okzipitozervikale fusion bei rheumatoider arthritis

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Zum Thema: Kyphosen | Der Orthopäde 12•2001 932 Zusammenfassung Inhalt der Arbeit ist die Beschreibung eines Falles spontaner okzipitozervikaler Fusion. Ein Auftreten von Versteifungen des kranio- zervikalen Übergangs im Rahmen entzünd- lich rheumatischer Veränderungen der Hals- wirbelsäule (HWS) wird auch bei seropositiver Erkrankung des Erwachsenen für möglich gehalten. Die Folge ist ein Dens axis, dessen myelokompressiver Effekt bei Flexion nicht weiter zunimmt. Schlüsselwörter Okzipitozervikale Fusion · Rheumatoide Arthritis Vielfältige Formstörungen des kranio- zervikalen Übergangs sind bekannt, de- ren Beschreibung entweder auf anthro- pologischen Untersuchungen von Sekti- onsgut [9] oder bildgebenden Verfahren basiert [3, 4, 5, 7, 8, 10, 11]. Formstörungen des Os occipitale sind die Bildung einer akzessorischen Hinterhauptkondyle,ein akzessorischer okzipitaler Wirbel, die basiläre Impressi- on und die kondyläre Hypoplasie. Form- störungen der oberen Halswirbel um- fassen – topographisch von kranial nach kaudal – eine Atlasassimilation, Atlas- bogenhypoplasie,Atlasringstenose, Spi- na bifida des Atlas, Diskontinuität des Dens axis, Asymmetrie der Artikulatio- nen von Atlas und Axis, atlantoaxiale Fusion und eine Blockwirbelbildung C2/C3 [10, 11, 15]. Nicht immer ist die Ursache einer Anomalie des okzipitozervikalen Über- gangs aus seiner Morphe oder der Ver- gesellschaftung mit begleitenden Ver- änderungen benachbarter Strukturen zweifelsfrei festzustellen.Wenn Segmen- tation oder Formation im Rahmen der embryologischen Entwicklung von der Norm abweichen, ist die regelrechte An- lage des Übergangs von Hinterhaupt und oberer Halswirbelsäule (HWS) be- einträchtigt. Bleibt entweder die regel- hafte Verschmelzung der okzipitalen Sklerotome aus oder entwickeln sich die Bögen des 1. Halswirbels nicht getrennt von den benachbarten okzipitalen Skle- rotomen, so können in ersterem Fall ein akzessorischer okzipitaler Halswirbel, bei letzterer Entwicklung eine okzipito- zervikale Fusion entstehen [11, 15]. Diese häufigeren kongenitalen Veränderungen müssen von seltenen Ursachen einer okzipitozervikalen Störung – etwa post- traumatisch, tumorös, bakteriell oder abakteriell entzündlich – abgegrenzt werden. Eine Fusion von Okziput und Atlas als Folge einer seropositiven entzündli- chen Systemerkrankung wäre unge- wöhnlich [6]. Viel warscheinlicher als die Einsteifung des kraniozervikalen Übergangs sind – insbesondere bei seropositiver rheumatischer Erkran- kung – eine transversale und vertikale Instabilität als Folge einer Arrosion der gelenkbildenden Knochen und Bän- der durch den entzündlichen Pannus [1, 6, 13]. Inhalt der Arbeit ist die Beschrei- bung eines Falles spontaner okzipitozer- vikaler Fusion. Ziel der Falldiskussion ist das Abwägen einer kongenitalen oder rheumatischen Ursache der Versteifung von Hinterhaupt und obersten Hals- wirbeln. Kasuistik Eine 76-jährige Patientin mit schwerem Verlauf einer seit 25 Jahren bestehenden seropositiven rheumatoiden Arthritis (RA) wird mit Tetraparesen stationär aufgenommen; 4 Monate zuvor habe sie erstmals eine strumpfförmige Sensibili- tätsstörung am rechten Bein größer Zum Thema: Kyphosen Orthopäde 2001 · 30:932-936 © Springer-Verlag 2001 M. Rittmeister · T. Böhme · J. Richolt · F. Kerschbaumer Abteilung für Rheumaorthopädie, Orthopädische Universitätsklinik Frankfurt/M. Okzipitozervikale Fusion bei rheumatoider Arthritis Priv.-Doz. Dr. Markus Rittmeister Abteilung für Rheumaorthopädie, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Marienburgstraße 2, 60528 Frankfurt/M.

