einem mit Äther beschickten Exsiccator

langsam in Fraktionen abgeschieden. Eine geringe erste

Ausscheidung wurde nach 24 Stunden abgetrennt, die Haupt¬fraktion (2,3 g) fiel in weiteren 2 Tagen aus. Sie war dunkel

bronzebraun mit schönem kupfrigen Glanz und erwies sich

unter dem Mikroskop als homogen, aus regelmäßigen kug-ligen Gebilden bestehend.

In solchem Zustand läßt sich der Farbstoff gut aus

methylalkoholisch-wäßriger Salzsäure kristallisieren nach

dem von Willstätter und Everest für Cyanin angegebenenVerfahren. Die Lösung in Holzgeist wird mit einem Drittel

9 proz. Salzsäure vermischt und zum Verdunsten des Alkohols

aufgestellt. Das in Drusen von käfergrün glänzenden Prismen

langsam abgeschiedene Chlorid wurde zum Umkristallisieren

nochmals in einem Gemische von Methyl- und Äthylalkohol(1,4 g in 150 ccm) aufgelöst und mit 65 ccm 9proz. Salz¬

säure vermischt; nach 10 Minuten kristallisierte das Chlorid

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— 49 —

(0,7 g) in einzeln ausgebildeten flachen Prismen aus. Die

Mutterlauge lieferte beim Verdunsten des Alkohols noch

eine weitere Ausscheidung.

Beschreibung und Analyse.

Amorphes und kristallisiertes Myrtillinchlorid stimmten

in der Zusammensetzung überein; das erstere hinterließ

0,5 Proz. Asche, die bei den untenstehenden Analysen von

der angewanten Substanz abgezogen worden sind.

Die umkristallisierte Substanz war aschefrei.

Die Trocknung geschah im Exsiccator und ergab dar¬

nach bei 50° im Hochvakuum nur eine geringfügige Abnahme.Die Erfahrung fehlte mir noch, daß unter diesen Bedin¬

gungen Wasser in den Anthocyansalzen gebunden bleibt.

Aus den Zahlen ergibt sich mit großer Wahrscheinlichkeit,daß das Myrtillinchlorid noch y2 Mol. enthalten hat. Diese

Annahme wird gestützt durch das Verhalten des Althaein-

chlorides beim Trocknen.

0,5571 g, umkristallisiert, verloren im Exsiccator

0,0605 g.

Berechnet für C22H23012C1 • 4 H20 Gefunden

3% H20 10,76 10,86

Amorphes Präparat:

I. 0,1701 g gaben 0,3157 C02 und 0,0664 H20,II. 0,1557 g „ 0,2919 C02 und 0,0605 HäO,

III. 0,1042 g „ 0,0282 AgCl (im offenen Gefäß gefällt),IV. 0,1200 g „ 0,0315 AgCl (im offenen Gefäß gefällt).

Umkristallisiertes Präparat :

V. 0,1500 g gaben 0,2782 C02 und 0,0580 H20,VI. 0,1998 g „ 0,3711 C02 „ 0,0763 H20,VII. 0,1220 g ,. 0,0353 AgCl (nach Carius).

Z. 4

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— 50 —

Berechnet für

C22H23012C1 • % H20 Gefunden

I II III IV V VI VII

C 50,42 50,62 50,13 — — 50,58 50,65 —

H 4,62 4,37 4,34 — — 4,33 4,27 —

Cl 6,77 — — 6,70 6,49 — — 7,16

Das Myrtillinchlorid löst sich in Wasser sehr leicht, die

braunroteFlüssigkeit wird beim starkenVerdünnenallmählich

entfärbt durch Bildung der Pseudobase. In alkoholischer

Lösung tritt diese Erscheinung langsamer ein, durch Zusatz

von Chlorwasserstoff wird sie gehemmt. Die Löslichkeit des

Chlorides in absolutem Alkohol und in Methylalkohol ist

sehr verschieden, in letzterem groß, in Äthylalkohol, zum

Unterschied von dem ziemlich leicht löslichenAlthaeinchlorid,

nur gering. Die Farbe in alkoholischer Lösung ist schön blau-

stichig rot, bei Gegenwart von Chlorwasserstoff karminrot,

in wäßriger Säure braunrot, etwas weniger blaustichig als

Althaein und merklich weniger als Oenin.

In 7proz. Schwefelsäure ist Myrtillin sehr leicht löslich,

auch in konz. Säure leicht mit Orangefarbe. In niedrigpro¬

zentiger Salzsäure ist Myrtillin sehr leicht löslich, in 5 proz.

schon weniger, in 10proz. nur wenig, in20 proz. ist es fast

nicht löslich, weniger als in Oenin, während Althaein leichter

löslich ist als dieses.

Ein kleiner Unterschied zwischen Myrtillin und Althaein

wurde auch bei der Eisenchloridreaktion beobachtet,

sie ist zwar bei beiden in der Farbe ziemlich übereinstimmend,

nämlich in alkoholischer Lösung schön blau (Althaein violett¬

blau), beim Verdünnen mit Wasser blauviolett, aber die

Farbe ist in der wäßrigalkoholischen Lösung bei Myrtillin

beständiger als bei Althaein.

In den übrigen Merkmalen sind die beiden Glucoside

des Myrtillidins sehr ähnlich.

In Natronlauge schlägt die Myrtillinlösung in reines

Blau um, das namentlich beim Verdünnen sehr rasch ver¬

blaßt. Mit Soda gibt Myrtillin nur ein Blauviolett, das beim

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— 51 —

Verdünnen etwas beständiger ist. Von basischem oder neu¬

tralem Bleiazetat wird das Bleisalz in dunkelblauen Flocken

gefällt, mit Kupfersulfat entsteht eine stumpfrote Fällung.Das Pikrat ist schwer löslich und bildet schöne rote

Nadeln.

