programm auswahlkolloquium: „wissenschaft für nachhaltige

26

Upload: others

Post on 17-Feb-2022

2 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige
Page 2: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige Entwicklung“

(Änderungen vorbehalten / Stand Oktober 2015)

Mo., 19.10.2015 09:00 Uhr Beginn 09:00 Uhr

Begrüßung Dr. Wilhelm Krull, VolkswagenStiftung

1. Cluster: „Agrar und Tier“

09:15 Uhr 10:00 Uhr 10:45 Uhr

Prof. Dr. Christine Tamásy, Universität Vechta: Bioökonomie 2.0: Innovationspotenziale von Nebenströmen der Lebensmittelverarbeitung Prof. Dr. Ursula Siebert, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover: Entwicklung eines nachhaltigen Wildtiermanagements für eine Koexistenz von Wolf, Wild und Mensch in der dichtbesiedelten Kulturlandschaft Niedersachsens Prof. Dr. Dieter Steinhagen, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover: FischFaNG – Fische aus Aquakulturen: Forschungsansatz zu Nachhaltigkeit und Gesundheit

11:30 Uhr Pause 11:45 Uhr 12:30 Uhr

Prof. Dr. Rainer Marggraf, Universität Göttingen: „Diversity Turn“ in Land Use Science: Die Bedeutung sozialer Diversität für nachhaltige Landnutzungsinnovationen am Beispiel des Vanilleanbaus in Madagaskar Prof. Dr. Achim Spiller, Universität Göttingen: Strategische Entwicklungspotenziale für eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft und Entwicklung ländlicher Räume in Niedersachsen

13:15 Uhr Mittagspause

2. Cluster: „Technik“

14:45 Uhr 15:30 Uhr

Prof. Dr.-Ing. habil. Peter Nyhuis, Leibniz Universität Hannover: Netzwerke schaffen Nach-haltigkeit: Theoretische Konzepte, empirische Befunde und politische Konsequenzen Prof. Dr. Vanessa Miriam Carlow, Technische Universität Braunschweig: METAPOLIS – Eine inter- und transdisziplinäre Plattform für eine nachhaltige Entwicklung der Stadt-Land-Beziehungen in Niedersachsen

16:15 Uhr Pause 16:30 Uhr

Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff, Universität Oldenburg: DISTRICT – Nachhaltigkeitsbewertung der Stromversorgung in Bürgerverantwortung

Page 3: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

17:15 Uhr Prof. Dr. Claudia Pahl-Wostl, Universität Osnabrück: Governance von Nachhaltigkeitstrans-formationen durch die Steuerung von Synergien und Zielkonflikten im Nexus Wasser-Energie-Nahrung

18:00 Uhr Ende des ersten Veranstaltungstages Di., 20.10.2015 09:00 Uhr Beginn

3. Cluster: „Gesellschaft, Mobilität“

09:00 Uhr 09:45 Uhr

Prof. Dr. Arnd Reitemeier, Universität Göttingen: Nachhaltigkeit als Argument: Suffizienz, Effizienz und Resilienz als Parameter anthropogenen Handelns in der Geschichte Prof. Dr. Thomas Spengler, Technische Universität Braunschweig: TransPart – Nachhaltige Mobilitätssysteme für urbane und ländliche Räume: Transition durch Partizipation

10:30 Uhr Pause 10:45 Uhr 11:30 Uhr

Prof. Dr.-Ing. Jorge Marx Goméz, Universität Oldenburg: NEMo – Nachhaltige Erfüllung von Mobilitätsbedürfnissen im ländlichen Raum Prof. Dr. Klaus Fichter, Universität Oldenburg: Die Universität als Pionier der Transformati-on von Energiesystemen (Pionier-Energie)

12:15 Uhr Mittagspause 13:45 Uhr 14:30 Uhr 15:15 Uhr

Prof. Dr. Birgit Babitsch, Universität Osnabrück: Gestaltungskompetenz als Innovator für hochzuverlässige Organisationen im Gesundheitssystem Prof. Dr. Matthias Barth, Leuphana Universität Lüneburg: Die Rolle der Hochschulen in der Ausbildung von Schlüsselakteuren für die Nachhaltigkeitstransformation Schlusswort Dr. Wilhelm Krull, VolkswagenStiftung

15:30 Uhr Ende der Veranstaltung

Page 4: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

Bioökonomie 2.0: Innovationspotenziale von Nebenströmen der Lebens-mittelverarbeitung Prof. Christine Tamásy, Universität Vechta Prof. Ralf Günter Berger, Prof. Klaus-Peter Wiedmann, beide Leibniz Universität Han-nover Prof. Achim Spiller, Universität Göttingen Prof. Guido Recke, Hochschule Osnabrück Dr. Alexander Mathys, Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik, Quakenbrück

Die effiziente Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen und das Schließen von Stoff- bzw. Energiekreisläufen stellen Schlüsselelemente einer nachhaltigen Entwicklung dar. Das Ver-bundprojekt zielt darauf ab, neue Wertstoffe für die Lebensmittelproduktion (z. B. Ballaststoffe, natürliche Aromastoffe, Enzyme) aus pflanzlichen Nebenströmen aus der Verarbeitung von Kartoffeln, Karotten und Raps zu gewinnen. Hierfür bietet sich die Agrar- und Ernährungswirt-schaft Niedersachsens mit ihren zahlreichen lebensmittelverarbeitenden Unternehmen an. Denn hier fallen pflanzliche Nebenströme wie Kartoffel- und Karottenschalen sowie Ölpressku-chen in großen Volumina an. Die neuen Wertstoffe lassen sich mithilfe von lebensmitteltech-nologischen und -chemischen Verfahren entweder direkt isolieren oder durch Biokonversion generieren. Eine erfolgreiche „Bioökonomie 2.0“ muss über die Schaffung der naturwissenschaftlich-technischen Grundlagen hinausgehen. Die sozialwissenschaftliche Perspektive ist bedeutsam, da diese auf die Fähigkeit und Bereitschaft zum Umbau der Produktionssysteme hin zu höherer Ressourceneffizienz abzielt. Die Verwertung pflanzlicher Nebenströme setzt voraus, dass Ver-änderungen in den Produktionssystemen der Nutzpflanzen Kartoffel, Karotte und Raps statt-finden. Dabei gilt es, nachhaltige Lösungen auch über komplexe Konstellationen von Akteuren hinweg zu entwickeln. Dabei spielt die Anpassungsbereitschaft der Akteure – insbesondere vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Aspekte – eine kritische Rolle. Die neuen Wertstoffe werden anhand von beispielhaften Pilotprodukten auf Marktfähigkeit und Akzeptanz hin überprüft, wobei die niedersächsischen VerbraucherInnen mit einbezogen werden. Für den Markterfolg ist das konservative Verbraucherverhalten ebenso zu berücksichtigen wie subjektive Wahrneh-mungsmuster, die durch mediale Berichterstattungen beeinflusst werden. Klassische Missver-ständnisse (z. B. Erdbeeraroma aus Sägemehl, Glutamat als Risikostoff) zeigen, wie mediale Fehlinformationen zu lang anhaltenden Vorbehalten bei VerbraucherInnen führen. Das interdisziplinär angelegte Projekt verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der ein breites Spektrum an bioökonomischen Verfahren sowie sozialwissenschaftlichen und neuroökonomi-schen Methoden (z. B. Befragungen, Interviews, Experimente, Eye-Tracking, Reaktionszeitmes-sungen) umfasst. Das Verbundprojekt wird zahlreiche Akteure der niedersächsischen Lebens-mittelwirtschaft und -forschung zusammenführen, als Plattform zur sachlichen Information über Chancen und Risiken der Bioökonomie dienen und über seine Laufzeit hinaus als Kristalli-sationskern der Lebensmittelforschung in Niedersachsen wirken.

