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P.E.R.L.E. Projekt Elternanleitung für Legastheniker Ein eklektisches Modell Durchführung und Analyse DIPLOMARBEIT zur Erlangung des Grades Akademische Lerncoach im Rahmen des Lehrgangs universitären Charakters „Lerncoaching“ des Institutes THINKPäd ® eingereicht von Mag. Karin Walcherberger Matrikelnr.: 07 777 957 Betreuerin: Dr. med. Ulrike Holzmüller Steyr, August 2010

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P.E.R.L.E. Projekt Elternanleitung

für Legastheniker

Ein eklektisches Modell Durchführung und Analyse

DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des Grades

Akademische Lerncoach

im Rahmen des Lehrgangs universitären Charakters

„Lerncoaching“

des Institutes THINKPäd®

eingereicht von

Mag. Karin Walcherberger

Matrikelnr.: 07 777 957

Betreuerin:

Dr. med. Ulrike Holzmüller

Steyr, August 2010

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Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 4

2 Klassifikation der Rechtschreibstörung 5

3 Struktur der deutschen Schriftsprache 5

3.1 Grundsätze der Rechtschreibung 5

3.2 Schriftspracherwerb – Schreiben versus Lesen? 6

4 Modelle für den Schriftspracherwerb 7

4.1 Funktionsmodelle 7

4.1.1 Zwei-Wege-Modelle 7

4.1.2 Ein-Weg-Modelle 7

4.2 Entwicklungsmodelle 8

4.2.1 Stufenmodell nach Günther 8

5 Rechtschreibprobleme – Symptomatik 9

6 Ursachen der Legasthenie 9

6.1 Einflussfaktoren 9

6.1.1 Genetische Faktoren 10

6.1.2 Kognitive Aspekte 10

6.1.3 Umwelteinflüsse 11

6.2 Aktuelle Verursachungskonzepte 11

6.2.1 Visuelle Defizithypothese 11

6.2.2 Automatisierungshypothese 11

6.2.3 Phonologische Defizithypothese 12

Exkurs: Phonologische Bewusstheit 12

6.2.4 Erweiterung der phonologischen Defizithypothese 13

7 Therapie der Rechtschreibstörung 14

7.1 Einteilung der Fördermaßnahmen 14

7.2 Evaluierte Fördermethoden 14

7.2.1 Training phonologischer Bewusstheit 14

7.2.2 Strukturell-linguistische Fördermethoden 15

7.2.3 Lexikalische Fördermethoden 16

7.2.4 Gemischte Ansätze 16

7.3 Förderung mit dem Computer 16

8 Pädagogisch-didaktische Rahmenbedingungen 17

8.1 Sprache, Emotionen und Lernmotivation 17

8.2 Methodisch-didaktische Fördermaßnahmen 17

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9 Gleichheit oder Fairness? 19

10 Projekt P.E.R.L.E. – Anforderungen und Ziel 20

10.1 Elternunterstütztes Rechtschreibtraining – Förderkonzept 20

10.2 Kriterien zur Teilnahme am Training 21

11 Material 22

11.1 Rechtschreibförderunterlagen 22

11.2 Testverfahren für Vor- und Nachtest 22

11.3 Fragebogen 23

12 Durchführung der P.E.R.L.E. 23

12.1 Gruppentraining – Trainingsverlauf und Gruppenprozess 23

12.1.1 Methodischer Input 24

12.1.2 Tipps und Feedback zur Umsetzung 24

12.1.3 Spiele 27

12.1.4 Probleme und Invision 27

12.2 Einzelfallstudie 28

12.2.1 Proband 28

12.2.2 Familiäres und schulisches Umfeld 28

12.2.3 Trainingsverlauf 28

12.3 Resümee 30

13 Ergebnisse 31

13.1 Gruppentraining 32

13.2 Einzeltraining 33

14 Dank 35

15 Quellenverzeichnis 36

15.1 Literatur 36

15.2 Graphik 39

16 Anhang 40

16.1 Trainingsverlauf Gruppe 40

16.2 Einzeltraining 45

16.3 Überarbeitung des Übungsmaterials 48

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1 Einleitung Am Beginn meiner Unterrichtstätigkeit in der AHS vor beinahe 20 Jahren steht die prägende Erfahrung, die inhaltlich und stilistisch sehr guten Aufsätze eines 11-jährigen Mädchens mit Lese-Rechtschreibstörung beurteilen zu müssen. Die völlige Überforderung damals im Umgang mit der betreffenden Symptomatik hat, glaube ich, meine Entscheidung beeinflusst, viele Jahre später den beruflichen Wiedereinstieg im Bereich der außerschulischen Förderung anzustreben, nicht zufällig im Bereich der Legasthenie. Vorrangige Absicht bei meiner Entscheidung für den Lehrgang „Akademischer Lerncoach“ war, mich in dieses Thema zu vertiefen. Die intensive Auseinandersetzung erfolgte im Rahmen meiner Diplomarbeit zu dem Projekt P.E.R.L.E.: Projekt Elternanleitung für Legastheniker. Mag. Martin Schöfl, Psychologe am Institut für Sinnes- und Sprachneurologie in Linz, hat ein Förderkonzept für die Schulstufen 3 – 6 erstellt, ein Rechtschreibtraining, das er mit Eltern durchführt, damit sie ihre Kinder mit Lese-Rechtschreibstörung optimal fördern können. Martin Schöfl ermöglichte mir die Teilnahme an seinem Projekt mit Gruppen- und Einzeltraining im Zeitraum von April 2008 bis April 2009. In dieser Arbeit über das Projekt P.E.R.L.E. wird untersucht, inwieweit bei den Kindern durch das Förderprogramm mit Elternanleitung eine Verbesserung der Lese- Rechtschreibleistung festzustellen ist. Zur Überprüfung werden bei allen Kindern vor und nach dem Training standardisierte Testverfahren durchgeführt. Etwa 10 % der schulpflichtigen Kinder leiden unter Lese-Rechtschreibstörung, erhalten aber bei der geringen Zahl an Therapieplätzen und in Folge langen Wartezeit sowie der hohen Kosten, die die meisten Eltern selbst aufbringen müssen, keine angemessene Therapie. Das Projekt P.E.R.L.E. entstand im Kontext dieser dringenden Erfordernisse und der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Diskussionen in der Legasthenieforschung: Zur Förderung der Rechtschreibung gibt es kaum fundierte Trainingsprogramme, der größte Bedarf besteht an Fördermethoden zum Erwerb orthographischer Strategien. Das Konzept des Rechtschreibprogramms von P.E.R.L.E. berücksichtigt lerntheoretisch begründete Methoden und effiziente Förderansätze, die sich in den wenigen Evaluierungsstudien finden, und ist für Kinder geeignet, die die lauttreue Schreibung bereits beherrschen und wirksame Strategien zum Erlernen orthographischer Regeln und eines Wortspeichers benötigen. Meine Arbeit gliedert sich in zwei große Abschnitte: Die einführenden Kapitel vermitteln nach der Klassifikation der Rechtschreibstörung einen Einblick in den Aufbau der deutschen Sprache, Grundlagenwissen über den Schriftspracherwerb, die Symptomatik von Rechtschreibproblemen, Verursachungstheorien und effiziente Trainingsmethoden und Förderprogramme mit Rücksicht auf adäquate Rahmenbedingungen für die sehr oft in ihrem Selbstkonzept geschwächten Kinder mit Lese-Rechtschreibstörung. Der zweite Teil der Arbeit besteht aus einer ausführlichen Darstellung des eklektischen Modells P.E.R.L.E., der Durchführung und Analyse von Gruppen- und Einzeltraining sowie der daraus gewonnenen Erkenntnisse.

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2 Klassifikation der Rechtschreibstörung Rechtschreibschwierigkeiten sind im Handbuch ICD-10 (International Classification of Diseases, 10. Revision) der Weltgesundheitsorganisation WHO den umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten zugeordnet. Darunter versteht man eine Beeinträchtigung der Rechtschreibfähigkeiten, wobei die Leistung des betroffenen Kindes signifikant unter dem Niveau liegen muss, das aufgrund des Alters, der allgemeinen Intelligenz und der Beschulung zu erwarten ist. Die Störung darf nicht allein durch das Entwicklungsalter oder unangemessene Beschulung erklärt werden oder Folge einer Seh- oder Hörschwäche, neurologischen Störung oder psychiatrischen Krankheit sein. (DILLING/MOMBOUR/SCHMIDT 1991, pp. 257) Rechtschreibstörungen können in Kombination mit Lesestörungen (F81.0 Lese- und Rechtschreibstörung) oder alleine (F81.1 isolierte Rechtschreibstörung) auftreten. Bei der isolierten Rechtschreibstörung liegen die Lesefähigkeiten des Kindes im Normbereich, die Rechtschreibleistung hingegen ist statistisch bedeutsam diskrepant vom kognitiven Entwicklungsniveau des Kindes. Die Begriffe „Lese-und/oder Rechtschreibstörung“ (LRS) und „Legasthenie“ haben dieselbe Bedeutung und werden in der Arbeit synonym verwendet.

3 Struktur der deutschen Schriftsprache Die Orthographie (griech. órthós „recht, richtig“) oder Rechtschreibung ist die allgemein übliche Schreibung der Wörter einer Sprache in der verwendeten Schrift. Als eine von Menschen getroffene Regelung kann sie Mängel enthalten, durch Übereinkunft kann sie wieder verändert werden. Grundlage bei der Neuordnung der Rechtschreibregeln sind die Prinzipien der Orthographie. Die folgenden Abschnitte geben einen Überblick über die wesentlichen Grundsätze der Rechtschreibung und ihre Auswirkungen auf den Erwerb des Lesens und Schreibens.

3.1 Grundsätze der Rechtschreibung Deutsch ist den alphabetischen Schriftsystemen zugeordnet und basiert auf dem phonematischen Prinzip , das die Graphem-Phonem-Zuordnung festlegt. Ein Phonem ist die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit der Lautsprache, ein Graphem besteht aus einem oder mehreren Buchstaben. Im Idealfall entspricht ein Phonem einem Graphem. Ob ein Phonem stimmhaft oder stimmlos, lang oder kurz gesprochen wird, hat deutliche Konsequenzen für die Art der schriftlichen Umsetzung: ° Wiedergabe von / i / durch < i > Igel, < ie > sie , < ieh > Vieh, < ih > ihn ° Wiedergabe von / f / durch < f > für, < v > viele , < ph > Philosophie ° Wiedergabe von / ks / durch < ks > Keks, < cks > Klecks, < chs > Fuchs, < x > boxen < gs > Pfingsten (SCHOENKE, Rechtschreibung) Die deutsche Sprache umfasst etwa 40 Phoneme, ca. 20 Vokalphoneme und ca. 20 konsonantische Phoneme. Direkte Zuordnung von Phonem zu Graphem liegt bei fast drei Viertel des deutschen Gebrauchswortschatzes vor. Trotz der relativ hohen Graphem-Phonem-Kongruenz der deutschen Orthographie weichen viele Wörter vom phonematischen Prinzip ab, weil sie vom morphematischen Prinzip beeinflusst sind. Im Deutschen gibt es etwa 5000 Morpheme, aus denen einige hunderttausend Wörter zusammengesetzt werden: Vorsilben (zB auf-, be-, ver-), Nachsilben (zB –heit, -lich, -bar),

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Wortstämme (zB –kauf-, -fahr-). Dabei wird der gemeinsame Wortstamm in verwandten Wortformen in übereinstimmender Weise geschrieben. Durch die analoge Schreibweise gleicher Morpheme wird die Auslautverhärtung schriftlich nicht umgesetzt, zB < d > in Rad, obwohl es wie / t / klingt, und man schreibt in „Räder“ das betonte / e / als < ä >. Die Morphemkonstanz steht zum Phonemprinzip in Widerspruch und bereitet nicht nur Kindern größere Schwierigkeiten. Doch kompetentes Lesen und Schreiben erfordert grundlegende Kenntnis des morphematischen Prinzips. Da das Stammprinzip dem schnellen Erfassen verwandter Wörter dient, wirkt hier gleichzeitig auch das semantische Prinzip . Gleich lautende Wörter unterschiedlicher Bedeutung sind auf Grund ihrer verschiedenen Schreibweise leichter zu erkennen. Realisiert ist dieses Prinzip bei homophonen Wortpaaren wie „Weise“ – „Waise“, „Lerche“ – „Lärche“, bei anderen hingegen nicht, zB „Ton“ (musikalischer Begriff und Material Tonerde) Manche Besonderheiten der deutschen Rechtschreibung beruhen auf dem historischen Prinzip , wie die Übernahme älterer Schreibweisen („Eltern“ trotz „alt, älter“) oder der Herkunftssprache bei Fremdwörtern („Tourist“, „Couch“, „charmant“). Dem grammatikalischen Prinzip ist die Großschreibung zugeordnet, die in der deutschen Sprache auch Substantivierungen anderer Wortarten umfasst. „Das Erlernen und Vermitteln des umfangreichen Regelsystems mit seinen zahlreichen Einzelrichtlinien zum Festlegen möglichst vieler Grenz- und Problemfälle hat sich längst als sehr schwierig erwiesen und es erscheint deshalb nahezu unmöglich, alle Regeln zur Groß- und Kleinschreibung einwandfrei zu beherrschen.“ (GILBERS, p. 3) Dieser unbezwingbare Regelapparat der Groß- und Kleinschreibung gehört wohl zu den problematischsten Bereichen der deutschen Rechtschreibung.

