ovid - die lehren des pythagoras (lat-dtsch)

11

Click here to load reader

Upload: hscottarmstrong3302

Post on 08-Aug-2015

121 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Ovid - Die Lehren Des Pythagoras (Lat-Dtsch)

Hans Zimmermann : lapsit exillis (index) : Quellen zum Thema "Schöpfung" und zum Weltbild der Antike und des Mittelalters in neun Sprachen Materialien und Quellen für den Unterricht : Griechisch / Latein & Ethik / Weltreligionen / Philosophie

Publius Ovidius Naso : Metamorphosen XV, 259-478 : die Lehren des Pythagoras lat./dt. Übersetzung Erich Rösch

zurück zu Met XV, 60-259 : Übersetzung Johann Heinrich Voss links : index

Publius Ovidius Naso 

Metamorphôseôn liber XV, 259-478:

Die Lehren des Pythagoras (2) Übersetzung Erich Rösch   Vegetarismus : Goldenes Weltalter : dichterisch-religiöse Inspiration : unsterbliche Seele durch viele Reinkarnationen : panta rhei : Astronomie : Jahreszeiten : Lebensalter : Elemente : Geographie-Exempla : Wasser-Exempla : Aetna : Urzeugung, Insekten : Phoenix : Tier-Exempla : historische Exempla, Troia  

 nil equidem durare diu sub imagine eadem crediderim. sic ad ferrum venistis ab auro,                            260 saecula, sic totiens versa est fortuna locorum. vidi ego, quod fuerat quondam solidissima tellus, esse fretum, vidi factas ex aequore terras; et procul a pelago conchae iacuere marinae, et vetus inventa est in montibus ancora summis;                   265 quodque fuit campus, vallem decursus aquarum fecit, et eluvie mons est deductus in aequor, eque paludosa siccis humus aret harenis, quaeque sitim tulerant, stagnata paludibus ument. hic fontes natura novos emisit, at illic                                     270 clausit, et aut imis commota tremoribus orbis flumina prosiliunt, aut exsiccata residunt. sic ubi terreno Lycus est epotus hiatu, existit procul hinc alioque renascitur ore; sic modo conbibitur, tecto modo gurgite lapsus                     275 redditur Argolicis ingens Erasinus in arvis, et Mysum capitisque sui ripaeque prioris paenituisse ferunt, alia nunc ire Caicum; nec non Sicanias volvens Amenanus harenas nunc fluit, interdum suppressis fontibus aret.                        280 ante bibebatur, nunc, quas contingere nolis, fundit Anigrus aquas, postquam, nisi vatibus omnis eripienda fides, illic lavere bimembres vulnera, clavigeri quae fecerat Herculis arcus. quid? non et Scythicis Hypanis de montibus ortus,               285 qui fuerat dulcis, salibus vitiatur amaris?

Nichts, so möchte ich glauben, verharrt auf lange im gleichen Zustand. So seid ihr Zeiten vom Gold auf das Eisen gekommen. So hat oft sich Geschick und Stand eines Ortes gewandelt. Was da festestes Land vorzeiten gewesen, das hab' als Meer ich gesehn, gesehn, daß Land aus Wasser entstanden. Weit entfernt von der See sind Meeresmuscheln gelegen, hoch in den Bergen ward ein alter Anker gefunden. Was da Blachfeld war, hat zum Tale vertieft des Gewässers Abfluß, und dort ein Berg ward hinabgeschwemmt in die Fluten. Aus einem sumpfigen ward ein dürrer, sandiger Boden, was da gelitten an Durst, wird von Teichen und Sümpfen gefeuchtet. Hier hat Natur einen neuen Quell entfesselt, den andern

Page 2: Ovid - Die Lehren Des Pythagoras (Lat-Dtsch)

dort verschlossen, und Flüsse entspringen, geweckt durch des tiefsten Erdreichs Beben, und sinken, verschwindend, aufs neu in die Tiefe. So taucht Lycus, vom Klaffen der Erde getrunken, an fernem Orte empor und ersteht aus anderer Quelle aufs neu, so wird Erasinus, der mächtige Fluß, der, versickert, gedeckten Laufes geflossen, den Fluren von Argos wiedergegeben. Auch den Myser Caicus, so sagt man, hab' seines alten Hauptes und Bettes verdrossen, und heute fließt er in neuem. Und, der den Sand Siciliens wälzt, bald fließt Amenanus, bald wieder trocknet er aus, so oft seine Quellen erstickt sind. Trinkbar war er zuvor, jetzt führt der Anigrus ein Wasser, welches du ungern berührst, seitdem – wenn der Sänger Bericht nicht alles Vertraun zu entziehn – in ihm die Centauern die Wunden wuschen, die ihnen der Bogen des Keulenschwingers verursacht. Und, ist der Hypanis nicht, der entspringt in Scythiens Bergen, süß einst gewesen und jetzt durch bittere Salze verdorben?  