Page 5: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

Entwicklung eines nachhaltigen Wildtiermanagements für eine Koexistenz von Wolf, Wild und Mensch in der dichtbesiedelten Kultur-landschaft Niedersachsens Prof. Prof. h. c. Dr. Ursula Siebert, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover Prof. Dr. Niko Balkenhol, Georg-August-Universität Göttingen Prof. Dr. Norbert Pütz, Universität Vechta

Die Rückkehr des Wolfes in die besiedelten Gebiete Deutschlands hat ein gesellschaftliches Spannungsfeld erzeugt. Um die Überwachung und das Management der niedersächsischen Wolfspopulation nachhaltig zu gestalten und Konflikte im Spannungsfeld von Wolf und Mensch zu lösen, soll das auf vier Jahre angelegte Forschungsprojekt wissenschaftliche Daten sammeln, Grundlagen für umfassendes Wissen schaffen und Programme für mehr Akzeptanz des Wolfes entwickeln. Im Mittelpunkt des Antrages stehen daher Mensch, Wolf und Beute. Für das gesetzlich vorgeschriebene Wolfsmanagement wird heutzutage ein passives Monito-ring eingesetzt, das Meldungen über Sichtungen aus der Bevölkerung nutzt. Darüber hinaus soll ein zusätzliches, aktives Wolfsmonitoring, das auch Informationen aus zum Beispiel Foto-fallen, Nahrungsanalysen oder Losungen heranzieht, die Daten für ein wissenschaftlich basier-tes Wolfsmanagement liefern. Das aktive Monitoring soll zudem Kondition, Fitness und Stress-level, sowie Populationsentwicklungen der Hauptbeutearten Reh und Rothirsch erfassen, um die Räuber-Beute-Beziehung in der niedersächsischen Kulturlandschaft zu untersuchen. Durch computergestützte Modelle, die sich auf einzelne Tiere beziehen, können schließlich wahr-scheinliche Ausbreitungswege der Wölfe benannt und zukünftige Konfliktregionen mit Mensch und (Beute-)Tier prognostiziert werden. Insgesamt lassen sich so Konfliktpotenziale des Wolfes in Bezug auf Wild- und Nutztiere räumlich analysieren und explizite Lösungsansätze vorschla-gen. Die Einbeziehung des Faktors „Mensch“ komplettiert das Projekt: Bei der Rückkehr des Wolfes nach Niedersachsen geht es vor allem auch um die Koexistenz von Großraubtier und Mensch in der vom Menschen geprägten Kulturlandschaft. Daher sollen Querschnittserhebungen zum Kenntnisstand über das Thema „Wolf und Ökologie“ vorgenommen und Bildungs- und Aufklä-rungspakete erarbeitet werden. Die Erkenntnisse dieser Teilprojekte werden in praxisorientierte und aktive Handlungsempfeh-lungen für ein nachhaltiges Wolfsmanagement in der Kulturlandschaft Niedersachsens zu-sammengeführt. Ziel sind auf wissenschaftlichen Daten basierende Maßnahmen, die in der Bevölkerung und bei den verschiedenen Interessensgruppen eine hohe Akzeptanz erzielen kön-nen. Die Forschungsstudie hat damit Vorbildcharakter für andere Bundesländer und benach-barte Staaten, in denen der Wolf zu erwarten ist.

Page 6: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

FischFaNG – Fische aus Aquakulturen: Forschungsansatz zu Nachhaltigkeit und Gesundheit Prof. Corinna Kehrenberg, Prof. Peter Kunzmann, Prof. Hermann Seifert, Prof. Dieter Steinhagen, alle Tierärztliche Hochschule Hannover Prof. Anke Meisert, Universität Hildesheim Prof. Gabriele Hörstgen-Schwark, Prof. Achim Spiller, beide Universität Göttingen Prof. Andreas Hahn, Leibniz Universität Hannover

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, mindestens eine Fischmahlzeit pro Woche zu verzehren. Nicht ohne Grund – Fisch ist ein sehr wertvolles Lebensmittel, das als ausge-zeichnete Quelle für hochwertiges Protein, essenzielle Fettsäuren und für Mikronährstoffe wie Jod, Vitamin D und Selen dient. Das Forschungsvorhaben „FischFaNG – Fische aus Aquakultu-ren: Forschungsansatz zu Nachhaltigkeit und Gesundheit“ hat zum Ziel, die regionale Erzeu-gung von Fischen unter Nachhaltigkeitskriterien zu stärken. Dadurch soll eine zukunftsfähige Versorgung der niedersächsischen Verbraucher mit diesem gesunden und hochwertigen Le-bensmittel gesichert werden. Das Vorhaben berücksichtigt gesundheitliche und tiermedizini-sche Aspekte ebenso wie Ökonomie, Ökologie, Ethik und Soziales. Das neue Ziel der gemeinsamen europäischen Fischereipolitik ist es, die Fischerzeugung aus nachhaltiger Aquakultur in der EU auszubauen, um den ländlichen Raum zu stärken. In diesem Zusammenhang untersucht das Projekt die Grundvoraussetzungen einer nachhaltigen Aqua-kultur und wie sich Fischzuchten verträglich in Naturräume einbetten lassen. Es reflektiert und prüft die Bedingungen für eine artgerechte Haltung sowie eine ethisch vertretbare Schlachtung der Fische. Zudem analysiert das Projekt die Erwartungen der Verbraucher an Fische aus nach-haltiger Aquakultur sowie die ernährungsphysiologische Qualität, Frische und Unbedenklich-keit von Aquakulturprodukten. Auch sollen im Rahmen von öffentlichen Symposien Entschei-dungsträger und Interessenvertreter aus Politik, Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie Le-bensmitteleinzelhandel in die Analyse, Bewertung und Kommunikation von Entwicklungspo-tenzialen und Nachhaltigkeitskriterien in der Aquakultur einbezogen werden. Darüber hinaus sollen die Verbraucher umfassend über die Fischhaltung in nachhaltigen Aquakulturen infor-miert werden, basierend auf den erzielten Forschungsergebnissen. Mit Informations- und Bil-dungsangeboten sollen am Beispiel solcher Fischhaltungen die Grundzüge nachhaltigen Wirt-schaftens vermittelt werden. Das Hauptresultat des Projektes ist es, bewusst zu machen, welche Potenziale eine nachhaltige Erzeugung von Fisch als gesundem Lebensmittel hat, um die Wertschöpfung in der Region zu erhöhen. Weiter sollen den zentralen Akteuren des Aquakultursektors (Handel, Aquakulturbe-treiber, Behörden) mögliche Umsetzungspfade zugänglich gemacht werden.

