resistenz, immunität, allergie bei der tuberkulose

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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 34. JAHRGANG, HEFT 33/34 1. SEPTEMBER 1956 UBERSICHTEN RESISTENZ, IMMUNITAT, ALLERGIE BEI DER TUBERKULOSE*, ** Von ENNO F~EERKSEN AUS dem Tuberkulose-Forschungsinstitut BOl'Stel, Institut fiir experimentelle Biologie und ~Iedizin (Dh'ektor: ProL Dr. Dr. ]~NNO FREERKSEE) ,,Resistenz" ist ale ,,natt)rliehe Widerstandskraft" yon Makroorganismen gegen Infekte und andere Noxea zu ver- stehen -- a]s ,,yon ~-~tur aus" vorhanden. Sic wird ge- legentlieh auch als ,,natiirliehe Immunitgt" bezeiehnet. Jedoch sollte man den Begriff ,,Immunit~t" ganz auf den dureh eine vorhergehende (na.tfirliehe oder kiinstliche) In- fektion erworbenen Schutz gegen eine Zweithffektion mit dem gleichen Erreger beschrgnken. Es ist also scharf zwischen der ,,nati~rhehen" Resistenz (die ohne erkennbare Mitwirkung yon Antigenen vorgegeben ist) und der cog. Immunitdit zu unter- seheiden. Bei dem unspezifisehen Charakter der Resistenz kann es AntikSrper ira strengen Sinne des Wortes nicht geben; theoretiseh kann sie natiirlich trotzdem serologisch faBbar sein. Der Mangel an AntikSrpern nach oder unter einem tuberkulSsen Infekt kann a) darauf beruhen, dab nnsere Nachweismet, hoden und unsere Einsicht in die Natur der AntikSrper unzureiehend sind (die am haufigsten vertretene Meinung); b) darauf, dab es bei dieser Infektionskrankheit eine ]mmunitdit nicht gibt. Die Resistenz ist ,,unspezifisch" insofern, als sic fiir ihr Zustandekommen keines exogenen Reizes bedaff; sie ist trotzdem nicht ganz unspezifiseh in der Wirkung. Denn die natfirliche Resistenz gegen die Infektion mit dem h[ycobaet. tub. besteht ffir sieh und ist nieht identiseh mit einer allge- meinen Widerstandsf&higkeit gegen Schgdigungen fiberhaupt. Eine l~eihe yon experimentellen Befnnden haben den Beweis dafiir erbraebt, dab die Resistenz gegen die tnberku!5se Infektion genetiseh fixiert ist: es gibt gegen die Tuberkulose resistente und sensible Kaninehen; DIEHL3 und v . VERSC~HUER haben mit humangenetisehen Methoden gewisse ~bereinstim- mungen im Tuberkuloseabtauf bei eineiigen Zwillingen gefun- den. Die einzetnen Species sind sehr nnterschiedlieh empfindlieh gegen die n~tiirliche und ktinstliche tuberkulSse Infektion (~inder l~ferde, Meersehweinchen Ratten). Wir selbst haben Versuche durehgefiihrt, aus denen sich ergibt, dab es relativ hochempfindliche und hoehresistente Rinder- und Hiihner- rassen gibt. Es kann also nJcht bezweifett werden, dab es eine genetiseh gebundene, untersehiedlich gut ausgebildete Resistenz gegen die Tuberkulose gibt. Eine absolute Unempf/~nglichkeit ist bisher nicht beobaehtet worden; aueh bei Tieren mit hoher natiirlieher Widerstandskraft ist es mSg]ieh, eine tuberkulOse Infektion (aueh eine tSdtiehe) zu erzwingen. Fehlende Re- sistenz kann auch durch eine sehr wh'ksame Therapie nicht ausgeglichen oder ersetzt werden -- es sei denn, man kSnnte eine solche Therapie als ,,Rezidiv-Prophylaxe" stgndig auf- reehterhalten (,,long-term-Therapie"). Als Belege mSgen dazu zwei EinzelverD, ufe einer experimentellen Kaninehen- tnberkul0~ dienen. Tier K 2962 wurde am 19.12. 52 mit 0,0001 mg/kg Mycobaet. tub. (boy.) infiziert, ein ganzes J~hr hindurch mit Isoniazid (30 mg/kg t/~glich) behandelt und so gehalten, dab eine Neuinfekt,ion ausgeschlossen war. Des Tier zeigte nach jahrelanger /~uBerlich bester Gesundheit einen rSntgenologiseh deuthchen progredienten Befall und ist nach 42 Monaten an einer Tuberku]ose ]nit vSlliger Destruktion der Lunge spontan gestorben. Drei Jahre lang hatten wir gute Grfinde daran zu gtauben, dab wir bei diesem Tier einen der seltenen FM]e wirklieher tteflung dureb Chemotherapie vor uns h/~tten, bis uns die geniigend lange Beobach~ung (die beim Versuchstier ja fast immer fehlt) dariiber belehrte, dal~ der gute therapeutisehe Effekt wegen der geringen Res/stenz des Kaninchens nicht dauer- haft sein konnte, obwohl dieses Tier unter seinen Gruppen- * Zum Teil am 18.6. 56 auf einer Si~zung der 1Vfedizinischen Gesell- schaft Marburg a. d. Lahn vorgetragen. ** Die experimentellen Arbeiten wurden gemeinsam mit Frau M. X~OSENFE]SD durchgeffihrt. Klim Wschr., 34. Sahrg. genossen eine relativ hohe Resistenz hatte; es war aus einer Gruppe yon 30 Tieren des einzige so lange fiberlebende. Tier K 5066 wurde am 5. 3.52 infiziert mit 0,01 mg/kg (boy.) Tuberkelbakterien und simultan mit Isoniazid (10 mg/kg) ffir 3 Monate behandelt. Fiir das Chemotherapeutieum sind die Bedingungen dabei extrem gttnstig. Dieses Kaninehen hat 41/2 Jahre fiberlebt, auBerlieh in bester Gesundheit; ist aber schtieBlich doch spontan an einer sehweren Tuberkulose gestorhen. -- Geringe oder fehlende Rcsistenz fi~hrt selbst nach Irffektion mit minimalen Keimzahlen oder nach hoch- wirksamer Therapie zum Tode des infizierten Tieres. Des gleiche gilt far den }Ienschen. Die Resistenz ist also, soweit bisher bekannt, immer eine rdative -- allerdings so strukturiert, dat] in Abh~ngigkeit yon der Virulenz der infizierenden Keime unter natfirliehen Bedingungen (z. B. aerogene Infektion mit nicht allzu starker Exposition) bei den meisten Menschen der in der Resistenz liegende Schutz ausreiehen kann, um naeh Keimaufnahme den ,,Herd" so abzugrenzen, dab es nicht zu einer klinisehen Tuberkulose kommt. Der Mensch ist eine Species re.it guter angeborener Resistenz. Die in die Klinik kommenden Tuber- kulSsen stellen nur einen sehr kleinen Antefl der aberh~npt Infizierten dar -- eine Auslese von Individuen mit geringer Resistenz, die fin" sich genommen als Gruppc eine grebe Ahn- lichkeit mit dem Verhalten des Kaninchens ale Species hat. Diese Tatsaehe begrenzt nicht nur den mSgliehen Effekt einer tuberknlostatisehen Therapie, sondern auch den (an sich unbe- zweifelbaren) Weft der BCG-Impfung. Da alle in der Tuberku- ]osetherapie gebrguehIichen Chemotherapeutiea nicht baeteri- aid, sondern bakteriostatisch wirken, mi~ssen unter dieser Thera- pieform Rezidive auftreten, und zwar mindestens ebenso sehr in Abh/~ngigkeit veto Grad der makroorganismischen Re- sistenz der Behandelten als yon der Leistungsfi~higkeit des Mittels. Aus sotehen l£berlegungen heraus babe ieh die An- sieht vertreten 7, dab des Auftreten chemoresistenter 'Myko- bakterien unter der Therapie ein Symptom fiir mangelnde makroorganismisehe Resistenz ist. -- Da aus der Gesamtzahl der BCG-Geimpften die mit gnter Resistenz ausgeriisteten in die Statistik eingehen (in ihr den Hauptanteil darstellen, abet nicht gesondert erfaBt werden kSnnen), sind cite sta- tistischen Zusammenstellungen fiber den Wert der Sehutz- impfung nieht beweisend. Ein wissensehaftllch schl~fissiger Beweis kann beim ~[enschen nieht erbracht werden, weft es nicht mSglieh ist, eine sicher ,,resistenzlese" Gruppe in eine Impf- und eine Kontrollgruppe aufzuspalten. Resistenz ist nieht meBbar, nur qnatitativ beim Ver- suchstier bestimmbar. Ihre Grenze ist (oder scheint uns) daher unseharf, und diese Unschgrfe wiederum lgBt einen gewissen Spietraum f fir die Am3ahme einer BeeinfluBbarkeit dutch Umweltfaktoren zu. ~Tgl~-end das Bestehen einer genetiseh fixierten Resistenz experimentelt bewiesen ist und heute wohl kaum noch be- zweife]t wird, gibt es ffir die Bedeutung der Umweltfaktoren nur mehr oder weniger siehere Indizien. ~[anehe sehen den Einflufl der Ern~hrang a]s bewiesen an, aber diese Frage muB bei Anlegung eines kritisehen MaBstabes ale noeh ungeklgrt betrachtet werden. Des gleiehe gilt ffir die Bedeutnng des Xlimas. Trotzdem kann man eine nicht unerhebliehe Steige- rung der Empfindlichkeit gegen den tuberkul5sen Infekt experiment~ll herbeiffihren, wie neuerdings wieder dureh DuBos ~ mit Dinitrophenol und Thyroxin bewiesen wurde. Man sollte aber in diesem Zusammenhang nicht yon einer ~inde- rung der ]~esistenz sprechen, denn unterschiedlich resiDtente Organismen verhalten sich diesen ungiinstigen exogenen Fak- toren gegenfiber entsprechend untersehiedhch. Die Ko~dition (bzw. Disposition), unter die der OrganJsmus dureh die ve~schie- densten exogenenFaktoren geraten kann, muB klar v0n der 62

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Page 1: Resistenz, Immunität, Allergie bei der Tuberkulose

KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 34. JAHRGANG, HEFT 33/34 1. SEPTEMBER 1956

U B E R S I C H T E N

RESISTENZ, IMMUNITAT, ALLERGIE BEI DER TUBERKULOSE*, ** Von

ENNO F~EERKSEN

AUS dem Tuberkulose-Forschungsinstitut BOl'Stel, Institut fiir experimentelle Biologie und ~Iedizin (Dh'ektor: ProL Dr. Dr. ]~NNO FREERKSEE)

,,Resistenz" ist ale ,,natt)rliehe Widerstandskraft" yon Makroorganismen gegen Infekte und andere Noxea zu ver- stehen - - a]s ,,yon ~-~tur aus" vorhanden. Sic wird ge- legentlieh auch als ,,natiirliehe Immunitgt" bezeiehnet. Jedoch sollte man den Begriff ,,Immunit~t" ganz auf den dureh eine vorhergehende (na.tfirliehe oder kiinstliche) In- fektion erworbenen Schutz gegen eine Zweithffektion mit dem gleichen Erreger beschrgnken. Es ist also scharf zwischen der ,,nati~rhehen" Resistenz (die ohne erkennbare Mitwirkung yon Antigenen vorgegeben ist) und der cog. Immunitdit zu unter- seheiden. Bei dem unspezifisehen Charakter der Resistenz kann es AntikSrper ira strengen Sinne des Wortes nicht geben; theoretiseh kann sie natiirlich trotzdem serologisch faBbar sein. Der Mangel an AntikSrpern nach oder unter einem tuberkulSsen Infekt kann a) darauf beruhen, dab nnsere Nachweismet, hoden und unsere Einsicht in die Natur der AntikSrper unzureiehend sind (die am haufigsten vertretene Meinung); b) darauf, dab es bei dieser Infektionskrankheit eine ]mmunitdit nicht gibt.