Absorptionsspektrum.

Myrtillinchlorid, 0,015 g in 50 ccm 7 proz. Schwefels.

2%-mm-Schicht: 559 • 552 • • • 543 491 • • 481

5„

587 • 574 • • 564 455 •• • bis zum Ende.

Die Absorption vermindert sich in Gelb ganz allmählich

und ist auch gegen Violett hin unscharf begrenzt.

Myrtülin-Chlorid, 0,007 g in 50 ccm Alkohol.

21/2-mm-Schicht: 596 • • 591 575 •• • 513 • 501

5-„

604 • • 599 593 •• • 487 455.

10-„

609 • • 605 478 •• • bis zum Ende.

Das Band reicht etwas weiter nach Orange hin als beim

Oenidin und ist in der blauen und violetten Region noch

mehr verschleiert.

Hydrolyse.

0,2 g Myrtillinchlorid wurden in 2,5 ccm heißem Wasser

gelöst, 8 ccm 25proz. Salzsäure hinzugefügt und 2% Min.

zum Sieden erhitzt. Schon in der Wärme kristallisierte

Myrtillidinchlorid aus, das exsiccatortrocken gewogen worden

ist.

0,1858 g (bei 105° getr.) gaben 0,1359 g Myrtillidinchloridund 0,0552 g Galaktose (mit Fehlingscher Lösung bestimmt).

0,1708 g gaben 0,1211g Myrtillidinchlorid und 0,0539 g

Galaktose (mit Fehlingscher Lösung bestimmt).

Berechnet für C22H230i3Cl. Gefunden

C16H1307C1- iy2H20 73,76 73,1 70,9

C6H1206 34,98 29,7 31,6

4*

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— 52 —

0,3431 g Myrtillinchlorid (wasserfrei) gaben 50 ccm Zucker¬

lösung, die bei einem 4-dm-Rohr eine Drehung von 0,64° auf¬

wies.

Wird die polarimetrische Bestimmung des Zuckers so

berechnet, daß für die nach Sonntag und Bertrand gefundeneHexose (Mittel der zwei Bestimmungen) die spezifische

Drehung gesucht wird, so ergibt sich dafür 80°, während für

Galaktose 83° bekannt ist.

Legt man der Bestimmung die bekannte spezifische

Drehung der Galaktose zugrunde, so ergibt sich ein Gehalt

derselben von 28,2 Proz.

Die Identität der Galaktose wurde bewiesen durch Um¬

wandlung in das charakteristische Methylphenylhydrazon,das nach demUmkristallisieren aus Wasser den Schmelzpunkt188—189° zeigte.

Die Isomerie von Myrtillin und Althaein beruht also

einesteils auf der Verschiedenheit der Hexose, wahrscheinlich

aber außerdem, da die Färbteaktionen etwas verschieden

sind, auf der Bindung der Zuckerreste an verschiedene

Hydroxyle.Myrtillidinchlorid kristallisiert in fächerartigen Garben,

die sich aus dunkelbraunen, mäßig zugespitzten Prismen

zusammensetzen, selten in einzeln ausgebildeten Prismen.

Die Substanz stimmte mit dem Spaltungsprodukt des Gluko¬

sides aus Althaea rosea in den Farberscheinungen der

Löslichkeit, namentlich in verdünnten Säuren, den Eisen¬

chloridreaktionen und in den übrigen Merkmalen vollkom¬

men überein.

Auch die Methoxylbestimmung nach Zeisel und die nach¬

folgenden Analysen haben die Identität bestätigt.

0,8577 g, lufttr., verloren im Hochvak. bei 135° 0,0648 g.

Berechnet für C16H1307C1 • 1% H20 Gefunden

1% H20 6,98 7,56

0,2219 g gaben 0,4486 C02 und 0,0720 H20,

0,1557 g „ 0,0576 AgCl (nach Carlus).

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— 53 —

Berechnet für Gefunden

C16H1307C1 I II

C 54,46 55,10 —

H 3,71 3,63 —

Cl 10,06 — 9,15

Da dieses Chlorhydrat beim Trocknen etwas Salzsäure

verloren hat, so ist es zweckmäßiger, die Analyse auf die

chlorwasserstofffreie Substanz umzurechnen.

Berechnet für C16H1207 Gefunden

C 60,74 60,87

H 3,80 3,68

Um zu ermitteln, ob das Methyl an ein Hydroxyl des

Phloroglucinkerns gebunden ist, wurden 0,7 g Myrtillidinmit 40 g 75proz. Kalilauge 4 Minuten lang auf 110° erhitzt.

Durch Ansäuern und Ausäthern wurde das phenolische

Spaltungsprodukt isoliert, dessen ätherische Lösung mit

etwas Bicarbonat gewaschen wurde. Beim Verdampfen des

Äthers hinterblieb Phloroglucin, das beim Erhitzen mit

Jodwasserstoffsäure kein Methyljodid lieferte.

Die Verteilung der Anthocyane zwischen verdünnter Salz¬

säure und Amylalkohol.

Die Verteilung läßt sich nur bei quantitativer Bestimmung

zuverlässig erkennen. Wird nur schätzungsweise in nicht

genügend verdünnter Lösung geprüft, so kann infolge der

ziemlich geringen Löslichkeit vieler Anthocyane in Amyl¬alkohol viel weniger Farbstoff in diesen übergehen als der

Verteilungzahl entspricht; diese Erfahrung wurde bei den

Rhamnoglucosiden Keracyanin und Prunicyanin und bei

Ampelopsin gemacht. Andererseits wird namentlich bei sehr

verdünnten Lösungen die bloße Schätzung der Farbstoff¬

konzentration unsicher.

