pseudotumor cerebri, bedingt durch eine röntgenologisch faßbare anomalie des hinterhauptloches mit...

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(Aus der Medizinischen Klinik Erlangen [Direktor: Prof. L. R. M411er].) Pseudotumor cerebri, bedingt durch eine r6ntgeno- logisch fafibare Anomalie des Hinterhauptloches mit Verlagerung der beiden oberen Halswirbel. Von G. Bodechtel und H. U. Guizetti. Mit 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 11. Oktober 1932.) Schwere Erscheinungen yon seiten der nervSsen Zentralorgane bei Er- krankungen des Kopf- und Rfickenmarkskeletes im Sinne yon Tumoren, entzfindlichen Ver~nderungen und Entwicklungsst6rungen sind nichts UngewShnliches; wir erinnern hier z.B. an die gelegentlich bei der Klippel-Feilschen Krankheit, der Synostose der oberen Halswirbel, auf- tretenden Pyramidenbahnerscheinungen und an die Exostosen des Schi~dels, begleitet yon Hirnsymptomen. Insbesondere hat Schiiller an Hand eingehender RSntgenstudien auf eigenartige Formver~nderungen der Sch~delbasis ,,die sog. basale Impression" (Virchow) hingewiesen und deren neurologische Bedeutung gewfirdigt. Diese und ~hnliche Fragestellungen ffihrten zur Entwicklung eines reichhaltigen Schrift- rums, das mit der fortschreitenden Erkenntnis fiber das Wesen und die Sonderstellung bestimmter Erkrankungen, so z.B. der Ostitis deformans (Paget) und Ostitis fibrosa generalisata (Reclclinghausen), sich noch erweiterte. Es soll in vorliegender Arbeit nicht n~her auf die diesbezfigliche Literatur eingegangen werden. Wir verweisen auf die schon erw/~hnte Arbeit yon Schi~ller und auf die zusammenfassende Literaturdarstellung yon Nonne fiber die neurologische Symptomatik bei der Paget-Erkrankung. Aus der neuesten Zeit sind uns die Arbeiten yon Adam-Falkiewiczova und Nowiki und Ddjerine, die uns leider nur im Referat zug~ngig waren, bemerkenswert, da sie eine gewisse Ahnlich- keit mit unserem Fall bieten, dessen Eigenart uns zu dieser Mitteilung veranla~t. Dem 27 j~hrigen Patienten ist nicht bekannt, wanner laufen gelernt hat. Vor 6 Jahren Entfernung von Polypen aus der Nase. 5 Wochen vor der Aufnahme i~ die hiesige Klinik pl6tzliches Auftreten von rasenden ](opfschmerzen in der Hinterhauptsgegend und h~ufiges Erbrechen; in der darauffolgenden Zeit bestand

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Page 1: Pseudotumor cerebri, bedingt durch eine röntgenologisch faßbare Anomalie des Hinterhauptloches mit Verlagerung der beiden oberen Halswirbel

(Aus der Medizinischen Klinik Erlangen [Direktor: Prof. L. R. M411er].)

Pseudotumor cerebri, bedingt durch eine r6ntgeno- logisch fafibare Anomalie des Hinterhauptloches mit

Verlagerung der beiden oberen Halswirbel. Von

G. Bodechtel und H. U. Guizetti.

Mit 3 Textabbildungen.

(Eingegangen am 11. Oktober 1932.)