3.2 Schriftspracherwerb – Schreiben versus Lesen? Vielen deutschsprachigen Schülern fällt der Erwerb des Rechtschreibens schwerer als der des Lesens. Offenbar gibt es im Deutschen eine Diskrepanz zwischen der Entwicklung des Lesens und des Schreibens. Substantielle Korrelationen zwischen Lese- und Rechtschreib-leistungen trugen erheblich zu dem Fehlschluss bei, dass es sich beim Lesen und Schreiben um spiegelbildliche Prozesse handelt. (SCHNEIDER 2008, p. 6) Diese Annahme hielt sich bis in die neunziger Jahre. Klicpera und Gasteiger-Klicpera grenzen in der deutschen Sprache den Vorgang des Rechtschreibens vor allem in drei Aspekten vom Lesen ab: ···· Die Ausgangsposition beim Lesen ist eindeutig (Druck- oder Handschrift), beim Rechtschreiben gibt es mehrere Möglichkeiten (freies Schreiben, Diktat, Abschreiben) ···· Die Graphem-Phonem-Korrespondenz ist viel regelmäßiger als umgekehrt die Phonem- Graphem-Zuordnung, dh. ein Laut kann auf mehrere Arten in Schrift umgesetzt werden, zB Schal, Saal, Mahl. ···· Schreiben ist ein viel langsamerer Prozess als das Lesen und dadurch in größerem Maß fehleranfällig. (KLICPERA 2007; pp. 50) Auch eine längere und hartnäckigere Persistenz der Rechtschreibstörung gegenüber der Lesestörung in vielen Fällen lässt vermuten, dass beiden Vorgängen unterschiedliche Prozesse zu Grunde liegen. Schöfl (2004) geht in seiner Trainingsstudie der Frage nach, ob es sich bei Rechtschreib-schwierigkeiten um ein eigenes Störungskonzept handelt. Empirische Befunde sprechen gegen die Annahme, dass das Schreiben nur ein inverser Prozess des Lesens sei: geringe Korrelationen zwischen erhobenen Leistungen im Lesen und im Rechtschreiben bei demselben Kind; sowohl lese-rechtschreibschwache Kinder als auch Kinder mit durchschnittlichen Lese- und Rechtschreibleistungen konnten mehr Wörter korrekt lesen als schreiben, jedoch auch manche Wörter richtig schreiben, aber nicht lesen (BOSMAN/VAN

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ORDEN in SCHÖFL 2004, p. 4) Demnach besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die isolierte Rechtschreibstörung auf vom Lesen unabhängigen Prozessen beruht. Klicpera zeigte in seiner Längsschnittstudie (2006), dass schlechte Leseleistungen das spätere Rechtschreibniveau gut voraussagen. Dennoch gibt es vermutlich keine kausalen Zusammenhänge zwischen Lesen und Schreiben. Bisherige Belege werden auch von der Ursachenforschung gestützt (6.2.3), was dazu führt, dass bei Studien zur LRS der Fokus verstärkt auf dem Rechtschreiben liegt.

4 Modelle für den Schriftspracherwerb Modelle zur sprachlichen Informationsverarbeitung versuchen durch Simulation und Analyse der basalen Lese- und Rechtschreibvorgänge die daraus gewonnenen Erkenntnisse in Fördermöglichkeiten umzusetzen. Im Folgenden werden deskriptive Funktionsmodelle und Entwicklungsmodelle aus der Erwerbsperspektive vorgestellt. Trotz der unterschiedlichen Prozesse beim Lesen und beim Schreiben sind die jeweiligen Modellansätze in ihrer Grobstruktur recht ähnlich.

4.1 Funktionsmodelle Diese Modelle zum Rechtschreibprozess unterscheiden sich in der Art der beteiligten kognitiven Einheiten, wie zB das „mentale Lexikon“, stimmen jedoch darin überein, dass die Verbindungen zwischen den einzelnen Elementen die notwendige Interaktion zur sprachlichen Verarbeitung erst ermöglichen.

4.1.1 Zwei-Wege-Modelle Vertreter der „dual-route-theory“ gehen von zwei getrennten Zugangswegen aus: dem direkten Weg mit unmittelbarem Zugriff auf größere Einheiten von Schriftwort-repräsentationen im Gedächtnis („orthographisches Lexikon“) und dem indirekten Weg über die Phonemfolge. In vielen Rechtschreibmodellen ist der direkte, lexikalische Zugang der wichtigere Kanal. Ein klassisches Beispiel für die Annahme, dass es zwei getrennte Zugangswege beim Rechtschreiben gibt, stellt das Rechtschreibmodell von Simon und Simon (1973) dar: Über den direkten Weg werden Wörter, „die bereits häufig geschrieben wurden, als Ganzes in der Vorstellung aufgerufen und in ein motorisches Schreibprogramm übersetzt“ (Suchodoletz 2007, p. 2). Dieses steuert das Niederschreiben. In einem visuellen Kontrollprozess wird das geschriebene Wort auf richtige orthographische Repräsentation überprüft. Nicht oder weniger geläufige Wörter werden über den indirekten Weg mit möglichen Schreibweisen verglichen. Auf diese Weise müssen sie nicht gleich auf der Phonemebene rekonstruiert werden; es kann ausreichen, zunächst nur Informationen über die Schreibweise größerer Wortteile wie Silben oder Morpheme einzuholen. Nach Zwischenspeicherung und Zuordnung zu Abfolgen von Schreibbewegung werden die rekonstruierten Wortteile niedergeschrieben. Diese Modellannahme setzt bereits Kenntnisse der Rechtschreibregeln voraus. (KLICPERA 2007, pp. 51)

4.1.2 Ein-Weg-Modelle

Netzwerkmodelle oder „konnektionistische Modelle“ verzichten auf die Unterscheidung getrennter Zugangswege. Vertreter dieser Annahme gehen von einem einzigen Verarbeitungssystem aus, in dem verschiedene Informationen über die Schreibweise von Wörtern abgelegt sind. Die korrekte Schreibweise eines Wortes erfolgt durch schrittweises

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Annähern über Zuordnungswahrscheinlichkeiten an die Aktivierung der richtigen Verbindungen. (zB Seidenberg/McClelland 1989) Mit Hilfe der beschriebenen Modelle versucht man Fehlermuster zu erklären, wie sie bei Kindern mit Rechtschreibstörungen auftreten. Die Annahme, dass der Schriftsprachprozess über zwei Zugangswege erfolgt, wird durch aktuelle Befunde aus bildgebenden Untersuchungen, Augenbewegungsstudien und Längsschnitts-Verhaltensanalysen gestützt. Deshalb beziehen sich verschiedene Entwicklungsmodelle auf den „Zwei-Wege-Ansatz“.

4.2 Entwicklungsmodelle Die Entwicklungsmodelle gehen davon aus, dass Kinder beim Erwerb der Schriftsprache verschiedene Phasen durchlaufen und sich auf dem Weg zum kompetenten Leser und Schreiber verschiedene Strategien aneignen. Als Grundlage für den Schriftspracherwerb wird in der einschlägigen Literatur zur LRS oft das Stufenmodell der Entwicklung kindlicher Lese- und Schreibstrategien von Günther (1986) herangezogen. Es versteht sich als Weiterentwicklung des Dreiphasenmodells von Frith (KLICPERA 2007, pp. 25) und besteht aus fünf Phasen, die nun kurz beschrieben werden:

4.2.1 Stufenmodell nach Günther ···· Die präliterarisch-symbolische Phase

Bildbetrachtung, Nachahmung und graphisches Gestalten sind wichtige Vorstufen für das Lesen- und Schreibenlernen. Das Kind erkennt, dass Bilder und Buchstaben unterschiedlich sind.

···· Die logographemische (logographische) Phase Bekannte Wörter und Sätze werden auf Grund charakteristischer Merkmale wieder erkannt, zB eigener Name, Reklame. Diese Strategie wird auch zum Schreiben genutzt, wobei zuerst die Wortanfänge und die Wortlänge beachtet werden, zB „MAM“ für „MAMA“. Besonders Konsonanten scheinen dominant zu sein und stehen auch für den Vokal, wie bei „KTR“ für „KATER“.

···· Die alphabetische Phase oder Strategie Die Unzulänglichkeit der logographemischen Phase führt zur Entwicklung der alphabetischen Strategie: Das Kind lernt buchstabenweise zu lesen und schreibt stark lautgetreu. Es glaubt, dass jedem Phonem ein Graphem entspricht und umgekehrt und macht viele Schreibfehler. Nach einiger Übung wird die Strategie auch für das Lesen nutzbar, dabei erschwert das sequentielle Rekodieren von Graphemen in Phoneme aber oft das Erfassen des Inhalts.

···· Die orthographische Strategie Das Kind orientiert sich zunehmend an den orthographischen Mustern und baut ein (inneres) orthographisches Lexikon auf: Buchstabenfolgen (zB "ge-, be-, und“, „ck“ niemals am Anfang), ganze Wortstämme, Aussprache etc. Dadurch wird ein rascheres Worterkennen beim Lesen möglich. Beim Schreiben werden die Phonem-Graphem-Beziehungen den orthographischen Regeln angeglichen (zB Plosivlaute, Umlautableitung) und regelhafte Schreibungen integriert (Groß- und Kleinschreibung, Dehnung, Schärfung etc.) Beim Lesen und Rechtschreiben stützt sich das Kind häufig auf die Analogie bereits bekannter Wörter, es entdeckt auch, dass es für manche Schreibungen keine Regeln gibt.

···· Die integrativ-automatisierte Phase

Dies ist keine neue Strategie, sondern kennzeichnet den Schriftsprachgebrauch des kompetenten Lesers und Rechtschreibers, wenn er die vorhergehenden Phasen erfolgreich durchlaufen hat. Lesen und Schreiben entwickeln sich in enger Verbindung, Strategien werden übergreifend angewendet.

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Zum Beispiel: Ein Kind kann etwa ein einfaches Wort Buchstabe für Buchstabe niederschreiben, aber die Strategie beim Lesen noch nicht anwenden. Ohne spezielle Hilfe wird bei einem leseschwachen Kind der Rückstand immer größer, weil es die alphabetische Strategie nicht ausreichend zur Verfügung hat. (Günther 1995, pp. 100, sowie Günther 1993, pp. 16; KLICPERA 2007, pp. 29)

5 Rechtschreibprobleme – Symptomatik Im Gegensatz zum Englischen ist die Graphem-Phonem-Korrespondenz in der deutschen Schriftsprache relativ regelmäßig und leicht durchschaubar. Dies gilt besonders für die lauttreuen Wörter im Erstschriftsprachunterricht. Nach etwa einem Jahr können deutschsprachige Kinder beim Rechtschreiben in der Regel bereits eine richtige Vokalzuordnung von gehörten Lauten vornehmen, auch bei den Zwielauten, und Konsonantencluster richtig auflösen. Relevante Fehlerquellen sind in dieser frühen Phase nur mehr die Schreibung von Wörtern, die eine Vokalverdopplung verlangen (Auslassung von Doppelvokalen wie zB in „Sal“ statt „Saal“) und uneindeutige Schreibungen von Konsonanten, wie zB „Kaze“ statt „Katze“. Die Schwierigkeiten im lauttreuen Schreiben werden von etwa 99 Prozent der Kinder überwunden. (LANDERL/WIMMER 2008, pp. 150) Weitaus größere Probleme verursacht die Rechtschreibentwicklung auf der orthographischen Stufe. Bei Kindern mit Rechtschreibstörung ist das orthographische Wissen - insbesondere die Groß- und Kleinschreibung, Kurz- und Langvokalschreibung und die Morphemkonstanz, zB die Qualität der Plosivlaute - zu wenig automatisiert und kann deshalb nicht in den freien Schreibprozess übertragen werden. Große Schwierigkeiten bereiten auch wortspezifische Schreibweisen, etwa auf Grund phonetisch ähnlicher Konsonantenverbindungen wie „st“ und „sp“ oder lautgleicher Aussprache wie „Wahl“ und „Wal“. Den Kindern mangelt es an Selbstkontrolle, sodass sie oft erst auf ihre Fehler hingewiesen werden müssen. Sie brauchen für den Schreibvorgang viel mehr Ruhe und Aufmerksamkeit als gute Rechtschreiber. Es stellte sich heraus, dass Kinder mit LRS Wörter mit orthographischen Merkmalen falsch schreiben (phonetisch richtig), wenn sie sich ausschließlich auf die Strategie „Schreiben nach Gehör“ stützen. (KLICPERA 2007, pp. 142) Deshalb benötigen sie zu den phonologischen Methoden verstärkt Strategien zur dauerhaften Einspeicherung orthographischer Kenntnisse.