Page 7: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

„Diversity Turn“ in Land Use Science: Die Bedeutung sozialer Diversität für nachhaltige Landnutzungsinnovationen am Beispiel des Vanilleanbaus in Madagaskar Prof. Susanne Bögeholz, Prof. Andrea D. Bührmann, Prof. Dirk Hölscher, Jun.-Prof. Marcela Ibañez Diaz, Jun.-Prof. Holger Kreft, Prof. Rainer Marggraf/PD Jan Barkmann, Prof. Eva Schlecht, Prof. Teja Tscharntke/Dr. Ingo Grass, alle Universität Göttingen

Menschliche Gesellschaften und ihre Mitglieder sind – wie die natürliche Umwelt – divers. Da-mit eine nachhaltige Entwicklung gelingen kann, gilt es, gesellschaftliche und biologische Diversität – sprich: Vielfalt – gleichermaßen zu berücksichtigen. Ein wichtiges Problemfeld nachhaltiger Entwicklung betrifft die Landnutzung. Übergeordnetes Ziel des Forschungsvorha-bens ist es, einen ausdrücklich diversitätsbewussten Nachhaltigkeitsansatz in der Landnut-zungsforschung zu entwickeln. Der Ansatz wird in Forschung, Lehre und Ausbildung des wis-senschaftlichen Nachwuchses verankert sowie für konkrete Verbesserungen in der Praxis nutz-bar gemacht. In dem Vorhaben wird ein Umwandlungsprozess erforscht, dessen Potenziale und Risiken be-reits kontrovers diskutiert werden: Die Einführung von Wertschöpfungsketten in Ländern des globalen Südens, die kleinbäuerliche Haushalte eng an international tätige Unternehmen an-binden (die vertikale Integration). Dies wollen die ForscherInnen am Beispiel des Vanilleanbaus in Madagaskar untersuchen. Zwei Drittel der weltweit produzierten Vanille stammen aus Ma-dagaskar, einem der ärmsten Länder der Erde. Gleichzeitig gehören die dortigen Wälder zu den besonders schützenswerten „Hotspots“ biologischer Vielfalt. Deshalb stellt sich die Frage: Wel-che Auswirkungen hat die enge Einbeziehung kleinbäuerlichen Vanilleanbaus in internationale Wertschöpfungsketten auf Menschen und Umwelt vor Ort? Mithilfe qualitativer und quantitativer sozialwissenschaftlicher sowie naturwissenschaftlicher Methoden analysieren die WissenschaftlerInnen die Wirkungen, die

• die Integration auf die lokalen Haushalte und ihre Mitglieder sowie

• die kleinbäuerliche Landnutzung mit Vanilleanbau auf die biologische Vielfalt hat. Es soll untersucht werden, ob und wie sich die Wirkungsketten unterscheiden, wenn verschie-dene Dimensionen sozialer Ungleichheit (z. B. Gender, regionale Herkunft, soziale Stellung) be-trachtet werden. Anhand der empirischen Ergebnisse werden Vorschläge entwickelt, die nach-haltige Handlungsmöglichkeiten innerhalb der Landnutzungssysteme des Projektgebiets auf-zeigen. Das Vorhaben soll zudem dazu beitragen, eine Theorie inklusiver Landnutzungsfor-schung zu entwickeln, die die Bedeutung von biologischer und gesellschaftlicher Vielfalt be-rücksichtigt. Die Forschung wird eng auf die beteiligen Stakeholdergruppen abgestimmt, so-dass ihre Interessen an Erkenntnissen und Handlungsfeldern Berücksichtigung finden. Neben kleinbäuerlichen Haushalten und einer madagassischen Universität im Projektgebiet wird mit der Symrise AG, einem niedersächsischen Weltmarktführer der Aroma-Industrie, ko-operiert. Symrise baut im Norden von Madagaskar eine vertikal integrierte Produktion natürli-cher Vanillearomen auf. Ein wissenschaftlicher Projektbeirat wacht über wissenschaftsethische

Page 8: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

Fragen, die sich bei gleichzeitiger Zusammenarbeit mit einem multinationalen Unternehmen und dessen kleinbäuerlichen LieferantInnen ergeben. Im Rahmen des Vorhabens wird ein Zerti-fikatsprogramm „Transformative Land Use Science“ eingeführt, um den neuen Ansatz direkt in die Nachwuchsausbildung zu integrieren.

Page 9: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

Strategische Entwicklungspotenziale für eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft und Entwicklung ländlicher Räume in Niedersachsen Prof. Achim Spiller, Prof. Ludwig Theuvsen, beide Universität Göttingen Prof. Reinhard Pfriem, Prof. Ingo Mose, Prof. Rainer Buchwald, alle Universität Olden-burg Prof. Rainer Danielzyk, Leibniz Universität Hannover Prof. Hiltrud Nieberg, Thünen-Institut Braunschweig

Pro Jahr stellen rund 3 % der deutschen Bauernhöfe den Betrieb ein, die verbleibenden land-wirtschaftlichen Betriebe werden immer größer. Dies führt zu der Gefahr, dass Dörfer veröden und gewachsene Kulturlandschaften verarmen. Die vielfache Folge: Landwirtschaft und Bevöl-kerung entfremden sich. Vor diesem Hintergrund gibt es eine zunehmende gesellschaftliche Diskussion um die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft. In der wissenschaftlichen For-schung ist jedoch unklar, was überhaupt eine sog. bäuerliche Landwirtschaft ist und welchen Stellenwert diese für die nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume haben könnte: Arbeiten kleinere Betriebe im Durchschnitt umwelt- und tierfreundlicher? Welches Potenzial existiert für regionale Wertschöpfungsketten und Tourismus? Und wie lässt sich das vorhandene Potenzial mobilisieren? Durch die Zusammenarbeit von WissenschaftlerInnen aus Betriebswirtschaftslehre, Agrarwis-senschaften, Geographie, Ökologie und Regionalplanung von vier niedersächsischen Universi-täten und Forschungsinstituten will das Projekt Erkenntnisse für die Stärkung landwirtschaftli-chen Unternehmertums im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung gewinnen. Dabei erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit wichtigen Praxis- und Transferpartnern wie dem Grünland-zentrum Niedersachsen/Bremen, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Akademie für Raumforschung und Landesplanung. Aufbauend auf einer Analyse der Ausgangsbedingungen, der Potenziale und Entwicklungsopti-onen wird ein Leitbildentwurf für eine nachhaltige bäuerliche Land- und Ernährungswirtschaft erstellt, der in drei niedersächsischen Teilregionen evaluiert wird. In der nächsten Projektphase werden Modelle darüber erarbeitet, wie sich landwirtschaftliche Wertschöpfung, ländliche Re-gionalentwicklung und Agrarpolitik sinnvoll verändern lassen. Darauf aufbauend soll ein Nach-haltigkeitsszenario entstehen, das über Veranstaltungen in den drei Regionen sowie auf einem zentralen Stakeholderkongress öffentlich vorgestellt und diskutiert wird. Übergreifend wird damit der Frage nachgegangen, unter welchen Bedingungen und auf welchen Wegen in einer konkreten Branche eine die Einbindung und Verankerung von Nachhaltigkeit gelingen kann. Über den Agrarsektor hinaus liefert das Projekt Erkenntnisse über den Zusammenhang von Betriebsgröße, Wachstumsdynamiken, verschiedenen Wirtschaftsstilen und nachhaltiger Ent-wicklung, die sich zumindest teilweise auch auf andere Sektoren wie den Lebensmittelhandel, den Energiebereich, das Handwerk oder Dienstleistungsunternehmen übertragen lassen.

