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92 sonic PORTRAIT Trio-Modell im Austria-Jazz Die Herkunft aus einem Dorf in Österreich prädestiniert nicht gerade zur einer Karriere als Posaunist und Komponist im Bereich des modernen Jazz. Dort heraus gekommen "Into The Light" (so der Titel seines Debütalbums) ist Clemens Hofer, geboren 1975 in Spittal / Drau (Kärnten), eben gerade, weil er sich eigentlich auf einen ruralen Beruf an der HBLA (Höhere Bundeslehranstalt für Landwirtschaft) in Elixhausen nahe Salzburg vorbereitete. Im Jahr seiner Matura wusste er noch nicht, dass er in Wien seine Studieninteressen radikal ändern und sich nach einer langen Fahrt mit seiner Band TrioBoot nun in der "Comfort Zone" einrichten würde. Hans-Dieter Grünefeld

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Page 1: PORTRAIT Trio-Model im Austria-Jazz · er die Gelegenheit, in New York bei Hal Crook, Posaunist und Autor von „How To Improvise" u.a., Stunden zu nehmen und auch den Einsatz von

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PORTRAIT

Trio-Modell im Austria-Jazz

Die Herkunft aus einem Dorf in Österreich prädestiniert nicht gerade zur einer Karriere als Posaunist und Komponist im Bereich des modernen Jazz. Dort herausgekommen "Into The Light" (so der Titel seines Debütalbums) ist Clemens Hofer, geboren 1975 in Spittal / Drau (Kärnten), eben gerade, weil er sich eigentlich aufeinen ruralen Beruf an der HBLA (Höhere Bundeslehranstalt für Landwirtschaft) inElixhausen nahe Salzburg vorbereitete. Im Jahr seiner Matura wusste er noch nicht,dass er in Wien seine Studieninteressen radikal ändern und sich nach einer langenFahrt mit seiner Band TrioBoot nun in der "Comfort Zone" einrichten würde.Hans-Dieter Grünefeld

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eradlinig war sein Weg zum Jazz aller-dings nicht, wie Clemens Hofer er-

zählt: "Auf dem Land gibt es fast in jedemDorf eine Blaskapelle. Als man bei uns jungeLeute suchte, bin ich, obwohl aus meiner Fa-milie alle beim Gesangsverein waren, übereinen Freund, dessen Vater der Kapellmeisterwar, da hingekommen. Unser Repertoire be-stand aus Polkas, Walzern und Märschen undspäter haben wir mit anspruchsvollerem Ni-veau auch symphonische Konzertstücke ge-spielt." Zunächst war die Trompete seinWegbegleiter, und er hatte Unterricht an derMusikschule. Weil er Probleme mit der Luft-führung hatte, wechselte Clemens Hofer imAlter von 15 Jahren auf den Rat seines Leh-rers dann zum Euphonium und zur Posaune,die er ziemlich schnell lernte, versiert zu spie-len. Doch weder hatte er zu der Zeit denWunsch, Berufsmusiker zu werden noch garInteresse an Jazz , denn niemand bei uns imDorf kannte Jazz oder hat Jazzplatten gehört."Deshalb fügte sich Clemens Hofer in die Tra-dition: seine Eltern haben einen Bauernhof,

und so besuchte er die oben erwähnte HBLA,absovierte seinen Militärdienst und immatri-kulierte sich danach an der PädagogischenHochschule in Wien mit der Orientierung, alsLehrer an der Landwirtschaftsschule in sei-nem Dorf zu arbeiten.

Offenbar blieb der Lehrerberuf nicht die ein-zige Option, denn Hofer nahm in Wien, auchaufgrund einer Ermunterung seiner Mutter,wieder privat Posaunenunterricht. Erst da,etwa im Alter von 25 Jahren, hatte ClemsnHofer erste Kontakte zum Jazz mit Schall-platten von J.J. Johanson, die dann zumAha-Erlebnis wurden, erinnert sich ClemensHofer: "Ich war völlig überrascht und faszi-niert, was man im Jazz alles an der Posaunemachen kann. Das war ein entscheidenderImpuls, um mich nach dem Abschluss derPädagogischen Hochschule beim Konserva-torium Wien an der Jazzabteilung zu bewer-ben. Nach der Aufnahmeprüfung wurde ichprompt angenommen und habe da im Kon-zertfach Posaune sowie Instrumental- und

Gesangspädagogik studiert." In dieser Zeit re-zipierte er Jazz von Platten, lernte, Songs zutranskribieren und wurde sicher, dass Musikseine Profession werden könnte. Deshalb er-gänzte er seine Ausbildung in Wien um Stu-dien (2002 bis 2005) an der KunstuniversitätGraz (KUG). Am wichtigsten war ClemensHofer jedoch, die immer noch bestehendenProbleme der Luftführung zu überwinden,sodass er, neben einer Beschäftigung zur Si-cherung des Lebensunterhalts, extensiv undbeharrlich Spieltechniken trainierte. Nach-dem er sowohl in Wien als auch in Graz Exa-mina abgelegt hatte, suchte sich ClemensHofer, um übers akademisch notwendige Maßhinaus zu gelangen, geeignete Lehrer außer-halb des Universitätsmilieus.