6 Ursachen der Legasthenie In den vergangenen Jahrzehnten konnte die Forschung in Medizin, Psychologie, Pädagogik und Linguistik verschiedene Zusammenhänge zwischen Hirnfunktion und Legasthenie aufzeigen. Einem Überblick über die wesentlichen Einflussfaktoren auf den Lese-Rechtschreibprozess folgen die drei aktuellen Verursachungstheorien.

6.1 Einflussfaktoren Warnke zufolge sind es „bei den meisten Personen mit Legasthenie von den Genen gesteuerte Entwicklungsprozesse im Gehirn, die in einem heute noch unbekannten komplizierten Zusammenwirken mit anderen Einflüssen eine Lese- und Rechtschreibstörung begründen.“ (WARNKE 2002, p. 36) Die wichtigsten Ursachen sind deshalb nicht unabhängig voneinander zu betrachten.

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6.1.1 Genetische Faktoren

Der enge Zusammenhang zwischen LRS und einer abweichenden sprachlichen Informationsverarbeitung lässt sich in erster Linie als Folge einer genetischen Veranlagung nachweisen. (KLICPERA 2007, pp. 162) Dafür sprechen Belege für familiäre Häufung, die größere Übereinstimmung bei eineiigen gegenüber zweieiigen Zwillingen und molekulargenetische Befunde, die Hinweise geben, dass auf den Chromosomen 1, 2, 3, 6, 15 und 18 Gene liegen, die offenbar für die Entwicklung von Hirnfunktionen ausschlaggebend sind, die der Mensch beim Erlernen von Lesen und Rechtschreiben benötigt. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass sowohl das phonologische Rekodieren als auch das orthographische Wissen in etwa gleichem Ausmaß von genetischen Faktoren abhängig, diese aber zum Teil voneinander unabhängig sind. Dies erklärt zum Teil das heterogene Störungsbild bei den betroffenen Genen. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Schulte-Körne konnte in einer aktuellen Studie ein Gen identifizieren, das wesentlich die Regulation eines Glukosetransporters im Gehirn steuert und die Sprachverarbeitung bei Kindern mit Legasthenie beeinflusst. Diese Studie zeigt, dass ein direkter funktionaler Zusammenhang zwischen Genexpression und beeinträchtigten Hirnfunktionen bei der LRS besteht. Bereits bei Babys, die ein erhöhtes Risiko für Legasthenie haben, finden sich Veränderungen bei der Sprachwahrnehmung. Zukünftige Studien sollen klären, ob an Hand biologischer Marker betroffene Kinder bereits früher erkannt werden können, denn das zentrale Anliegen der Ursachenforschung sind Prävention und frühe Intervention. (SCHULTE-KÖRNE 2009)

6.1.2 Kognitive Aspekte

Die basalen Sinnesfunktionen sind bei Legasthenikern nicht beeinträchtigt, nur die Wahrnehmung von Wortmaterial. Eine sprachliche Störung kann auf allen Stationen, die ein Lese-Rechtschreibvorgang im Gehirn durchläuft, verursacht sein. Messungen der Hirnströme (EEG) zeigen vor allem bei Aufgaben sprachlichen Charakters, dass bei legasthenen Personen visuelle und akustische Eindrücke verlangsamt weitergeleitet werden. Mit bildgebenden Verfahren (SPECT, fMRT) lassen sich Stoffwechselaktivitäten im Gehirn bei kognitiven Vorgängen beobachten, was die Zuordnung verschiedener Funktionen zu den einzelnen Hirnregionen ermöglicht. (LEBLHUBER 2007, Modul II) Gut belegt sind die Lokalisation des motorischen Sprachzentrums (Broca-Zentrum) und des Sprachverständnisses (Wernicke-Zentrum). Beide befinden sich immer nur in einer der beiden Hirnhälften, bei den meisten Menschen in der linken Hemisphäre. (SPITZER/BERTRAM 2007, p. 7) Befunde weisen darauf hin, dass bei LRS anormale Aktivierungsmuster in der linken Gehirnhälfte bestehen, die als Entsprechung eines gestörten Laut- oder Wortabrufes angesehen werden (zB Paulesu, 2008): · Mehraktivierung frontal (Phonologie) · Minderaktivierung posterior (direkter Abruf, Lexikon) · Kompensation in der rechten Gehirnhälfte In Zusammenhang mit dem letzten Punkt stellt die indische Wissenschaftlerin Chakravarty eine interessante Hypothese bezüglich einer besonderen Kreativität bei Kindern mit LRS auf. Sie geht von der Annahme aus, dass auf Grund der Entwicklungsverzögerung der linken Hemisphäre auch deren hemmender Einfluss auf die kreativen Strukturen der rechten Hemisphäre wegfallen. Bis dato gibt es jedoch nur eine geringe Anzahl von Studien zu dieser Annahme. (Chakravarty 2009)

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6.1.3 Umwelteinflüsse Untersuchungen zeigen einen Zusammenhang der Lese-Rechtschreibleistungen mit konkreten Lebensbedingungen in der Familie (zB regelmäßiger Arbeitsplatz für das Kind, Störungen während der Hausübungen) und der Interaktion zwischen Eltern und Kind, die soziale Schicht und das Einkommen der Familie haben weniger Bedeutung. (KLICPERA 2007, p. 187) Zunehmende Beachtung erfährt der Faktor Schule, denn schulvergleichende Untersuchungen geben Hinweise, dass Lehrerpersönlichkeit und Unterrichtsmethode eine Auswirkung auf die Häufigkeit der LRS haben. Die wissenschaftliche Unterrichtsforschung fordert mit Beginn der ersten Klasse einen systematischen Lese- und Rechtschreibunterricht nach Prinzipien, deren Wirksamkeit erwiesen ist. (6.2.3)

6.2 Aktuelle Verursachungskonzepte In der mehr als 100jährigen Forschungsgeschichte der LRS wurden viele unterschiedliche Erklärungsansätze präsentiert, die aber häufig empirisch keinerlei Bestätigung fanden. Dennoch halten sich manche sehr hartnäckig in der Öffentlichkeit, wie die Ätiologie der fehlenden linken Hirndominanz als Ursache für die Verwechslung mancher Buchstaben, etwa „b/d“ oder „w/m“, obwohl sie seit beinahe 40 Jahren wiederholt widerlegt wurde. Die aktuelle Ursachenforschung beschäftigt sich vor allem mit den folgenden Konzepten:

6.2.1 Visuelle Defizithypothese Im letzten Jahrzehnt beschäftigten sich viele Forschergruppen mit den Auswirkungen eines beeinträchtigten magnozellulären Systems auf die Lesefähigkeit. Die magnozellulären (großzelligen) und parvozellulären (kleinzelligen) Nervenzellen leiten die auf die Netzhaut projizierten Wörter an das visuelle Großhirn im Hinterhauptslappen weiter. Während das magnozelluläre System für die Verarbeitung rasch wechselnder Reize und die Erfassung globaler Bildinhalte zuständig ist, reagiert das parvozelluläre System auf nicht bewegliche Objekte und Details. (FEICHTINGER 2007, Modul II) Neurobiologische funktionelle Befunde geben Hinweise auf eine Dysfunktion des magnozellulären Systems bei vielen Personen mit LRS: deutlich verzögerte Reaktion der Neuronen des linken Hinterhauptslappens beim Lesen von Wörtern, geringere Aktivierung beim Erkennen von sich schnell bewegenden Reizen. Das zweite System hingegen ist intakt. Die heiß diskutierte Schlussfolgerung der Anhänger dieser Theorie ist, dass die verlangsamte Reaktion der großzelligen Nervenzellen die Sakkadensprünge beim Lesen und damit das Abspeichern einzelner Schriftwörter im Satz beeinträchtigt, dh. den Aufbau eines orthographischen Wortspeichers. Lesefehler und verlängerte Lesezeit seien eine Folge dieses speziellen visuellen Verarbeitungsdefizits. (KLICPERA 2007, pp. 176) Auswirkungen auf die Rechtschreibung sind denkbar: Auch Kinder mit LRS müssten auf Grund ihres intakten parvozellulären Systems einzelne Wortrepräsentationen normal lesen und somit orthographische Repräsentationen aufbauen können. Demnach würden wortspezifische Trainings ausreichen, um orthographische Probleme zu lösen. Die Förderpraxis kann dies jedoch nicht bestätigen. (SCHÖFL 2004, pp. 22)

6.2.2 Automatisierungshypothese

Sowohl die Sprachlautverarbeitung als auch die Leseverarbeitung müssen hoch automatisiert ablaufen, um effizient zu sein. Kompetentes Lesen und Schreiben ist ebenso wie etwa Klavierspielen oder Autofahren das Ergebnis von komplexen kognitiven und motorischen Bewegungen, deren Ablauf gelernt und oft geübt wurde, die nun aber ohne nachzudenken abgerufen werden. Ein Defizit in der Automatisierung würde auch Schwierigkeiten beim Rechtschreiben erklären: Der automatisierte Zugriff auf die Buchstabenschemata ist die Voraussetzung für das Schreiben von Wörtern. Darauf aufbauend muss beim Schreiben von Texten der Zugriff

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auf die Schriftwortrepräsentationen im internen Lexikon rasch und automatisch erfolgen, damit die Aufmerksamkeit auf zusätzliche Aufgaben wie Stil und Inhalt gerichtet werden kann. Nicolson und Fawcett, die Vertreter der Automatisierungshypothese, vermuten, dass die Ursache der LRS in einem angeborenen Aktivierungsdefizit im Kleinhirn liegt. Zu den wichtigsten Aufgaben dieser Hirnregion gehören die Koordination von Bewegungen und die Automatisierung der motorischen Lernvorgänge. (HOLZMÜLLER 2006, Modul II) Bildgebende Verfahren konnten bei kognitiven Aufgaben eine Aktivierung im Kleinhirn zeigen, was vermuten lässt, dass es auch direkt an sprachbezogenen Prozessen beteiligt sein könnte. Der empirische Beweis, dass Kinder mit LRS auch Balancierdefizite haben, wurde jedoch entkräftet. Experimente ergaben, dass motorische Störungen eher bei Kindern mit ADHS als mit LSR auftreten. (RABERGER/WIMMER, 2003)) Bisher fehlen eindeutige wissenschaftliche Befunde über den tatsächlichen Einfluss des Kleinhirns auf die sprachlichen Fähigkeiten.

6.2.3 Phonologische Defizithypothese Nach diesem Verursachungskonzept haben Kinder mit LRS ein grundlegendes Defizit in der Verarbeitung phonologischer Aspekte von Sprache. Sie haben Schwierigkeiten, die erforderliche hoch automatisierte Vernetzung zwischen Sprache und Schrift herzustellen, weil sie keinen guten Zugriff auf die Lautstruktur von Wörtern haben. Die phonetische Bewusstheit ist ein zentraler Begriff bei der phonologischen Informationsverarbeitung, zu der auch die Bereiche der phonetischen Codierung und des phonologischen Kurzzeit-gedächtnisses (KZG) gehören. Der lernende Leser benötigt phonologische Bewusstheit, um sich ausbildende orthographische Repräsentationen (Grapheme) und bereits bestehende Repräsentationen gesprochener Sprache (Phoneme) einander zuzuordnen. (RÜSSELER 2006, p. 103) Somit ist aus der Sicht der Zwei-Wege-Modelle eine Störung beim Erlesen von unbekanntem Wortmaterial bzw. Pseudowörtern ein Hinweis dafür, dass phonologische Defizite vorliegen.