Schwere Erscheinungen yon seiten der nervSsen Zentralorgane bei Er- krankungen des Kopf- und Rfickenmarkskeletes im Sinne yon Tumoren, entzfindlichen Ver~nderungen und Entwicklungsst6rungen sind nichts UngewShnliches; wir erinnern hier z .B. an die gelegentlich bei der Klippel-Feilschen Krankheit, der Synostose der oberen Halswirbel, auf- tretenden Pyramidenbahnerscheinungen und an die Exostosen des Schi~dels, begleitet yon Hirnsymptomen. Insbesondere hat Schiiller an Hand eingehender RSntgenstudien auf eigenartige Formver~nderungen der Sch~delbasis ,,die sog. basale Impression" (Virchow) hingewiesen und deren neurologische Bedeutung gewfirdigt. Diese und ~hnliche Fragestellungen ffihrten zur Entwicklung eines reichhaltigen Schrift- rums, das mit der fortschreitenden Erkenntnis fiber das Wesen und die Sonderstellung bestimmter Erkrankungen, so z .B. der Ostitis deformans (Paget) und Ostitis fibrosa generalisata (Reclclinghausen), sich noch erweiterte. Es soll in vorliegender Arbeit nicht n~her auf die diesbezfigliche Literatur eingegangen werden. Wir verweisen auf die schon erw/~hnte Arbeit yon Schi~ller und auf die zusammenfassende Literaturdarstellung yon Nonne fiber die neurologische Symptomatik bei der Paget-Erkrankung. Aus der neuesten Zeit sind uns die Arbeiten yon Adam-Falkiewiczova und Nowiki und Ddjerine, die uns leider nur im Referat zug~ngig waren, bemerkenswert, da sie eine gewisse Ahnlich- keit mit unserem Fall bieten, dessen Eigenart uns zu dieser Mitteilung veranla~t.

Dem 27 j~hrigen Patienten ist nicht bekannt, wanner laufen gelernt hat. Vor 6 Jahren Entfernung von Polypen aus der Nase. 5 Wochen vor der Aufnahme i~ die hiesige Klinik pl6tzliches Auftreten von rasenden ](opfschmerzen in der Hinterhauptsgegend und h~ufiges Erbrechen; in der darauffolgenden Zeit bestand

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G. Bodechtel und H. U. Guizetti: Pseudotumor cerebri usw. 47]

starkes Schlafbediirfnis, h~ufig Schwindelanf~lle. Um Mund und Nase h~tten sich krampfartige Zuckungen eingestellt. Er habe viel unter Durst und starken Schweii~ausbriichen zu leiden. Beim Gehen hat er d~s Gefiihl, er mfisse nach links fallen, auch habe das Geh6r nachgelassen. Doppelbilder bestanden nicht. Der Geruch und Geschmack waren unvergndert. Patient suchte die Klinik auf, weil sich die Schwindelanfalle und Kopfschmerzen verstarkten, u n d e r etwas schwer besinnlieher geworden war.

Bei der Untersuchung fallt eine eigenartig steife Haltung des Kopfes auf. Das aktive Hin- und Herdrehen desselben erfolgt ungeschickt. Auf die Frage, ob er seinen Kopf schon immer so schwer habe bewegen k6nnen, gibt er an, dab dies seit seiner Jugend bestehe. Beim Fixieren ist ein deutlicher, lebhafter Nystag- mus nach beiden Seiten festzustellen. Die Pupillen bieten nichts Besonderes. Die optische Untersuchung ergibt normalen Visus und unveranderten Augen- hintergrund. Bei der Inspektion der Rachenorgane fallt auf, dab die Uvula schlecht bewegt wird und die hintere Rachenwand eigenartig in den Pharynx vorspringt. Die Palpation ergibt dort keinen Tumor, sondern laBt die lordotisch vorspringenden Halswirbclk6rper durchfiihlen. Die Sprache des Patienten ist n~selnd, Geruch und Geschmack sind intakt. Die iibrigen Gehirnnerven lassen bei der gew6hn- lichen neurologischen Untersuchung nichts Krankhaftes erkennen.

