peter richter1 begegnung und vergleich der kulturen physikalisches kolloquium bremen 17. 12. 2009....

40
Peter Richter 1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck 利利Westliche und chinesische Kalender Christoph Clavius 利利·利利利 Papst Gregor Kaiser Kangxi 利利Adam Schall 利利

Upload: eilert-ledermann

Post on 05-Apr-2015

107 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 1

Begegnung und Vergleich der Kulturen

Physikalisches Kolloquium Bremen

17. 12. 2009.

Matteo Ricci Xu Guangqi

利玛窦 徐光启Johannes Schreck

邓玉函

Westliche und chinesische Kalender

Christoph Clavius

克里斯托佛 · 克拉乌

Papst Gregor

格里高教皇Kaiser Kangxi

康熙帝

Adam Schall

汤若望

Page 2: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 2

Die Aufgaben eines Kalenders

Regelung der (land-)wirtschaftlichen Aktivitäten Grundlage: die Bewegung der Sonne 太阳 (→ Sonnenwenden, Äquinoktien → Sonnenstationen 节气 → Sonnenjahr 岁 ) Terminierung der Festtage (Licht in der Nacht! 月光 ) Grundlage: die Bewegung des Mondes 月亮 (Monate 月 → Mondjahr 年 ) In China: Vorhersage von Sonnen- und Mond-Finsternissen Grundlage: die Bewegung der Mondknoten 罗喉 (Rahu, aufsteigend) und 计都 (Ketu, absteigend). In der Astrologie: Beratung zu Fragen des Schicksals Grundlage: die Bewegung der Planeten Jupiter 木, Mars 火, Saturn 土, Venus 金, Merkur 水 天干地支

Page 3: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 3

Probleme und Lösungsprinzipien

Die Perioden von Sonne (365.24219 d) und Mond (29.530589 d) sind keine ganzen Vielfache von Tagen und gehen nicht ineinander auf: ein Sonnenjahr hat 12.368 266 Mondmonate. Sonne und Mond bewegen sich nicht gleichmäßig. Die Längen der synodischen Monate schwanken. Lunisolare – 阴阳 – Kalender müssen dennoch versuchen, Sonnen- und Mondlauf zu verzahnen.

Es gibt zwei verschiedene Prinzipien, das zu tun:

Astronomische Kalender benutzen die wahren Bewegungen von Sonne und Mond. Das erfordert Beobachtung und ist in China der Fall. Mathematische Kalender benutzen mittlere Längen von Jahr und Monat. Das erlaubt langfristige „Vorhersagen“ und ist in allen westlichen Kalendern der Fall: im jüdischen, römischen und christlichen.

Page 4: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 4

Etwas Kalendergeschichte I

Die Prinzipien des chinesischen Kalenders wurden im Altertum definiert. Im Taichu Kalender 太初历 von 104 BC war alles fertig. Er benutzte mittlere Längen von Jahr und Monaten, kannte auch Zyklen von Finsternissen.

Im Lauf der Jahrhunderte wurde er immer wieder angepasst. Der Shoushi Kalender 授时历 von 1280 hatte bereits die Genauigkeit des Gregorianischen, aber danach verfiel die beobachtende Astronomie.

Die westlichen Kalender gehen auf Babylon und Ägypten zurück: die Juden reformierten den babylonischen, die Römer den altägyptischen Kalender. Der christlich-julianische Kalender von 325 AD kombinierte den römischen Sonnenkalender mit dem Mondteil des jüdischen Kalenders.

Die gregorianische Reform wurde notwendig, weil der julianische Kalender sich zu weit vom wahren Sonnen- und Mondlauf entfernt hatte. Clavius arbeitete die Einzelheiten aus, Papst Gregor setzte sie 1582 in Kraft. Protestantische Länder zögerten lange, den Kalender anzunehmen, die orthodoxen Kirchen haben ihn bis heute nicht.