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Page 1: Okzipitozervikale Fusion bei rheumatoider Arthritis

Zum Thema: Kyphosen

| Der Orthopäde 12•2001932

Zusammenfassung

Inhalt der Arbeit ist die Beschreibung eines

Falles spontaner okzipitozervikaler Fusion.

Ein Auftreten von Versteifungen des kranio-

zervikalen Übergangs im Rahmen entzünd-

lich rheumatischer Veränderungen der Hals-

wirbelsäule (HWS) wird auch bei seropositiver

Erkrankung des Erwachsenen für möglich

gehalten. Die Folge ist ein Dens axis, dessen

myelokompressiver Effekt bei Flexion nicht

weiter zunimmt.

Schlüsselwörter

Okzipitozervikale Fusion ·

Rheumatoide Arthritis

Vielfältige Formstörungen des kranio-zervikalen Übergangs sind bekannt, de-ren Beschreibung entweder auf anthro-pologischen Untersuchungen von Sekti-onsgut [9] oder bildgebenden Verfahrenbasiert [3, 4, 5, 7, 8, 10, 11].

Formstörungen des Os occipitalesind die Bildung einer akzessorischenHinterhauptkondyle, ein akzessorischerokzipitaler Wirbel,die basiläre Impressi-on und die kondyläre Hypoplasie.Form-störungen der oberen Halswirbel um-fassen – topographisch von kranial nachkaudal – eine Atlasassimilation, Atlas-bogenhypoplasie,Atlasringstenose, Spi-na bifida des Atlas, Diskontinuität desDens axis, Asymmetrie der Artikulatio-nen von Atlas und Axis, atlantoaxialeFusion und eine BlockwirbelbildungC2/C3 [10, 11, 15].

Nicht immer ist die Ursache einerAnomalie des okzipitozervikalen Über-gangs aus seiner Morphe oder der Ver-gesellschaftung mit begleitenden Ver-änderungen benachbarter Strukturenzweifelsfrei festzustellen.Wenn Segmen-tation oder Formation im Rahmen derembryologischen Entwicklung von derNorm abweichen, ist die regelrechte An-lage des Übergangs von Hinterhauptund oberer Halswirbelsäule (HWS) be-einträchtigt. Bleibt entweder die regel-hafte Verschmelzung der okzipitalenSklerotome aus oder entwickeln sich dieBögen des 1. Halswirbels nicht getrenntvon den benachbarten okzipitalen Skle-rotomen, so können in ersterem Fall einakzessorischer okzipitaler Halswirbel,bei letzterer Entwicklung eine okzipito-zervikale Fusion entstehen [11, 15]. Diese

häufigeren kongenitalen Veränderungenmüssen von seltenen Ursachen einerokzipitozervikalen Störung – etwa post-traumatisch, tumorös, bakteriell oderabakteriell entzündlich – abgegrenztwerden.

Eine Fusion von Okziput und Atlasals Folge einer seropositiven entzündli-chen Systemerkrankung wäre unge-wöhnlich [6]. Viel warscheinlicher alsdie Einsteifung des kraniozervikalenÜbergangs sind – insbesondere beiseropositiver rheumatischer Erkran-kung – eine transversale und vertikaleInstabilität als Folge einer Arrosionder gelenkbildenden Knochen und Bän-der durch den entzündlichen Pannus[1, 6, 13].

Inhalt der Arbeit ist die Beschrei-bung eines Falles spontaner okzipitozer-vikaler Fusion. Ziel der Falldiskussionist das Abwägen einer kongenitalen oderrheumatischen Ursache der Versteifungvon Hinterhaupt und obersten Hals-wirbeln.