Bei der Aufnahme ist der Patient leicht benommen und gibt nur widerwillig Auskunft. Der Gang ist sehr breitspurig. Das Gehen mit geschlossenen Augen kaum m6glich, denn es trit t sofort eine Fallneigung nach links ein. Die gew6hn- lichen Kleinhirnfunktionspriifungen ergeben kein einstimmiges Resultat. Auf- fallend ist nur das Abweichen des linken Armes bei geschlossenen Augen nach auBen, die Fallneigung und das Fallgefiihl beim Romberg sind aber wechselnd. Bei der Priifung auf Adiadochokinese ist die linke Hand etwas ungeschickter als die rechte. Eine eigentliche Hypotonie wie das Fehlen des RiickstoBes bei Beugung des Unterarmes gegen Widerstand war nicht vorhanden. Auch die Stiitzreaktion nach Magnus war nicht ausgepragt.

Die Geh6r- und Gleichgewichtsuntersuchung (Universitatsohrenklinik Erlangen) ergab bei der Stimmgabelprtifung kein einwandfreies I~esultat. Es zeigten sich Veranderungen, die zum Teil fiir eine Mittelohrerkrankung sprachen, zum Teil nicht gedeutet werden konnten. Bei der Drehpriifung war cin Unterschied in der Starke der Reaktion nicht festzustellen, wohl aber bei der calorischen Priifung, denn hierbei ergab sich linksseitig keinerlei Erregbarkeit. Die iibrige k6rperliche Untersuchung bot nichts Krankhaftes. Der Liquor und der Blutwassermann waren negativ. Sowohl nach unserer als auch nach der Untersuchung der Ohren- klinik erschien uns die Diagnose einer Erkrankung der linken Kleinhimhalfte oder der bulbaren Anteile des Vestibularis als wahrscheinlich. Trotz des Fehlens einer Stauungspapille dachten wir in erster Linie an eine Neubildung, zogen aller- dings eine epidemische Encephalitis in Erwagung, zumal Patient in der Vorgeschichte den Beginn der Erkrankung als einen sehr pl6tzlichen hinstellte und dabei sein starkes Schlafbediirfnis betonte.

Bei der Suboccipitalpunktion entleerte sich der Liquor unter starkem Druck, die Beschwerden des Patienten besserten sich augenblicklich. Im AnschluB daran war Patient v611ig klar. Die oben geschilderten Erscheinungen, die uns an eine Kleinhirnlasion denken liel~en, bildeten sich bis auf ein geringes Abweichen beim Gehen mit geschlossenen Augen zurtick. Auch der Nystagmus ging zurtick. Wir glaubten schon mit der Diagnose Meningitis serosa sicher zu gehen, zumal sich bei der Punktion auger dem Drucksyndrom im Liquor kein krankhafter Befund erheben lieB. Der Zustand des Patienten war 4--5 Tage recht gut; dann traten wieder leichte Kopfschmerzen auf, die aber durch hypertonische L6sungen wirksam bek~mpft werden konnten. Eines Abends bekommt Patient einen starken Schweil~-

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ausbruch, heftige Kopfschmerzen, begleitet yon auf fa l l endem Spon t a nnys t a gmus und geht im epileptiformen Anfall an A t e m l g h m u n g plStzlich zugrunde.

2~bb_ 1 a. Seitcnansieht des Sch~tdels, die die Impression der basalen 2kbsehnitte illustriert. In der pilzfSrmigen Erhabenheit erkennt man den verlagerten Zahnfortsatz des 2.YIalswirbels.

Abb. 1 b. Skizze fiir das R~ntgenbild 1 a.

Eine RSn tgenaufnahme des Sch~dels (Abb. l a u. lb) u n d der oberen Halswirbel- s~ule zeigt eine s tarke Lordose der letzteren u n d eine wolkige Zeichnung fiber dem

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Stirn- und Scheitelbein. Ferner besteht eine leichte Kalkarmut der unteren Abschni t te der Hinterhauptschuppe; die Sella ist etwas abgeflacht und erscheint gleichfalls

ALbb. 2a. Sagittalschnitt dutch die pilzf6rmige Erhabenheit 4er Seh~delbasis, die die Verlagerung der ersten beiden Halswirbel zeigt. Siehe Skizze 2 b.