Page 5: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 5

Julian. + Nicäa Jüdisch Gregorianisch Astronomisch

J

1461 / 4

= 365.25 d

365d 6:00:00 h

M∙N

= 365.2468… d

365d 5:55:25 h

146 097 / 400

= 365.2425 d

365d 5:49:12 h

365.242 19… d

365d 5:48:45 h

M

J / N

= 29.530 851… d

29d 12:44:26 h

765 433 / 25 920

= 29.530 594… d

29 d 12:44:03.3 h

J / N

= 29.530 587… d

29d 12:44:02.7 h

29.530 589… d

29d 12:44:02.9 h

N

235 / 19

= 12.368 421…

235 / 19

= 12.368 421…

70 499 183 / 5 700 000

= 12.368 278…

J / M

= 12.368 266…

Westliche Kalender und astronomische Daten im Vergleich

Page 6: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 6

Jesuiten und die Kalenderreformen

Matteo Ricci Xu Guangqi

利玛窦 徐光启1552-1610 1562-1633

Johannes Schreck

邓玉函

1576-1630

Adam Schall

汤若望

1592-1666

Christoph Clavius

克里斯托佛 · 克拉乌1537-1612

1633: Chongzhen Almanach 崇祯历

1645: Kalender nach der westlichen Methode 西洋新法历书

Page 7: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 7

Der chinesische Lunisolarkalender 中国的天文阴阳历 nimmt den wahren Sonnenlauf von einer zur nächsten Wintersonnenwende

冬至 , um das Sonnenjahr 岁 festzulegen – das sind 365 oder 366 Tage;

nimmt den wahren Mondlauf von Neumond zu Neumond 朔日 = 新月 , um den Monat 月 festzulegen – das können 29 ( 小月 ) oder 30 ( 大月 ) Tage sein.

Das Mondjahr 年 besteht aus 12 oder 13 Monaten und beginnt mit 新年 , dem zweiten 朔日 nach 冬至 . So sind 岁 und 年 streng aneinander gekoppelt.

Ein Mondjahr mit 12 Monaten ist ein kurzes, eines mit 13 Monaten ein langes. Von 19 Jahren sind im Durchschnitt 12 kurz und 7 lang.

In langen Jahren gibt es einen Schaltmonat 闰月 , der die Nummer des vorigen Monats trägt. Es ist der Monat, der kein 中气 enthält.

Auf diese Weise finden Sonnenfinsternisse 日食 immer am ersten und Mondfinsternisse 月食 am 15. Tag eines Monats statt.

太阳和月亮

Page 8: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und
Page 9: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 9

Page 10: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 10Peter Richter 10

Page 11: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 11

Die Sonnenfinsternisse 1621-1644

Das Muster wird erzeugt vom Verhältnis der drakonitischen und synodischen Monatslängen 27.21222/29.530589 = 0.9214926 = [0,1,11,1,2,1,4,…]

Rationale Approximationen sind 12/13, 35/38, 47/51, 223/242, … - sie definieren „Resonanzen“ zwischen ähnlichen Finsternissen.

Die Zeitspanne 242 md = 223 ms = 18 Jahre, 11 Tage, 8 h ist als Sarosperiode bekannt (und stimmt zufällig auch mit 239 anomalistischen Monaten überein!).

Page 12: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 12

Page 13: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 13

Kalendergeschichte II

• Xu Guangqi und Andere erkannten die Notwendigkeit einer weiteren Reform. Matteo Ricci,ein Schüler des Clavius, zeigte ihm die Stärke der westlichen Methoden.

Sabbathin de Ursis, Johannes Schreck und Adam Schall überzeugten die Kaiser mit präzisen Finsternis-Vorhersagen 1610, 1629 und 1644.

Mit den Daten des Tycho Brahe (und Keplers?) entstand 1634 der Chongzhen-Almanach und 1645 das Xiyang Xinfa Lishu – ganz im Sinne der traditionellen Vorgaben.

So wie die Gregorianische Reform die Prinzipien des julianischen Kalenders nicht veränderte, sondern nur einige Zahlenwerte korrigierte, respektierten die Jesuiten die Vorgaben der chinesischen Tradition.

Adam Schall wurde Leiter der kaiserlichen Sternwarte, deren Direktoren bis gegen 1830 immer Jesuiten waren – selbst als der Papst den Orden zeitweilig aufgelöst hatte. Noch heute kann man die alte Sternwarte und die Gräber der Jesuiten in Beijing sehen.

Page 14: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 14

Ost-West-Kulturaustausch

Wer waren die Jesuiten und warum gingen sie nach China? erstklassig ausgebildete Wissenschaftler, die in Europa keine Perspektive

sahen (Heiliges Offizium, 30-jähriger Krieg). Missionsauftrag: die geistige Elite des Landes zum christlichen Glauben zu

bekehren.

