obiter dicta — ansätze einer rechtfertigung

6
Obiter Dicta —Ansätze einer Rechtfertigung Author(s): URSULA KÖBL Reviewed work(s): Source: JuristenZeitung, 31. Jahrg., Nr. 23/24 (10. Dezember 1976), pp. 752-756 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/20811713 . Accessed: 06/01/2013 15:12 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to JuristenZeitung. http://www.jstor.org This content downloaded on Sun, 6 Jan 2013 15:12:16 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Upload: ursula-koebl

Post on 08-Nov-2016

223 views

Category:

Documents


8 download

TRANSCRIPT

Obiter Dicta —Ansätze einer RechtfertigungAuthor(s): URSULA KÖBLReviewed work(s):Source: JuristenZeitung, 31. Jahrg., Nr. 23/24 (10. Dezember 1976), pp. 752-756Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/20811713 .

Accessed: 06/01/2013 15:12

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access toJuristenZeitung.

http://www.jstor.org

This content downloaded on Sun, 6 Jan 2013 15:12:16 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

752 K?bl, Obiter Dicta ? Ans?tze einer Rechtfertigung JZ 1976

ist104 sowie schlie?lich die Anwendung des Absehens von der

Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe (? 459 d StPO) und der H?rteklausel (? 459 f. StPO), wozu noch keine Entschei dungen ver?ffentlicht sind.

io* Daf?r die ?berwiegende Ansicht, vgl. Stree, in: Sch?nke-Schr?der, ? 57 Rdnr 4; Dreher, ?57 Rdnr. 2; Horn, in: SK, ? 57 Rdnr. 3; Lack ner, ? 57 Anm. 1, und aus der Rspr. OLG Zweibr?cken NJW 1976, 155

(dort auch Nachw. der anders lautenden Entscheidungen des AG Berlin Tiergarten und LG L?neburg).

Obiter Dicta - Ans?tze einer Rechtfertigung*

Von Wiss. Ass. Dr. URSULA K?BL, Erlangen

Schon bisher waren Obiter Dicta in Entscheidungsbegr?n

dungen weithin, vor allem der Gefahr leichtfertiger Pr?judizie

rung wegen, als richterliche Stilfehler verp?nt1. In seiner Habi

litationsschrift versucht Schl?ter nun den Nachweis zu f?hren, da? sie wegen richterlicher Kompetenz?berschreitung gerade zu verfassungswidrig seien. Die Rigidit?t dieser nicht nur f?r

die Rechtsprechung, sondern f?r das gesamte Rechtsleben wich

tigen These und die zu ihrer Begr?ndung vorgetragenen Argu mente fordern indessen zu abschw?chendem Widerspruch her aus. Ohne eine ausgearbeitete Gegentheorie zu entwerfen, geht es im folgenden darum, die im Schrifttum durch die Untersu

chung Schl?ters bereits ausgel?sten Bem?hungen 2 fortzusetzen

und noch eingehender auf die f?r Obiter Dicta sprechenden Gr?nde und Gesichtspunkte aufmerksam zu machen. Zun?chst

die sehr klare Argumentation Schl?ters in gedr?ngtester Zu

sammenfassung:

I. Gr?nde gegen Obiter Dicta

1. Im Anschlu? an K?ster, Hesse3 u. a.4 begreift Schl?ter

das Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) nicht nur als ein Mittel, um ?berm??ige Konzentration der Staatsmacht und

deren freiheitsbedrohenden Mi?brauch zu verhindern, sondern

zugleich als Instrument, um eine gr??ere Richtigkeit der Staats

t?tigkeit und eine sachgem??e Aus?bung staatlicher Macht zu

gew?hrleisten (S. 10 ff., 17). Das Organisationsprinzip der Ge

waltenteilung schlie?e deshalb ein Gebot zur Arbeitsteilung und damit ein prinzipielles Verbot f?r alle staatlichen Organe ein, Aufgaben wahrzunehmen, f?r die sie nach ihrer verfas

sungsrechtlichen Ausgestaltung nicht hinreichend ger?stet seien

(S. 17, 57). Da die Gerichte nicht ann?hernd ?ber die sachlichen und pers?nlichen Mittel, die Erkenntnisquellen und das An

schauungsmaterial des parlamentarischen Gesetzgebers verf?g ten, seien sie zu weit ausgreifenden Rechtsausf?hrungen und

Leitsatzbildungen sowie zukunftsweisenden Verhaltensnormen, die nicht zur Entscheidung des konkreten Rechtsstreits gebo ten sind, nicht in der Lage. Rechtsausf?hrungen, die ?ber den

zu entscheidenden Fall hinausgreifen, nicht an ihm erprobt sind und ohne rechtliches Geh?r (Art. 103 Abs. 1 GG), somit

ohne Einflu?m?glichkeiten der Proze?parteien entstanden sind,

ermangele aufgrund des Gewaltenteilungsprinzips und des An

h?rungsgebots die ?Richtigkeitsgew?hr' (S. 29ff.). Zudem lie

?en sich derartige Verlautbarungen k?nftighin nicht immer un

ver?ndert aufrechterhalten, so da? die Obergerichte damit auch

der Rechtssicherheit schadeten (S. 41 ff., 58). 2. Nach grunds?tzlicher Abgrenzung von tragenden Gr?nden

und Obiter Dicta im zweiten Teil der Arbeit kritisiert Schl?ter die Begr?ndungspraxis des Bundesarbeitsgerichts anhand zahl

reicher Beispiele. Als entbehrliche Obiter Dicta verwirft er fast

ausnahmslos alle Arten von Rechtsausf?hrungen, die nicht im

Zuge der Rechtsanwendung darauf abzielen, die Subsumtions

beziehungen zwischen dem zur Entscheidung anstehenden

Lebenssachverhalt und den Tatbestandsmerkmalen der in Frage kommenden Norm(en) herzustellen (S. 105 ff., 114). Verfehlt seien danach im einzelnen: das Eingehen auf Rechtsnormen, die nicht als Obers?tze zur Rechtfertigung der konkreten Ent

scheidung ben?tigt werden (S. 124 ff.), insbesondere Doppelbe

gr?ndungen, ferner das Eingehen auf Rechtsnormen, an denen

der Sachverhalt ?berhaupt nicht gemessen wird (S. 142 ff.), die unn?tige Er?rterung der Verfassungsm??igkeit einer Norm

(S. 144 ff.) und des Konkurrenzverh?ltnisses zu anderen Nor

men, deren Tatbestandsmerkmale im Streitfall gar nicht erf?llt

sind (S. 155 ff.), weiter die Interpretation nicht einschl?giger oder zwar einschl?giger, aber zur Entscheidung nicht ben?tig ter Tatbestandsmerkmale (S. 157 ff.), ferner irrelevante Stel

lungnahmen zu Interpretations- und sonstigen dogmatischen Kontroversen (S. 164 ff.), schlie?lich und vor allem aber die

quasi-legislatorische Bet?tigung der Gerichte durch Aufstellung

ganzer Richtlinienkomplexe ?in einem Arbeitsgang" (S. 175 ff.;

beispielhaft hierf?r die Grunds?tze des BAG [E 13, 129] zur

Zul?ssigkeit von R?ckzahlungsklauseln bei der Gew?hrung von

Weihnachtsgratifikationen). ?