2~bb. 2 b, Erl~uternde Skizze zu 2 a.

kalkarm. ~ b e r die eigenartigen Ver~nderungen der mitt leren Sch/~delbasisabschnitte, die eine schr dichte St ruktur aufweisen und die gegen die hintere Sch~delgrube

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sich eigenartig pilzfSrmig vorwSlben, konn ten wir uns zu Lebzei ten des Pa t i en ten keine Klarhei t verschaffen. Ers t die Sekt ion 5ffnete uns die Augen. Es l~13t sich n~mlich unschwer erkennen, dab in der genann ten pilzfOrmigen Verdichtung der mi t t le ren Basisabschni t te der Zahnfor t sa tz des 2. Halswirbels s teckt und es aul3erdem zu einer Impression der das Hin te rhaup t s loch umgrenzenden Knochcn- par t i en gekommen ist. Die Abb. 2a u n d 2b demonst r ieren am besten die Ver- hMtnisse.

Aus dem Soktionsprotokoll (Nr. 46, Obduzent Dr. Sinz ) , welches uns liebens- wiirdigerweise von t I e r rn Prof. Kirch, dem wir auch an dieser Stelle bestens danken, zur Verfiigung gestellt wurde, e n t n e h m e n wir folgendes: Das Sch~deldach is t auffal lend dtinn, an der Innensei te s ieht man vers t reu t liegende, bis bohnengroBc blut ige Flecke, offenbar Osteoclasten. Dura o. B., s t a rk gespannt . Das Gehirn zeigt das ausgepr~gte Bild der t t i rnschwel lung bei Fehlen des ~ufleren Liquors. An Stelle eines gegen das Foramen occipitale magnum abfal lenden Clivus Blumen- bachii finder sich eine weir in das Sehadelinnore vorspringende, aul3erordentliche derbe Gewebsmasse, die sich seitlieh bis fiber die H~lfte der Felsenbeine erstreckt , so dal3 eine I-Iinterwand der Felsenbeinpyramide im medialen Abschn i t t i ibe rhaupt n ieht ausgebildet ist. Dieser , ,Tumor" erfiillt also den ganzen vor dem Foramen occipitale gelegonen Teil der h in te ren Sch~delgrube. E r umlager t dasselbe huf- eisenf6rmig und engt es en tsprechend ein. Die beiden Pole des Hufeisens erheben sich noch eine kurze Strecke welt in das Lumen der Sch~delkapsel hinein. I m Fo ramen occipitale m a g n u m gelangt m an h in t e r den tumora r t igen Massen nach vorne zu in eine recessusartige Aush6hlung, yon der aus erst der eigentl iche Wirbel- kana l beginnt.

Bei der I-Ierausnahme der Halsorgane zeigt sich, dal3 die tIalswirbels~ule aul3er- ordent l ieh s tark lordotisch gekr i immt ist. Insbesondere schon im Bereich des P h a r y n x springt sie derar t ig weir hervor, dal3 das Cavum nasopharyngeum fast vollst~ndig ausgefiillt ist, so dal3 m an den Finger n u r m i t Miihe zwischen die Hals- wirbels~ule und den har ten Gaumen in den Re t ronasa l raum einft ihren kann . Am K l e i n h i m zeigen sich ausgepr~gte Tonsillen, also Zeichen des t Iereinpressens des Kleinhirns und der Medulla in das Fo r am en occipitale (Abb. 2a u. 2b).

E in Sagi t ta lschnit t durch die in das Sch~delinnerc vorspr ingcnde tumorar t igc E r h e b u n g zeigt, da[3 die eigentliche 0 f f nung des Fo ramen occipitale magnum durch eine gewisse Hypoplasie des Clivus Blumenbaehi i eher vergrSBert und ihre vorderen Abschnit te ausgefiillt s ind yon dem dor th in ver lager ten vorderen Atlas- bogen und dem Zahn des zweiten Halswirbels z. (Einzelhei ten sind aus der Skizze 2a und 2b zu entnehmen.)