Kasuistik

Eine 76-jährige Patientin mit schweremVerlauf einer seit 25 Jahren bestehendenseropositiven rheumatoiden Arthritis(RA) wird mit Tetraparesen stationäraufgenommen; 4 Monate zuvor habe sieerstmals eine strumpfförmige Sensibili-tätsstörung am rechten Bein größer

Zum Thema: KyphosenOrthopäde2001 · 30:932-936 © Springer-Verlag 2001

M. Rittmeister · T. Böhme · J. Richolt · F. KerschbaumerAbteilung für Rheumaorthopädie, Orthopädische Universitätsklinik Frankfurt/M.

Okzipitozervikale Fusionbei rheumatoider Arthritis

Priv.-Doz. Dr. Markus RittmeisterAbteilung für Rheumaorthopädie,

Johann Wolfgang Goethe-Universität,

Marienburgstraße 2, 60528 Frankfurt/M.

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Der Orthopäde 12•2001 | 933

M. Rittmeister · T. Böhme · J. RicholtF. Kerschbaumer

Occipitocervical fusion in rheumatoidarthritis

Abstract

A case of spontaneous occipitocervical fusion

is discussed.The authors believe that fusion

at the occipitocervical junction will occasion-

ally occur in rheumatoid arthritis in the adult

population. As a result of fusion, the dens

axis is unable to exert compression on the

spinal cord with increased neck flexion.

Keywords

Occipitocervical fusion · Rheumatoid arthritis

rechten Arm größer linken Arm undBein bemerkt. Die Sensibilitätsstörunghabe zugenommen, ein Schweregefühlin Arm und Bein der rechten Körper-hälfte mit der Unfähigkeit die Hand zumMund zu führen sei dazugekommen, ei-ne Fallneigung nach rechts wegen Bein-schwäche habe sich eingestellt. Zuvor seidie Patientin nach beidseitigem Hüft-und Knie-TEP-Ersatz über Jahre freigehfähig gewesen. Über einen Zeitraumvon 6 Wochen habe Sie vor 12 Jahrenstärkste Nacken- und Hinterhaupt-schmerzen gehabt, die nach dieser Zeitrestlos verschwunden und nie wiederaufgetreten seien.Allerdings sei seit die-ser Zeit der Geradeausblick erschwertund die Kopfdrehung zunehmend ein-geschränkt.

Die Rotation des Kopfes war auf10–0–10°, der Kinn-Jugulum-Abstandbei maximaler Flexion/Extension auf8/10 cm reduziert. Der HAQ [2], als Aus-druck der selbstständigen Bewältigungvon Alltagsaufgaben, betrug 2,6 (0=gutbis 3=schlecht); der RADAI [14], als Aus-druck des momentanen Arthritisgelenk-schmerzes, lag bei 0,34 (0=gut bis 1=schlecht).

Die neurologische Symptomatikdeutete auf eine Kompression der lan-gen Bahnen hin. Es fanden sich rechts-betonte Paresen Kraftgrad 2–4, Hyper-reflexie, positiver Babinski rechtsseitig,jedoch fehlten Klonus und Spastik. CT-und Nativröntgenaufnahmen (Abb. 1, 2,3) zeigten eine basiläre Impression,atlantodentale Fusion ebenso wie eineDensfusion mit dem Okziput, einenhochstehenden Dens über der McRae-Linie [10],einen normalen vorderen undeinen verringerten hinteren atlantoden-talen Abstand. Es lag eine hochgradigeOsteochondrose mit nahezu aufgehobe-nen Bandscheibenräumen in den Bewe-gungssegmenten C2/C3>C3/C4 vor.