Beim Trompeter Bo Nilson konnte er, durchVermittlung eines Freundes in Malmö, andereMethoden für Übungen und Einstellungen zurMusik kennenlernen. Über Bo Nilson gelangteer dann zu Stefan Schulz, Bassposaunist derBerliner Philharmoniker, und schließlich hatte

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CLEMENSHOFER

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er die Gelegenheit, in New York bei Hal Crook,Posaunist und Autor von „How To Improvise"u.a., Stunden zu nehmen und auch den Einsatzvon Effektgeräten zu probieren. Resümierendmeint Clemens Hofer: "So hatte ich mir wirk-lich gute Lehrer zusammengesucht, die michbestens ausgebildet haben, sodass meinWunsch reifen konnte, etwas Eigenes zu ma-chen. Das Trio von Hal Crook wurde zumModell fürs erste Trioprojekt mit MichiruRipplinger (Gitarre) und Wolfi Rainer(Drums) im Jahr 2008. Unsere Besetzung wareher Zufall, weil ich mit dem Gitarristen gut be-freundet bin. Mit ihm hatte ich im Duo Stan-dards geübt und kleine Auftritte gehabt, und dakam die Idee, einen Schlagzeuger hinzu zunehmen. So ist das Trio und damit mein De-bütalbum entstanden." Das Repertoire wartrotz Eigenkompositionen im Stil noch relativkonventionell ausgerichtet. Die Band hattezwar einige Gigs, aber zwei Jahre später gab esmit Wolfgang Kendl am Schlagzeug einenPersonalwechsel: „Er kommt im Trio besserzurecht", sagt Clemens Hofer. „Wir sind ent-spannter als zuvor, haben mehr gemeinsameIdeen. Nachdem TrioBoot gegründet wordenwar, habe ich noch ein Jahr Masterstudium amKonservatorium Wien bei Johannes Herrlichdrangehängt. Das Thema für die Masterarbeitwurde, die Entstehungsgeschichte und die Ar-beitsweise von TrioBoot zu beschreiben, insbe-

sondere weil wir ohne Bass auskommen. Dafürhabe ich Standards wie „My funny Valentine“(von R. Rodgers) und „Falling Grace“ (von S.Swallow) analysiert und ein Solo von Hal Crooktranskribiert, um es mit meinem Trio zu wie-derzugeben. Ein anderer Aspekt der Master-arbeit war, das Comping* in so einerKonstellation darzustellen." In diesem Kon-text repräsentiert das Album "Comfort Zone"die Entwicklung der letzten vier Jahre.

Nun dominiert Clemens Hofer zwar als Kom-ponist, aber der eigentliche TrioBoot-Soundmanifestiert sich kollektiv. Zum einen nimmtClemens Hofer die Proben auf und sondiertdie Songs nach Qualität und Niveau, zum an-deren und wesentlicher ist nachträglich re-flektierte Konzertpraxis ein Richtfaktor.Durch den freieren Umgang mit den Struk-turen bei Bühnenpräsenz, wird die Musikzum work in progress, wobei auch Arrange-ments geändert werden können. "Je öfter wirzusammen spielen, desto besser wird dieKommunikation untereinander", sagt Cle-mens Hofer, sodass bei TrioBoot instant com-posing (spontan zu komponieren) über-raschend gut funktioniert und sogar ein Signetgeworden ist. Zu hören etwa beim avantgar-distsich imprägnierten „Treibholz", einem ra-biaten Riff, dessen Rockryhthmus fragmen-tiert wird und sich über den Klangstelen von

Posaune und verzerrter E-Gitarre zu einemPunk-Swing intensiviert. Doch eine Richtungfürs „Treibholz" ist da, nämlich in den Duo-Stromschnellen voranzukommen, wobei Cle-mens Hofer auch einen Harmonizer fürMultiphonics einsetzt („wenn es passt"), sodassdie Posaune mit den scharfen Gitarrensoundsrivalisiert. Dagegen bewegen sich „All This Mo-ments" eher im kühlen Swing-Stil, und er ver-wendet die Posaune nur akustisch. Schrägmodifiziert sind solche stilhistorischen Remi-niszenzen mit dem „Guardian Angel", geradedurch den seltsamen Plunger mit eingestülp-tem Trompetendämpfer. Solche Konzepte bie-ten eine mit sicherem Gusto ausgestattete„Comfort Zone" mit der Intention, dem Aus-tria-Jazz sowohl intellektuell als auch sinnlichein zeitgemäßes Format zu geben. �

* AnmerkungComping ist ein Begriff aus dem Jazz, womit dieStimmführung und die Relationen einzelenerInstrumente zueinander beschrieben werden.

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INSTRUMENTEEdwards T302 Jazzposaune, Mundstück: Bach 6 1/2 ALAntoine Courtois Legend AC 420 AR,Mundstück: Courtois Paris 5L

Elektronische GeräteDigiTech Harmony Man, Intelligent Pitch Shifter

Dämpfer-Kombi Herkömmlicher Plunger mit Humes& Berg Trumpet Straight Mute

CDSClemens HoferTrioBoot„Comfort Zone“2Morro Music 6007-2

Clemens Hofer Trio„Into The Light“

ATS Records 0687

www.clemenshofer.com