     'Fluctibus ambitae fuerant Antissa Pharosque et Phoenissa Tyros: quarum nunc insula nulla est. Leucada continuam veteres habuere coloni: nunc freta circueunt; Zancle quoque iuncta fuisse               290 dicitur Italiae, donec confinia pontus abstulit et media tellurem reppulit unda; si quaeras Helicen et Burin, Achaidas urbes, invenies sub aquis, et adhuc ostendere nautae inclinata solent cum moenibus oppida mersis.                       295 est prope Pittheam tumulus Troezena, sine ullis arduus arboribus, quondam planissima campi area, nunc tumulus; nam (res horrenda relatu) vis fera ventorum, caecis inclusa cavernis, exspirare aliqua cupiens luctataque frustra                          300 liberiore frui caelo, cum carcere rima nulla foret toto nec pervia flatibus esset, extentam tumefecit humum, ceu spiritus oris tendere vesicam solet aut derepta bicorni terga capro; tumor ille loci permansit et alti                        305 collis habet speciem longoque induruit aevo.

Rings vom Meere umschlossen sind Pharus. Antissa, phoenicisch Tyrus gewesen, von denen nicht eines Insel geblieben. Festlandverbunden bewohnten die alten Bebauer ihr Leucas, Meer umflutet es jetzt. Auch Zande sei mit Italien, sagt man, vereinigt gewesen, bis dann die See die Verbindung einriß und mitten zwischen die Länder die Woge sich drängte. Fragst du nach Helice, Buris, den Städten Achaias, - du wirst sie finden unter der See, und heute noch zeigen die Schiffer gern die geneigten Mauern der untergesunkenen Städte. Nah bei des Pittheus Troezen erhebt steilauf sich ein Hügel, gänzlich von Bäumen frei, Vorzeiten ebenstes Blachfeld, heute ein Berg. Denn dort – zu sagen ein Graun - hat der Winde wilde Gewalt, gesperrt in die finsteren Höhlen, einmal doch auszuatmen verlangend, nachdem sie vergeblich gerungen, freierer Luft sich zu freun, und als kein Spalt in dem ganzen Kerker sich fand, der Weg ihrem Wehen gewähre, - den Boden hochgedehnt und geschwellt, wie des Mundes Hauch eine Blase aufbläht oder die Haut, die vom Rücken gestreift des gehörnten Bockes. Die Schwellung blieb am Orte, sie zeigt sich als hoher Hügel und hat sich im Laufe der langen Zeiten verhärtet.  

Page 3: Ovid - Die Lehren Des Pythagoras (Lat-Dtsch)

  'Plurima cum subeant audita et cognita nobis, pauca super referam. quid? non et lympha figuras datque capitque novas? medio tua, corniger Ammon, unda die gelida est, ortuque obituque calescit,                      310 admotis Athamanas aquis accendere lignum narratur, minimos cum luna recessit in orbes. flumen habent Cicones, quod potum saxea reddit viscera, quod tactis inducit marmora rebus; Crathis et huic Subaris nostris conterminus oris                   315 electro similes faciunt auroque capillos;

Da noch viel mich gemahnt, was ich sah und hörte, so will ich Einiges mehr noch künden: Verleiht und erhält nicht auch manches Wasser neue Gestalt? So ist dein Quell, o gehörnter Ammon, am Mittag kalt und erwarmt am Morgen und Abend. Und der Dodoner entzündet sein Holz, indem seinem Quell er's nähert dann, wenn der Mond seinen Kreis aufs kleinste verengert. Aber der Thracer besitzt einen Fluß, der, getrunken, das Innre Stein läßt werden und, was ihn berührt, mit Marmor umkleidet. Crathis und Sybaris, der ihm benachbart an unseren Küsten, machen dem Bernstein gleich und dem Golde die Haare des Hauptes.  