Lediglich aus proze??konomi schen Gr?nden sei es den Obergerichten gestattet, au?erhalb

des notwendigen Begr?ndungszusammenhangs ihrer eigenen

Entscheidung den Untergerichten f?r die erneute Verhandlung derselben Sache Hinweise zu geben (S. 180 ff.).

3. Durch seine grunds?tzlichen Erw?gungen sowohl wie

durch die Darlegungen anhand der Beispiele aus der Praxis

des BAG liefert Schl?ter eine einsichtige Begr?ndung f?r die richterliche Stilregel: Vorsicht vor beil?ufigen ?u?erungen. Nicht auf den Streitfall unmittelbar bezogene Rechtsausf?h

rungen sollten nur mit ?u?erster Zur?ckhaltung und Umsicht

in die Entscheidungsgr?nde ?bernommen oder gar als Leit s?tze herausgestellt werden. Den Gerichten ist dringend anzu

raten, nicht un?berlegt die ?guten" Vorarbeiten von Berichter

stattern und wissenschaftlichen Hilfsarbeitern mit zu publizie ren, sondern die Opportunit?t von Obiter Dicta jeweils sorgf?l

tig zu pr?fen. Von strikter Illegalit?t der Obiter Dicta, und

zwar in fast s?mtlichen Spielarten, vermag man sich hingegen schwerlich zu ?berzeugen. Zumindest scheint eine differenzie

rende Betrachtungsweise angebracht. Dabei hat man vor allem

die gro?e Spannweite von Erscheinungsformen nicht fallnot

wendiger Rechtsausf?hrungen im Blick zubehalten: Endpunkte bilden einerseits die als Leits?tze hervorgehobenen, gesetzes konkretisierenden und gesetzesvertretenden Grunds?tze und

andererseits die untergeordneten, in den Begr?ndungszusam

menhang unauff?llig eingeflochtenen Nebenbemerkungen, die

eigentlichen ?obiter" Dicta5.

II. Abgrenzungsschwierigkeiten wegen der Gebote zu

transparenten und konsensf?rdernden

Entscheidungsbegr?ndungen

1. Es bereitet schon Schwierigkeiten, notwendige und ent

behrliche Ausf?hrungen, Rationes Decidendi und Obiter Dicta,

* Auseinandersetzung mit: Wilfried Schl?ter, Das Obiter dictum (Die Grenzen h?chstrichterlicher Entscheidungsbegr?ndung, dargestellt an Bei

spielen aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts). C. H. Beck

Verlag, M?nchen 1973. H. Hattenhauer, Die Kritik des Zivilurteils, 1970, S. 136 f.; J. Esser

AcP 172, 128; M. L. Hilger, ?berlegungen zum Richterrecht, in F. f. K. Larenz, 1973, S. 120 f.; B. Heusinger, Rechtsanwendung und Rechtsfort bildung im Spiegel richterlicher Erfahrung 1975, S. 37.

2 Folgende Besprechungen erschienen: D. Neumann AuR 1973, 339?340; E. Schneider MDR 1973, 821?822; J. Berkemann NJW 1974, 130; Th. Dieterich RdA 1974, 187?188; M. Wolf Der Staat 1974, 437?440; G. H. Schlund, BB 1974, 1031 (vorbehaltlos zust.); H. K?tz AcP 1975, 361?368; Gegengr?nde anf?hrend insbes. Dieterich, Wolf u. K?tz.

3 K. Hesse, Grundz?ge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl. 1972, S. 192 ff.; O.K?ster, Das Gewaltenproblem im modernen Staat, A?R 75 (1949), S. 402 ff.; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 5. Aufl. 1975, S. 187 f.

4 Weitere Vertreter der Doppelfunktionalit?t der Gewaltenteilung bei /. Ipsen, Richterrecht und Verfassung 1975, S. 133.

5 Ebenso Hilger (Fn. 1), S. 120; Schneider (Fn. 2) MDR 1973, 822; Berkemann (Fn. 2) NJW 1974, 130.

This content downloaded on Sun, 6 Jan 2013 15:12:16 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Nr. 23/24 K?bl, Obiter Dicta ? Ans?tze einer Rechtfertigung 753

voneinander abzugrenzen. Sodann aber schiebt sich bei ge nauerer Ber?cksichtigung der vielseitigen Funktionen von Ent

scheidungsbegr?ndungen 6 zwischen die Kategorien ?notwen

dige" und ?entbehrlich-unn?tze" Rechtsausf?hrungen wohl eine dritte Kategorie von Dicta, die sich mit guten Gr?nden als

n?tzlich, wenn auch nicht als notwendig, qualifizieren lassen.

Auszugehen ist von den Anforderungen, die vor allem an

obergerichtliche Entscheidungsbegr?ndungen zu stellen sind: Stets hat die ?ffentlich-offizielle Rechtfertigung der gerichtli chen Entscheidung, was Schl?ter richtig zugrundelegt (S. 105 ff.), durch ?Ableitung" des Ergebnisses aus abstrakt-generellen Norms?tzen (die auch richterrechtlicher Herkunft sein k?nnen) in syllogistischer Schlu?form zu erfolgen. Nur so kann die Ent

scheidung, als durch das geltende Recht geboten oder wenig stens mit ihm vereinbar, ?berzeugen. Demgegen?ber spielt es

keine Rolle, wie sich der tats?chliche subjektiv-psychische Vor

gang der Entscheidungsfindung7 vollziehen und wie wenig oft

selbst im Bereich der Rechtsanwendung (im Unterschied zur

Rechtsfortbildung) die Entscheidung inhaltlich vorprogram miert sein mag8. Alle Einsicht in die topische und axiologische Struktur der Rechtsgewinnung macht jenes logische Schema

? zum wenigsten als Ger?st f?r die wertungsm??igen Ele mente ? nicht entbehrlich. Es erscheint durchaus sinnvoll, die

teilweise intuitiven Weisen des Findens von Entscheidungen und Gesichtspunkten, den sog. Entdeckungszusammenhang, vom Begr?ndungszusammenhang deutlich zu unterscheiden 8a.

Der logische Abstand zwischen dem abstrakten Normtatbe

stand und dem konkreten Lebenssachverhalt mu? nun aber in

interpretatorisch problematischen F?llen durch mehr oder we

niger Zwischens?tze und -begriffe ?berbr?ckt werden, und ?

praktisch unvermeidlich ? sind darin vielfach auch norma

tive Aussagen ?ber die Behandlung von F?llen enthalten, die nicht in allen ihren rechtlich relevanten Merkmalen mit dem Streitfall ?bereinstimmen. Solche Zwischens?tze auf mittlerer

Abstraktionsh?he werden h?ufig als Leits?tze herausgehoben und bevorzugt in den juristischen Kommunikationskreislauf

eingeschleust9. Die Tatsache, da? sie nicht selten in sp?teren

Entscheidungen sogar desselben Gerichts modifiziert werden,

belegt freilich, wie schon kleine Abweichungen im Sachverhalt

die rechtliche Beurteilung ?ndern und Leits?tze, die unbedacht

weit-oder definitiv gefa?t sind, zu einer Quelle der Rechtsun

sicherheit werden k?nnen.