Was brachten sie nach China und was brachten sie zurück? Mathematik und Naturwissenschaften von West nach Ost Philosophie und Sozialethik (Konfuzius) von Ost nach West

Mit welchen Schwierigkeiten hatten sie zu kämpfen? in China: mit der Beamtenhierarchie und kaiserlicher Geheimhaltung in Rom: mit dem Vorwurf der Akkomodation (→ Ritenstreit)

Wie ging es weiter? nach 100 Jahren fruchtbaren Austauschs 100 Jahre Abschottung, danach 100 Jahre traumatische Erfahrungen mit westlichem Imperialismus

Page 15: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 15

Demütigungen

Opiumkriege 1839-1842 und 1856-1860 Abtretung Hongkongs, Öffnung der Häfen für Ausländer und

Opiumhandel, „Reparationen“Plünderung Pekings, Zulassung christlicher Mission

Taiping-Aufstand 1850-1864 Bürgerkrieg mit 20 Millionen Opfern, durch mystisch-christlich-

religiösen Fanatismus angeheizt

„Ungleiche Verträge“ 1842-1915 „Boxer-Aufstand“ 1900-1901 „No dogs and Chinese allowed“

Es scheint, dass es am Eingang zum Huangpu-Park ein solches Schild nicht gegeben habe. Chinesen haben es dennoch in ihrer Erinnerung.

Page 16: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und
Page 17: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 17

… scheint mir die Lage unserer heutigen Verhältnisse angesichts des ins Unermessliche wachsenden moralischen Verfalls so zu sein, das es beinahe notwendig erscheint, dass man Missionare der Chinesen zu uns schickt, die uns Anwendung und Praxis einer natürlichen Theologie lehren könnten.

Leibniz 1697 in Novissima Sinica

Rede „De Sinarum Philosophia Practica“

Voltaire sah in China einen auf Rationalismus basierenden Musterstaat

Christian von Wolff 1721 als Prorektor der Universität Halle

Page 18: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 18

Reading this proclamation, I have concluded that the Westerners are petty indeed. It is impossible to reason with them because they do not understand larger issues as we understand them in China. There is not a single Westerner versed in Chinese works, and their remarks are often incredible and ridiculous. To judge from this proclamation, their religion is no different from other small, bigoted sects of Buddhism or Taoism. I have never seen a document which contains so much nonsense. From now on, Westerners should not be allowed to preach in China, to avoid further trouble

Kaiser Kangxis Antwort 1721 auf die Bulle Ex illa die von Papst Clemens IX.

1742 bestätigt Papst Benedikt XIV die Bulle von 1715.

Am 19. Mai 2009 lobt Benedikt XVI Matteo Ricci für die Weitsicht seiner Pastoralstrategie nach der Akkomodationsmethode

Page 19: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 19

Eine große Aufgabe harrt eurer: ihr sollt das schwere Unrecht, das geschehen ist, sühnen. Die Chinesen haben das Völkerrecht umgeworfen, sie haben in einer in der Weltgeschichte nicht erhörten Weise der Heiligkeit des Gesandten, den Pflichten des Gastrechts Hohn gesprochen. …Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen. Pardon wird nicht gegeben, Gefangene nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt, sei in eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutschlands in China in einer solchen Weise bekannt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!

Kaiser Wilhelm II. am 27. 7. 1900 zur Verabschiedung seiner Truppen

Page 20: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 20

Shanghai's "Dogs and Chinese Not Admitted" Sign: Legend, History and Contemporary SymbolRobert A. Bickers; Jeffrey N. WasserstromThe China Quarterly, No. 142. (Jun., 1995), pp. 444-466.

It is, however, important to set the record straight and note that there is a difference, at least in degree, between the offensiveness of the legendary sign, and notices that ban most Chinese from public grounds and place this injunction as number four in a series that also includes a rule forbidding dogs from entering.

Page 21: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und
Page 22: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

圣祖 仁皇帝 玄烨 康熙圣祖 仁皇帝 玄烨 康熙1661-17221661-1722

世祖 章皇帝 福临 顺治世祖 章皇帝 福临 顺治 1644-16611644-1661

汤若望1592-16661592-1666

Ferdinand Verbiest Ferdinand Verbiest (1623-1688)(1623-1688)

南坏人

Page 23: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 23

Warum nicht jeden Monat Finsternisse?