Kernspintomographisch war einerelative Stenose (11 mm) C0/C2 ohneAufbrauch des vorderen Reserveraumsoder Signalveränderungen des Halsmar-kes zu sehen. In Höhe C3/C4 bestand ei-ne sanduhrförmige Einschnürung auseinem Konglomerat von Pannus undDiskus mit segmentalen Signalverände-rungen des Halsmarkes im Sinne derzervikalen Myelopathie.

Eine ventrodorsale Dekompressionund Fusion des Segments C3/C4 wurdezweizeitig durchgeführt. Acht Wochenpostoperativ ist die neurologische Sym-

ptomatik rückläufig. Die gebesserte Mo-torik erlaubt ein Gehen mit Hilfsmittelebenso wie das selbstständige Essen.DieSensibilitätstörung persistiert unverän-dert. Eine operative Revision des okzipi-tozervikalen Übergangs ist nicht vorge-sehen.

Diskussion

Aufgabe ist es, eine primäre von einersekundären okzipitozervikalen Fusionzu differenzieren. Das zufällige Neben-einander von kongenitaler okzipitozer-vikaler Übergangsstörung und RA oderaber die rheumatisch bedingte okzipi-toatlantodentale Fusion zweifelsfrei zubestimmen, scheint im vorliegendenSachverhalt nur bedingt möglich. Da ei-ne kongenitale Versteifung des kranio-zervikalen Übergangs das weniger sel-tene Ereignis darstellt, gilt es die ange-borene Ursache der Störung zu bewei-sen. Die rheumatische Ursache derokzipitozervikalen Fusion ist – wennüberhaupt – eine Rarität und mit demdamit einhergehenden Mangel an be-schriebenen charakteristischen Merk-malen die Ausschlussdiagnose.

Charakteristika kongenitaler okzi-pitozervikaler Fehlbildungen:

◗ Die Wahrscheinlichkeit eines Auftre-tens klinischer Symptome als Folgeeiner okzipitozervikalen Fusionhängt vornehmlich von dem Ausmaßab, in welchem Hirnstamm undRückenmark durch die knöcherneAnomalie beengt sind [11, 15]. Annä-hernd 50% der Fälle kongenitalerÜbergangsstörungen verbleibenasymptomatisch [6, 8]. Nicht seltenerfolgt eine Erstdiagnose okzipito-zervikaler Defektbildung unerwartetim Rahmen einer radiologischenUntersuchung zum Ausschluss einerknöchernen Verletzung nach Unfällen[1, 5, 8, 11]. Ebenso kann ein Traumaerste Symptome einer knöchern fehl-gebildeten aber bis dahin asympto-matischen HWS triggern [8, 11].Formanomalien des kraniozervikalenÜbergangs können sich posttrauma-tisch durch sekundäre Störungen wieHirndrucksteigerung, Hydrozephalusbei Aquäduktstenose, Irritationkaudaler Hirnnerven oder zervikalerWurzeln äußern.

◗ Kongenitale Anomalien des okzipito-zervikalen Übergangs werden zu-

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meist im frühen Erwachsenenaltersymptomatisch [3, 10, 11, 15]. Ein erstesAuftreten von Symptomen wurdezwischen dem 8. und 49. Lebensjahran 25 Fällen okzipitozervikaler Ver-steifung beobachtet [10].

◗ McRae u. Barnum [10] beobachteten,dass sich bestimmte röntgenmor-phologische Befunde bei kongenita-ler okzipitozervikaler Fusion wieder-holen. In allen Fällen wurde eineknöcherne Brücke unterschiedlicherDicke zwischen Vorderrand desForamen magnum und vorderemAtlasbogen beobachtet. In 50% derkongenitalen Übergangsstörungenwar wenigstens ein Processus trans-versus atlantis mit dem Okziputversteift. In 17 der 25 HWS waren der2. und 3. Halswirbel komplett ver-schmolzen und zumeist war keinrudimentäres Bandscheibenfachsichtbar. Eine vergrößerte vordere at-lantodentale Distanz wurde bei 60%der Fälle kongenitaler Atlasassimila-

tion gefunden, die zu 2/3 mit neuro-logischen Symptomen einherging.Weniger häufig (in etwa 20%) wardie okzipitozervikale Fusion mitanderen Fehlbildungen wie einergrößeren Zahl thorakaler und lumba-ler Wirbel, Halsrippen, thorakalemHalbwirbel oder Gaumenspalte ver-gesellschaftet [10].