2. Dazu kommen zwei weitere Faktoren, die einer Grenzzie

hung i. S. Schl?ters widerraten: F?r die Gewinnung der Pr? missen des Rechtsanwendungssyllogismus, der Ober-, Zwischen

und Unters?tze also, k?nnen zwar methodische Anleitungen gegeben werden, aber keine exakt funktionierende Argumenta tionstechnik 10. Zum anderen wird hierzulande von den Ge

richten ?berwiegend und mit vollem Recht ein transparenter, die wirklichen Motive und Wertungen offenlegender Urteilsstil

verlangt11. All dies f?rdert in den Entscheidungsbegr?ndun gen Inzidentaussagen, die auf den konkreten Fall nicht ange wendete Normen oder nicht erf?llte Tatbestandsmerkmale oder

nicht vorliegende Fallkonstellationen betreffen und auch nicht immer unanfechtbar gesichert sind. Zu denken ist hier insbe sondere an die Verbreitung und das Gewicht systematisch-te

leologischer Auslegungs- und Konkretisierungsgesichtspunkte. Im Grenzbereich zwischen notwendigen und entbehrlich-unn?t zen Rechtsausf?hrungen sind vor allem Erw?gungen verglei chender und sozusagen experimentierender Art anzusiedeln;

gemeint sind die jedem erfahrenen Praktiker gel?ufigen R?ck

sichten auf die Behandlung ?hnlicher F?lle, insbesondere auf die M?glichkeit, die Entscheidungsmaxime des aktuellen Falles unter abgewandelten Umst?nden ?durchzuhalten" und dem

Normensystem einzupassen 12. F?r dieses gedankliche, voraus

schauende Erproben sollten die Gerichte nicht nur auf schon

entschiedene F?lle zur?ckgreifen m?ssen, sondern auch hypo thetische Fallvarianten heranziehen d?rfen, soweit sie sich da von eine ausreichende Anschauung bilden k?nnen (s. u. III)13. Es darf ihnen nicht verwehrt sein, dergleichen ?berlegungen in den Entscheidungsgr?nden freim?tig kundzutun, denn die

Richtigkeit der Entscheidungen, sei diese auch auf blo?e Kon

sensf?higkeit 14

reduziert, h?ngt wesentlich von ihrer Verallge

meinerungsf?higkeit und wertungsm??igen Folgerichtigkeit ab 15. Zu diesem Zweck verm?gen etwa, vom konkreten Fall

her gesehen, ??berfl?ssige" Zusammenstellungen von Grund

s?tzen, die das Gericht in einer bestimmten Materie entwickelt und befolgt hat und weiterhin zu befolgen gedenkt, von Nut zen zu sein, indem sie zur Rechtsklarheit beitragen und latente

Wertungswiderspr?che aufdecken helfen. 3. Gewi?, auch Schl?ter erkl?rt, Erw?gungen systematisch

teleologischer Art, die der anstehenden Fall?sung dienen, nicht aus der Begr?ndung verbannen zu wollen (S. 160). Nur l??t sich h?ufig keine klare und eindeutige Zuordnung treffen, pfle gen doch juristische Argumente ?beraus unterschiedlich bewer tet zu werden, schon von Fachleuten, erst recht von (mehr oder

weniger betroffenen) Nichtjuristen. Auch deren Verst?ndnisho rizont aber ist legitimerweise mit in Betracht zu ziehen. ?u?er ste Verknappung und Verdichtung des Begr?ndungstextes auf hoher Abstraktionsstufe 16

mag dem Fachjuristen vielleicht ge

n?gen. Dem Gebot zur Gew?hrung rechtlichen Geh?rs jedoch wird besser entsprochen mit einer volkst?mlich einl??licheren

Verdeutlichung des richterlichen Gedankenganges und einer

nicht zu knapp bemessenen W?rdigung auch des rechtlichen

? Schl?ter (S. 94?97) z?hlt auf: Schutz der Parteiinteressen (?berzeu gungsbildung und Rechtsmitteleinlegung), Kontrollm?glichkeit f?r die h?here Instanz und die Rechtswissenschaft, Wahrung der Rechtssicher heit, Information der ?ffentlichkeit, Selbstkontrolle des Gerichts; Kolli sionsm?glichkeiten werden nicht er?rtert.

7 H. Isay, Rechtsnorm und Entscheidung 1929, S. 60 ff.; J. Esser, Vor verst?ndnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung 1970; J. Br?gge mann, Die richterliche Begr?ndungspflicht 1972, S. 72 ff.

s R. Zippelius, Rechtsnorm und richterliche Entscheidungsfreiheit JZ 1970, 241 m. w. Nw.; ders., Einf?hrung in die juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 1974, S. 50 ff.; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975, S. 171 ff.; kritisch W. Kilian, Juristische Entscheidung und elektronische Datenverarbeitung 1974, S. 55 ff.

8a F. Hovak, Zur rechtstheoretischen Problematik der juristischen Be gr?ndung von Entscheidungen, in R. Sprung (Hg.), Die Entscheidungsbe gr?ndung 1974, S. 16; ders., Rationes decidendi I 1969, S. 43, 17 ff.

9 Zur Leitsatzpraxis Heusinger (Fn. 1), S. 182 ff.; Esser (Fn. 7) S. 185; krit. Larenz- (Fn. 8), S. 348 f.; zu EDV-gem??er Leitsatzbildung S. Uhlig DRiZ 1974, 75.

10 Larenz (Fn. 8), S. 298 ff.; Zippelius (Fn. 8), S. 53 ff.; Br?ggemann (Fn. 7), S. 56 ff.; N. Horn, Rationalit?t und Autorit?t in der juristischen Argumentation, Rechtstheorie 1975, S. 145 ff. ? Auch mit Hilfe moder ner normativer Entscheidungstheorien lie?en sich die juristischen Ent scheidungsprozesse nicht voll ?durchrationalisieren"; sie verm?gen durch formale Strukturierung der Entscheidungsprozesse die Entscheidungs subjekte zwar zu umsichtiger, transparenter (und damit weitgehend kon trollierbarer) Informationsgewinnung und Folgenerw?gung anzuhalten,

jedoch nicht die Auswahl und Gewichtung der Faktoren, die insbeson dere die W?nschbarkeit von Folgen und die Beurteilung der Wahrschein lichkeit ihres Eintritts begr?nden, vorzuschreiben. Zur Verwendung von Entscheidungstheorien in der Jurisprudenz Kilian (Fn. 8) S. 150 ff.; Th. W?lde, Entscheidungstheoretische Perspektiven f?r die Rechtsanwendung, Rechtstheorie 6 (1975), S. 205 ff.

h Hattenhauer (Fn. 1), S. 108 ff.; K?tz (Fn. 16) RabelsZ 1973, 261 ff.; Heusinger (Fn. 1), S. 29 ff.; G. Haverkate, Offenes Argumentieren im Urteil, ZRP 1973, 281; M. Vollkommer, Bespr. zu K?tz (Fn. 16), AcP 176, 257 f., 259.

12 J. Esser, Theorie und Praxis, in F. f. L. Raiser 1974, S. 527, z?hlt sie schon zu den Elementen des Vorverst?ndnisses jedes erfahrenen Richters.