Page 10: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

Netzwerke schaffen Nachhaltigkeit: Theoretische Konzepte, empirische Befunde und politische Konsequenzen Prof. Peter Nyhuis, Prof. Rolf Sternberg, Prof. Berend Denkena, Jun.-Prof. Tom Brökel, Prof. Gabriele Wagner, alle Leibniz Universität Hannover

Das Forschungsvorhaben untersucht, ob und wie eine stärkere Vernetzung von Akteuren aus verschiedenen Bereichen innerhalb regionaler Wertschöpfungsketten die ökologische, ökono-mische und soziale Nachhaltigkeit von ländlichen Regionen steigern kann. Als Akteure stehen dabei insbesondere Wirtschaftsförderer, Innovationszentren, öffentliche Bildungseinrichtun-gen sowie kleine und mittelständische Unternehmen im Fokus der Untersuchungen und wer-den aktiv in das Forschungsvorhaben einbezogen. Besonderes Augenmerk wird im Vorhaben auf die metallverarbeitende Industrie und die Landwirtschaft gelegt. Im größtenteils ländlich geprägten Flächenland Niedersachsen finden sich neben Agrarbetrie-ben zahlreiche Fertigungsbetriebe der metallverarbeitenden Industrie. Diese existieren in ver-schiedenen Unternehmensgrößen und bilden teilweise bereits heute erfolgreiche Netzwerke. Ein Beispiel dafür ist die Luftfahrtindustrie in der Region Friesland, die sich in den letzten Jahren von einer wirtschaftlichen Problemregion zu einer wirtschaftlich gedeihenden Region entwi-ckelt hat. Diese Region soll daher mit der Region Süd-Ost-Niedersachsen (das im Wesentlichen die Kreise Goslar, Northeim und Osterode umfasst) verglichen werden. Die Süd-Ost-Region ist wirtschaftlich weniger erfolgreiche, weist jedoch eine vergleichbare Präsenz der metall-verarbeitenden Industrie auf, welche teilweise auch für die Luftfahrtindustrie fertigt. Weiterhin ähneln sich beide Regionen nicht nur in der Struktur der Landwirtschaft, sondern besitzen das Potenzial für eine intensive lokale Verbindung von landwirtschaftlichen und metallverarbei-tenden Betrieben bezogen auf eine Verzahnung von Wertschöpfungsketten und Wissensnetz-werken. Ein Vorbild für solch eine erfolgreiche Verzahnung ist das „öko-industrielle Symbiose-Netzwerk“ in Kalundborg (Dänemark), in dem eine starke Verflechtung zwischen den Betrieben dieser Branchen im Hinblick auf den Energiekreislauf realisiert worden ist. Dort ermöglichen Wissensnetzwerke eine intensive Vernetzung regionaler Akteure, indem sie die notwendigen Kommunikations- und Koordinationsstrukturen bereitstellen. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass die durch landwirtschaftliche Betriebe erzeugte regenerative Energie für die lokale Industrieproduktion genutzt wird. Im Rahmen des Forschungsvorhabens wird untersucht, ob und in welcher Ausprägung die Ver-zahnung der Wertschöpfungsketten und Vernetzung der Akteure in den Regionen Niedersach-sen bereits entwickelt ist bzw. welche Potenziale zukünftig noch gehoben werden können. Wei-terhin wird gemeinsam mit den Akteuren geklärt, ob und inwieweit sich der unterschiedliche Ausprägungsgrad an Wertschöpfungsverzahnungen und komplementären Wissensnetzwerken in den beiden Regionen auf die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit der Aktivi-täten der beiden Industrien auswirkt.

Page 11: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

METAPOLIS – Eine inter- und transdisziplinäre Plattform für eine nachhal-tige Entwicklung der Stadt-Land-Beziehungen in Niedersachsen Prof. Vanessa Miriam Carlow, Prof. Boris Schröder-Esselbach, Prof. Nils C. Bandelow, Prof. Norbert Fisch, Prof. Susanne Robra-Bissantz, Prof. Thomas Siefer, Prof. Stephan Weber, alle Technische Universität Braunschweig Prof. Insa Neuweiler, Leibniz Universität Hannover

Das Forschungsprojekt untersucht, wie sich Strategien einer nachhaltigen Entwicklung von Stadt-Land-Beziehungen in Niedersachsen identifizieren und implementieren lassen. Der Be-griff METAPOLIS bezeichnet Netzwerke großer, mittelgroßer und kleiner Siedlungen in einer ländlichen Umgebung, die durch Verkehrs-, Waren- und Datenströme sowie alltägliche Hand-lungen ihrer Bevölkerung verbunden sind – sprich: räumlich, ökologisch, sozial und ökono-misch. Der Forschungsansatz zielt auf eine integrierte und ganzheitliche Betrachtung dieser METAPOLIS mit ihren besiedelten Flächen, Landschaften, BewohnerInnen sowie deren Bezie-hungen untereinander. Die städtebaulichen sowie stadtplanerischen Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwick-lung werden analysiert, jeweils im Hinblick auf Ökosystemleistungen und Biodiversität (ökolo-gischer Nachhaltigkeitsaspekt), Energie, Ressourcen und Mobilität (ökonomischer Aspekt) so-wie Social Capital und Lebensstile (sozialer Aspekt). Dabei beziehen die ForscherInnen die Be-wertung der Umsetzbarkeit von Nachhaltigkeitskonzepten durch politische und gesellschaftli-che AkteurInnen (politisch-institutioneller Aspekt) mit ein. Damit quantifizieren und integrie-ren sie wesentliche Nachhaltigkeitsaspekte innerhalb der METAPOLIS-Region hinsichtlich mög-licher Wechselwirkungen, Synergien und Zielkonflikte. Bei der Konzeption von Visionen und Strategien für eine nachhaltige Transformation Nieder-sachsens schließen die ForscherInnen frühzeitig die Bedürfnisse und Präferenzen von BürgerIn-nen sowie zivilgesellschaftlichen und politischen AkteurInnen ein. Dies macht sie zu PartnerIn-nen der Transformation und erhöht die Akzeptanz bei der Umsetzung der gemeinsam entwi-ckelten Konzepte. Ein zentrales Produkt des METAPOLIS-Projekts ist deshalb eine interaktive Informations- und Partizipationsplattform. Die Plattform deckt Wirkungszusammenhänge aus den Bereichen Siedlungstypen, Landnutzung, Ökosystemleistungen, Mobilität, Energie- und Ressourcenverbrauch auf und veranschaulicht sie allgemeinverständlich. Dies geschieht durch die integrative, vernetzte Darstellung von Erkenntnissen über Ressourcenangebot und -nutzung, lokales Alltagshandeln und Präferenzen der AkteurInnen. Auf die Erkenntnisse, die mithilfe der Plattform gewonnen werden, wird eine interaktive Visualisierung von Entwick-lungsszenarien und Zukunftsvisionen aufbauen, die als Basis dazu dient, verschiedene (Ziel-)Vorstellungen aller Beteiligten auf Augenhöhe zu diskutieren und mit Aspekten einer nachhal-tigen Entwicklung abzugleichen. Als Impulsgeber für einen breit angelegten gesellschaftlichen Diskurs zur künftigen Entwicklung Niedersachsens bzw. seiner Städte, Siedlungen und Regio-nen schlagen die ForscherInnen drei Initial-Visionen vor, die Aspekte einer nachhaltigen Ent-wicklung für konkrete Orte bündeln:

Page 12: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

• Die Vision „Lebenswerte Orte für alle“ adressiert Fragen des demografischen Wandels, der Diversifizierung von Lebensstilen und -ansprüchen, der Gründe für Zu- und Abwanderung, der Barrierefreiheit sowie der sozialgerechten und demokratischen Teilhabe an den Errun-genschaften der Gesellschaft.

• Die Vision „Blau-grüne Region“ zielt auf die Herausforderungen des Klimawandels, der Nutzung erneuerbarer Energien und Ressourcen, der landschaftsbedingten Identität einer Siedlung, Stadt oder Region sowie des Erhalts von Gesundheit, biologischer Vielfalt und wohnortnahen Erholungsräumen.

• Die Vision „5-Minuten-Stadt“ stellt sich der Aufgabe ressourcensparender und ökonomisch realisierbarer Mobilität im Sinne der Versorgung mit alltäglichen Gütern und Dienstleis-tungen.

Mithilfe der zu erwartenden Erkenntnisse entsteht eine wesentliche Grundlage für die Erfül-lung des Verfassungsgebots, in allen Landesteilen gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewähr-leisten.