Die Resistenz ist ,,unspezifisch" insofern, als sic fiir ihr Zustandekommen keines exogenen Reizes bedaff; sie ist trotzdem nicht ganz unspezifiseh in der Wirkung. Denn die natfirliche Resistenz gegen die Infektion mit dem h[ycobaet. tub. besteht ffir sieh und ist nieht identiseh mit einer allge- meinen Widerstandsf&higkeit gegen Schgdigungen fiberhaupt.

Eine l~eihe yon experimentellen Befnnden haben den Beweis dafiir erbraebt, dab die Resistenz gegen die tnberku!5se Infektion genetiseh fixiert ist: es gibt gegen die Tuberkulose resistente und sensible Kaninehen; DIEHL 3 und v . VERSC~HUER haben mit humangenetisehen Methoden gewisse ~bereinstim- mungen im Tuberkuloseabtauf bei eineiigen Zwillingen gefun- den. Die einzetnen Species sind sehr nnterschiedlieh empfindlieh gegen die n~tiirliche und ktinstliche tuberkulSse Infektion (~inder l~ferde, Meersehweinchen Ratten). Wir selbst haben Versuche durehgefiihrt, aus denen sich ergibt, dab es relativ hochempfindliche und hoehresistente Rinder- und Hiihner- rassen gibt.

Es kann also nJcht bezweifett werden, dab es eine genetiseh gebundene, untersehiedlich gut ausgebildete Resistenz gegen die Tuberkulose gibt. Eine absolute Unempf/~nglichkeit ist bisher nicht beobaehtet worden; aueh bei Tieren mit hoher natiirlieher Widerstandskraft ist es mSg]ieh, eine tuberkulOse Infektion (aueh eine tSdtiehe) zu erzwingen. Fehlende Re- sistenz kann auch durch eine sehr wh'ksame Therapie nicht ausgeglichen oder ersetzt werden - - es sei denn, man kSnnte eine solche Therapie als ,,Rezidiv-Prophylaxe" stgndig auf- reehterhalten (,,long-term-Therapie"). Als Belege mSgen dazu zwei EinzelverD, ufe einer experimentellen Kaninehen- tnberkul0~ dienen. Tier K 2962 wurde am 19.12. 52 mit 0,0001 mg/kg Mycobaet. tub. (boy.) infiziert, ein ganzes J~hr hindurch mit Isoniazid (30 mg/kg t/~glich) behandelt und so gehalten, dab eine Neuinfekt, ion ausgeschlossen war. Des Tier zeigte nach jahrelanger /~uBerlich bester Gesundheit einen rSntgenologiseh deuthchen progredienten Befall und ist nach 42 Monaten an einer Tuberku]ose ]nit vSlliger Destruktion der Lunge spontan gestorben. Drei Jahre lang hatten wir gute Grfinde daran zu gtauben, dab wir bei diesem Tier einen der seltenen FM]e wirklieher tteflung dureb Chemotherapie vor uns h/~tten, bis uns die geniigend lange Beobach~ung (die beim Versuchstier ja fast immer fehlt) dariiber belehrte, dal~ der gute therapeutisehe Effekt wegen der geringen Res/stenz des Kaninchens nicht dauer- haft sein konnte, obwohl dieses Tier unter seinen Gruppen-

* Zum Teil am 18.6. 56 auf einer Si~zung der 1Vfedizinischen Gesell- schaft Marburg a. d. Lahn vorgetragen.

** Die experimentellen Arbeiten wurden gemeinsam mit Frau M. X~OSENFE]SD durchgeffihrt.

Klim Wschr., 34. Sahrg.

genossen eine relativ hohe Resistenz hatte; es war aus einer Gruppe yon 30 Tieren des einzige so lange fiberlebende. Tier K 5066 wurde am 5. 3.52 infiziert mit 0,01 mg/kg (boy.) Tuberkelbakterien und simultan mit Isoniazid (10 mg/kg) ffir 3 Monate behandelt. Fiir das Chemotherapeutieum sind die Bedingungen dabei extrem gttnstig. Dieses Kaninehen hat 41/2 Jahre fiberlebt, auBerlieh in bester Gesundheit; ist aber schtieBlich doch spontan an einer sehweren Tuberkulose gestorhen. - - Geringe oder fehlende Rcsistenz fi~hrt selbst nach Irffektion mit minimalen Keimzahlen oder nach hoch- wirksamer Therapie zum Tode des infizierten Tieres. Des gleiche gilt far den }Ienschen.

Die Resistenz ist also, soweit bisher bekannt, immer eine rdative - - allerdings so strukturiert, dat] in Abh~ngigkeit yon der Virulenz der infizierenden Keime unter natfirliehen Bedingungen (z. B. aerogene Infektion mit nicht allzu starker Exposition) bei den meisten Menschen der in der Resistenz liegende Schutz ausreiehen kann, um naeh Keimaufnahme den ,,Herd" so abzugrenzen, dab es nicht zu einer klinisehen Tuberkulose kommt. Der Mensch ist eine Species re.it guter angeborener Resistenz. Die in die Klinik kommenden Tuber- kulSsen stellen nur einen sehr kleinen Antefl der aberh~npt Infizierten dar - - eine Auslese von Individuen mit geringer Resistenz, die fin" sich genommen als Gruppc eine grebe Ahn- lichkeit mit dem Verhalten des Kaninchens ale Species hat. Diese Tatsaehe begrenzt nicht nur den mSgliehen Effekt einer tuberknlostatisehen Therapie, sondern auch den (an sich unbe- zweifelbaren) Weft der BCG-Impfung. Da alle in der Tuberku- ]osetherapie gebrguehIichen Chemotherapeutiea nicht baeteri- aid, sondern bakteriostatisch wirken, mi~ssen unter dieser Thera- pieform Rezidive auftreten, und zwar mindestens ebenso sehr in Abh/~ngigkeit veto Grad der makroorganismischen Re- sistenz der Behandelten als yon der Leistungsfi~higkeit des Mittels. Aus sotehen l£berlegungen heraus babe ieh die An- sieht vertreten 7, dab des Auftreten chemoresistenter 'Myko- bakterien unter der Therapie ein Symptom fiir mangelnde makroorganismisehe Resistenz ist. - - Da aus der Gesamtzahl der BCG-Geimpften die mit gnter Resistenz ausgeriisteten in die Statistik eingehen (in ihr den Hauptanteil darstellen, abet nicht gesondert erfaBt werden kSnnen), sind cite sta- tistischen Zusammenstellungen fiber den Wert der Sehutz- impfung nieht beweisend. Ein wissensehaftllch schl~fissiger Beweis kann beim ~[enschen nieht erbracht werden, weft es nicht mSglieh ist, eine sicher ,,resistenzlese" Gruppe in eine Impf- und eine Kontrollgruppe aufzuspalten.

Resistenz ist nieht meBbar, nur qnatitativ beim Ver- suchstier bestimmbar. Ihre Grenze ist (oder scheint uns) daher unseharf, und diese Unschgrfe wiederum lgBt einen gewissen Spietraum f fir die Am3ahme einer BeeinfluBbarkeit dutch Umweltfaktoren zu.

~Tgl~-end das Bestehen einer genetiseh fixierten Resistenz experimentelt bewiesen ist und heute wohl kaum noch be- zweife]t wird, gibt es ffir die Bedeutung der Umweltfaktoren nur mehr oder weniger siehere Indizien. ~[anehe sehen den Einflufl der Ern~hrang a]s bewiesen an, aber diese Frage muB bei Anlegung eines kritisehen MaBstabes ale noeh ungeklgrt betrachtet werden. Des gleiehe gilt ffir die Bedeutnng des Xlimas. Trotzdem kann man eine nicht unerhebliehe Steige- rung der Empfindlichkeit gegen den tuberkul5sen Infekt experiment~ll herbeiffihren, wie neuerdings wieder dureh DuBos ~ mit Dinitrophenol und Thyroxin bewiesen wurde. Man sollte aber in diesem Zusammenhang nicht yon einer ~inde- rung der ]~esistenz sprechen, denn unterschiedlich resiDtente Organismen verhalten sich diesen ungiinstigen exogenen Fak- toren gegenfiber entsprechend untersehiedhch. Die Ko~dition (bzw. Disposition), unter die der OrganJsmus dureh die ve~schie- densten exogenenFaktoren geraten kann, muB klar v0n der

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Page 2: Resistenz, Immunität, Allergie bei der Tuberkulose

882 E~so F~EEgJ~SnN: Resistenz, Immunit~t, Allergie bei der Tuberkulose X~nisehe Wochenschrif~

Resistenz getrennt werden. Experimente dieser Art dfirfen daher such nicht allein aui die Absterbeordnung gegriindet werden, denn sie ist immer die Resultante mehrerer Fak- toren, die nieht sauber getrennt werden k6nnen. Die Sehaffung yon Konditionen, unter denen eine Tuberkulose leichter zu- stande kommt bzw. sehwerer verl~uft, ist expe14raentell auf verschiedenste Weise und relativ leieht m6glich. Theoretisch miiBte man such eine positive BeeinfluBung herbeifiihren und therapeutisch nutzen k6nnen. Solehe Fragen kommen leider unter dam Eindruck der antibakterieUen Therapie in der wissen- sehaftlichen Bearbeitung heute zu kurz. Zum Tefl geh6ren dazu jene l~IaBnahmen, die den Inhatt der sog. konservativen Allgemeiniherapie ausmaehen.

