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_ Reihe Hanser

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_Reihe Hanser

BB 1 62585

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Fritz und Ben sind die besten Freunde der Welt. Fritz istein Sportass. Ben darf gar nichts: nicht Fußball spielen, keinTennis, nicht schwimmen. Bens Mutter meint nämlich,dass ihr Sohn sich schonen sollte, weil er als Baby sehr krankwar. Öde und blöde finden das die beiden Jungs. Und plötz-lich sollen alle zum Schwimmunterricht. Fritz versuchtheimlich, Ben, den Nichtschwimmer, fürs Seepferdchen fitzu machen. Gar nicht leicht, wenn einer so wasserscheuist, dass er sich nicht einmal in ein Schaumbad traut! Aberspannend und toll, mit dem besten Freund ein Geheimniszu haben.

Ute Wegmann, geboren 1959, studierte Germanistik undRomanistik. Sie lebt in Köln und arbeitet als freie Jour-nalistin u. a. für den Deutschlandfunk.

Sabine Wilharm, 1954 geboren, studierte an der Fachhoch-schule für Gestaltung in Hamburg und arbeitet seit 1976 alsfreie Illustratorin. Sie zeichnete den deutschen Harry Potterund illustriert Timo Parvelas »Ella«-Bücher.

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Ute Wegmann

Die besten Freunde der Welt

Fritz und Ben

Mit Illustrationen vonSabine Wilharm

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2. Auf lage 20152014 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

© 2012 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, MünchenUmschlagillustration: Sabine Wilharm

Gesetzt aus der BemboDruck und Bindung: Druckerei C.H.Beck, NördlingenGedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier

Printed in Germany · isbn 978-3-423-62585-2

Ausführliche Informationen überunsere Autoren und Bücher

www.reihehanser.de

Ute Wegmann in der Reihe Hanser:Sandalenwetter. Eine Liebesgeschichte (dtv 62219)

Weit weg … nach Hause (dtv 62299)Never alone (dtv 62379)

Sommer war gestern (dtv 62468)Die besten Freunde der Welt (dtv 62589)

Hoover (dtv 64015)

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für Fritz und Enofür Dario und für Tom,besonders für Ben Klein

und für alle kleinen und großen Bens

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Warten finde ich doof

Sieben.Acht.Neun.Ich sitze auf der Treppe vor dem Haus und

zähle silberne Autos. Damit ich mich nicht lang-weile.

Silber ist gerade irgendwie modern. Ich wun-dere mich, wie viele vorbeifahren.

Ich warte auf Ben. Warten find ich doof.Wir wollen zum Tennis. Ben kann gar kein

Tennis, aber ich hab versprochen, es ihm beizu-bringen. Schließlich ist er mein bester Freund.Der beste Freund von Fritz. Und Fritz, das binich.

Fritz klingt klug, sagt meine Oma.Kurz und knackig, sagt meine Mutter.Wie Brause mit Zitronengeschmack, sagt Opa.Der alte Fritz, das ist eine historische Person,

sagt mein Vater.

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Fritzi Flitzi mit dem kleinen Pitzi, ruft meineblöde Cousine Pia.

Die wird sich noch wundern.Alles braucht seine Zeit! Ich mag Opas Lieb-

lingsspruch.Zeit klingt wie ein Zauberwort.Zeit hab ich nie. Bin immer unterwegs. Meis-

tens schnell. Am schnellsten mit meinem Roller.Deshalb hab ich den Spitznamen Flitz. Klingt wieFritz auf Chinesisch.

Die Chinesen können kein R sprechen, sagtBen. Er weiß solche Sachen.

Er kennt fast alle Länder der Erde, die Spra-chen, die Flaggen, die Tiere, die dort leben. Dasinteressiert ihn.

Schon wieder ein silbernes Auto.»Mensch, Ben!«, rufe ich zur geschlossenen Tür

und schaue auf meine Uhr: Es ist Viertel vor drei.

In Vorgärten auf Treppen rumsitzen macht michnervös. Besonders wenn mich Zwerge beobach-ten. Ich sehe vier zwischen den Blumen, undeiner versteckt sich unter dem Baum.

Jetzt warte ich schon fünfzehn Minuten aufmeinen Freund.

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Meine Füße trampeln von einer Stufe auf dieandere, rauf und runter. Von ganz alleine.

Ich gähne. Seit halb acht bin ich wach. Enormviele Stunden.