Die Bahn der Sonne am Himmel ist die Ekliptik 黄道 , die Bahn des Mondes ist dagegen um 5.1 Grad geneigt.

Die Schnittpunkte der beiden Bahnen am Himmel sind die Mondknoten oder Drachenpunkte Rahu 罗喉 (aufsteigend) und Ketu 计都 (absteigend).

Sonnenfinsternisse 日食 gibt es, wenn der Neumond, Mondfinsternisse 月食 , wenn der Vollmond nahe bei einem Knoten liegt.

Mondfinsternisse sieht man von der ganzen Nachtseite der Erde, Sonnenfinsternisse nur auf dem schmalen Streifen des Mondschattens.

Lage und Größe des Mondschattens hängen von den genauen Positionen der Sonne und des Mondes ab.

Im 17. Jahrhundert hatten Tycho Brahe und Johannes Kepler die besten Monddaten. Die Jesuiten brachten sie nach China.

太阳和月亮

Page 24: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 24

Was braucht man für die Finsternisse?

Die Bewegung der Mondknoten Rahu und Ketu: der drakonitische Monat hat im Mittel eine Länge von MD = 27.21222 d

Perioden der Wiederkehr: Tritos 146.5 MD = 135 M = 3986.61 d ± 28 min ~ 10 J + 334 d Saros 242.0 MD = 223 M = 6585.34 d ± 26 min ~ 18 J + 11 d

Die Exzentrizität der Mondbahn: der anomalistische Monat hat im Mittel eine Länge von MA = 27.55455 d. 239 MA sind nur 4 h 45 min weniger als Saros! (Die Differenz von Tritos zu 144 MA ist 18 Tage 18 h.)

Ungleichmäßigkeiten der Mondbewegung:„große Ungleichung“ ± 12.5 h an Apo- bzw. Perigäum (Babylonier)„Evektion“ ± 2.5 h bei Halbmond (Griechen) „Variation“ ± 80 min, abhängig von Stellung zur Sonne (Tycho) „jährliche Ungleichung“ ± 20 min, abhängig von der Jahreszeit (Tycho)

Kepler hatte nur Ansätze zu einer Mondtheorie, aber seine Rudolphinischen Tafeln enthielten diese Effekte und waren weit besser als alles, was es bis dahin gegeben hatte.

Page 25: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 25

Some history

From Clavius 克里斯托佛 · 克拉乌 to Xu Guangqi 徐光启- Christopher Clavius (1537-1612): Europe‘s leading mathematician in late 16th century- Matteo Ricci 利玛窦 (1552-1610): Clavius‘ student, leaving for China in 1582 - Xu Guangqi (1562-1633): architect of the cross-cultural synthesis

Jesuits in China- Societas Jesu

- a catholic order, founded in 1540 to promote religion through education and discipline- a mixed blessing for China? (Joseph Needham 1959)

- Sabbathin de Ursis 熊三拔 (1575-1620): predicted the eclipse of Dec 15, 1610- Nicolas Trigault 金尼阁 (1577-1629): took 22 Jesuits to China, arriving 1619 - Johann Schreck 邓玉函 Terrentius (1576-1630): chief jesuit scientist until 1630- J. Adam Schall von Bell 汤若望 (1592-1666): his successor, and 1644 钦天监的监正- Ferdinand Verbiest 南坏仁 (1623-1688): 1669 钦天监的监正 and 天子康熙的朋友

Page 26: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 26

The years from 1634 to 1645

• The Chongzhen almanac was not implemented; the Emperor had to deal with economic problems and political rebellion (Li Zicheng 李自成 ). In 1644 he was forced into suicide. The imperial general Wu Sangui 吳三桂 sided with the Manchu and with their help suppressed the rebellion thus making way for the Qing Dynasty.

• The Qing appointed Adam Schall director of the astronomical bureau 钦天监 after he had correctly predicted the eclipse of Sep 1, 1644, 1 pm. The new Emperor Shunzhi 順治 was still a child but was impressed, and adopted Schall as a personal advisor.