Die beschränkte Löslichkeit der Farbstoffe in Amylalkoholwie in verdünnter Säure nötigt dazu, mit sehr verdünnten

Lösungen zu arbeiten, damit beide Schichten ungesättigt

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— 54 —

sind. Dann bleibt nur die Konzentration der Säure zu wählen;

die Verteilung ist nämlich sehr verschieden, wenn man ver¬

dünnte oder stärkere Säuren anwendet, sie wird durch Er¬

höhung der Säurekonzentration bedeutend zugunsten des

Amylalkohols verschoben. Ich wählte 0,5prozentige Salz¬

säure, bei Anwendung verdünnter Säure beginnt die Iso-

merisation zur Pseudobase störend zu wirken. Durch eine

kolorimetische Messung wurde mit einer für praktischeZwecke hinreichenden Genauigkeit die Verteilung bestimmt.

Der vom Amylalkohol aufgenommene Bruchteil der Sub¬

stanz wird als „Verteilungszahl" angegeben. Die Zahlen

sind für die Kennzeichnung wichtig.0,01 g Anthocyanchlorid wird in 50 ccm 0,05 prozentiger

Salzsäure gelöst und die Flüssigkeit zweimal mit je 50 ccm

Amylalkohol ausgeschüttelt. Der Amylalkohol nimmt ein

wenig Säure auf, genügend, um den Farbstoff vor Isomeri-

sation zu schützen. Streng genommen, wären beim zweiten

Ausschütteln, entsprechend dem verminderten Volumen der

wäßrigen Schicht, nur etwa 45 ccm Amylalkohol anzuwenden.

Es wird sich empfehlen, um das Verfahren genauer zu ge¬

stalten, zur Lösung des Anthocyans amylalkoholgesättigte

0,5proz. Salzsäure anzuwenden, und zum Ausschütteln Amyl¬alkohol, der zuvor mit 0,5proz. Säure gesättigt worden ist.

Die Vergleichslösung wird für jeden Versuch frisch be¬

reitet mit 1—2,5 mg lufttrockenen Anthocyanchlorides ;

die Zahlen beziehen sich infolgedessen leider auf die Präpa¬rate von verschiedenem Kristallwassergehalt. Um schwer lös¬

liche Chloride aufzulösen, werden sie mit 1 ccm (manchmal,z. B. bei Cyanin, mit mehr) methylalkoholischer Salzsäure

erwärmt und die Lösung auf Amylalkohol von 50 ccm ge¬

bracht. Es ist wichtig, daß der Amylalkohol Chlorwasser¬

stoff enthält, da die Lösung sonst leicht verbleicht.

Die bei zwei Ausschüttelungen erhaltenen amylalko¬holischen Lösungen werden jede für sich kolorimetrisch

mit der bekannten Lösung verglichen. Die Farbstoffmengedes zweiten Extraktes wird auf die nach der ersten Extraktion

noch vorliegende Farbstoffmenge bezogen. Die annähernde

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— 55 —

Übereinstimmung der beim ersten und zweiten Ausschütteln

ermittelten Zahlen ist ein scharfes Reinheitsmerkmal für

ein Anthocyan.Es wurde festgestellt, daß unter den gewählten Bedingun¬

gen selbst bei den in Amylalkohol sehr schwer löslichen

Diglucosiden doch die amylalkoholische Lösung noch nicht

gesättigt ist. Ich habe nämlich den Versuch mit Cyaninaußer unter den gegebenen Bedingungen auch mit einer drei¬

mal verdünnteren Lösung ausgeführt und dabei dieselbe

Verteilungszahl gefunden wie mit der ursprünglichen Lösung.

Erste Zweite

Lösung Ausschüttelung

Oenin 10,2 10,6

Ampelopsin 10,0 9,5

Myrtillin 11,1; 10,9 10,7; 10,6

Keracyanin 6,7 6,9

Prunicyanin .... 9,6 9,8

Cyanin 1,9 1,6

Malvin 1,6 1,6

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Über die Farbstoffe der Kirsche und Schlehe.

In den Früchten sind die Glucoside des Cyanidins sehr

verbreitet; sie finden sich in gelbroten und roten Beeren,

aber auch in braunen und dunkelblauen. Zuerst ist der

Preißelbeerfarbstoff Idaein,1) ein Monoglucosid des Cyanidins,isoliert worden; zu den Derivaten des letzteren zählen auch,

wie die Farbe in wäßriger und in allkoholischer Lösung und

die Reaktionen zeigen, die Anthocyane der Johannesbeere

und der Himbeere, die noch nicht isoliert worden sind. Im

folgenden werden zwei neue Beerenfarbstoffe dieser Gruppe

beschrieben, nämlich das Anthocyan der süßen Kirsche (Pru¬

nus avium L.) und das der Schlehe oder des Schwarzdorns

(Prunus spinosa L.). Die neuen Farbstoffe, die nahe Ver¬

wandte des Cyanins sind, werden als Keracyanin (von Kepdaiov,

Kirsche) und Prunicyanin (für den Farbstoff der Schlehe)

bezeichnet; ähnlich wird ein Isomeres des Cyanins aus einer

gewissen Sorte von Papaver rhoseas als Mekocyanin einge¬führt werden.

Es war überraschend, anstatt eines Delphinidinderivates,das man hätte vermuten können, aus der blauschwarzen

Haut der Schlehenfrucht einen roten Farbstoff zu gewinnen,und gleichfalls ein Cyanidinglucosid in der Fruchthaut der

Pflaume (prunus domestica) anzutreffen2). Die auffallend

tiefe Farbe, welche das Cyanin den Früchten zu geben ver-

!) Willstätter und Mallison tim. 408, 15 (1914/15).