quodque magis mirum est, sunt, qui non corpora tantum, verum animos etiam valeant mutare liquores: cui non audita est obscenae Salmacis undae Aethiopesque lacus? quos si quis faucibus hausit,                 320 aut furit aut patitur mirum gravitate soporem; Clitorio quicumque sitim de fonte levavit, vina fugit gaudetque meris abstemius undis, seu vis est in aqua calido contraria vino, sive, quod indigenae memorant, Amythaone natus,               325 Proetidas attonitas postquam per carmen et herbas eripuit furiis, purgamina mentis in illas misit aquas, odiumque meri permansit in undis. huic fluit effectu dispar Lyncestius amnis, quem quicumque parum moderato gutture traxit,                  330 haut aliter titubat, quam si mera vina bibisset. est locus Arcadiae, Pheneon dixere priores, ambiguis suspectus aquis, quas nocte timeto: nocte nocent potae, sine noxa luce bibuntur; sic alias aliasque lacus et flumina vires                                 335 concipiunt. tempusque fuit, quo navit in undis, nunc sedet Ortygie; timuit concursibus Argo undarum sparsas Symplegadas elisarum, quae nunc inmotae perstant ventisque resistunt.

Und, was noch mehr zu verwundern, es gibt auch Gewässer, die nicht den Leib nur, sondern sogar auch den Geist zu wandeln vermögen. Wer hat nicht schon gehört von der Salmacis geilem Gewoge und Aethiopiens Seen? Netzt einer aus diesen den Gaumen, rast er oder verfällt einem Schlaf von seltener Schwere. Wer da immer den Durst aus Clitors Quelle gestillt hat, flieht nun den Wein und freut sich, enthaltsam, des lauteren Wassers. Sei's: eine Kraft widerstrebt dem hitzigen Wein in dem Wasser, sei es, wie dort man erzählt, weil Melampus,der Sohn Amythaons, als er mit Kräutern und Liedern dem Wahnsinn entrissen des Proetus rasende Töchter, die Mittel, den Geist zu reinen, in dieses Wasser gesenkt und der Haß auf den Wein in den Wogen geblieben. Anders wirkend als er doch fließt der lyncestische Bergstrom:

Page 4: Ovid - Die Lehren Des Pythagoras (Lat-Dtsch)

denn, wer von diesem mit allzubegieriger Kehle geschlürft hat, schwankt nicht anders, als hätte von reinem Wein er getrunken. Und in Arcadien liegt ein See, den Pheneos einst die Alten benannt, von verdächtiger Flut. Ihn meide zur Nachtzeit: Schaden bringt er bei Nacht, man trinkt am Tag ihn gefahrlos. So empfangen die Flüsse und Seen bald diese bald jene Kräfte. Es gab eine Zeit, da schwamm es frei in den Wellen, heut sitzt Ortygia fest. Der Argo Scheu, die vom Schwall ver- drängten Wassers bespritzten zusammenprallenden Felsen: reglos stehn sie heut und starren den Winden entgegen.  

nec quae sulphureis ardet fornacibus Aetne,                        340 ignea semper erit, neque enim fuit ignea semper. nam sive est animal tellus et vivit habetque spiramenta locis flammam exhalantia multis, spirandi mutare vias, quotiensque movetur, has finire potest, illas aperire cavernas;                               345 sive leves imis venti cohibentur in antris saxaque cum saxis et habentem semina flammae materiam iactant, ea concipit ictibus ignem, antra relinquentur sedatis frigida ventis; sive bitumineae rapiunt incendia vires,                                 350 luteave exiguis ardescunt sulphura fumis, nempe, ubi terra cibos alimentaque pinguia flammae non dabit absumptis per longum viribus aevum, naturaeque suum nutrimen deerit edaci, non feret illa famem desertaque deseret ignis.                    355

Aetna, der feurige Berg mit der schwefeldampfenden Esse, wird nicht immer glühn und hat nicht immer geglüht: Denn – sei es: die Erde ist ein Wesen und lebt und hat Atem- röhren vielerorts und haucht daraus ihre Flammen, kann ihres Atems Wege verändern, sooft sie erbebt, hier schließen die eine und dort eine andere Höhlung sich öffnen – sei es: Die flüchtigen Winde sind drunten in Grotten gesperrt und schleudern Stein gegen Stein und Stoff, der im Innern des Feuers Keime enthält, und der sich unter den Schlägen entzündet, (kalt jedoch bleiben die Grotten zurück, wenn die Winde gestillt sind) sei es auch, daß des Erdpechs Gewalt den Brand zu sich herzieht, oder der gelbe Schwefel verbrennt mit spärlichem Rauche. Wenn dann die Erde den Flammen, nachdem ihre Kraft in der langen Zeit sich verbraucht, die Nahrung, die fettige Speise, versagt und so dem gefräßigen Wesen des Berges der Unterhalt ausgeht, trägt es den Hunger nicht und verläßt, verlassen, das Feuer.  