Page 13: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

DISTRICT – Nachhaltigkeitsbewertung der Stromversorgung in Bürgerver-antwortung Prof. Carsten Agert, NEXT ENERGY – EWE-Forschungszentrum für Energietechnologie Prof. Susanne Boll, Dr. Detlev Heinemann, Prof. Sebastian Lehnhoff, Prof. Jannika Mat-tes, alle Universität Oldenburg Prof. Thomas Schomerus, Prof. Heinrich Degenhart, beide Leuphana Universität Lüne-burg Prof. Michael Sonnenschein, OFFIS – Institut für Informatik

Um Akzeptanz und Zustimmung in der Bevölkerung für einen schnellen Ausbau Erneuerbarer Energien zu generieren, ist aktives Bürgerengagement eine Grundvoraussetzung. Im Rahmen des Projekts DISTRICT wird erforscht, wie Bürgerenergiesysteme – angefangen bei gemein-schaftlich genutzten Stromspeicherlösungen bis hin zu genossenschaftlich betriebenen erneu-erbaren Stromversorgungssystemen – im Zuge der Energiewende und im Sinne einer nachhal-tigen Entwicklung zu gestalten sind. Zunächst werden daher mögliche Bürgerenergiesysteme unter verschiedenen Aspekten beleuchtet:

• Beteiligte Akteure und deren Interessen

• Derzeitige und künftige technische Optionen

• Gegenwärtige und zukünftige rechtliche Grundlagen

• Ökonomische Rahmenbedingungen

• Komplexität der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik

Ein erstes Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines Modells für Bürgerenergiesysteme, das unter diesen Aspekten und aktuellen Rahmenbedingungen für sich betrachtet zukunftsfähig erscheint. Gegenstand der Untersuchung sind kleinere Siedlung oder Straßenzüge, die im Spe-ziellen gezielt beleuchtet werden. Im nächsten Schritt wird dieses zukunftsfähige Modell eines Bürgerenergiesystems strukturell unter den Gesichtspunkten Ökonomie, Ökologie, Soziologie und Technik weiterentwickelt. Da-bei werden auch verschiedene Ausbauziele der erneuerbaren Energien sowie rechtliche Rah-menbedingungen berücksichtigt. Ein zukunftsfähiges Bürgerenergiesystem optimiert den täglichen Einsatz seiner Komponenten hinsichtlich konkreter Ziele (z. B. Autarkie von externen Stromlieferanten, Reduktion von CO2-Emissionen oder finanzielle Ziele) auf lokaler Ebene. Ein solches System muss aber auch hin-sichtlich übergeordneter Nachhaltigkeitskriterien einer deutschlandweiten Stromversorgung bewertet werden. Die Konflikte, die durch diese – auf unterschiedlichen Ebenen verorteten – Kriterien entstehen, sollen herausgearbeitet und gegenübergestellt werden. Das wesentliche Ziel dieses fachübergreifenden Forschungsprojektes ist die umfassende Be-wertung eines lokal optimierten Energiesystems in Bürgerverantwortung unter Nachhaltig-keitskriterien im Vergleich mit Referenzstromversorgungsystemen. Diese Referenzsysteme stel-len die zwei Extreme dar, die größtmöglich vom Bürgerenergiesystem abweichen: Eine häusli-

Page 14: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

che/individuelle Eigenverbrauchsoptimierung als maximal dezentrale Variante und einen Be-treiber, der zentral sämtliche verteilten Ressourcen wie Energieerzeugung durch Photovoltaik und lokale Speicher steuert. Im Zuge des Projektes werden mehrere Workshops mit Bürgerbeteiligung insbesondere zur modellhaften Gestaltung des untersuchten Bürgerenergiesystems durchgeführt. Aus den Pro-jektergebnissen können Handlungsempfehlungen für den Gesetzgeber, die lokale Politik sowie die lokalen Akteure abgeleitet werden.

Page 15: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

Governance von Nachhaltigkeitstransformationen durch die Steuerung von Synergien und Zielkonflikten im Nexus Wasser-Energie-Nahrung Prof. Claudia Pahl-Wostl, Prof. Andrea Lenschow, Prof. Gabriele Broll, Prof. Martin Franz, Prof. Miriam Kuckuck, Prof. Frank Teuteberg, alle Universität Osnabrück Prof. Sandra Rosenberger, Hochschule Osnabrück Prof. Jens Newig, Leuphana Universität Lüneburg

Wasser, Energie und Nahrung bereitzustellen und gleichzeitig natürliche Ressourcen und Öko-systeme zu schützen, ist ein zentraler Bestandteil nachhaltiger Entwicklung. Bislang werden die Bereiche Wasser, Energie und Nahrung oft isoliert voneinander behandelt, was weltweit zu Zielkonflikten führt, die sich stetig verschärfen. Für weite Teile des westlichen Niedersachsens und des nordwestlichen Nordrhein-Westfalens, die landwirtschaftlich intensiv genutzt werden, sind die Folgen dieser Konflikte deutlich erkennbar: Sie charakterisiert eine Überproduktion an Gülle, eine sinkende Grundwasserqualität sowie die Flächenkonkurrenz durch Energiepflan-zenanbau. Daher zielt das Forschungsvorhaben auf die Analyse der wichtigsten Konflikte hin-sichtlich der Ziele, der Identifikation möglicher Potenziale, die sich durch Synergien ausschöp-fen lassen, sowie auf Maßnahmen, um die Bereiche Wasser, Energie und Nahrung in Richtung von mehr Nachhaltigkeit zu verändern, ab. Dabei sollen insbesondere die Wege untersucht werden, die es Regionen ermöglichen, trotz fehlenden Einflusses auf internationale Produkti-ons- und Regelungssysteme aktiv zu solch einer Veränderung beizutragen. Das Projekt analysiert die Bereiche Wasser, Energie und Nahrung auf drei verschiedenen Ebe-nen:

• Regional: Eine Fokusregion liegt im Nordwesten Deutschlands. • Transregional: Die Untersuchung der Verflechtung der Fokusregion mit ähnlich struktu-

rierten Regionen in den Niederlanden, Dänemark und Polen. • Global: Die Analyse anhand eines Vergleichs unterschiedlicher, charakteristischer Beispiel-

Regionen (Uruguay, Russland und Südafrika) mit ähnlicher Problemkonstellation. Untersucht werden die politischen und rechtlichen Strukturen sowie die der Akteure im Was-ser-, Energie- und Nahrungsbereich und deren Verflechtungen über die verschiedenen Ebenen. Anhand der Ergebnisse werden Indikatoren entwickelt, um die Nachhaltigkeit und Versor-gungssicherheit in diesem System zu bewerten. Das Forschungsvorhaben vereint verschiedene Disziplinen, um Regelungs- und Produktionssys-teme, Perspektiven der Akteure sowie unterschiedliche Szenarien für die Zukunft zu untersu-chen und Handlungsmöglichkeiten zu identifizieren. Ein zentrales Instrument ist dabei eine Akteursplattform, in der sich Schlüsselakteure aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Bildung und allgemeiner Öffentlichkeit vernetzen, um gemeinsam die Umsetzung hin zu mehr Nachhaltig-keit in der Fokusregion aktiv zu fördern. Ein Hauptresultat des Projekts ist ein besseres Verständnis von Möglichkeiten und Grenzen regionaler Veränderungsprozesse der Nachhaltigkeit angesichts von Zielkonflikten in einer zu-

Page 16: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

nehmend globalisierten Welt. Weiterhin werden innovative Konzepte (z.B. Open Innovation, Crowdsourcing, kollektive Wissenskonstruktion) genutzt, die die Vernetzung und Koordination von gesellschaftlichen Akteuren unterstützen. Das Projekt hat den Anspruch, durch die Analyse von innovativen Lösungsansätzen, die Akteursplattform sowie praktische Pilotstudien konkrete Beiträge zu einer Nachhaltigkeitstransformation in der Fokusregion zu liefern. Zudem soll die Möglichkeit, inwiefern sich die gewonnenen Erfahrungen auf Problemkonstellationen in ande-ren Weltregionen übertragen lassen, analysiert werden.