2) Das Anthocyan der Pflaume steht den hier beschriebenen

Cyanidinverbindiingen sehr nahe. In Mineralsaurer und in alkoho¬

lischer Lösung ist die Farbe Cyanin gleich, die Verteilung zwischen

wäßriger und amylalkoholischer Schicht ist diglucosidisch, die Farbe

schlägt mit Soda in Violett, mit Natronlauge in Blau um. Mit Eisen¬

chlorid gibt das Anthocyan in Alkohol violette Reaktion. Diese wird

indessen wohl, wie beim Schlehenfarbstoff, durch Beimischungenbeeinflußt sein.

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— 57 —

mag, fordert eine Erklärung. Sie ist in der Beobachtung zu

finden, daß die Farbe mancher Anthocyane (Oenin, Myrtillin)durch Gerbsäure, diejenige anderer Anthcoyane (Cyanin)durch Gerbsäure und Metallsaltze (z. B. Eisensalze) wesent¬

lich vertieft wird. Genauere Aufschlüsse über die Form, in

der die Cyanidinglucoside in den dunkelblauen Früchten

vorkommen, sind von weiteren Untersuchungen zu erwarten.

Die Isolierung der Anthocyanine aus den Beeren und

anderen Früchten ist besonders schwierig, wenn der Farb¬

stoff, wie in der Himbere, ziemlich gleichmäßig in der ganzen

Frucht vorkommt, und wenn dieser durch eine außerordent¬

liche Menge von Zucker und anderen Begleitstoffen verdünnt

wird. Leichter ist die Aufgabe bei Früchten mit anthocyan-führender Haut, sei es, daß der Farbstoff in ihr nur ange¬

reichert ist (Heidelbeere) oder das er ausschließlich in der

Haut auftritt (Pflaume, Schlehe). Nur in diesem Falle ist

die Konzentration der Farbstoffe ähnlich wie in den Blüten.

Ich habe mir die Aufgabe gestellt, die beiden Anthocyanezu isolieren und kennen zu lernen.

Cyanin-chlorid

Keracyanin-chlorid

Prunicyanin-chlorid

MekocyaninChlorid

Komponenten

Krystallform

Löslichkeit in

Salzsäure

Reaktion mit

Soda

Verteilungzwischen ver¬

dünnter Salz¬

säure U.Amyl¬alkohol

Cyanidin+ 2 Glucose

rhomden-

förmigeBlättchen

sehr schwer

löslich

blau

digluko-sidisch

Cyanidin +Rhamnose+

Glucose

.feine

Nadelehen

ziemlich

schwer lös¬

lich

rotstichigviolett

monogluco-sidähnlich

1.6,7; 2. 6,5

Cyanidin +

Rhamnose +

1 Hexose

kugligeGebilde

sehr leicht

löslich

bei j ed. Säure¬konzentration

blauviolett

monogluco-sidähnlich

1. 9,6; 2. 8,9

Cyanidin2 Glucose

kugligeGebilde

sehr leicht

löslich bei

jeder Säuro

blauviolett

diglucosi-disch

1. 1,9; 2. 1,4

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Der Kirschen- und der Schienenfarbbtoff sind Diglucosidedes Cyanidins. Das Keracyanin ist gut kristallisiert und dem

Cyanin sehr ähnlich; das Prunicyanin ist schwierig kristalli¬

sierbar und in Säure jeglicher Konzentration so leicht löslich,daß es schwer ist, die Substanz vollkommen rein darzustellen.

Infolgedessen ist das Prunicyanin weniger eingehend unter¬

sucht worden. Wie Keracyanin dem Cyanin, ebenso nahe

steht Prunicyanin, wie die vorstehende Tabelle erkennen läßt,dem Mekocyanin. Wahrscheinlich ist die Anordnung der

zwei Zuckermoleküle die gleiche in diesem paarweise zu¬

sammengehörenden Anthocyan.Für ihre Zusammensetzung unterscheiden sich die zwei

Beerenfarbstoffe von den beiden Blütenfarbstoffen dadurch,daß sie außer einem Molekül Hexose ein Molekül Rhamnose

enthalten. Die Rhamnoglucoside des Cyanidins reihen sich

den Rhamnose-Hexose-Verbindungen der Flavonole an,

von denen eine Anzahl bekannt ist, wie das weit verbreitete

Rutin1), ein Rhamnoglucosid des Quercetins, und das Xan-

thorhamnin, ein Rhamnogalaktosid.

x) E. Schmidt hat gemeinsam mit seinen Schülern N. Walia-

schko, D. H. Brauns und A. Wunderlich (Arch. d. Pharm. 242, 216,225, 383, 547, 556, (1904); Arch. d. Pharm. 246, 224, 241, 256, (1908)die große Verbreitung des Rutins festgestellt, indem er seine Identität

mit Violaquercitrin, Sophorin, Cappern-Rutin u. a. nachwies. Die

in diesen Arbeiten ausgeführten Bestimmungen der Rhamnose in den

Glucosiden enthalten leider einen Fehler in der Berechnung. Diese

ist stets mit der Formel: Rhamnose = 1,65 p + 1,84 p2 + 0,01 (vgl.Arch. d. Pharm. 246, 235) anstatt nach der von W. B. Eilet und

Tollens (Ber. 38, 494; 1915) abgeleiteten Formel:

Rhamnose = 1,65 p — 1,84 p2 + 0,01

ausgeführt worden. Schon der Vergleich mit der Tabelle von Eilet

und Tollens zeigt, daß für den Quotienten Phloroglucid: Rhamnosezu hohe Werte berechnet worden sind. Die in diesen Arbeiten ange¬führten zahlreichen Rhamnosebestimmungen (Arch. d. Pharm. 242,215, 245, 389, 553, 560; 246, 235, 251) führen also in Wirklichkeit zu

viel niedrigeren Werten, als die Autoren angenommen hatten und

als die Theorie erwarten läßt, nämlich statt der Zahlen: 28,76,19,96, 22,06, 22,98, 25,31, 29,27, 31,90, 27,90, 26,64, 27,40, 29,80,26,90, 27,2, 29,8, 30,7, zu den Zahlen: 21,89, 16,14, 17,26, 18,24,

19,69, 22,72, 23,94, 21,49, 20,33, 20,37, 20,49, 20,17, 18,55, 19,84,20,37.