? Ebenso K?tz (Fn. 2), AcP 175, 364; Esser (Fn. 7), S. 150 f. kenn zeichnet die beschriebene Vergleichsmethode als ?bisher vielleicht die einzig rationale Methode oder doch wenigstens rationale Ankn?pfung richterlicher ?berzeugungsbildung jenseits der schulm??igen Methoden des Rechtsfindungsvorgangs" (s. auch S. 50, 67); vgl. auch P. Noll, Gesetz gebungslehre 1973, S. 129 f.

14 R. Zippelius, Das Wesen des Rechts, 3. Aufl. 1973, S. 102 ff.; ders. (Fn. 8), S. 19 ff.; A. Kaufmann/W. Hassemer, Grundprobleme der zeit gen?ssischen Rechtsphilosophie und Rechtstheorie, 1971, S. 72; N. Horn (Fn. 10), Rechtstheorie 1975, S. 147 f.

15 K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung 1935; R. Zippelius, Das Wesen des Rechts, 3. Aufl. 1973, S. 88 ff. (zum ethischen Formalismus); C.-W. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz 1969, S. 16 ff.; Haverkate (Fn. 11), ZRP 1973, 282 (bes. die Urteilskonse quenzen betreffend).

16 So der franz?sische Urteilsstil, s. H. K?tz, ?ber den Stil h?chstrich terlicher Entscheidungen 1973 (= RabelsZ 1973, 249 und leicht gek?rzt in

DRiZ 1974, 146 ff., 183 ff.); ?hnliches fordert auch Hattenhauer (Fn. 1), S. 137 f.

This content downloaded on Sun, 6 Jan 2013 15:12:16 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

754 K?bl, Obiter Dicta ? Ans?tze einer Rechtfertigung JZ 1976

Parteivortrags 16a. Judikate dieser Art d?rften auch eine st?r

kere Befriedungswirkung17 erzielen.

Die Erwartungen, die Ober- bzw. Untergerichte, Parteien, interessierte ?ffentlichkeit und Rechtswissenschaft gegen?ber

Entscheidungsbegr?ndungen hegen, sind uneinheitlich und

nicht immer zugleich zu erf?llen. Arbeitslast und Zeitmangel

m?gen die Forderung rechtfertigen, die Begr?ndung einseitig nur im Hinblick auf die Interessen der konkreten Rechtssu

chenden an der Entscheidung ihres Falles abzufassen18. Die

Verantwortung der Rechtsprechung f?r Rechtseinheit und

Rechtsfortbildung19 (s. u. II 2) wird dabei aber vernachl?ssigt. 4. Zudem ist zu f?rchten, da? Abgrenzungsschwierigkeiten20

und eine vielleicht als beckmesserisch empfundene Reglemen

tierung bez?glich der ?Notwendigkeit" von Rechtsausf?hrun

gen die Gerichte nicht gerade ermuntert, m?glichst alle ?ber

zeugungsbildenden Faktoren ihrer Entscheidungen offenzule

gen, sondern eher zu einem autorit?r-apodiktischen Urteilsstil

verleiten k?nnten. Doch etwa gem?? der Devise zu judizieren: ?La cour d?cide, elle ne discute pas"

21 verbietet sich aus so

gewichtigen Gr?nden ? erinnert sei nur an die relativ geringe demokratische Legitimation der Judikative und die zuweilen

erheblichen Entscheidungsspielr?ume ?, da? demgegen?ber selbst eine mitunter etwa vorkommende ?doktrin?re Redselig keit" 22 als das weit kleinere ?bel erscheinen d?rfte. So w?re

beispielsweise gegen alternative Begr?ndungen, die m?glicher weise concurring opinions innerhalb des Spruchk?rpers Aus

druck geben23, allenfalls etwas einzuwenden, wenn mit der

zus?tzlichen Begr?ndung juristisches Neuland betreten wird

(so schlie?lich auch Schl?ter S. 129).

III. G?nstige Auswirkungen von Obiter Dicta auf Rechts

sicherheit, Gerechtigkeit und Proze??konomie

1. Zu einer M??igung des strengen Verdikts ?ber die Obiter

Dicta d?rfte man auch aufgrund einer genaueren Abw?gung ih

rer Vor- und Nachteile f?r die materielle Richtigkeit der Rechts

findung, die Rechtssicherheit i. S. der Vorausberechenbarkeit des

gerichtlich durchsetzbaren Rechts sowie die Proze??konomie

kommen. Gerechtigkeit und Rechtssicherheit k?nnen in der Tat

durch Obiter Dicta leiden, aber nicht jeweils beide Werte zu

gleich in h?herem Ma?e, sondern ? zun?chst etwas vereinfa

chend gesehen ? entweder nur der eine oder der andere. Denn

werden solche obiter gebildeten (und ver?ffentlichten) Norm

hypothesen bei sp?terer ?Tatbestandsverwirklichung" auch an

gewendet, so wird die Rechtssicherheit gewahrt, werden sie

hingegen nicht angewendet, so wird u. U. zwar zuvor gewecktes Vertrauen entt?uscht, doch setzt sich daf?r die gerechtere L?

sung durch. Freilich darf man die Wirkungen der h?chstrichter

lichen Judikatur nicht in dieser Weise auf die Proze?entschei

dungen beschr?nkt sehen, sondern mu? ihre weiteren verhal

tenssteuernden und erwartungssichernden Wirkungen mit in

Betracht ziehen. Zuzugeben ist daher, da? m?glicherweise al

lein schon durch den ?Erla?" nicht fallerprobter Regelungsaus sagen zus?tzliche Unsicherheitsmomente in die Rechtsbezie

hungen der Betroffenen getragen werden, ungeachtet eventuel

ler sp?terer Bew?hrung im Proze?. Allerdings d?rften die f?r

Rechtssicherheit und materielle Gerechtigkeit drohenden Ge

fahren auch nicht allzu gravierend sein, jedenfalls die m?gli chen Vorteile nicht generell ?berwiegen, es lie?e sich sonst die Beobachtung nicht erkl?ren, da? Obiter Dicta, gerade auch in

ihrer an sich ?kompetenzwidrigsten" Auspr?gung, n?mlich der

gesetzesvertretenden, zukunftsweisenden Regelbildungen, dem Rechtsverkehr und den Instanzgerichten vielfach sehr will

kommen sind. Vermutlich haben Untergerichte, Beh?rden und

Rechtspublikum mehr Gesp?r f?r durchdachte und mithin halt

bare, wenn auch ?im Vorgriff" gemachte Regelungsaussagen, als Schl?ter bef?rchtet (S. 182); unreflektiertes Vertrauen auf

die Bestandskraft s?mtlicher obergerichtlichen ?u?erungen w?re andererseits aber auch nicht schutzw?rdig 24.