• Schall modified the Chongzhen almanac according to new knowledge (did he have Kepler‘s Rudolphine Tables at the time?). It was made official in 1645 under the names Shixian Shu 时宪书 (book of timing) and Xiyang

Xinfa Lishu 西洋新法历书 (calendar according to new Western methods).

Page 27: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 27

The Chongzhen calendar 崇祯历 as a mild correction of traditional Chinese calendars 中国传统农历

Cyclic counting- Heavenly stems 天干- Earthly branches 地支

Sui 岁 from Dongzhi 冬至 to Dongzhi 冬至- 365 or 366 days according to the date of solstice at the meridian of Beijing- 24 jieqi 节气 including 12 zhong qi 中气 15 (30) degrees apart along the ecliptic

Nian 年 from Xin Nian 新年 to Xin Nian 新年- months begin with each new Moon; they have 29 days ( 小月 ) or 30 days ( 大月 )- normal years have 12 months, long years have 13, including 1 leap month 闰月

Coupling of Sui 岁 and Nian 年 - winter solstice belongs to the 11th month by definition- the 闰月 of a long year has no zhong qi, it gets the number of the previous month- it follows that Xin Nian is (usually) the second new moon after Dongzhi

Cal

Page 28: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 28

Ist es schwer, eine Sonnenfinsternis vorherzusagen?

Die Finsternisse von 2000 bis 2023:

Ähnliches gilt für Mondfinsternisse

Zwei Zahlen generieren dieses Muster als Resonanzen: der synodische Monat von Neumond zu Neumond ms = 29.530589 d

der drakonitische Monat von Rahu zu Rahu md = 27.21222 d

Page 29: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 29

Page 30: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 30

Page 31: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 31

Page 32: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 32

Solar eclipses in China between 1610 and 1650

Date Time of day Type Center of shadow

1610-Dec-15

1615-Mar-29

1621-May-21

1629-Jun-21

1634-Mar-29

1636-Aug-01

1638-Jan-15

1641-Nov-03

1643-Mar-20

1644-Sep-01

1648-Jun-21

1650-Oct-25

16 h

16 h

18 h

12 h

10 h

10 h

14 h

14 h

09 h

13 h

08 h

12 h

annular

annular

annular

total

total

total

total

total

total

annular

total

total

very SouthEast

Central China

very North

very South

NorthWest

very North

NorthWest

Central China

very South

very South

Central China

Central China

Page 33: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 33

The heavenly stems and their associations in astrology

1 甲 jia3

木 mu4 wood阳 fir

Jupiter blue/green2 乙 yi3 阴 bamboo

3 丙 bing3

火 huo3 fire阳 flame

Mars red4 丁 ding1 阴 lamp

5 戊 wu4

土 tu3 earth阳 hill

Saturn yellow6 己 ji3 阴 plane

7 庚 geng1

金 jin1 metal阳 weapon

Venus white8 辛 xin1 阴 kettle

9 壬 ren2

水 shui3 water阳 waves

Mercury black10 癸 gui3 阴 brook

Page 34: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 34

The 12 earthly branches of the counting cycle

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

子 丑 寅 卯 辰 巳 午 未 申 酉 戌 亥zi3 chou3 yin2 mao3 chen2 si4 wu3 wei3 shen1 you3 xu1 hai4

鼠 牛 虎 兔 龙 蛇 马 羊 猴 鸡 狗 猪shu3 niu2 hu3 tu4 long2 she2 ma3 yang2 hou2 ji1 gou3 zhu1

Rat Ox Tiger Rabbit Dragon Snake Horse Sheep Monkey Chick Dog Pig

Aries Taurus Gemini Cancer Leo Virgo Libra Scorpio Sagittar Caprico Aquariu Pisces

Page 35: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 35

Die Quellen unseres Kalenders I

• der babylonisch-jüdische lunisolare Kalender– 1 Monat: 29.530594 Tage, 1 Jahr = 235/19 Monate = 365.2468 Tage (Meton-Zyklus)– Mondjahr beginnt am 1. Nisan: Neumond nach Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche – Sonnenjahr beginnt am 1. Tishri (Rosh HaShanah), 6 Monate nach 1. Nisan

• der ägyptisch-römische Kalender– Ägypten: reiner Sonnenkalender, 1 Jahr = 365 Tage, geteilt in 12∙30 + 5 Tage– Rom vor Cäsar: 12 „Monate“ pro Jahr, das mit dem 1. März beginnt: Martius (31),

Aprilis (29), Maius (31), Junius (29), Quintilis (31), Sextilis (29), September (29), October (31), November (29), December (29), Januarius (29), Februarius (28) (zusammen 355 Tage) + alle zwei Jahre 22 Tage Intercalarius/Mercedonius nach dem 7. Tag vor den Calendae Martius (Feier der Terminalia, Jahresende).