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Keracyanin und Prunicyanin zeigen im Vergleich mit den

verwandten Diglucosiden einen wichtigen Unterschied in

den Löslichkeitsverhältnissen, nämlich in der Verteilungzwischen verdünnter Mineralsäure und Amylalkohol. Diese

Verteilung, die in genügend verdünnten Lösungen bestimmt

wurde, erfolgt beim Cyanin und anderen Diglucosiden derart,

daß 1-—2 Proz., bei den Monoglucosiden (Oenin, Myrtillin)

so, daß 10—11 Proz. in den Amylalkohol übergehen. Die

Rhamnoglucoside des Cyanidins haben nur Verteilungszahlen

ergeben, die sich den Zahlen der Monoglucoside sehr nähern.

Bei der Anwendung der wichtigen Verteilungsprobe muß

diese Eigentümlichkeit der Rhamnosederivate berücksichtigtwerden. Es wird von Interesse sein, auch einMonorhamnosid

des Cyanidins, das dem Quercitrin entsprechen würde, kennen

zu lernen.

Der Farbstoff der Kirsche.

Isolierung des Keracyanins.

Ich gewann den Farbstoff aus der dunkel rotbraunen

Haut der süßen Kirsche. Die Steinfrucht wurde entkernt

und die ledrige Haut in einer Saftpresse vom Fleische ge¬

trennt; die noch feuchten Beerenhäute sind in der hydrau¬lischen Presse vollends von dem farbarmen Saft befreit

worden und zwar möglichst rasch, da der Farbstoff beim

Liegen der Haut an der Luft unter Braunwerden schnell ver¬

dirbt. Der Preßrückstand aus 150 kg Kirschen, in Flaschen

mit Eisessig ausgezogen, hat 15 L. braunroten Extrakt ge¬

liefert; hieraus ist durch Äther eine große Menge sirupöser

Ferner sind zu ersetzen: 48,99, 49,29 durch die Zahlen: 38,08,

38,24.Die neu berechneten Werte ergeben nicht mehr das einfache

Verhältnis zwischen Rhamnose und der neben ihr vorkommenden

Hexose. Eine Rhamnosebestimmung, die ich mit Rutin (aus Viola

tricolor) ausgeführt habe, stimmt mit den korrigierten Zahlen von

Schmidt und Wunderlich überein.

0,7442 g Rutin (krist. mit 3 H20) gaben 0,0728 g PhloroglucidiBerechnet für C27H30Ol6 3 H20 Gefunden

C6H1205. H20 27,4 20,1

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Fällung niedergeschlagen worden, welche den Farbstoff in

sehr verdünntem Zustand enthielt.

Reinigung durch fraktionierte Fällung.

Nachdem ich das gummiartige Rohprodukt zweimal aus

Methylalkohol, der 0,5 Proz. Chlorwasserstoff enthielt, um¬

gefällt hatte, löste ich es von neuem in 2,5 L. schwacher

methylalkoholischer Salzsäure. Diesmal blieb eine beträcht¬

liche Menge farbloser Beimischung ungelöst. Ein weiteres

großes Quantum von Begleitstoffen fällte ich, allerdingsetwas anthocyanhaltig, durch Vermischen mit 3,35 L. ab¬

soluten Alkohol, der 100 ccm Äther enthielt.

Fraktionierte Bleisalzfällung.

Wenn das Anthocyan und seine Begleitstoffe durch Blei¬

azetat gefällt wird, so entsteht ein Gemisch von Salzen, dem

durch Eisessig der Farbstoff entzogen wird, während schwer

angreifbare farblose Bleisalze ungelöst bleiben.

Als sich das Prunin nun nicht nach der von Willstätter und

Nolan bei den Anthocyanen der Böse und der Paeonie ange¬

wandten Methode durch Behandlung mit Eisessig-Methyl¬alkohol-Chlorwasserstoff reinigen ließ, fällte ich die bei

dem Versuche erhaltene Lösung vollständig mit Bleiazetat.

Dann wurde zur Suspension der Bleisalze soviel Eisessig

hinzugefügt, daß beinahe nur die farblosen Bleisalze hinter¬

blieben. Nach dem Abfiltrieren wurde das gelöste Antho¬

cyan durch Zusatz von mehr Bleiazetat oder Äther gefällt,der Niederschlag mit methylalkoholischer Salzsäure zersetzt

und der Farbstoff von neuem durch Äther in Flocken nieder¬

geschlagen, die noch immer gummiartig und recht zerfließlich

waren.

Fraktionierung durch langsame Fällung mit Äther.

Das aus den Bleisalzen gewonnene rohe Chlorid wurde in

0,1 proz. methylalkoholischer Salzsäure gelöst und in einer

Schale im Exsiccator über Äther aufgestellt. Der in 18

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Stunden gebildete erste Niederschlag war sirupös und ver¬

hältnismäßig arm an Farbstoff. Die dekantierte Flüssig¬keit gab in weiteren 5 Tagen eine zweite Abscheidung, wiede¬

rum sirupös, aber durchsetzt mit schönen Drusen von Kristal¬

len, die sich durch ihre Schwerlöslichkeit auszeichneten

und die sich daher durch Anreiben mit 0,5 proz. äthylalkoho¬lischer Chlorwasserstoffsäure rein erhalten ließen. Dann

lieferte die Mutterlauge eine nochmalige Kristallisation

beim Versetzen mit 9 proz. wäßriger Salzsäure und Stehen¬

lassen zum Verdunsten von Alkohol und Äther. Auch die

erste Fraktion aus dem Ätherexsiccator gab noch reinen

Farbstoff, als ich sie aus methylalkoholischer Lösung in Form

des Natriumsalzes fällte und den Niederschlag in methyl¬

alkoholisch-wäßriger Salzsäure löste und zur Kristallisation

aufstellte.