◗ Ein physiologisches Foramen occipi-tale magnum ist annähernd rund miteinem Durchmesser von 28–32 mm[12]. Ein unregelmäßig, trianguläroder oval geformtes und im Durch-messer häufig verkleinertes Foramenoccipitale magnum ist Hinweis einerkongenitalen Ursache einer okzipito-zervikalen Synostose [10, 11].

◗ Eine basiläre Impression [3, 10], d. h.eine Deformität der Schädelbasis mitVorwölbung von Anteilen des Osoccipitale und des Atlas in das Fora-men magnum, ist nicht gleichzusetzenmit einer kongenitalen Störung [10].Die Schädelbasis senkt sich in Rich-

tung der oberen Halswirbel. Die Ebe-ne des Foramen occipitale magnumwird nach cranial verlagert. In derFolge wird die hintere Schädelgrubeeingeengt [6]. Ursächlich für dieDeformität der Schädelbasis könnenneben kongenitalem Defekt aucheine sog. sekundäre basiläre Impres-sionen bei Erweichung der Schädel-basis durch Osteomalazie, MorbusPaget, RA oder Osteogenesis imper-fecta sein [1, 15]. Eine primäre, d. h.kongenitale Ursache der basilärenImpression ist bei gleichzeitigemVorhandensein anderer Wirbelver-änderungen wie Atlashypoplasie,Dysraphien, Densanomalien, Block-wirbelbildungen und Atlasassimila-tion (Klippel-Feil-Syndrom) oderdysraphischen Störungen des ZNS(Arnold-Chiari-Syndrom) anzuneh-men [15].

◗ Die aus dem Mesoderm gebildeteembryonale Rückensaite (Chordadorsalis) entwickelt sich zur Wirbel-säule. Parallel zur Chorda dorsalisentwickelt sich aus dem Ektodermdas Neuralrohr. Liegen neben Stö-rungen der Wirbelsäule auch Defektedes Neuralrohrs, d. h. vom Ektodermabstammender neuraler Strukturenvor, ist eine embryonale Entwick-lungsstörung als Ursache sehr war-scheinlich.

Abb. 1 � a, b Sagittale mediane und paramediane CT-Rekonstruktion des okzipitozervikalen Über-gangs. Eine Fusion des vorderen Atlasbogen und Dens axis mit der Pars basilaris des Os occipitale istauf den im Abstand von 3 mm angelegten Rekonstruktionen sichtbar. Die dem Cerebrum zugewandteSeite des Clivus hat die konkave Form zugunsten einer geraden Ausrichtung verlassen, üblicherweiseeine Folge basilärer Impression [3, 10]. Der Durchmesser des Foramen magnum misst 28 mm.Die Spitze des Dens axis liegt deutlich oberhalb der das Foramen magnum definierenden McRae-Linie [10]. Die Distanz zwischen Dens axis und fusioniertem vorderen Atlasbogen beträgt 1 mm,jene Distanz zwischen Rückfläche des Dens und hinterem Atlasbogen 11 mm

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Abb.2 � a,b Axiales CT des Atlas in 4 mm Schichtabstand. Der knöcherne Ring des Atlas ist geschlossenund ohne Hinweis auf kongenitale Formstörung. Das atlantodentale Gelenk ist knöchern konsolidiert