     'Esse viros fama est in Hyperborea Pallene, qui soleant levibus velari corpora plumis, cum Tritoniacam noviens subiere paludem; haut equidem credo: sparsae quoque membra venenis exercere artes Scythides memorantur easdem.                     360

Männer soll's in Pallene, dem hyperboreischen, geben, die sich mit leichtem Gefieder am ganzen Leibe verhüllen, wenn sie sich neunmal getaucht in die Flut des tritonischen Teiches. Glauben möcht' ich es nicht. Auch von Scythiens Frauen erzählt man, daß sie, die Glieder mit Gift besprengend, das Gleiche vermögen.  

Page 5: Ovid - Die Lehren Des Pythagoras (Lat-Dtsch)

 'Siqua fides rebus tamen est addenda probatis, nonne vides, quaecumque mora fluidove calore corpora tabuerint, in parva animalia verti? in scrobe deiecto mactatos obrue tauros (cognita res usu): de putri viscere passim                       365 florilegae nascuntur apes, quae more parentum rura colunt operique favent in spemque laborant. pressus humo bellator equus crabronis origo est; concava litoreo si demas bracchia cancro, cetera supponas terrae, de parte sepulta                       370 scorpius exibit caudaque minabitur unca; quaeque solent canis frondes intexere filis agrestes tineae (res observata colonis) ferali mutant cum papilione figuram.

Aber wenn Glauben doch erprobten Dingen zu schenken: Siehst du nicht, daß ein jeder im Laufe der Zeit in der feuchten Wärme verwesende Leib in kleines Getier sich verwandelt? Geh und bedecke in Gruben geschlachtete Stiere: es werden überall dann aus dem mürben Geweid – so lehrt die Erfahrung – blütenbesuchende Bienen entstehn, die nach Art ihrer Eltern lieben das Feld, ihres Werkes sich freun, sich mühn für die Zukunft. Unter den Boden gebracht, ist das Kriegsroß der Hornisse Ursprung. Nimmst du am Ufer dem Krebs die hohlen Scheren und birgst du dann in der Erde den Rest, so wird aus dem, was begraben, kriechen bald der Skorpion und dräun mit gebogenem Stachel. Draußen die Raupen im Feld, die die Blätter dort mit den grauen Fäden umspinnen – es wird von den Bauern bezeugt – sie vertauschen ihre Gestalt mit der des grabmalschmückenden Falters.  

     'Semina limus habet virides generantia ranas,                    375 et generat truncas pedibus, mox apta natando crura dat, utque eadem sint longis saltibus apta, posterior partes superat mensura priores. nec catulus, partu quem reddidit ursa recenti, sed male viva caro est; lambendo mater in artus                     380 fingit et in formam, quantam capit ipse, reducit. nonne vides, quos cera tegit sexangula fetus melliferarum apium sine membris corpora nasci et serosque pedes serasque adsumere pennas? Iunonis volucrem, quae cauda sidera portat,                           385 armigerumque Iovis Cythereiadasque columbas et genus omne avium mediis e partibus ovi, ni sciret fieri, fieri quis posse putaret? sunt qui, cum clauso putrefacta est spina sepulcro, mutari credant humanas angue medullas.                               390

Samen besitzt der Schlamm, der die grünen Frösche erzeugt, er zeugt sie der Glieder bar und gibt ihnen bald die zum Schwimmen taugenden Schenkel; und daß sie auch sich eignen zu weitem Sprung, übertreffen an Maß die hinteren Beine die vordern. Und, was die Bärin gebiert, ist, eben geworfen, kein Jungtier, sondern leblos Fleisch: durch Belecken bildet die Mutter Glieder an ihm und gibt ihm die Form, die sie selbst schon erworben. Siehst du nicht auch, daß die Brut der honigsaugenden Bienen, wie sie das wächserne Sechskant birgt, geboren wird ohne Glieder und spät erst Beine gewinnt und spät erst die Flügel? Daß der Vogel der Juno, der Sterne trägt in dem Schweif, daß Juppiters waffenbewehrter, die Tauben der Herrin Cytheras,

Page 6: Ovid - Die Lehren Des Pythagoras (Lat-Dtsch)

all der Vögel Geschlecht aus dem Dotter der Eier entsteht, wer hielte, wüßte er nicht, daß es wirklich geschieht, es für möglich? Manche glauben, es werde das Mark in dem menschlichen Rückgrat, wenn in geschlossenem Grab es in Staub sich gewandelt, zu Schlangen.  