Bez?glich der hier erheblichen Rechtstatsachen kann man

sich bisher leider fast nur auf Alltagstheorien und Mutma?un

gen st?tzen; an gesichertem Faktenwissen fehlt es ? ein

Mangel, der die ?Verteidigung" der Obiter Dicta jedoch weit

mehr erschwert als ihre ?Anklage". K?nnte diese noch durch

eine gr?ndliche Rechtsprechungsanalyse sch?dliche Wirkungen

mi?gl?ckter Obiter Dicta aufweisen ( . . ? falls vorhanden ?

zahlreiche Folgeprozesse) oder wenigstens signifikante Bei

spiele daf?r beibringen, so lie?en sich die befriedenden und

proze?vermeidenden Wirkungen von gelungenen Obiter Dicta

auf diesem Wege nicht ermitteln. Ebensowenig ist aus dem

Rechtsprechungsmaterial Aufschlu? dar?ber zu erhalten, wie

viele B?rger sich etwa durch Obiter Dicta zu einem Proze?

ermutigen lie?en, die sonst einen rechtswidrigen Zustand ge duldet h?tten; auch dies ist aber ein begr??enswerter Effekt25.

2. Besonders auch bei der justiziellen Rechtsfortbildung k?n nen Obiter Dicta sinnvoll eingesetzt werden. Auf vielen Le

bensgebieten erweist sich die parlamentarische Gesetzgebung als anhaltend unf?hig, mit der sozialen Entwicklung Schritt zu

halten. Wichtige Materien bleiben entweder lange Zeit v?llig unnormiert, oder der Gesetzgeber ?berb?rdet mittels General

klauseln und unbestimmter Rechtsbegriffe den rechtsanwen

denden Organen ein gut Teil der Konfliktl?sungen 26. Infolge dessen ist ein Bed?rfnis nach richterlicher Rechtssch?pfung, und zwar m?glichst fall?bergreifender und -antizipierender, unter den heutigen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaft lichen Verh?ltnissen ohne Zweifel vorhanden, es fragt sich nur, inwieweit die Rechtsprechung diese ihr in der Verfassungswirk

16a Zu Anh?rungs- und Bescheidungspflicht Br?ggemann (Fn. 7), S. 152 ff., 173 f.

!7 Zu ?Beteiligung" und ?Rollen?bernahme" als Legitimationsfaktoren der Entscheidungen N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren 1969, S. 82 ff.; 213 f.; zur ?Legitimation durch Begr?ndung" auch die gleichna mige Schrift von F. Eckhold-Schmidt 1974, S. 16 ff.; zur Beachtlichkeit der

Vorstellungswelt der Betroffenen auch F. K?hler, ?ber die praktischen Aufgaben zeitgem??er Privatrechtstheorie 1975, S. 58 f.

!? So prononciert Poelmann AuR 1974, 341 u. ?hnlich E. Schneider DRiZ 1974, 258, beide kritisch zu der Abhandlung von K?tz (Fn. 16).

19 Zum umstrittenen Rangverh?ltnis der Revisionszwecke im Zivilpro ze? (Rechtseinheit und Individualrechtsschutz) Rosenberg/Schwab, Zivil proze?recht, 11. Aufl. 1974, ? 144 V 2; H.-E. Henke, Die Tatfrage, 1966, S. 191 ff. m. Nw.; P. Gottwald, Die Revisionsinstanz als Tatsacheninstanz, 1975, S. 86 ff. m. Nw.

20 Vgl. Dieterich (Fn. 2), RdA 1974, 188; H. A. Schwarz-Liebermann . Wahlendorf, Schichten und Gestalten des Rechts, 1975, S. 30: Im Pro

ze? der Grundsatzbildung ?kommt der erl?uternden ,Hintergrundbil dung' durch das ,obiter dictum', jenes Ringen des Urteilenden mit sich selbst, um zu Grund und Rationalit?t zu gelangen, so entscheidende Be deutung zu, und weil das obiter dictum seinem Kern zufolge am Aufbau von Regeln . . . Anteil hat, der Augenblick der Kristallisation der neuen

Regel . . . aber nicht vorher berechenbar ist, so ist auch eine formale Be stimmung des Beitrags bzw. des Augenblicks in dem ein Beitrag zur ratio decidendi geleistet wird, nicht m?glich".

21 Als Ausspruch eines hohen franz?sischen Richters mitgeteilt von W. Richter, Die Rolle des Richters in unserer Zeit, JZ 1974, 346 Fn. 11. ?

Lediglich am Rande sei demgegen?ber bemerkt: Einer Rechtswissen schaft, die m?glichst effektiv in die Praxis wirken will, sollte eigentlich daran gelegen sein, da? die Praxis nicht (bestenfalls) das eine oder an dere Ergebnis rezipiert, sondern da? sich auch die Argumentationstechni ken einander ann?hern. Vgl. auch Esser (Fn. 7), S. 186; Br?ggem?nn (Fn. 7) S. 173 ff.; nur der Begr?ndungszwang gew?hrleistet auch die ge dankliche Auseinandersetzung. Sehr weitgehend j?ngst W. Rother, Ele mente und Grenzen des zivilrechtlichen Denkens, 1975, S. 30: ?Die juristi sche Darlegung

? es mag sich um eine wissenschaftliche Abhandlung, einen Anwaltsschriftsatz, eine Gerichtsentscheidung oder eine Gesetzesbe gr?ndung handeln, mu? es verstehen, mit Argumenten und Gegenargu menten, mit dem Einerseits ? Andererseits, mit H?tte und W?re so be

weglich und souver?n wie m?glich zu arbeiten, mu? sich mit zahlreichen

hypothetischen Einwendungen auseinandersetzen und der Gegenauffas sung mit wesentlicheren Gesichtspunkten zuvorzukommen suchen, um

sch?pferisch und ?berzeugend zu wirken." 22 Sie kritisierte einst Otto Bahr, Urteile des Reichsgerichts mit Be

sprechungen, 1883, S. IV, am Reichsgericht (Nw. bei Schl?ter S. 167 Fn. 59). 23 Hierzu ausf?hrlicher Neumann (Fn. 2), AuR 1973, 339.

2> ?berzeugend K?tz (Fn. 2), AcP 175, 365 f. 25 Darauf macht Wolf (Fn. 2), S. 439 sehr zu Recht aufmerksam. 26 Eingehend diagnostiziert von U. Diederichsen, Die Flucht des, Ge

setzgebers aus der politischen Verantwortung im Zivilrecht, 1974; vgl. auch R. Fischer, Die Weiterbildung des Rechts durch die Rechtsprechung, 1971, S. 20 ff.; F. K?hler, Kodifikation und Demokratie, JZ 1969, 646 ff.;

W. Naucke, ?ber Generalklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht 1973; Wolf (Fn. 2), S. 438, 439; K?tz (Fn. 2), AcP 175, 365.

This content downloaded on Sun, 6 Jan 2013 15:12:16 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Nr. 23/24 K?bl, Obiter Dicta ? Ans?tze einer Rechtfertigung 755

lichkeit st?ndig mehr zuwachsende Funktion auch wahrnehmen

kann und darf27.