Jeden Tag das gleiche Frühaufstehen. Anstren-gend. Besonders für meine Mutter. Meinem Vatermacht das nichts aus. Egal, wann der aufsteht, derist immer gut gelaunt.

Warum kann die Schule nicht um zehn Uhranfangen? Das fragen wir uns jeden Tag, meineMutter und ich. Denn jeden Morgen weckt sie

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mich mit dem gleichen Ich-will-lieber-wieder-ins-Bett-Gesicht.

In der Küche bestelle ich mir mein Frühstück.Extra höf lich, damit es klingt wie im Café: »EineTasse Kakao, bitte!«

Wenn meine Mutter ausgeschlafen ist, spielt siemit und bedient mich wie eine nette Kellnerin,die Kinder mag. Essen kann ich nach dem Wach-werden nichts. Mein Magen schläft um dieseUhrzeit noch. Wie meine Mutter. Wir reden des-halb morgens nicht so viel. Nur das Wichtigste.

»Morning!«»Morning!«Ich puste in die dampfende Tasse.Sie schmiert Butter auf eine Brotscheibe.»Cheese or salami?«»Schmierkäse!«, antworte ich.Sie verdreht die Augen und geht zum Kühl-

schrank.Auch noch Extrawürste, denkt sie.Ich weiß, was sie denkt. Manchmal rutscht ihr

das nämlich raus.Manchmal fehlen ihr auch Wörter, denn sie

kommt aus einem anderen Land. Sie lebt nicht solange in Deutschland wie die Mütter meinerFreunde. Die sind alle schon immer hier.

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Mum, das sagen englische Kinder zu ihrenMüttern, wurde in England geboren. Vor 29 Jah-ren. Sie hat nur Englisch gesprochen, Englischgehört, Englisch gelesen, Englisch gegessen, Eng-lisch geträumt … bis sie meinen Dad kennen-lernte.

ZOSCH! erwischte sie ein Liebespfeil.

Zosch, ein Auto zischt vorbei. Elf silberne sindbis jetzt meine Ausbeute, aber das vorbeige-zoschte war diesmal gelb. Wie meine Tennis-bälle. Ob wir heute noch zum Tennisplatz kom-men?

Vor Langeweile fange ich an zu jonglieren. Mitdrei Bällen, das ist einfach. Ich nehme den viertendazu.

Ben, was machst du bloß?, denke ich und spü-re, wie ich vor Müdigkeit kaum die Bälle auffan-gen kann.

Ich denke an meinen langen Schultag. DerSchulweg ist das Beste. Manchmal holt Ben michab, oft geh ich allein.

Gleich neben unserem Haus gibt es eine Bä-ckerei. Durch die Seitenfenster kann ich in dieBackstube gucken. Bäcker Zimmermann arbeitetin einem weißen T-Shirt und blau-weiß karierter

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Hose. Sogar sein Gesicht und seine Hände sindweiß von all dem Mehl.

Wenn er mich sieht, winkt er mich herein undschenkt mir ein warmes Schokocroissant. Ich hal-te es unter meine Nase. Oh, herrlicher Schokola-denduft. Jedes Mal überwältigt mich ganz plötz-lich ein riesengroßer Hunger. Der taucht soschnell auf wie eine Wespe beim Limotrinken.Kaum zurück auf dem Bürgersteig muss ich sofortin das Croissant beißen. Die warme Schokoladeläuft dickf lüssig über meine Zunge und an mei-nem Gaumen vorbei. Lecker! Ich bleibe stehenund schließe die Augen. So kann ich den Ge-schmack richtig genießen.

Auf der anderen Straßenseite hat der Gemüse-händler schon seine Regale aufgebaut. Er stehtbestimmt noch früher auf als ich. Meine Mumsagt, er fährt morgens zum Großmarkt, um dasbeste Obst einzukaufen.

Ich glaube, der mag mich auch.»Günaydin, Fritz, schöner Arbeitstag«, ruft er

mir jeden Morgen zu, und dann wirft er mireinen Apfel oder eine Apfelsine quer über dieStraße bis auf meine Seite. Der kann super wer-fen. Er sagt, er hat früher Handball im Wasser

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gespielt. Das nennt man dann wohl Wasserball.Als er ein Junge war, wohnte er am SchwarzenMeer und konnte das jeden Tag üben.