Fiir diese empirisch aus ihren Wirkungen erschlossene, ,,natiirliehe" Resistenz ist bisher nieht bekannt, wie sie wirkt und we ihr gewebliches oder humorales Substrat zu suehen ist. Verbreitet sind ~olgende Arbeitshypothesen:

1. Bedeutung des inkretorischen Apparates. Wi~hrend die meisten Hormone keinen unmittelbaren EinfluB auf den Ablauf der Tuberkulose h~ben, wird mit Cortison bei M/~usen und Ratten eine sehwere Aggravation des t, uberkut6sen Infekts bewirkt, die beim Meersehweinchen gar nicht und beim Kaninchen nicht so ausgepr/~gt und individuetl unter- schiedlieh in Erscheinung tritt 6. Wenn man beim Kaninchen die inkretorische Ordnung dureh gTol]e Dosen Pretiron, ACTH, Cortison so stSrt, dab die inkretorisehen Organe makroskopiseh und mikroskopiseh alte Anzeiehen der ver- /~nderten Regulation zeigen, ist eine Wirkung auf den Ablauf der Tuberkulose (~berlebenszeit, Herdzahl- und GrSBenindex) entweder gar nicht gegeben oder nur angedeutet wie beim Cortison. Infiziert man 1Y[eerschweinchen mit virulenz- gesehw/~ehten Erregern und bringt sie unter die Wirkung yon Cortison oder STH i0, so zeigt sieh, dab man dadureh weder eine Minderung der Resistenz (Cortison) noch eine Verstgr- kung (STH) erzielen kann, noeh eine Steigerung der Virulenz des Erregers. Mit STH bekommt man deshalb aueh keinen therapeutisehen Effekt. Wie wenig die dureh Hermongaben herbeigeffihrte, gewaltsame St6rung der inkretorisehen Ord- hung fiir den Tuberkuloseablauf beim Kaninchen bedeutet, konnten wir in einem Therapieversueh mit Streptomycin und Isoniazid (also anf den Erreger geriehteten MaBnahmen) in Anwesenheit der Hormone zeigen s. Die Tuberkulose verlief so, sis sei lediglieh eine tuberkulostatische Therapie (ohne An- wesenheit von iiberdosierten Hormonen) durchgefiihrt worden. Gegen diesen Befund spreehen seheinbar die Er- fahrungen mit M~usen nnd Ratten, deren grebe Resistenz sie nicht vor der aggravierenden Wirkung des Cortisons schiitzt. Jedoeh scheint hier da.s Cortison eflmn histiocyten- destruierenden Effekt zu haben, der die Wirkung der Myko- bakterien untersttitzt (was gerade bei der Maus mit ihrer rein eel]ul~r-phagocytotischen ,,Abwehr" yon Bedeutung ist; s. such Allergie). Daraus daft aber nicht gesehlossen werden, dab die ,,normalen" Sehwankungen nm den ,,normalen" Cortison- oder ACTH-Spiegel Bedeutung fiir die ,,normale" Zelleistung der Histiocyten h~tten. Meersehweinchen resgieren an sigh nur wenig auf Cortisone°; such die Tuberkulin- reaktion bleibt bei diesen Tieren unbeeinflul]t ~ (s. auch Allergie). - - Als Beweis dafiir, dab das Inkretorium Bedeutung fiir den Tubcrkul0seablauf habe, wird such gern anf die grebe Anfa.lligkeit des Diabetikers gegen die Tuberkulose verwiesen. Aber es ist bisher nicht sicher gekl/~rt, worin diese Tatsache begriindet ist. - - Ich mgchte damit nicht sagen, dab der inkretorisehe Apparat iiberhaupt keine Bedeutung fiir die Resistenz oder keine Beziehung zu ihr habe, jedoeh fehlen zun/~chst noch wirklieh beweisende Befunde. Vor allem mfiBte ausgeschlossen werden, dab die beobachteten Wirkungen nicht unter den Begriff der Xondition fallen.

2. Bedeutung der K6rperzellen. Es ist eine alte Erfahrung, dab bestimmte K6rperzellen nie tuberkulSse Prozesse zeigen (Nerven, Driisen, Muskel). Sie haben eine natiirliehe Wider- standslu'aft gegen die Infektion; ihre Zellen nehmen keine l~[ykobakterien auf. Organe und Gewebe setzen sieh um so leichter mit Tuberkelbakterien auseinander, ats ihr Anteil an speiehernden Zellen groB ist. In der infizierten Gewebekultur nehmen nile bisher daraufhin untersuchten freien Zellen die der Kultur zugesetzten Mykobakterien ganz unabh/~ngig davon auf, ob sic pathogen, avirulent oder hochvirulent sind ~°. Die an die Aufnahme gnsehliet]ende intraeellul~re Vermel~rung dagegen zeigt Untersehiede insofern, Ms sich die virulenten Xeime ungehemmt vermehren und die Zelle in wenigen Tagen sprengen und vernichten. Sehwaeh virulente zeigen such intracellul~re Vermehrung; sie ff~hrt aber zu einem Gleieh-

gewicht mit der Folge, dab die Mikroben intracellul~r am Leben bleiben, aber die Kulturzellen nicht destruieren. Es kommt dann zu den sog. Ruheformen [quiescent-forms (K. A. J~Nsv.~)], die sehr lange leben k6nnen, ohne sich zu vermehren und ohne ihre ,,Ammenzelle" wesentlieh zu st6ren. Die in diesem Zustand ,,harmlosen" Parasiten sind natiirlich gleichzeitig die potentiellen Starter einer neuen Infektion (Reinfektion).

A~erdings darf man soleha Befunde nicht zu weir veraI1- gemeinern. W/~hrend 1YIaus und Gewebekultur gut iiberein- stimmen, liegen bei Mensch, Kaninchen und Rind die Ver- hiiltnisse offensichtlieh anders. Wir finden hier nicht die ausschlieBlich intraee]lul&re Lage, und vor allem zeigen diese Species Herdformationen, wie sie bei der Maus und der Gewebekultur nieht vorkommen. Trotzdem ist der SchluB erlaubt, dab die Art der intracellul/~ren Auseinandersetzung zwisehen mikro- und makroorganismiseher Zelle einen der wesentlichsten Teil/aktoren der Resistenz darstellt. Diese Zelleistun 8 kommt allen iiberhaupt speichernden ZelIen, aber in unterschiedlichem Grade zu.

3. Die JBedeutung des vegetativen Nervensystems ist unbe- kannt - - dafiir aber Gegenstand ausgedehnter Theorien. Dieser Problemkreis muB daher hier aui]er Betracht bleiben.

4. Die Bedeutung humoraler Faktoren. Ats humorales Substrat fiir die Resistenz ist vet allem dureh die Arbeiten des PILLEM~sehen ~4xbeitskreises ein Serumfaktor in den Vordergrund geriiekt, das sog. Properdin. Es wird als unspezifischer, serologiseh nachweisbarer, substantiell dar- stellbarer Resistenzfaktor besehrieben. Von seiner Quantitiit sell das AusmaB des Sehutzes gegen Sehadigungen sehr dif- ferenter Natur (z. B. Strahlensehi~digungen sowohl wie In- fektionen) abh~ngen. Seine Wirkung wird also Ms sehr breit vorgeste]lt. Properdin kann naeh den Angaben seiner Ent- decker mit Zymosan und hochmolekularen Kohlenhydraten inaktiviert werden, was eine Minderung der natiirlichen Re- sistenz zur Folge haben sell. Wir ha.ben Zymosan* und ein hoehmolekulares Polymerisat (Kollidon 67"*) sowohl beim Strahlenschaden (Ganzbestrahlung der Maus mit 750 und 600r) wie such bei der experimentellen M~usetuberkulose studiert. Es konnte dabei keine Beeinflussung im Ablauf der Prozesse (Strahlensehaden; Tuberkulose) beobachtet werden.

W~gen wir also die zur Zeit vorliegenden Ergebnisse ab, so hat die Annahme, dab die Resistenz a]s urmfittelbare celluliire Leistung speichernder Zellen anzusehen sei, sichere experimentelle Unterlagen. Die F/~higkeit, eingedrungene Erreger cellul/ir zu bew/~ltigen, ist eine unterschiedIieh gut ausgepr/~gte Struktureigentiimlichkeit mehrerer Zellsysteme des resistenten Organismus; sie ist angeboren und nieht er- worben.

Naeh dieser Abgrenzung und Definition der Resistenz, bleibt die Frage, was bei der Tuberkulose unter Immunitiit zu verstehen ist. Sie gilt, in der allgemeinen Infektionslehre immer als erworben; sie ist aber nicht bei allen Infektionskrank- heiten erwerbbar. Dazu geh6ren offenbar besondere Bedirr- gungen, die bei der Auseinandersetzung Makro--Mikroorga- nismus nicht immer gegeben sin&

Auch bei der Tuberkntosc sprieht man yon ,immuni- satorischen" Wirkungen der Vaccination, yon Immunit~ts- reaktionen, yon Antigenen, Partialantigenen nsw. (obwohl sie im Hinblick auf immunisatorisehe Leistungen nie definiert wurden) und sogar yon (zellst/indigen) Antik6rpern (ob.wohl sie nie nachgewiesen wurden). Griinden wit unsere Uber- tegungen auf das wir!dieh Gesieherte, so driiekt sich das, was gemeinhin bei der Tuberkulose als ,,Imms_nit/it" bezeichnet wird, in zwei Ph/inomenen aus, n~mlich 1. dem, was man wohl am besten als Superin]ektionssehutz bezeichnet (also in der Tatsaehe, dab ein Zweitinfekt, gleichgiiltig wie er zu- stande kommt, weniger leicht angeht als ein Erstinfekt, und 2. darin, dab eine auf eine bestehende Infektion auftreffende Zweitinfektion im Verlauf retardiert und gut~rtiger sein kann. Von diesem Superinfektionsschutz machen wir unter anderem bei der BCG-Imp~ung Gebraueh; auf ihn gr'dnden sieh such epidemiologisehe ~ber]egungen fiber den Weft der sog. Durehseuehung, die in diesem Zusammenhang als dureh st/~ndige Minimalinfektionen zustande kommend ge- dacht wird.

Durchseuchung kann auch als Folge eines langdauernden, sakularen Ausleseprozesses mlt der ]~ olge des Uberlebens de r Widerstandsfi~higsten erkt/ixt werden. Sie ware damit ein

* zur verfiigung gestellt yon der Firms Dr. Kurt Mulli XG, Hamburg- Wandsbek.

** Z1Lr Verfligung gestellt yon der BASF, Ludwigshafen.

Page 3: Resistenz, Immunität, Allergie bei der Tuberkulose

;Ig. 34, Xeft 33/34 E ~ O Yg~EgKS~: Resistenz, Immunit/~t, Allergie bei der Tuberkulose 883 t. September 1~56

Ph~nomen, das in das Kapitel ]~esistenz gehSrt. VSllig abzulehnen ist meines Erachtens die ebenfalIs vertretene Anschauung, die in der Durehseuchung eine in Generationen ,,erworbene", allmghlich erblich fixierte Eigensehaft sieht.