Bei der histologischen Un te r suchung des Gehirns zeigen sich die gr6bsten Ver~nderungen am Kleinhirn, und zwar am s t~rks ten in dessen l inker Hemisphere. W~hrend der Wurm, also das Neencerebellum, re la t iv normale S t r u k t u r zeigt, erweisen sich die lateralen Hemisph~renpar t ien (die Gegend des Lobulus biventer , semilunaris, quadrangularis, gracilis) schwer gelichtet. Dabei ist an diesen L~ppchen- abschn i t t en die Molekularzone verschm~lert , ihre obere Schieht ist d icht mi t Glia besetz t (Abb. 3). Die Purkin#-Zel len s ind gr6Btenteils ausgefallen, die Bergmannsehe Zellschicht entsprechend gewuchert. Die Lich tung der K6rnerschicht f~llt an allen so ver~nderten L~ppchen am s t~rks ten auf. Auf Querschni t ten durch die Medulla oblongata in H6he des Hypoglossuskernes zeigt sich im Bodengrau eine diffuse Vermehrung der Glia. Die dort l iegenden Kcrnabschn i t t e weisen eine relat iv

z Da es uns vielmehr um die Analogie zum RSntgenbi ld und u m die Deutung der klinischen Symptome zu tun ist, verz ichten wir auf einc cingehende Schilderung der knSchernen Anomalie und verweisen auf eine demn~chs t erscheinende aus- fiihrliche Arbeit des Dr. Sinz - - pathologisches I n s t i t u t Er langen, - - der, besonders zur Pathogenese dieser Ver~nderungen Stellung n e h m e n wird.

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normale Struktur auf. Gelitten haben eigentlich nur die Oliven und zwar am st~rksten ihre ~ul3ere und untere Wendestelle. Dortist ihr Band herdfSrmig gelichtet, gelegentlich trifft man auch auf charakteristisch ,,homogenisierte" Nervenzellen. Auffallend ist auch eine gewisse Gliavermehrung in beiden Pyramidenarealen, wo gelegentlich syncytiale Gliah~ufchen liegen. Typische Gliasternchen sieht man auch an anderen Stellen. Schnitte durch das Ammonshorn ergeben auBer einigen geringfiigigen Lymphocyteninfiltraten nichts Pathologisches.

W i r wol len n u n zue r s t in al ler Kih, ze zu diesem histologischen B e f u n d S te l lung nehmen. E r b i e t e t an sich n ichts l~berraschendes. W i r wissen

Abb . 3. H i s t o l o g i s c h e r S c h n i t t (Nissl-Bild) aus der l inken H e m i s p h e r e des K l e i n h i r n s . Ausfa l l der m e i s t e n Purkinje.Zellen, s t a r k e G l i a v e r m e h r u n g in tier l~Iolekularzone, L i c h t u n g

4er K ~ r n e r s c h i c h t .

aus den neueren e ingehenden U n t e r s u c h u n g e n Scherers, wie m o n o t o n sich die K l e i n h i r n p a t h o l o g i e dars te l l t . Die yon uns e rhobenen Be funde decken sich im wesen t l i chen m i t den Befunden Gri~nthals bei e inem F a l l y o n Ost i t i s de fo rmans (Paget). Auch kennen wir ganz ~hnl iche Ver- ~nde rungen y o n S o l i t ~ r t u b e r k e l n und T u m o r e n des K l e i n h i r n s her, d ie zu e iner D r u c k a t r o p h i e de r u m g e b e n d e n L~ppchen f i ihr ten . Bei der- a r t igen , das K l e i n h i r n k o m p r i m i e r e n d e n Prozessen, k o m m t es zue r s t zu e inem dif fusen Ausfa l l de r KSrne r - und Purklnje.Zellen m i t Verschm~le- r ung der ~ o l e k u l a r z o n e u n d W u c h e r u n g der Bergmannschen Gliae lemente . E s e r i ib r ig t sieh n~her d a r a u f e inzugehen, dab die k l in i schen Ersche i - nungen , die uns in e r s t e r L in ie an eine E r k r a n k u n g (Tumor) de r l i nken Kle inhi rnhemisphi~re d e n k e n lieBen, ihre Erk l~rung in den sehr aus- geb re i t e t en besch r i ebenen Ve r~nde rungen dieser K le inh i rnh~ l f t e f inden.