Allein mit der fall?bergreifenden28 Rechtsfortbildung be fa?t sich Schl?ter (S. 4) und nur ihr, nicht auch der streng fall

bezogenen, spricht er aus den obengenannten Gr?nden (I) die

Legitimit?t ab. Nun ist zweifellos die Chance m?glichst umfas

sender Aufkl?rung der Interessenlage im allgemeinen f?r den

anh?ngigen Falltypus am h?chsten und nimmt mit wachsender

Entfernung davon ab. Zuweilen m?gen allerdings gerade die

?besonderen Umst?nde des Einzelfalles", ohne letztlich rechts

erheblich oder typisch zu sein, den Blick auf das Wesentliche verstellen und die rechtliche W?rdigung irreleiten; manch mi?

gl?ckter Leitsatz d?rfte darauf zur?ckzuf?hren sein 29. Vor al

lem aber ist die prinzipiell nicht zu leugnende Minderung der ?Richtigkeitsgew?hr" je nach Problemlage und Ausma? der

quasi-legislatorischen Sprucht?tigkeit sehr unterschiedlich und

d?rfte, der gro?enteils positiven Aufnahme rechtsfortbildender

Obiter Dicta in der Praxis nach zu schlie?en, durch den Ge winn an Orientierungsgewi?heit aufgewogen werden. Es

leuchtet ein, da? das richterliche Judiz ungleich zuverl?ssiger und leichter beispielhafte Fallgestaltungen ?nebenher" mit zu

bew?ltigen vermag, als ?ber Begriffsdefinitionen, abschlie?ende

Aufz?hlungen und dgl. zu befinden. Selbst wenn man ein ge wisses Risiko in Rechnung stellt, da?, losgel?st vom Streitfall,

voreilig weitergehende Aussagen gemacht werden, die sp?ter die ?Fallprobe" nicht oder nicht in vollem Umfang bestehen, so ist doch offenbar in bestimmten Konstellationen der Orien

tierungswert solcher nicht optimal abgesicherter Richtlinien h?

her zu veranschlagen als ihre Nachteile. Besonders bei Massen

erscheinungen 30, wie sie etwa im Steuer-, Arbeits- und Sozial

recht auftreten, ist der Rechtsverkehr f?r seine Dispositionen

dringend auf Richtlinien angewiesen 31. Statt dessen die betei

ligten Verkehrskreise und Beh?rden stets auf eine allm?hliche, aber von mancherlei Zuf?llen der Rechtsschutzbegehren und

der Proze?f?hrung Einzelner abh?ngige Kl?rung des Problem

komplexes zu vertr?sten, erscheint generell weder im Interesse

der materiellen Gerechtigkeit noch der Rechtssicherheit gebo ten, sofern das Gericht die relevanten Rechtstatsachen gen?

gend ?berblickt32. Hier liegt ganz allgemein eine sehr wich

tige Grenze f?r die noch als legitim in Betracht kommende Richterrechtsbildung; doch f?llt sie nicht mit der Scheidelinie zwischen Obiter Dicta und Rationes Decidendi zusammen 33.

Die erforderliche Sachkenntnis besitzen die Gerichte, zumal

die Fachsenate der Bundesgerichte, doch wohl auch bez?glich vieler nicht aktuell rechtsh?ngiger Fallgestaltungen34. Der Ak

teninhalt des anh?ngigen Prozesses bildet ja nicht ihre einzige

Informationsquelle35, sonst w?re den Gerichten ?berall dort nur sehr wenig Urteilskraft zuzutrauen, wo, wie etwa im Kol

lektivarbeitsrecht, weit mehr als nur die Interessen der Proze?

part?i?n auf dem Spiel stehen36, ferner m??ten viele unserer

unbestimmt gefa?ten Normen f?r rechtsstaatswidrig erkl?rt

werden und die (schon realisierten oder noch laufenden) Be

strebungen, das Rechtsmittel der Revision noch st?rker in den

Dienst von Rechtseinheit und Rechtsfortbildung zu stellen,

gingen aus demselben Grund fehl. Unser so sehr auf die grund s?tzliche Bedeutung der Sache abhebendes Revisionszulassungs rechtzi und besonders die Unzul?nglichkeiten der Gesetzge

bung erfordern ein betr?chtliches Ma? legislatorischer F?hig keiten der Obergerichte. Die Revisionsrichter haben es in der

Regel durch eine langj?hrige und fachlich spezialisierte Spruch praxis erworben; u. a. zeugen daf?r mancherlei nachtr?gliche

?Legalisierungen" von Rechtsprechungsergebnissen38. Insbe

sondere der berufsbedingte Schatz von Erfahrungen, ferner die

allgemeine Lebenserfahrung, manchmal eine unmittelbare Sachn?he in bestimmten Gebieten, z. B. im Verfahrens-, Stan

des- und Disziplinarrecht, vor allem aber ein hochentwickelter Diskussionsstand hinsichtlich der aufgeworfenen Probleme im

juristischen Fachschrifttum oder in der ?ffentlichkeit k?nnen die Gerichte instandsetzen, von der ohne Zweifel bew?hrten

Vorgehensweise der ?kleinen Schritte" 39 gelegentlich zu einer

z?gigeren Gangart in der Richterrechtsbildung ?berzuwechseln. Da zudem die Proze?h?ufigkeit nicht ?berall die soziale Rele vanz von Rechtsfragen und das Orientierungsbed?rfnis in der

Bev?lkerung widerspiegelt, ist es u. U. sehr hilfreich, wenn die

Obergerichte zuweilen seltene F?lle zum Anla? f?r weiter aus

holende Stellungnahmen und Er?rterungen nehmen40. Da? hin und wieder Berichtigungen solcher vorgreifenden Konkre

tisierungen und Regelbildungen n?tig werden, ist bis zu einem

gewissen Grade in Kauf zu nehmen, wird doch selbst dem Ge

setzgeber bei komplexen Sachverhalten eine angemessene Zeit zur Sammlung von Erfahrungen einger?umt, w?hrend der er

sich zun?chst mit gr?beren Typisierungen und Generalisierun

gen in seinen Regelungen begn?gen darf41.

Nun sind es aber nicht eigentlich sachliche oder wertungsm??ige Fehlgriffe, die dem paradigmatisch angegriffenen Gratifikationsurteil des BAG aus dem Jahr 1962 (E 13, 129) angelastet werden. Ansto? erregte wohl mehr seine unverhohlene dezisionistische Komponen te 42. In der gewisserma?en ?willk?rlichen" Festlegung von Zul?s

sigkeitsgrenzen f?r R?ckzahlungsklauseln, gestaffelt nach Gratifika tionsh?he und K?ndigungsm?glichkeit, sahen viele ein nur dem Ge setzgeber zustehendes Regelungsermessen usurpiert, zumal seiner zeit der Problemkomplex ?Richterrecht" noch weniger erforscht und ins allgemeine Bewu?tsein ger?ckt war. Die Fragen der richterlichen

Rechtsfortbildung f?r den anh?ngigen Falltypus einerseits und ?ber diesen hinaus andererseits sind jedoch nicht scharf zu trennen: Wer der ?Gestaltung der Sozialexistenz" durch Richterrecht generell ab lehnend gegen?bersteht, wird erst recht die vorgreifende Richtli

nienrechtsprechung verwerfen.