Exkurs: Phonologische Bewusstheit Die phonologische Bewusstheit ist ein Sammelbegriff, der viele Teilfertigkeiten umfasst. Vereinfacht ausgedrückt bezeichnet er die Fähigkeit, Wörter in Silben und einzelne Phoneme zu zerlegen und Laute und Buchstaben einander zuzuordnen. Man kann zwischen einer weiteren und einer engeren Form der phonologischen Bewusstheit unterscheiden (GOLDBRUNNER 2006, p. 39): · einfachere Fähigkeiten wie Reimerkennung und Gliederung von Wörtern in Silben, häufig bereits im Vorschulalter entwickelt, und · die Fähigkeit, Laute zu unterscheiden (Lautanzahl, Lautsynthese, Lautsegmentation u. a.), die sich meist erst vollständig in der Konfrontation mit der Schriftsprache entwickelt. Deshalb ist der methodisch-didaktische Ansatz in der Anfangsphase von großer Bedeutung: Die Auseinandersetzung mit Buchstaben als Repräsentationen von Lauten ermöglicht dem Schulanfänger eine tiefere Einsicht in die Struktur der Sprache auf Phonemebene, ein expliziter Unterricht in den Graphem-Phonem-Zuordnungen, auch auf der Silbenebene, mit ausreichend Übung erleichtert ihm das Erfassen des alphabetischen Prinzips. (KLICPERA 2007, p. 90) Von den drei derzeit diskutierten Verursachungskonzepten kann nur die phonologische Defizithypothese empirisch gesicherte Daten über einen Zusammenhang mit Rechtschreibfähigkeiten erbringen. Allerdings ist sie als Erklärung nicht immer ausreichend, wie Fälle von LRS mit intakten phonologischen Fähigkeiten deutlich machen:

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6.2.4 Erweiterung der phonologischen Defizithypothe se Ein Rückblick auf die wichtigsten Studien im deutschsprachigen Raum unterstützt eine Erweiterung der bisherigen Annahme, die man als phonologisch-orthographische Defizithypothese bezeichnen könnte: Englischsprachige Forschergruppen (USA, Kanada, Australien, England) sind mit ihren zahlreichen wissenschaftlichen Studien tonangebend in der Ursachenforschung. Die Ergebnisse können aber nicht direkt auf die deutsche Sprache übertragen werden, da im Englischen die Graphem-Phonem-Zuordnung vieldeutiger ist als im Deutschen mit seiner relativ regelmäßigen Graphem-Phonem-Korrespondenz. Die höhere Konsistenz der deutschen Orthographie hat einen größeren Einfluss auf den Schriftspracherwerb, als man bisher durch die Orientierung an der englischsprachigen Literatur angenommen hat. (WIMMER/LANDERL 1997) Während der Fokus im Englischen auf dem Phonologiedefizit liegt, zeigen Studien mit deutschsprachigen Kindern, dass hier auch andere Faktoren eine Rolle spielen: In zwei Längsschnittstudien (2000) mit 530 Buben bzw. 300 Buben und Mädchen wurde untersucht, welchen Einfluss phonologische Defizite und ein Defizit in der Wortbenennungsschnelligkeit bei Schuleintritt auf die Entwicklung der Lese- und/oder Rechtschreibfertigkeiten in den ersten drei Schuljahren haben. (WIMMER et al. 2002) Die Ergebnisse beider Studien bestätigten die Vorhersagen zu den Vorläuferfertigkeiten, dass es für die Schwierigkeiten später beim Lesen und Rechtschreiben unterschiedliche Prädiktoren gibt: Die Lesestörung geht mit einer defizitären Wortbenennungsschnelligkeit einher, die isolierte Rechtschreibstörung mit phonologischen Defiziten. Beide kommen häufig in Kombination als Lese-Rechtschreibstörung vor. Bereits Jahre zuvor zeigte ein Befund (1996), dass schlechte Ergebnisse bei phonologischen Übungen in Verbindung mit einer Herausforderung an das orthographische Gedächtnis (zB Anfangsbuchstaben von „Gold“ und „Silber“ tauschen) nicht auf ein Defizit der phonologischen Bewusstheit zurückzuführen sind, da Personen mit Leseschwäche bei diesen Übungen weniger irritiert waren als kompetente Leser, die durch den direkten Zugriff auf das Wortbild im orthographischen Lexikon Schwierigkeiten hatten, einen Buchstaben auszulassen oder auszutauschen. (BRUCK 1992; LANDERL/FRITH/WIMMER 1996) Diese Befunde brachten die Erkenntnis, dass auch bei legasthenen Personen niedrige Ergebnisse bei derartigen Aufgaben nicht auf mangelnde phonologische Bewusstheit, sondern auf phonologisch-orthographische Fähigkeiten zurückzuführen sind. Mittlerweile bestätigen auch neurobiologische Befunde bei Legasthenikern Beeinträchtigungen der linken Hirnregionen, die visuell-orthographische Prozesse (okzipito-temporal) und phonologische Prozesse (frontal, inferior) miteinander verbinden (zB RICHARDS et al. 2008; Richlan et al. 2009). Und damit Defizite der phonologisch-orthographischen Verarbeitung.

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7 Therapie der Rechtschreibstörung Auch Schüler mit einer Legasthenie müssen das Lesen und Rechtschreiben Schritt um Schritt logisch aufbauen. Dazu brauchen sie spezielle Fördermaßnahmen. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die verschiedenen Förderansätze und bekannte evaluierte und teilevaluierte Fördermethoden.

7.1 Einteilung der Fördermaßnahmen Nach Dumont (1990) lassen sich drei Gruppen von Förderprogrammen bei der Lese-Rechtschreibstörung einteilen (DUMONT in SCHULTE-KÖRNE 2001/07): Training basaler kognitiver Funktionen Vertreter dieses Ansatzes sehen die Ursache der LRS in der defizitären Verarbeitung von Wahrnehmungsreizen. Durch das Training der auditiven und visuellen Wahrnehmung kommt es eindeutig zu Verbesserungen, positive Transfereffekte auf die Rechtschreibung können jedoch nicht nachgewiesen werden. (SUCHODOLETZ 2007) Re-Programmierung neurologischer Defizite Von verschiedenen Autoren werden neurologische Defizite, wie Lateralitätsdefizite und mangelnde Ohrdominanz, als Ursache für LRS angenommen. So wurden etwa beim Ohrdominanztraining von Tomatis, bei dem über Apparaturen mit Musikstücken veränderte Frequenzen trainiert werden, Verbesserungen der Wahrnehmung der trainierten Frequenzbereiche festgestellt, jedoch keine positiven Auswirkungen auf das Lesen und Schreiben. Eine Lese-Rechtschreibtherapie ist bei Kindern zu empfehlen, „bei denen die Störung der auditiven Wahrnehmung Teil einer Lese-Rechtschreibstörung ist“ (ROSENKÖTTER 2003, p. 186). Dieser ursächliche Zusammenhang fehlt derzeit bei allen Ansätzen zur Re-Programmierung neurologischer Defizite. Symptomspezifisches Training Das symptomspezifische Training steht in direktem Bezug zu den besonderen Schwierigkeiten der LRS, seine Effektivität ist gut belegt (zB Schulte-Körne 2004, pp. 135; Übersicht in Klicpera 2007, pp. 256). Bei diesem Förderansatz unterscheidet man strukturell-linguistische und lexikalische (wortspezifische) Trainingsmethoden. Zu den strukturell-linguistischen gehören das Silbentraining und phonologiesensitives Regeltraining, zu den lexikalischen zählen Morphemtraining und multisensorische Wortspeichermethoden.

7.2 Evaluierte Fördermethoden

Kindern mit Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb steht das automatisiert ablaufende Schreibenlernen nicht zur Verfügung, weshalb sie dazu angeleitet werden müssen, „bewusst“ zu schreiben. Dafür eignen sich am besten Fördermethoden zur Verbesserung der Rechtschreibung. Deshalb werden im Folgenden, abgesehen vom phonologischen Training, nur symptomspezifische Förderprogramme angeführt. Sie alle wurden auf ihre Wirksamkeit überprüft.

7.2.1 Training phonologischer Bewusstheit

Da deutschsprachige Kinder die phonologischen Kernkompetenzen früh beherrschen, zählen in der deutschen Orthographie phonologische Fördermaßnahmen zu den Trainingsmethoden

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kognitiver Funktionen. Phonologisches Training lässt sich der alphabetischen Phase zuordnen, dh. dass davon vor allem jüngere Kinder profitieren, die die orthographische Phase noch nicht erreicht haben. Längsschnittstudien ergaben, dass vorschulische Defizite der phonologischen Bewusstheit spätere Rechtschreibschwierigkeiten voraussagen (6.2.4). Entsprechend konnten mit dem Training phonologischer Fertigkeiten im Kindergartenalter positive Effekte auf die Lese- und Rechtschreibleistungen bis zur zweiten Klasse Volksschule nachgewiesen werden (SCHULTE-KÖRNE/MATHWIG 2001, E 7). Als sehr effektive Präventionsmaßnahme erwies sich das kombinierte Training der phonologischen Bewusstheit und der Vermittlung der Buchstabenkenntnisse (6.2.3). Die Auswirkungen eines phonologischen Defizits beschränken sich nicht auf lauttreues Lesen und Schreiben, sondern beeinträchtigen in der Folge auch die weitere Leseentwicklung (sehr langsames Worterkennen) sowie den Aufbau von orthographischem Wissen. (KLICPERA 2007, p. 127)

7.2.2 Strukturell-linguistische Fördermethoden

Die Fördermethoden der Silbengliederung und der regelorientierten Vorgehensweise beruhen auf der Annahme, dass die Gliederung von Sprechwörtern zu einer besseren Speicherung von nicht lauttreuen Wörtern führt. Training der Silbengliederung Für die Vertreter dieser Methode ist die Sprechsilbe die am besten geeignete Segmentierungseinheit. Heide Buschmann (1986) entwickelte das ganzheitliche Konzept des Rhythmisch Synchronen Sprechschreibens (RSS), bei dem das Mitsprechen von gelesenem und geschriebenem Text in Silben erfolgen soll. Dem Schreiben vorgeschaltet lernen die Schüler vorgesprochene lange Wörter in Silben zu sprechen (zB „Nachtgespensterstunde“, „Schlüssellochgucker“) und gleichzeitig mit dem Schreibarm auf dem Tisch oder in die Luft Bögen auszuführen. Buschmann geht von der Annahme aus, dass die innere Sprache des Legasthenikers beim Spontanschreiben ähnlich asynchron ist wie die gesprochene Sprache. Es bestehe ein „Steuerungsmangel“. Das synchrone Zusammenwirken von Wahrnehmung (Sehen, Hören) und Motorik (Sprechen, Schreiben) soll eine „Steuerungshilfe“ bieten. In mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, dass diese Methode besonders das korrekte Schreiben von lauttreuen Wörtern und der Konsonantenverdopplung fördert. (Übersicht in SCHÖFL 2004, pp. 42) Weitere Trainingsprogramme, die mit dem Silbenansatz nach Buschmann arbeiten, sind „Die Lautgetreue Lese-Rechtschreibförderung“ von C. Reuter-Liehr (GANSER 2005, pp. 192) und das Förderkonzept von FRESCH, der Freiburger Rechtschreibschule (2007). Förderung durch phonologiesensitive Regelprogramme Regeltraining ist erst ab dem 2. oder 3. Schuljahr sinnvoll, wenn die Kinder lauttreu schreiben können und auch kognitiv in der Lage sind, orthographische Regeln zu lernen und anzuwenden. Bei den Rechtschreibregeln sind phonologische und morphematische Regeln zu unterscheiden, die beispielsweise die Lang- und Kurzvokalschreibung unterstützen und bei der Groß- und Kleinschreibung helfen. Als anschauliches Materialbeispiel wird im Folgenden das Rechtschreibprogramm von Schulte-Körne und Mathwig vorgestellt (2001/07): Das Marburger Rechtschreibtraining, ein „regelgeleitetes Förderprogramm für rechtschreibschwache Kinder“ der Schulstufe 2 – 4, können die Eltern selbst durchführen. Nach dem gemeinsamen Erarbeiten der einzelnen Lern- und Übungsbereiche und dem Durcharbeiten der Kapitel sollen die Kinder die Rechtschreibregeln, zunächst mit Hilfe von Lern- und Regelkarten, eigenständig anwenden, zB bei den Hausaufgaben.