 'Haec tamen ex aliis generis primordia ducunt, una est, quae reparet seque ipsa reseminet, ales: Assyrii Phoenica vocant; non fruge neque herbis, sed turis lacrimis et suco vivit amomi. haec ubi quinque suae conplevit saecula vitae,                 395 ilicis in ramis tremulaeque cacumine palmae unguibus et puro nidum sibi construit ore, quo simul ac casias et nardi lenis aristas quassaque cum fulva substravit cinnama murra, se super inponit finitque in odoribus aevum.                     400 inde ferunt, totidem qui vivere debeat annos, corpore de patrio parvum phoenica renasci; cum dedit huic aetas vires, onerique ferendo est, ponderibus nidi ramos levat arboris altae fertque pius cunasque suas patriumque sepulcrum           405 perque leves auras Hyperionis urbe potitus ante fores sacras Hyperionis aede reponit.

All die führen indes auf andre zurück ihren Ursprung. Einen Vogel gibt es, der selbst sich erzeugt und erneuert. Phoenix nennt der Assyrier ihn. Er lebt nicht von Frucht und Kräutern, sondern von Zähren des Weihrauchs, vom Saft des Amomum. Hat seines Lebens fünf Jahrhunderte dieser erfüllt, dann baut er sich selbst mit den Klaun und dem reinen Schnabel ein Nest im Eichengezweig oder auch im Wipfel der schwankenden Palme. Hat er Casia dort und die Ähren der schmiegsamen Narde, gelbliche Myrrhe dazu und gestoßenen Zimt unterbreitet, bettet er selbst sich darauf und endet in Düften sein Leben. Hier, so sagt man, entsteht aus dem Leibe des Vaters ein kleiner Phoenix, dem ebensoviel an Jahren zu leben bestimmt ist. Hat sein Alter dem die Kraft es zu tragen verliehen, löst er des hohen Baumes Gezweig von der Last seines Nestes, trägt seine Wiege – und das Grab seines Vaters – er fromm, und wenn durch die flüchtige Luft er die Stadt Hyperions erreicht hat, legt er am heiligen Tor des Sonnentempels es nieder.    

     'Si tamen est aliquid mirae novitatis in istis, alternare vices et, quae modo femina tergo passa marem est, nunc esse marem miremur hyaenam;                410 id quoque, quod ventis animal nutritur et aura, protinus adsimulat, tetigit quoscumque colores. victa racemifero lyncas dedit India Baccho: e quibus, ut memorant, quicquid vesica remisit, vertitur in lapides et congelat aere tacto.                                       415 sic et curalium quo primum contigit auras tempore, durescit: mollis fuit herba sub undis.

  Gibt es schon etwas zu staunen an diesen, so staunen wir vollends, daß die Hyäne, die eben als Weibchen vom Männchen bestiegen, selbst ein Männchen jetzt ist, ihr Geschlecht des öfteren wechselt. Dann: das Tier, das sich nur von der Luft ernährt und den Winden, gleicht seine Farbe an die stets an, die es eben berührt hat.

Page 7: Ovid - Die Lehren Des Pythagoras (Lat-Dtsch)

Indien hat, das besiegte, dem rebenumwundenen Gott die Luchse gegeben, von denen erzählt wird, es werde, was ihren Blasen entfiossen, zu Stein und gerinne, sobald es die Luft rührt. So wird auch die Koralle, sogleich wenn die Luft sie getroffen, hart, und war doch zuvor ein zartes Kraut unter Wasser.  