Der durch Vorinfekt gewonnene Schutz wird oft Ms ,,relative" Immunit~t bezeiehnet. Vonder ,,absoluten,, wie sie bei Masern, l~leekfieber, Pocken usw. beobachtet wird, ist sie durch geringe Leistung und kurze Dauer un~erschieden; jedes superinfizierte Tier stirbt an seiner Tuberkulose - - lediglieh spgter Ms die nicht vorin~izierte Xontro]le.

Ist schon eine ,,relative Immunit/~t" begri]flieh unbe- friedigend, so ist sie vor allem sachlieh deshalb nicht gerecht- fertigt, weil der erreichbare Superinfektionsschutz keinen spezifischen C, harakter im Hinblick auf seine Ausl6sung hat. Verl/~ngerte Ubertebenszeiten und ,,mitdere" klinisehe Ver- li~ufe kann man beim Versuchstier durch ganz versehiedene Mikroorganismen erzeugen, wie schon lange bekannt ist und neuerdings wieder dureh NYKA best£tigt wurde. Diese Tat- sache steht in ParMlele zu zahlreichen, z.T. schon i~lteren Befunden, die bisher nicht mit der Tuberkulose in Beziehung gebraeht wurden, obwohl die biologisehe Xhnliehkeit dieser Vorg~nge mit denen des Superinfektionsschutzes bei der Tuberkulose sieh geradezu aufdr~ngten. So kann man Mguse mit wenig virulenten Streptokokkenst/immen gegen eine thd- liche Infektion mit hoehvirulenten Sti~mmen schiitzen. Ein tuberku]hser Infekt bietet einen gewissen Schutz vet an sieh thdlichen Staphylokokkeninfektionen. Typhus- und Bang- infektionen schiitzen das Versuchstier in gewissem Umfang vor der Ausbreitung einer tuberkulhsen Infektion - - um nur einige wenige F/file aus der groBen Zaht der bekannten experimentellen Befunde herauszugreifen. Diese lunge bekannten Erseheinun- gen wurden meistens unter dem Begriff der Heteroatlergie (oder auch Parallergie) betraehtet und dam it der riehtigen Bewertung entzogen. MOR~S~ROT~ und A~gA~A~ ~ haben Erscheinungen dieser Art (unter fMscher Deutung) als ,,Depressionsimmunit/~t" beschrieben. DALLDOt¢~" und Mit- arbeiterS, die diese Vorggnge besonders bei der Poliomyelitis studiert haben - - sie ist iiberhaupt bei Virusinfektionen am eindrueksvoltsten - - prEgten dafar den ]3egriff Inter/e~'enz; Sie ist offensiehtIich unter den versehiedensten Keimkombina- tionen zu beobachten, a]lgemein verbreitet und keineswegs au~ Mikroorga.nismen beschr/i~kt; Interferenz wird ebenso bei der Transplantation beobachtet. Das homologe Zweitiraplantat geht framer sehlechter an als das Erstimplantat. Die Erstimplan- ration ist sozusagen eine ,,Vaccination" gegen das Angehen des Zweitimptan~ates, was niehts mit Immuni~/~t zu tun ha~, sondern eine typische Interferenzerscheinung darstellt. Inter- ferenz braucht - - im Gegensatz zur Entwicklung der Immu- nit/~t - - nur eine kurze Anlaufzeit; schon 2--3 Tage nach Einbringung des interferogenen Materials (Erstinfekt) wird der Zweitinfekt behindert. Da diese Beobachtungen night in das Schema der Antigen-Antikhrperreaktion passen und auch nicht in Kongruenz mit der Definition der Immunit~t zu bringen sind, sprechen manehe yon einer ,,Verbesserung der natiir- lichen Resistenz". Das ist zwar rein empMseh im Endeffekt richtig, hindert aber doch die Erkennung der grunds/~tzlichen Versehiedenheit der Begriffsinhatte. Anch die ,,echte" Immu- nit/~t ,,verbessert" ja letzten Endes die Resistenz. Die ]dare Abgrenzung der Begriffe ist daher unerl~glich. Folgende Xriterien stehen dabei im Vordergrund:

Resistenz ist angeboren, erblieh, in ihrer Genese und ihrem Wirkungsmodus unbekannt; vielleieht in den ersten Lebens- jabren heranreifend, dann abet fiir die Dauer des individuellen Lebens bestehend, durch exogene Faktoren schwer beeinflnB- bar, bisher nicht meBbar nnd nicht sicher auf cellul~re oder humorale Einzelleistungen des Organismus zuriickfiihrbar.

Immunitiit ist nieht erblieh, immer erworben (vielleicht diaplazentar iibertragbar) kommt durch natfirliehe oder kiinst- liehe Infektion mit jenen Xeimen zustande, die aueh die l~'ankheit auslhsen. Sie ist daher dutch Antikhrper bestimm- bar oder sogar megbar. Der erworbene Schutz ist praktiseh absolut, langdauernd, wenn aueh zeitlieh begrenzt; er kann fiber Jahrzehnte nach AbschluB der Erkrankung bestehen. Er kann di~reh Serum tibertragbar sein.

Inter/erenz ist hie erblieh, immer erworben. Sie kommt zustande durch Einwirkung yon Mikroorganismen (Vorinfekt) ve~ehiedenster Art. Antikhrper sind nicht, naehweisbar nnd eine Ubertragung des Schutzes mit Serum ist nieht m6glieh. Der Sehutz ist relativ; qualitativ nieht so wertvoll wie die Immunit~t, kurzdauernd, weft nut solange bestehend, als die Erreger oder zmnindest ihre Leibessubstanzen im Organismus anwesend sind. Zur Erzeugung einer lgnger anhaltenden Inter-

ferenz sind daher am besten Keime geeignet, die sich im Organimus lunge als Parasiten hMten und der Lyse lunge widerstehen, z.B. Mycobakterien. Es ist daher auch ver- standlich, dab unter den mhglichen Keimen ftir die Erzeugung einer Intel~erenz bei der Tuberkulose (und vMleicht auch bei anderen Infektionskrankheiten) der BCG-Stamm besonders gut geeignet ist.

Wenn es auch naheliegt, die Interferenz ats ,,unspezifisehe" .Aktivierung des Mesenchyms zu deuten, so wiirden doch unsere Uberlegungen damit mhglicherweise am Wesentlichen vorbei- gehen. Es ist zu bedenken, dab Interferenz sowohl als anta- gonistische Phase (dann be~,irkt sie einen ,,Schu~z"), Ms auch als synergistische Phase beobaehtet w~d (wenn Infekte mit zwei versehiedenen Erregern eine sich gegenseitig be- giinstigende Wirkung haben; z. B. Pneumokokken undo: Grippe- virus bei der Mausg). Xlinisch liegt eine synergistiseiie Inter- ferenz zwischen Masern und Tuberkulose (vielleiet~t aueh zwischen Keuchhusten und Tuberkulose) vor. Aus ~solchen Befunden ist zu sehlieBen, dab wir such bei der Interferenz einen sehr komplizierten Vorgang vet uns haben, der mit Sehlagworten, wie ,,Aktivierung" des Mesenehyms picht zu fassen ist und nur durch sehr subtile Gewebs- und Zellstoff- wechseluntersuchungen aufgekl/~rt werden kann.

Der Superinfektionsschutz bei der Tuberkulose hglt nur solange an, als Keime (lebende oder tote) im Organismus vor- handen sind. Er kommt nicht dutch bzw. nach einer ab- gelaufenen Infektionskrankheit zustande, sondern entweder durch das Noehbestehen einer Erkrankung oder dutch das Nochvorhandensein yon kiinstlieh eingebrachten Xeimen (Vaccination). Der Schutz ist tierexperimentell sehon am 3. Tag nach der Vaccination feststellbar und kanr~ durch eine ganze geihe yon 1Vfykobakterienarten, virulenten und avirulenten (sogar besser dutch den avirutenten H371ta als dureh BCG), aber auch anderen Keimen erreicht werden. Damit sind abet vollstS.ndig alle jene Bedingungen er- fiillt, die an den Begriff der Interferenz gebunden s~nd. Es gibt wohl kaum eine bakterielle Erkrankung, auf die der Begriff Interferenz besser pagt als die Tuberkulose. Die I~iterien der Inter/erenz sind sgmtlich gegeben; die der Immunitiit fehlen vollst~ndig. Ieh mhehte daher a~eh den SchluB ziehen, dab es bei der Tuber~uIose keine Immunit~it gibt; dM3 wir bei ihr abet einen dureh Inter/erenz bedingten Superinfektionsschutz erreichen kSnnen. [Der Ch~rakter dieser Mitteilung als ,,Ubersicht" erlaubt nicht, jecten znr Urteilsbfldung benutzten Befund mit Experimente Doder Literaturstellen zu belegen, Ieh verweise dafiir auf eine in Kiirze erseheinende Darstellung yon t~REERKSE~ und ROSEN- t'ELD (Brauers Beitr/~ge).

Mi~ dieser Ar~ der Betraehtung ist zungchst niehts anderes Ms der Ersatz eines (wenig befriedigenden) Begriffes durch einen anderen (meines Eraehtens saehlieh zutreffe~deren) erfolgt. Die praktisehe ~'olgerung ist aber doeh weitreichend. So khnnte die Einsieht, dab die Weiterarbeit in Riehtgng der Antigen- und Antikhrperforsehung. bei der Tuberkulo~e mhg- licherweise in eine Sackgasse fii}lrt, vielleicht den Weg fiir die Suche naeh erfolgreiche1~n und noch ungef/~hrltcheren Formen des Superinfektionssehutzes freimaehen. Di~ For- schung k6nnte damit auch gedank]ieh unabhgngiger Werden und einen viel breiteren Kreis yon Stoffen und Organismen in ihre Untersuchung einbeziehen. In dieser t~iehtung k6nnte auch eineKombination der spezifisehen (ehemotherapeut!schen) mit der unspezifisehen Therapie gesueht werden - - be~onders darm werm sich herausstellen sell,e, dab die Interfe~enz in einer Vergnderung der Kondition besteht, was ich fai wahr- scheinlich hMte.

Nachdem das Wesen der Resistenz umrissen uncl vor- geschlagen wurde, die sog. ,,Immunit/~t" bei der Tuber- kulose als durch Inter/erenz bedingt anzusehen, bleibt das Problem der Allergie. Es ist zweifellos das sehwierigste - - nieht nur der Saehe nach, sondern ebensosehr dadurc h, dab die Bildung st/~ndig neuer Begriffe das Problem immer undurehsichtiger gemacht hat.