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Die Grundidee dieses Konzepts besteht darin, den Kindern nicht nur explizites Regelwissen, sondern auch adäquate Lösungsstrategien zu vermitteln. Die neuen Strategien werden mit Hilfe von speziellen Rechtschreib-Algorithmen schrittweise umgesetzt. Die „Kathi“ mit ihren langen Armen als grafisches Symbol für den Algorithmus und das Ausrufezeichen „Anton“ als grafisches Symbol für wesentliche Lerninhalte begleiten das Kind im gesamten Programm. Die Wirksamkeit dieses Förderprogramms wurde in drei Studien überprüft: Die Effekte waren minimal und auf Teilbereiche reduziert. (SCHULTE-KÖRNE/MATHWIG 2001/07, E 8)

7.2.3 Lexikalische Fördermethoden Zu den Förderansätzen auf lexikalischer Ebene zählen Lerntechniken wie das Einspeichern der Wörter mittels Lernkartei und spezifische Trainingsmethoden, die durch visuelle und akustische Stimuli die korrekte Schreibung orthographisch schwieriger Wörter unterstützen. Die Effizienz multisensorischer Förderung konnte in Evaluationsstudien mehrfach gezeigt werden. (SCHEERER-NEUMANN 1993, pp. 340) Auch Schöfl (2004) konnte in seiner Trainingsstudie nachweisen, dass die vielfach angewandte Methode der visuellen Hervorhebung eine tatsächlich wirksame Förderkomponente darstellt. Nach dieser Studie scheint sie weniger spezifisch auf die speziell hervorgehobenen Merkmale zu wirken, sondern eher auf die Behaltensleistung des gesamten Wortes. (Schöfl 2004, p. 99) Ein weiterer lexikalischer Ansatz ist das Morphemtraining, bei dem der Schüler wichtige Stammmorpheme einspeichert und dadurch viele Wortkombinationen bilden und verschriftlichen kann. Klaus Kleinmann beschreibt für sein Programm „Die Wortbaustelle“ beachtliche Trainingserfolge bei legasthenen Kindern. (KLEINMANN 2007, p. 8)

7.2.4 Gemischte Ansätze Viele Wörter sind durch die einzelnen Methoden nicht oder nur schwer erlernbar. So lässt sich das Wortbild „steh – len“ durch die Silbentrennung nicht erklären, „ä“ bei „kämmen“ nicht durch eine Rechtschreibregel. Deshalb werden in der Praxis häufig gemischte Ansätze verwendet: Phonologiesensitive Regelprogramme und silbenorientierte Trainingsprogramme sowie wortspezifische Lernstrategien ergänzen einander auf der orthographischen Ebene. Das elternunterstützte Rechtschreibtraining P.E.R.L.E. ist den gemischten Ansätzen zuzuordnen. Das Förderkonzept und seine Umsetzung im Einzeltraining und in der Gruppe werden im zweiten Teil dieser Arbeit ausführlich dargestellt.

7.3 Förderung mit dem Computer Der gezielte Einsatz des Computers als begleitende Fördermaßnahme ist grundsätzlich zu empfehlen. Die Arbeit am Computer erleichtert den Kindern die Konfrontation mit ihren Rechtschreibschwierigkeiten aus folgenden Gründen (SCHULTE-KÖRNE 2004, pp. 144): · Sie schreiben lieber am Computer als mit der Hand, beschäftigen sich in der Folge länger mit den Übungen. · Das saubere Schriftbild am Computer ersetzt die eigene unleserliche Schrift, unterstützt das Einspeichern des Wortbildes. · Fehlermeldungen durch die Rechtschreibkorrektur lassen die Kinder eher nach Lösungsstrategien suchen. Der Computer wird als objektive Hilfe akzeptiert. – Verbesserungen hinterlassen keine „Spuren“. Computerunterstütztes Lernen erhöht die Motivation, die Ausdauer und die Konzentration beim Üben, in der Folge verbessern sich auch die Rechtschreibleistungen der Kinder. Der Computer ersetzt jedoch nicht den Förderunterricht und das handschriftliche Üben. Bei der Wahl des Computerprogramms ist zu beachten, dass die Übungen multimodal sind und in direktem Bezug zum Rechtschreiben stehen, dem Entwicklungs- und Leistungsstand des Kindes entsprechen und dass es auf seine Wirksamkeit überprüft ist.

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8 Pädagogisch-didaktische Rahmenbedingungen Selbst wenn die kognitiven Prozesse beim Lernenden korrekt ablaufen und ein gut gestaltetes Lernangebot vorliegt, führt dies nicht automatisch zum Lernerfolg. Wertvolle Anregungen bei der Erforschung der Bedingungen erfolgreichen Lernens geben die Lernparadigmen in den lerntheoretischen Modellen des Behaviorismus, des Kognitivismus, des Konstruktivismus und der integrierten Lerntheorien wie etwa Banduras Lernen am Modell. (FISCHER/WISWEDE 2002, pp. 50) Eine Studie am Institut für Wissensmedien in Tübingen zeigte, dass Lernen mit einem gegebenen Lernangebot im direkten Verhältnis gefördert wird zum Grad der verwirklichten Lernprinzipien: Lernen durch Tun, selbst gesteuert, motiviert, emotional engagiert, beobachten und nachahmen, aus Fehler lernen, verbales Lernen – Prozesse, Ergebnisse explizit machen, Wissen strukturieren, durch Anwendung festigen, Lernprozesse kontrollieren. Entscheidend beeinflusst werden die zentralen Lernprozesse von den individuellen Lernvoraussetzungen und den kontextuellen Rahmenbedingungen: Letztlich ist es der motivierte und emotional engagierte Lernende, der mit seiner aktiven Teilnahme Lernen erfolgreich macht! (TERGAN S.-O. 2005, pp. 10)

8.1 Sprache, Emotionen und Lernmotivation Dass und warum Lernen mit positiven Emotionen arbeiten sollte, lässt sich heute bereits wissenschaftlich bestätigen. Auch hier können funktionelle, bildgebende Verfahren nachweisen, wie eng Emotion und Kognition, Gefühl und Denken, miteinander verbunden sind: Diejenigen Wörter, die in einem positiven emotionalen Kontext eingespeichert wurden (Aktivität im Bereich Hippokampus, limbisches System), konnten am besten erinnert werden. Dies wiederum fördert die Motivation. Entsprechend konnte gezeigt werden, dass chronischer Stress zu hippokampalen Schäden und entsprechenden Leistungsminderungen führt. (SPITZER 2007a, pp. 166) Mangelhafte Umsetzung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse, welche für Lernen im Allgemeinen gelten, zeigt sich im Förderbereich unmittelbar. Viele Kinder mit Lese-Rechtschreibstörungen leiden unter Versagensängsten. In engem Zusammenhang damit stehen Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität (KLICPERA 2007, pp. 195) Die wichtigsten pädagogischen Maßnahmen sind deshalb: ···· Rücksichtnahme auf die emotionalen Bedürfnisse des überforderten Kindes ···· Gelassenheit im Umgang mit Lernunlust ···· Lob und Anerkennung auch kleiner Fortschritte, Belohnung ···· sachlich-neutrales Feedback bei Rechtschreibfehlern (WARNKE 2002, p. 110) Im Klima der sprachlichen Auseinandersetzung (emotional, fachlich) fühlt sich das Kind zunehmend sicher und kann sein Befinden besser erkennen und artikulieren. Die Erfahrung der eigenen Einflussnahme auf den Lernprozess stärkt seine Selbstachtung.

8.2 Methodisch-didaktische Fördermaßnahmen

Bei der Planung der Rechtschreibtherapie müssen einerseits die Organisationsform (Einzel-oder Gruppentraining, schulisch/außerschulisch) und andererseits die Wahl des Förderkonzepts berücksichtigt werden. Legasthene Kinder haben - oft auf Grund einer Aufmerksamkeitsschwäche – eine geringere handlungsbegleitende Kontrolle und müssen erst Lernen lernen.

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Deshalb erfordern Aufbau und Durchführung der Lernförderung ···· klare Struktur ···· optimale Anleitung ···· Lernunterstützung zur Erleichterung der kognitiven Prozesse

Das Kind muss wissen, was das Ziel ist und mit welchen Schritten es dahin kommt. Voraussetzung für eine erfolgreiche Förderung ist neben der Berücksichtigung der wichtigsten Lernprinzipien das regelmäßige aktive Üben und Wiederholen. Dabei können wirkungsvolle Lerntechniken und –behelfe den individuellen Lerntypus unterstützen, wie etwa die Routen-Station oder Learning Tape (BIRGMAYER 2007).

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9 Gleichheit oder Fairness?

Hans Traxler 1975, in: Sozialwissenschaftliche Studi en, Gesellschaft im Wandel, ZS, März 2001 Der Cartoon von Hans Traxler mit den unterschiedlichen Tieren, die alle auf den Baum klettern sollen, zeigt unmissverständlich, dass die Menschen nicht mit den gleichen Anlagen auf die Welt kommen. (TRAXLER 1999, p. 252) Die Zeichnung entstand vor 35 Jahren als anschauliches Plädoyer für die individuelle Förderung des Schülers etwa durch Lernzieldifferenzierung, Methodenvielfalt und Wahlmöglichkeit einzelner Unterrichtsfächer. Die Darstellung eignet sich hervorragend, um auf die Paradoxie der Gleichbehandlung von Kindern mit unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten hinzuweisen. Umso mehr weist sie beim aktuellen Wissensstand der Legasthenieforschung auf die Notwendigkeit hin, Kinder mit LRS auf Grund der abweichenden Informationsverarbeitung durch spezielle Trainingsmethoden zu motivieren und zu fördern. Das Projekt P.E.R.L.E., ein eklektisches Modell, versucht mit ausgewählten evaluierten Fördermaßnahmen Kinder mit Rechtschreibschwierigkeiten im individuellen Lernprozess adäquat zu unterstützen. Der zweite Teil dieser Arbeit ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Konzept und der Durchführung dieses Rechtschreibförderprogramms mit Elternanleitung. Den methodischen Förderansätzen, Kriterien zur Teilnahme, Förderunterlagen und Testverfahren folgt die Durchführung des Rechtschreibtrainings mit ausführlicher Beschreibung und Analyse des Verlaufs beim Einzel- und Gruppentraining und die Auswertung der Testergebnisse.

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10 Projekt P.E.R.L.E. - Anforderungen und Ziel Für Kinder mit Rechtschreibschwäche bedeutet gerade der Schritt von einer lauttreuen zu einer orthographischen Strategie oft eine unüberwindbare Hürde. Sie brauchen spezielle Fördermaßnahmen zum Aufbau von Regelwissen und eines Gedächtnisspeichers für Wortschreibungen, damit sie die Besonderheiten der deutschen Orthographie internalisieren. Es gibt kaum wissenschaftlich fundierte Trainingsprogramme zum Erlernen der orthographischen Schreibung, ökonomische Gründe erfordern zudem die Möglichkeit einer effizienten Förderung innerhalb der Familie. P.E.R.L.E. (Projekt Elternanleitung für Legastheniker) ist mit seinem Konzept und Trainingsprogramm eine Antwort auf diese Notwendigkeit. Das Projekt soll sowohl das Gesamtkonzept als auch die einzelnen methodischen Ansätze im „Elternangeleiteten Rechtschreibtraining“ auf ihre Wirksamkeit überprüfen sowie durch die Gegenüberstellung von Gruppen- und Einzeltraining Erkenntnisse über die Bedeutung der Organisationsform gewinnen.

10.1 Elternunterstütztes Rechtschreibtraining – För derkonzept

Methodisch ist das elternangeleitete Rechtschreibprogramm den gemischten Förderansätzen zuzuordnen. Es basiert auf dem symptomspezifischen Trainingsansatz und integriert folgende evaluierte Teilkomponenten: Strukturell-linguistische Methode Das Trainingsprogramm verwendet zur Vermittlung der Sprachstruktur eine regelorientierte Vorgehensweise mit morphematischen und phonologischen Regeln. Die morphematischen Übungen zur Groß- und Kleinschreibung und zur Ableitung begleiten das Training von der ersten Stunde an, mit den phonologischen Übungen zur Kurz- und Langvokalschreibung beginnt die Auseinandersetzung mit den Rechtschreibbesonderheiten im Wortstamm.

Lexikalische Methode Das Einspeichern von Schriftwörtern und damit der Aufbau des orthographischen Lexikons wird in diesem Konzept gefördert durch das Trainieren der Stammmorpheme, das wiederholte Schreiben der Lernwörter mit Hilfe der Worttabellen und der Lernkartei und durch wortspezifische Förderstrategien wie die visuelle Hervorhebung orthographischer Besonderheiten, Wortdiktate, Anwendung der Wörter in eigenen Sätzen und Übungsdiktate auf CD.