4. Im Bereich von Generalklauseln und unbestimmten Rechts

begriffen ist die Art und Weise der Grundsatzrechtsprechung unbelastet von der Problematik der grunds?tzlichen Legitima tion zur richterlichen Rechtsfortbildung. Am greifbarsten in stark wertausf?llungsbed?rftigen Begriffen, wie ?Treu und

27 BVerfGE 34, 269 ff. [= JZ 1973, 662 mit Anm. v. K?bler] (betr. Schadensersatz wegen Pers?nlichkeitsrechtsverletzung) f?r die Anerken nung der Rechtsfortbildungsbefugnis der Gerichte; monographisch zuletzt J. Ipsen, Richterrecht und Verfassung 1975, mit vierteiliger Typologie zum Richterrecht, S. 63 ff.

28 Streng genommen ist ?ber jeden ?Einzelfall" in typisierender, ver allgemeinerungsf?higer Weise, also immer ?ber ?F?lle dieser Art" zu entscheiden, wie selten auch die Kombination der rechtserheblichen Um st?nde des anh?ngigen Falles und infolgedessen gering die Wahrschein lichkeit einer Wiederholung sein mag, vgl. Larenz (Fn. 8), S. 300; Zippe lius (Fn. 8), S. 101 ff.; Richter (Fn. 21), JZ 1974, S. 349 1. Sp.; K. F. R?hl,

Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, 1974, S. 33, 61. 29 So auch Dieterich (Fn. 2), RdA 1974, 187. so Uber Zunahme von Typisierung und Normierung allgemein im

Rechtsleben Fischer (Fn. 26), S. 23 f. 31 Hilger (Fn. 1), S. 121; f?r das Verwaltungsrecht H. Heinrich in

Arndt/Heinrich/Weber-Lortsch, Richterliche Rechtsfortbildung, 1970, S. 44 und W'eber-Lortsch ebd., S. 47; Heusinger (Fn. 1), S. 189 Fn. 99.

32 Wo diese Kenntnis fehlt, k?nnen die Gerichte auch punktuell bei der ?Einzelfallentscheidung" nicht rechtsfortbildend t?tig werden (als Beispiel dazu BGH NJW 1969, 98 ff., betr. das Quotenvorrecht der So zialversicherung) .

33 Treffend Dieterich (Fn. 2), RdA 1974, 187. 34 So insbesondere auch K?tz (Fn. 2), AcP 175, 364. 35 Andernfalls w?re es auch um die Leistungsf?higkeit der Rechtswis

senschaft schlecht bestellt.

36 Ansatzweise ?berlegungen zur prozessualen und organisatorischen Erweiterung der Wissensbasis der Gerichte bei K. J. Hopt, Was ist von den Sozialwissenschaften f?r die Rechtsanwendung zu erwarten? JZ 1975, 341 ff., 348 f.; vgl. auch Gottwald (Fn. 19), S. 162 ff.

37 ? 546 ZPO; ? 72 ArbGG; ? 132 VwGO; ? 160 SGG; ? 115 FGO. 38 Vgl. Diederichsen (Fn. 26), S. 54 f.; Fischer (Fn. 26), S. 22; das Ge

setz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung ist ein Beispiel aus letzter Zeit.

3? Vgl. zuletzt Heusinger (Fn. 1), S. 81 ff. 40 So lag es . B. im Fall BGH LM Nr. 13 zu 1353 BGB, wo sich der

BGH grunds?tzlich mit der heute nicht mehr selbstverst?ndlichen Pflicht der Ehegatten zur Mitarbeit im Beruf und Gesch?ft des anderen einge hender befa?te, als es die Fallentscheidung gebot. In diesem Sinne infor mativ auch das Obiter Dictum in GH 46, 389 ff.: Bei Berufst?tigkeit beider Ehegatten sei der Mann verpflichtet, im Haushalt zu helfen. ?

Vgl. auch Heinrich (Fn. 28), S. 30; f?r die Verfassungsrechtsprechung nun M. Kriele NJW 1976, 779. ? Vern?nftig ausgreifend auch neuerdings BSG NJW 1976, 689 ff.; BAG NJW 1976, 990.

41 BVerfGE 33, 189; R?hl (Fn. 28) S. 258, 266 ff. 42 So deutlich K. Lorenz, Kennzeichen gegl?ckter richterlicher Rechts

fortbildungen, 1964, S. 11 f.

This content downloaded on Sun, 6 Jan 2013 15:12:16 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

756 Schmidt, Darlehn, Darlehnsversprechen und Darlehnskrediter?ffnung im Konkurs JZ 1976

Glauben", ?gute Sitten", ?wichtiger Grund", ?Gemeinwohl" u. v. a. stecken Erm?chtigungen zur Rechtsetzung an Verwal

tungsbeh?rden und Gerichte, so da? sich die Frage nach dem

?Wie" der Konkretisierung hier von der Kompetenzfrage wirklich isolieren l??t. Zugleich sind das Orientierungsbed?rf nis der Betroffenen besonders hoch und die Rechtsanwen

dungsgleichheit ohne n?here Richtlinien sehr gef?hrdet. Unaus

weichlich m?ssen daher die Gerichte rechtssatzm??ige, subsum

tionsf?hige Obers?tze (genauer: Zwischens?tze) von fall?ber

greifender Reichweite selbst bilden. Hierzu stellt Schl?ter (S. 119) denn auch die vollauf billigenswerte Maxime auf: ?Eine richterliche Entscheidungsregel darf nur so allgemein formuliert sein, da? sie Fallgruppen (-typen) erfa?t, die mit

dem zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt rechtlich ver

gleichbar und f?r den Richter in ihren Besonderheiten ?ber

schaubar sind." Die ?berschaubarkeit und als Folge hiervon

die Wertungssicherheit ist, wie gesagt, unverzichtbare Voraus

setzung jeder obergerichtlichen Regelungsaussage, sofern darin

definitiv Stellung genommen wird und ihr somit kraft der Autorit?t des Revisionsgerichts pr?sumtive Verbindlichkeit

zukommt.

5. Diese ?berlegung f?hrt uns zu einer weiteren wichtigen

Gruppe von u. U. n?tzlichen, wenn auch nicht fallnotwendigen

Ausf?hrungen: die mannigfachen Formen der Ank?ndigung und der Erw?gung von k?nftigen Rechtsprechungs?nderun gen

44 (auch der Bekr?ftigung angegriffener Standpunkte). Ur

teilstechnisch ja stets als Obiter Dicta auftretend'45, k?nnen

Bemerkungen dieser Art, die nicht immer eine schon fertige

?berzeugung des Gerichts zum Ausdruck bringen, je nach Sach

lage und Formulierung f?r Rechtssicherheit wie materielle Ge

rechtigkeit Nutzen stiften. Die Verk?ndung fortan ma?gebli cher Rechtsauffassungen des Revisionsgerichts (das sog. pro

spective overruling) dient dem Rechtsfrieden, hilft Prozesse

vermeiden und f?rdert die Rechtsdurchsetzung46, vorausge setzt: die in Aussicht genommenen ?nderungen sind wohl

durchdacht. Dicta von schw?cherer normativer Aussagekraft, Wie Verlautbarungen ?ber die blo?e M?glichkeit k?nftiger Rechtsprechungs?nderungen, Zweifel ( . B. an der Verfassungs

m??igkeit einer Norm) sowie Andeutungen ?ber neu einzu

schlagende Wege verunsichern zwar f?r eine Weile, zerst?ren

mindestens den Schein der Rechtssicherheit47 und schaffen u. U. bis zur endg?ltigen Festlegung einen f?r die aktuell be

troffenen B?rger unguten Schwebezustand. Daf?r aber vermag ein solches Verfahren ganz erheblich die Chancen zu steigern, da? schlie?lich durch gemeinsame Anstrengungen von Ge

richtspraxis, Rechtswissenschaft und interessierter ?ffentlich keit befriedigende und dauerhafte Regeln erarbeitet werden 48.