Page 17: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

Nachhaltigkeit als Argument: Suffizienz, Effizienz und Resilienz als Para-meter anthropogenen Handelns in der Geschichte Prof. Dr. J. Bergemann, Prof. Dr. R. Bürger-Arndt, Prof. Dr. R. Florack, Prof. Dr. M. Füssel, Prof. Dr. A. Reitemeier, Prof. Dr. T. Scheer, alle Universität Göttingen Prof. Dr. H. Küster, Leibniz Universität Hannover

Menschen greifen immer mehr in ihre Umwelt ein – diese Tatsache hat Nachhaltigkeit zu ei-nem Feld von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung werden lassen. Auch in früheren mensch-lichen Gesellschaften stellte Nachhaltigkeit bereits einen wichtigen Aspekt für das Überleben und die Entwicklung dar, war aber keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Menschen müssen über Nachhaltigkeit informiert werden, sie konnten von dieser überzeugt werden, sie konnten andere Modelle von Nachhaltigkeit vertreten, sie konnten auch nachhaltiges Handeln ableh-nen. Im Zentrum steht also die Frage nach den Aushandlungen von Nachhaltigkeit einschließ-lich ihrer praktischen Umsetzung. Für die Untersuchung wird von einem dynamischen Modell der Mensch-Umwelt-Beziehungen ausgegangen, das durch drei Faktoren bestimmt wird: Öko-logie, Ökonomie und Gesellschaft. Auseinandersetzungen um Nachhaltigkeit gab es aller Wahrscheinlichkeit nach in der Regel dann, wenn sich das Verhältnis von Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft verschob. Weil je-doch der gegenwärtige Begriff der Nachhaltigkeit erst im 18. Jahrhundert entwickelt wurde, verwendet das Forschungsvorhaben die drei Untersuchungskategorien „Effizienz“, „Suffizienz“ und „Resilienz“, die einander ergänzen. Ziel ist es somit, „Signaturen“ von Nachhaltigkeit, also Prägungen bzw. nachvollziehbare Einflüsse, in der Geschichte zu identifizieren und zu analysie-ren. Gemeint sind damit die sich fortlaufend wandelnden Aushandlungsprozesse und Prakti-ken, die kulturelle gebunden waren und sich stets auf die Vergangenheit sowie auf die Zukunft bezogen. Dass sich Nachhaltigkeitsgedanken in der Gesellschaft verankern konnten, wird als kulturelle Anpassung verstanden. In die Untersuchung wird zudem mit einbezogen, dass Be-strebungen für nachhaltiges Agieren scheitern oder auch – bspw. bedingt durch militärische Auseinandersetzungen – gänzlich zerstört werden konnten. Die praktische Umsetzung von Nachhaltigkeit erforderte eine organisatorische Durchdringung und Kontrolle der Gesellschaft und schuf auf diese Weise Herrschaft. Das Forschungsvorhaben wird anhand von Fallbeispielen die theoretischen und praktischen Entwicklungen der Nachhaltigkeit in der Vormoderne untersuchen. Dies beginnt bei der grie-chischen Antike, die zugleich Referenzmodell der weiteren Teilvorhaben ist, die sich vornehm-lich auf (Nord-)Deutschland konzentrierenden. Der Schwerpunkt des Forschungsvorhabens liegt damit methodisch in den Kulturwissenschaften, integriert darüber hinaus weitere Diszip-linen, beispielweise naturwissenschaftliche (insb. biologische sowie forst- und landschaftswis-senschaftliche) sowie technische Methoden. Das Vorhaben überprüft somit die These, dass sich Nachhaltigkeit als Kerngedanke eines im steten Wandel begriffenen und doch langfristig be-stehenden menschlichen Verhaltens durch alle Epochen hinweg gegeben ist.

Page 18: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

TransPart – Nachhaltige Mobilitätssysteme für urbane und ländliche Räu-me: Transition durch Partizipation Prof. Thomas S. Spengler, Prof. David D. Woisetschläger, Prof. Christoph Herrmann, Prof. Bernhard Friedrich, alle Technische Universität Braunschweig

Innovative Technologien, Produkte und Dienstleistungen für eine nachhaltige Mobilität werden bisher deutlich langsamer angenommen als es aus gesellschaftlicher Sicht erforderlich ist. Ein Grund hierfür ist, dass die Innovationen häufig entwickelt werden, ohne die BürgerInnen mit einzubeziehen. Zudem kommen sie oft nur einzelnen gesellschaftlichen Gruppen zugute. Vor diesem Hintergrund werden in dem Forschungsvorhaben Voraussetzungen und Potenziale einer Entwicklung nachhaltiger Mobilitätssysteme untersucht, die von BürgerInnen getrieben wird. Das Vorhaben verfolgt die Vision, dass die BürgerInnen eigene Ideen systematisch in nachhalti-ge Mobilitätsangebote überführen, um ihre individuellen Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen. Diese Ideen sollen in das bestehende Mobilitätssystem integriert werden, ohne dass spezielles Expertenwissen nötig ist. Die Vision wirft mehrere Forschungsfragen auf:

• Welchen Beitrag kann Partizipation tatsächlich leisten, um Mobilitätssysteme zu trans-formieren?

• Welches Interesse zur Partizipation besteht in unterschiedlichen gesellschaftlichen Grup-pen?

• Welche Werkzeuge brauchen die BürgerInnen, um Mobilitätsangebote eigenständig ge-stalten und bereitstellen zu können?

• Wie kann sichergestellt werden, dass die Einzelentscheidungen der BürgerInnen zu nach-haltigen Mobilitätssystemen führen?

Zur Beantwortung dieser Fragen wird ein Forschungsansatz verfolgt, der sich über die Diszip-lingrenzen hinweg erstreckt und BürgerInnen aktiv einbezieht. In dessen Mittelpunkt stehen zwei Dinge: Erstens die Entwicklung von Werkzeugen, um partizipativ Mobilitätsangebote zu gestalten und bereit zu stellen – jeweils unter Berücksichtigung der notwendigen Infrastruktur; zweitens die Beurteilung der Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit des Gesamtsystems. Die BürgerInnen werden über Diskussionsforen, Umfragen und Workshops in die Forschung einge-bunden. Zum einen werden ihre Bedürfnisse und Motive erfasst. Zum anderen sind sie ab Be-ginn des Projektes an der Entwicklung von Partizipationswerkzeugen beteiligt und können durch deren Anwendung erste nachhaltige Mobilitätsangebote partizipativ umsetzen. Ein Großteil der Forschungsarbeiten wird in zwei Reallaboren stattfinden. Als städtisches Mobi-litätssystem wird das „Westliche Ringgebiet“ der Stadt Braunschweig untersucht, als ländliches Mobilitätssystem die Gemeinde Lehre. Die kommunalen Verwaltungen beider Reallabore un-terstützen das Projekt. Der effektive Dialog mit den BürgerInnen und Unternehmen sowie eine umfassende Evaluation und Verbreitung der Projektergebnisse sind durch die Einbindung wei-terer Partner sichergestellt.

Page 19: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

Ein zentrales Projektergebnis sind die gewonnen Erkenntnisse über Potenziale, Grenzen und Anreize einer stärkeren Bürgerbeteiligung an der Entwicklung nachhaltiger Mobilitätssysteme. Außerdem werden mit den entwickelten Partizipationswerkzeugen und Mobilitätsangeboten innovative Lösungen zur Befriedigung der individuellen Mobilitätsbedürfnisse von BürgerInnen geschaffen.