Kybernetische Methode Das Förderprogramm enthält spezielle Übungsformen aus der Kybernetik zum Training der Wortflüssigkeit, zur Erweiterung des Wortschatzes und zur Förderung der Konzentration, zB Gegenstände im realen Raum und in der Vorstellung benennen: Über den Weg der handelnden Aufmerksamkeit entwickeln die Kinder die Fähigkeit, auch beim reinen Zuhören oder Zusehen aufmerksam zu bleiben. Derartige Wahrnehmungsübungen in spielerischer Form begleiten die Kinder durch das Programm und laden sie dazu ein, selbst kreativ zu werden und die Übungen zu ergänzen, zu verändern oder neue zu erfinden. (SCHENK-DANZINGER, pp. 185) Das kybernetische Diktattraining ist für Kinder mit geringerer Speicherqualität eine effiziente Lernmethode, mit deren Hilfe sie die orthographischen Besonderheiten der nicht lauttreuen Wörter erkennen und sich gut merken können: Das geordnete Speichern wird langsam eingeübt und geht in ein immer schnelleres Abrufen über. Zum Beispiel: „Das Wort ´Straße´ schreibt man groß und mit scharfem ´ß´. Das Wort ´fasst´ schreibt man klein und mit doppel-s, es kommt von ´fassen´.“ (www.kybernetische-methode.de)

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Weiters berücksichtigt das Förderkonzept wichtige lerntheoretische Prinzipien:

Stressmanagement durch Training mit der Stoppuhr Stress führt häufig zu Denkblockaden. Wichtig ist, dass das Kind allmählich lernt, mit dem Gefühl von Stress umzugehen. Beim regelmäßigen Training mit der Stoppuhr lernt es, den Stress zu kontrollieren, weil es die Erfahrung macht, dass es die von sich geforderte Leistung in einem gesetzten Zeitrahmen erbringen kann. (STENGER 2008, pp. 185)

Belohnungsprogramm nach dem Token-System Das Belohnungsprogramm sieht für die 9 - 12jährigen Kinder einen 20-Punkte-Plan vor, ansprechend illustriert, zur Abwechslung mit verschiedenen Motiven. Darin ist festgehalten, wofür es einen Belohnungspunkt gibt (jede Übungseinheit, Extraübungen) und dass die Belohnung – sie wird mit Beginn eines Punkteplans vereinbart – vom Kind eingefordert werden darf, wenn in jedem Kreis ein Punkt klebt. Wichtig ist, dass der Punkteplan genau geführt wird und das Kind den Punkt sofort erhält, wenn es ihn verdient hat.

Mastery-Learning-Strategie Diese Strategie, von Benjamin Bloom (1968) entwickelt, basiert auf der Theorie der operanten Konditionierung von Skinner (Reiz-Reaktionsmuster) und setzt ein lernzielorientiertes Vorgehen mit Lernzielkontrollen voraus, also „Lernen am Erfolg“. Bloom geht davon aus, dass ungleiche Lernerfolge primär auf Unterschiede in der benötigten Lernzeit und im Vorwissen zurückzuführen sind. Mastery-Learning ermöglicht unterschiedliche Lernzeiten, Wissenslücken im vorangegangenen Lernen können bei den Lernzielkontrollen festgestellt und ausgeglichen werden. (www.uni-koblenz.de/didaktik/voss/Differenzierung2.pdf) Diese Strategie verbessert und steigert deutlich die Leistung des Schülers im „Programmierten Unterricht“ (Skinner 1954). Demnach setzt sich Lernen aus einer Folge von Lernschritten zusammen, die jeweils aus drei Teilschritten bestehen, beim Elterntraining etwa so: 1. Das Kind bekommt beim Üben eine neue Information dargeboten, zB die Regeln: Mitlaute können nur dann verdoppelt werden, wenn der Selbstlaut davor kurz ist. Ist der Selbstlaut lang, kommt nur ein Mitlaut. 2. Das Kind wendet diese Operation in vielen Übungsbeispielen an, zB: Das „e“ in „Bett“ ist kurz, deshalb wird der Mitlaut „t“ verdoppelt. Das „a“ in „Lage“ ist lang, deshalb kommt nur ein „g“. 3. Das Kind erhält eine Verstärkung in Form einer Rückmeldung, dass die Übungsbeispiele korrekt der Schärfung oder Dehnung zugeordnet wurden. Das Konzept im elternangeleiteten Rechtschreibtraining sieht vor, dass sowohl die einzelnen Lernschritte als auch die Übungsteile im Förderprogramm der Mastering-Learning-Strategie folgen, das heißt, erst nach Automatisierung eines Übungsschritts setzt das Training beim nächsten fort, Schwachstellen zeigen sich bei Lernzielkontrollen (Festigungsübungen, Fehleranalysen) und können ausgeglichen werden.

10.2 Kriterien zur Teilnahme am Training Diagnose Das Programm eignet sich für rechtschreibschwache Kinder mit Deutsch als Muttersprache, die die lauttreue Schreibung beherrschen. In der deutschen Orthographie in der Regel ab der dritten Schulstufe. Eine differenzierte Diagnostik soll die Art der Schwierigkeiten, die das Kind beim Lesen und Schreiben hat, näher abklären. Sie ist Voraussetzung für das Elterntraining.

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Trainingsvereinbarung Eltern und Kinder müssen vor Beginn des Trainings jeweils einen Vertrag unterschreiben, in dem sie bestätigen, dass sie die Vereinbarungen einhalten und insbesondere während des Programms regelmäßig mit dem Fördermaterial üben.

11 Material

11.1 Rechtschreibförderunterlagen Das Unterrichtsmaterial für das elternangeleitete Rechtschreibtraining basiert auf der praktischen Arbeit des Autors mit legasthenen Kindern. Die Inhalte eignen sich für die Schulstufen 3 - 6. Das Übungsmaterial besteht aus 15 einzelnen „Akten“ und befindet sich zusammen mit den Belohnungsplänen, dem Vertrag für das Kind und dem Informationsblatt für die Eltern in einer kompakten Mappe. Das Trainingsprogramm beinhaltet folgende Übungsbereiche: ···· Wortarten sicher erkennen und benennen ···· Wortbausteine erkennen: Vor- und Nachbausteine, Wortstämme; Wörter bilden ···· Prinzipien der Kurz- und Langvokalschreibung: die Länge des Selbstlautes erkennen ···· Anwendung der Prinzipien bei wichtigen Rechtschreibkapiteln: Doppelmitlaute, „tz“, „ck“, „stummes h“, „ie“ ···· Automatisierungsübungen Der systematische Aufbau des Förderprogramms und die einfach strukturierten Arbeitsmaterialien ermöglichen eine rasche Orientierung, sodass die Eltern ihr Kind mit dem gebotenen Ablauf von Beginn an gut unterstützen können. Auf Grund der übersichtlichen Gliederung des Übungsmaterials ist für den geübten Anwender ein gezieltes Lernen möglich, zB zur Wiederholung vor schriftlichen Arbeiten.

11.2 Testverfahren für Vor- und Nachtest Vor und nach dem Elterntraining wurden bei jedem Kind die Lese- und Rechtschreib-fähigkeiten überprüft. Die Leistungsfeststellung erfolgte in standardisierten Testverfahren im Einzelsetting. Je nach Altersstufe wurden die folgenden Verfahren verwendet: SSB (Screening zur Schul- und Bildungsberatung ) fü r die Stufen 1 – 10 Das Verfahren erfasst die Rechtschreibleistung durch zwei Diktate: 36 Wörter im Fließtext und 10 Wörter (Liste)

RST (Rechtschreibtest) 4 – 7 Die Rechtschreibleistung wird durch das Diktat von 60 Testwörtern (Liste) festgestellt.

Salzburger Lesetest für die 3. und 4. Schulstufe Beim SLT werden das lautierende Lesen (Pseudowörter) und die direkte Worterkennung (häufige und zusammengesetzte Wörter, Textlesen) überprüft.

ELFE 1 – 6 Dieser Test erfasst das Leseverständnis auf der Wort- , Satz- und Textebene sowie die Lesegeschwindigkeit.

Zürcher Lesetest für die 5. und 6. Schulstufe Der ZLT ermöglicht eine Überprüfung der Leseflüssigkeit und Lesegenauigkeit auf der Wort- und Textebene.

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Lesegeschwindigkeits- und –verständnistest 6 – 12 ( LGVT) Der LGVT überprüft die Lesegeschwindigkeit und das Leseverständnis auf der Textebene.

11.3 Fragebogen

Die Psychologen Martin und Barbara Schöfl haben einen qualitativen Fragebogen ausgearbeitet mit Items zur Persönlichkeit des legasthenen Kindes, die sich an den/die Deutschlehrer/in richten: Stärken des Kindes allgemein und in schulischen Bereichen, Belastung durch die Lese-Rechtschreibstörung des Schülers im Unterricht und für das Kind selbst, spezielle Lernstrategien, Stellenwert außerschulischer Fördermaßnahmen, Ratschläge für Eltern/Kursleiter. Die Sicht des Pädagogen auf die vorwiegend offenen Fragen ohne Vorgaben ermöglicht hohe inhaltliche Validität und damit tiefen Informationsgehalt. Die qualitative Auswertung der schriftlichen Befragung ist durch ergänzende Sichtweisen der Eltern möglich. (Anhang)

12 Durchführung der P.E.R.L.E. Im Folgenden werden die Rahmenbedingungen beschrieben und im Anschluss der Verlauf des Gruppen- und Einzeltrainings: Das Gruppentraining fand in der Volksschule Engerwitzdorf, Oberösterreich, unter der Leitung von Mag. Martin Schöfl statt, mit Unterstützung von Kinderpsychologin Mag. Barbara Schöfl bei der Prozessarbeit. Die Gruppe bestand aus neun Müttern, zu ein paar Treffen kamen auch zwei Väter mit. Bei allen Kindern, ausschließlich Buben zwischen 3. und 6. Schulstufe, wurde vorab eine Lese-Rechtschreibstörung diagnostiziert. Ich durfte am Elterntraining teilnehmen, konnte mich als Germanistin bei inhaltlichen Fragen einbringen und wurde während des Projekts von Martin Schöfl mit der Überarbeitung des Übungsmaterials betraut (Anhang). Das Gruppentraining erstreckte sich über einen Zeitraum von etwa zehn Monaten. Die zwölf Elternabende fanden in Abständen von zwei bis drei Wochen statt, in den Sommerferien gab es kein Treffen. Vor- und Nachtest erfolgte bei jedem Kind indviduell. Das Einzeltraining fand bei mir zu Hause statt, mit der Mutter am Vormittag, das 9. und 10. Training mit Mutter und Sohn sowie Vor- und Nachtest am Nachmittag. Peter besucht seit Herbst die 2. Klasse Gymnasium, die Austestung im Kinderhilfswerk in Linz zu Beginn des Trainings bestätigte eine isolierte Rechtschreibstörung. Das Training dauerte sieben Monate. Nach den ersten drei Treffen im Abstand von einer Woche betrug der Zeitraum zwischen den weiteren Anleitungen etwa 14 Tage.

12.1 Gruppentraining – Trainingsverlauf und Gruppen prozess Vor der Darstellung des Trainingsverlaufs erfolgt eine Erklärung des Begriffs „Gruppenprozess“ in Zusammenhang mit den Lernerfahrungen der Eltern an den Trainingsabenden: Den größten Einfluss auf den Prozess einer lernenden Gruppe hat die Gruppenleitung. Ihre wichtigsten Aufgaben bestehen darin, optimale Arbeitsmittel (Unterlagen, Methoden etc.) zur Verfügung zu stellen und den einzelnen Teilnehmern zu ermöglichen sich einzubringen sowie untereinander auszutauschen. Beim elternunterstützten Rechtschreibtraining bildeten diese Faktoren die wesentlichen Voraussetzungen für eine sinnvolle und abwechslungsreiche Arbeit in der Gruppe. Sie bestimmten auch die strukturierte Vorgehensweise an den Elternabenden: Jedes Training beginnt mit Rückmeldungen, Erfahrungsaustausch und der Einladung der Gruppenleiter an

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die Mütter, Fragen zu stellen. Anschließend erhalten die Eltern für die ausführliche Wiederholung des Übungsstoffs vom letzten Mal noch einmal die Übungsblätter als Kopien. Zur Fortsetzung des Förderprogramms werden die neuen „Akten“ an die Eltern ausgeteilt. Nach dem Kennenlernen der neuen Strategien und Regeln führen die Teilnehmer/innen alle Übungen selbst durch. Sie erleben den gleichen Lernprozess wie ihre Kinder, mit ähnlichen Fragen und Schwierigkeiten. Die Eltern wissen nun aus eigener Erfahrung, dass die richtige und automatisierte Anwendung der Regeln intensives Üben und regelmäßige Wiederholung erfordert. Ebenso, wie wichtig ein strukturierter Ablauf beim Training ist, an dem sich das Kind orientieren kann, ein verlässlicher Rahmen, der ihm ermöglicht, sich auf das Neue emotional einzulassen. Mit dem beim Rechtschreibtraining und Gruppenprozess erworbenen Wissen begleiten die Eltern ihr Kind durch das Förderprogramm. Zur Übersicht ist das Gruppentraining in vier größere methodische Einheiten gegliedert, eine ausführliche chronologische Beschreibung mit genauen zeitlichen Angaben und Kommentar findet sich im Anhang.