Die Ausbeute an kristallisiertem Chlorid betrug 2!/4 g;

das Präparat war dunkel bronzebraun, dem Cyanin sehr

ähnlich.

Keracyaninchlorid, C27H310]BC1.

Das reine Anthocyan ist wie Cyan bei der Kristallisation

schwer löslich geworden und es tritt in Hydraten von ver¬

schiedener Löslichkeit auf. Um den Farbstoff für die Analysezu reinigen, löste ich ihn in sehr schwacher Salzsäure (10 ccm

für 1,3 g) und vermischte die Flüssigkeit mit dem doppeltenVolumen lOproz. Salzsäure. In einigen Tagen kristalli¬

sierte ein großer Teil in leuchtend roten Flocken sehr feiner,

oft büschelförmig angeordneter Nädelchen (siehe Fig. 2).

die unter dem Mikroskop gelb erschienen, während das

Pulver rot war. Dieses Präparat (I) enthielt 4 Mol. Wasser,

wovon es 3 im Exsikkator verliert. Ein anderes, wasser¬

ärmeres Hydrat (Präp. II) kristallisierte aus wäßrigmethyl-alkoholischer Salzsäure (0,85 g Chlorid in 8 ccm Methylalkoholmit dem Doppelten, 7 proz. Salzsäure) in derben unter dem

Mikroskop braungelben Prismen. Die Gewichtsvei minderungdieser Kristalle beim Trocknen entsprach 3 Mol. Wasser;

die Abnahme im Exsiccator betrug die Hälfte

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Präp. I 0,5297 g (lufttr. verloren im Exsicc. 0,0385 g

und weiterhin im Vakuum bei 105° 0,138 g

Präp. II 0,7219 g (lufttr.) verloren im Exsikk. 0,0300 g.

Berechnet für Gefunden

Ci;H31018n • 4 H20 C27H31015C1 • 3 H20 I II

4 H20 10,52 — 9,89 —

3H20 — 7,89 — 8,32

0,2034g (bei 105° getr.)gaben 0,3851 g C02und 0,0903g H20.

Berechnet für C27H310,5C1 Gefunden

C 51,39 51,63

H 4,92 4,97

Der Kirschenfarbstoff gleicht dem (yanin in der Farbe

seiner mineralsauren und alkoholischen Lösung und unter¬

scheidet sieh von ihm dureh den Farbumsehlag in Violett

mit Soda und dm eh seine größere Löslichkeit in verdünnter

Säure, Alkohol und Amylalkohol.Die Veiteilung zwischen Amylalkohol und 0,5proz.

Säure ist xniter den in der Oeninabliandluug mitgeteilten

Bedingungen bestimmt worden; sie hat für die diglucosi-

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dischen Anthocyane der Kirsche und der Schlehe die folgen¬den, besonders hohen Werte ergeben:

Beim ersten Ausschütteln gehen 6,7, beim zweiten 6,5 Proz.

Keracyaninchlorid in den Amylalkohol; die entsprechen¬den Zahlen für das Prunicyaninchlorid sind noch höher,nämlich 9,6 und 8,9 Proz.

Die Löslichkeit dieser Farbstoffe in Amylalkohol ist

immerhin so mäßig, daß sie nicht hinreicht, um bei Anwen¬

dung konzentrierterer Farbstofflösungen dasselbe Bild zu

geben, wie es die mit den genügend verdünnten Lösungenermittelten Werte der Verteilung darstellen. Prüft man

die Verteilung mir konzentrierterer Farbstofflösung, so ist

der Betrag der vom Amylalkohol bis zu seiner Sättigungaufgenommenen Farbstoffe verhältnismäßig klein, und die

Verteilung scheint sich dann derjenigen des Cyanins und an¬

derer Glucoside zu nähern.

Das Keracyaninchlorid löst sich in heißem Wasser leicht,es entfärbt sich, wie die meisten Anthocyane, durch Carbinol-

bildung. Im Methylalkohol, der etwas Chlorwasserstoff ent¬

hält, ist das Chlorid schon in der Kälte sehr leicht löslich,in Äthylalkohol ziemlich leicht. Diese Beschreibung bezieht

sich auf das Hydrat mit 4 Mol. Wasser (Nädelchen) ; die

zweite Modifikation ist in Alkohol schwerer löslich.

Charakteristisch ist das Verhalten gegen verdünnte Säuren.

Der Farbstoff löst sich in der Kälte in 0,01- bis 0,1 proz.

Salzsäure nur schwer, hingegen leicht in lproz. Säure; dann

nimmt mit steigendem Chlorwasserstoffgehalt die Löslich¬

keit wieder ab. 3 proz. Salzsäure löst wenig, 7 proz. in der

Kälte recht schwer, heiß beträchtlich. Aus dieser heißen

Lösung, aber auch aus der in der Kälte gebildeten Lösungin lproz. Salzsäure kristallisiert das Chlorid in einiger Zeit

gut aus, während es aus den in der Wärme bereiteten Lösun¬

gen in den schwachen Salzsäuren beim Stehen nicht oder

nur schwierig kristallisiert. Diese Erscheinung beruht auf

der hydrolitischen Dissoziation der Chloride in schwach

salzsauren Lösungen. Durch Hydrolyse und Hydratbildungwerden die Lösungserscheinungen bei den Oxoniumsalzen

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kompliziert. Die Löslichkeit in Säuren ist viel geringer als

beim Mekocyanin, andererseits ist sie z.B. in lproz. Salz¬

säure zwanzigmal größer als die des Cyanins. Diese Säure

nahm bei 20° (in 20 Stunden) 0,29 Proz., 1,5 proz. Salzsäure

0,14 Proz. Keracyaninchlorid auf (feine Kristalle, lufttr.).Die saure Anthocyanlösung schlägt mit Soda in etwas

rotstichiges Violett um, ebenso mit Dinatriumphosphat,aber mit Natronlauge in Kornblumenblau. In der Eisen¬

chloridreaktion (in Alkohol blau, beim Verdünnen mit

Wasser blaustichig Violett und zwar beständig) stimmt der

Kirschenfarbstoff mit Cyanin überein.