Page 20: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

NEMo – Nachhaltige Erfüllung von Mobilitätsbedürfnissen im ländlichen Raum Prof. Dr. Jorge Marx Gómez, Prof. Dr. Axel Hahn, Prof. Dr. Anna Henkel, Prof. Dr. Frank Köster, Prof. Dr. Jürgen Taeger, Prof. Dr. Andreas Winter, alle Universität Oldenburg Prof. Dr. Jantje Halberstadt, Leuphana Universität Lüneburg Prof. Dr. David M. Woisetschläger, Technische Universität Braunschweig

In Deutschland leben außerhalb von städtischen Räumen mehr als 50 Millionen Bürger mit jeweils individuellen Mobilitäts- und Versorgungsbedürfnissen. Aufgrund des demographi-schen Wandels wird es jedoch für Landkreise und Gemeinden zunehmend schwieriger, ein Grundangebot an öffentlichen Mobilitätsdienstleistungen wie Bus und Bahn vorzuhalten, ohne die Frage nach notwendiger sozialer Teilhabe, sinnvoller regionaler Wertschöpfung und nicht zuletzt auch realisierbaren Umweltschutzzielen zu stellen. Dabei wird der Mobilitätsbedarf auf dem Land in Zukunft, beispielsweise durch die Ballung von medizinischen Versorgungseinrich-tungen und Einkaufszentren in Stadtnähe, weiter zunehmen. Bereits heute stehen die örtlichen Verkehrsbetriebe vor der Herausforderung, die Erreichbarkeit von Arbeits- und Ausbildungs-plätzen, Schulen, Gesundheitszentren sowie Freizeitmöglichkeiten aus dem ländlichen Bereich zuverlässig zu gewährleisten. Angesichts dieser Problemlage verfolgt das Forschungsvorhaben NEMo die Entwicklung von nachhaltigen und innovativen Mobilitätsdienstleistungen sowie darauf basierenden Ge-schäftsmodellen für den ländlichen Raum. Dabei will NEMo neue Mobilitätsangebote schaffen, in denen auch der Bürger zum Mobilitätsanbieter wird. So könnten beispielsweise selten ange-fahrene Haltepunkte des öffentlichen Personennahverkehrs zusätzlich auch von Privatperso-nen mit dem eigenen PKW zur Mitnahme weiterer Personen bedient werden. Durch eine höhe-re Personenauslastung des privaten PKWs können Versorgungslücken geschlossen und insge-samt das Verkehrsaufkommen und die damit verbundenen negativen Umweltauswirkungen reduziert werden. Zur Planung und Steuerung dieser neuen ländlichen Mobilität nehmen Informations- und Tele-kommunikationstechnologien eine Schlüsselfunktion ein. Im Rahmen des Vorhabens werden zunächst spezifische Anforderungen und auch Akzeptanzgrenzen dieser neuen Mobilität er-fasst und anschließend in ein rechtskonformes Konzept überführt. Von Beginn an werden Bür-ger und öffentliche Mobilitätsanbieter in das Projekt eingebunden, damit sich die tatsächlichen Bedürfnisse und Hindernisse frühzeitig erkennen, berücksichtigen und lösen lassen. Ein beson-deres Augenmerk liegt hier neben der Koordination und Vernetzung aller Akteure, insbesondere durch die Selbstorganisation der Bürger (z. B. Fahrgemeinschaften und Nachbarschaftsauto). Für die Bereitstellung eines umfassenden und offenen Mobilitätsangebots werden wirtschaftli-che, gesellschaftliche und organisatorische Konzepte entwickelt. Diese Konzepte werden in einer vernetzten Plattform für den ländlichen Raum Oldenburg und den Landkreis Weser-marsch zusammengeführt, getestet und im engen Dialog mit den Bürgern bewertet.

Page 21: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

Das Projekt NEMo wird durch assoziierte Partner (Kommunen, Kammern, Unternehmen und weitere Forschungseinrichtungen) unterstützt, wodurch auch eine Übertragbarkeit und Ver-breitung der Projektergebnisse auf weitere Regionen gewährleistet ist.

Page 22: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

Die Universität als Pionier der Transformation von Energiesystemen (Pionier-Energie) Prof. Dr. Klaus Fichter, Prof. Dr. Alexander Nicolai, beide Universität Oldenburg Prof. Dr. Carsten Agert, NEXT ENERGY – EWE-Forschungszentrum für Energietechnolo-gie Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Ruck, Prof. Dr. Stefan Schaltegger, beide Leuphana Universität Lüneburg Prof. Dr. Rolf Sternberg, Leibniz Universität Hannover

Neben den historisch gewachsenen Aufgaben der Forschung und Bildung wird von Universitä-ten heute erwartet, zusätzlich lösungs- und handlungsorientierte Beiträge zu gesellschaftlich relevanten Fragen zu liefern. In diesem Sinne übernehmen sie eine unternehmerische Aufgabe. Darüber, welche Rolle Universitäten beim Umbau der Energiesysteme einnehmen, existieren bislang kaum empirische Befunde. Das Forschungsvorhaben beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle Universitäten bei der Entwicklung und Förderung von Innovationen für den nachhaltigen Umbau von Energiesyste-men einnehmen. Untersuchungsgegenstände sind innovative Lösungen innerhalb der Institu-tion Universität (z. B. energieeffiziente klimaneutrale Gebäude) sowie solche Beiträge, die Hochschulen durch den Transfer von Wissen und Patenten, durch akademische Ausgründun-gen oder durch Kooperation in Innovationsverbünden für die Transformation der Energiesys-teme leisten – sowohl auf regionaler wie auf nationaler Ebene. Die zentrale These des Vorhabens lautet: Universitäten sind aufgrund ihrer drei grundlegenden Funktionen von Bildung, Forschung und Bereitstellung praktischer Lösungen dazu prädestiniert, eine Pionierrolle beim nachhaltigen Umbau der Energiesysteme zu übernehmen. Die bestehen-den universitären Potenziale werden bis dato aber nicht hinreichend für die Energiewende ge-nutzt. Das Projekt umfasst drei Arbeitspakete: Zuerst werden vier verschiedene Perspektiven auf die Rolle von Universitäten bei der Energietransformation definiert (Universität als Nachhaltig-keitsakteur, als Innovationsakteur, als Regionalakteur und als Akteur im unternehmerischen Prozess). Alle vier Perspektiven haben den gleichen Analyse- und Erkenntnisgegenstand, be-leuchten diesen aber aus der Sicht unterschiedlicher Disziplinen. Sie zielen auf Ergebnisse zur Pionierrolle von Universitäten bei der Energietransformation, die sich verallgemeinern lassen. In einem zweiten Schritt sollen umsetzungsorientierte Ergebnisse für die Energiewende in Nie-dersachsen und Deutschland erzeugt werden. Lösungen für zwei konkrete Innovationsfelder und Einzelbeispiele von Energieinnovationen sollen entwickelt werden: „Transformation von Städten und Regionen zu klimaverträglichen Smart Cities und Smart Regions“ sowie „Hoch-temperatur-Wärmespeicherung als integrales Element der Wärmemarkttransformation“. Als drittes wird die inter- und transdisziplinäre Integration und der Transfer untersucht. Dies stellt im Projekt eine zentrale Funktion dar, da somit entlang des gesamten Forschungsprozes-

Page 23: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

ses die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Verknüpfung, Reflektion und Integrati-on der vorangegangenen Schritte möglich wird. Zudem unterstützen Maßnahmen wie ein Pro-jektbeirat sowie Forscher-Praktiker-Workshops einen transdisziplinären Ansatz und führen zu praktischen Lösungen.