Abb. 3 � a Seitliches Röntgenbild der in den Abb. 1 und 2 dargestellten HWS und b seitliche HWS-Rekonstruktion aus Nativröntgen- und überlagertem CT-Bild (s. Abb. 1a). Es wurden die Grenzen derknöchernen Strukturen (Abb. 3b) der CT-Rekonstruktion akzentuiert und diese Umrisse in das Nativ-röntgenbild eingefügt. Eine deutlichere Abgrenzung und Lagebeurteilung der knöchernen Strukturendes kraniozervikalen Übergangs im Vergleich zum reinen Nativbild ist erreicht. Die linke Kolumnebildet von kranial nach kaudal die Umrisse von Clivus, Dens und vorderem Atlasbogen sowie 3., 4.und 5. Halswirbelkörper ab. Die rechte Kolumne zeigt die Umrisse des Os occipitale, des hinteren Atlasbogens, der Dornfortsätze der 3. und 4. Halswirbel

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Im Erwachsenenalter sind Versteifungender rheumatischen HWS, insbesonderedes okzipitozervikalen Übergangs un-typisch.Dagegen sind bei der ankylosie-renden Spondylitis Syndesmophyten,diedie Wirbelsäule überbrücken,ebenso wiespontane Fusionen der Apophysengelen-ke häufig [6]. Wie bei der ankylosie-renden Spondylitis neigen auch andereHLA-B-27-assoziierte seronegative ent-zündliche Systemerkrankungen, wieMorbus Reiter,Psoriasisarthritis,seltenerauch enteropathische Arthropathienzur Ausbildung paravertebraler Verknö-cherungen [6]. Eine Ankylosierungkleiner Gelenke der HWS wird beischweren Verläufen einer juvenilen RAbeobachtet [6].

Ein erstes Symptom der schlei-chend beginnenden RA können – nebenTendovaginitiden der Finger- undHandgelenke – passagere Interverte-bralarthritiden sein, die sich dann inakuten Zervikalsyndromen äußern [13].Die HWS erkrankt bei 50% der Patien-ten mit RA, vergleichsweise selten sindThorakal- und Lumbalsegmente befallen[13]. Nicht Ankylose sondern transver-sale und vertikale Instabilität mitHöhertreten des Dens und Subluxationim Atlantoaxialgelenk sind pathogno-monisch für die RA. Typisch sind fernerdie auf seitlichen Röntgenbildern sicht-baren erosiven Veränderungen derApophysengelenke.

Die im Fall besprochene Versteifungvon Schädelbasis, Atlas und Dens axisebenso wie die begleitende basiläreImpression beurteilen wir als eine se-kundäre Störung der Formgebung deskraniozervikalen Übergangs bei RA.Dies ist um so überraschender als sero-positive rheumatische Erkrankungen an

der HWS durch Instabilität des kranio-zervikalen Übergangs symptomatischwerden. Eine kongenitale Ursache derokzipitozervikalen Fusion ist durch einAuftreten von Symptomen in fortge-schrittenem Lebensalter,Ausbleiben vonNeuralrohrdefekten, Fehlen begleiten-der Missbildungen des Achsenskelettsund Abwesenheit häufiger röntgenpa-thologischer Befunde kongenitalerÜbergangsstörungen zwar nicht ausge-schlossen, aber wenig warscheinlich.

Fazit für die Praxis

Wir halten ein gelegentliches Auftretenvon Versteifungen des kraniozervikalenÜbergangs im Rahmen entzündlich rheu-matischer Veränderungen der HWS auchbei seropositiven Erkrankungen des Er-wachsenen für möglich. Ein Hochstand desDens axis in Relation zur Schädelbasismuss nicht automatisch mit einer Subluxa-tion des Atlantoaxialgelenks vergesell-schaftet sein, sondern kann ebenso Folgeeiner rheumatisch bedingten Spontanfusiondes Atlas mit dem Okziput sein. Ein an dasForamen magnum reichender Dens darfnicht mit Myelonkompression bei HWS-Flexion gleichgesetzt werden, da im Falleeiner okzipitoatlantodentalen Fusion einAusweichen der Spitze nach dorsal gegendas Myelon unterbleibt. Die therapeutischeKonsequenz ist der Verzicht auf einetransorale Densresektion, wenn myelo-kompressive Effekte in Neutralstellungdes Kopfes nicht vorliegen.

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