»Danke, Herr Özgul«, rufe ich ihm zu. »Anapple a day keeps the doctor away.« Das ist so einSpruch von meiner Mum.

»Jawoll!«, sagt er lachend. »Çok bulus!«Keine Ahnung, was das bedeutet. Ich verstehe

kein Türkisch, und er versteht kein Englisch. Wirlachen uns an. Ich winke ihm und gehe zur Schule.

So ist das jeden Tag.

Warum beeilt Ben sich nicht?, denke ich undstoße mit dem Fuß ganz leicht gegen den Zwergan der Schubkarre. Der Doofi-Zwerg stehtzwischen den Blumen, bewegt sich keinen Milli-meter und glotzt. Ich glotze zurück.

Eigentlich wünsche ich mir mehr Zeit für Ben.Aber ich bin immer ausgebucht. Meine Woche istrappelvoll. Von Montag bis Sonntag ist bei mirganz schön was los. Jeden Tag Schule. Jeden TagTermine. Termine nach den Terminen. Terminevor den Terminen.

Willst du Manager werden?, hat Oma mich ge-fragt.

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Ich werde Man in Black, Oma!, habe ich ge-antwortet.

Schon wieder weg?, lachte sie daraufhin unddrückte mir die Hand zum Abschied. Ich wolltenoch gar nicht gehen.

Sie hört wirklich nicht gut.Mein Opa sagt, meine Oma ist eine taube Nuss,

aber er hört noch die Flöhe husten. Dabei lacht er.Er meint das nicht böse.

Ich kann supergut hören. Wie Opa. Aber ich höreimmer noch keinen Ben.

Ich sitze schon gefühlte drei Stunden auf derTreppe.

Doofe Autos. Doofes Zählen. Doofes Warten.Der freie Nachmittag kriecht in die Ritzen

zwischen den Pf lastersteinen. Ich starre auf denBoden und glaube, dass ich das Gras wachsen sehe.

Ben will doch unbedingt Tennis lernen. Das istein Geheimnis. Das ist der Grund für unsere Ver-abredung.

Ich drehe mich um. Die Tür bleibt zu.Die Zwerge glotzen.Die Zeit in meinem Kopf steht fast still und

dabei rast sie. Wie kann das sein? Das macht michalles voll nervös. Meine Füße trampeln von selber

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auf und nieder. Ich stehe auf und setze mich aufdie Mauer. Jetzt schaukeln meine Beine. Hin undher und hin und her.

Ich weiß, dass so ein Nachmittag nicht ewig dau-ert. Ben muss nämlich immer früh nach Hause.Und – ein freier Nachmittag in meinem Leben isteine Ausnahme. Heute ist zum Beispiel Mitt-woch, und Mittwoch bedeutet Fußballtraining.Und ich habe nur frei, weil mein Trainer Schnup-fen und Husten und Fieber hat.

Meine freie Zeit verbringe ich mit Ben. Dersich übrigens jeden Tag mit mir verabreden könn-te. Ein Freund, der immer Zeit hat, das ist toll.Der Grund dafür ist nicht toll.

Die Haustür quietscht. Ich fasse es nicht: Da stehter. Endlich!

Ich springe auf vor Freude, aber Ben sieht auswie schlechte Laune.

»Hi!«, sagt er sehr knapp.In der Tür erscheint seine Mutter und winkt

uns mit einem lauten »Tschööö, Kinder« und demÜberlebenstipp: »Geht nicht so weit weg, undBen, pass auf, wenn du auf das Klettergerüststeigst und …«

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Wir winken zurück und machen dabei viele klei-ne Schritte, damit sie nicht merkt, wie schnell wirwegwollen. Die Stimme von Bens Mutter wirdimmer leiser, und der Wind zerfetzt die Sätze undverschluckt die Wörter. Ich denke an Zuckerwat-te. Die habe ich auf der Kirmes gegessen. Die löstsich mit Spucke zusammen im Mund auf. WieSilkes Wörter im Wind.

Als wir nichts mehr hören und die Mutter nurnoch ein Rote-Bluse-Punkt im Vorgarten ist,sagt Ben: »Meine Mutter nervt! Ich musste unbe-dingt ihren neuen Schokokuchen probieren.«

Bei dem Schokokuchenwort läuft mir dasWasser im Mund zusammen und ich denke: Hm,lecker.

»An einem stinknormalen Mittwoch?«, frageich.

Mein bester Freund nickt. Ich kann es nichtglauben und beneide ihn ein bisschen.