     'Desinet ante dies et in alto Phoebus anhelos aequore tinguet equos, quam consequar omnia verbis in species translata novas: sic tempora verti                        420 cernimus atque illas adsumere robora gentes, concidere has; sic magna fuit censuque virisque perque decem potuit tantum dare sanguinis annos, nunc humilis veteres tantummodo Troia ruinas et pro divitiis tumulos ostendit avorum.                                425 clara fuit Sparte, magnae viguere Mycenae, nec non et Cecropis, nec non Amphionis arces. vile solum Sparte est, altae cecidere Mycenae, Oedipodioniae quid sunt, nisi nomina, Thebae? quid Pandioniae restant, nisi nomen, Athenae?                   430 nunc quoque Dardaniam fama est consurgere Romam, Appenninigenae quae proxima Thybridis undis mole sub ingenti rerum fundamina ponit: haec igitur formam crescendo mutat et olim inmensi caput orbis erit! sic dicere vates                            435 faticinasque ferunt sortes, quantumque recordor, dixerat Aeneae, cum res Troiana labaret: Priamides Helenus flenti dubioque salutis "nate dea, si nota satis praesagia nostrae mentis habes, non tota cadet te sospite Troia!                   440 flamma tibi ferrumque dabunt iter: ibis et una Pergama rapta feres, donec Troiaeque tibique externum patria contingat amicius arvum, urbem et iam cerno Phrygios debere nepotes, quanta nec est nec erit nec visa prioribus annis.               445 hanc alii proceres per saecula longa potentem, sed dominam rerum de sanguine natus Iuli efficiet, quo cum tellus erit usa, fruentur aetheriae sedes, caelumque erit exitus illi." haec Helenum cecinisse penatigero Aeneae                     450 mente memor refero cognataque moenia laetor crescere et utiliter Phrygibus vicisse Pelasgos.

  Eher endet der Tag und netzt seine keuchenden Rosse Phoebus im tiefen Meer, als mit Worten ich all die Gestalten, die sich verwandeln, erreicht. So sehn wir die Zeiten sich wenden, Kräfte gewinnen hier ein Volk, dort stürzen ein andres. So ist Troia groß an Schätzen und Männern gewesen, konnte zehn Jahre hindurch soviel des Blutes verströmen, jetzt ist es klein und zeigt nur noch seine alten Ruinen und an der Reichtümer Statt nur noch die Gräber der Ahnen. Herrlich ist Sparta und mächtig das große Mycenae gewesen, ebenso herrlich die Burg des Cecrops und die des Amphion. – Feiler Boden ist Sparta, gestürzt das hohe Mycenae. Außer dem Namen, was ist das Theben des Oedipus heute, was von Pandions Athen geblieben außer dem Namen? Jetzt, so erzählt man, erhebt sich das troische Rom, das zunächst den Wogen des Tiberis, des appenninus-geborenen Flusses, unter gewaltiger Last und Müh seiner Herrschaft Grund legt. Wachsend also wandelt sich dies, wird einstens des Erdrunds Haupt, des unermeßlichen, sein. So sollen die Seher

Page 8: Ovid - Die Lehren Des Pythagoras (Lat-Dtsch)

sagen und schicksalkündender Spruch. Wie ich selbst mich erinnre, hat, als Troias Glück schon wankte, des Priamus Sohn, hat Helenus einst zu Aeneas gesagt, der weinend am Heile zweifelte: "Sohn einer Göttin, behältst du im Sinn meines Geistes Wahrspruch, wird Troia, wenn du nur heil, nicht gänzlich zugrundgehn. Durchlaß werden dir Feuer und Eisen gewähren, wirst gehn und Pergamon nehmen mit dir, bis ihm und dir in der Ferne glückt, zu finden die Flur, die euch freundlicher ist als die Heimat. Phrygiens Enkel seh' eine Stadt der Erde ich schulden, groß, wie keine sonst ist, noch sein wird, noch früher gesehn ward. Andre Gewaltige werden im Laufe der Zeiten sie mächtig machen, zur Herrin der Welt jedoch der Sproß aus Iulus' Blut. Hat dessen die Erde genossen, werden des Äthers Sitze seiner sich freun; zum Himmel führt ihn sein Ausgang." So – ich erinnere mich – hat Helenus einst dem Penaten- träger Aeneas gesagt; und ich freu' mich, die heimischen Mauern wachsen zu sehn, daß der Grieche den Phrygern zum Frommen gesiegt hat.    

     'Ne tamen oblitis ad metam tendere longe exspatiemur equis, caelum et quodcumque sub illo est, inmutat formas, tellusque et quicquid in illa est.                    455 nos quoque, pars mundi, quoniam non corpora solum, verum etiam volucres animae sumus, inque ferinas possumus ire domos pecudumque in pectora condi, corpora, quae possint animas habuisse parentum aut fratrum aut aliquo iunctorum foedere nobis                    460 aut hominum certe, tuta esse et honesta sinamus neve Thyesteis cumulemus viscera mensis! quam male consuescit, quem se parat ille cruori inpius humano, vituli qui guttura ferro rumpit et inmotas praebet mugitibus aures,                          465 aut qui vagitus similes puerilibus haedum edentem iugulare potest aut alite vesci, cui dedit ipse cibos! quantum est, quod desit in istis ad plenum facinus? quo transitus inde paratur? bos aret aut mortem senioribus inputet annis,                      470 horriferum contra borean ovis arma ministret, ubera dent saturae manibus pressanda capellae! retia cum pedicis laqueosque artesque dolosas tollite! nec volucrem viscata fallite virga nec formidatis cervos includite pinnis                                   475 nec celate cibis uncos fallacibus hamos; perdite siqua nocent, verum haec quoque perdite tantum: ora cruore vacent alimentaque mitia carpant!'