Das Pikrat des Keracyanins ist leicht löslich.

Spaltung des Anthocyans.

Das kristallisierte Chlorid wurde in Mengen von 0,2 g

in 3 ccm 0,1 proz. Salzsäure gelöst und mit 11 ccm 20proz.Säure versetzt; es war erforderlich, vom beginnenden Sieden

an, 2%—3 Min. zu kochen. Bei dieser Behandlung zeigendie Rhamnoside einen charakteristischen Karamelgeruch,der bei den Hexosederivaten nie beobachtet wurde. Das

Cyanidin kristallisierte nach dem Erkalten so vollständig aus,

daß der kleine Anteil vernachlässigt werden konnte, der im

Filtrat gelöst blieb.

Die Berechnung des mit Fehlingscher Lösung bestimmten

Zuckers geschah mit der Annahme, daß äquivalente Mengenan Rhamnose und Hexose vorliegen. In Wirklichkeit leidet

bei dem Erhitzen mit der Salzsäure die Pentose verhält¬

nismäßig mehr, so daß die Drehung etwas größer ist als die¬

jenige eines äqu'molekularen Gemisches der mit Fehling¬scher Lösung bestimmten Menge von Rhamnose -f Glucose.

Die Berechnung des Zuckers nach der Polarisation, welcher

das arithmetische Mittel der spezifischen Drehungen von

Glucose und Rhamnose zugrunde liegt, ergibt daher schein¬

bar einen etwas zu hohen Wert1).

x) Hierdurch erklärt sich die Anomalie, daß die Zuckerbestim¬

mung durch die Drehung einen höheren Wert ergibt als die Bestim¬

mung nach Sonntag und Bertrand. Der nämlichen Differenz in der

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0,2013 g Keracyaninchlorid (bei 105° getr.) gaben 0,1158 g

Cyanidinchlorid (exsiccatortr.) undGlucose+Rham-

nose

a) 0,0911 g nach Sonntag und Bertrand,

b) 0,1089 g durch Polarisation (25 ccm, 1=4,

a = 0,54°)

0,2125g Chlorid gaben 0,1216gCyanidinchlorid (exsiccatortr.)und Glucose + Rhamnose

a) 0,1036 g nach Sonntag und Bertrand,

b) 0,1197 g durch Polarisation (25 ccm, 1=4,

a = 0,588)

b)

56,3

Die Rhamnose wurde durch Überführung in Methylfur-furol qualitativ nachgewiesen und als braunes Phloroglucidnach W. B. Eilet und B. Tollens quantitativ bestimmt.

Die Berechnung geschah nach der Formel:

Rhamnose (+ 1 Mol. Kristallw.) =

Ph. 1,65 — Ph.2 1,84 + 0,010.

0,5474 g Keracyaninchlorid (wasserfrei) gaben 0,0924 g

Phloroglucid.

Berechnet für C27H31015C1 Gefunden

CöHi205-H20 28,86 26,79

Cyanidin.

Das Anthocyanidin ist in dünneren und in derberen

braunen Prismen auskristallisiert, deren .Pulver rotbraun

Berechnet für Gefunden

C27H3]016C1 I II

a) b) a)

C16Hn06Cl • H20 54,0 57,5 —• 57,2

C6H1206+C6H1205 54,6 45,3 54,1 48,8

Zuckerbestimmung bin ich bei dem Rhamnoglucosid Rutin be¬

gegnet.0,281 g Rutin (mit 3 Wasser) gaben Glucose + Rhamose

a) mit Fehlingscher Lösung, b) durch Polarisation 0,1534 g.

Berechnet für C27H30O16 . 3 H20 Gefunden a) b)

C6H1206 + C6H1205 54,4 45,1 54,4

z. 5

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war. Aus 1 proz. Salzsäure, die das Chlorid in der Wärme

beträchtlich löst, kristallisierte es langsam in feinen Nadeln.

Die Reaktionen mit Soda und Eisenchlorid, die Löslichkeit

in Salzsäure verschiedener Konzentration, sowie in Schwefel¬

säure, und die Bildung der violetten Farbbase bei der hydro¬

lytischen Dissoziation des Salzes haben die Identität mit dem

Cyanidin ergeben, die durch die Bestimmung des Kristall¬

wassers (im Hochvakuum bei 105°) bestätigt worden ist.

0,2199 g verloren 0,0122 g, d. i. 5,55 Proz.; berechnet für

C15Hu08a • H20 5,29 Proz.

Der Farbstoff der Schlehenbeere.