Das Mykobacterium tub. geh6rt zu der riesenhaiten ZahI yon AlIergenen in der belebten und unbelebten Natur. Aller- gene sind in einem gewissen Sinne spezifiseh, d. h. sie er- zeugen eine gegen das Allergen a.llein geriehtete Sensibilit~t. Durch die Spezifit~t der HautreM~tion wird einersei~s tier tIauttest (Diagnose), andererseits die Desensibilisierur~g (die in manchen ]?/~llen Therapie bedeuten kann) mhglieh. Die Allergene sind far sich betraehtet ohne besonderes/ixztliehes Interesse; sie bekommen es erst dureh die AuseinandersCtzung mit solchen Organismen, die zur Reaktion bereft sind (eine

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884 E~No FgE~mKS~: Resistenz, Immunit/~t, AIIergie bei der Tuberkulose ]~n~sche Wochenschrif~

,,allergische Diathese" haben). Die Auseinandersetzung der Allergene mit einem allergiebereiten Organismus kann kliniseh als Krankheit erseheinen (bestimmte Formen des Asthmas, bestimmte Ekzeme, Heusehnupfen usw.); sic kann aueh symptomlos bleiben. In der anthropomorphen Betraehtungs- weise, zu der Patient nnd Arzt in gleicher Weise genStigt sind (weft es um Vorteil odor Naehteil fi~r den l~Iensehen geht), erseheint die Allergie als l'~rberempfindlichkeit odor als tIyperergie, tIypersensibilit/~t, ,,fibersehieBende ReM~tion" nsw. Aber allen diesen Begriffen ist der wertffeie Begriff ,,Allergic" vorzuziehen.

Allergische Reaktionsbereitsehaft gegoniiber bestimmten Mykobakterienst/~mmen ist unter den S/~ugern welt verbreitet. Jedoeh unterseheidet, sieh die Allergic unter Anwesenhei~b yon Mykobakterien in einem entseheidenden Punkt yon jenen Formen, die dureh toblose Allergene zustande kommen. Diese wirken auf Grund ihrer ehemisehen odor physikMiseh- ehemisehon Struktnr. Da sic im Stoffwechsel abgebaut wet- den, miissen sie standig naehgeliefert werden. Die allergi- sehen Krankheitsbilder bestehen demnach aueh nur solange, als das Allergen angeboten wird. Die HerausnaJ~me des

Kontalct -+Ingestion

/ /

,,Symbiose" (durch 1) intracellulare ~ ~za) Bakteriostase)

Vermehrung b) AusstoBung der Keime

(und Phagocytolyse)

2) intraeellul/ire / S a) AbbaUneutrMenZU biologisehFremd. Keimver- , , ~ kSrpern (Baetericidie)

niehtung b) Bakteriolyse (Digestion) (Bacterieidie)

Abb. t. Yerlaufsform der Phagocytose nach :Kontakt zwischen Keim und K6rperzelle

Patienten aus dem Stroubereich der Allergene fiihrg in kar- zester Zeit zur ,,Heilung" (die natiirlieh nur ,,Symptom- freiheit °' ist, woil die Allorgiebereitsehaft unvera~dert bestehen- bleibt). Das gleiche leistet die Entfernung des Allergens aus der Umgebmlg des Reaktionsbereiten.

Diese Vorg/~nge kann man be ider Tuberkulose experi- mentell naehahmen, indem man anstelle yon lebenden ab- get6tete Erreger einbringt. Tut man das in regelm~Bigon Abst/~nden, z. B. t~glieh, beim Meerschweinchen, so wird es tuberkulinpositiv. Es reagiert ,,atlergiseh"; abet nur solange, Ms man standig Allergen znfiihrt.

Beim tuberkulSsen In/ekt dagegen produziert sieh das Bacterium als lebencIes Allergen standig neu und wirkt, solange es im Organismus ist. Nine Desensibilisierung ist, wie bei anderen Allergien, aueh bei der tuberkul6sen m6glieh (z. B. durch haufige Gaben gr6gerer Tuberkulindosen). Das kann natiirlieh nicht zu einor ,,Iteilung" ffihren, sondern hat hier - - wie bei allen anderen Allergien - - aueh nur ,,Symptomffeiheit", d. h. eine negative Tuberkulinreaktion zur Folge, was wiederum nichts anderes bedeutet Ms eine tterabminderung der Reaktions- bereitsehaft der durch ein spezifisehes Allergen sensibilisierten Gefal~wand. Die Vermohrungsfahigkeit der Bakterien und die Anregung zur Herdbfldung (also die eigentlichen Krankheits- faktoren) bloiben davon weitgehend unbertihrt. Die negative Tuberkulinreaktion kann daher auch beim tuberkulSsen Tier odor Menschen immer nur fiir kurze Zeit aufreehterhalten werden. Trotzdem braucht die Desensibilisierung aIs ,,therapeu- tisehe" MaBnahme nieht in allen Fallen sinnlos zu sein, denn die ungiinstige Hordbeeinflussung (,,tterdreaktion") unter der Allergie kann bekanntlieh eine ebenso gefahrliehe Kom- plikation bedeuton, wie die sot. AtlgemeinreMCtion. Ich glaube, dab in dieser Riehtung noeh bei weitem nicht alle M6glieh- keiten ausgesehSpft sind, wcder in der Ausnutzung desensi- bilisiorender wie in der Verminderung (sehadiicher) zus/~tzlich sensibflisierendor Faktoren.

Bei Mensch, Kaninehen und Rind (anseheinend nieht beim Meersehweinchen) werden Individuen beobaehtet, die trotz sieher kontrotlierter Einbringung yon Mykobakterien keine positive Tuberkulinreaktion geben. Sie sind nieht allergi- sierbar. Bei der Maus ist dieso I~eaktionslosigkeit die Regel (wahrseheinlich au oh bei dor Ratte). Meersehweinehen reagieren bei einem tuberkulOsen Infekt immer und, soweit bekannt, ausnahmslos stark auf Tuborkulin. i~Ians und Meersehweinchen

sind somit als extreme Modellfalle geeignet, um den Ablauf der Tuberkulose mit und ohne Allergic (soweit sic mit Tuberkutin faflbar ist) zu studieren.

Verfolgen wir den Irffekt zun~chst mit morphologischen Methoden, so zeigt das histologisehe Brid i~berall dort, we sieh Mykobakterien aufhMten, nach Injektion grSBerer Bakterien. rnengen sehnell fiir kurze Zeit Ansammbmgon vorwiegend polymorphkerniger und einiger weniger mononucle£rer Leuko- cyten aLs u~mpezifische Reaktion. Sio ist als FremdkSrper- reaktion mit fast jedem beliebigen eingebrachten Fremd- kSrper erzielbar (bei sehr Meinen Keimzahlen karm sic aueh ausbleiben). Diese leukoeytare (hamatogone) Reaktion wird beider Infektion mit Mykobakterien schon nach wenigen Stunden durch eine vorwiegend histiocytare (histogene) Reaktion abgelSst. Diese Zellen. nehmen allmahlieh alle angebotenen Mykobaktorien intracollutar auf. Diese Zoll- reaktion tritt im Prinzip in allen Organen und Geweben auf, wenn aueh mit bestimmten lodifik~tionen, die fiir die ein- zelnen Organe typiseh sind und zum Toil mit dem AusmaB ihrer Ausstattung an reticularem Grundgewebe zusammen- hangen. Das weitere Sehieksal der Bakterien kann daher

aueh in verschiedenen Hauptrichtu..ngen ver- taufen, fiir die sieher noeh wieder Uberg/~nge bestehen. Die intraven6se Injektion hoeh- pathogener Keime fiihrt zunachst zu einer Verteilung auf alle Organe und Gewobo, jodoch mit quantitativen Unterschieden. Beim Myeobaeterinm tuberculosis bleibt, vor allem wegen der moist nieht absolut homogenen Aufsehwemmung, die immer aueh Keimballen enth£1t, ein Toil des injizierten Materials in den Lungeneapillaren in Form kleinster Emboli hgmgen. Die sofort herbei- str6menden, polymorphkernigen Leukoeyten phagocytieren kaum, moist gar nieht, sperren aber die Emboli gegen die Umgebung ab, bis Monoeyten und vor a]lem Histioeyten auftauehen und bald das Bild ganz be- herrsehen; die Leukoeyten verschwinden

dann oft fast vollstandig. Die Keime werden intraeellular auf- genommen, vermehren sich in ihren ,,Ammenzellen" sehnell, destruioren diese, werden wieder ffei, gelangen in neue Zellen, usw. Die intraeellul/~re Zellvermehrung erfolgt dabei sehnelt. Dieser Vorgang fiihrt 1. zn raseher Produktion yon mit Bakterien vollgestopften Zellen und VergrSBerung der abso- luten Keimzahl, 2. zur Verbreitung im ganzen Organ (viel- leieht aueh i m Organismus), da die bakterienhaltigon Zellen sich aus dem Gewebsverband 15sen und mit dem Kreislauf, dem Flt~ssigkoit~strom im Gewebe und in den Lymphbahnen weitertransportiert werden kSnnen. Erst diese keimbeladenen Zellen bewirken dureh Ansiedlung in den Organen unter dem Bride dor I~Iikro- oder Lokalstreuung die eigentliche Herd- bildung. Besitzt der Organismus keine Resistenz, so geht die Keimvermehrung und immor neue I-Ierdbildung schnell weiter, und der Prozeg zielt geradlinig in schneller Progression auf das Endo zu.

Sind die injizierten Keime wenig pathogen, u n d i s t die Keimzahl klein - - aber aueh, wonn der Organismus eine hohe Resistenz besitzt - - so sehlieBt sich an die intraeellulare Aufnahme die Keimhemmung an v. In ihrer unwirksamsten Form fiihrt sic zur Bakteriostase mit ,,ruhenden" Erregern, in der wirksamsten zur Bakteriolyse und damit zur Bacteri- cidie. Im 1. Fall haben wir kliniseh (wie im Tiorversueh) eine mehr oder weniger lange inaktiv bleibende Tuberkulose vet uns, im 2. eine eehte Heilu~g. Welehe Form verwh'Mieht ~drd, h/~ngt z. T. veto AusmaB der Resistonz ab.