  Doch, daß auf Pferden wir nicht, die des Zieles vergessend enteilen, weit aus der Bahn uns verlieren: Der Himmel und unter ihm alles, so auch die Erde und alles auf ihr, sie wandeln sich ständig. Wir auch, ein Teil des Alls, wir können, da wir nicht Leib nur, sondern geflügelte Seelen auch sind, unsre Wohnung in wilden Tieren finden oder im Leib von zahmen uns bergen, Leiber, welche die Seelen vielleicht unsrer Eltern und Brüder, eines, den sonst ein Band uns geeint hat, beherbergt, gewiß doch die eines Menschen, die wollen in Ruhe und Ehren wir lassen, nicht mit thyestischem Mahl die Eingeweide uns füllen. O, wie gewöhnt er sich schlimm, wie bereitet er ruchlos auf Mord an Menschen sich vor, der die Kehle des Kalbes durchschlägt mit dem Messer, rührungslos das Ohr seinem Brüllen bietet, und der auch, der es vermag den Bock zu stechen, wenn seinen Schrei, der

Page 9: Ovid - Die Lehren Des Pythagoras (Lat-Dtsch)

dem eines Knaben gleicht, er ausstößt, vom Vogel zu essen, dem er selbst das Futter gereicht. Wieviel ist's, was da fehlt zum vollen Verbrechen, wohin wird so die Bahn nicht bereitet? Pflüge das Rind! Doch schreibe sein Sterben den Jahren es zu, es liefere Waffen das Schaf, zu wehren dem grimmigen Nordwind, lasse die satte Ziege ihr Euter den pressenden Händen. –  Fort die Netze, die Fallen, die Schlingen, die Listen und Tücken! Täuscht den Vogel nicht mit der leimbestrichenen Rute, schließt den Hirsch nicht ein in die schreckenflitternden Federn und verbergt nicht den Haken der Angel in trügender Speise. Tötet, die schaden etwa, doch diese tötet auch nur, bleib ferne davon euer Mund und genieße sanftere Nahrung!"  

weitere Quellen zum "Phönix"-Motiv:   Der ? ? ???? (Phoinix) im ? ? ? ??????? (Physiologus), griech./ dt.

siehe auch: Einhorn und  L öwe im Physiologus Herodot (Hist.) über den ägyptischen Banu=Phoinix, griech./ dt. Plinius: Naturalis historia 10,2, lat./ dt. Tacitus Annales 6,28, lat./ dt. Pomponius Mela 3,83, lat./ dt. Isidor von Sevilla, Etymologiae 12,7, lat./ dt.

Rgveda 10,81: Das Selbstopfer des Vishvakarman (All-Tat) in geflügelter Gestalt , skrt./ dt.

Johannesevangelium 10,17 f, griech./ lat./ dt.: ???????????? ????????????????????? ???????????????????????????????????

Die Phönix-Verwandlung des "kleinen Sohns" im Machandelboom-Märchen

Die Phönix-Wandlungen des "Vogels" in der Chymischen Hochzeit Christiani Rosencreutz

Wolfram von Eschenbach, Parzival IX (Trevrizentbuch) 471 ff über den Phönix (fênis), mhd./ dt.

rechts: Raffaelo Santi: Philosophenschule von Athen (mit Erläuterungen)                         Pythagoras   links:   lapsit exillis (index) * hanumans (index) * hen kai pan (index):

(griech./lat. Quellen):             Philosophieseiten: Parmenides, DK 28 B 8 (Hauptfragment) griech./ deutsch Platon: Sonnengleichnis, Linien-Analogie und Höhlengleichnis         – Politeia 506 a bis 519 d – griech./ deutsch Platon/ Chalcidius: Timaios/ Timaeus 27d-34b griech./ lat./ deutsch Aristoteles: Metaphysik ? ?(Buch 12): ??????????????????? ? ????????????das unbewegte Bewegende         ?????????????????????????das Sich-Erkennen des Erkennens M. Tullius Cicero: Somnium Scipionis lat./ deutsch         Platon: Unsterblichkeitsbeweis aus dem Phaidros (übers. Cicero)   Vergil: 4. Ekloge - Geburt des neuen Weltenjahrs

Philipp Otto Runge : Die Zeiten : Der Morgen S.T. Coleridge: Kubla Khan (engl./ dt.)