12.1.1 Methodischer Input Die speziellen Fördermaßnahmen beim Rechtschreibtraining beruhen auf folgenden Strategien: Kybernetisches Training (Wortflüssigkeit, Wortschat zerweiterung und Konzentration): Das Kind findet zu einem bestimmten Thema so viele Nomen (Verben, Adjektive) wie möglich. Die Übungen zur Wahrnehmung und die Steigerung vom Konkreten zum Abstrakten verbessern die Aufmerksamkeit, das laute Sprechen unterstützt das Gedächtnis (phonologische Schleife). Strategie zum Umgang mit Stress: Die Übungen mit der Stoppuhr und die Steigerung des Tempos beim Diktat helfen dem Kind, durch spielerischen Umgang und Eintrainieren der neuen Reaktion besser mit Stress umzugehen, was gleichzeitig die Motivation fördert. Regeltraining: Die wichtigsten orthographischen Regeln sind maximal vereinfacht und stehen dem Kind als handliche „Mini-Schummler“ zur Verfügung. Morphematisches Training: Wortlisten (Wortfamilien) bieten Material zum Üben und Automatisieren der Stammmorpheme und der Ableitungen (Groß- und Kleinschreibung). Phonologisches Training: Die gesprochenen Übungen mit langem und kurzem Vokal sowie „s“ und „ß“ (Zischlaut) fördern das phonologische Arbeitsgedächtnis und sind Voraussetzung für die Anwendung der „Tricks“ und Regeln. Wortspezifische Strategien: Visuelle Hervorhebung (Einkreisen, Kästchen, Symbole) und Einsetzübungen lenken den Blick auf die orthographische Besonderheit, Diktate auf Wort-, Satz- und Textebene (Worttabellen, CD-Diktate) sowie das wiederholte Schreiben der Wörter mit Hilfe der Lernkartei verankern das Wortbild im Gedächtnisspeicher. Lernzielorientiertes Vorgehen: Die einzelnen Lernschritte und Kapitel folgen der Strategie, dass das individuelle Training erst nach Automatisierung eines Übungsteils beim nächsten fortsetzt. Festigungsübungen im Programm, Fehleranalysen und die Generalwiederholung (kybernetisches Diktattraining im letzten Teil) sind wichtige Lernzielkontrollen. Positive Verstärkung: Zur Motivationssteigerung erhält das Kind eine Belohnung für das regelmäßige Üben, für konsequentes Verhalten.

12.1.2 Tipps und Feedback zur Umsetzung

Während des Trainings erhalten die Eltern Tipps zur Unterstützung einzelner Methoden und zum Umgang mit schwierigen Lernsituationen. Die Tipps werden aufgelistet, dann erläutert:

a. Morphematisches Training: Gedächtnishilfen beim Einüben der Vor- und Nachbausteine!

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b. Wortspezifisches Training: Lernkartei mit der Liste der 100 – 300 häufigsten Fehlerwörter und eigenen Fehlerwörtern! Wenn Rechtschreibregel keine Hilfe: Merkwörtertraining! c. Regeltraining: Mini-Schummler so lange wie das Kind sie braucht! d. Phonologisches Training: Unterstützende Strategien bei der Anwendung der phonologischen Regeln! e. Festigungsübungen, Selbstkontrolle und Korrektur : Nur aktuellen Übungsbereich korrigieren, Groß- und Kleinschreibung immer! Vor dem Üben die Schwierigkeit klären! Mit Diktaten und zunehmendem Tempo trainieren! Kybernetisches Diktattraining als Aufwärmübung! Ausreichend üben, um später ständiges Korrigieren und Demotivierung zu vermeiden! f. Umgang mit Stress – schwierige Situationen, Zeit druck Bei schwierigen Übungen Kompromisse eingehen! Das Wichtigste ist, „dranzubleiben“! Üben am PC nimmt den Druck! Tempo beim Diktat auf Wort-, Satz- und Textebene steigern! ad a: Morphematisches Training Lernstrategien wie die ABC-Technik (Bausteine, die mit „a“ beginnen, mit „b“ etc.) und der Vorsilben-Trick (her-, herein-, heraus-, etc.) helfen den Kindern, die Vor- und Nachbausteine spielerisch auswendig zu lernen und mit Hilfe der Liste zu ergänzen – ohne Anspruch auf Perfektion. Auch beim Schreiben werden Wörter zuerst mit den erinnerten Bausteinen gebildet, dann mit Hilfe der Unterlagen ergänzt. Die Gedächtnishilfen wurden von allen Kindern sehr erfolgreich umgesetzt, mit den ersten Morphemübungen wurde auch der Blick für Rechtschreibbesonderheiten geschärft (zwei „g“ bei „weg/gehen“). ad b: Wortspezifisches Training Die Liste mit den häufigsten Fehlerwörtern wird von allen Kindern beim Training verwendet, manche legen ihre Lernkartei damit an. Empfohlen wird ein übersichtliches System, wie etwa das „+/-„ – System (9. Gruppentraining). Das Üben mit der Lernkartei erleichtert das Automatisieren von Wörtern, die beim Einüben besonders hartnäckig sind, deren Rechtschreibung nicht der Regel folgt, etwa „f“-Fehler in den Vorbausteinen „ver-, vor-„, oder bei denen keine Strategie hilft, wie bei einem Kind, das stimmhaftes „s“ und scharfes „ß“ bei der Hörprobe überhaupt nicht unterscheiden kann und diese Wörter nun erfolgreich mit der Lernkartei als Merkwörter trainiert. Die gute Möglichkeit der Selbstkontrolle bewirkt bei manchen Kindern einen Motivationsschub und Erfolgserlebnisse. Zum Rettungsanker vor der drohenden Flut an Korrekturen wird die Kartei für ein Kind, das alle Fehler bei den Hausaufgaben sofort verbessern sollte (Lehrerin) und nun besonders hartnäckige Fehler in die Kartei schreibt. ad c: Regeltraining Nur durch regelmäßiges explizites Wiederholen werden die Rechtschreibregeln automatisiert und jederzeit abrufbar. Wertvolle Lernhilfe beim Einüben sind für die Kinder die handlichen Mini-Schummler, die sie rasch zur Verfügung haben und deshalb auch verwenden. ad d: Phonologisches Training Die Schwierigkeiten bei der Durchführung der phonologischen Übungen mit den Kindern erfordern hilfreiches Feedback vom Trainingsleiter: Die Übungen mit der Probe, das Wort zuerst mit langem und dann mit kurzem Vokal übertrieben auszusprechen, lösen Provokation (kurzer Laut lang und umgekehrt) und sogar Tränen aus („Volksschulbaby“). Bei extremer Reaktion verzichten Eltern zunächst auf die Probe und integrieren sie auf spielerische Weise, etwa beim abwechselnden Ziehen etc. der Kärtchen mit Wörtern zur Dehnung und Schärfung. Die häufigste Fehlerquelle stellen die Wörter mit kurzem Stammvokal und zwei verschiedenen Mitlauten dar. Damit die Kinder die Länge des Vokals nicht vom Wortbild ableiten (zwei Mitlaute: kurzer Vokal), wird den Eltern

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geraten, das Beispiel vorzulesen. Die Kinder machen Fortschritte bei der phonologischen Unterscheidung von Lang- und Kurzvokal. Nach der Gegenüberstellung von langem und kurzem Vokal fällt es Eltern und Kindern sehr schwer, bei der neuen Probe zur Unterscheidung von „s“ und „ß“ das Wort beide Male mit langem Vokal auszusprechen und nur den s-Laut zu verändern (zB „Straße“ mit und ohne Zischlaut), auch wenn sie das Prinzip verstehen. Der Tipp, zunächst nur diesen Schritt zu üben und dann erst mit der Kurz-Langvokal-Probe zu verbinden, wird sofort angenommen, das schrittweise Üben mit Erfolg umgesetzt. ad e: Festigungsübungen, Selbstkontrolle und Korrek tur Angesichts der vielen Fehler sind die Eltern oft verunsichert oder ratlos, das Feedback zur Korrektur bringt allgemeine Erleichterung. Die Eltern berichten von den Rechtschreibfehlern, die die Kinder beim Einsetzen und auf der Wort- und Satz- bzw. Textebene machen und bekommen folgende Tipps: 1. Wortebene: Einsetzübung richtig, als Wortdiktat falsch: ganzes Wort aufschreiben lassen! 2. Satz- bzw. Textebene: als Wortdiktat richtig, im Text falsch: ganzen Satz vorlesen, auf einmal niederschreiben lassen, einzelne Sätze, dann schwierige Diktate alleine mit CD; 3. Eindeutige Konzentrationsfehler , etwa beim routinemäßigen Einsetzen in Wortlisten: einzelne Beispiele herauspicken, erklären und schreiben lassen! Das Kind soll Diktate mit sukzessiver Temposteigerung üben und dazu übergehen, am ersten Tag nur das Diktat, am zweiten zuerst Selbstkontrolle, bei Fehleranalyse alle vier bis sechs Wochen auch Fehlerwörter aufschlüsseln! Diese effektiven Strategien steigern bei den Kindern die Konzentration und führen bei allen zu einer Verbesserung der Rechtschreibleistung (Literaturangaben). Die Eltern befolgen den Rat, den neuen bzw. schwierigen Stoff ausreichend zu trainieren, Rechtschreibkapitel bei Fehlerhäufung zu wiederholen. Mitunter ein Grund, dass einige Kinder während des Trainingsverlaufs ein oder zwei Akte zurückliegen, was beim Mastery Learning auch berücksichtigt wird. Kybernetisches Diktattraining wird den Eltern zur Festigung der Rechtschreibbesonderheiten besonders empfohlen. Die Wortlisten im Übungsteil 15 lassen sich zum Aufwärmen einsetzen, mit individuellen Lernwörtern sollten auch eigene Listen erstellt werden! (11. Gruppentraining) ad f: Umgang mit Stress – schwierige Situationen, Z eitdruck Diese Bereitschaft zu Kompromissen auf beiden Seiten bringt kleine Fortschritte in sehr schwierigen Situationen: Eine Mutter lässt ihr Kind zunächst die mündlichen Übungen machen, die ihm leicht fallen (Wortstamm erkennen), dann fügt sie ein paar schwierige an, „um sie nicht ganz zu vergessen“. Das Kind bildet mit fünf Wortstämmen Nomen, obwohl es diese Übung sonst nicht einmal ausprobieren will. Der Tipp, das Kind bei fehlender Motivation nur den Wortstamm schreiben zu lassen, wird vielfach erfolgreich umgesetzt. Bei einem Kind, das Schreiben völlig ablehnt, wird der Stift eine Weile zur Seite gelegt. Wie für viele legasthene Kinder, die nicht schreiben wollen, bedeutet auch für die meisten in der Gruppe das Üben am PC eine große Hilfe, u. a. wegen der Lesbarkeit: Die Kinder sollten während der bevorstehenden Sommerferien am PC üben. Die Temposteigerung beim Diktat (ad e) führt das Kind zunehmend an die reale Alltags- und Prüfungssituation heran, sie ist eine wichtige Übung auf dem Weg der Stressbewältigung. Die konkreten Hilfestellungen, substantieller Teil des Trainings, sind für die Eltern eine wesentliche Kraftquelle für die erforderliche Ausdauer, insbesondere bei den besonders schwierigen Bereichen Schreiben und phonologisches Training. Aus dem Feedback der Eltern geht hervor, dass die Tipps erfolgreich umgesetzt wurden, sie auch angeregt und ermutigt haben, im Umgang mit den individuellen Schwierigkeiten adäquate Strategien zu entwickeln, wie im folgenden Bericht einer Mutter: Nach den Einsetzübungen darf sich das Kind die Wörter vor dem Diktat noch einmal durchlesen. Da es bei steigender Wortanzahl in

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Panik gerät, Buchstaben verwechselt und motorische Probleme bekommt, darf es das fehlerhafte oder unleserliche Wort ein paar Mal schreiben, ohne Zeitdruck, „aber schön“.