– Rom ab 45 BC: Julianisches Sonnenjahr 365.25 Tage, beginnend am 1. Januarius. Monate, wie wir sie heute haben, mit Quintilis → Julius (44 BC) und Sextilis → Augustus (8 BC).

– Schalttag: anstelle des früheren Intercalarius wurde der ante diem sexto calendas Martius (24. Februar) als bissexto calendas Martius verdoppelt. Namenstage ab dem 24. Februar werden deshalb in Schaltjahren um 1 verschoben, z.B. St. Leander vom 27. auf den 28. Februar. Das wird allerdings nach und nach vergessen, so dass der 29. Februar als Schalttag aufgefasst wird.

Page 36: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 36

Die Quellen unseres Kalenders II

• der christlich-julianische Kalender – wurde auf dem Konzil von Nicäa als Kombination des julianischen Sonnen- und

des jüdischen Mondkalenders eingeführt:– 1 Jahr = 365.25 Tage, 1 Monat = 19/235 Jahre = 29.530 851 Tage– Sonne: in 128 Jahren, Mond: in 309 Jahren um einen Tag zu spät

• der Gregorianische Kalender – von Christoph Clavius (Bamberg) ausgearbeitet, von Papst Gregor XIII 1582 in

Kraft gesetzt– 1 Jahr = 365.2425 Tage, 1 Monat = 29.530 587 Tage– Schaltregel für die Sonne: alle vier Jahre ein Schalttag außer bei den nicht durch

400 teilbaren hunderter Jahren– Schaltregel für den Mond: 8 Resets des Mondalters an Neujahr in 2500 Jahren

Page 37: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und
Page 38: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 38

Boxeraufstand

Umgekehrt erklärte keiner der westlichen Staaten China formell den Krieg. Zwar war auch nach damaligem europäisch geprägtem Völkerrecht die Erstürmung und Zerstörung von Verteidigungsanlagen eines fremden Staates und der Marsch Bewaffneter auf dessen Hauptstadt ein klarer Kriegsakt. Es war jedoch unter den Alliierten zumindest umstritten, ob das Völkerrecht auf China überhaupt angewendet werden dürfe, da China zwar auf der Haager Friedenskonferenz von 1899 vertreten war, jedoch die dort verabschiedete Landkriegsordnung nicht unterzeichnet hatte. Die fehlende Kriegserklärung stellte den Krieg in China als „Strafexpedition“ auf die gleiche Stufe wie andere Kolonialkriege, die gegen nicht staatlich organisierte ethnische Gruppen („Stämme“) geführt wurden.

Page 39: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 39

Page 40: Peter Richter1 Begegnung und Vergleich der Kulturen Physikalisches Kolloquium Bremen 17. 12. 2009. Matteo Ricci Xu Guangqi Johannes Schreck Westliche und

Peter Richter 40

Hunnenrede

Bei der Verabschiedung eines Teils der deutschen Truppen am 27. Juli 1900 hielt Kaiser Wilhelm II. seine berüchtigte Hunnenrede:Eine große Aufgabe harrt eurer: ihr sollt das schwere Unrecht, das geschehen ist, sühnen. Die Chinesen haben das Völkerrecht umgeworfen, sie haben in einer in der Weltgeschichte nicht erhörten Weise der Heiligkeit des Gesandten, den Pflichten des Gastrechts Hohn gesprochen. Es ist das um so empörender, als dies Verbrechen begangen worden ist von einer Nation, die auf ihre alte Kultur stolz ist. Bewährt die alte preußischen Tüchtigkeit, zeigt euch als Christen im freudigen Ertragen von Leiden, mögen Ehre und Ruhm euren Fahnen und Waffen folgen, gebt an Manneszucht und Disziplin aller Welt ein Beispiel […] Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen. Pardon wird nicht gegeben, Gefangene nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt, sei in eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschlands in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen![1]