Die einzelnen Organe unterseheiden sieh durch ihren untersehiedliehon Gehatt an phagoeytioronden Zellen, die man zweekmagigerweise in ,,fixe" Phagocyten (Retieulumzellen) und ,,mobile" Phagoeyten (Monocyten, I-Iistioeyten) einteilt. Organe wie Leber,. Milz, Lymphknoten, Knoehenmark, besitzen reiehlich Retieutumzellen (fixe Phag0cyten). Die digestive Leistung dieser Zelton ist zwar moist nieht grog gonug, um alle Keime zu vernichten, es kann abet zu einer Vermeh- rungshemmung kommen mit der Folge, dab die Keime naeh intraeellulgrer Aufnahme lange in diesen Zellen verharren, oft unter erheblieher Abwandlung dor ,,Normalform". In diosen Organen bilden sieh zwar auch Horde, jedoeh sind diese oft stationer odor sogar in I%iiekbildung begri~fen. Die Lunge ist dureh einon besonders roiehen phagoeytgren Appara~ aus- gezeiehnet, gerade aueh mit mobflen Phagoeyten, die ihrer Horkunft naeh toils freigowordene Alvoolarepithelien sind

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JR. 34. Heft 33/34 ENNO FREERKSEN: Resistenz, Immunitat , Allergm bei der Tuberkulose 885 1. September 1956

(mit Bewegungsrichtung in das Alveolarlumen und damit welter in die Luftwege hinein), teils Histiocyten (mit Bewe- gungsrichtung ins Gewebe hinein). Dariiber hinaus k6nnen auf dem Blutwege keimbeladene Phagocyten vor allem aus der Leber in die Lunge gelangen und deft transeapillar unmittelbar ins Lungengewebe iibertreten. In keinem anderen Organ ist die cellulite Auseinandersetzung mit Mykobakterien so umfassend und vielseitig wie in der Lunge, wobei aber die mobflen Phagocyten mit ihrer relativ geringen digestiven Kraft welt tiberwiegen und daher zur standigen Ausbreitung des Prozesses im Organ beitragen. M6glicherweise liegt darin eine der Ursaehen fiir die besondere Empfindlichkeit dieses Organs.

Bei der Maus hangt es nut yon der Zahl der eingebrachten Bakterien und deren Virulenz ab, in welchem Umfange es a) zur ZerstSrung der Speicherzellen und Ubersehwemmung mit Keimen, b) zum intracellularen Gleichgewicht (Bakterio- stase) oder c) zur Heflung (Baetericidie) kommt. Die ,,Tuber- kulose" erseheint bei der Maus als Parasitismus, dessen Ge- fahrlichkeit fiir das Leben des Tieres abh~ngt yon der Zahl der Parasiten, der Intensitgt, mit der sie sich intracellular vermehren, und der digestiven Kraf t der phagocytierenden Zellen, die den Mikroorganismen gegenfiberstehen. Die Maus ist befahigt, fiir lange Zeit Mykobakterien als Parasiten zu beherbergen und bis zu einem bestimmten Grade langsam zu eliminieren. Bei keimreicher, hochvirulenter Infektion jedoch gehen die Speicherzellen zugrunde. Die mikroskopische Untersuehung zeigt dann Nekroseherde, aufgebaut aus Histio- cyten (Monocyten, Makrophagen), Zelltrtimmern und massen- haft gespeieherten oder auch in Haufen ffefliegenden Myko- bakterien. Typische Epitheloidzellen linden sieh ebensowenig wie Riesenzellen; auch fehlt der ,,klassische" Rundzellen- saum. (Die tuberkulostatische Therapie wirkt hier in ihrer reinsten antibakteriellen Form.)

Beim Meersehweinehen effolgt die Keimaufnahme nach Infektion in gleicher Weise intracellular wie bei der Maus mit anschliegender intracellularer Vermehrung. Die Phagoeytose ist die Vorbedingung fiir die Ausbreitung des Prozesses; , ,naekte" Mykobaktcrien kSnnen sich im Blut nicht lange aufhalten. Selbst bei Injektion groger Keimzahlen finder man im str6menden Blur nur unmittelbar nach der Injektion und dann selten einmal frdliegende Keime.

Das mikroskopische Bild des Herdes zeigt beim Meer- schweinehen im Gegensatz zur Maus den Neuaufbau yon in nichtinfizierten Organismen nicht vorhandenen ZelIformen, die selbst nieht oder kaum speiehern, namlich den Epi- theloidzellen* (und Riesenzellen). Dicser ETitheloidzelltuber/cel hat ein gewisses Mal3 an Selbstandigkeit und Eigenleben. Obwohl der Herd anseheinend einen gewissen keimhemmen- den, in gtinstigen Fallen vielleieht sogar vernichtenden Effekt hat (er ist meist sehr keimarm), ist er doch solange in standiger ]~ntwicklung begriffen, als auch nur geringe Keim- zahlen oder ldeinste Mengen an Leibessubstanzen yon Myko- bakterien den st~ndig sieh erneuernden Anstog geben. D i e Sehwere des Prozesses ist daher auch nieht nur yon der Keimzahl, sondern vor allem veto Ausmag dieser eigen- standigen Zellproliferation am Herd abhangig. Chemo- therapie ffihrt hier zur Erregerhemmung, wodurch gleich- zeitig die lokale Anregung zur Herdbfldung vermindert wird. Der therapeutische Effekt geht also in zweierlei Riehtung. Sofern eine echte I-Ieilung mit v611iger Keimverniehtung zustande kommt (Baktericidie), miigte sic bei Mlergischen Organismen am Negativwerden der Tuberkulinreaktion zu erkennen sein. Leider ist diese Frage noeh nieht konsequent untersucht worden, obwohl darin eine der sichersten Therapie- kontrollen liegen k6nnte.

Die Unterschiedlichkeit des Verhaltens yon Maus und Meerschweinehen gegeniiber der Infektion mit Mykobakterien zeigt sich abet nieht nur morphologisch, sondern t r i t t auch gegeniiber Cortison deutlich in Erscheinung. Mause (und Ratten) bekommen eine schwere Verschlimmerung des Pro- zesses mit stark verkiirzten Uberlebenszeiten. Tuberkul6se Meersehweinehen bleiben dagegen praktisch unbeeinfluBt. Das Cortison wirkt anseheinend auf die parasitar-phago- eytotisehe Form der M~usetuberkulose dutch zusatzlichen tIistiocytenverbrauch (Monocytolyse ?). Das Meerschweinchen mit seinem tuberku]Ssen Herdaufbau und nur geringer cellul£r-phagocytotiseher Beteiligung wird durch Cortison nieht so geschadigt, wie es auch seit langem bekannt ist, dab

* In den knapp 1O0 Jahren sei~ seiner Einfiihmmg dutch ~VAGNER (1861) hat der Begriff nicht immer den gleiehen Inhalt gehabt. Man k6nnte auf ihn wegen seiner Unklarheit ohne Bedenken verzichten.

aueh beim gesunden Meerschweinchen unter Cortison keine Lymphocytolyse beobaehtet wird. Es ist dementsprechend nicht so sicher, ob die sog. antiphlogistisehe Wirkung des Cortisons eine so enge Beziehung zur Tuberkulose, insbesondere zur Allergie hat, wie das oft angenommen wird. Vielleieht stellt die ,,anti-allergische" Wirkung eine zu weitgehende Verallgemeinerung dar, denn beim Meersehweinehen wird auch die Tuberkulinreaktion unter Cortison nicht beeinflugt. Das Kaninchen ist aber zur Entseheidung dieser Fragen als Versuchstier nicht besonders geeignet, weil es ohnehin nieht konstant auf Tuberkulin reagiert. Dadurch sind manche Fehlurteile zustande gekommen.

Nach diesem kursorischen Vergleich yon Maus und Meer- schweinehen ira Hinblick auf die cellulare Bewaltigung der eingebrachten Mykobakterien mug die Frage erSrtert werden, ob das tuberkulSse Granulom selbst oder seine typischen Bestandtefle eine allergische Reaktion ist, wie manehe an- nehmen. Die Maus reagiert auf eingebrachte Mykobakterien nicht mit typischen Epitheloidzelltuberkeln, obwoh! sie dazu an sieh befahigt ist, denn feinster Quarzstaub bringt bei der Maus klassisehe Epitheloidzelltuberkel hervor (pAGEL19). Diese Gewebsantwort ist demnach eine unspezifisehe Fremd- kSrperreaktion, was sieh weiterhin daraus ergibt, d a b das Meerschweinchen nicht nut auf Mykobakterien, sondern auch auf Bact. eoli mit Epitheloidzellbfldung reagiert; also auch in Fallen, in denen das spezifische Allergen des Mykob£kteriums fehlt. Es ist also sicher unzulfissig, die Epitheloidzelle selbst als ,,allergisch" oder ,,al]ergisch bedingt" zu bezeichnen. Es ist aueh zu bedenken, dal~ die Tuberkulinreaktion i n einem tuberkul6sen Organismus an jeder beliebigen Stelle ausgelSst werden kann, aber in einem Mlergisehen Organismus ent- stehen keineswegs iiberall Epitheloidzellen aus Histioeyten, was aber zu fordern ware, wenn die ,,allergisehe Reaktions- lage" selbst Ursaehe der Granulombildung ware. Die lo/cale Anwesenheit yon Mykobakterien ist vielmehr unerlaglieh. Obwohl der Epitheloidzelltuberkel um die gleiche Zeit auftrit% als bei allergisierbaren Organismen die positive Tuberkulin- reaktion beobachtet wird (d. h. etwa naeh 8--9 Tagen post infect, beim Meerschweinchen), darf daraus doch nicht geschlossen werden, dab das eine durch das andere bedingt sei. Die Tuberkulinreaktion ist Symptom der Alle~gie, aber sic hat keine direkte Beziehung zur Epitheloidzelle; diese ist weder Produzent einer ,,allergisierenden Substanz" noeh die l~olge ihres Vorhandenseins. Anders steht es mit dem typi- sehen Rundzellensaum. Er kSnnte als allergisch bedingt angesehen werden, weft auch die Herdreaktion eine vascular- lymphocytare Reaktion ist. Beim Meerschweinehen ist massenhaftes Auftreten yon Rundzellhiillen um b~stimmte Gefagabschnitte der terminalen Strombahn beim Tuberkulin- rod typisch; die Zufuhr groger Dosen yon Tuberkul~n wird in einem tuberkulSsen, allergischen Organismus u. a. mit einer massiven lymphoeytaren Reaktion beantwortet. Bei der tuberkulSsen Maus gibt es weder eine Herd- noeh eine All- gemeinreaktion und Tuberkulin ist fiir tuberku!6se und gesunde Mause gleich giftig bzw. ungiftig. Der Herd islb also nieht ganz unabhangig yon der Allergie; denn dis Zufuhr eines ,,Teilallergens" (Tuberkulin) kann ebenso ein e ,,Herd- reaktion" ausl6sen wie die Zufuhr des ,,Vollallergens", ngm- lich lebender Mykobakterien bei der ,,Zweitinfektibn". Da aber naeh Einbringung der Mykobakterien (als Allergen) die dadurch entstandene Allergie den ganzen Organismus betrifft, muB eine humeral ,,verteilte", veto Makro- odet Mikro- organismus gebildete Substanz angenommen werden, die man als Allergie-Antik6rper (nicht Immunitats-AntikS~per) be- zeichnen k6nnte. Ob sie identiseh ist mit dem Faktor, der die Middlebrook-Dubos-Reaktion bewirkt, ist zw~ife]haft. Trotzdem mug sic (ebenso wie die in vitro-Leukocytenreak- tionen) als Allergic- und nicht als , ,Immunitats 'Ireaktion angesehen werden.