Page 10: Ovid - Die Lehren Des Pythagoras (Lat-Dtsch)

6. Ekloge - Silen singt die Welt; Silen-Mosaik Aeneis 6,703 ff - Anchises' Lehren über Weltbau und Reinkarnation

Sibylle von Cumae (Michelangelo, Sixtinische Kapelle) Ovid, Metamorphoses 1,1-88

Metamorphoses 15: Die Lehren des Pythagoras; der Phönix Fasti 5,183 ff - Chloris/Flora & Zephyr

- siehe Botticelli: Primavera Horaz, carmina : Christian Morgenstern : Horatius travestitus

Eduard Mörike: Horaz, Ode 1,9   Melodien zur Metrik bei Horaz und Hölderlin:

Hexameter und Distichon, sapphische, alkäische und asklepiadeische Strophen

12 hexametrische Hexameterregeln   Einhorn und Löwe im Physiologus   Prolog des Johannesevangeliums Boethius: De institutione musica: Sph ärenharmonie als musica mundana (Weltenmusik)

      De hebdomadibus : über die Teilhabe der Seienden am göttlichen "esse" (zu SEIN)  

liber de causis - ein Auszug aus der Stoicheiosis Theologike des Proklos -         im 12. Jahrhundert aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt,         elementares philosophisches Lehrbuch der Hochscholastik (13. Jhd.)                     - lateinische Fassung                     - arabisch-deutsche Fassung (Bardenhewer)                     - Liste der 31 Thesen (lat.) und deutsche Fassung   Thomas von Aquin:

Summa Theol. prima pars qu.2: IST Gott? Fünf Gottesbeweise (lat., dt.):

movens ipse amotum, efficiens primum, ESSE necessarium, perfectio, causa intelligens Absolute Bewegungsursache, erste Verwirklichung, notwendiges SEIN, Vollkommenheit, Intelligenz

  siehe auch: Ethik: Weltreligionen - religionskundliches Wissen, Zugang zu religiösen Fragen         Philosophie - Zugang zu philosophischen Fragen

 

   

dom./ index / lapsitexillis Rundbriefe / Griech.-Latein Genesis / Schatzh öhle Sanskrit / Rgveda

Zwiebelgold / Rheingold Homer: Odyss./ Dionysos Psalmen / Hiob / Weisheit Chândogya-Upanishad

philos.Lyrik / Mandala Hesiod: Venus / Nietzsche Mt.-/ Mk.-/ Lk.-/ Joh.-Evang. Bhagavad-Gîtâ / Yoga

Page 11: Ovid - Die Lehren Des Pythagoras (Lat-Dtsch)

~ ~ ~ Rundbrief - Anmeldung * die bisherigen Rundbriefe

emaille?! an den Autor, Übersetzer und Herausgeber (Hans Zimmermann) ~ ~ ~

Hans Zimmermann : lapsit exillis (index) : Quellen zum Thema "Schöpfung" und zum Weltbild der Antike und des Mittelalters in neun Sprachen Materialien und Quellen für den Unterricht : Griechisch / Latein & Ethik / Weltreligionen / Philosophie

Publius Ovidius Naso : Metamorphosen XV, 259-478 : die Lehren des Pythagoras lat./dt. ~ ~ ~

zurück        Seitenanfang

Aquarelle / Musikstücke Raffael: Philosophen Qumran / Apokal./ dies irae Buddha / Lao-tse: Tao Was ist Musik? / Licht? Parmenides / Pythagoras Perlenlied / Senfkorn al-Qur'ân / liber de causis

Geist? / Sprache? / Zeit? Platon: Timaios / Menon Boethius / Thomas Aqu. Cordoba / Alhambra / Gaudi Weltreligionen / Philos. Aristoteles: Metaphysik ? Gervasius: otia / Honorius Parzival / Parsifal: Gral

Sphären / Somn.Scipion. Vergil: 4.Ekl./ Ovid: Flora J. Böhme: Morgenröte mittelalterl. Weltkarten Novalis / Schelling Botticelli / Dame & Einhorn Chymische Hochzeit Isenheimer Altar / Chartres

R.Steiner: Theosophie Phönix / Machandelboom Runge: Morgen / Xanadu Mosaiken Africa Ravenna