Die Haut einer Schlehenbeere ist extrahiert, der Farb¬

stoff als Chlorid gefällt worden. Ein solches Rohproduktkommt in seinen Reaktionen dem Kirschenfarbstoff nahe

in der cyaningleichen Farbe seiner Lösungen, in der violetten

Farbe beim Versetzen mit überschüssiger Soda und in der

Verteilung zwischen verdünnter Säure und Amylalkohol.Ein Unterschied aber hat zu einer vergleichenden Unter¬

suchung Anlaß gegeben; der Schlehenfarbstoff in der noch

unreinen Form gab in alkoholischer Lösung mit Eisenchlorid

Violett, während die bekannten Cyanidinglucoside blaue

Farbreaktionen geben. Es hat sich indessen gezeigt, daß

diese Differenz im Laufe der Reinigung verschwindet, sie

erklärt sich dadurch, daß auch die Eisenreaktion des Cyaninsdurch Gerbstoffe beeinflußt wird. Wenn man Cyaninchloridin einem Tropfen heißen Wassers auflöst, mit Alkohol ver¬

dünnt und mit Tannin versetzt, so ändert sich der Farbton

der Lösung nicht. Aber sie gibt beim Versetzen mit Eisen¬

chlorid anstatt der blauen eine blauviolette bis rötlichviolette

Reaktion, je nach der Menge der Gerbsäure. Sodann entsteht

ein tiefblauer oder violetter flockiger Niederschlag.Um die Schlehenbeere in größeren Mengen zu bearbeiten,

wurden sie kürzere Zeit in warmes Wasser eingelegt. Die

Häute ließen sich dann abziehen, sie wurden zwischen Flitrier-

papier ausgedrückt, Die noch feuchten Häute wurden in

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Eisessig eingelegt und aus dem braunroten Extrakt nach

längerem Stehen das Farbsalz mit methylalkoholischer Salz¬

säure und Äther gefällt, sehr unrein, als roter Sirup von

gummiartiger Beschaffenheit.

Zunächst trennte ich einen Teil der Begleitstoffe, die in

Alkohol unlöslich waren, durch wiederholtes Aufnehmen

des Rohproduktes in chlorwasserstoffhaltigen Methylalkoholund Fällen mit absolutem Alkohol ab ; den Farbstoff gewann

man aus dem Filtrat durch Verdünnen mit Äther wieder.

Hierauf wurden Versuche ausgeführt, das Anthocyanzu reinigen durch Ausschütteln seiner Lösung in verdünnter

Säure mit Solventien, die den Farbstoff reichlicher lösen

als Amylalkohol, und die doch nicht wie Propylalkohol mit

Wasser mischbar sind. Der erste Versuch mit Phenol verlief

ungünstig, weil dieses zu viel Wasser auflöst und weil die

phenolische Schicht sich zu träge absetzt. Dieser Übelstand

wiederholte sich, als ich danach den Farbstoff aus ver¬

dünnter Säure in Cyklohexanol überführte.

Das aus Cyklohexanol mit Äther gefällte Farbsalz ließ

sich durch Umfallen aus Holzgeist reinigen. Das Pruni-

cyanin verwandelt sich allmählich, indem es teilweise in Lösung

geht und sich teils zu gleicher Zeit in reinerem Zustand

wieder abscheidet, im Laufe mehrerer Tage in eine schwamm¬

artige Masse, die abgesaugt und mit Alkohol gewaschen wird.

3,2 g Chlorid wurden in feingepulvertem Zustand mit 35 ccm

lproz. methylalkoholischer Salzsäure angerieben.Die letzte Reinigung bestand in einer Umfällung aus ver¬

dünnter Salzsäure durch Eisessig. 1,7 g Chlorid wurden in

6 ccm 0,5proz. Salzsäure gelöst, wobei ein heller Rückstand

hinterblieb, und mit 130 ccm Eisessig versetzt. Es erscheint,

daß bei längerem Stehen in dem chlorwasserstoffhaltigen

Eisessig kristallisationshemmende Beimengungen ver¬

ändert und gelöst werden. Das Prunicyaninchlorid schied

sich in leuchtend roten Flocken ab, die sich allmählich

während etwa 4 Tagen in kuglig kristallinische Gebilde ver¬

wandelten (0,7 g).Das Prunicyanin stimmt in der Farbe in Säure und Alko-

5*

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hol mit den übrigen Oyanidinglucosiden überein. Beim Ver¬

setzen mit Soda schlägt die saure Lösung in Blauviolett,

mit Lauge in Blau um. Die Eisenchloridreaktion ist in alko¬

holischer Lösung rein blau.

In Alkohol, der etwas Chlorwasserstoff enthält, ist die

Substanz leicht löslich ; sie fällt aus der Lösung als schwamm¬

artiges Gebilde wieder aus, welches kristallinisch zu sein

scheint. In diesem Verhalten und ferner in der sehr großen

Löslichkeit, die dem Umkristallisieren hinderlich ist, in

konzentrierter wie in verdünnter Salzsäure stimmt das

Prunicyanin mit dem Mekocyanin überein. Überhauptsind die beiden Anthocyane einander in allen Eigenschaftenüberaus ähnlich, andererseits hat der Farbstoff der Schlehe

mit demjenigen der Kirsche gemein, daß er ein Mol. Rham-

nose enthält.

0,3414 g lufttr. Substanz, entsprechend 0,3189 bei 105°

getr. Substanz gaben nach Ellett undTollens 0,0584 g Phloro-

glucid.

Berechnet für C2jH3]015Cl Gefunden

C6H1205 • H20 28,86 31,8

Neben der Methylpentose enthält das Anthocyan ein

Molekül einer noch nicht ermittelten Hexose. Die Bestim¬

mung des bei der Spaltung mit 20 proz. Salzsäure gebildetenZuckers einerseits, mit Fehlingscher Lösung andererseits

durch Polarisation gab hier eine viel größere Differenz als

beim Keracyanin, nämlich nach Sonntag und Bertrand gef.

33,1 und 35,1 Proz. Hexose. (Ber. als Glucose + Rhamnose.)

Durch Polarisation gef. 48,4 und 49,2 Proz. Hexose (ber.

unter Voraussetzung eines äquimol. Gemisches von Glucose

+ Rhamnose).Es bedarf daher weiterer Versuche mit größerer Material¬

menge, um zu entscheiden, ob Galaktose oder ein anderer

Zucker vorliegt.