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Aus dem Sehrifttum sind uns die schon oben erw/~hnten Arbeiten yon Adam-Falkiewiczowa-Nowiki und Ddjerine bekannt, die klinisch eine weitgehende J(hnlichkeit mi t unserem Fall aufweisen. Diese Verfasser nehmen an, dab es sich bei ihren F~llen um eine angeborene MiBbildung in der An]age des Os occipitale bzw. Os basilare handelt. Da uns leider nur die Referate zur Verffigung standen, ist ein weiterer Vergleich der F/~lle mi t dem unsrigen, insbesondere auch des RSntgenbefundes, nicht durehffihrbar.

Aus der Krankengeschichte ist zu entnehmen, dal~ die StSrung, die sich vor ahem in der mangelhaften BewegungsmSglichkeit des Kopfes und der Halswirbels/~ule /~ul3erte, schon seit der Jugend des Pat ienten bestand. DaB es sich nicht um eine jener bekannten Atypien wie um eine Assimilation des Atlas handelt, braucht nicht n/iher erSrtert zu werden. Ganz allgemein kann man aber diesen Befund mi t dem schon von Virchow gepr/~gten Namen der , ,Impressio basilaris" bezeiehnen, auch sind hier die wenig bindenden Ausdrficke der , ,Convexobasie" (Marie und Lerie) und ,,Konvexskoliose der Seh/~delbasis" angebraeht . Allerdings wurde die Bezeichnung , ,Konvexobasie" yon jenen Autoren nur fiir die beim Paget gelegentlich vorkommende Verengerung und Einstiilpung des Rahmens des Hinterhaupt loches gepr/~gt.

I m Vordergrunde des klinischen Brides stand nun abet nicht die angeborene Anomalie, sondern das plStzliche Auftreten des allgemeinen Hirndruckes, mit all seinen stfirmischen Erseheinungen (Erbreehen, Kopf- schmerzen, GangstSrungen mit Fallneigung), die den Pat ien ten in die Klin]k fiihrten. DaB die Dislokation des Epistropheus nicht allein im- stande war, die pl6tzlich auf t re tenden Erscheinungen des allgemeinen Hirndruckes im Sinne eines raumbeengenden Prozesses hervorzurufen, bedarf keiner weiteren Ausfiihrung. Unsere diiferentialdiagnostischen Erw/~gungen leiteten uns in erster Linie zur Annahme eines Kleinhirn- tumors oder einer akuten Encephali t is epidemica, aber fiir beide konnte bei der Sektion und der histologischen Untersuchung des Gehirns kein Anhal tspunkt gewonnen werden. Es ist vielmehr anzunehmen, dab die Dislokation der Halswirbel und die damit geschaffene Verengerung des Foramen occipitale magnum eine P la t t fo rm fiir das Auftreten eines akuten Hydrocephalus internus im Sinne eines Okklusionshydrocephalus und einer Hirnschwellung gesehaffen hat. Denn die Kompression des Mittelhirns und damit des Aquaeductus einerseits, wie auch die ~6g- lichkeit des Verschlusses der Kommunika t ion des 4. Ventrikels mit dem ~uBeren Liquorraum (Foramen Magendi und Luschka) andererseits er- schien bei Beriicksichtigung der anatomischen Verh/~ltnisse durchaus gegeben. Naeh der Vorgeschichte, die den plStzlichen Beginn 5 Wochen vor Einlieferung in die Klinik erkennen 1/iBt, glauben wir annehmen zu miissen, dab es sich vielleicht zun/ichst um eine gew6hnliche Infek- t ionskrankheit (Grippe) gehandelt hat , in deren sp/iteren Verlauf es zu