Denn Hinweise in h?chstrichterlichen Entscheidungen, die er

kennen lassen, da? das Gericht eine Norm f?r verfassungswid

rig oder bestimmte Probleml?sungen noch nicht f?r ausgereift oder f?r nicht mehr befriedigend h?lt, sollten von der Wissen

schaft als ?Forschungsauftr?ge" 49, von der interessierten ?f

fentlichkeit (insbesondere den Interessen verb?nden) gleichfalls als Aufruf und Gelegenheit, relevante Gesichtspunkte beizu

steuern, aufgefa?t werden 50. Dieses Potential an Hilfsmitteln zur Rechtsgewinnung ist um so wertvoller, je beschr?nkter die

Leistungskraft der Gesetzgebung ist, je mehr das Recht als

Instrument gesellschaftlicher Steuerung verstanden und infol

gedessen der Rechtsprechung in hohem Ma?e Zukunfts- und

Folgenorientierung51 abverlangt werden. Es sollte darum trotz

gewisser damit verbundener Beeintr?chtigungen der Rechtssi

cherheit m?glichst stark aktiviert werden. Auch hierf?r sind

Obiter Dicta geeignet. Obiter Dicta stellen sich nach allem als sehr vielseitig ver

wendbare Instrumente dar, um Rechtsbildung und Rechtsver

wirklichung g?nstig zu beeinflussen; eine nutzbringende

Handhabung verlangt von den rechtsanwendenden Organen, insbesondere den Revisionsgerichten, zwar einiges mehr an

Sachkenntnis, Urteilsverm?gen und zumindest kurzfristig auch an Arbeitsaufwand als eine karge, eng am Fall bleibende Be

gr?ndungsweise; da? diese Mehranforderungen erf?llt werden

k?nnen und angemessene Resonanz bei den Adressaten finden

werden, darf nach den bisherigen Erfahrungen aber angenom men werden.

43 Grundlegend dazu M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 1967, S. 243 ff.

44 Eingehend R. Birk, Die Ank?ndigung von Rechtsprechungs?nderun gen (Rechtssoziologische und methodologische Bemerkungen zum Urteil des BAG . 26. 10. 1973), JZ 1974, 737.

45 Vgl. Birk (Fn. 44) JZ 1974, 739. 46 S. Wolf bei Fn. 25.

47 Vgl. auch K?tz (Fn. 2), AcP 175, 365. 48 Hierzu beispielhaft BAG 21, 245 und BAG JZ 1974, 770 (s. Fn. 44). 49 S. nun N. Achterberg, Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in

verfassungsrechtlicher Sicht, JZ 1975, 713 zu BAG JZ 1974, 770 (betr. ? 75 Abs. 3 HGB).

so Hilger (Fn. 1), S. 120; Dieterich (Fn. 2), RdA 1974, 187, 188; Mer tens, VersR 1974, 519; w. Nw. bei Aditerberg (Fn. 49), JZ 1975, 713 Fn. 1; vgl. auch Heusinger (Fn. 1), S. 190.

si Dazu einerseits N. Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik 1974, bes. S. 13 f., 39 ff.; andererseits G. Teubner, Folgenkontrolle und respon sive Dogmatik, Rechtstheorie 6 (1975), S. 170 ff.; ferner Kilian (Fn. 8) bes. S. 207 ff. u. zustimmend R. Bender, JZ 1976, 567 f.; W?lde (Fn. 10).

Darlehn, Darlehnsversprechen und Darlehnskrediter?ffnung im Konkurs

Von Wiss. Rat und Professor Dr. KARSTEN SCHMIDT, G?ttingen *

Die konkursrechtliche Behandlung des Darlehens ist wenig

gekl?rt. Angesichts der gro?en Bedeutung, die Kreditgesch?f ten im Vorfeld der Insolvenz zukommt, ?berrascht das auf den

ersten Blick. Die Erkl?rung liegt aber wohl darin, da? die

konkursrechtlichen Schwierigkeiten bei Kreditgesch?ften im

Normalfall nicht solche des Darlehnsrechts sind. Es wird ja i. d. R. der Kreditnehmer sein, der in Konkurs f?llt, und deshalb

wird es meist um das Konkursrisiko des Kreditgebers gehen. Dieses ist, solange das Darlehen nur versprochen und nicht ge w?hrt ist, durch ? 610 BGB und durch das in den Kreditbedin gungen der Kreditinstitute vorbehaltene L?sungsrecht1 in

praktisch meist ausreichender Weise gekl?rt. Ist der Kredit dem

Gemeinschuldner bereits gew?hrt, so wird typischerweise nicht um das Schicksal des Darlehnsvertrags, sondern um Konkurs

vorrechte aus Sicherheiten gestritten. Da? allerdings dar?ber

die insolvenzrechtlichen Probleme des Darlehns und der bank

rechtlichen Kreditgesch?fte geradezu vernachl?ssigt worden

sind, ist ein Mangel, den es abzustellen gilt. Ein Schritt in dieser

Richtung und Diskussionsbeitrag soll hier versucht werden.

I. Insolvenzrechtliche Nachwirkungen der Realvertragslehre und ihre ?berwindung

Bis in die Gegenwart ist die insolvenzrechtliche Behandlung des Darlehns gepr?gt von der im schuldrechtlichen Schrifttum

bekanntlich weitgehend aufgegebenen2 Realvertragslehre.

* Abgeschlossen Juni 1975.

1 Vgl. Position 7 der Kreditbedingungen bei Sch?tz, Bankgesch?ftliches Formularbuch, 18. Ausgabe 1969, S. 307 (Muster 213); nach Nr. 17 der AGB der Banken (Ausgabe Januar 1976) kann ?berdies die Gesch?ftsver

bindung im ganzen oder eine einzelne Gesch?ftsbeziehung ?aufgehoben" werden, ?wenn der Kunde unrichtige Angaben ?ber seine Verm?genslage gemacht hat oder eine wesentliche Verschlechterung seines Verm?gens oder eine erhebliche Verm?gensgef?hrdung eintritt"; dazu Erman in Ge d?chtnisschrift R. Schmidt, 1966, S. 261 (272 f.).

2 Vgl. nur Esser, Schuldrecht, Bd. 2, 4. Aufl. 1971, S. 209; Larenz, Schuldrecht, Bd. 2, 10. Aufl. 1972, S. 190 ff.; Sch?nle, Bank- und B?rsen recht, 2. Aufl. 1976, S. 138 f.; vielfach stellt man allerdings, aufgrund eines

m. E. ungl?cklichen Verst?ndnisses der Privatautonomie, die Gestaltung als Real- oder Konsensualdarlehn zur Disposition der Parteien; insb. Fi

This content downloaded on Sun, 6 Jan 2013 15:12:16 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions