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Institut für Sportsoziologie Institute of Sport Sociology Über den Einfluss des medialen und sozialen Wandels auf die Leserschaft des Kicker-Sportmagazins Oliver Fürtjes & Jörg Hagenah

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Institut für Sportsoziologie Institute of Sport Sociology

Über den Einfluss des medialen und sozialen Wandels auf die Leserschaft des

Kicker-Sportmagazins

Oliver Fürtjes & Jörg Hagenah

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Mediatisierung der Gesellschaft

Mediatisierung des Sports (insb. Fußball)

Professionalisierter Showsport

?„Proletariersport“(mind. 1950er J.)

Vermehrt in höheren Schichten beliebten Sport (heute)?

Ausgangslage!

Sozialstruktureller Wandel

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Ausgangslage ?

Frage: Wie war das Sozialprofil des Fußballsports in der Zeit vor dem Beginn der Epoche des Showsports? Also vor der WM 1954?

Fußball war ein sozial exklusives, proletarisches Freizeitvergnügen in der bildungsfernen Arbeiterschicht(vgl. u.a. Bausenwein, 2006; Eggers, 2001; Gehrmann, 1988)

Fußball hat seinen bürgerlichen Charakter nie verloren (der hohe Arbeiteranteil unter den Fußballfans spiegelt nur die damalige proletarische Gesellschaftsstruktur wider)(vgl. Eisenberg, 1990; Väth, 1994)

Prof. Showsport(vgl. u.a. Aschenbeck, 1998; Lindner & Breuer, 1978; König, 2002; Schulze-Marmeling, 1992; Tegelbeckers, 2000)

Sozialstr. Wandel(vgl. Goch, 2007; Pyrta, 2004)

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Die Kicker-Leserschaft als Analysegegenstand

LA- bzw. MA-Datensätze seit 1954 (1. Befragung im April 1954!)harmonisierte Zielvariable: regelmäßiges Kicker-Lesen (LA 1954, 1967,

1968, MA ab 1976)

Frage: Inwieweit eignet sich die Kicker-Leserschaft als Analysegegenstand?

+ Kicker „als wohl wichtigstes Medium im Bereich Fußball“ (Fricke und Zeh, 2007: 357)

Komplementaritätsannahme: Kicker und sein Publikum im Kontext der sich verändernden Rahmenbedingungen des Fußballsports DTA

+ Traditionalität des bereits 1920 gegründeten Kickers insb. hier „Proletariersport“ ,

+ Millionenpublikum, bundesdeutscher Querschnitt

+ Kernleser ist besonders fußballinteressiert

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- Spezielles Fußballpublikum

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- Restriktionen (Medienpublikum):

[Männlich konnotierter Kommunikationsstil (harte Nachrichten und Fakten)] Frauen greifen eher seltener zum Kicker (vgl. Schauerte, 2002)

mit zunehmendem Alter werden Sportzeitschriften immer seltener gelesen(e.b.d.)

mit steigendem formalen Bildungsgrad werden Sportzeitschriften immerhäufiger gelesen (e.b.d.)

aber: Bildungsunabhängigkeit der Sportrezeption (Hackforth, 1988)

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Hypothesen

Transformationshypothese:Die Transformation des Fußballs zum prof. Showsport erklärt die Veränderung des Sozialprofils der Kicker-Leserschaft von einem vornehmlich proletarischen zu einem statushöheren Publikum essentiell. D.h. es müsste sich zeigen, dass sich die statusniedrige Zusammensetzung der Kicker-Leserschaft im Zeitverlauf der ca. letzten 50 Jahre der Gesellschaftsstruktur angeglichen hat.

Similaritätshypothese:Der sozialstrukturelle Wandel der bundesdeutschen Gesellschaft erklärt die Veränderung des Sozialprofils der Kicker-Leserschaft von einem vornehmlich proletarischen zu einem statushöheren Publikum essentiell. D.h. die Zusammensetzung der Kicker-Leserschaft müsste seit jeher in etwa der Gesellschaftsstruktur entsprechen.

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Ergebnisse

1954  1960er  1970er  1980er  1990er  2000er 

Berufsgruppen

Arbeiter 48,4 (24,9) 49,2 (25,6) 30,0 (17,0) 31,6 (16,2) 32,7 (15,8) 33,6 (15,5)

Angestellte 16,6 (11,3) 16,0 (17,3) 25,4 (19,9) 25,7 (21,3) 26,6 (26,6) 25,0 (27,8)

Beamte 4,5 (2,9) 5,9 (3,8) 7,4 (4,2) 7,2 (4,1) 6,0 (3,7) 4,1 (2,6)

Selbständige 8,5 (14,5) 8,0 (11,4) 8,4 (7,1) 6,2 (6,1) 5,3 (5,7) 6,9 (5,5)

Nicht‐Berufstätige 22,0 (46,2) 21,0 (41,6) 28,8 (51,4) 29,3 (52,3) 29,4 (48,2) 30,4 (48,6)

Bildung

niedrige Bildung 79,4 (84,7) 75,2 (77,1) 63,3 (67,1) 61,3 (61,4) 55,7 (54,4) 53,3 (53,3)

mittlere Bildung 16,1 (11,3) 22,3 (17,9) 26,9 (22,9) 28,0 (26,0) 31,6 (28,6) 33,0 (30,3)

höhere Bildung 4,5 (4,0) 2,6 (4,9) 9,9 (9,4) 10,8 (12,6) 12,7 (16,9) 13,7 (16,3)

Äquivalenzeinkommen

weniger als 1000 DM 33,3 (56,4)* 9,3 (14,9) 1,5 (3,6) 1,4 (2,3) 1,1 (2,1) 0,9 (1,9)

1001 bis 2000 DM 43,9 (28,0)* 59,8 (59,5) 40,7 (46,7) 34,5 (39,9) 21,9 (26,6) 25,0 (29,4)

2001 bis 3000 DM 18,5 (11,0)* 24,0 (17,6) 34,9 (32,2) 38,6 (36) 39,8 (38,7) 40,1 (39,2)

3001 bis 5000 DM 4,2 (4,6)* 6,7 (6,2) 19,8 (14,5) 22,0 (18,3) 33,5 (28,4) 28,4 (24,1)

5001 bis 7000 DM 0,2 (1,2) 2,2 (2,2) 2,7 (2,7) 3,4 (4,0) 4,6 (4,0)

7001 DM und mehr 0,0 (0,1) 1,0 (0,9) 0,8 (0,9) 0,3 (0,2) 1,1 (1,5)

Veränderung Kicker-Leserschaft ≈ sozialer Wandel

* Personeneinkommen

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Rekrutierungsperspektive: Dissimilaritäts-Index

Diss = (Duncan und Duncan, 1955a; 1955b)

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Zugangsperspektive: Modelle der logistischen Regression über den Gesamtdatensatz (Kontrolle der Restriktionsvariablen)

Modell 1 Modell 2 Modell 3Konstante 0,01*** 0,01*** 0,001***BerufsgruppenArbeiter 3,48*** 2,82*** 1,18***Angestellte 1,72*** 1,50*** 1,08*Beamte 2,92*** 2,75*** 1,30***Selbständige 1,64*** 1,59*** 0,87***Referenz: Nicht‐BerufstätigeBildungniedrige Bildung 1,17*** 1,44*** 1,96***mittlere Bildung 1,42*** 1,41*** 1,73***Referenz: höhere BildungEinkommen 1,07*** 1,11*** 1,11***Alterunter 24 3,43*** 3,68***25‐34 2,14*** 2,83***35‐44 1,99*** 2,67***45‐59 1,57*** 2,05***Referenz: 60 und älter GeschlechtMänner 8,07***Referenz: FrauenNagelkerkes R² 0,032 0,046 0,118N  630516 630516 630516

!

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Zugangsperspektive: Interaktionseffekte mit der Zeit

Jahr Beruf Bildung Einkommen Alter Geschlecht

Interaktionseffekte

Jahr*Arbeiter 1,01***

Jahr*Angestellte 1,00*  

Jahr*Beamte 1

Jahr*Selbständige 1,01***

Jahr* niedrige Bildung 1,02***

Jahr*mittlere Bildung 1

Jahr*Einkommen 0,99***

Jahr*unter 24 J. 0,99**

Jahr*25‐34 J. 0,99**

Jahr*35‐44 J. 0,99**

Jahr*45‐59 J. 0,99*

Jahr*Geschlecht 1,03***

Nagelkerkes R² 0,119 0,120 0,120 0,120 0,120 0,120

N = 630.516

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Fazit

Es konnte eindeutig die Similaritätshypothese bestätigt werden!

d.h. die Bezeichnung des Fußballs als Arbeitersport ist auf Basis der Kicker-Kernleserschaft auf die damalige Gesellschaftsstruktur zurückzuführen

Allerdings:• direkte Wirkungen resultierend aus der Transformation des Fußballs zum Showsport konnten nicht analysiert werden• spezielles Medienpublikum: Inter- und Intramedialer Wettbewerb: Substitutionseffekte?