Es gibt aber nieht nur nieht-allergisierbare Species (Maus), sondern innerhMb allergisierbarer Species (Mensch, Rind) aueh nicht-allergisierbare Individuen. Das Au[lreten einer positiven Tuber]culinreaktion nach Keimeinbringung ist nieht obligat, und es ist zu fragen, was das NiehtzUstande- kommen einer Tuberkulinreaktion bedeutet. Manche Autoreh halten die allergische Reaktion selbst fiir eine ,,Abwehr- einriehtung" oder sehen in ihr sogar den Ausdruck einer zustande gekommenen , , Immunitat" . Das ist sicher falsch, dram die beste ,,Abwehr" (d. h. beste Resistenz) finder sich gerade bei jenen Species, die nicht allergisch werden (Maus!). Es miigte daher geklart werden, ob aueh die nichtallergisier- baren Individuen einer allergisierbaren Species sieh dureh

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886 Egsro FtCEE~KSES~: Resistenz, Immunitat, Allergic bei der Tuberkulose Kltnische Wochenschrift

hohe Resistenz auszeiohnen. Des wurde an Rindern gepri~t. Dieso erhielten oinen kleinen intraoutanen Testinfekt mit hoohvirulenton bovinen Keimen und wurden ansehlieBend in 6w6ehigen Abst£nden tubet kulinisiert. Die einzetnen Tiere vethiolten sich - - unabh~ngig yon Lebensalter, Ge- sehlecht und Art der Haltung - - in der geaktion auf Tuber- kutin ganz vorschieden. Einige roagioren nieht nut positiv, sondesn tun des in einom extrem starken MaBe mi t faust- groBon Herdreaktionon an des Infektionsstolle odor in doron rogionalen Lymphknoten. Eine zweite Gsuppe bleibt naeh dora Irffekt positiv und verh~lt sieh so wie es die Lehrbiieher vorschreiben. Eine dritte Gruppe reagiert zunachst positiv, wird abet dann naeh oinigen Woehon odor Monaten ncgativ. Nine letzte Gruppe wisd yon vornhetein nieht positiv. (Die Roaktion kann aueh tsotz sieher nicht gegebonor tuberkulSser Infoktion als unspezi/isehe Reaktion positiv sein - - ein Ph~- nomen, des hier trotz seiner Bedeutung zungehst auBerBetracht bMbon mug.)

Die histologische Untersuchung des Rindermaterials ergab, d~B zwisehen dor Starke der Tuborknlinreaktion und tier Ausdehnung des Prozesses koinerlei Beziehung besteht - - sine Feststellung, die unter anderen Bedingungen bei Mensch und Versuchstier in mlgezahlten Fallen gesiehert ist. Beim Mensohen zeigt sich dieses in dor kraftigen Tuberkulinreaktion nach der Vaccination mit virulenzschwachon BCG-Stammen; bcim N:oerschweinchon ebenfalls in der starken Tuberkutin- reaktion nach der Infoktion mit den ffir diese Species virulenz- schwachon isoniacidresistenten Stammen. Rinder, die nach siehes erfolgtor I~ffoktion nogativ bliebon, zoigten in der pathologisch-anatomischen, histologisehen und bakterio- logisohon Untersuchung keine Zeiehon einer floriden Tuber- kulose. Keime waren nieht naehwoisbar, und es konnten nur sp~rlieho Narbonbildungen an der Infektionsstolle auf- gofunden wordon. Dor ginderversuch (mit nichtallergischen Individuen) bestatigt somit den aus dem Verhalten des M~use (als nieh~-allorgisiorbare Species) gezogenen SehluB, dab die ausbloibende Reaktion auf Tuberkulin trotz sieheser Infektion ouch bei an sieh allorgischen Species einhorgehen kann mit einor hoehentwiekelten Resistenz. Jedoeh wird des Umge- kehrte vormutlich ebenso vorkommen - - d. h. guts Resistenz bei positiver Tuberkulinreaktion. Ich m6ehte daher annehmen, dab eine positive odor negative Tuborkulinreaktion an sieh nichts fiber den Grad des Resis~enz aussagt. Dagogon ist des SehluB erlaubt~, dab sich jene Gruppe unseror Rindor, die naeh anfangtieh positives Reaktion allmahlieh negativ werden, sieh durch sine guto Resistenz auszeiehnon, denn die allm~hliehe Eliminierung des Koimo wird nur resistenten Organismen m6g- lieh ~in. So versehwindet allmahlich ouch das Allergen und die Reaktion wird negativ. ObwoM also die Allergic und damit ouch die Tuberkutinroaktion an sieh nichts mit des Resistenz zu tun hat, mfiBon wit doch armehmen, dab Organismen, die nioht longs positiv bleiben, dureh Resistenz ausgezeiehnet Mind. Es ist daher ouch sehr zweifelhaft ob Kinder, die nach BCG- Impfung selmoll wieder negativ werden, ihren ,,Schutz" ~er- Ioron haben. Diese Individuon miisson zwar auf don Supes- infoktionssehutz dureh Interforenz verziehten - - sic sind abet durch ihro guts Resistonz im Vortefl.

3{aus und Ratte kSnnen )/Iykobakterien aufnehmen und setzen sieh mit ihnon auseinandos. Sic sind aber nieht allorgi- sierbar, bflden keine Epitheloidzellen, koine Lymphocyten- walls und keine Riosenzellen, obwohl doeh boi ihnon die Vaccination die Sehutzwirkung gogon die Suporiiffoktion hat. Diesor dureh Impfung mit lebenden Erregern orroiohbare, partiolle Sehutz, die falsehliehorwoise als ,,Immunitat" bezoiohnote Interfelenz, hat also mit des Allergic niehts zu tun. DaB ouch die Resistenz sichor nieht dureh die Allergic zustande kommt, braueht kaum noch erwahnt zu werden. Wohl abor stellt die Allergic durch die 1VISglichkoit der Aus- 16sung der Herdreaktion odor einer Allgemeinreaktion sine da~ Gosamtbild verungi~nstigendo Komplikation des Erkran- kung daL Diose Bourteilung der Tuberkulinreaktion, vet allem im Hinblick auf da~ ,,Negativbleiben" klart gleieh- zeitig die Bedeutung dor positiven TuberkuIinreaktion. Natiir- lioh hag sic die bekannte diagnostisehe Bedeutnng, indem sie des Bestehen sines Allergic anzeigt. DaB des abor nur fiir iiborhaupt allergioboroite Organismon gilt, ist nach dem vorher Gesagten solbstvers~ndlich. Man kann also ouch nieht mit dieser Reaktion nieht-allergisiorbare Keimtrager {Meuse, Ra, tten, Hiihner, V6gel) erkennen, was souchen- hygioniseh yon groBor Wichtigkeit ist, hier abor nieht weitor vorfolgt, sondern an andorer Stolle or6rtert worden sell.

Die positive Reaktion auf Tuberkulin karm also auoh nicht sine ,,gu~ Abwehrlage" (zustande gekommen dureh Vac- cination odor vorhergehende Infektion) anzeigen. Sic ist odor bedeutet ouch sichor nicht Resistenz odor gar ,,Immuniti~t". Alle diese Fragen um die lange erbittert gekampft wurde, erledigen sich meines Erachtens yon selbst dureh die, wie ieh glaube, hinroichend belogte Ansieht, dab die ,,Allergic" nicht zu don eigentlich gestMtenden Faktoron dor Erkrankung geh6rt - - dioso bostehon dominierend in der Resistenz und adjuvierend in der [nter/erenz - - sondern komplizierend hinzutritt und konsequenterweise unter das Gesamtgebiet der Kondition, und zwar unter die die Kondition verschleeh- ternden Faktoren, zu rechnen ist.

Diese Bofunde und ~berlegungen haben noch einen woitoron wiehtigen Aspekt. Isoniazidrosistonto St~mme machon beim Meorsohweinehen sine sehr milde, benigne vorlaufonde Tuborkulose. Die Tuborkulinreaktion fallt trotz- dora positiv aus - - oft starker aIs beim hochvirulonton Infekt. Die Allergisierung durch Myeobakterien tritt also bei diesem Tier in gewohntor Weiss sin. Die tterdbildung durch diese St~mme ist dagogon wenig ausgepragt u n d e s besteht aus- gesproehone Tendonz zur Vornarbung. DiG Virulenzschwaehung dor isoniazidrosistonten Stamme auBert sieh also boim Neor- schweinohen nieht in einer Abschwachung des Allergisierung, sondern in einer Minderung jones Potenzen, die die tterd- bildung anrogon. Man mug also Allergic und Pathogonit•t seharf tsonnen.

AiIo .Beobachtor stimmon darin iiberein, daft isoniazid- resistente Stamme zwar beim Meorschweinehen, nicht abor beider Maus die typisohe ,,Virulonzscbwachung" zeigon. Des ist nicht erstaunlieh, denn die geringe Potenz dieser Stamme zur Granulombfldung kann den Mausen nicht viel niitzen, weft sic ohnehin keine vol]standigen Granulome aufbauen. Dieser gerund zoigt, dab ,,Virulenzschw~chung" nicht ouch Mindorung der Pathogenit~t bedoutet, die im wesontlichon durch die F~higkeit zur Dostruktion dor Speicherzellon aus- gedriickt ist und in Konkursenz zur I~esistenz steht. Des wird oxperimentell in der infizierten Gewebekultur besti~tigt; die intracellulare Vcrmehrungstendenz und Zelldestruktion ist bei schwachvirulenten (isoniazidresistenten) und hochviru- lenten (isoniazidsensiblen) Varianten des gleichen Stammes praktisch nieht unterschieden, da die Pathogenitat die gleiche ist. Der 2~lensch vcrhalt sich isoniazidresistenten Stammen gegeniiber ahnlich wie das Meorsehweinehon, denn ouch seine Tuberkuloso ist nicht parasitar, wio die der Maus, sondern durch die Bildung des Epitholoidzelltuberkels charakterisiert.

Woffen wit unter diesen Gesichtspunkten noch einmal oinen Blick auf die BCG-Impfung, so hat sic bei allergisior- baron Organismen (also ouch beim Mensehen) einen doppelten Effekt: 1. den Supcrinfektionsschutz dutch Intofforonz, 2. die Allergisierung, als fiir die Diagnose wertvoHen, sonst aber nicht wtinschenswerten Nebeneffekt. Worm es schon keino cchte Immunit~t bei der Tuberkulose gibt, ware sine Impfung, die zwar Interferenz, abet keine Allorgisierung bewirkt, vorzuziohon. Dazu kSnnto man die BCG-Impfung ontweder mit einem desensibilisioronden Effekt verbinden (was ansoheinond dureh orals Vorabfolgung grebes Koimzahlen mSglich ist) odor yon vosnheroin nicht allergisierende Keime Ifir die Erzeugung der Interferenz vorwonden. Es ist allerdings m6glich, dab Mykobakterionst~mme deshalb ganz besonders geeignet sind, weft sie sich sehr lange lebend in Makroorganis- men halten kSnnen; es ist aber nicht ausgeschlosson, dab es Stamme gibt, die dem BCG vorzuziehen sind. Damit wiirde die Tuberkulinreaktion in den Hintergrund treten, was aber nicht wesentlich ist, weft sit ouch jetzt nur diagnostische Bedeutung in dem Sinne hat, als sie die erfolgte Allergisierung dutch Vaccination anzeigt. Ubor den erworbenen Schutz sagt sic ohnohin nichts aus.