12.1.3 Spiele

Spielerisches Lernen spricht die emotionale Seite des Kindes an und ist deshalb ein wichtiger Grundsatz beim gesamten Training. Die spielerischen Übungen erwecken Neugier und fördern das Suchen und Entdecken kreativer Strategien. Die spielerischen Basisübungen lassen sich im kreativen Umgang mit Themen und der Stoppuhr abwechslungsreich gestalten und sind bei den Kindern über lange Zeit als Aufwärm- und Abschlussübungen beliebt. Der „Wortartenwürfel“ mit den Kennbuchstaben für die drei Wortarten Nomen, Verb und Adjektiv eröffnet weitere Spielvarianten. Die Schüler dürfen selbst die Übungen bestimmen, sind dadurch sehr motiviert und steigern sich zum Teil erheblich. Durch die Offenheit beim spielerischen Üben entdecken manche Kinder Strategien zur Leistungssteigerung, zB beim Adjektiv das Gegenteil oder die Steigerung zu bilden. Bei den meisten wird die ganze Familie eingebunden, wobei es problematisch ist, wenn jüngere Geschwister bessere Ergebnisse erzielen. Der Buchstabe „R“, vorgesehen für die restlichen Wortarten, wird von einem Kind selbstbewusst in „J“ für „Joker“ umbenannt und damit eine annehmbare Herausforderung. Sehr beliebt während des gesamten Trainings ist auch das Spiel „Wörter-Hürdenlauf“ (Schöfl ©) aus Karton. Es enthält Anweisungen, die sich im Original auf die Wortarten beziehen und von Eltern und Kindern während des Trainings aktualisiert werden. Auch das ansprechende Kartenspiel zu den Wortarten (Strategie wie UNO) bringt motivierende Abwechslung. Grundsätzlich geht es bei den Übungen mit den Wortkärtchen zur Dehnung oder Schärfung darum, sie zu unterscheiden und in den jeweiligen „Topf“ (Schüssel, Becher) zu geben. Die beweglichen Kärtchen laden natürlich auch zum Ziehen, Aufdecken und anderen spielerischen Übungen ein. Ein Kind kommt auf die Idee, beim Üben die Wortkärtchen zur Dehnung und zur Schärfung mit dem Spielzeugtraktor zum Zielort zu transportieren. Die Eltern werden ermuntert, die spielerischen Übungsmethoden zu erweitern, etwa das Spiel „Activity“ mit einer Rechtschreibübung zu verbinden, indem der Darsteller am Schluss die Besonderheit von zB „fährt“ erklärt.

12.1.4 Probleme und Invision In den Phasen schulischer Überforderung durch Prüfungen etc. fehlt allen Kindern Zeit und Motivation für das zusätzliche Üben. Das offene Gespräch und Zugeständnis, dass das Training in anstrengenden Lernphasen auf die halbe Zeit verkürzt werden kann, aber unbedingt weiter geführt werden soll („Das Wichtigste ist dranzubleiben!“), bewirkt, dass Eltern und Kinder in diesen kritischen Zeiten auch ein paar Minuten üben. Im Laufe des Prozesses gibt es immer wieder „Hänger“, auch bei den Eltern. Ein Grund ist, dass manche nach den ersten Monaten noch keine sichtbare Verbesserung erkennen können. In Phasen großer Ungeduld ist die Gruppe eine wichtige Stütze. Eltern, die feststellen, dass das Kind wieder grundlegende Fehler macht, sind weniger beunruhigt, als sie erfahren, dass dies womöglich auf das Generalisieren einer neuen Regel zurückzuführen ist und nicht andauert. Im Laufe des Trainings fühlen sich zwei berufstätige Mütter zeitlich mit dem Üben überfordert und sind ratlos. Sie werden darin bestärkt, sich Unterstützung zu suchen und bekommen konkrete Hilfe.

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13. Ergebnisse Die Ergebnisse der Austestung vor und nach dem elternangeleiteten Rechtschreibtraining zeigen, ob und wie sehr sich die Lese-Rechtschreibleistungen durch die Förderung verbessert haben. Die Kinder der Gruppe führen das Training von April 2009 bis Jänner 2010 durch, weshalb beim Vor- und Nachtest die Leistungen jeweils an den Normtabellen der aufeinander folgenden Schuljahre gemessen werden. Peter hingegen absolviert das Training von September 2009 bis April 2010, seine Leistungen beziehen sich jeweils auf die gleiche Klassennorm. Die unterschiedlichen Parameter sind beim Vergleich zu berücksichtigen.

13.1 Gruppentraining

Rechtschreibleistung auf der Wortebene Bei allen Schülern gibt es eine reale Verbesserung bei der Anzahl korrekt geschriebener Wörter (4 bis 9), im Durchschnitt um 4, 5 Prozentpunkte in der AHS (Gymnasialnorm) und 3 Prozentpunkte in der HS (Gesamtnorm). Dabei erreicht ein Schüler der 1. Klasse AHS bei durchschnittlichen Ergebnissen eine Steigerung von 8 Punkten, während sich ein Schüler der 4. Klasse VS mit großen Schwierigkeiten (schwere LRS, ADHS) trotz Übung, guter kognitiver Voraussetzung und guter Arbeitshaltung nur minimal verbessert, im Klassenvergleich sogar verschlechtert. Die Ergebnisse zeigen, dass es für legasthene Kinder trotz realer Verbesserungen sehr schwer ist, sich innerhalb der Norm zu verbessern. Dies ist ein Hinweis auf die beinahe unaufhaltsame Scherenentwicklung, die auch sehr effektive Fördermethoden bestenfalls nur eindämmen können – „heilen“ würde bedeuten, dass die legasthenen Kinder ihre Leistung um mehrere Tausend Prozent steigern, gemessen an jener von nicht legasthenen Kindern – ein unmögliches Unterfangen. Zum Vergleich der Wirksamkeit effektiver Fördermethoden sei hier auf die Therapieeffekte der Eltern-Studie des Marburger Rechtschreibtrainings von Schulte Körne verwiesen: Erst nach zwei Jahren zeigte sich eine Verbesserung der gesamten Rechtschreibleistung. (7.2.2) Qualitatives Rechtschreibregelwissen Das Wissen über die Wortbausteine ist bei allen Schülern gut gesichert, deren Anwendung bei der Durchgliederung von Wortstamm-Vorbaustein-Nachbaustein vereinzelt unsicher. Die Differenzierung kurzer und langer Selbstlaute sowie das Regelwissen hierzu sind bei allen Schülern gut automatisiert, ebenso ihre Anwendung nach verbaler Präsentation. Dagegen zeigen sich bei den Kenntnissen zur Schärfung und Dehnung größere Leistungsunterschiede: Regeln und Anwendung in diesen Bereichen sind nur bei einer Ausnahme völlig automatisiert. Einem Schüler gelingt die Umsetzung der Regeln gut, die Benennung dagegen bereitet Schwierigkeiten. Die Mehrzahl der Schüler hat die Merksätze gut gelernt, ihre Anwendung auf einzelne Rechtschreibbesonderheiten ist jedoch noch unsicher, insbesondere bei „tz / ck“ und zum s-Laut. Dementsprechend gelingt dem einzelnen Schüler die Anwendung der betreffenden Regeln im komplexen Diktat nur eingeschränkt, eine langfristige Übung an der Automatisierung ist indiziert. Leseleistung Die laute Leseleistung liegt bei der Hälfte der Schüler im Durchschnitt gegenüber der Klassennorm.

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Verbesserungen gibt es im Bereich des Wortlesens und der Lesegenauigkeit (weniger Fehler). Ein Schüler erhöht sein überdurchschnittlich hohes Leseniveau beim Vortest noch durch Verringerung der Fehleranzahl. Einzelne Schüler haben vor und nach dem Training ein sehr verlangsamtes Tempo beim lauten Textlesen. Der Nachtest zeigt allgemein eine Leistungssteigerung beim Leiselesen. Kein Schüler hat Schwierigkeiten beim Leseverständnis auf der Wort-, Satz- und Textebene. Niedrige Standardwerte bei einzelnen Schülern sind auf eine stark verlangsamte Lesezeit zurückzuführen. Fazit: Die Leseleistungen verbessern sich teilweise, ohne spezifisches Lesetraining. Ähnliche Ergebnisse zeigen auch die Evaluationsstudien zum Marburger Programm (7.2.2). Zusammenfassung und Procedere Alle Kinder in der Gruppe konnten ihre schriftsprachlichen Leistungen verbessern, die Bandbreite reicht von minimaler bis großer persönlicher Steigerung, wobei die meisten, gemessen an der aktuellen Schulform, im unterdurchschnittlichen Bereich bleiben. Nach der Förderkontrolle wurden die Ergebnisse und Übungsschwerpunkte mit Schülern und Eltern besprochen. Vor allem die Schüler mit einer schweren Lese-Rechtschreibstörung brauchen weiterhin systematische Unterstützung beim Schriftspracherwerb, eine völlige Automatisierung der Rechtschreibregeln ist hier nur in langsamen Schritten und durch weiterhin regelmäßiges Üben nach Beendigung des Trainings zu erreichen und zu erhalten.

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14 Dank Mein großer Dank gilt Mag. Martin Schöfl, der mir durch die Teilnahme an seinem Projekt viele wertvolle methodische und didaktisch-pädagogische Erfahrungen ermöglichte. Sein fachlich kompetenter und wertschätzender Umgang mit Kindern und Eltern verdient große Anerkennung. Das Engagement des Psychologen und Legasthenietherapeuten für eine effiziente Förderung von Kindern mit LSR drückt sich in seinem Projekt P.E.R.L.E. aus und in seiner Offenheit, Außenstehenden Einblick in seine Arbeit zu gewähren. Die motivierende Zusammenarbeit mit Martin Schöfl bei der Überarbeitung des Trainingsprogramms und seine großartige Unterstützung während meiner monatelangen Beschäftigung mit der schriftlichen Ausarbeitung haben wesentlich zum Gelingen beigetragen. Der rege Mail-Kontakt während der vergangenen neun Monate, der mittlerweile eine Mappe füllt, dokumentiert den Entstehungsprozess und unterstreicht mit dem stets prompten und hilfreichen Feedback, dass das Projekt P.E.R.L.E. dem Autor ein Herzensanliegen ist. Für die Zukunft wünsche ich ihm neben seinem beruflichen Engagement ausreichend Zeit für den kleinen Sohn Gabriel und seine Frau Barbara. Als Kinderpsychologin hat sie die Gruppe die ersten Monate einfühlsam begleitet. Ich bedanke mich sehr herzlich bei Frau Dr. Holzmüller, Kinderärztin, für den fruchtbaren Rat, hinsichtlich meines Interesses am Institut für Neurophysiologie anzufragen und für die spontane Bereitschaft, die Betreuung für meine Projektarbeit zu übernehmen. Die ermutigenden Worte und tatkräftige Unterstützung von Frau Dr. Holzmüller wirken, wie alle Augenblicke der Menschlichkeit, auch nach einem Abschluss weiter. Bedanken möchte ich mich bei allen Eltern, die mich am Rechtschreibtraining teilnehmen ließen und damit an ihren ganz persönlichen Erfahrungen während des Trainingsverlaufs. Peters erfreuliche Entwicklung in diesen Monaten so intensiv mitzuerleben sowie das Vertrauen, das er und seine Mutter mir entgegengebracht haben, empfinde ich als großes Geschenk. Durch die optimale Kooperation in der Rechtschreibförderung mit Elternanleitung während vieler Monate konnte das Einzeltraining so erfolgreich verlaufen. Bei meiner Familie bedanke ich mich für ihre Art der Unterstützung während der vergangenen Jahre, bei meinem Mann auch für Erklärungen in medizinischen Belangen und für seine Hilfe beim Layout und bei meinem Sohn dafür, dass er Peter die Scheu vor den phonologischen Übungen genommen hat. Ich danke meinem Sohn Manuel von ganzem Herzen, dass er seit 21 Jahren mein Leben und Lernen bereichert und mir durch vorbildliche Selbstdisziplin in seiner künstlerischen Ausbildung und sein zielorientiertes Lernen im Wirtschaftsstudium, mit seiner Fähigkeit zur Selbstmotivation, kreativen Umsetzung von Wissen sowie seinem Zeitmanagement die wichtigsten Qualitäten vorlebt, die den Alltag eines Lerncoach bestimmen sollten, damit er sie auch glaubwürdig vermitteln kann.

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15 Quellenverzeichnis

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