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Sportbild

Privatfernsehen

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Literatur

Fürtjes, O. (2009): Fußballfans im sozialen Wandel. Der Fußball und seine Entproletarisierung- Eine empirische Analyse. Hamburg: Diplomica Verlag

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Literatur

Bausenwein, Christoph. 2006. Geheimnis Fußball. Auf den Spuren eines Phänomens. Göttingen: Verlag Die Werkstatt. Duncan, Dudley, und Beverly Duncan. 1955a. A Methodological Analysis of Segregation Indexes. American Sociological Review 20, 210-217.Duncan, Dudley, und Beverly Duncan. 1955b. Residential Distribution and Occupational Stratification. American Journal of Sociology 60, 493-503.

Eggers, Erik. 2001. Fußball in der Weimarer Republik. Kassel: Agon.

Eisenberg, Christiane. 1990. Vom „Arbeiter- zum Angestelltenfußball“? Zur Sozialstruktur des Fußballsports 1890-1950. Sozial- und Zeitgeschichte des Sports 4, 20-45.Fricke, Tobias, und Reimar Zeh. 2007. Das Image von Bundesligavereinen. Mediales Konstrukt oder Spiegelbild der Tabelle? In Das Spiel mit dem Fußball. Interessen, Projektionen und Vereinnahmungen, Hrsg. Jürgen Mittag und Jörg-Uwe Nieland, 359-375. Essen: Klartext Verlag.Gehrmann, Siegfried. 1988. Fußball - Vereine - Politik. Zur Sportgeschichte des Reviers 1900- 1940. Essen: Hobbing.

Aschenbeck, Arndt. 1998. Fußballfans im Abseits. Kassel: Agon.

Goch, Stefan. 2007. Fußball im Ruhrgebiet. Der Mythos vom Arbeitersport. In Das Spiel mit dem Fußball. Interessen, Projektionen und Vereinnahmungen, Hrsg. Jürgen Mittag und Jörg-Uwe Nieland, 117-142. Essen: Klartext Verlag.Hackforth, Josef. 1988. Publizistische Wirkungsforschung: Ansätze, Analysen und Analogien. Das Beispiel der Sportberichterstattung. In Sportmedien und Mediensport. Wirkungen-Nutzung-Inhalte, Hrsg. Ders., 15-36. Berlin: VISTAS Verlag.

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Herrmann, Hans Ulrich. 1977. Die Fußballfans. Untersuchungen zum Zuschauersport. Schorndorf: Hofmann.Hopf, Wilhelm. 1979. „Wie konnte Fußball ein deutsches Spiel werden?“ In Fussball. Soziologie und Sozialgeschichte einer populären Sportart, Hrsg. Ders., 54-80. Bensheim: Päd-Extra-Buchverlag.

König, Thomas. 2002. Fankultur. Eine soziologische Studie am Beispiel des Fußballfans. Münster: Lit.Lenhard, Michael. 2002. Vereinsfußball und Identifikation in Deutschland: Phänomene zwischen Tradition und Postmoderne. Hamburg: Kovac.Lindner, Rolf, und Heinrich T. Breuer. 1978. „Sind doch nicht alles Beckenbauers“. Zur Sozialgeschichte des Fußballs im Ruhrgebiet. Frankfurt a. M.: Syndikat.

Pyrta, Wolfram. 2004. Der Beitrag des Fußballsports zur kulturellen Identitätsstiftung in Deutschland. In Der lange Weg zur Bundesliga. Zum Siegeszug des Fußballs in Deutschland, Hrsg. Ders., 1-30. Münster: Lit Verlag.

Schauerte, Thorsten. 2002. Quotengaranten und Minderheitenprogramme. Theoretisch-empirische Analyse der Nutzung von medialen Sportangeboten in Deutschland. Berlin: dissertation.de- Verlag im Internet GmbH.

Schulze-Marmeling, Dietrich. 1992. Der gezähmte Fußball. Zur Geschichte eines subversiven Sports. Göttingen: Verlag Die Werkstatt.Tegelbeckers, Walter Ludwig. 2000. Spiegel der „Erlebnisgesellschaft“? Der Fußball im Wandel vom Spielprozess zum Marktprodukt. In Quo vadis, Fußball? Vom Spielprozess zum Marktprozess, Hrsg.Walter Ludwig Tegelbeckers und Dietrich Milles, 9-27. Göttingen: Verlag Die Werkstatt. Väth, Heinrich. 1994. Profifußball. Zur Soziologie der Bundesliga. Frankfurt am Main, New York: Campus Verlag.