Wie schön, dass deine Mutter immer da ist undKuchen backt, will ich sagen. Aber dann fällt mirein, dass das gar nicht schön ist, denn Bens Mut-ter schwirrt um ihn herum wie eine Fliege umeinen frischen, warmen Vanillepudding.

»Wo sind deine Turnschuhe?«, frage ich statt-dessen.

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Er schaut mich an. »Turnschuhe? Ich hab keine.«Na, das kann ja lustig werden. Einen zweiten

Schläger habe ich eingepackt, und die Bälleschleppe ich sowieso meistens mit. Aber jetztmüssen wir auch noch Sportklamotten in seinerGröße finden. So ist das mit Ben, bei praktischenSachen kann ich mich nicht auf ihn verlassen.

Meine Mutter würde jetzt ihren Lieblings-spruch sagen: Keep cool!, weil das der erste Satzwar, den sie von meinem Vater gehört hat.

Das ist eine Extra-Spezial-Geschichte, die er-zähl ich später.

Keep cool! heißt auf jeden Fall: Reg dich nichtauf! Bleib locker!

»Kein Problem!«, beruhige ich Ben und mich.»Bleib locker! Wir finden schon was für dich. Jetzterst mal weg hier.«

Und als ich das sage, sieht Ben schon ein biss-chen glücklicher aus.

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Wortsalat und warumSonntage sooo schön sind

Das erste deutsche Wort, an das sich meine Mut-ter erinnert und das ihr richtig gut gefiel, warLiebling.

Am Anfang dachte sie, Lieblinge wären dieHeinzelmännchen, die in der Nacht das Hausputzen und aufräumen. Diese ulkigen Auf-räumzwerge kannte sie aus einem Buch. Als meinVater immer wieder Liebling zu ihr sagte, konnte

sie sich nicht darüber freuen, denn sie wolltenicht Papas Heinzelmännchen werden. Aber

irgendwie passte alles nicht zusammen,denn mein Vater machte etwas, das

kannte sie von ihren Brüdern

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kein bisschen: Er half im Haushalt mit. Er räumteGeschirr weg. Er spülte. Er saugte Staub. Dannhat sie endlich im Wörterbuch nachgeguckt: Lieb-ling ist das gleiche wie Darling und nicht wie brow-nie. Außerdem liebte er sie so wahnsinnig sehr,das hat sie gefühlt. Mit dem Herzen, sagt sie. Erwar selber der Brownie. Und er verhält sich immernoch wie ein Heinzelmännchen.

Seit ein paar Wochen putzt er total gern Schu-he. Samstagmorgens stellt er alle Schuhpaare ineine Reihe, holt die Kiste mit den Tuben undBürsten aus der Vorratskammer und sucht dierichtigen Farben aus. Dann werden die fettigenCremes mit den Schwämmchen aufgetragen,und wenn er bei dem letzten Paar angekom-men ist, beginnt er, die ersten mit einemweichen Lappen abzuwischen, bis sie glän-zen wie Weihnachtskugeln. Meine Mumliebt das. Und sie liebt ihren Brownie.

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Mittlerweile spricht meine Mutter gut Deutsch,und wenn ihr mal ein deutsches Wort fehlt, sagtsie einfach das englische. Wortsalat, nennt meinPapa das.

Mit mir will sie andauernd Englisch spre-chen. Damit ich ihre Muttersprache lerne, sagtsie. Es wäre auch meine Muttersprache, weil sieja meine englische Mutter ist. Kompliziert.Manchmal nervt das, und ich höre die Sätzeeinfach so, wie ich will. Meistens antworte ichdann in Deutsch. Vielleicht habe ich ein auto-matisches Übersetzungsprogramm in meinemGehirn.

Mein Vater regt sich schon mal auf, wennMama was Falsches sagt. Er ist so ordentlich, dasmerkt man ja an der Geschichte mit den Schuhen.

Aber trotz Wortsalat küssen sie sich oft.Das ist mir total peinlich, beruhigt mich aber,

weil ich denke: Die kommen auch alleine zurecht.Die brauchen mich gar nicht unbedingt. Und ichkann meine Sachen machen.

Sonntags, wenn Papa keinen Dienst hat, sind wireine echte Familie. Meine beiden Eltern und ich,das Kind. Zwei plus eins!

Keine Hektik! Alle haben Zeit füreinander.