Der d0minierende Faktor fiir Zust~ndekommen und Ab- lauf sines tuberkulSsen Infektes ist demnach die tCesistenz, also die angeborene Fahigkeit des Makroorganismus, mit soinon oigenen, natiirlichen Hilfsmitteln die Infektion zu bewaltigen - - ein Gesichtspunkt, auf den yon kliniseher Seite besonders LYDTIN 14, 15,16 und CATEL 1, "irOn exper imen- teller Seite BR. LA~'GE 11, ~2 immer wieder mit Naehdruck hingowiesen haben. Adjuvierond kommt der durch Intorforenz erreichbare Suporinfoktionsschutz hinzu. Die Allergic ist (allerdings nur bei alJergisierbaren Organismen) oin patho- genetisch st6rendes Zusatze]ement, beinahe sine Art Zweit- odes Parallelkrankheit, die phanomenologisch alterdings ganz im Vordergrunde stehen karm.

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5g. 34, Heft 3~/3~ DIETE]a P. MEn,Z: Betrachtungen fiber das Problem der K6rperfliissigkeitsmessung beim Menschen 887 1. September 1956

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KRITISCHE BETRACHTUNGEN ~BER DAS PROBLEM DER KORPERFL~SSIGHEITS~SSUNG BEIM M E N S C t t E N

Von

DIETER P. MERTZ

AUS der ]t~edizinisehen Klinik des St~dtisehen Krankenhauses Stuttgart-Bad Cannstatt (Ehemaliger Direktor: Prof. Dr. X. BECE~IAR~IV ~)

Obwohl Wasser den Hauptbestandteil des tierischen und mensehliehen Organismus bildet und in seiner Eigenschafg als LSsungs-, Verteilungs- und W~trmeregulationsmitteI eine Voranssetzung zum Leben ist, war nnser Wissen nm Menge, Verteilung and interne Kinegik des KSrperwassers his vor kurzem sehr unbefriedigend. Lange Zeit bemiihte man sich vergeblieh, Methoden zu linden, die eine gleichzeitige und un- abh~tngige exakte quantitative Erfassung yon Gesamtmenge und Vertgilungsi~nderungen des KSrperwassers zwischen den einzelnen Flfissigkeitskompartments gestatten. Die Kenntnis veto normalen KSrperwassergehalt und yon der quantitativen Wasserverteilung auf den intra- und extraeellulgren Ranm ist aber zum Verstandnis pathologischer Bedingungen im Wassor- und Elektrolythaushalt bei Herz-, Nieren- und Lebererkran- kungen und versehiedenen StSrnngen, die mit Exsiccose einhergehen, sowie zur Entwicklung gezielter therapeutischer Ma~nahmen yon groBer Wichtigkeit.

Die modernen Verfahren zur Messung der KSrperflfissig- keitsri~ume beruhen haupts~chlieh auf dem Verteilungsgrad kSrperffemder Substanzen. Die GrSl~e des Verteilungs- volumens li~t~t sich durch Division der znr Zeit des Verteilungs- gleichgewiehts ira KSrper befindliehen Menge an Testsubstanz dureh ihre Plasmakonzentration errechnen. Von den ~IelL subst~nzen wird gefordert (LnvIT~ und GAvDI~O~), d~lt sie sieh sehnelt, gleiehmal~ig und aussehtieBlieh in den betreffenden Fliissigkeitsr~tumen verteilen, physiologisch inert sind, nicht toxiseh wirken, keine Flfissigkeitsverschiebungen auslSsen und langsam aus dem XSrper ausgeschieden werden. Im Prinzip bestimmt man den GesamtkSrperwassergehalt und den Urn- fang yon extracelluli~rem Ranm (ECR) und Plasmavolumen (PV) experimentell nnd erreehnet daraus die GrSge des intra- cellulgren Raumes (ICR) und des interstitiellen Raumes (ISR) als Differenzwerte.

Gesamtk5rpsrwaaser Von den zur Messung des GesamtkSrperwassers empfoh-

lenen Substanzen (u. a. Sulfanilamid ~-~, Harnstoff ~-n, Thioharnstoff ~-~a, Xalium ~ - ~ konnten sich nur Deuterium- oxyd (D~0) ~s-~, Tritiumwasser (THO) ~a, Antipyrin ~-~s und ~N-Acetyl-4-&mino-antipyrin (NAAP) ~ behaupten, da nui sie die geforderten Bedingungen weitgehend zu efffillen seheinen. Allerdings wird bei Verwendung yon Antipyrin ~°, a~ und NAAP ~ durch Adsorption dieser Substanzen an Plasma- nnd Gewebeproteine und den Abbau im Stoffweehsel nieht der gesamte Waaserraum besthnmt. Naeh vergleiehenden Unter- suchungen yon L J u ~ ¢ o ~ s~ liegen die mit der Antipy¢in- methode ermit~elten Werte, bezogen auf den D20-Raum, bis fibe~ 9 % tiefer. Die gegen die Brauehbarkeit yon Antipyrin und NAAP erhobenen Bedenken miissen sich auch gegen die Ein- fiihrung yon mit J~o~ signiertem 4-Jod-Antipyrin als MeB- substanz ss riehten, da dessen Verteilungsmodus dureh Jod- speieherung in dor Schilddriise nnd sehnelle Ausscheidung im Harn noch uniibersichtlicher ist. Daher erscheint es ratsam, zur exakten Erfassung des Gesamtk6rperwassers nur D20 oder T H e zu verwenden, wenn damit auch gr6Bere Kosten nnd kompliziertere Analysen verbunden sind.

Die rnit Dee oder T H e gefundenen Werte kommen den wahren Verhgltnissen sicherlich am n~chsten. Beide verteilen sieh im wesentliehen wie normules Wasser. Jedoeh wiesen

THOMPSON und ~ALLOU 34 so~rie GLASSCOCK und DUIVCOMBE 35 nach, daB der ]ebende Organismus durchaus in der Lage ist, zwischen den einzetnen Isotopen des Wasserstoffs und nor- malen Wasserstoffatomen wegen der relativ groBen Massen- differenzen zu unterscheiden. Dieser Umstand maeht sich in erster Linie in der verschiedenen Geschwindigkeit bemerkbar, in der D- bzw. T-Atome gegen labile H-Atome der KSrper- substanz ausgetauscht werden. Vor allem muB der Ein- lagerung yon isotopem Wasserstoff ins Gewebe bei der Aus- wertung biologischer Versuche. Rechnung getragen werden.

Veto D20 ist bekannt, dab es sich nach einmaliger Injek- tion bei gesunden Menschen im Lanfe von 1--2 Std 3s, sT, bei 6dematischen Patienten in 4--11 Std 4s gleiehmaBig ver~eflt, die Halbwertszeit der Verweildauer im KOrper 9,3d: ],5 Tage betr~tgt sT, die Plasmakonzentration 19 Std nach Errei0hen des Verteilungsgleichgewiehtes konstant bleibt ss und die Niere zwischen D~O und H~O nicht zu unterseheiden vermag sg, so dab auf eine Plasmauntersuchung zugunsten einer Xonzen- trationsbestimmung im Urin verziehtet werden kann t°. Die in den Stoffweehsel einbezogenen D-Atome machen etwa 5 % der verabfolgten Dosis aus 3s. Als durchschnittlichen Gesamt- wassergehalt ermittelten SOB~gMA~ nnd Mitarbeiter 2~ 53 % des K6rpergewichts bei gesunden Mgnnern und 45% des K6rpergewichts bei gesunden Frauen. SOHLO~B und Mk- arbeiter s7 fanden Werte yon 61,3% bei Mttnnern bzw. 53[,9% bei Frauen.

Wa~hrend zur }Iessung der D~O-Xonzentration massen- spektrographische bzw. Dichte-Bestimmungen s7, ~1, t2, sowie nenerdings eine Photoneutronenteehnik ~s in Frage kommen, ist das 1939 zur Darstellung gebrachte Tritium radiogktiv (fi- Strahler) und macht einen sehr zeitraubenden Analysengang 20 erforderlich. T~o~rsoN ~4 land unter Verwendung yon T~O eine biologisehe Halbwertszeit des K6rperwassers bei Mausen yon etwa t, l Tagen und bei Rat ten 4s yon annghernd 3,3 Tagen. Mit Ausnahme des BIutes stellte er gewebsgebundene Tritiumkomponenten lest, deren biologisehe Halbwertszeit 80 Tage und lgnger betrugen. Die Gesamtmenge ap T, die ins Gewebe dureh Austausch gegen t t-Atome eingelagert wird, maeht etwa 0,5--1% der verabfolgten ~ienge an T a u s 4~. Ffir Tritium-fl-Strahlen konnte jedoch eine Toxicit~tt ausge- sehlossen werden 4s. Das Verteilungsvolumen yon TI-IO, das beim Menschen 1 Std nach intravenSsei In jekt ion erreicht ist 2°, bewegt sich normalerweise um Werte yon 52,1% des KSrpergewichts 4~.

An allen mit Hilfe der Verdiinnungsveffahren ge~ndenen Werte fiber die Gesamtk6rperflfissigkei~ ist auffgllig; dal~ sie einmal niedriger als fri~here Angaben liegen und zum andern individuell auBerordentIich unterschiedlich sin& Die ersten Volumenbestimmnngen des Gesamtk6rperwassers beruhten auf der Mumifizierung des K6rpers. Danach betrug der Wasser- gehalt beim gesunden erwachsenen menschlichen Organismus etwa 65% (SIm~'oK *s, S~LTOS*S). Die offensichtliche Be- grenzung des Austrooknungsverfahrens liegt darin begrfindet, dab beim Anstrocknen bzw. Erhitzen 1. nieht n u r Wasser, sondern aueh fliichtige organisehe Sauren, CO s usw. abgegeben werden, 2. manehe Salze schwacher, fliichtJger Sa.uren CO s absorbieren und die Sguren in Freiheit setzen, 3. infolge chemi- scher Umsetzungen Wasser neu gebildet und demzufolge falschlich aueh anteilig als GesamtkSrperwasser bestin~mt wird. Daher kSnnen die friiheren Ergebnisse nicht den tatsi~chlichen