Page 24: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

Gestaltungskompetenz als Innovator für hochzuverlässige Organisationen im Gesundheitssystem Prof. Dr. Birgit Babitsch, Universität Osnabrück Prof. Dr. Andrea Braun von Reinersdorff, Prof. Dr. Ursula Hübner, beide Hochschule Os-nabrück Prof. Dr. Gerhard de Haan, Freie Universität Berlin

Eine sichere Gesundheitsversorgung ist ein hohes und wichtiges Gut, welches in einem hoch-entwickelten Gesundheitssystem wie dem deutschen als selbstverständlich erachtet wird. Zu-gleich erschrecken in jüngster Zeit viele Berichte, die über Gesundheitsgefahren durch Behand-lungsfehler informieren. Die vorhandenen Zahlen bilden die Realität hinter diesen Berichten ab: So traten 2011 zum Beispiel 18.800 Todesfälle bei insgesamt 18,8 Millionen Behandlungsfällen auf (Krankenhaus-Report 2014). Die Fragen, die sich in einem solchen Fall immer stellen, sind: Was sind die Ursachen? Wer ist dafür verantwortlich? Warum konnte es nicht verhindert wer-den? Der Blick auf vergangene Fehler erweist sich jedoch als nicht ausreichend, um ein hohes Maß an Patientensicherheit zu erreichen. Es muss proaktiv agiert werden, d. h. bereits vor dem Ein-tritt eines potenziellen Fehlers, wie die Forschung zu hochzuverlässigen Organisationen belegt. Hierdurch gelingt es hochzuverlässigen Organisationen wie dem Flugwesen, dass trotz hoher Risiken nur selten schwere Fehler auftreten. In der Medizin konnte ein solches Denken und pro-aktives Handeln bis dato nur partiell etabliert werden. Auch der Umgang mit Fehlern ist nach wie vor schwierig. Eine wesentliche Voraussetzung für eine Sicherheitskultur ist, dass das Personal eine Sensibili-tät für die betrieblichen Abläufe bzw. eine gute Wahrnehmung für potenzielle Störungen und Fehler entwickelt. Zudem muss es sich Flexibilität und Entscheidungskompetenz aneignen. Lernen wird als entscheidende Basis für die nachhaltige Sicherung von Verlässlichkeit in Orga-nisationen gesehen. Es soll Kontexte in spezifischen Situationen berücksichtigen und an reale Situationen andocken. Entsprechend ist die Vermittlung eines solchen Wissens mehr als die Anhäufung von Kenntnissen, sondern eine Möglichkeit, Probleme aktiv mit Rücksichtnahme auf den jeweiligen Kontext zu bewältigen. Im Mittelpunkt steht dabei, Gestaltungsmöglichkei-ten auszuweiten und den Blick auf das Gesamtsystem zu legen. Die Gestaltungskompetenz im Ansatz der „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ beschreibt, an welchen zentralen Kompeten-zen sich Lernprozesse in hochzuverlässigen Organisationen gewinnbringend orientieren kön-nen. Eine Verbindung dieser Ansätze ist bis dato jedoch noch nicht erfolgt und stellt einen neu-en und innovativen Ansatz dar. Für einen konsequenten Perspektivwechsel wird im Forschungsprojekt eine interaktive Ler-numgebung für das Krankenhauspersonal entwickelt und erprobt. Darin soll an Positivbeispie-len gelernt werden. Hierzu werden in drei Fallstudien die Strukturmerkmale, mögliche Einfluss-faktoren und sowie Mechanismen, die durch proaktives Verhalten bzw. einer Sicherheitskultur

Page 25: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

zustande kommen, als gelingende Beispiele für Patientensicherheit im Krankenhaus identifi-ziert und in komplexe Lernszenarien überführt. Das Forschungsprojekt trägt dazu bei

• neue Denk- und Lernmodelle zu erarbeiten, um Krankenhäuser zu hochzuverlässigen Or-ganisationen zu entwickeln,

• neue Ansätze der Vermittlung von Patientensicherheit durch eine interaktive Lernumge-bung nutzen zu können und

• die Patientensicherheit im Sinne einer Sicherheitskultur nachhaltig zu gewährleisten.

Page 26: PROGRAMM Auswahlkolloquium: „Wissenschaft für nachhaltige

Die Rolle der Hochschulen in der Ausbildung von Schlüsselakteuren für die Nachhaltigkeitstransformation Prof. Matthias Barth, Prof. Jantje Halberstadt, Prof. Daniel Lang, Prof. Arnim Wiek, alle Leuphana Universität Lüneburg

Hochschulen kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn es im Hinblick auf das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung um die damit einhergehenden notwendigen gesamtgesellschaftli-chen Veränderungen geht. Hochschulen, die mit Forschung und Lehre betraut sind, sollen dafür robuste Strategien entwickeln und kompetente Schlüsselakteure ausbilden. Weltweit wurde in den letzten zehn Jahren eine Reihe von Modellprojekten gestartet, in denen nachhaltigkeitsori-entierte Lehrpläne und Lehrformate erprobt wurden. Während auf diese Weise erste „best practice“ Beispiele entstanden sind, fehlt noch eine systematische empirische Untersuchung dieser Ansätze. Eine solche Forschung würde aufzeigen, wie sich durch universitäre Ausbildung nachhaltigkeitsrelevante Kompetenzen am effektivsten an zukünftige Schlüsselakteure vermit-teln lassen. Das Forschungsprojekt unternimmt diesen Versuch. Es geht der Frage nach, wie sich die Aneig-nung von Schlüsselkompetenzen im Nachhaltigkeitsbereich auf zwei Ebenen unterstützen lässt: durch innovative Lehrformate in einzelnen Hochschulkursen und durch nachhaltigkeits-orientierte Hochschullehrpläne. In dem Projekt sollen dafür zum einen vergleichende Fallstu-dien zu innovativen Hochschulkursen vorgenommen werden. Diese vermitteln Studierenden in den Bereichen Nachhaltigkeitswissenschaft, Lehrerausbildung, und soziales Unternehmertum (social entrepreneurship) Kenntnisse und Fähigkeiten zum Erarbeiten von Nachhaltigkeitslö-sungen. Zum anderen analysieren die Forscher eine große Anzahl von nachhaltigkeitsorientier-ten Hochschulcurricula weltweit, um mehr Einsichten in effektive Vermittlung von Nachhaltig-keitskompetenzen zu erlangen. Absolventen, Arbeitgeber im Nachhaltigkeitsbereich, Studien-berater, Lehrende und Studierende werden über die Disziplingrenzen hinweg in die Forschung einbezogen. Das Projektteam vereint Expertise in den Bereichen Hochschulbildung für nachhal-tige Entwicklung, lösungsorientierte Nachhaltigkeitswissenschaft und unternehmerische Nachhaltigkeitsstrategien. Gegenstand und Kooperationspartner des Forschungsprojektes sind mit der Leuphana Univer-sität Lüneburg und der Arizona State University in USA zwei Universitäten, die umfangreiche Erfahrungen mit nachhaltigkeitsorientierten Studiengängen (Bachelor-, Master-, Promotions-studium) gemacht haben. Beide Hochschulen legen großen Wert auf die Ausbildung von Schlüsselakteuren für Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit und bieten ihre volle institu-tionelle Unterstützung für das Projekt an. Das Forschungsprojekt zeigt die innovativen Möglichkeiten auf und ermöglicht, anderen Hoch-schulen robuste Empfehlungen anzubieten und damit das weltweite Interesse an der Nachhal-tigkeitsausbildung in der Hochschullehre zu bedienen.