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b edingt durch eine rSntgenologisch faBbare Anomalie des Hinterhauptloches. 477

Zirkulationsst5rungen im Bereich der Sch~delhShle gekommen ist. In ihr dfirfte die Ursache ]iegen, welche die latente Bereitschaft der Innen- drucksteigerung, also die Entstehung eines akuten Hydrocephalus internus und einer Hirnschwellung mit allen ihren Folgeerscheinungen manifest werden ]ieB. Die besonderen anatomischen Verh~ltnisse fiihrten dabei zu einer starken Kompression des linken Kleinhirnabschnittes, die sich klinisch in der oben besehriebenen Weise ~ul~erten und so zu den mikroskopisch greifbaren lokalen Atrophien Anlal3 gab. Eine Ent- lastung durch die Suboccipitalpunktion fiihrte zu einer wesentliehen Besserung und Riickgang der schweren cerebralen Erscheinungen. Aber die Druckentlastung allein reichte nicht mehr aus, die schon einmal bestehenden Ver~ndernngen in der Liquorzirkulation vSllig zu beheben. In einem abermaligen akuten Anfall kam es durch die Impression der Medulla oblongata und des Kleinhirnes, ffir welche die bei der Sektion gefundenen ausgepr~tgten Kleinhirntonsillen beweisend sind, zum Tod durch Ateml~hmung. Es mui~ zugegeben werden, dab es sich bei unserem Fall um eine ausgesprochene Seltenheit handelt; aber sowohl fiir den RSntgenologen als auch fiir den Kliniker diirfte diese Anomalie Bedeu- tung besitzen, zumal die richtige Deutung des RSntgenbildes eine Dia- gnose zu Lebzeiten gestattet.

Auf die hier sehr interessierende Arbeit von B r u n o K e c h t 1 konnten wir leider nicht mehr eingehen, da unsere Arbeit schon abgeschlossen war. Dabei handelt es sich um eine 57ji~hrige alte Patientin, die wegen Er- brechens im Krankenhaus aufgenommen wurde. Sparer stellten sich Paresen und Ataxie der ganzen linken KSrperhiilfte ein. Der Liquor zeigte leichte Zell- und Eiwei~vermehrung und es wurde an einen Tumor bzw. an einen chronischen Hydrocephalus internus gedacht. Die Deutung des RSntgenbildes durch Prof. Schi i l ler ermSglichte auch hier die Diagnose ,,basale Impression" bei bestehender Atlasassimilation. Allerdings war auf dem RSntgenbild die Verlagerung des Zahnfortsatzes, des 2. Hals- wirbels nicht so ausgepri~gt wie bei unserem Patienten. K e c h t denkt wegen plStzlichem Manifestwerden des mit allgemeinen Hirndruck- erscheinungen einhergehenden Krankheitsbildes an ZirkulationsstSrungen ffir die sich bei der pathologisch-anatomischen Untersuchung des Herzens sowie der peripheren Gef~Be Anhaltspunkte fanden.

Literaturverzeichnis: Adam-Falkiewiczova: Intemat. Neurologenkongr. Bern 1931. Zbl. ~eur.

61. - - Dd#rine: Zbl. Neur. 57 (1927). - - Gri~nthal: Z. Neur. 136 (1931). - - Nonne: Dtsch. Z. Nervenheilk. 105 (1928). - - ~Vowiki: Internat. :Neurologenkongr. 1931. Zbl. Neur. 61. - - Pierre Marie u. Leri: Handbuch der Neurologie, herausgeg. von Lewandowski, Bd. 34, 4. (1911). - - Schi~ller: Wien. reed. Wschr. 1911.

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Z. f . d . g . N e u r . u . :P sych . 143. 31